Das süße Messer - Jochen Jung - E-Book

Das süße Messer E-Book

Jochen Jung

4,5

Beschreibung

So begann sie über die Liebe nachzudenken, aber ein richtiges Nachdenken wurde wieder nicht daraus, vielmehr wiederholte sie das Wort "Liebe" sechs-, sieben- oder achtmal in ihrem Kopf, und sie hörte erst damit auf, als sie meinte, das Wort laut ausgesprochen zu haben. Sie würde morgen, nüchtern und ausgeschlafen, mit dem Nachdenken ernst machen, schließlich war sie das zwar nicht diesen Männern, aber sich selbst schuldig, und sie beugte sich vor, um nach ihrem Glas zu greifen. War nicht eben noch alles aufs Beste eingerichtet im Leben von Ute Cantz? Aber so schnell kann es gehen mit den Verwirrungen der Gefühle, wenn sich plötzlich die Liebe einmischt. Leicht und mit Schwung erzählt Jochen Jung die Geschichte einer folgenreichen Begegnung.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 133

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
4,5 (18 Bewertungen)
11
5
2
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Titel

Jochen Jung

Das süße Messer

Eine Novelle

Zitat

„Lieben Sie mich.“ – „Ich werde Sie lieben.“

Balzac

1

„Was weißt du denn schon von der Liebe?“, hatte ihre Tochter mit hoher, sich überschlagender Stimme geantwortet, während sie mit flinken Fingern ihren blonden Pferdeschwanz zweifach durch einen Gummiring zog. Gleich darauf hatte sie, dort am Küchenfenster im Hellen stehend, wie abwesend wieder zu ihrer Tasse gegriffen und dabei etwas Kaffee verschüttet, aber so, dass die paar Tropfen, die übergeschwappt waren, von der Untertasse aufgefangen wurden, die sie in der Linken balancierte. Ute hatte, sehr leise, aber ebenso bestimmt, gesagt: „Alles.“ Und als die Tochter, zitternd in ihrem Zorn, in dem morgendlichen Küchenlicht mehr schrie als nachfragte: „Was hast du gesagt?“, da zögerte sie nur wenig und sagte dann, wobei sie ihrem Kind direkt in die Augen sah: „Nichts. Gar nichts weiß ich davon.“

Die Sonne stand am Himmel wie eine Kreissäge, und es sah aus, als habe sie das Fenster gerade erst aus der Wand geschnitten, um, wem auch immer, den Blick auf die beiden streitenden Frauen freizugeben. Ruth stand da auf dem weißen Trapez aus Licht, das auf dem Küchenboden lag wie ein benutztes Badetuch, und atmete hörbar und rasch.

Die Mutter war, was das Aussehen anging, so ziemlich das Gegenteil der Tochter: Sie war nicht besonders hübsch, hatte aber für ihr Alter – es war der Vorabend ihres fünfzigsten Geburtstags – immer noch eine auffallend gute Figur, wenn man von den Beinen einmal absah. Ruth hingegen, flach und eckig, hatte Beine, die sie zwar nahezu ausschließlich in Jeans versteckte, die ansonsten aber ein kleiner Grund für das Stolze in ihrer hübschen Miene hätten sein können, was ihrem Wesen allerdings ganz und gar nicht entsprach: Stolz war Ruth Cantz nicht, und sie hätte nicht einmal Gründe für das Gegenteil gewusst. Stolz war für sie kein Thema.

Es versprach, ein heißer Tag zu werden. Schon in der Früh war der Himmel wolkenlos gewesen, geradezu bedenkenlos, und die Temperaturen schienen Ute jedes Mal, wenn sie hinausschaute, noch einmal gestiegen zu sein. Sie hatte sich entschieden zu warm angezogen.

Erst als sie kurz darauf im Auto saßen, zog sie die Jacke aus, als habe sie auf die unbequemste Möglichkeit gewartet, es sich etwas bequemer zu machen. Sie war verlegen, und zum Glück war Ruth, die darauf bestanden hatte, das Auto ihrer Mutter zu fahren, viel zu sehr mit sich selbst und dem Lenken beschäftigt, als dass sie es gemerkt hätte.

„Kann das wahr sein, dass wir jetzt dankbar sind für meinen Krankenhaustermin, nur weil wir uns dann nicht weiter streiten werden?“

„Man kann sich auch im Auto sehr gut streiten. Hast du noch nie vor einer Ampel gestanden und links oder rechts von dir eines dieser Paare gesehen, das sich anschrie, ohne dass du etwas gehört hast? Ach, Ruth, du solltest deine Mutter gut genug kennen, um zu wissen, dass sich das Streiten mit ihr nicht lohnt.“

„Es geht nicht ums Streiten.“ Ruth sprach jetzt fast tonlos, den Blick nach vorn gerichtet und offensichtlich entschlossen, grundsätzlich zu werden. „Es geht um mich. Um das Leben, das du mir vor langer Zeit mit einer dicken rosa Schleife in den Schoß gelegt hast, stolz auf dein Geschenk. Mit dem du mich beim Auspacken dann aber ziemlich allein gelassen hast.“

„Das machen alle Mütter, wenn sie vernünftig sind“, hatte Ute gerade noch gesagt, selbst unzufrieden mit dieser Antwort, als Ruth fest auf die Bremse trat und ihre Mutter nach vorn geworfen wurde, sodass der Gurt zwischen ihren Brüsten ruckartig hart wurde, als sei sie gegen einen Laternenpfahl gerannt. Das Quietschen der Reifen, Ruths Fluch und eine nicht nachlassende Hupe von einem der Autos um sie herum gaben der Situation etwas Unbeherrschtes, und eine Minute später sahen sie auch schon die beiden gleichsam ineinander verhakten Autos vor ihnen und daneben eine schreiende junge Frau, auf die ein Mann mittleren Alters in einem zotteligen Pullover einsprach, als wollte er sie dazu überreden, doch endlich mal einen Arzt aufzusuchen.

Es war vermutlich nichts wirklich Ernstes passiert. Die beiden Frauen waren dennoch froh, niemand von denen da draußen zu sein, sondern in ihrem Auto zu sitzen, nebeneinander. Ruth gab sich erleichtert, fast als habe sie diesen Vormittag schon hinter sich. Während sie langsam weiterfuhren, sah Ute im spiegelnden Rückfenster des Autos vor ihnen einen scheinbar abstürzenden Vogel. Vielleicht eine Möwe, dachte sie, wieso gibt es hier eigentlich Möwen? Dann las sie auf einem großen Transparent, das etwas schlaff an einer Kirche hing, die Worte ,Jesus lebt!‘, und gleich ging es durch ihren Kopf: Und ich? Wenig später öffnete sich vor ihnen die Tiefgarage, von der aus es nicht weit zum Allgemeinen Krankenhaus war.

So war es bei Ruth, wenn sie etwas zu erledigen oder, wie sie fand, zu bewältigen hatte, irgendetwas, das die üblichen Anforderungen nur ein wenig überschritt, geschweige denn, wie an diesem Morgen, mehr als ein wenig: Vor nahezu allem, was sie zu tun hatte, lag für sie eine kleine oder größere Hürde, die sie überspringen musste und vor der sie auch oft genug schon umgekehrt war. An diesem Tag hatte sie sich in der Boutique, in der sie arbeitete, vorsichtshalber nicht nur den Vormittag, sondern gleich auch den Nachmittag freigenommen.

Die Hürde, die jetzt vor ihr lag, war einigermaßen hoch, es durchfuhr sie gerade in dem Moment wieder, als der Wagen die abschüssige Schleife in das untere der beiden öden Garagenstockwerke rollte. Es war sehr voll, die Frauenparkplätze, die sie immer zuerst anfuhr, waren alle belegt, und sie musste ziemlich weit zu einer der hinteren Reihen fahren und dort, eingezwängt zwischen zwei Pick-ups, einparken.

Die Gynäkologie aufzusuchen, hatte ihr zwei Nächte zuvor Markus, ihr derzeitiger Liebhaber, vorgeschlagen, der Arzt war, wenn auch noch in der Ausbildung. Kurz bevor er dann unversehens einschlief, hatte die Art, mit der seine Linke sich um ihre Brüste kümmerte, beiläufig vom Sanften ins Prüfende gewechselt, was ihr nicht entgangen war. Zwei-, dreimal war daraufhin die Angst in heißen Wellen in ihr aufgestiegen, aber noch am heutigen frühen Morgen hatte sie beschlossen, ruhig zu bleiben, und das war ihr zu ihrer eigenen Überraschung auch ganz gut gelungen, bis zur Ankunft ihrer Mutter, die darauf bestand, sie zum Krankenhaus zu bringen. Dann allerdings, kaum dass Ute sie etwas zu fest in den Arm genommen hatte, hatte sie ihre Tränen aufsteigen gespürt und war aggressiv geworden. Und natürlich war schon bald die Sprache wieder einmal auf die so rasch wechselnden Männerbekanntschaften Ruths gekommen.

Die Hürde Krankenhaus hatte sie eigentlich allein nehmen wollen.

2

Der dunkle Glanz auf der gegenüberliegenden Wand schimmerte plötzlich metallisch auf, grünlich und violett wie das feuchte Glänzen von Seifenblasen. Es schien Ute so, als läge die Quelle dieses Glanzes im Innern der Wand oder vielleicht sogar dahinter. Was da für Sekunden aufleuchtete, war ebenso schnell wieder verschwunden, war von dem matten Dunkel aufgesogen, das da schon vorher geherrscht hatte und sich jetzt noch auszubreiten schien. Die Tiefgarage kam ihr vor wie eine Krypta, der die dazugehörige Kathedrale fehlte.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!