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Eine Geschichte vom Ende des siebzehnten und Anfang des achtzehnten Jahrhunderts zu einem heute weitgehend unbekannten Bergwerk im damaligen Sachsen-Gotha-Altenburg. Der völlig überraschende Umfang dieses Bergbauversuchs, der Stand der Bergbautechnik, die herrschenden Vorstellungen von den Bodenschätzen und die Gründe für das Scheitern des Unternehmens werden anhand der überlieferten Akten und der wenigen, noch vorhandenen Spuren beschrieben. Die Bedeutung der ehemaligen Grube als Fossilfundort wird anhand der Funde beschrieben und ihrer Bedeutung für die Kenntnis der Lebewelt des Zechsteins dargestellt. Auch Leben und Wirken des wichtigsten Mannes dieses Unternehmens, Sohn einer lange in Westthüringen ansässigen adeligen Familie, der auch weit über die Grenzen des kleinen Fürstentums hinaus wirkte, wie auch einige Informationen zu seiner Familie runden das Bild ab.
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Seitenzahl: 528
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Dank
an die Koautoren und die ungenannten wie auch die im Text genannten Unterstützer.
Ulf Höhne, Volker Morgenroth, Dagmar Reißig, Reinhard Sandmann,
Alexander Schreyer, H.-J. Seyfried, Jürgen Wunderlich,
Jürgen Schneider, Evangelische Kirchengemeinde St. Nikolaus Pretzsch,
Heiko Schütz, Torsten Honkisch, Montanverein Ostharz e.V.,
Peter Sauerzapfe, Verein Mansfelder Kupferspuren e.V.,
Holger Siee, hs-muenzen.de,
Münzen Ritter, muenzen-ritter.de.
Den freundlichen Mitarbeitern
der Thüringer Staatsarchive Gotha und Meiningen,
des Sächsischen Hauptstaatsarchivs Dresden,
des Leipziger Stadtarchivs,
des Landeskirchenarchivs Eisenach,
der Württembergischen Landesbibliothek,
der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel,
des Naturhistorischen Museums Schloss Bertholdsburg Schleusingen,
des Verlages Berenkamp Wattens, Österreich,
des Schaubergwerks Grube Glasebach, Straßberg,
Ganz besonderer Dank an H.-J. Seyfried und Gert Wiemeier
für die zahlreichen Tips und Korrekturen.
Meiner Frau Burgl für die jahrelange geduldige Unterstützung.
Vorwort
Hinweise zum Verständnis der Textzitate
Ort und Zeit
Bergbau, Geologie
Die Suche nach Bodenschätzen
Der Beginn des privat finanzierten Bergbaus
Finanzierung einer Grube, Gewerkschaften
Geld und Währung
Organisation, Verwaltung, Qualifikationen
Material, Energie und Wasser
Quellen, Wasserläufe, Grundwasser
Die Vorgänger der Schmerbacher Gruben St. Peter und St. Georg
Der Anfang 1681
Résumé für 1681
1682
Résumé für 1682
Wasserleitung und Wasserrad (Kunstrad)
Die Lage der ersten Grubengebäude (Teil 1)
Der Drang in die Tiefe
Versuch einer Rekonstruktion der Situation im Georgschacht
Theoretische Überlegungen
Die vermutlich im Georgschacht vorhandene Technik
1683
Résumé für 1683
Die Lage der ehemaligen Grubengebäude (Teil 2)
Briefe
1684
Résumé für 1684
1685
Résumé für 1685
1686
Résumé für 1686
1687
1688 bis 1689
1690
1691
1692
Spätere Versuche
Der Konflikt um das Wasser
1687
18. Jahrhundert
1715
Die Kupferrosische Hütte
Erzaufbereitung und Verhüttung, Gert Wiemeier, Guilin; Dr. Claus Legler, Freiberg
.....
Analysemethoden
Öfen
Rechnungsführung und Kosten
Die Einnahmen und Ausgaben der Gewerkschaft
Versuch einer Beurteilung der Finanzverwaltung
Liste genannter Preise und Löhne
Fossilfunde aus dem Kupferschiefer und basalen Zechsteinkalk von Schmerbach/ Thüringen, Dr. Silvio Brandt, Halle
Einleitung
Kurzer Abriß zu historischen Fossilfunden aus Schmerbach
Fossilien aus Schmerbach und deren Verbleib in privaten und musealen Sammlungen
Bedeutung von Schmerbach als Fossilfundpunkt von Zechsteinfossilien
Georg Christoph von Utterodt, seine Familie, sein Leben
Die Daten
Das Stammwappen
Die Familie
Der Familienname
Berufe, Anstellungen
Die letzten (?) Nachfahren
Georg Christoph von Utterodt, Lebensdaten
Lebenslauf
Sein berufliches Wirken
Zusammenfassung der Daten zur Familie Georg Christoph von Utterodts
Anlage 1: Personen und Orte zum Schmerbacher Bergwerk
Am Wartberg vor 1668
Schmerbach, ab 1681
Zum Wasserkonflikt:
Orte, deren genaue Lage ungeklärt ist
Anlage 2: Worterklärungen
Literaturverzeichnis, Quellen
Bei der Suche nach Hinweisen auf die Herkunft von Bergbauspuren, die in den Höhlen der Wartberge häufig zu finden sind, kamen umfangreiche Akten über mehrere Bergbauversuche zu Tage. Diese Akten, vorwiegend aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, berichten zunächst von der unter Herzog Ernst am Berg unternommenen Suche nach verschiedenen Metallen, die zu den bekannten Spuren in den Höhlen führten, geben darüber hinaus auch spärliche Hinweise auf ältere Unternehmungen. Zusätzlich zeugen sie vor allem von einer gegen Ende des 17. Jahrhunderts vorwiegend privat finanzierten Fortsetzung der Suche. Es entstanden in dieser Zeit weitere Gruben am Berg. Später verlagerte sich die Suche nach Erz in das am Fuße des Berges gelegene Dorf Schmerbach. Von allen diesen Unternehmungen ist heute kaum noch etwas bekannt.
Zunächst bei den Recherchen unbeachtet, wurden die späteren Bergbauversuche in und um Schmerbach mit jeder weiteren Akte interessanter. Sie zeigten für Zeit und Ort unerwartete Dimensionen.
Der Hauptteil der vorliegenden Arbeit basiert auf Informationen, die aus transkribierten1) Akten verschiedener Archive, vor allem des Thüringer Staatsarchivs Gotha, gewonnen wurden. Die Akten zeichnen in vielen einzelnen Dokumenten ein interessantes Bild des Lebens im Herzogtum Sachsen Gotha vor mehr als 300 Jahren.
Georg Christoph von Utterodt war der Hauptakteur des Schmerbacher Bergwerks. Auch zu ihm und zu seiner Familie waren vor Beginn der Recherchen nur noch unzulängliche Kenntnisse verfügbar. Seine Person stellte sich als ebenso bemerkenswert heraus, wie der von ihm unternommene Bergbauversuch in Schmerbach.
Sowohl die von ihm betriebenen Bergwerke, als auch ihr Initiator sind inzwischen nahezu vergessen. Von den bis heute sichtbaren Relikten der Bergwerke in und um Schmerbach ist die Bergbauherkunft praktisch unbekannt.
In der Landschaft sind überhaupt nur wenige, ohne weiteres erkennbare Spuren der vor mehr als 300 Jahren begonnenen Gruben zu finden. Mit den Kenntnissen aus den Akten gelangen in Schmerbach und Umgebung teilweise überraschende Beobachtungen, die es ermöglichten, diese Spuren der damaligen Bemühungen recht sicher zuordnen zu können. Für andere kann der Zusammenhang zumindest vermutet werden.
Es ist versucht worden, ein umfangreiches Bild von zahlreichen Aspekten zu zeichnen. Die möglichst chronologische Schilderung der Entwicklung des Bergwerks und seiner Nachfolger ist mit Begleitkapiteln zu einzelnen Themen ergänzt. Diese Themen erschienen in einzelnen Fällen sofort als interessant, in anderen mußten sie zum Verständnis der in den Akten beschriebenen Vorgänge und Zustände recherchiert werden, sind aber immer für das Verständnis der Gegebenheiten der damaligen Zeit hilfreich. In anderen Fällen zeigen sie die Bedeutung der damaligen Leistungen. Manche der Hinterlassenschaften der Grube galten anfangs als Kuriositäten, erlangten dann wissenschaftliche Bedeutung und sind noch heute von Interesse.
Auch wenn an zahlreichen Stellen der durch Kombination von Akteninhalt und Suche vor Ort erreichte Kenntnisstand noch lückenhaft ist, zeigt er doch ein Bild höchst interessanter Vorgänge und bemerkenswerten, handelnden Personen.
Zur Person Georg Christoph von Utterodts und seinem familiären Hintergrund brachten die umfangreichen Recherchen teilweise unerwartete Erkenntnisse.
Vieles mußte dennoch beiseite gelassen werden, anderes ist trotz allem Aufwands erst ein kleiner Teil des Ganzen. Weder war der für eine vollständige Bearbeitung nötige Aufwand leistbar, noch wäre der zusätzliche Umfang im Druck realisierbar gewesen. Für künftige Arbeiten zur Heimatgeschichte bleibt somit noch viel Spielraum. Wenn dieses Werk dazu Anregung gibt, hat es seinen Zweck erfüllt.
Für das umfangreiche Gebiet der Erzaufbereitung und Verhüttung, die Analysen zum Metallgehalt des abgebauten Erzes und die Bedeutung von Schmerbach als Fossilfundpunkt konnten Co-Autoren gewonnen werden. Ihnen, Gert WIEMEIER, Gulin, China, Dr. Claus LEGLER, Freiberg und Dr. Silvio BRANDT, Halle gilt der besondere Dank für ihre Mitwirkung.
1) für die wichtigsten Fachbegriffe ist eine Worterklärungen im Anhang vorhanden
Hinweise zum Verständnis der Textzitate
Neben der Wiedergabe von Abbildungen einiger weniger Originaldokumente sind auch zahlreiche Textzitate enthalten. Sie sind möglichst genau wiedergegeben. Rechtschreibung und Grammatik der aufgeführten Textzitate sind nur in wenigen Einzelheiten an moderne Regeln angepaßt, um den Charakter der Schreiben nicht zu verändern. Die Eigenarten der alten Texte mit all ihren von den heutigen Gewohnheiten abweichenden Regeln und den Eigenheiten der Schreiber sind schon für sich genommen interessant und sollte deshalb erhalten bleiben. Insbesondere die Interpunktion weicht erheblich von unseren heutigen Gewohnheiten ab. Bildet man aber beim Lesen aus verständlichen Abschnitten gedanklich kurze Sätze, erschließt sich meist sehr schnell der Sinn. Ähnliches gilt für die Schreibweise der Namen. Auch diese werden so wiedergegeben, wie sie in dem zitierten Dokument enthalten sind; gelegentlich sind auch abweichende Schreibweisen angegeben.
Unterstrichene Passagen in diesen Texten kennzeichnen Ergänzungen im Original, dort gestrichene Passagen sind hier durch Streichung gekennzeichnet. Eckige Klammern markieren Erläuterungen oder Ergänzungen, die zum Verständnis des historischen Texts nötig oder hilfreich sind.
Die Angabe aller Details zur Herkunft der jeweils wiedergegebenen Passage hätte bei der Anzahl der nötigen Verweise die Lesbarkeit des Textes erheblich eingeschränkt. Bei Zitaten aus mehr als 80 Akten mit weit über 600 Einzeldokumenten aus verschiedenen Archiven, zusammen mit zahlreichen anderen Quellen wäre unübersichtlich geworden. Quellenverweise sind deshalb im Text nur als Kürzel in Schrägstriche eingeschlossen. Im Anhang sind die zugehörigen Literaturstellen, Archive und Akten nachvollziehbar aufgelistet. Verweise auf Akten sind im Text und im Anhang gesondert von den anderen Quellen als Literaturstelle mit vorangestelltem „A“ gekennzeichnet. Blattnumerierungen der Einzeldokumente, in der Regel die des ersten Blattes des betreffenden Schriftstücks, sind nur angegeben, wo es besonders ratsam erschien. Zu beachten ist, daß verschiedene Akten keine oder uneinheitliche Numerierungen besitzen. Die Quellen zu den Kapiteln „Erzaufbereitung und Verhüttung“ und „Fossilfunde aus dem Kupferschiefer und basalen Zechsteinkalk von Schmerbach/Thüringen“ sind als gesonderte Auflistung und mit vorangestelltem „V“ bzw. „F“ gekennzeichnet; die der Leichenpredigten mit „LPr Nr.“.
Der erste Anhang enthält außerdem auch eine Auflistung der wichtigsten erwähnten Personen, so wie auch eine kurze Liste mit Angaben zu Orten zum Geschehen in Schmerbach, die bisher nicht lokalisiert werden konnten.
Die Zeit, in der die zu beschreibenden Vorgänge stattfanden, ist einfach zu nennen: Vom letzten Viertel des 17. bis in das erste Viertel des 18. Jahrhunderts reicht die wichtigste Phase. Sie hat eine direkte Vorgeschichte, die bis in die Endphase des 30-jährigen Krieges zurück reicht und vor allem mit den Bemühungen Herzog Ernst des Frommen (1601-1675) die Wirtschaft des Herzogtums Sachsen-Gotha /4/ zu fördern, zusammenhängt.
Komplizierter ist die räumliche Einordnung, berücksichtigt man die zur gleichen Zeit herrschenden administrativen Verhältnisse.
Das Dorf Schmerbach und das unmittelbar im Osten angrenzende Schwarzhausen, heute Ortsteile von Waltershausen, im Thüringer Landkreis Gotha an der Grenze zum Wartburgkreis gelegen, gehören damals zum Herzogtum Sachsen-Gotha. Das 1640 aus einer der zahlreichen Erbteilungen und Gebiets-Neuzuordnungen der ernestinischen Herzogtümer entstandene Sachsen-Gotha erfuhr schon in den wenigen Jahren bis zum Ende des 17. Jahrhunderts, also dem Zeitabschnitt, der hier besonders interessiert, einige Veränderungen. Schon zu Herzog Ernsts Zeit kam es zu Gebietsveränderungen. Nach dem Erlöschen der Linie Sachsen-Altenburg 1672 fallen Titel und drei Viertel des Landes an Sachsen–Gotha: Sachsen-Gotha-Altenburg entsteht. /4/
Herzog Ernst I. (der Fromme) regierte Sachsen-Gotha von 1640 bis zu seinem Tod 1675. Seine noch während des Dreißigjährigen Krieges begonnene Wirtschaftsförderungspolitik, die auch die Förderung des Bergbaus zum Ziele hatte, setzte den Ausgangspunkt für die hier betrachteten Aktivitäten.
Ernsts Nachfolger Friedrich I. und Friedrich II. führten nach ihm das mehrfach territorial veränderte Herzogtum. Sie führten auch Herzog Ernsts Förderungspolitik weitgehend fort.
Das hier vor allem interessierende Schmerbacher Bergwerk steht von 1681, dem Jahr seiner Gründung, bis 1686 unter der Leitung Georg Christoph von Utterodts.
Inmitten der kritischsten Phase des nach-utterodtschen Betriebs der Schmerbacher Gewerkschaft stirbt am 2. August 1691 Friedrich I., sein Sohn wird als Friedrich II. Nachfolger. Da dieser 1691 aber noch minderjährig ist, wird zunächst eine Vormundschaft und Regentschaft unter den Herzögen Bernhard I. von Sachsen-Meiningen und Heinrich von Sachsen-Römhild gebildet. Erst 1693, nachdem er von einer Reise nach Holland und England zurückgekehrt war, wird er vom Kaiser für volljährig erklärt und tritt selbständig die Regierung an. /8/ Die so entstandene Situation begünstigte in Schmerbach das Ende der ursprünglichen Gewerkschaft. Danach existiert die Grube noch einige Jahrzehnte in kleinerem Umfang ohne herzogliche Beteiligung weiter.
Die zahlreichen Gebietsveränderungen der ernestinischen Herzogtümer spielen bei den zu beschreibenden Vorgängen zwar eine Rolle, doch würde die genaue Schilderung den Rahmen dieses Buches sprengen. Es sei deshalb auf die im Anhang aufgeführten Quellen /3 bis 8/ und zahlreiche weitere verwiesen2).
Zu den allgemeinen Fragen des damaligen Lebens soll auf das mehrbändige Werk Gotha Diplomatica von Friedrich RUDOLPHI und Hans Basilius von GLEICHENSTEIN (1717) verwiesen werden.
Es enthält auf zahlreichen Seiten ausführliche Informationen. Drei der 4 Bände des Werkes sind als Digitalisat im Netz verfügbar. /33/ (Stand März 2023) Der erste Band besitzt ein Inhaltsverzeichnis über das gesamte Werk.
Sachsen-Gotha war verwaltungstechnisch in verschiedene Ämter aufgeteilt; das hier interessierende Gebiet gehörte damals zum Amt Tenneberg (Benannt nach der Burganlage in Waltershausen, dem Amtssitz.)
Bis zur Verwaltungs- und Gebietsreform des Herzogtums Sachsen-Coburg und Gotha im Jahr 1858 waren von den Gothaer Herzögen verschiedenen adligen Familien Aufgaben der niederen Gerichtsbarkeit in ihren Besitztümern übertragen. Die Übertragung hoheitlicher Aufgaben durch die regierenden Herzöge zeigte auch die Stellung der betreffenden Familien innerhalb des Herzogtums. Eine dieser Familien war die der von Utterodts.
Die im Gebiet nahe Eisenach ansässige adlige Familie von Utterodt hat zu dieser Zeit unter anderem einen Zweig in Thal und einen in Schwarzhausen-Schmerbach. Weitere Informationen zur Familie und der aus ihr hervorgegangenen Hauptperson des Schmerbacher Bergwerks sind im Kapitel „Georg Christoph von Utterodt, seine Familie, sein Leben“ zu finden. Es enthält zahlreiche Informationen über die aktuell bekannten Daten der gesamten Familie, vor allem aber zum unmittelbaren familiären Umfeld Georg Christophs und seiner Ehefrau Margaretha Magdalena Susanna, geborene von Herda.
Die ungefähren Grenzen des von den von Utterodts verwalteten Gebiets sind in Abbildung 1 ebenfalls gekennzeichnet. Aufgrund von späteren Veränderungen entsprechen diese damaligen Grenzen nicht in allen Abschnitten genau den heutigen. Dennoch sollte die Abbildung einen ausreichenden Überblick über die grundlegende Struktur der damaligen politischen Grenzen geben. Noch viel mehr als die in der Abbildung dargestellten Grenzen der Herzogtümer ist die dort auch dargestellte Grenze des Utterodtschen Gerichts symbolisch zu verstehen.
Die Abgrenzung des Utterodtschen Gerichts bezog sich tatsächlich meist nur auf Ortsteile oder sogar nur auf einzelne Häuser (Grundstücke). Auf der Website des Ortes Schönau wird zum Beispiel für die Zeit um 1775 auf 7 utterodtsche Häuser verwiesen /10/. Ruhla war damals sogar dreigeteilt, Galletti nennt für das Ruhla des Jahres 1780 218 utterodtsche, 102 hennebergische und 244 eisenachische Häuser /40/. Das Utterodtsche Gericht wird bereits 1837, als der Thaler und vorher schon der Schwarzhäuser Familienzweig ausgestorben sind, zum herzoglichen Gerichtsamt umgewandelt. /9/
Die Übersicht zeigt deutlich, daß die Fläche Sachsen Gothas, wie auch das Herrschaftsgebiet der von Utterodts - und damit die Wirtschaftskraft dieser Gebiete - sehr beschränkt war. Der Dreißigjährige Krieg hatte außerdem die Wirtschaft insgesamt stark beeinträchtigt.
Herzog Ernsts Bemühungen richteten sich schon vor 1640 auf die Förderung der Wirtschaft des von den Folgen des Dreißigjährigen Krieges schwer getroffenen Fürstentums. So siedelte er um 1630, also noch während des Krieges, in Tambach italienische Glasmacher an. Dieses Unternehmen scheiterte weitgehend an kriegsbedingtem Rohstoffmangel. Rohstoffe waren wegen der unsicheren Lage nur schwer zu beschaffen, auf eingekaufte Rohstoffe mußte teilweise länger als ein Jahr gewartet werden. /53, 54/.
Abb. 1: Die ungefähren Grenzen des Herzogtums Gotha (rot) und des im Westen angrenzenden Sachsen-Eisenach (grün) in der Zeit um 1680. Das utterodtsche Gebiet Thaler und Schmerbach-Schwarzhäuser Linie ist mit der blauen Schraffur gekennzeichnet. Die kleinen roten Fähnchen markieren Orte, an denen Georg Christoph von Utterodt bis zu seinem Tod 1714 tätig war. Dei Grenzen von Sachsen-Gotha sind nach /4/ und die des Utt. Gerichts nach /11/ eingezeichnet.
Mit diesem Vorhaben erklärt sich auch die Tatsache, daß Venetianer, also Glasmacher, in den thüringer Wäldern auf der Suche nach Rohstoffen unterwegs waren. Die später auf dieser Basis verfaßten Venetianersagen zeugen noch heute von diesen Bemühungen.
Herzog Ernsts Erfahrungen mit der Beschaffung von Material für die Tambacher Glashütte hat sicher auch seine Bemühungen um die Förderung des Bergbaus mitbewirkt. Der Bergbau im Thüringer Wald, schon länger eine Stütze der regionalen Wirtschaft, versprach die nach dem 30-jährigen Krieg dringend benötigten Rohstoffe und Geldeinnahmen.
Herzog Ernsts Bergbaubestrebungen in der Zeit unmittelbar vor Beginn des utterodtschen Unternehmens sind gut dokumentiert. Die von ihm schon 1640 veranlaßte Suche nach Bodenschätzen führte 1654 auch zur Untersuchung des Backofenloches und anderer Stellen der Wartberge. Abbauversuche in der Höhle und auf den Bergen folgten.
Die herzoglichen Bergbauversuche an den Bergen dauerten bis 1668. Nach ihrer Einstellung sind sie die Initialzündung für die ab etwa 1670 häufiger werdenden und von der herzoglichen Verwaltung geförderten privaten Bergbaubestrebungen. Ein Vertreter der Familie von Utterodt, Georg Christoph, ist dabei die herausragende Persönlichkeit. Sein Schmerbacher Bergbauunternehmen soll in diesem Buch in erster Linie vorgestellt werden.
2) Die vor allem zu diesem Kapitel genutzten Quellen (meist WIKIPEDIA) sind auch als Hinweise für die genauere Beschäftigung mit dem historischen Hintergrund gedacht. Dieser Hintergrund kann hier nur in groben Zügen beschrieben werden. Über die Links sind auch zahlreiche ergänzende, nicht extra aufgeführte Seiten erreichbar.
Ausgewählte (bergfreie) Bodenschätze waren seit der Einführung des Bergregals im 12. Jahrhundert vom Grundeigentum getrennt. Zunächst waren sie Eigentum der Könige, später der jeweiligen Landesfürsten.
Aufgrund des Bergregals existierten drei Möglichkeiten, wie sie das Recht ausüben konnten:
Der Rechteeigentümer, hier der Herzog, gab mit der Verleihung seine nach Bergregal festgelegten Verfügungsrechte über die betreffenden Bodenschätze ab. Im Gegenzug erhielt er dafür in der Regel einen entsprechenden Lehnzins und andere Abgaben. Für manche Bodenschätze, wie Gold und Silber behielt er sich normalerweise auch ein Vorkaufsrecht vor. Zur Regelung von Einzelheiten erließen die Rechteeigentümer dazu Bergordnungen.
Seit 1571 galt für das Saalfelder Revier eine von Kurfürst August (* 31. Juli 1526 in Freiberg;
† 11. Februar 1586 in Dresden) als Vormund der Herzöge Friedrich Wilhelm I. von Sachsen-Weimar, Johann III. von Sachsen-Weimar, Johann Casimir von Sachsen-Coburg und Johann Ernst von Sachsen-Eisenach in Kraft gesetzte Bergordnung. /31/ Auch die im 17. Jahrhundert in den ernestinischen Fürstentümern regierenden Herzöge beriefen sich auf diese Bergordnung. Dort bestand eine Sondersituation: Durch die Teilung von 1640 wurde der ernestinische Besitz weiter aufgeteilt und eine Kleinstaaterei fixiert - zeitweise bestanden auf dem Gebiet Thüringens bis zu 7 ernestinische Herzogtümer - die erst 1920 mit der Gründung des Landes Thüringen überwunden wurde. Teilweise hatte auch Kursachsen Ansprüche. /3/
Bei dieser Teilung wurden jedoch auch Bereiche gemeinsamer Verwaltung fortgeschrieben, die schon früher festgelegt und immer wieder modifiziert wurden.
Einer dieser Bereiche war der Bergbau.
Für ihn waren Regularien geschaffen worden, die eine teilweise gemeinschaftliche Verwaltung dieses wirtschaftlich bedeutsamen Segments ermöglichen sollten. In der Praxis wurden diese Regelungen jedoch immer wieder umgangen.
In Sachsen Gotha waren gegen Ende des 30jährigen Krieges vor allem Gruben auf Eisenerz, Steinkohle, Kupfer und Salz (Salinen) in Betrieb. Nahezu alle dieser Gruben wurden in den Anfangsjahren in herzoglicher Regie betrieben. Sicher vereinfachte dies die Verwaltung, dennoch war zentrale Führung und Aufsicht nötig. Im Fall der Verleihung der Rechte war eine funktionierende Fachverwaltung aber eigentlich unerläßlich. Es gab jedoch dafür in Sachsen-Gotha keinerlei entsprechende Verwaltungsstrukturen. Die fürstliche Kammer (die Finanzverwaltung) beaufsichtigte auch für alle fürstlichen Gruben die Kosten, führte die (Ober-) Aufsicht und veranlaßte Entscheidungen, die in vielen Fällen direkt vom Landesfürsten getroffen wurden. In den Verwaltungen der Ämter gab es dafür keine Strukturen und demzufolge auch keine Fachleute.
Aus der Tatsache heraus, daß Bergwerke oft in Wäldern lagen - und sicher auch wegen des erheblichen Holzbedarfs, den sie verursachten - waren häufig die lokalen Forstverwaltungen mit Bergwerksangelegenheiten befaßt. Sie berichteten der Kammer, erhielten von dort Anweisungen und gaben sie weiter. Als ortskundige Personen waren die Forstbedienten auch erste Ansprechpartner bei den häufigen Bestandsaufnahmen. Noch in der Mitte des 18. Jahrhunderts wurden sie auch für die Verwaltung von herzoglichen Gruben eingesetzt. /A68/ Nahezu alle Entscheidungen erforderten daher Schriftverkehr mit Gotha. Dies war schon für die herzoglichen Bergwerke keine ideale Lösung. Eine Reihe privat betriebener Bergwerke war unter diesen Bedingungen nicht ausreichend zu beaufsichtigen.
Strukturen in der herzoglichen Verwaltung, besetzt mit fachkundigen Personen, die auch eine gewisse Ortskenntnis mitbrachten und die Leitung der Arbeit vor Ort wahrnehmen konnten, waren dazu nötig. Herzog Ernst hatte das erkannt und bemühte sich sofort nach seiner Regierungsübernahme um Abhilfe.
Es beginnt, wie aus den Akten des Thüringer Staatsarchivs Gotha ersichtlich ist, schon 1640, also gleich nach der Übernahme der Herrschaft in Sachsen Gotha. Am 8. Juni geht ein Schreiben des Herzogs zum Schösser (Steuereintreiber, oft auch Amtmann) auf Tenneberg (Schloß Tenneberg bei Waltershausen, damals Verwaltungssitz für Amt Tenneberg), er solle unter Hinzuziehung weiterer Personen in seinem Amt die Bergwerke besichtigen und darüber berichten. Auch Vorschläge, wie sie in Gang zu bringen seien, sollten beigefügt werden. Am 12. August 1640 beauftragt Herzog Ernst der Fromme seine Rentkammer, einen Brief nach Rudolstadt zu senden. Er teilt darin die Bestellung Jacob Börners als Bergmeister mit und bittet um Unterstützung für dessen Umzug. /A01/ Der neu ernannte Bergmeister, dem man offenbar nicht gern nach Gotha ziehen ließ, ist in den nächsten Jahrzehnten die zentrale Figur, wenn es um Bergbau in Sachsen Gotha geht. Börner wird offenbar dem Amt Reinhardtsbrunn zugewiesen, sein Arbeitsgebiet war, wie die Dokumente zeigen, jedoch überaus umfangreich und nicht an dieses Amt gebunden. Unter anderem berichten die Akten von seinen Aufgaben am Wartberg im Amt Tenneberg, an den Salzwerken Volkenroda und Altensulza, den Berg- und Hammerwerken im Amt Reinhardtsbrunn, in Georgenthal und Friedrichroda. Anläßlich von Untersuchungen am Leinakanal und Arbeiten, die er beim Bau der Festung Friedenstein in Gotha (heute Schloß Friedenstein im Zentrum der Stadt) ausübte, ist zu sehen, daß er auch Aufgaben über den Bergbau hinaus hatte. /A07 Bl10/
In den gesichteten Akten des Staatsarchivs Gotha ist bis etwa 1668 Jacob Börner der einzige, der dauerhaft solche Aufgaben wahrnahm. Gelegentlich wurde er durch andere Spezialisten unterstützt. Wie wichtig er war, zeigen auch zwei Schriftstücke der gleichen Akte aus dem Jahr 1648. /A07/
Im September ist er am Salzwerk Altensulza - er wird dort wieder (oder immer noch) benötigt- und kann deshalb nicht zurück nach Gotha. Seine weit verteilten Arbeitsorte, wie auch einige andere Fakten weisen darauf hin, daß er im gesamten Herzogtum und gelegentlich auch in einem der anderen ernestinischen Herzogtümer wirkte. Aus den Akten geht auch hervor, daß er 1654 in Ilmenau Arbeiten ausführte. Ilmenau gehörte zwar nicht zum gothaischen Territorium, doch Sachsen-Gotha besaß auch Anteile an den Ilmenauer Gruben.
Auch wenn die im Erbteilungsvertrag von 1640 zwischen den sächsischen Herzogtümern festgelegte gemeinsame Betreibung des Bergbaus sich fast nur auf die Gruben in gemeinschaftlichen Eigentum beschränkte, fand eine fallweise gegenseitige Unterstützung sehr wohl statt. Die Bestellung des wohl in Saalfeld oder Umgebung geborenen Jacob Börners zum Berginspektor in Sachsen Gotha, und seine Arbeitsorte innerhalb und außerhalb des Fürstentums zeugen davon.
Die Suche nach Bodenschätzen
Die Suche nach Bodenschätzen hängt im 17. Jahrhundert von den Kenntnissen bergbauerfahrener Personen ab. Die wenigen Fälle, in denen genauer auf den Anlaß ausführlicher Untersuchungen eingegangen wird, zeigen, daß man sich vor allem an bereits erfolgten Bergbauversuchen orientiert, oder daß Zufallsfunde den Anstoß gaben.
Das damals herrschende Verständnis von Herkunft und Verbreitung von Bodenschätzen spielt dabei eine große Rolle. Es ist auch während des Betriebes des hier besonders interessierenden Schmerbacher Bergwerks besonders relevant. Geologische Gegebenheiten wurden nach Erfahrung beurteilt und konnten noch nicht im Zusammenhang gesehen werden. Die objektiven Gründe, warum an manchen Stellen Erze zu finden sind, an anderen aber nicht, waren weitgehend unbekannt. Selbst die Kenntnis über die Herkunft der die Erze umgebenden Gesteine, die Hinweise auf mögliche Bodenschätze hätte geben können, war noch nicht vorhanden.
Während die technischen Möglichkeiten, einmal gefundene Bodenschätze zu heben, immer weiter entwickelt wurden, blieb die Theorie zu ihrer Entstehung zurück. Die Alchemie versuchte noch immer mit unterschiedlichsten Mitteln Elemente umzuwandeln und begann dabei gerade erst die Methoden zu entwickeln, die später zur wissenschaftlichen Chemie führten und so auch Grundlagen für die Wissenschaft von der Erde schufen, die zunächst Geognosie genannt wurde. Alchemistische Vorstellungen spielten auch eine Rolle, wenn es um Bodenschätze und Bergbau ging. Die Idee von der Verwandlung der Metalle in edlere, je tiefer sie in einem Gang anzutreffen sein, illustriert das wohl am besten. Fand man Erze oder manchmal auch nur einen Gang, der kein nutzbares Erz führte, aber kaum erkennbare Anflüge von Metallen zeigte, versuchte man ihn in die Tiefe zu verfolgen. Höhlen wurden deshalb ebenfalls untersucht. „In der Tiefe wird der Gang edel“ war die vorherrschende Auffassung. Auch die Begriffe Gang und Flöz wurden damals nicht anhand der unterschiedlichen Entstehung, sondern vorwiegend an Hand der räumlichen Lage unterschieden. Ein durch spätere geologische Vorgänge mehr oder weniger steilgestelltes Flöz wurde so immer als Gang angesehen, ein mehr oder weniger horizontaler Gang als Flöz. Die Unterschiede, die sich daraus auf die Möglichkeit Erz zu enthalten, die Erstreckung und den möglichen Erzgehalt in der Tiefe daraus ergeben, konnte man im 17. Jahrhundert noch nicht mit Grundlagenwissen beurteilen, sondern nur anhand dieser Regel und von Berufserfahrung. Erst etwa 100 Jahre nach den hier interessierenden Vorgängen setzt sich langsam eine modernere Sicht und der heute noch verwendete Name Geologie für die neue Wissenschaft durch.
Jedoch ist zum Ende des 17. Jahrhunderts der Beginn dieser Entwicklung durch das Wirken einiger hervorragender Persönlichkeiten schon erkennbar. Manche dieser Persönlichkeiten werden Einfluß auf die Geschichte des Schmerbacher Bergwerks ausüben.
In Freiberg existierte zu dieser Zeit noch keine Bergakademie, aber Abraham von Schönfeld war dort gerade im Begriff, ihre Grundlagen zu schaffen. /60/ Dieser Abraham von Schönfeld hatte möglicherweise sogar Kontakt nach Gotha und zu Georg Christoph von Utterodt - eine Verbindung die einiges erklären würde, die aber leider noch nicht nachweisbar ist.
So ist es nicht verwunderlich, daß vor allem das Wissen von früherem Bergbau und die Erfahrung, in welchen Gesteinen bisher die Suche erfolgreich war, zur Suche nach neuen Vorkommen genutzt wurde. Entlang der Flanken des Thüringer Waldes werden die meisten Gruben betrieben, also sucht man an vergleichbaren Orten. Auch ehemalige, längst stillgelegte Gruben und Abbauversuche werden im Rahmen von Bestandsaufnahmen immer wieder besichtigt. Die an der Oberfläche gefundenen Gesteine bieten dabei einen Anhaltspunkt. Zufallsfunde und Funde auf alten Halden spielen eine weitere wichtige Rolle. In den Akten finden sich einige Schreiben in denen Bürger von Funden berichten. In manchen Fällen werden die Funde auch an die herzogliche Verwaltung eingeschickt.
Dort, wo nach solchen Hinweisen die Hoffnung auf weitere Funde besteht, wird nachgesehen. Meist wird ein Forstbediensteter, ein Schultheiß, gelegentlich auch ein Bergmann einer nahen Grube geschickt, die Fundstelle zu begutachten. All das wird begleitet von einer heute unvorstellbar tiefen Religiosität, die immer präsent ist.
Am anschaulichsten sieht man dies an einem Originaltext. Georg Christoph von Utterodt schreibt am 20 Juli 1681 in einem Brief zur Werbung für sein Bergbauunternehmen unter anderem:
„Denen Gelehrten und andern erfahrenen
Personen ist bekannt, daß gott
der Allmächtige beÿ erschaffung der Welt
einen sonderlichen Seegen in die Erden geleget
hat, indem Er so zu erden, die Gänge
in der Tiefe der Erden also bekannt,
und allerhand Erz, daraus dem Menschen
zum besten so wohl Golt als Silber, Kupffer
Bleÿ, Zinn, Eisen und anderes mehr, bereitet
wird, wachsen laßen, auch noch bis zum
Ende der Welt, wachsen läßet; ....“ /A13 Bl05/
Die erfolgreiche Suche nach baubaren Bodenschätzen gestaltete sich deshalb zu dieser Zeit immer zu einem Unternehmen mit hohem Risiko. Dieses Risiko erhöht sich auch durch die Tatsache, daß Kosten-Nutzen-Analysen bestenfalls rudimentär durchgeführt und weitgehend durch Gottvertrauen ersetzt werden.
Besteht eine Vermutung über mögliche Erzvorkommen, gibt es zwei Methoden zur Klärung:
Schürfe, die einen größeren Aufwand bei ungewisser Aussicht auf Erfolg erforderten und wohl deshalb damals nur in wenigen Fällen angewendet wurden, waren die aufwendigere Methode.
In den untersuchten Akten zum Bergbau am Wartberg sind nur etwa 5 solcher Versuche gefunden worden. Als Schürfe sind auch die Erkundungen von natürlichen Hohlräumen (Höhlen) anzusehen, die an der Erdoberfläche erkennbar waren und bei deren Begehbarmachung teilweise erhebliche Aufwände getrieben wurden. Von den genannten 5 Schürfen stehen drei im Zusammenhang mit Höhlen.
Die Suche mittels Wünschelrute wurde viel häufiger angewandt. Es war wohl die einfache Verfügbarkeit dieser Methode, die sie damals zum „Standard-Mittel“ machte.
An den Wartbergen, wo die unmittelbare Vorgeschichte des Schmerbacher Bergwerks stattfand, begann alles anläßlich der schon erwähnten Bestandsaufnahme von 1654. Mit einem ausgedehnten Rutengang und einer daraufhin angefertigten Karte der Gold und Silbergänge des Berges wird die Grundlage geschaffen. Auf dem Doppelberg wird von Bergmeister Börner im Auftrag des Herzogs vom 13. Mai bis zum 6. Juni nach Erz gesucht. /A07 Bl5/ Das bis dahin unbefahrbare Backofenloch wird dabei eröffnet und befahren. Ein Rutengänger untersucht den Berg. In der Folge entsteht eine leider undatierte und unsignierte Karte der Gold- und Silbergänge des Berges.
/A04 Bl76/ Jacob Börner selbst, oder der Rutengänger, Steiger Caspar Siblis, sollten als Autoren der Karte in Frage kommen. Es wird auch an einer weiteren Stelle geschürft, aber dies wird nur erwähnt. Nur wenige Tage nach dieser Prospektionstour beginnt das Abteufen eines Schachtes auf das vermutete Silbererz, das 14 Jahre andauert und völlig erfolglos endet. Die Arbeiten brachten keinerlei Erzfunde an den durch die Rute gefundenen Orten. Zusätzlich zu den Arbeiten am Schacht werden in dieser Zeit weitere Bergbauversuche vorgenommen. Am Berg wird gleichzeitig an mindestens 3 Stellen der Abbau von Eisenerz versucht. Am 6. August 1658 untersucht man in diesem Zusammenhang den heute Dicelhöhle genannten Naturhohlraum nachdem man zunächst das Mundloch dieser Höhle so weit geöffnet hat, daß es befahrbar wurde. Im Juni 1665 wird der Silberborn aufgegraben. Die Arbeiten werden abgebrochen, als das herausfließende Wasser ihre Weiterführung unmöglich macht. /A07 Bl01/ 1664 wird am Berg tatsächlich Silber-Blei-Erz (Galenit) gefunden, doch an einer Stelle, die nicht im Rutenplan von 1654 enthalten ist. 4 Jahre später haben sich alle Träume zerschlagen, der inzwischen 117 Meter tiefe Schacht wird eingestellt, die Galenitfundstelle hat sich als vererzte Linse erwiesen. Sie ist zu diesem Zeitpunkt schon abgebaut.
Abb. 2: Galenitkristall vom Wartberg Kanten ca. 1,5- 2 cm; Gewicht 32,8 g; Dichte 7,45 g/cm3
In den 14 Jahren herzoglicher Bergbauversuche an den Wartbergen wird wiederholt mit der Rute nachgesucht. Manchmal werden alte Ergebnisse bestätigt, in anderen Fällen erwähnen die Schreiber der Berichte unterschiedliche Resultate der zahlreichen Rutengänge.
Als sich Herzog Ernst 1668 zur endgültigen Klärung der Erfolgsaussichten aus Clausthal-Zellerfeld Experten heranholt, ist wieder ein Rutengänger dabei. In den Akten finden sich keine Kommentare zu den unterschiedlichen Ergebnissen, aber allein die häufige Wiederholung von Rutengängen deutet darauf hin, daß man sich der Mängel des Verfahrens bewußt war. Die Rute zeigt anläßlich des 1668er Besuchs der Experten gerade am Klingellochschacht, wo 14 Jahre erfolglos gearbeitet wurde, oben auf der Höhe und im Schacht schwache Ergebnisse, ganz in der Tiefe aber nichts mehr. Die anderen Orte am Berg werden nicht detailliert erwähnt, aber auch mit der Rute begangen. Nach der Besichtigung empfehlen die Clausthaler Experten die Einstellung der Arbeiten. Das geschieht dann auch. /A05 Bl49 und 50/
AGRICOLA erwähnt und beschreibt das Rutengehen in seinem 1556 erstmals erschienenen „ De re metallica libri XII“. /30, 30a/ Er äußert schon damals Zweifel an der Zuverlässigkeit der Methode und erwähnt auch, daß nicht nachvollziehbar ist, wie Rutengänger erkennen, auf was die Rute angesprochen hat. Die Bergleute im 17. und 18. Jahrhundert nutzten sie mangels besser Möglichkeiten trotz dieser Nachteile.
Diese Diskussion um das Rutengehen hält bis heute an. Versuche mit „neuesten“ Schweißdrahtwünschelruten durch Höhlenforscher zeigten bei manchen Personen Reaktionen, bei anderen keine. Was die Rute „angezeigt“ hat, bleibt immer im Dunkeln. Trotz zahlreicher Versuche, die Funktion von Ruten zu erklären /55/, konnten diese Probleme nie gelöst werden. Rutengehen ist keine taugliche Methode. /69/
Man sollte denken, es gäbe deshalb keine Weiterentwicklung auf diesem Gebiet. Doch manchmal wird es ganz modern: Im Fernsehen war unlängst ein besonders innovativer Rutennutzer zu sehen: Am heimischen Schreibtisch sitzend pendelte er mit einer eigens erfundenen Rute auf Wanderkarten den Standort des Nibelungenschatzes aus. Solche „Smart-Ruten“ erfordern also nicht einmal mehr, vor Ort zu suchen. (ZDF-Info, 3. Juli 2021, Mythos - Die größten Rätsel der Geschichte. Der Schatz der Nibelungen; Produktion ZDF).
Den Bergleuten vergangener Jahrhunderte, die mit spärlichen Mitteln und großen Anstrengungen nach Bodenschätzen suchten, käme solches sicher als blanker Hohn vor - den ernsthaften Forschern, die auch in diesem Beitrag vorkamen, sicher auch.
Die Akten des Staatsarchivs Gotha berichten von einem letzten Mutungsversuch am Berg im Jahre 1901. Eine Firma, die damals in Rumänien Goldgruben betreibt, bemüht sich darum. /A36/ Nach etwas Schriftverkehr und Aktensichtung wird jedoch wenig später der schon vereinbarte Termin für eine Begehung abgesagt und der Antrag zurückgezogen. Fundierte wissenschaftliche Kenntnisse haben hier schließlich über die Wünschelrute gesiegt.
Alle Bergbauversuche am Wartberg zwischen 1654 und 1668 werden von der herzoglichen Verwaltung betrieben, die auch die Kosten trägt. Private Beteiligungen finden in diesem Zusammenhang nicht statt.
Am Berg zieht nach 1668 zunächst Ruhe ein. Die dauert aber nur wenige Jahre.
Der Beginn des privat finanzierten Bergbaus
Die Akten des thüringer Staatsarchivs Gotha zeigen, daß vom 16. bis zum 19. Jahrhundert eigentlich nie eine ausreichende Übersicht über den aktuellen und auch nicht über den historischen Bergbau bestand. Deshalb werden immer wieder Bestandsaufnahmen („Aufstände“) durchgeführt. Die Ämter - und von ihnen angewiesene Forstleute, Schultheiße und andere Bedienstete - stellten dann Schreiben über den aktuellen Kenntnisstand zusammen. In anderen Fällen wurden auch die angestellten Bergmeister, Steiger oder andere erfahrene Personen für solche Bestandsaufnahmen beauftragt. Derartige Unternehmen sind in den Akten bis ins 19. Jahrhundert nachweisbar.
Die aufwendige, aber erfolglose Suche am Wartberg zeigte der herzoglichen Verwaltung offenbar auch, welches Risiko derartige Unternehmungen darstellten. Andererseits regten die herzoglichen Bergwerke offenbar auch die Unternehmungslust von Bürgern an, denn bald werden vermehrt Mutungsanträge eingereicht.
Eine Mutung ist der nach dem Bergregal nötige Antrag auf Verleihung der Rechte zum Betrieb eines Bergbauunternehmens zur Gewinnung der begehrten Bodenschätze. Damit ist sie der erste Schritt zum privatwirtschaftlichen Betrieb eines Bergwerks.
Die von den Herzögen beabsichtigte Förderung des Bergbaus und private Interessen führten so zu einer Zunahme von Bergbauversuchen. Im Juli 1676 erfolgt der erste Mutungsantrag auf ein Bergwerk am Wartberg. Bald folgen weitere.
19.07.1676
Oberförster M. Wachs und Koll
am Kl. Wartberg
A11
26.02.1681
Utterodt
„St. Peter“ an der Straße
A14
21.01.1681
Utterodt
„Gute Hoffnung“ am Wartberge
A11
28.01.1681
Utterodt
„Gottesgabe“ am Kl. Wartberg
A11*
10.03.1682
Utterodt
„St. Georg“
A14
07.01.1684
2 Schmerbacher Bergleute
„Berg Glück“
A11
23.10.1685
Weitz u. Consorten
am Gr. Wartberg (Ablehnung)
A11
16.11.1685
Weitz u.a.
am Gr. Wartberg
A11
29.04.1686
Jacob Weitz
Silberborn
A11
22.04.1686
Utterodt
Schwarzhäuser Erbstollen
A12
21.05.1686
(erneut) Weitz u. Consorten
gesamter Gr. Wartberg mit 6 Maßen
A11
15.05.1688
Martin Saul
Bergwerk am Kl. Wartberg
A05
29.03.1708
Privilegium an Dr. Jacob Weitz
universal
A45
03.03.1742
Georg Siegfried Knott und Co.
auf Kobalt über Schmerbach
A52
03.02.1742
J. H. Müller und Consorten
im Ruhler Forst und am Martberge
A52
22.02.1742
Jakob Christoph Biedermann
auf Kobalt über Schmerbach
A52
Um 1750
Com. Schrader, Kaufmann Malsch
Backofenloch
A68
21.09.1752
Johann Samuel Schrader Mutung
Bleigang bei Schmerbach
A23
*) Mutung für die gleiche Grube wie „Gute Hoffnung“ Es wurde nur ein anderer Name vergeben. (s. dazu auch die nächste Seite)
Tabelle 1: In den Akten des Thüringer Staatsarchivs Gotha nachweisbare Mutungen für Gruben im Gebiet Wartberg-Schmerbach zwischen 1676 und 1752
Diese vermehrten Versuche, Bergwerke privat zu betreiben, stellten die herzogliche Verwaltung vor Anforderungen, die ohne entsprechende Strukturen, nicht zu bewältigen waren. Zunächst half man sich durch unkomplizierte und schnelle Bearbeitung der Anträge, die in der Regel positiv beschieden wurden. Eine Kontrolle der Ausführung der Bauversuche ist aus den Akten des 17. Jahrhunderts nicht erkennbar. Es wird sich bald zeigen, daß mehr Verwaltungsaufwand erforderlich ist.
Schon eine reguläre Verleihung der Bergwerksrechte hätte einen erheblichen Aufwand erfordert. Viel umfangreicher sind die Aufgaben, die für Aufsicht über privat betriebene Bergwerke notwendig waren.
Die 1571 von Kurfürst August verkündete zweite Bergordnung, in den Akten als „Saalfeldische Bergordnung“ bezeichnet, enthält genaue Regeln, was erfolgen soll. Man beruft sich immer wieder auf diese Bergordnung, doch für eine ordnungsgemäße Anwendung fehlt die Fachverwaltung.
Der vorgeschriebene Ablauf ist wie folgt geregelt:
Zunächst reichte ein Antragsschreiben. Hier als Beispiel die erste Mutung Georg Christoph von Utterodts vom 21. Januar 1681.
„In Hoch Fürstl. Sächß. Friedensteinischen Bergfreien, will ich berggebräuchliche hiermit gemuthet haben
und zwar am Wartberge im Amt Tenneberg.
Eine Fundgrube, die gute Hoffnung genannt, mit vier unter und oberen Maßen
samt der Erbstollengerechtigkeit auf Blei und andre allerhand Metall, die Gott da geben möchte
Dies bittend Hoch Fürstl. Cammer wolle diese Meine Mutung aufnehmen
und mir gebräuchlichen Lehnschein darüber ausfertigen laßen.
Datum, Schmerbach den 21. Januar 1681
Georg Christoph von Utterodt“ /A12 Bl10/
Schon am 27.1.1681 erfolgt die Antwort der Kammer:
„Demnach Georg Christoph von Utterodt untern 21. dieses mit einer berggebräuchlichen Mutung, auf eine Fundgrube die gute Hoffnung genannt, mit unter- und ober- Maßen, sambt der Erbstollengerechtigkeit, auf Blei und allerhand Metallen die Gott da geben möchte, am Wartberg in Amt Tenneberg gelegen, eingekommen und um Bestätigung gebührend angesucht, als wird auf fürstliche Verwilligung Ihnen, dem von Utterrodt und Consorten, solche gemutete Fundgrube, die gute Hoffnung genannt mit vier nächsten Maßen unter- oder oberhalb zu strecken, und der Erbstollen-Gerechtigkeit hiermit verliehen, dergestalt, daß [sie] nach Saalfeldischen Berggebräuchen, bauen und in allen Begebenheiten sich richten sollen. Uhrkundlich ist ihm dieser Lehnschein unter Fürstl. Cammer korect außgestellet
Signatum Friedenstein den 27. Januari Ao: 1681“ /A12 Bl11/
Einen Tag später, am 28. Januar mutet er mit nahezu identischem Text scheinbar eine zweite Grube, „Gottesgabe“ genannt. Diese beiden Mutungen führen lediglich zur Ausstellung eines Lehnscheins, der ursprüngliche Name Gute Hoffnung wird dabei in Gottesgabe geändert. Das zeigen Abschriften der Schreiben in anderen Akten, die diese Änderung beinhalten.
Die ausgestellten Lehnscheine sind eigentlich der dritte Schritt des Vergabeverfahrens. Sie sind selten in den Akten enthalten, da sie den Lehnsnehmern übersandt wurden. Meist sind nur Kopien der Begleitschreiben oder vorbereitender Schriftverkehr zu finden. Die späteren Ereignisse um die Grube St. Georg führten dazu, daß dieser Mutschein original erhalten ist.
Abb. 3: Mutschein für die Grube St. Georg vom 23. März 1682 /A12, Bl.185/
Die Unsicherheit, was man wirklich finden wird, schlägt sich in den Anträgen in Formulierungen wie der Aufzählung verschiedener Metalle nieder, die zum Schluß meist auch die Worte „.. und allerhand Metallen ..“ enthält. Zu den übertragenen Rechten gehörten auch solche, die nicht direkt mit dem eigentlichen Abbauziel in Verbindung standen. Mit solchen zusätzlichen Rechten wurden in der Regel auch Bereiche, weit außerhalb der festgelegten Grubenflächen berührt. Wie noch zu berichten ist, spielen dabei nicht nur in Schmerbach Wasserrechte eine besonders wichtige Rolle. Die Akten zeigen, daß auch die rechtlich abgedeckten Eingriffe in die Rechte der Grundeigentümer oder -nutzer nicht immer ohne Widersprüche blieben. Diese konnten sich auch bis zu massiven Protesten entwickeln.
Dem ersten Schritt, dem Antrag, sollten nach der Bergordnung weitere, deutlich aufwendigere Schritte folgen.
Zunächst hatte der Antragsteller 14 Tage Zeit, den Fund (Gang oder Flöz) zu entblößen (freizulegen). Danach hatte der Bergmeister als zweiten Schritt die Aufgabe, anhand der vorgefundenen Situation die Größe und Lage der Grube festzulegen, was von der vorgefundenen Situation abhängig erfolgen sollte. Bei Freilegung eines Flözes hatte die Fundgrube die Maße 42x21 Lachter (1 Lachter entsprach fast genau 2 Metern). Die zusätzlich möglichen Erweiterungsflächen, die „Maßen“ hatten 28x21 Lachter Größe. Obermaßen sind zusätzliche Abbauflächen, die sich bergauf an die Fundgrube anschlossen, die Untermaßen bergab. Eine wie im obigen Antrag gemutete Grube war also 532 m lang und 42 m breit, umfaßte also 11.172 m2. Bei Erzgängen war die Größe anders zu berechnen. Die Lage des Ganges war entscheidend und die Abmessungen anders.
Es ist einzusehen, daß es schnell zu Konflikten führen konnte, wenn sich zwei Gruben nahe beieinander befanden, deswegen waren genaue Lagefestlegungen eigentlich immer erforderlich. Dieser zweite Schritt erforderte damit schon nennenswerten Aufwand. Strenggenommen war die Ausstellung eines Mutscheins erst als der dritte Schritt nach der Registrierung und genauen Lagefeststellung möglich. Überhaupt ist es typisch, daß, wie in dem angeführten Beispiel zu sehen, nahezu keine Lageangaben gemacht werden. Es sind bestenfalls Angaben wie „oberhalb Schmerbach“ oder „am Wartberge“ enthalten.
Während des Betriebes und zur Abrechnung des Zehnten war ebenso eine staatliche Aufsicht nötig. In den meisten aktenkundigen Fällen sind nicht alle Schritte erfolgt. Auch wird selten eine Festlegung zum Zehnten niedergeschrieben.
Abb. 4: Vermutliche Lage und Größe der beiden Schmerbacher Gruben entsprechend der Mutanträge und der Saalfelder Bergordnung für eine Flözlagerstätte. Schwarz: Fundgrube; gelb: Maßen. Höhenlinien auf Basis LIDAR, Abstand 0,2 m
Im Schriftverkehr der untersuchten Schmerbacher Grube wird jedoch etwas später eine Festlegung erwähnt, nach der 3 Jahre nach dem ersten Schmelzen der erste Zehnt zu entrichten sei. Interessen Dritter, zum Beispiel anderer Grubenbetreiber oder Grundstücksnutzer hätten ebenfalls geprüft werden müssen. Mangels Verwaltung unterblieb dies weitgehend.
Schaut man sich die Akten an, fällt außerdem sofort auf, daß Entscheidungen oft am gleichen Tage getroffen wurden, nur selten vergeht mehr als eine Woche bis zur Antwort.
Bis auf einen wurden alle in den Akten gefundenen Mutungsanträge positiv beantwortet. Das hat natürlich viele Gründe. Zu einem Teil war das sicher auch direkte Folge der fehlenden Fachverwaltung, ein anderer Faktor war der Wille, durch die Nutzung der im Land vorhandenen privaten Ressourcen den Bergbau zu fördern.
Mit der Erteilung eines Mutscheins enden in den meisten Fällen auch die Akten zu den Vorhaben. Mangels Erfolg führten die meisten dieser Gruben nicht zur Förderung nennenswerter Erzmengen, so daß auch keine Abrechnungen zum Lehnszins erfolgten und auch keine sonstigen Verwaltungsmaßnahmen mehr erforderlich waren.
Die räumliche und organisatorische Trennung von Betrieb und Verwaltung der herzoglichen Bergbauunternehmungen hatte ebenso zur Folge, daß bergbaufachliche Gründe auch bei Entscheidungen zu deren Betrieb kaum eine Rolle spielten, dagegen sind diese oft von Holzmangel und der Sorge um den Wald und seinen Zustand beeinflußt. Ein Umstand, der auch in den Akten des 19. Jahrhunderts noch eine große Rolle spielt.
Insgesamt ist auch aus den ausgestellten Mutscheinen, beziehungsweise den diese Scheine begleitenden Anschreiben eine Entwicklung erkennbar: Mit der Zeit werden immer mehr Detailfestlegungen aufgenommen, die auch zum Ziel haben, die Folgeschäden des Bergbaus zu reduzieren. Genehmigungen zur Suche nach Bodenschätzen enthalten zum Beispiel bald Regelungen, daß Schürfe nach der Suche wieder geschlossen werden sollen. Diese Entwicklung zeigt die wachsende Notwendigkeit einer Behörde zur Aufsicht über den Bergbau und zur Registrierung von Kenntnissen über die Bodenschätze. Doch erst 1708 wird auf Befehl von Herzog Friedrich II. der erste Schritt zu einer Bergverwaltung gemacht. Er setzt eine Bergwerkskommission mit zahlreichen Aufgaben ein. /A44 Bl01/ (s. Abbildung 31 auf Seite 146)
Ausführlichere Akten findet man zunächst wegen der noch völlig fehlenden Fachverwaltung lediglich zu Bergwerken, an denen der Herzog selbst beteiligt war. Es ist daher sicher als Glücksfall anzusehen, daß für das Schmerbacher Bergwerk eine Gewerkschaft gegründet wurde, an der die Gothaer Herzöge maßgeblich beteiligt waren.
Finanzierung einer Grube, Gewerkschaften
Nach der Mutung war der Betrieb der Grube zu organisieren, vor allem aber zu finanzieren.
Da natürlich Privatpersonen noch viel weniger als der regierende Herzog in der Lage waren, solch einen Betrieb in der Anfangszeit zu finanzieren, nutzte man die Möglichkeit eine Gewerkschaft zu gründen. Eine Gewerkschaft ist mit heutigen Aktiengesellschaften vergleichbar. Jeder konnte einen oder mehrere Kuxe (Anteile) an der Grube erwerben. Damit wurde er „Gewerke“. Solange der Betrieb aufgebaut wurde und deshalb noch Kosten verursachte, verpflichtete der Besitz von Kuxen zu Zahlungen, der sogenannten „Zubuße“. Diese wurde nach Erfordernis, meist quartalsweise festgelegt. Gelegentlich mußten auch Sonderzahlungen, sogenannte „Beischüsse“ vereinbart werden. Es bestand also, anders als bei einer Aktiengesellschaft heute, die Verpflichtung, bis zum Zeitpunkt, an dem die Grube Ertrag erwirtschaftet, immer wieder Zahlungen zu leisten. Geriet ein Gewerke in Rückstand, wurden seine Rechte solange eingeschränkt, wie dieser bestand. Konnte oder wollte der Gewerke seine Zubußgelder nicht weiter zahlen, konnte er seine Kuxe verkaufen, der Rückstand konnte gerichtlich eingezogen werden, oder er verlor seine Kuxe, sie fielen „ins Freie“ und das eingezahlte Geld des nun ehemaligen Gewerken war für ihn verloren.
Zur Finanzierung einer Grube wurden in der Regel je Grube 128 bis 132 Kuxe vergeben. Oft wurde die Anzahl der Kuxe weiter erhöht, teilweise erheblich. Das führte jedoch dazu, daß der Wert eines Kuxes aufgrund der Notwendigkeit der Aufteilung der künftigen Ausbeute auf mehr Kuxe sank. Für die Gewerken als Anteilseigner bedeutete dieses System also zunächst die Pflicht, die Grube dauerhaft zu finanzieren ohne die künftigen Erträge zu kennen. Angesichts des zeitgemäßen und individuellen Wissensstands ein erhebliches Risiko, von dem niemand am Anfang wissen konnte, wie groß es tatsächlich werden würde. Die Einzahlung mußte solange erfolgen, bis die Grube endlich Nettoeinnahmen erzielte. War der Bauversuch nicht erfolgreich, gingen alle Einzahlungen verloren. Zu den regulären kamen meist einige wenige sogenannte „Freikuxe“. Sie berechtigten zu Gewinnauszahlung, verpflichteten aber nicht zur Zubußzahlung. Freikuxe erhielten oft die Kirche und die Schule.
Die Grundeigentümer der Flächen, auf denen obertägige Anlagen (Schächte, Halden und Stollenmundlöcher einschließlich der Wege dahin) errichtet wurden, erhielten manchmal ebenfalls Freikuxe als Entschädigung. Für Eigentümer von Freikuxen bedeutete das natürlich ebenfalls, solange auf Entschädigungen warten zu müssen, bis die Grube Gewinn abwerfen würde.
Der Nutzen für die Betroffenen lag deshalb meist in weiter Ferne.
Die Möglichkeit, sein Geld scheinbar vorteilhaft in einem Grubenbetrieb anlegen zu können, war vor allem von Hoffnung getragen. Eine realistische Einschätzung war den künftigen Gewerken sicher nicht möglich. Kosten-Nutzen-Rechnungen, wie man sie heute anstellen würde, gab es nur in Ansätzen. Die aus Georg Christoph von Utterodts Schreiben auch sehr deutlich erkennbare Zuversicht in göttliche Unterstützung für das auch als „der Allgemeinheit nützliche Werk“ sollte dabei nicht unterschätzt werden.
Das gewonnene Erz konnte direkt verkauft werden. Besser war aber eine eigene Weiterverarbeitung im eigenen Poch- und Schmelzwerk. Das war oft nötig, da solche Werke nur dort existierten, wo auch ausreichender Bergbau existierte. Ein eigenes Werk reduzierte auch den nötigen Transportaufwand und sicherte den Verkauf der Produkte. Erz war schlechter zu verkaufen, als Halbfertigprodukte wie Rohmetalle. Für diese Werke war ebenfalls eine herzogliche Beleihung und ein beachtlicher Investitionsaufwand erforderlich. Unter diesen Rahmenbedingungen beginnt am Ende des 17. Jahrhunderts eine Phase vorwiegend privat finanzierter Bergbauunternehmungen in Sachsen Gotha.
Für das Verständnis der Vorgänge um das Schmerbacher Bergwerk sind die Finanzen der Grube bedeutsam. Es ist schwierig, das damals unübersichtliche Währungssystem vollständig zu verstehen. Diese kurze Einleitung in das damalige Währungssystem soll dabei helfen. Es existierten unterschiedliche Münzsysteme mit entsprechenden Münzen. Jeder Herrschaftsbereich gab seine eigenen Münzen heraus. Die Münzsysteme unterscheiden sich von Ort zu Ort und sind auch ständig Wandlungen unterworfen. Zur Stabilisierung der Münzsysteme fanden immer wieder Bemühungen zur Vereinheitlichung und Regulierung der Währungen statt. Trotzdem wurden immer wieder die dazu gemachten Vorgaben nicht eingehalten. Es waren so unzählige unterschiedliche Münzen mit verschiedensten Nominalwerten im Umlauf. Da der Metallgehalt der Münze ihren tatsächlichen Wert bestimmte, konnte wegen geringerer Metallgehalte der tatsächliche Wert einer Münze vom Nominalwert abweichen.
Abb. 5: Reichstaler Sachsen Gotha, Herzog Ernst, Aufnahme, Quelle: www.muenzen-ritter.de. Mit freundlicher Genehmigung.
Um das im Zahlungsverkehr berücksichtigen zu können, werden in Verordnungen Listen mit in Sachsen-Gotha akzeptierten Münzen und deren im Herzogtum anerkannten (gültigen) Werte veröffentlicht.
In der Gotha Diplomatica /33 Bd. IV S. 95/ ist dazu auch eine umfangreiche Übersicht über Münzen verschiedenster Herkunft und ihre in Sachsen-Gotha geltenden Werte enthalten. Im Herzogtum gilt, wie in den meisten sächsischen Ländern, das norddeutsche Währungssystem. 12 Pfennige (Pf.) sind 1 Groschen (Gr.), 24 Groschen ergeben einen Gulden/ Floren (Fl.).
Dieses System wird in den Akten bei fast allen Wertangaben benutzt. Der Reichstaler als silberne Münzsorte entspricht diesem Wert von 24 Groschen.
Um die Probleme unterschiedlicher Werte bei finanziellen Angaben weitgehend zu umgehen, gab man Beträge in idealen Rechnungsmünzen und -werten an.
Die Münzen, mit denen tatsächlich gezahlt wurde, waren an Wert und Ausführung überaus vielfältig und mußten entsprechend dem gewünschten Wert „zusammengestückelt“ werden. Sie wurden nach ihrem tatsächlichen Edelmetallgehalt bewertet.
Gelegentlich wechselt die angegebene Währungsbezeichnung innerhalb eines Schreibens. In einem Schreiben werden sogar zwei, eigentlich gleichbedeutende Bezeichnungen in einer Aufzählung unmittelbar nacheinander verwendet: „...100 Gulden u. 100 Floren“. /A13 Bl26/
Vermutlich ist dies eine unabsichtliche Uneinheitlichkeit. Diese Dopplung ist eventuell auch mit dem etwas unterschiedlichen süddeutschen Währungssystem zu erklären. Der süddeutsche Gulden zu je 60 Kreuzern wurde natürlich auch von anderen Münzen mit abweichendem Wert repräsentiert. Das süddeutsche System war auch im benachbarten Hennebergischen gebräuchlich. Gotha befindet sich also unmittelbar an einer Währungsgrenze mit all ihren Nachteilen. In diesem Fall könnte man sich damals möglicherweise die wertmäßige Umrechnung einer körperlich übergebenen Münzmenge erspart haben. Welche der beiden Angaben wofür steht, bleibt dabei unklar.
Diese Ausgangsposition und die Tatsache, daß jedwede Leistung bar vergütet werden mußte, läßt den Aufwand erkennen, der allein für finanzielle Aufgaben entstand.
Man findet in den Akten jedoch auch seltene, abweichende Berechnungen. Die Rechnungsprüfung vom 10. März 1685 rechnet offenbar mit einem Gulden zu 21 Groschen. /A14 Bl144/ Wegen zusätzlicher, eindeutiger Rechenfehler läßt sich das aber nicht sicher feststellen.
Die letzte bekannte Gesamt-Einnahmenübersicht der Gewerkschaft St. Georg aus dem Jahr 1686 ergibt mit einem Gulden zu 20 Groschen genau die angegebene Summe von 4541 Gulden. Errechnet man aber die Summe mit 24 Groschen je Gulden, ergibt sich lediglich eine Änderung des Endbetrages um 20 Groschen. /A14 Bl216/ Das ist zunächst etwas verwunderlich, ist aber aus mehreren Gründen erklärlich: Da hier und auch in anderen Rechnungen wenige Groschenbeträge (im Beispiel als Summe 100 Groschen) in den Einnahme/Ausgaberechnungen enthalten sind, bleibt die Differenz gering und ist für die hier angestellten Überlegungen nicht bedeutsam. Außerdem werden häufig keine Ganzzahlen für die Groschenbeträge angegeben, sondern Brüche vom Gulden oder Taler, so daß in diesen Fällen durch unterschiedliche Berechnungsmethoden keine Abweichungen auftreten. Es ist deshalb nicht sicher zu sagen, ob Rechenfehler oder andere Gründe Ursache für diese Differenzen sind. Somit bleibt eine Unsicherheit, wie die Abweichung zu bewerten ist. Sehr ausführliche Zusammenfassungen zu Münzen und Währungen findet man auch im Internet. Zum Beispiel auf der Seite von Hagen und Gudrun BOBZIN /11/. Dort sind zahlreiche Hintergrundinformationen zu finden, will man sich in das Thema weiter einlesen.
Je nachdem, welche Bezeichnungen für den Geldbetrag der Originaltext enthält, wird dieser hier verwendet. Die hier gegebene kurze Übersicht kann nur ein Grundverständnis für die enthaltenen Währungsangaben liefern, aber bei weitem nicht alle Aspekte des damaligen Währungssystems wiede ergeben. Wie die damaligen Akteure mit diesen Verhältnisse en arbeiten konnten, ist heute nicht einfach zu verstehen.
Allein die Nachrechnung einer Au uflistung von Geldbeträgen ka ann zum Problem werden.
Zu ur Verdeutlichung des Probl ems hier die Abbildung einer Re echnung vom 24. Juli 1686 zur Üb berprüfung durch jeden Leser. Sie e entspricht vom berücksichtig gten Zahlungsumfang fast gena au der oben angegebenen (aus /A A14 Bl216/), enthält jedoch au uch eingerechnete Kreditsummmen. Möglicherweise wurde das be etreffende Dokument von der KKammer selbst angefertigt. Das Bl latt zeigt eine Einnahmerechnu ung und weist am Ende die Su umme von 4161 Gulden, 16 6 Groschen und 9 Pfennig aus. Welche Summe errechnen Sie?
Abb. 6: Einnahmerechnung /A13 Bl.31/ (4246/15/9)
Die Umstände, die den Baufortschritt in einem Bergwerk des 17. Jahrhunderts beeinflußten, waren vielfältig. Angesichts der damaligen technischen Möglichkeiten und auch entsprechend der üblichen Organisation, war nur selten ein kontinuierliches Arbeiten möglich.
Als erstes ist in diesem Zusammenhang die Finanzierung zu nennen. Auf Basis von sehr ungefährer Schätzungen und der momentanen Kassenlage werden quartalsweise Zubußen festgelegt. Dies erfolgte im Regelfall nach Diskussion und Beschluß auf einem dazu angesetzten Gewerkentag. Es ist einzusehen, daß solch ein Vorgang seine Zeit benötigte. Die Zahlungsmoral der Gewerken war oft nicht zufriedenstellend, was wohl auch an der Tatsache lag, daß kein Gewerke zum Beitrittszeitpunkt eine konkrete Vorstellung davon hatte, welche Anforderungen auf ihn zukommen würden. Eine direkte Folge war ein immer wieder auftretender Geldmangel. Zuerst werden in solchen Fällen die Bergleute nicht bezahlt, dann Fuhrleute und Lieferanten. Solche Phasen, in denen deshalb teilweise erhebliche Rückstände aufliefen, sind in den Akten immer wieder erkennbar.
Sie treten, wenig überraschend, wegen der quartalsweisen Organisation immer gegen Quartalsende besonders intensiv auf. Der Geldmangel führt dann naturgemäß immer zur Behinderung des Weiterbaus. Auch zu rein herzoglichen Bergbauunternehmungen finden sich Hinweise auf solche Situationen in den Akten.
Die anfänglich extrem knappe Kalkulation ist sicher in gewissem Maß der Tatsache zuzuschreiben, daß in der Zeit, in der um Gewerken geworben wird, nie eine Gesamtkalkulation auf Basis gesicherter Erkenntnisse vorhanden ist. Auch besteht bei der Werbung von Gewerken wenig Interesse, zu hohe Kosten zu nennen, die potentielle Interessenten abschrecken könnten. Es wurde auch immer als erstes von möglichst sparsamen Lösungen aller anstehenden Vorhaben ausgegangen. Bei jeder neu oder geändert auftretenden Anforderung muß deshalb reagiert werden. So wurden die tatsächlichen Kosten immer höher. Zu Beginn der Gewerkschaft müssen immer noch Gewerken geworben werden; die bereits gewonnenen Gewerken müssen immer wieder zu neuen Zubußzahlungen überzeugt und oft auch zu beschlossenen Zahlungen gedrängt werden.
Schwierig war auch, genug Personal mit Fachkenntnis an der Grube zu haben. Fachleute waren sicher noch schwieriger als heute zu finden. Ausbildungswege wie wir sie heute kennen, existierten noch nicht. Fachkräfte wie erfahrene Steiger, Hauer u.s.w. mußte man oft von anderen Gruben abwerben. Ein erfahrener Schmelzer wird für die Schmerbacher Schmelzhütte auch mit einer Art „Bereitschaftsvertrag“ gebunden, der ihm laufende wöchentliche Einnahmen für die Bereitschaft verspricht, im Fall eines Schmelzens anwesend zu sein. Fachleute, die die Planung der Anlagen Schritt für Schritt vornehmen und die Kosten dafür kalkulieren konnten, waren sicher noch schwieriger zu finden. Georg Christoph von Utterodt muß solche Kenntnisse gehabt haben, das erkennt man aus seinen Schriftstücken. Auch der von ihm von Fall zu Fall hinzugezogene Johann Christoph Stettekorn aus Ohrdruf muß Qualifikationen im Bergbau besessen haben. Sicher war er an den dortigen Bergwerken des gothaischen Amtes Schwarzwald beteiligt. Zu Anfang 1687 schlagen ihn die Gewerken und auch Georg Christoph von Utterodt als Schichtmeister vor. Zuvor hat er Utterodt mehrfach beraten und mehr als 400 Gulden für das Poch - und Schmelzwerk vorgeschossen. Wo und wie Utterodt und Stettekorn die dafür nötige Qualifikationen erwarben, ist nicht bekannt. Sie scheinen aber beide die einzigen Personen gewesen zu sein, die eine höhere Qualifikation besaßen und längere Zeit mit Angelegenheiten der Grube beschäftigt waren.
Gelegentlich führt der Geldmangel auch zu Arbeitsniederlegungen. Man darf sich unter diesem Begriff keine streikähnlichen Verhältnisse wie in den letzten hundert Jahren vorstellen, aber manchmal waren die Verhältnisse so angespannt, daß die Gläubiger gezwungen waren, zu reagieren.
Anders, als das Bild, das man sich gemeinhin mit den üblichen neuzeitlichen Vorstellungen von den damaligen Verhältnissen zwischen Obrigkeit und Untertanen macht, erkennt man in den Dokumenten immer wieder ein zunächst überraschendes Selbstbewußtsein. Der Bergmann Nicol oder Nickol Kirchner, wohnhaft im eisenachischen Farnroda, der fast 20 Jahre vor den hier beschriebenen Vorgängen im Auftrag des gothaischen Herzogs Ernst des Frommen am Wartberg arbeitete, hatte bei seiner Arbeit Galenit (Blei-Silber-Erz, s.a. Abb. 2) gefunden. Er hielt zunächst alle Einzelheiten dazu geheim, bis Herzog Ernst ihm Zugeständnisse gemacht hatte. /A05 Bl44/
Solche Ereignisse sind nicht allzu selten. Beim Bau der Festungsanlagen des Schlosses Friedenstein in Gotha im Jahr 1656 verließen Bergleute die Arbeit, weil die vereinbarten Bezahlungen nicht genau festgelegt und ihnen insgesamt zu niedrig waren. /A07/ Daraufhin wurde nachverhandelt.
Aus den Schriftstücken geht ein mit ungemein umfangreichen und aus heutiger Sicht übertrieben formulierten Floskeln gespickter Schriftstil hervor, der sicher auch seine Entsprechung im sonstigen Leben hatte. Diese heute übertrieben anmutende Höflichkeit darf man aber nicht als mangelndes Selbstbewußtsein fehlinterpretieren. Trotz solcher Formulierungen ist auch ein Bergmann oder sonstiger Untertan der Zeit durchaus in der Lage, seine Interessen zu vertreten. Unabhängig von den an klar abgegrenzten Rangunterschieden gebundenen Umgangsformen wurden Interessen durchaus, gelegentlich auch recht energisch, vertreten. Es herrschte ein anderes Recht als heute, aber wirklich rechtlos war kaum jemand. Wie noch zu berichten ist, kommt es auch in Schmerbach in den nächsten Jahren zu Vorgängen, die das unterstreichen.
Auch die klimatischen und geologischen Verhältnisse hatten einen erheblichen Einfluß auf den Fortgang der Arbeiten in der Grube und an der Erdoberfläche. Dieser Einfluß war viel bedeutsamer als heute.
Die damaligen Energiequellen bestanden außer menschlicher und tierischer Kraft vor allem in Verbrennungswärme aus Holz-, Holzkohle- oder Kohleverbrennung. Natürliche Kohle selbst war rar und teuer, so war damals vor allem Energie auf Holzbasis verfügbar. Gleichzeitig war Holz auch der wichtigste Baustoff. Das führte zu einem Rückgang der Wälder und einem allgemeinen Holzmangel. Nicht zufällig fallen die ersten intensiven Bemühungen um eine bessere Forstwirtschaft in diese Zeit. Als Beispiel sei hier Hans Carl von Carlovitz, einer der Begründer der modernen Forstwirtschaft und Zeitgenosse der hier handelnden Personen genannt, der auch das Nachhaltigkeitsprinzip prägte. /13/
Holz für beide Verwendungszwecke stellte auch einen erheblichen Kostenfaktor im Bergbau dar. Die Folge war das Bemühen um sparsames, kostengünstiges Bauen. Aus de zunächst kostengünstigen Bauweise resultierten häufige Um - und Neubauten, die letztendlich die Kosten wieder anhoben. Für die Schmerbacher Grube sind in den rund 40 Jahren nach der Mutung mindestens 3 Poch- und zwei Schmelzwerke bekannt. Dies führt natürlich nicht zur Reduzierung der Kosten, sondern eher zum Gegenteil. Das Sprichwort „Armut ist teuer“ ist hier gut anwendbar.
Ein weiterer wichtiger Faktor war das Wasser und zwar zweifach. Einerseits wurde es als zweite wichtige Energiequelle vor allem für mechanische Antriebe gebraucht: Kein Poch- oder Schmelzwerk konnte ohne Wasserkraft zum Antrieb von Hämmern und Blasebälgen zum Schlämmen und Anreichern des zerkleinerten Erzes ausreichend effektiv arbeiten. Auch zur Förderung des in der Grube anfallenden Wassers mit Pumpen und Schöpfwerken war es unerläßlich. Für die Förderung des Erzes war es ebenfalls schon bei heute gering erscheinenden Schachttiefen notwendig. Von Menschen oder Tieren angetriebene Haspeln waren bei weitem nicht leistungsfähig genug und versagten ganz, wenn entsprechende Schachttiefen erreicht wurden. Das bedeutet, daß über der Grube, sowie am Poch- und Schmelzwerk immer eine ausreichende Wassermenge verfügbar sein mußte, die in der Lage war, Wasserräder (Kunsträder oder Künste) anzutreiben. Der Begriff „Künste“ beschreibt unterschiedlichste Anlagen zur Verrichtung mechanischer Arbeit. Heute würde man sie als ingenieurtechnische Anlagen bezeichnen. Das Sprichwort „Kunst kommt von Können“ hat möglicherweise hier seinen Ursprung. Je nach Situation konnten Kunsträder deswegen an der Oberfläche oder untertage in extra dafür geschaffenen Hohlräumen, Radstuben, stehen.
Für untertage errichtete Künste war deshalb oft zusätzliches Wasser als sogenanntes „Aufschlagwasser“ in die Gruben einzuleiten, um das vorhandene Grubenwasser entfernen (heben) zu können.
Oberirdisch sorgten teilweise kilometerlange künstliche Fließwege, sogenannte Berggräben oder Röschen (in den Gothaer Akten meist als „Rische“ geschrieben) für die Heranführung von Wasser. Um eine möglichst große Leistung daraus zu gewinnen, mußten die Kunsträder möglichst groß und damit die Fallhöhe entsprechend hoch sein. Deshalb war es erforderlich, diese Gräben mit geringsten Gefälle zu führen.
Wenn man mit heutigem Wissen die Geographie und Geologie um Schmerbach betrachtet, erkennt man, daß das Wasser in den Gesteinen des Untergrundes als Grubenwasser genauso ein Problem dieser Grube sein mußte, wie auch eine ausreichende Menge Wasser an der Oberfläche als Aufschlagwasser für die Künste. Die geographisch von der Lage am Nordrand des Thüringer Waldes bedingten Ursachen sind wohl damals schon abschätzbar gewesen, aber der Einfluß der verschiedenen Gesteinsschichten, ihre Eigenschaften und Lage waren mit damaligen Kenntnissen nicht ausreichend zu beurteilen.
Am Nordabhang des Thüringer Waldes, wie der Ort in Hanglage gelegen, ist das Werk auf Schichten des Zechsteins gerichtet, zu denen auch der Kupferschiefer gehört. Sie fallen wie der Talhang nach Nordost ein. Darunter befinden sich die wenig wasserwegsamen Gesteine des Rotliegenden, die weiter im Süden auch an der Erdoberfläche zu finden sind.
Im Westen thront der Wartberg über dem Ort, ein Kalksteinmassiv, entstanden als untermeerisches Riff und entsprechend verkarstet. Es gibt einen Teil des dort versickerten Wassers ins Schmerbacher Tal ab. Im Süden steigt das Gelände zum Thüringer Wald an. Hier lösen die schon genannten wasserunlöslichen Gesteine den Zechsteinkalk an der Erdoberfläche ab. Dieses natürliche Gefälle führt zu einer generellen natürlichen Entwässerungsrichtung nach Nordosten, die sowohl die Oberflächenwässer, als auch das Grundwasser betrifft.
In der Umgebung sind verschiedene Quellen bekannt, deren austretendes Wasser natürlich ebenfalls diesen Richtungen folgt. Keine dieser Quellen führt größere Wassermengen. Einziger nennenswerter Fließweg in Ortsnähe ist der vom Wartberg kommende, heute fälschlich als Schmerlingsbach bezeichnete Bach. Dieser Name beruht offenbar auf einer Vermutung GALETTIs. /40 S.199/ Er nahm an, der Name Schmerbach stamme von den im Bach vorkommenden Schmerlen und sei durch eine Zusammenziehung des Wortes „Schmerlenbach“ entstanden. Spätere Chronisten haben diese Vermutung dann als Tatsache gewertet und so eine schleichende (Rück-) Umbenennung des Baches verursacht. Die ersten Kartendarstellungen vom Ende des 18. Jahrhunderts verwenden den Namen „Die Schmerbach“. /A27/ Auch Karten vom Ende des 19. Jahrhunderts und Utterodts viel älterer Grubenplan vom März 1686 enthält diese Bezeichnung. /A12 Bl172/ Dieser Name hat somit nach üblichen Namensgebungsregeln Priorität vor dem erst im 20. Jahrhundert eingeführten Namen „Schmerlingsbach“; er ist damit historisch richtiger und wird deshalb hier immer verwendet.
Der Schmerbach hat, wenn er nach Unterquerung des Sportplatzes den Bereich der ehemals dort befindlichen Grubengebäude erreicht, schon fast den tiefsten Punkt des Ortes passiert.
Für die höher liegenden Schächte südlich der heutigen B88 an der heutigen Wintersteiner Straße