Das Value-Investing-Handbuch - John Mihaljevic - E-Book

Das Value-Investing-Handbuch E-Book

John Mihaljevic

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Beschreibung

Erstmals fasst John Mihaljevics Value-Investing-Handbuch die bewährten Strategien der besten Value-Investoren der Welt zusammen. Benjamin Graham, Warren Buffett, Seth Klarman oder Felix Zulauf – mit welchen Methoden arbeiten die Profis? Mihaljevic stellt Ihnen die neun wichtigsten Strategien wertorientierten Investierens vor und analysiert die Vor- und Nachteile. Schritt für Schritt lernen Sie als Investor die besten Investments zu finden, zu bewerten und umzusetzen. Zusätzlich lässt er die erfolgreichsten Hedgefonds-Manager der Welt zu Wort kommen, die oft auch Value-Investoren sind: David Einhorn, der selbst den Apple-Konzern das Fürchten lehrt, oder Felix Zulauf, einer der erfolgreichsten Schweizer Vermögensverwalter. Das Value-Investment-Wissen der Profis – erstmals gesammelt und bewertet.

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Seitenzahl: 527

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:[email protected]

3. Auflage 2019

© 2015 by FinanzBuch Verlag,

ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Dieses Buch will keine spezifischen Anlage-Empfehlungen geben und enthält lediglich allgemeine Hinweise. Autor, Herausgeber und die zitierten Quellen haften nicht für etwaige Verluste, die aufgrund der Umsetzung ihrer Gedanken und Ideen entstehen.

All rights reserved. This translation published under license with the original publisher John Wiley & Sons, Inc. Copyright © 2013 by John Mihaljevic. All rights reserved. Published by John Wiley & Sons, Inc., Hoboken, New Jersey. Die Originalausgabe erschien 2013 unter dem Titel »The Manual of Ideas«. All rights reserved.

Übersetzung: Sascha Mattke, www.transcreators.de

Redaktion: Matthias Michel

Korrektorat: Leonie Zimmermann

Umschlaggestaltung: Kristina Spörl, München

Umschlagabbildung: unter Verwendung von iStock-Bildern

Satz: EDV-Fotosatz Huber/Verlagsservice G. Pfeifer, Germering

ISBN Print 978-3-89879-888-4

ISBN E-Book (PDF) 978-3-86248-673-1

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86248-674-8

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.finanzbuchverlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Inhalt

Geleitwort von Prof. Dr. Max Otte

Vorwort

Einleitung

Kapitel 1: Ein höchst persönliches Unterfangen: Was möchten Sie besitzen?

Das Geld Warren Buffett geben oder selbst investieren?

Sehen Sie sich selbst in der Rolle des Kapitalverteilers

Denken wie ein Eigentümer

Ein Modell für die Aktienauswahl

Zusammenfassung

Kapitel 2: Deep Value: Schnäppchen machen wie Benjamin Graham

Wie der Ansatz funktioniert

Investieren wie Benjamin Graham: Richtiges Vorgehen und häufige Fehler

Filterkriterien für die Suche nach Schnäppchen im Stil von Graham

Nach dem Screening: Eine Liste von Deep-Value-Kandidaten analysieren

Bei Graham-Schnäppchen die richtigen Fragen stellen

Zusammenfassung

Kapitel 3: Unterbewertung nach Summe-der-Teile-Analysen

Wie der Ansatz funktioniert

Investieren in Unternehmen mit übersehenen Aktiva: Richtiges Vorgehen und häufige Fehler

Filterkriterien für die Suche nach Unternehmen mit unterschiedlichen Aktiva

Nach dem Screening: Bewährte Methoden zum Auffinden versteckter Aktiva

Bei Unternehmen mit versteckten Vermögenswerten die richtigen Fragen stellen

Zusammenfassung

Kapitel 4: Joel Greenblatts magische Formel für gute und billige Aktien

Wie der Ansatz funktioniert

Investieren in gute und billige Unternehmen: Richtiges Vorgehen und häufige Fehler

Filterkriterien für die Suche nach guten und billigen Unternehmen

Nach dem Screening: Die ewige Hoffnung auf Verbesserungen

Bei Magische-Formel-Aktien die richtigen Fragen stellen

Zusammenfassung

Kapitel 5: Jockey-Aktien

Wie der Ansatz funktioniert

Investieren in Jockeys: Richtiges Vorgehen und häufige Fehler

Filterkriterien für die Suche nach Jockey-Aktien

Nach dem Screening: Eine Visitenkartensammlung hervorragender Manager aufbauen

Die richtigen Fragen zum Management stellen

Zusammenfassung

Kapitel 6: Den Besten folgen

Superanleger heißen nicht umsonst Superanleger

Superanlegern folgen: Richtiges Vorgehen und häufige Fehler

Filterkriterien für die Suche nach Unternehmen in den Portfolios von Superanlegern

Die Superanleger aus Buffett-Stadt

Nach dem Screening: Was macht ein Unternehmen für Superanleger attraktiv?

Zusammenfassung

Kapitel 7: Kleine Aktien, große Rendite?

Wie der Ansatz funktioniert

Investieren in kleine Unternehmen: Richtiges Vorgehen und häufige Fehler

Filterkriterien für die Suche nach vielversprechenden Small- und Mikro-Cap-Anlagen

Nach dem Screening: Weitere Wege zu überzeugenden Small- und Mikro-Cap-Ideen

Bei interessanten Small Caps die richtigen Fragen stellen

Zusammenfassung

Kapitel 8: Sondersituationen

Wie der Ansatz funktioniert

Investieren in Sondersituationen: Richtiges Vorgehen und häufige Fehler

Sondersituationen entdecken

Bei Sondersituationen die richtigen Fragen stellen

Zusammenfassung

Kapitel 9: Abriss-Aktien

Wie der Ansatz funktioniert

Investieren in Abriss-Aktien: Richtiges Vorgehen und häufige Fehler

Filterkriterien für die Suche nach Abriss-Aktien

Nach dem Screening: Dem Krankenwagen nachjagen

Bei Abriss-Aktien die richtigen Fragen stellen

Zusammenfassung

Kapitel 10: Value-Investitionen im internationalen Bereich

Wie der Ansatz funktioniert

Investieren in internationale Aktien: Richtiges Vorgehen und häufige Fehler

Filterkriterien für die Suche nach internationalen Aktien

Nach dem Screening: Regionalen Experten auf der Spur bleiben

Bei internationalen Aktien die richtigen Fragen stellen

Zusammenfassung

Über den Autor

Literaturverzeichnis

Nachweise

Über den Herausgeber

»Intelligente Anleger werden dieses Buch sorgfältig studieren und hoffen, dass nur wenige andere das ebenfalls tun.«

– Bryan Lawrence, Gründer von Oakcliff Capital

»Ein fantastisches, äußerst kluges Buch für Amateure wie für Profianleger. John Mihaljevic hat einen Anlagediamanten mit breitem Themenfeld geschaffen und ihn in eine überzeugende Form geschliffen.«

– Allan Mecham, Gründer von Arlington Value Capital

»Hochinteressant zu lesen und sehr nützlich. Die Strategien in Das Value-Investment Handbuch geben Anlegern konkrete und solide Chancen, Portfolios aller Art zu optimieren.«

– Dave Sather, President von Sather Financial Group, Inc.

»John Mihaljevic ist Herausgeber des in meinen Augen besten Anlage-Newsletters dieses Planeten – eigentlich eher ein häufig aktualisiertes Handbuch der Geldanlage. Sein fantastisches Buch steckt voll herausragendem Anlagewissen, gesammelt bei den Besten und zusammengestellt vom vielleicht besten Experten für Value-Investing überhaupt. Wer es liest, muss einfach mehr Erfolg bei der Geldanlage haben. Danke, John, für Deine herausragenden Dienste für die Gemeinschaft der Value-Anleger.«

– Mohnish Pabrai, Managing Partner bei Pabrai Investment Funds

»Das Value-Investment Handbuch ist ein umfassendes Buch über Geldanlage, das leicht verständlich unterschiedliche Möglichkeiten erklärt, um sich in der komplexen weltweiten Anlagelandschaft zurechtzufinden. Es bietet eine Fülle von Erklärungen und beschreibt konkrete Methoden, Strategien und Ansätze, um ein hervorragender Anleger zu werden. Das Buch erklärt, wie einige der besten Anleger der Welt Ideen generieren, Geschäftsmodelle bewerten und Fondsmanager auswählen. Erfolgreiche Geldanlage erfordert Flexibilität und Originalität. Doch als Grundlage ist stets ein diszipliniertes analytisches Vorgehen erforderlich, bei dem Bewertung und Steuerung von Risiken im Vordergrund stehen. Ich würde Das Value-Investment Handbuch allen Anlegern vom Anfänger bis zum erfahrenen Praktiker dringend empfehlen.«

– Paul Lountzis, President von Lountzis Asset Management, LLC

»John Mihaljevic hat unzählige Stunden lang mit den besten Anlegern der Welt gesprochen und verfügt über reichlich eigene Erfahrung und Wissen. Das Value-Investment Handbuchliefert dem Leser einen gewaltigen Werkzeugkasten für die Ideengenerierung. Das Buch deckt das gesamte Spektrum an Ansätzen für Value-Investing ab und füllt sie über lehrreiche Beispiele aus der Praxis mit Leben. Mit seiner Kombination aus wirksamen Werkzeugen und interessanter Aufklärung bietet das Buch eine hohe Rendite auf den Kaufpreis!«

– Jason Dunn, CFA, Gründer und Portfoliomanager, White Bison Capital

Geleitwort

von Prof. Dr. Max Otte*

Ich kenne John Mihaljevic und seinen Bruder Oliver nun seit über fünf Jahren. Beide haben sich seit 2005 dem Aufbau einer erstklassigen monatlichen Publikation für professionelle Value-Investoren gewidmet, dem Manual of Ideas (sinngemäß »Nachschlagewerk der Investmentideen«). Diese Publikation, die von Top-Investoren auf der ganzen Welt geschätzt wird, gibt etwas vom Charakter von John und Oliver wieder: kompetent, gründlich, ausdauernd und bereit, ihr Wissen mit anderen zu teilen. Und dazu ehrlich und bescheiden, zwei Eigenschaften, die sich in der Finanzbranche selten finden.

Nun legt John die Essenz seiner Methode in einem Buch dar, das für Privatanleger und Profis gleichermaßen geeignet ist. Das Value-Investment-Handbuch wird zum neuen Standardwerk des Value-Investing werden: umfassend, verständlich und klar geschrieben und auf dem neuesten Stand. Damit wird sich das Buch in die Reihe von Klassikern wie Benjamin Graham’s Intelligent Investor oder Bruce Greenwald’s Value Investing einreihen. Es ist allerdings kein Buch für den absoluten Anfänger. Etwas sollten Sie schon von der Betriebswirtschaftslehre, Bilanzen und Finanzen verstehen, um den optimalen Nutzen aus dem Buch zu ziehen.

Der faszinierende Werdegang Johns zeigt, wie viel weltmännische Erfahrung er trotz seiner relativ jungen Jahre angesammelt hat: In Deutschland geboren, teilweise in Kroatien aufgewachsen, dann in München Abitur gemacht, an der Yale-Universität als Assistent von Nobelpreisträge James Tobin gearbeitet und sein Studium mit Bestnoten abgeschlossen. Dazu für dieses Buch über einhundert herausragende Value-Investoren persönlich zu ihren Methoden und Ideen interviewt. Von solch einem Menschen könnte man eigentlich erwarten, dass er Hedgefondsmanager wird und sein Wissen nur für sich selber nutzt. Und obwohl John eine eigene Investmentpartnerschaft hat, ist es klar, dass sein Herzblut der Wissensverbreitung gilt.

John stellt in seinem Buch insgesamt neun Ansätze und Stile des Value-Investing vor, beginnend mit dem klassischen Net-Net-Ansatz von Benjamin Graham. Der Urvater des Value-Investing kaufte gerne Aktien, deren Börsenwert unter ihrem Nettoumlaufvermögen lag und kümmerte sich nicht allzu sehr um die aktuelle Geschäfts- und Gewinnsituation. Wenn Sie meinen, dass diese Art des Investierens keine Bedeutung mehr hat, denken Sie zweimal darüber nach. Sowohl während des Katers nach der sogenannten New Economy 2003 als auch während der Finanzkrise von 2008 bis 2009 ließen sich mit dieser Methode hervorragende Investments finden.

Weitere, von John vorgestellte Methoden, sind die Analyse der Summe der Teile eines Unternehmens nach ihrem Wert, Joel Greenblatts »magische Formel«, die Auswahl von guten Unternehmensmanagern, die Beobachtung guter Investmentmanager, das Investment in kleinere Unternehmen sowie weitere Methoden. Jedes Mal stellt John die Methode vor, beschreibt das richtige Vorgehen und häufige Fehler und liefert eine Liste der richtigen Fragen.

Dabei merkt man, dass John die psychologischen Herausforderungen des aktiven Investors genau kennt und nicht nur die finanzwirtschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Aspekte der Methode beschreibt. Dieser aktive Erfahrungsschatz macht das Buch besonders wertvoll und kann angehende Value-Investoren vor etlichen Fehlern bewahren, wenngleich fast jeder außer einer Handvoll Superinvestoren an der Börse auch Lehrgeld bezahlen wird.

Danke John, für dieses Buch! Es wird mir ein ständiger Begleiter in meiner eigenen Investmentpraxis sein.

Max Otte

* Professor für quantitative und qualitative Unternehmensanalyse und -diagnose an der Karl-Franzens-Universität Graz. Er ist Berater des Max Otte Vermögensbildungsfonds (WKN: A1J3AM) und des PI Global Value Fonds (WKN: A0NE9G) mit zusammen ca. 300 Millionen Euro verwaltetem Vermögen.

Vorwort

Als John Mihaljevic mich bat, ein Vorwort für dieses Buch zu schreiben, war ich erstaunt, fühlte mich geehrt und sagte sofort zu. Ich musste nicht lange überlegen, denn ich schätze Johns Arbeit und bin sehr dankbar für den intellektuellen Austausch und das, was ich über die Jahre durch die Lektüre seines Newsletters Manual of Ideas gelernt habe.

Bei seiner Arbeit zeigt John Forschergeist und echten Hunger nach Informationen – immer geleitet vom Willen, ein noch besserer Anleger zu werden. Noch wichtiger und sehr großzügig von ihm: Er behält sein Wissen und seine Ideen nicht für sich, sondern gibt sie bereitwillig weiter. Und auch indem er uns zeigt, wie er durch den Austausch mit anderen intelligenten und leidenschaftlichen Anlegern weiter dazulernt, ist er ein wunderbares Vorbild.

John zeigt uns, wie er lernt. Auf diese Weise können auch wir als Leser herausfinden, wie wir besser lernen können.

Nebenbei berichtet er auch über seine Lebensgeschichte und wie er in seine aktuelle Position gekommen ist. Nach dieser Lektüre werden Sie mir gewiss zustimmen: Der Drang zum Lernen und Wissen sowie Kreativität machen den Großteil von dem aus, was wir als menschliche Wesen sind (oder sein sollten).

Johns Arbeit ist deutlich vom Geist wahrer Bescheidenheit geprägt. Er weiß, dass man Geldanlage aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten kann und dass es unterschiedliche Ansätze dafür gibt, zu verstehen, was ein Unternehmen wert ist und wie es sich in Zukunft entwickeln könnte. Ebenso ist er sich darüber im Klaren, dass die richtigen Antworten in einem anderen Umfeld und bei unterschiedlich hohen Anlagesummen andere sein könnten.

Das Wertvollste, was ich als Anleger mache, ist Lesen. Ich lese schon mein ganzes Leben lang gerne und danke meinen Eltern dafür, dass sie das, solange ich mich erinnern kann, gefördert haben. Wie Charles Munger einmal bemerkte: Der Kauf eines Buches ist eine der besten Investitionen, die man machen kann – für nur ein paar Dollar profitiert man von mehreren Jahren Arbeit, die ein Autor in sein Buch gesteckt hat. Ich bin ganz seiner Meinung.

Johns Buch ist für mich eine klare Empfehlung, weil es Erkenntnisse, Modelle und Methoden liefert, mit denen man das Handwerk der Geldanlage systematisch betrachten kann. Jeder, der ein guter Value-Anleger sein möchte, bringt dafür unterschiedliche Voraussetzungen und Vorgehensweisen mit. Trotzdem können und müssen wir alle immer weiter lernen, uns anpassen und unsere Arbeit verbessern.

Genau dabei kann Ihnen dieses Buch helfen. Jedes Kapitel bietet konkrete Beispiele und Erläuterungen dazu, wie erfolgreiche Anleger ihre Arbeit angehen. Erfolgreiches Investieren ist eine schwierige und einsame Aufgabe. Alle Daten und Dokumentationen, die sich finden und auswerten lassen, beziehen sich ausschließlich auf die Vergangenheit. Die Erträge aber stellen sich erst in der Zukunft ein und die ist ein wenig paradox: Einerseits ähnelt sie der Vergangenheit, andererseits ist sie vollkommen anders.

Für uns als Anleger liegt die Herausforderung darin, zu unterscheiden, was gleich bleiben wird und was sich verändert. Lesen Sie die von John in diesem Buch vorgestellten Ideen sorgfältig und denken Sie darüber nach – es wird Ihnen helfen. Ich wünsche Ihnen viel Spaß dabei!

Thomas S. Gayner

President und Chief Investment Officer, Markel Corporation

Einleitung

Value-Investing kann eine einsame Angelegenheit sein, aber es hat mein Leben auch mit vielen Freundschaften und neuen Erfahrungen durch diese Freundschaften bereichert. Die Gemeinschaft der Value-Anleger ist vielfältig, lebhaft und global. Ich bin sehr froh darüber, dass ich intensiv zu ihr beitragen konnte – unter anderem im Rahmen von VALUEx Zurich Klosters, einem jährlichen Treffen von Value-Anlegern, bei der Online-Konferenzreihe ValueConferences und bei meiner Arbeit für die monatliche Research-Publikation The Manual of Ideas, bei der es hauptsächlich um die Entwicklung von Anlageideen geht.

Die spektakulär erfolgreiche Anlagephilosophie von Warren Buffett hat begeisterte Anhänger auf jedem Kontinent und in fast jedem Land gefunden.Viele von ihnen nutzen ihre speziellen Talente, kulturelle Sensibilität und besonderen Umstände, um mit ihrem jeweils eigenen Stil von Value-Investing Erfolg zu haben. Beispiele sind Mohnish Pabrai in den USA, Prem Watsa in Kanada, Massimo Fuggetta in Großbritannien, Guy Spier in der Schweiz, François Badelon in Frankreich, Francisco García Paramés in Spanien, Ciccio Azzollini in Italien, Jochen Wermuth in Russland, Rahul Saraogi in Indien, Christopher Swasbrook in Neuseeland oder Shuhei Abe in Japan.

Zur Vorbereitung für dieses Buch habe ich mit mehr als 100 Fondsmanagern in aller Welt gesprochen und sie über das Thema Ideengenerierung befragt. Auf den folgenden Seiten können Sie also erfahren, was ich als Herausgeber von The Manual of Ideas gelernt habe – und Sie erhalten Einblicke in den Prozess der Ideengenerierung bei einigen der erfolgreichsten Anleger unserer Zeit. Ich habe Schwergewichte wie Chuck Akre, Charles de Vaulx, Jean-Marie Eveillard, Thomas Gayner, Joel Greenblatt, Howard Marks, Mohnish Pabrai, Tom Russo und Guy Spier interviewt. Interessante Erkenntnisse ergaben sich auch durch Gespräche mit jüngeren Fondsmanagern, unter denen eine neue Generation von Value-Superanlegern heranwächst. Viele dieser ausführlichen Gespräche sind als kostenlose Videos auf den YouTube-Kanälen manualofideas und valueconferences verfügbar.

In Kapitel 1 konzentriere ich mich auf die Mentalität von Value-Anlegern – sie unterscheidet sich sehr von der anderer Marktteilnehmer, die Aktien nur als wilde Linien auf einem Computerbildschirm verstehen und sich an dem beteiligen, was Keynes als bloßen Schönheitswettbewerb bezeichnete. In den Kapiteln 2 bis 10 beschäftige ich mich damit, wie Value-Anleger ihre Ideen generieren, unterteilt in neun Kategorien: »Deep Value« nach Benjamin Graham, magische Formel nach Joel Greenblatt, unterbewertete Small Caps, Summe-der-Teile-Analyse oder Suche nach verstecktem Wert, Lieblinge der Superanleger, Jockey-Aktien, Sondersituationen, Abriss-Aktien und internationales Value-Investing. Es gibt einige Überschneidungen zwischen diesen Kategorien, doch ich stelle für jede von ihnen einen leicht unterschiedlichen Ansatz vor. Ich erkläre, wie dieser sich zur Ideengenerierung einsetzen lässt und was man dabei falsch machen kann. Darüber hinaus beschäftige ich mich mit den Screening-Prozessen zur Auswahl geeigneter Aktien. Und ich belasse es nicht bei solchen rein quantitativen Methoden, sondern nenne in jeder Kategorie Kernpunkte, die es anschließend zu überprüfen gilt. Insgesamt ist dieses Buch also ein Praxisratgeber zur Ideengenerierung und zugleich eine Abhandlung über die wichtigsten Prinzipien des Value-Investing.

Jeden zu erwähnen, der Einfluss auf meine Überlegungen zur Geldanlage hatte, wäre unmöglich. Einige Mentoren allerdings waren besonders wichtig, zuallererst der Ökonomieprofessor und Wirtschaftsnobelpreisträger James Tobin. In meiner Zeit als sein wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Yale University hat er mir unglaublich großzügige Einblicke in seine Gedanken über Risiko und Asset Allocation gewährt. Auch David Swensen, Chief Investment Officer der Yale University, hat mich auf dem Weg zu value-orientierter Geldanlage deutlich weitergebracht – in seinen Seminaren kommen Studenten mit Fondsmanagern zusammen, was es sonst fast nirgendwo gibt. Guy Spier, Chief Executive Officer von Aquamarine Capital, hat mich an seinem enormen Wissensschatz über Geldanlage wie auch das Leben an sich teilhaben lassen. Warren Buffett, Charles Munger, Joel Greenblatt, Thomas Gayner und Monish Pabrai sind Vorbilder für mich. Ich konnte aus ihren Büchern lernen und zum Teil auch in direkten Kontakten, zu denen es im Rahmen von The Manual of Ideas oder ValueConferences kam. All diese Menschen hatten entscheidenden Einfluss auf mein Denken und ich danke ihnen dafür, dass sie ihr Wissen an die Gemeinschaft der Value-Anleger weitergegeben haben.

Aus meinem privaten Umfeld möchte ich meinem Bruder und Partner bei The Manual of Ideas, Oliver Mihaljevic, danken. Er ist nicht nur selbst ein hervorragender Anleger, sondern auch entschlossen wie kein anderer, dafür zu sorgen, dass Value-Investing als Fachgebiet mehr Gewicht in der Ausbildung für Finanzberufe bekommt. Oliver ist immer auf der Suche nach neuen Erkenntnissen über die Kunst der Geldanlage und ich hatte das Glück, von seinen Expeditionen profitieren zu können. Meine Ehefrau Branka hat mich beim gesamten Schreibprozess für dieses Buch enorm unterstützt und von vielen Pflichten freigehalten, die seiner Fertigstellung im Wege gestanden hätten. Meine Kinder Mark, Mia und Mateo gaben mir nicht nur einen guten Grund, diese Arbeit zu Ende zu bringen, sondern sorgten gelegentlich auch für dringend benötigte Ablenkung – manchmal sogar etwas zu viel davon. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen!

John Mihaljevic

Kapitel 1: Ein höchst persönliches Unterfangen: Was möchten Sie besitzen?

Der Mensch, das lebende Wesen, das gestaltende Individuum, ist immer wichtiger als irgendein etablierter Stil oder ein System.

Bruce Lee

Die Börse ist ein merkwürdiger Ort. Eigentlich wollen alle, die dort tätig sind, dasselbe, nämlich Geld verdienen. Doch einen universell gültigen Weg zum Erreichen dieses universellen Zieles gibt es nicht. Vielleicht sind Sie nur ein paar Mausklicks davon entfernt, das beliebte Buch The Warren Buffett Way1zu kaufen, doch bislang hat es erst ein Mensch geschafft, dem Vorbild von Buffett wirklich zu folgen. Denn bei der Geldanlage ist es schon schwierig genug, als Original Erfolg zu haben – als Nachahmer ist es so gut wie unmöglich. Jeder von uns muss eine persönliche Methode für seinen Anlageerfolg finden, selbst wenn er ein professioneller Anleger ist.

Dessen ungeachtet gibt es von herausragenden Anlegern wie Benjamin Graham, Seth Klarman oder Warren Buffett viel zu lernen, und wer auf sie hört, kann davon erheblich profitieren. Eine der wichtigsten Lehren dieser Meister der Geldanlage ist so wichtig wie einfach: Eine Aktie ist ein Stück Eigentum an einem Unternehmen. Eine Börse wiederum ist nichts weiter als eine praktische Möglichkeit, dieses Eigentum gegen Geld einzutauschen. Gäbe es keine Börse, so würde sich dennoch an Ihrer Beteiligung an dem Unternehmen nichts ändern. Möglicherweise wäre es dann schwieriger, Ihren Anteil wieder zu verkaufen, aber verkaufen könnten Sie ihn immer noch – so wie Sie auch Ihr Haus oder Ihr Auto verkaufen können, wenn Sie wollen.

Leider werden wir, wenn wir konkret mit dem Investieren beginnen, unweigerlich mit Ablenkungen bombardiert, die es uns nur zu leicht machen, das Wesen des Aktienbesitzes zu vergessen. Beispiele dafür sind der dahinrasende Kursticker im Finanzfernsehen, die scheinbar allwissenden Experten, die polierten Pressemitteilungen von Unternehmen, Aktiencharts, die eine Konsolidierung oder einen Ausbruch erwarten lassen, übertroffene Analystenschätzungen und Aktien, die neue Höchststände erreichen. Ein bisschen ist es wie in der Welt von Coco, dem liebenswerten und neugierigen Affen, der immer »so leicht vergisst«, was ihm sein wohlmeinender Freund rät. Mein Sohn liebt diese Geschichten, denn so sicher wie Coco in Schwierigkeiten gerät, so sicher findet er auch wieder heraus. Anleger am Aktienmarkt allerdings können anders als der Kinderbuch-Affe nicht immer automatisch mit einem guten Ende rechnen.

Das Geld Warren Buffett geben oder selbst investieren?

Ich kann mich noch an den Tag erinnern, an dem ich die fürstliche Summe von 100.000 Dollar zusammengespart hatte. Nach einigen Jahren als Analyst für die Investmentbank Thomas Weisel Partners in San Francisco hatte ich es bis 2003 geschafft, diese Summe zurückzulegen, die mich in meinen Augen zum freien Mann machen würde. Freiheit, so dachte ich, konnte es nur geben, wenn man für sein Überleben nicht mehr arbeiten musste. Ansonsten wäre man in eine Art Knechtschaft gezwungen, in der man Zeit gegen Lebensmittel und Unterkunft tauscht. Mit dem gesparten Geld wollte ich meinen Job aufgeben, in ein Land wie Thailand ziehen und von den Zinsen leben. Zwar war ich so klug, diese Freiheitsoption nicht auszuüben. Doch ich musste immer noch überlegen, was ich mit dem Geld anfangen sollte.

Eine Anlage in Fonds verwarf ich recht schnell, denn ich kannte die Studien, laut denen die überwältigende Mehrheit der Investmentfonds nach Abzug von Gebühren schlechter abschneidet als die Marktindizes.2 Außerdem machte ich mir eine oft übersehene, aber wichtige Tatsache klar: Anleger neigen dazu, nach einer Zeit mit guter Performance mehr Kapital in Fonds einzuzahlen und nach schlechter Performance Geld abzuziehen. Dadurch sind die tatsächlichen Ergebnisse der Anleger weitaus schlechter als die offiziell ausgewiesenen. Denn die Fondsprospekte zeigen zeitgewichtete Renditen, in der Realität aber gibt es für Anleger nur die meist niedrigeren kapitalgewichteten Renditen. Ein klassisches Beispiel für dieses Phänomen ist der Munder NetNet Fund, ein Internetfonds, mit dem Anleger von 1997 bis 2002 Milliarden Dollar verloren. Trotzdem berichtete der Fonds für diesen Zeitraum eine positive Durchschnittsrendite von 2,15 Prozent pro Jahr. Der Grund dafür? Als es dem Fonds in den späten 1990er-Jahren noch gut ging, verwaltete er nur wenig Geld. Dann aber strömten Milliarden an neuem Kapital herein – und für den Fonds begann eine verheerende Verlustserie über drei Jahre.3 Ich fühlte mich zwar immun gegen die Versuchung, nach einem starken Anstieg am Markt zu kaufen und nach einem Absturz zu verkaufen. Doch ich dachte, es wäre einfacher, ihr zu widerstehen, wenn ich genau weiß, was ich besitze und warum. Anteile an einem Fonds zu kaufen bedeutet, darauf zu vertrauen, dass der Fondsmanager schon die richtigen Anlagen auswählen wird. Doch nach einem längeren Zeitraum mit Verlusten kann dieses Vertrauen leicht verloren gehen.

Trotzdem sollte man Investmentfonds und die günstigeren Indexfonds nicht völlig außer Acht lassen. Für Menschen, die Anlageentscheidungen gern jemand anderem überlassen, sind sie eine akzeptable Alternative. Und Value-Investmentfonds wie der Fairholme Fund von Bruce Berkowitz oder die Longleaf Funds von Mason Hawkings stellen für viele Privatanleger eine vernünftige Option dar. Reiche Privatpersonen und Institutionen können zudem auch in Hedgefonds investieren, doch nur die wenigsten davon sind ihre zumeist hohen Verwaltungs- und Performancegebühren wert. In seinem Brief an die Aktionäre 2006 kritisierte Warren Buffett die Gebührenstruktur bei Hedgefonds: »Es ist ein einseitiges System, bei dem 2 Prozent Ihres Einsatzes pro Jahr an den Manager fließen, selbst wenn er nichts erreicht – oder sogar einen Haufen Geld für Sie verliert. Wenn er Erfolg hat, gehen noch einmal 20 Prozent Ihres Gewinns an den Manager, selbst wenn der Erfolg nur auf allgemein steigende Märkte zurückzuführen ist. Wenn ein Manager in einem Jahr zum Beispiel eine Bruttorendite von 10 Prozent erreicht, wird er 3,6 Prozentpunkte davon behalten – 2 Prozent vom Einsatz plus 20 Prozent von den restlichen 8 Punkten, sodass für die Anleger nur 6,4 Prozent Rendite übrig bleiben.«4

Eine kleine Minderheit von value-orientierten Hedgefondsmanagern hat sich entschieden, Buffett bei der Gebührenfrage zu folgen und Anlegern ähnliche Strukturen anzubieten wie die von ihm verwalteten Limited Partnerships in den 1960er-Jahren. Buffett verlangte damals keine Verwaltungsgebühr und Performancegebühren wurden nur für Renditen oberhalb des jährlichen Schwellenwerts berechnet. Zu den Pionieren dieser kleinen, aber wachsenden Bewegung zählen Guy Spier in Zürich, Aquamarine Capital Management in der Schweiz und Mohnish Pabrai von Pabrai Investment Funds in Kalifornien. Derartige Fonds bringen für langfristig orientierte Anleger, wenn alle anderen Faktoren gleich sind, erhebliche Renditevorteile. Tabelle 1.1 zeigt, wie sich eine anlegerfreundliche Gebührenstruktur auf Dauer auswirkt.

Alternativ hätte ich meine Ersparnisse in eines der wenigen börsennotierten Unternehmen investieren können, die als kostengünstige und trotzdem hochwertige Anlagevehikel zu haben sind. Berkshire Hathaway zahlt Warren Buffett ein Jahresgehalt von 100.000 Dollar für das, was man als die weltweit beste Dienstleistung im Bereich Kapitalallokation bezeichnen könnte. Er bekommt keinen Bonus, keine Aktienoptionen und keine gesperrten Aktien und schon gar keine Performancegebühren wie bei Hedgefonds.5Anleger, die über eine Investition in einen teuren Hedgefonds nachdenken, sollten unbedingt vorher überlegen, ob der Fondsmanager besser sein kann als Buffett. Das zu schaffen ist schon vor Gebühren sehr schwierig – und nach Gebühren wird es äußerst unwahrscheinlich. Aber natürlich fühlt es sich weitaus weniger privilegiert und exklusiv an, eine Aktie von Berkshire Hathaway zu kaufen, als in den Kreis der Anleger eines geheimniskrämerischen Hedgefonds aufgenommen zu werden.

Typische Hedgefondsgebühr »2 plus 20«

Gebühren wie bei Buffetts Partnerships

Verwaltungsgebühr 2%

Verwaltungsgebühr 0%

Performancegebühr 20%

Performancegebühr 20%

jährlicher Schwellenwert 0%

jährlicher Schwellenwert 6%

Angenommene Bruttorendite

5,0%

10,0%

5,0%

10,0%

Daraus errechnete Nettorendite

2,4%

6,4%

5,0%

9,2%

Bruttowert von 1 Mio. Dollar

… nach 10 Jahren

1.628.895 $

2.593.742 $

1.628.895 $

2.593.742 $

… nach 20 Jahren

2.653.298 $

6.727.500 $

2.653.298 $

6.727.500 $

… nach 30 Jahren

4.321.942 $

17.449.402 $

4.321.942 $

17.449.402 $

Nettowert von 1 Mio. Dollar

… nach 10 Jahren

1.267.651 $

1.859.586 $

1.628.895 $

2.411.162 $

… nach 20 Jahren

1.606.938 $

3.458.060 $

2.653.298 $

5.813.702 $

… nach 30 Jahren

2.037.036 $

6.430.561 $

4.321.942 $

14.017.777 $

Durch Gebühren entgangener Wert

… nach 10 Jahren

361.244 $

734.156 $

0 $

182.580 $

… nach 20 Jahren

1.046.360 $

3.269.440 $

0 $

913.798 $

… nach 30 Jahren

2.284.906 $

11.018.842 $

0 $

3.431.625 $

Tabelle 1.1: Auswirkungen von Gebühren auf die Vermögensentwicklung eines Hedgefondsanlegers

Berkshire Hathaway ist nicht die einzige börsennotierte Holdinggesellschaft, die anlegerfreundlich agiert und mit einem hervorragenden Management aufwarten kann. Zu den Alternativen zählen Brookfield Asset Management, Fairfax Financial, Leucadia National, Loews Corporation, Markel Corporation und White Mountains Insurance; ihre Gebühren sind ähnlich wie bei Buffett. Andere Anlagevehikel dagegen vereinen Vergütungen nach Hedgefondsart mit Geldanlage im Value-Stil. Beispiele dafür sind Greenlight Capital Re oder Biglari Holdings. Diese verkappten Hedgefonds mögen es schaffen, mit dem Geld ihrer Aktionäre eine befriedigende Performance zu erreichen. Doch dass sie langfristig nach Gebühren höhere Renditen erzielen als ein Unternehmen wie Markel, das hervorragendes Anlagemanagement mit niedrigen impliziten Gebühren vereint, ist unwahrscheinlich.

Unternehmen wie Berkshire oder Markel erreichen also langfristig herausragende Anlageerfolge und nehmen nur geringe Gebühren dafür. Vor diesem Hintergrund erscheint es geradezu irrational, wenn langfristig orientierte Anleger ihr Aktienportfolio selbst verwalten. Professionelle Fondsmanager stehen in dieser Hinsicht in einem gewissen Interessenkonflikt: Ihr Lebensunterhalt hängt ziemlich direkt davon ab, Kunden davon zu überzeugen, dass die bisherige Performance von Berkshire oder Markel keine Garantie für ähnlich gute Ergebnisse in der Zukunft ist. Zu ihrem Glück warnen auch die Aufsichtsbehörden regelmäßig vor einer Fortschreibung von Erfolgen der Vergangenheit – und tragen so weiter dazu bei, dass es einen stetigen Zustrom von Neueinsteigern in das lukrative Fondsmanagementgeschäft gibt.

Aber keine Sorge: Ich werde niemanden verurteilen, der seine Aktieninvestments in die eigene Hand nimmt. Schließlich habe ich mit meinen Ersparnissen im Jahr 2003 letztlich genau das getan und bin seitdem dabeigeblieben. Man könnte durchaus der Meinung sein, dass meine damalige Entscheidung auf nicht viel mehr als Übermut beruhte. Aber tatsächlich spricht einiges für das Prinzip »Do it yourself« bei der Geldanlage: Erstens gibt es Aktien von Investmentgesellschaften wie Berkshire und Markel meist nicht zu ihrem Nettoinventarwert zu kaufen, sodass ihr Börsenkurs einen gewissen Aufpreis für das Anlagegeschick ihrer Manager enthält. Über längere Zeiträume gleichen sich die Renditen für Aktionäre zwar den intern generierten Kapitalrenditen an, doch bei kürzerer Haltedauer oder hohen Aufschlägen auf den Nettoinventarwert können Anleger Renditeeinbußen erleiden. Selbst ein Unternehmen wie Berkshire kann an der Börse so teuer sein, dass es als Investition nicht mehr attraktiv ist.

Hinzu kommt eine wichtige Falle für den Anlageerfolg: die Zunahme des verwalteten Vermögens. Nur wenige Fondsmanager legen eine Grenze für ihr Fondsvolumen fest und bei börsennotierten Anlagegesellschaften ist dies noch seltener der Fall. Warren Buffett begann vor sechs Jahrzehnten mit dem Investieren – mit weniger als 1 Million Dollar. Heute leitet er ein Unternehmen mit einem Börsenwert von mehr als 200 Milliarden Dollar. Wenn er 2 Milliarden Dollar investieren wollte, also gerade einmal 1 Prozent des Börsenwerts von Berkshire, könnte er dafür natürlich kein Unternehmen mit einem Börsenwert von 200 Millionen Dollar nehmen. Wenn er nicht gerade eine Komplettübernahme plant, müsste er wohl einen Kandidaten mit einem Börsenwert von mindestens 20 Milliarden Dollar finden.

Buffett ist eine der wenigen Personen, die große Summen an Kapital gewinnbringend unterzubringen haben und trotzdem zugeben, dass Größe schädlich für die Performance ist. Viele andere ändern ihre Meinung dazu, wenn ihr verwaltetes Vermögen zunimmt, was vielleicht nicht überraschen sollte. Zu ihren Argumenten zählen dann besserer Zugang zum Management, die Fähigkeit, Großtransaktionen abseits der Börse vorzunehmen, und die Verteilung fester Kosten auf ein größeres Fondsvolumen. Aber vertrauen Sie ruhig Buffett, wenn er sagt, dass diese Vorteile angesichts der Nachteile durch die geringere Auswahl an möglichen Anlagezielen verblassen. Denn wer nur 1 Million Dollar zu verwalten hat oder sogar 100 Millionen Dollar, kann auch in Unternehmen investieren, die für die Superanleger viel zu klein sind – und das bietet Chancen auf eine überdurchschnittliche Performance. Buffett sieht das genauso: »Wenn ich heute 1 Million Dollar verwalten würde oder meinetwegen 10 Millionen Dollar, wäre ich voll investiert. Jeder, der behauptet, dass Größe der Anlageperformance nicht schadet, will Ihnen nur etwas verkaufen. Die höchsten Renditen überhaupt habe ich in den 1950er-Jahren erzielt. Ich habe den Dow gnadenlos geschlagen – Sie müssten die Zahlen sehen. Aber ich hatte damals nur Peanuts zu investieren. Es ist ein enormer struktureller Vorteil, nicht sehr viel Geld zu haben. Ich glaube, bei 1 Million Dollar könnte ich 50 Prozent Rendite pro Jahr für Sie erreichen. Ich weiß sogar, dass ich das könnte. Ich garantiere es.«6 Die logische Schlussfolgerung daraus: Wer sich als Kleinanleger entscheidet, sein Kapital in ein Riesenunternehmen wie Exxon Mobil oder Apple zu stecken, gibt freiwillig einen wichtigen strukturellen Vorteil aus der Hand – die Fähigkeit, in kleine Unternehmen zu investieren.

Eric Khrom, Managing Partner von Khrom Asset Management, ist in Bezug auf die besonderen Vorteile eines geringen Anlagevolumens ganz bei Buffett. Ganz am Anfang, so sagt er, habe er seinen Partnern erklärt: »Die Tatsache, dass wir so klein beginnen, gibt mir die Möglichkeit, in sehr kleinen Teichen zu fischen, die von den großen Fischern nicht erreicht werden. Ich bin nur ein Einmannbetrieb, aber Sie sollten nicht glauben, dass ich mit den viel größeren Anbietern konkurriere – die können sich gar nicht mit den Sachen beschäftigen, mit denen ich mich beschäftige. Wir werden uns auf die viel kleineren Mikro Caps konzentrieren, bei denen es viele Ineffizienzen gibt.«7

Das letzte Argument dafür, die eigenen Aktien selbst auszuwählen, führt uns zum Konzept der Kapitalallokation. In der Öffentlichkeit herrscht zwar zunehmend der Eindruck, die Börse sei nicht viel mehr als ein glorifiziertes Casino. Doch tatsächlich liegt ihre Aufgabe in einer Marktwirtschaft darin, Kapital produktiven Verwendungen zuzuführen. Unternehmen, die Wert für ihre Kunden schaffen und gleichzeitig akzeptable Kapitalrenditen erwirtschaften, sollten in der Lage sein, Kapital für Wachstum aufzunehmen; andersherum sollten Unternehmen, die unzureichende Kapitalrenditen erwirtschaften, kein Geld mehr bekommen. Ein gut funktionierender Markt hilft also bei der Entstehung und Vermehrung von Wohlstand und beschleunigt das Wachstum bei Ersparnissen, Investitionen und Bruttoinlandsprodukt (BIP).

Dass all das nicht ein paar Dutzend Topanleger im Alleingang gewährleisten können, dürfte leicht nachzuvollziehen sein – dafür gibt es einfach zu viele Unternehmen zu bewerten. Auch Superanleger haben nur begrenzte Kapazitäten, sodass wir einen Teil dieser Arbeit übernehmen können und so ebenfalls die Chance bekommen, uns die gerechte Belohnung für gute Anlageentscheidungen zu verdienen. Das Konzept der Kapitalallokation passt zum vorigen Punkt, also der Tatsache, dass wir in Unternehmen investieren können, die für Superanleger zu klein sind. Man kann getrost davon ausgehen, dass Buffett und andere Investmentstars Großkonzernen wie Coca-Cola schon genügend Kapital zur Verfügung stellen werden, wenn diese Unternehmen das verdienen. Kleinere Unternehmen wie Strayer Education oder Harvest Natural Resources aber bekommen vielleicht selbst dann kein Kapital, wenn sie es produktiv einsetzen könnten. Diese Lücke können kleinere Anleger schließen und damit Geld verdienen – vorausgesetzt natürlich, dass sie bei der Kapitalallokation die richtigen Entscheidungen treffen.

Sehen Sie sich selbst in der Rolle des Kapitalverteilers

Dass der reichste Anleger der Welt kein Trendfolger, Themeninvestor oder Daytrader ist, ist keine Überraschung. Warren Buffett ist berühmt für seine Buy-and-Hold-Strategie, die zum Markenzeichen für Beteiligungen und Komplettübernahmen von Berkshire Hathaway geworden ist. Buffett lässt sich nicht von der exponentiellen Zunahme eines Aktienkurses überzeugen, sondern von exponentieller Vermehrung des Kapitals in einem Unternehmen. Dass er manchmal billig einsteigen konnte, ist nicht der Hauptgrund für seine guten langfristigen Renditen – es trägt nur zu ihnen bei.

Vor vielen Jahren sorgte Buffett für Verwunderung in der Anleger-Community, weil er zu einem Kurs-Gewinn-Verhältnis im mittleren Zehnerbereich Aktien von Coca-Cola kaufte. Die meisten Value-Anleger verstanden damals nicht, warum Buffett hier eine günstige Kaufgelegenheit sah. Doch er machte nichts weiter, als zu einem fairen Preis Geld in ein überlegenes Unternehmen zu stecken. Er wusste, dass Coca-Cola das eingesetzte Kapital über einen langen Zeitraum exponentiell vermehren würde. Damit sich die Investition in Coca-Cola lohnte, war also kein Anstieg des Kurs-Gewinn-Verhältnisses erforderlich.

Ähnlich bezahlte auch der bekannte Value-Anleger Joel Greenblatt für Moody’s rund das 20-Fache des Gewinns, als die Ratingagentur im Jahr 2000 an die Börse ging. Auch er versorgte ein überlegenes Unternehmen mit Kapital – und zwar eines, das seinen Gewinn ohne zusätzliche Finanzierungen mit hohen Raten steigern konnte, sodass viel Liquidität für Aktienrückkäufe frei wurde. Trotz der relativ hohen Bewertung zum Zeitpunkt des Börsengangs hat sich der Wert der Moody’s-Aktien in den sechs Jahren darauf mehr als verfünffacht. Natürlich bekam das Unternehmen erhebliche Probleme, als vor ein paar Jahren die Immobilienblase in den USA platzte. Doch trotz des starken Rückgangs in der Krise wurde die Aktie Anfang 2013 wieder zu 48 Dollar gehandelt, deutlich höher als im Oktober 2000, als das Unternehmen zum rechnerischen Preis von 12,65 Dollar je Aktie von Dun & Bradstreet abgespalten wurde.

Rollen versus Ziele: Ein feiner, aber wichtiger Unterschied

Unsere Rolle auf dem Aktienmarkt scheint auf den ersten Blick geradezu trivial zu sein. Dass ein rationaler Anleger versucht, die risikobereinigte Nachsteuerrendite seines investierten Kapitals zu maximieren, ist alles andere als ein Geheimnis. Was also kann unsere Rolle schon sein, wenn nicht möglichst viel Geld verdienen, indem wir Anlagemöglichkeiten finden, die an Wert gewinnen? Doch diese Frage führt in die Irre, denn wer sie stellt, verwechselt das Ziel (Geld verdienen) mit der Rolle.

Üblicherweise sind Anleger der Meinung, dass sie eine gänzlich unbedeutende Rolle für die Märkte spielen. Tatsächlich haben die meisten von uns vernachlässigbare Auswirkungen auf den Gesamtmarkt. Doch das dazugehörige Selbstverständnis als kleiner Fisch ist für erfolgreiches Investieren nicht hilfreich. Selbst als ich noch winzige Beträge investierte, fand ich es besser, zu denken wie ein Chef-Kapitalzuteiler: Ich stellte mir vor, meine Aufgabe bestünde darin, das weltweite Finanzkapital auf die Aktivitäten zu verteilen, mit denen die höchsten Kapitalrenditen zu erzielen sind.

Grundsätzlich gibt es für Anleger zwei Möglichkeiten, ihre Portfolios in Relation zu den verfügbaren Anlagemöglichkeiten zu betrachten. Viele machen den Fehler, sich auf das Volumen ihres Portfolios zu konzentrieren, bevor sie sich mit den dafür infrage kommenden Unternehmen beschäftigen. Stellen wir uns zur Veranschaulichung vor, wir befänden uns am Ende des Jahres Ende 2001 und wollten 100.000 Dollar in eine der Aktien in Tabelle 1.2 investieren.

Börsenkürzel

Unternehmen

Aktienkurs

Marktkapitalisierung

100.000 Dollar reichen für

AET

Aetna

30,52 $

4,4 Mrd. $

3277 Aktien

DAL

Delta Air Lines

29,31 $

3,6 Mrd. $

3412 Aktien

F

Ford Motor

17,88 $

32,4 Mrd. $

5593 Aktien

GM

General Motors

47,69 $

26,5 Mrd. $

2097 Aktien

LMT

Lockheed Martin

45,01 $

19,8 Mrd. $

2222 Aktien

NYT

New York Times

45,15 $

6,8 Mrd. $

2215 Aktien

TIF

Tiffany & Co.

29,17 $

4,3 Mrd. $

3428 Aktien

TM

Toyota Motor

53,71 $

99,0 Mrd. $

1862 Aktien

Tabelle 1.2: Mentalität A – Ausgewählte Anlagemöglichkeiten, November 20018

Um eines der Unternehmen von dieser Liste auszuwählen, wäre es sinnvoll, ihre Finanzberichte und verschiedene Bewertungskennzahlen zu studieren. Doch schon vor einer solchen detaillierten Analyse denken sich manche Anleger: »Für meine 100.000 Dollar bekomme ich nur einen winzigen Anteil an einem dieser Unternehmen. Wahrscheinlich ist ziemlich egal, von welchem davon ich ein paar Tausend Aktien kaufe.« Das ist Mentalität A. Ohne es zu bemerken, begehen wir dabei den Fehler, uns zunächst mit der Größe unseres Portfolios zu beschäftigen und erst dann mit der Größe möglicher Anlageziele.

Wer dagegen denkt wie ein Kapitalallokator, würde sich eher fragen: »Wenn ich eines von diesen Unternehmen kaufen könnte, welches würde ich dann nehmen?« Bei dieser Frage liegt der Fokus auf der relativen Größe der möglichen Anlageziele, nicht auf der unseres Portfolios. Wer sich diese Mentalität zu eigen macht, noch bevor er mit der eingehenden Analyse der einzelnen Unternehmen beginnt, wird vielleicht auf den in Tabelle 1.3 dargestellten Sachverhalt stoßen.

Toyota allein war im November 2001 höher bewertet als alle anderen Unternehmen in der Tabelle zusammen (gemessen an der Marktkapitalisierung, nicht am Unternehmenswert, der in diesem Zusammenhang eigentlich passender wäre). Ein Anleger mit Mentalität B könnte sich also fragen: »Will ich lieber Toyota besitzen oder Aetna, Delta, Ford, GM, Lockheed Martin, die New York Times und Tiffany zusammen?« Zwar könnte er sich dann nach sorgfältigen Analysen immer noch für Toyota entscheiden, doch dafür bräuchte es offensichtlich sehr gute Gründe. Wer dagegen denkt wie ein kleiner Fisch, der hätte sich mit diesen Größenverhältnissen vielleicht nie beschäftigt und einfach in Toyota investiert. Die Bedeutung dieser impliziten Wette auf relativen Wert wäre ihm völlig entgangen.

Tabelle 1.4 zeigt die gleiche Tabelle noch einmal mit Stand Ende 2004. Wie ein Vergleich der Marktkapitalisierungen zeigt, entwickelte sich Toyota in den drei Jahren bis Ende 2004 besser als ein Portfolio aus den Unternehmen auf der linken Seite.9 Das mag überraschend sein, zeigt aber nur, dass auch Mentalität B noch keine Garantie für Anlageerfolg ist – gute Entscheidungen erfordern sorgfältige Analysen der zugrunde liegenden Fundamentaldaten. Nebenbei: Wie Tabelle 1.4 ebenfalls zeigt, hätte man Ende 2004 mit dem Erlös aus dem Leerverkauf aller Toyota-Aktien sämtliche Unternehmen auf der linken Seite der Tabelle kaufen können und noch 93 Prozent von McDonald’s dazu.

Eine Frage der Verantwortung

Als ich mein Kleiner-Fisch-Denken über Bord geworfen und mir stattdessen die Mentalität eines Kapitalallokators angeeignet hatte, wurden meine Anlageentscheidungen besser. Beispielsweise fiel es mir nun leichter, zu dem Schluss zu kommen, dass Autohersteller wahrscheinlich keine guten Investitionen sind trotz ihrer bekannten Marken, hohen Umsätze und niedrigen Kurs-Gewinn-Verhältnisse. Durch das Denken wie ein Kapitalallokator erkannte ich also, dass ich nicht nach dem Gewinner in der Autoindustrie suchen muss, wenn es in anderen Branchen viele Unternehmen mit besseren Geschäftsmodellen gibt, die zu vernünftigen Preisen zu haben sind.

Börsenkürzel

Unternehmen

Marktkapitalisierung

Börsenkürzel

Unternehmen

Marktkapitalisierung

AET

Aetna

4,4 Mrd. $

TM

Toyota Motor

99,0 Mrd. $

DAL

Delta Air Lines

3,6 Mrd. $

F

Ford Motor

32,4 Mrd. $

GM

General Motors

26,5 Mrd. $

LMT

Lockheed Martin

19,8 Mrd. $

NYT

New York Times

6,8 Mrd. $

TIF

Tiffany & Co.

4,3 Mrd. $

97,8 Mrd. $

99,0 Mrd. $

Tabelle 1.3: Mentalität B – Ausgewählte Anlagemöglichkeiten, November 2001

Börsenkürzel

Unternehmen

Marktkapitalisierung

Börsenkürzel

Unternehmen

Marktkapitalisierung

AET

Aetna

12,8 Mrd. $

TM

Toyota Motor

125,3 Mrd. $

DAL

Delta Air Lines

0,4 Mrd. $

F

Ford Motor

23,7 Mrd. $

GM

General Motors

21,4 Mrd. $

LMT

Lockheed Martin

23,8 Mrd. $

NYT

New York Times

5,7 Mrd. $

TIF

Tiffany & Co.

4,1 Mrd. $

91,9 Mrd. $

125,3 Mrd. $

Tabelle 1.4: Mentalität B – Ausgewählte Anlagemöglichkeiten, Oktober 200410

Die neue Mentalität erhöhte auch meine Hürde für Investitionen in unprofitable Unternehmen. Denn intuitiv wurde mir klar, dass ich damit in der Hoffnung auf einen späteren hohen Gewinn auf gegenwärtige Gewinne und deren Wiederanlage verzichte. Dies kam mir recht spekulativ vor. Viele Marktteilnehmer, vor allem Growth-Investoren, zeigen viel Toleranz für Unternehmen, die Geld verlieren. Noch häufiger ist zu beobachten, dass sie bereit sind, einmalige Belastungen zu ignorieren – dabei verringern die den Buchwert eines Unternehmens genauso sehr wie regelmäßige Ausgaben. Zwar würde niemand Aktien eines Geld verlierenden Unternehmens kaufen, wenn er nicht glauben würde, dass es irgendwann Gewinn macht oder günstig verkauft oder liquidiert werden kann. Trotzdem scheint es, als würde die Verlusttoleranz unbewusst dadurch erhöht, dass die Anleger sich relativ sicher fühlen – sie investieren ja nur eine gewisse Summe und können nicht gezwungen werden, Geld nachzuschießen, wenn das Unternehmen dauerhaft Verluste macht. Das Risiko ist rechtlich gesehen zwar tatsächlich auf den investierten Betrag begrenzt. Allerdings sollte niemand ernsthaft darauf hoffen, die Verluste eines Unternehmens werde im Zweifelsfall schon jemand anders tragen. Denn:

Wenn andere Anleger die Verluste eines Unternehmens finanzieren, an dem wir beteiligt sind, wird dadurch entweder (1) unser Anteil verwässert oder (2), wenn die Finanzierung über Kredite erfolgt, Schuldendienst und Verschuldungsgrad des Unternehmens erhöhen sich. In beiden Fällen verschlechtern sich unsere Chancen auf eine ordentliche Rendite auf das investierte Kapital.Wenn das Unternehmen seine Verluste mit Liquidität in seiner Bilanz ausgleichen kann, wird zwar unser Anteil nicht verwässert, doch der Buchwert pro Aktie verringert sich. Wie Abbildung 1.1 zeigt, haben Verluste, ob einmalig oder regelmäßig, überproportionale Auswirkungen auf den Buchwert: Ein Rückgang um 20 Prozent zum Beispiel bedeutet, dass er anschließend um 25 Prozent steigen müsste, nur um wieder auf das Ausgangsniveau zu kommen.

Vielleicht am wichtigsten: Die Kapitalallokator-Mentalität hat mir dabei geholfen, eine klare Unterscheidung zwischen Wert und Preis zu ziehen – getreu der Aussage von Benjamin Graham: »Der Preis ist das, was man bezahlt, der Wert ist das, was man bekommt.«11 Wenn ich für die Verteilung des weltweiten Kapitals zuständig wäre, könnte ich mich nicht darauf verlassen, dass mich der Markt schon retten wird, wenn ich falsche Entscheidungen treffe. Nach der Theorie des größeren Blödmanns (greater fool theory) findet sich immer noch jemand, der mir meine Aktien zu einem höheren Preis abkaufen wird – doch wenn ich allein für die Kapitalvergabe verantwortlich bin, kann ich darauf nicht vertrauen. Erfolgreiche Langfristanleger glauben daran, dass ihre Rendite durch die Kapitalrendite ihrer Beteiligungen entstehen wird, nicht durch Aktienverkäufe. Wer so denkt, wird die Bewertung am Markt nicht einfach als gegeben hinnehmen und nur noch darauf spekulieren, ob ein Unternehmen die Schätzungen für den nächsten Quartalsgewinn verfehlen oder übertreffen wird. Stattdessen dürfte er eigene Prozesse für die Bestimmung des Werts von Unternehmen entwickeln.

Abbildung 1.1: Die überproportionalen Auswirkungen von Verlusten – erforderlicher Gewinn bis zum Ausgleich, Quelle: The Manual of Ideas

Als Kapitalallokator zu agieren, statt als Spekulant oder Trader, erfordert anfangs enorme Disziplin – gelegentlich kam auch ich noch in Versuchung, schlauer sein zu wollen als andere Anleger und darauf zu wetten, dass ein Quartalsgewinn höher ausfällt als erwartet oder ein Übernahmegerücht bestätigt wird. Aber Geschäfte auf der Grundlage so unsicherer Chancen basieren auf der stillschweigenden Annahme, dass die Grundbewertung eines Unternehmens am Markt schon richtig ist. Denn mit solchen Transaktionen wettet man ja auf einen Anstieg des Aktienkurses und investiert nicht unbedingt in ein Unternehmen, das man als fundamental unterbewertet identifiziert hat. Ich habe gelernt, dass Selbstbeschränkung entscheidend ist, denn in Erwartung positiver Nachrichten ein überbewertetes Unternehmen zu kaufen kann nach hinten losgehen: Man kann einfach nicht genau wissen, wie eine überbewertete Aktie auf einen überraschend hohen Gewinn reagieren wird. Möglicherweise sind die Anleger davon begeistert, aber enttäuscht wegen gesenkter Prognosen für die Zukunft. Möglicherweise war die Gewinnüberraschung auch schon eingepreist und Anleger haben das Gerücht gekauft, verkaufen aber bei seiner Bestätigung.

Jeremy Grantham, Chief Investment Strategist beim Vermögensverwalter GMO, ist ebenfalls der Meinung, dass Anleger sich schwertun, auf solche Spielereien zu verzichten: »Die meisten Profianleger, auch viele der besten, machen lieber beim Keynes’schen ›Schönheitswettbewerb‹ mit. Statt sich zu verhalten wie effektive Teilnehmer eines effizienten Marktes und ihre Zeit und ihr Talent dafür einzusetzen, nach langfristigen Werten zu suchen, versuchen sie zu erraten, was andere Anleger in Zukunft denken werden, und ihnen zuvorzukommen.«12 Wie recht er damit hat, zeigt die Aussage eines anderen Vermögensverwalters in einem Ausblick auf Energieaktien im Wall Street Journal Ende 2005: »Ich denke, der Sektor ist wahrscheinlich etwas überbewertet. Trotzdem wäre ich nicht erstaunt, zum Jahresende hin einen Run auf Energieaktien zu sehen. Leute, die hier noch nicht investiert sind, werden eine Aufholjagd beginnen.«13 Anleger, die sich selbst als Kapitalallokatoren verstehen, kann der Anlagemanager damit nicht gemeint haben.

Eine Frage der Größe: Was ist schon eine Milliarde Dollar?

In einer Welt, in der die Börsenwerte vieler Unternehmen Milliarden oder sogar Hunderte Milliarden Dollar erreichen, ist es sehr wichtig, ein Gefühl für die Bedeutung solch unglaublicher Zahlen zu entwickeln. Ende 2004 stieß ich auf Sirius Satellite Radio, das bei Umsätzen von 19 Millionen Dollar und einem Nettoverlust von 169 Millionen Dollar im jüngsten Quartal damals mit 8 Milliarden Dollar bewertet wurde. Sind 8 Milliarden Dollar zu viel für ein Unternehmen mit einem Quartalsumsatz von 19 Millionen Dollar und einem Nettoverlust in achtfacher Höhe? Mit keiner der traditionellen Bewertungsmethoden hätte man auf einen Wert von 8 Milliarden Dollar kommen können, warum also sollte Sirius nicht auch 4 oder 16 Milliarden Dollar wert sein? Wenn eine Bewertung außer Kontrolle zu geraten scheint, ist es hilfreich, zu fragen, was man mit der entsprechenden Summe kaufen könnte. Bei 50 Dollar pro Barrel hätte man mit 8 Milliarden Dollar zum Beispiel drei Monate lang die gesamte Ölnachfrage Indiens finanzieren können. Oder: Unter der Annahme eines Pro-Kopf-BIP in den USA von 37.800 Dollar entsprächen 8 Milliarden Dollar der lebenslangen Wirtschaftsleistung von 4200 Amerikanern. Weitaus mehr als diese 4200 Menschen hätten also ihr Leben lang sparen müssen, um Sirius komplett zu kaufen. Erscheint es sinnvoll, dass potenziell Zehntausende jahrzehntelang arbeiten und sparen, um ein Unternehmen zu kaufen, das Geld verliert? Die Antwort auf diese Frage verriet mir zwar nicht, was Sirius wirklich wert war. Sie ließ mich aber erkennen, dass der Börsenkurs der Aktie offensichtlich weit höher war als ihr Wert.

Mohnish Pabrai argumentiert auf interessante Weise gegen Investitionen in Unternehmen, die zu groß geworden sind.14Nach dem Vorbild von Charles Mungers Denkansatz eines Wissensnetzes aus unterschiedlichen Fachrichtungen nimmt er dazu Anleihen in der Biologie: Die Natur habe für Säugetiere und Unternehmen gleichermaßen eine Größengrenze eingerichtet. Nie gab es Landsäugetiere, die deutlich größer waren als ein Elefant, wahrscheinlich weil Säugetiere Warmblüter sind und zum Überleben Energie benötigen – und je größer das Tier, desto schwieriger wird es für das Herz, Blut bis zu den Extremitäten zu pumpen. Auf ähnliche Weise ist das Topmanagement eines immer weiter wachsenden Großunternehmens zunehmend weiter entfernt von den immer zahlreicheren Kontaktpunkten zu Kunden, Lieferanten und Partnern. Dadurch verringert sich die Effektivität des Managements, sodass Größe irgendwann zum Nachteil wird und Konkurrenten eine Chance bekommen, den Platzhirsch zu schlagen. Vor fast zehn Jahren beobachtete Pabrai, dass keines der wertvollsten Unternehmen auf der Fortune-500-Liste deutlich mehr als 15 Milliarden Dollar Nettogewinn machte (2005 änderte sich das, weil Exxon Mobil aufgrund des gestiegenen Ölpreises neue Rekorde meldete). Wie es scheint, löst jedes erfolgreiche Unternehmen, das auf deutlich mehr als 1 Milliarde Dollar Gewinn pro Monat kommt, besonders heftige Angriffe der Konkurrenz aus – und weckt vielleicht auch das Interesse von Kartellwächtern.

Denken wie ein Eigentümer

Man kann der Wall Street nur gratulieren. Begonnen hat dort alles mit einem einfachen Konzept namens Unternehmungsbeteiligung, heute aber leben wir in einer Börsenwelt mit quartalsweisen Gewinnprognosen, Credit Default Swaps und Hochfrequenzhandel. Eigentlich sollte die Wall Street es nur leichter machen, Kapital mit möglichst geringen Reibungskosten produktiven Verwendungen zuzuführen, sodass Unternehmen die von Verbrauchern gewünschten Güter und Dienstleistungen produzieren können. Im Fall der Wall Street und der Realwirtschaft ist es inzwischen tatsächlich so weit gekommen, dass der Schwanz mit dem Hund wedelt.

Wahrscheinlich haben Sie über die Jahre schon viele Gründe gehört, die für den Kauf einer bestimmten Aktie sprechen: »Das Unternehmen hat ein hervorragendes Management«, »Ich liebe seine Produkte!« oder »Es wird die Welt erobern!«. Diese drei Beispiele gehören noch zu den überzeugenderen Begründungen, auch wenn in keiner davon der zu zahlende Preis erwähnt wird. Noch weniger zwingende Argumente lauten: »Das Unternehmen operiert in einer Branche mit riesigem Wachstumspotenzial«, »Ich kaufe nicht nur diese Aktien, sondern auch andere, weil ich glaube, dass der ganze Markt steigen wird«, »Das ist eine Small-Cap-Aktie und heute haben wir den 31. Dezember – ich setze auf den Januar-Effekt«, »Dieses Unternehmen ist ein hervorragender Übernahmekandidat«, »Ein Taxifahrer hat mir einen heißen Tipp von einem Mann gegeben, den er in die Wall Street gefahren hat« oder »Der Name dieses Unternehmens beginnt mit ›China‹«.

Eine an sich einfache Angelegenheit massiv zu verkomplizieren mag im Interesse von Bankern und Brokern liegen, denn so entsteht mehr Nachfrage nach Beratung und Handelsdienstleistungen. Diejenigen von uns aber, die vor allem am Anlageerfolg interessiert sind, folgen am besten dem Rat, den uns Henry David Thoreau in seinem Buch Walden gegeben hat: »Vereinfachen, vereinfachen.« Aber wie können wir Geldanlage, die zu einer komplizierten und gefährlichen Angelegenheit geworden ist, wieder auf ihren Kern reduzieren? Möglicherweise nur, indem wir uns darauf konzentrieren, was wir durch den Kauf einer Aktie tatsächlich bekommen. Wenn die Börse morgen geschlossen würde, wie würden wir dann den Wert unserer Aktien bestimmen? Vielleicht würden wir versuchen, das Finanzprofil unserer Unternehmen zu analysieren: Wie hoch könnte die Dividende in diesem Jahr ausfallen und dürfte sie mit der Zeit eher zu- oder abnehmen? Es klingt vielleicht etwas überraschend, aber das richtige Rezept für die Bewertung einer Anlagemöglichkeit hängt nicht davon ab, ob es eine Börse dafür gibt oder nicht. Allerdings entsteht durch einen aktiven Markt eine einzigartige Chance auf höhere Renditen: Gelegentlich bietet er Möglichkeiten, Unternehmen deutlich unter ihrem fairen Wert zu kaufen. Für solche Chancen sollten wir den Wall-Street-Bankern danken, die sich eher um ihr Karriererisiko kümmern als um Anlagerisiken und sich eher dem eigenen Geldbeutel verpflichtet fühlen als ihren Kunden. Wenn ich es mir recht überlege, können wir diesen Leuten gar nicht dankbar genug sein.

Die richtige Mentalität entwickeln

Zu denken wie ein Kapitalallokator hat große Ähnlichkeit mit dem Denken wie ein Eigentümer. Anleger, die sich als Eigentümer statt als Händler verstehen, analysieren zur Erzielung von Kapitalrendite Unternehmen, nicht die Börse. Sie erwarten nicht, dass andere sie retten werden, wenn sie falsche Entscheidungen treffen.

Die Professionalisierung der Geldanlage war mit einigen unerwünschten Nebenwirkungen verbunden, denn die eigentlichen Kapitaleigentümer (Haushalte und Stiftungen) haben dadurch mit der Auswahl von Wertpapieren immer weniger zu tun. Kurzfristig orientierte Anleger wie Investmentfonds und Hedgefonds haben langfristig ausgerichtete verdrängt. Als Folge davon werden Portfolios zunehmend so ausgelegt, dass sie statt des Anlagerisikos das Beschäftigungsrisiko für ihre Manager minimieren; außerdem verbreitet sich eine Trader-Mentalität, das Interesse an der realen Entwicklung von Unternehmen hingegen nimmt ab. In den Worten des Vanguard-Gründers John Bogle: »Als Aktien noch gekauft wurden, konnte man kaum davon ausgehen, dass die Unternehmen sorgfältig im Interesse der Aktionäre geführt wurden. Heute werden Aktien nur noch gemietet und es gibt kaum noch Gründe, sich für gute Governance einzusetzen.«

Darüber hinaus hält die Anreizstruktur in der Vermögensverwaltungsbranche Fondsmanager davon ab, sich gegen die Chefs von Unternehmen zu stellen. Denn der Zugang zur Chefetage ist für Fonds aus geschäftlichen wie gesellschaftlichen Gründen wichtig. Im Jahr 2002 stimmte die Deutsche Asset Management Investmentgesellschaft, ein Großaktionär von Hewlett-Packard, für die umstrittene Fusion mit Compaq – möglicherweise aufgrund von Druck aus der HP-Führung. In einem Medienbericht heißt es dazu: »Der Fusionsgegner Walter Hewlett hat HP verklagt. Nach seinen Angaben drohte das Management damit, die Deutsche Bank als Muttergesellschaft der Deutschen Asset Management von künftigen Investmentbanking-Aufträgen auszuschließen, wenn sie gegen die Übernahme stimmt. Aufgrund dieses Drucks wechselte die Deutsche Bank, die sich zuvor ablehnend geäußert hatte, in letzter Minute die Seiten.« Durch den Trend zur professionellen Verwaltung sind riesige Mengen an Aktien in die Hände von Investmentfonds geraten. Dies hat zur Folge, dass die Corporate Governance schlechter wird und dass exzessiven Gehältern ebenso zugestimmt wird wie größenwahnsinnigen Fusionen und Übernahmen.

Hätte man rückblickend von dem Wissen profitieren können, dass das Stimmverhalten der Deutschen Bank vielleicht auch von anderen Faktoren als den Interessen der HP-Aktionäre beeinflusst werden würde? Eine nüchterne Betrachtung der Anreize bei der Deutschen Bank wäre vielleicht Grund genug gewesen, Compaq-Aktien zu kaufen. Denn während des Streits um die Fusion lag deren Kurs weiter unter dem angebotenen Übernahmepreis als in anderen Fällen, weil überdurchschnittlich viele Anleger davon ausgingen, dass die unvernünftige Transaktion scheitern würde. Hier wäre also durchaus etwas zu holen gewesen. Die eigentliche Lehre aber ist wahrscheinlich eine ganz andere: Geldverwaltern, die nicht unbedingt nur im besten Interesse ihrer Kunden oder Aktionäre handeln, sollte man sein Kapital lieber nicht anvertrauen.

Wie wichtig für das Investieren in Aktien die Eigentümer-Mentalität ist, lässt sich kaum genug betonen. Das Management eines Unternehmens arbeitet für die Aktionäre, nicht umgekehrt. Es gibt kein Gesetz, das Anteilseignern verbieten würde, ihre Rechte auszuüben, egal ob sie nur eine Aktie halten oder eine Million davon. Natürlich stoßen Kleinaktionäre bei ihrem Einfluss auf das Management an Grenzen, aber wer Erfolg haben will, sollte eine Nummer größer denken. Zeigt unsere Analyse, dass ein Unternehmen eine hervorragende Investition sein könnte, wenn sich das Management nur dazu bringen ließe, eine Sonderdividende zu zahlen, Aktien zurückzukaufen, eine Sparte abzuspalten oder einen schwachen CEO abzulösen, dann ist es häufig so: Irgendwo gibt es durchaus jemanden, der unsere Ansicht teilt und zugleich genügend Macht hat, um eine solche Maßnahme zu erzwingen (also ein großer Aktionär oder ein Hedgefonds). Ich bin überrascht, wie häufig ich schon in Unternehmen investiert habe, die später scheinbar unerwartete Maßnahmen zur Erhöhung des Shareholder Value verkündeten. Um solche Unternehmen systematisch zu finden, gibt es nur eine Möglichkeit: Man muss überlegen, welche Änderungen man vornehmen würde, wenn man die Macht dazu hätte, und wie viel Wert durch solche Änderungen entstehen würde. Wenn dieser Wert hinreichend hoch erscheint, bekommen wir vielleicht eine Belohnung – selbst wenn jemand anders die harte Arbeit erledigt.

Ein Modell für die Aktienauswahl

In diesem Buch beschreibe ich neun Kategorien der Ideengenerierung für den Kauf von Aktien, von denen jede ein etwas anderes Vorgehen und unterschiedliche Bewertungsverfahren erfordert. Allerdings ist es auch sinnvoll, über einen übergreifenden Ansatz für die Auswahl von Aktien nachzudenken. Aus diesem Grund finden Sie hier ein allgemeines Modell, das (1) flexibel genug ist, die Analyse jeder beliebigen Aktie unabhängig von Größe oder Branche zuzulassen, und (2) spezifisch genug, um als Grundlage für konkrete Anlageentscheidungen zu dienen. Dazu muss das Modell weit über die Bewertung mittels einfacher Abzinsung erwarteter Dividendenzahlungen hinausgehen, die bei der zweiten Bedingung jämmerlich versagt. Vielleicht liegt genau in der fehlenden Anwendbarkeit dieses Standardmodells in der echten Welt der Grund dafür, dass so viele Anleger Aktien auf der Grundlage klar subjektiver Kriterien wie »Vorteile für den Ersteinsteiger« oder Technologieführerschaft auswählen, ohne dabei zu wissen, wie sich diese Faktoren in eine ganzheitlichere Bewertung einfügen.

Ein universelles Modell für die Aktienauswahl ist notwendigerweise komplex. Unmöglich aber ist ein derart umfassender Ansatz keineswegs. Schließlich bietet auch die Börse selbst einen ganzheitlichen Rahmen, der alle Unternehmen entlang einer einzigen Dimension anordnet: der Marktkapitalisierung. Biotechunternehmen werden nicht etwa in Biotech-Dollar bewertet, die sich nicht in Bau-Dollar wechseln lassen würden. Ganz im Gegenteil: Weil die Marktkapitalisierung eine Variable ist, die für jedes börsennotierte Unternehmen auf dieselbe Weise definiert wird, wissen Anleger genau, wie viel Anteil an einer Biotechfirma sie im Tausch gegen einen bestimmten Anteil an einem Bauunternehmen bekommen könnten. Ähnlich investieren Biotechanleger ihr Kapital nicht deshalb in diese Branche, weil sie die Namen der Unternehmen mögen oder weil ihnen die DNA-Forschung am Herzen liegt: Sie investieren aus demselben Grund wie jeder andere – um Geld zu verdienen. Also brauchen wir ein Modell, das alle Unternehmen auf dieselbe Dimension reduziert – den Wert ihres Eigenkapitals. Indem wir diesen Wert mit der Marktkapitalisierung vergleichen, können wir gut informierte Anlageentscheidungen treffen.

Abbildung 1.2 skizziert einen Ansatz, der zumindest prinzipiell in der Lage sein dürfte, die gesamte riesige Palette an börsennotierten Anlagemöglichkeiten im Aktienbereich angemessen zu erfassen. Für die meisten Kleinanleger dürfte dieses Modell zwar nicht praktikabel sein, doch es zeigt, wie man die Aktienauswahl angehen könnte, wenn man sich die Mentalität des obersten Kapitalallokators aneignet.

Am Anfang unseres Modells für die Aktienauswahl steht die Frage, ob die Vermögenswerte eines Unternehmens an der Börse für einen Betrag zu kaufen sind, der unter ihren Ersatzkosten liegt. Ist dies nicht der Fall, schließen wir es von der weiteren Analyse aus. Denn dann könnte es billiger sein, dieses Eigenkapital abseits der Börse neu aufzubauen. Wenn das Eigenkapital dagegen für weniger als seine Ersatzkosten zu haben ist, prüfen wir, ob das Unternehmen so billig ist, dass der Verkauf aller seiner Vermögenswerte mehr Geld einbringen würde, als eine Übernahme kostet. In diesem Fall könnte es sich lohnen, das Unternehmen zu kaufen und anschließend zu liquidieren. In den allermeisten Fällen aber wird Eigenkapital weit über dem Liquidationswert gehandelt, sodass wir unsere Aufmerksamkeit im nächsten Schritt auf die Ertragskraft richten.

Bei der Analyse der Ertragskraft eines fortzuführenden Unternehmens kommt es entscheidend darauf an, ob es genügend Gewinn erwirtschaften wird, um uns eine befriedigende Kapitalrendite zu verschaffen. Hier spielen noch viele andere Überlegungen mit hinein, darunter das Verhältnis zwischen Nettogewinn und freiem Cashflow, die Fähigkeit des Unternehmens, Kapital mit attraktiven Renditen zu reinvestieren, und die Frage, nach welchen Kriterien das Management über die interne Kapitalallokation entscheidet.

Abbildung 1.2: Methoden der Aktienwahl, Quelle: The Manual of Ideas

Zusammenfassung

Die zehn wichtigsten Punkte aus diesem Kapitel:

Bei der Geldanlage ist es schwierig genug, als Original Erfolg zu haben – als Nachahmer ist es beinahe unmöglich. Jeder von uns muss einen persönlichen Weg zum Anlageerfolg finden, selbst wenn er ein professioneller Anleger ist.Eine der wichtigsten Lehren der Meister der Geldanlage ist so bedeutend wie einfach: Eine Aktie steht für einen Eigentumsanteil an einem Unternehmen.Anleger neigen dazu, nach einem Zeitraum mit guter Performance zusätzliches Geld in Investmentfonds zu investieren und nach schlechter Performance Geld daraus abzuziehen. Dadurch sind ihre tatsächlichen Renditen schlechter als die von den Fonds berichteten.Wer in einen Hedgefonds investieren will, sollte zunächst überlegen, ob der jeweilige Fondsmanager Warren Buffett schlagen kann. Das ist schon vor Abzug von Gebühren schwierig genug, nach Gebühren wird es äußerst unwahrscheinlich.Keine Überraschung: Der reichste Anleger der Welt ist kein Trendfolger, Themenanleger oder Daytrader, sondern ein Kapitalallokator. Um auf lange Sicht einen exponentiellen Kapitalzuwachs zu erreichen, beschäftigt er sich mit Unternehmen, nicht mit ihren Aktien. Die meisten von uns haben vernachlässigbare Auswirkungen auf die Börse – doch wer sich deshalb als unbedeutender kleiner Fisch betrachtet, kann nicht erfolgreich investieren. Besser ist es, sich in der Rolle des obersten Kapitalallokators für die ganze Welt zu sehen.Rechtlich gesehen können wir mit einer Aktie nicht mehr Geld verlieren, als wir dafür bezahlt haben, selbst wenn das Unternehmen hohe Verluste macht. Aber die Hoffnung, dass schon jemand anders die Verluste tragen wird, ist eine Illusion.Verluste haben überproportionale Auswirkungen auf den langfristigen Kapitalzuwachs, denn nach einem Kursrutsch sind anschließend höhere Gewinne erforderlich, um wieder zum Ausgangsniveau zu kommen. Ein 20-prozentiger Rückgang des Buchwerts zum Beispiel braucht zum Ausgleich einen späteren Anstieg um 25 Prozent.Mohnish Pabrai argumentiert überzeugend gegen Investitionen in Unternehmen, die zu groß werden; dahinter steht das Prinzip des Wissensnetzes von Charles Munger. Laut Pabrai scheint die Natur für Säugetiere und Unternehmen gleichermaßen gewisse Größengrenzen eingerichtet zu haben. Zu denken wie ein Kapitalallokator geht Hand in Hand mit dem Denken wie ein Eigentümer. Anleger, die sich nicht als Händler verstehen, sondern als Eigentümer, analysieren statt der Börse die eigentlichen Unternehmen, um auf ihre Kapitalrendite zu kommen.

Kapitel 2: Deep Value: Schnäppchen machen wie Benjamin Graham

Nicht elegant, aber profitabel: Investieren in Zigarrenstummel

Das Problem liegt darin, zu unterscheiden, ob man sich gegen eine fehlgeleitete Mehrheitsmeinung stellt oder einfach nur stur ist.

Robert Arnott und Robert Lovell Jr.

»Willkommen am Grabbeltisch der Geldanlage!« Mit dieser alternativen Kapitelüberschrift lässt sich Benjamin Grahams Anlagestil auf den Punkt bringen. Seinen Ansatz stellte er vor Jahrzehnten in dem Buch Security Analysis (deutsch: Die Geheimnisse der Wertpapieranalyse) vor, geschrieben zusammen mit David Dodd, wie Graham selbst Professor an der Columbia University. Geldanlage nach Graham-Art beginnt ganz schamlos mit dem Preis einer Aktie: Wenn der, gemessen an konkreten Kennzahlen, nicht äußerst günstig aussieht, sind Graham-Anleger nicht mehr interessiert. Das betrachtete Unternehmen mag das beste sein, das es je gegeben hat, doch das Billigheimer-Segment der Anleger-Community wird es nicht weiter beachten. Und gerade wegen dieser Diszipliniertheit können Deep-Value-Anleger dort Erfolg haben, wo sich andere kaum hinwagen: an der Schattenseite der Börse.