Das Vermächtnis der Schokomagie - Mareike Allnoch - E-Book

Das Vermächtnis der Schokomagie E-Book

Mareike Allnoch

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Beschreibung

Eine besondere Gabe, Magie und ganz viel Schokolade …

„Wenn das Leben dir Kakao gibt, mach Schokolade draus!“ 

Band 2 der lustigen und magischen Reihe von Bestseller-Autorin Mareike Allnoch. Das perfekte Geschenk für beste Freund:innen und für alle ab 10 Jahren, die ein Herz für Chaos, Humor und Schokolade haben.

Mila schwebt auf Wolke 7: Endlich darf sie mit ihrer besten Freundin Liz wieder nach Paris fahren! Sie kann es kaum erwarten, ihren Freund Lou wiederzusehen. Außerdem will sie mehr über ihre geheimnisvolle Gabe herausfinden: Immer wenn Mila Schokolade riecht, hat sie Zukunftsvisionen. Sie erfährt, dass es noch weitere Duftseher gibt und ihre Magie weitaus mächtiger ist als angenommen. Doch nicht alle Duftseher führen Gutes im Schilde. Ehe Mila es sich versieht, stolpert sie mal wieder von einem Fettnäpfchen zum nächsten ...

  • Das Rezept für die perfekten Ferien:Spannung, erste Liebe und ein Hauch Magie – mit Schauplatz Paris
  • Wie eine süchtigmachende Serie:Für alle, die Geschichten, süß wie Schokolade, lieben!
  • Witziges Jugendbuch:In kurzen Kapiteln geschrieben, mit süßen kleinen Bildern und einem wunderschönen Cover mit Goldeffekten
  • Extra-Motivation: Zu diesem Buch gibt es ein Quiz bei Antolin


Alle Bände der Reihe:

Band 1: Das Geheimnis der Schokomagie

Band 2: Das Vermächtnis der Schokomagie

Band 3: Die Macht der Schokomagie

 

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Veröffentlichungsjahr: 2023

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Mareike Allroch

Das Vermächtnis der

Schoko Magie

arsEdition

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation

in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische

Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Vollständige eBook-Ausgabe der Hardcoverausgabe München 2023

© 2023 arsEdition GmbH, Friedrichstraße 9, D–80801 München

Alle Rechte vorbehalten

Text: Mareike Allnoch

Lektorat: Stephanie Janek

Mareike Allnoch wird vertreten von Christine Härle

Bildmaterial: Nata_Alhontess / Shutterstock.com

Covergestaltung: Frauke Schneider

Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text

und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.

ISBN eBook 978-3-8458-5268-3

ISBN Printausgabe 978-3-8458-5267-6

www.arsedition.de

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

Für alle Naschkatzen da draußen,

die nicht genug von Schokolade bekommen können!

Bei der Kakaobohne zauberhaftem Duft

liegt ein Hauch von Zukunft in der Luft.

Doch sei gewarnt und gib stets acht

vor ungeahnter dunkler Macht.

Gaston Dupont, Duftseher und

Mitglied des Chocolatiers-Zirkels

Prolog

Paris, im Jahr 1997 …

Ein schokoladiger, beinahe bitterer Duft erfüllte den Raum, kroch an den Wänden entlang und setzte sich in den Seiten der dicken, alten Bücher ab. Ein Geheimnis umgab das Quartier der Duftseher. Ein Geheimnis, das sich wie dunkler Kakaostaub über den Raum spannte und ihn unter einer dünnen Decke begrub.

Die Luft war erfüllt von etwas Großem.

Im gedimmten Licht des Raumes standen zwei Frauen und ein Mann dicht beieinander und waren in ein hitziges Gespräch vertieft.

»Wir müssen Abstand von diesen Experimenten nehmen, es ist gefährlich!«, beharrte der Mann und fuhr sich durch das Haar, eine steile Furche hatte sich auf seiner Stirn gebildet. Er war unruhig und tigerte nervös im Raum auf und ab.

Eine der Frauen, die jüngere der beiden, stemmte die Hände in die Hüften und verengte die Augen zu zwei schmalen Schlitzen. »Gaston, du willst mir doch nicht weismachen, dass du die halbe Welt bereist hast, um die Macht des Kakaos näher zu erforschen, und jetzt einen Rückzieher machst?«

Die blauen Augen des Mannes blitzten auf.

»Da ist mir auch noch nicht bewusst gewesen, welches Ausmaß unsere Forschung haben würde! Hätte ich nur geahnt, dass die Macht des Kakaos eine derart dunkle Seite besitzt – ich hätte mich nie darauf eingelassen!«

»Ist dir eigentlich klar, was dieses Wissen bedeutet, Gaston? Was wir damit anstellen könnten? Wir wären imstande, die Welt zu verändern!«

»Aber das Risiko ist zu hoch! Menschen könnten ernsthaft zu Schaden kommen!« Der Mann war stehen geblieben und blickte ernst drein. »Das ist es einfach nicht wert.«

»Nun sei doch vernünftig, Sylvaine!«, mischte sich die zweite Frau in die Auseinandersetzung ein und strich sich eine braune Haarsträhne aus dem Gesicht. »Noch kommen wir glimpflich aus der Angelegenheit heraus. Noch ist es nicht zu spät!«

»Leni hat recht«, sagte der Mann. »Wir sollten nicht übermütig werden. Und es ist besser, wenn diese Unterhaltung unter uns bleibt und niemals den Schutz dieser vier Wände verlässt. Alles andere würde nur unnötig Aufsehen erregen und für Unruhe sorgen. Es ist wichtig, dass der Zirkel an einem Strang zieht.«

Die jüngere Frau, deren Gesicht von wilden Locken umrahmt wurde, warf einen Blick auf den Siegelring an ihrem Finger, in den eine Kakaobohne eingraviert war. »Wir sind Duftseher. Der Chocolatiers-Zirkel hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Wirkung des Kakaos näher zu ergründen. Das sind wir uns selbst schuldig! Der Kakao bietet Möglichkeiten, die wir uns nicht auszumalen gewagt hätten!« Sie sah wieder auf, Entschlossenheit spiegelte sich in ihrem Gesicht. »Ich werde weiter an den dunklen Rezepten forschen, mit oder ohne eure Hilfe. Und vergesst nicht, dass ihr beide mit diesem neuen Kapitel überhaupt erst begonnen habt.«

»Willst du uns etwa drohen, Sylvaine?«, knurrte der Mann. »Leg dich nicht mit dem Zirkel an!«

»Was könnt ihr mir denn schon anhaben? Ihr haltet mich nicht auf!«

Die ältere Frau schüttelte den Kopf.

»Es tut mir leid, Sylvaine, aber das können wir nicht verantworten …«

»Das werdet ihr bereuen!«, waren die letzten Worte, die durch das Geheimquartier der Duftseher hallten und ungehört an den meterhohen Bücherregalen zerplatzten wie eine Seifenblase. Doch die Drohung schwebte fortwährend über ihnen …

Kapitel 1

Scheiß auf alles, scheiß auf jeden, sei ein Einhorn und pups durchs Leben!

»Ich vermiss dich so«, säuselte ich ins Telefon und malte gedanklich kleine rosa Herzchen in die Luft.

»Nein, ich vermiss dich noch viel mehr«, flüsterte Louis am anderen Ende der Leitung, und allein der Klang seiner Stimme bescherte mir eine Gänsehaut.

Ich kicherte wie eine Verrückte, die zu viel Brausepulver gegessen hatte, und wickelte eine Haarsträhne um meinen Finger, während ich wie ein Breitmaulfrosch vor mich hin grinste.

»Nein, stimmt gar nicht, ich vermiss dich noch viel, viiiiel mehr …«

»O mein Gott, ich muss gleich kotzen. Fehlt nur noch, dass hier ein vor Glück furzendes Einhorn vorbeischwebt. Ich glaub, da hinten zeichnet sich schon ein Regenbogen am Horizont ab«, drang die Stimme meiner besten Freundin Liz vage, wie durch Watte (immerhin schwebte ich auf Wolke sieben und war dort oben nur sehr schlecht zu erreichen) an mein Ohr, da ich mich einzig und allein auf Louis konzentrieren konnte.

Ich seufzte tief und schwer verliebt ins Telefon.

Ach, Lou fehlte mir so … Ich konnte es kaum erwarten, dass die Franzosen vor Beginn der deutschen Herbstferien für zwei Wochen nach München kamen.

Meine Gedanken schweiften ab. Noch immer fiel es mir schwer, zu realisieren, wie sehr sich mein Leben in so kurzer Zeit verändert hatte. Plötzlich hatte ich nicht nur einen Freund (der noch dazu der Sohn des französischen Präsidenten war!) – nein, ich besaß seit meinem vierzehnten Geburtstag vor wenigen Monaten auch noch die Gabe, beim Geruch von Kakao in die Zukunft zu blicken! Das musste man sich mal auf der Zunge zergehen lassen – oder besser gesagt, in der Nase!

Man konnte es sich in etwa so vorstellen, als würde sich vor meinem geistigen Auge plötzlich eine Wolke auftun, die nur ich sah und in der undeutliche Zukunftsbilder an mir vorbeizogen. Mittlerweile hatte ich mich fast daran gewöhnt. Zumindest flippte ich nicht mehr aus, sobald ich irgendwo auch nur eine Schokoladentafel sah oder den Geruch von Kakao wahrnahm. Zu Beginn hatte es mich jedoch regelrecht in den Wahnsinn getrieben, wenn diese wirren Bilder wie ein Kinofilm vor meinem inneren Auge flimmerten.

Angefangen hatte alles damit, dass meine Oma mir vor zwei Jahren auf ihrem Sterbebett verraten hatte, dass ich eine Duftseherin war. Da die Gabe jedoch mehrere Generationen willkürlich übersprang, waren Oma Leni und ich die Einzigen aus unserer Familie, die über dieses magische Talent verfügten. Noch dazu hatte Oma mir einen geheimnisvollen Ring vermacht, in den eine Kakaobohne eingraviert war und den ich seit damals immer an einer Kette um meinen Hals trug. Später hatte sich herauskristallisiert, dass er mich vor dem Einfluss anderer Duftseher und Duftseherinnen beschützte.

Ausgerechnet bei unserem Schüleraustausch in Paris waren Liz und ich den Hintergründen meiner Gabe mehr auf die Spur gekommen. Und wir hatten sogar Louis’ Vater – Präsident von Frankreich und Duftseher – vor einer Intrige gerettet.

Verrückt, oder?

»Mila, bist du noch da?«, fragte Louis, und ich besann mich wieder auf mein Telefonat mit ihm.

Während wir uns gegenseitig weiterhin beteuerten, wie sehr wir uns auf die gemeinsame Zeit freuten, hatte Liz irgendwann die Nase voll davon.

»Darf ich mal?«, fragte sie und rupfte mir das Handy aus der Hand.

»Ey«, sagte ich empört, doch Liz war schneller als ich.

»Hallo Louis, hier ist Liz. Du weißt schon, das Mädel mit den coolen Klamotten und dem unfassbar guten Geschmack. Es tut mir sehr leid, dass ich euer Geturtel jetzt unterbrechen muss. Aber da ich hier offensichtlich die Einzige bin, deren Gehirn noch einwandfrei funktioniert und nicht total mit Kaugummi verklebt ist, hier eine kleine Erinnerung: Wir haben jetzt Schule. Au revoir!«

Und damit legte sie auf und reichte mir mein Smartphone zurück.

»Das war nicht nett!«, maulte ich und sah meine beste Freundin finster an.

»Aber notwendig«, kommentierte Liz in ihrer typisch liebenswürdigen Art. »Sei froh, dass ich dein Handy nicht in den nächsten Busch geworfen habe. Mir scheint nämlich, dass du alles um dich herum vergisst, wenn du mit Louis sprichst.«

»Stimmt gar nicht«, widersprach ich wie ein bockiges Kleinkind und verschränkte meine Arme vor der Brust. Insgeheim musste ich mir jedoch eingestehen, dass ich Liz tatsächlich während des Telefonats total ausgeblendet hatte. Immer wenn ich an Louis dachte (vor allem an sein blondes Wuschelhaar und die blauen Augen!), machte mein Herz einen Hüpfer, und ein leicht dümmliches Grinsen legte sich auch jetzt auf meine Lippen. Man musste mir allerdings zugutehalten, dass ich Louis schon seit über zwei Monaten nicht mehr gesehen hatte. Als frisch Verliebte war das eine richtige Qual. Und Skypen oder WhatsApp-Videoanrufe waren einfach nicht dasselbe …

Liz musterte mich mit einer Mischung aus Faszination und Fassungslosigkeit. »Pass auf, dass dein Lächeln nicht einfriert, sonst kannst du die Mundwinkel gar nicht mehr bewegen. Wäre wirklich schrecklich, wenn du nur noch wie diese gruselige Grinsekatze aus Alice im Wunderland rumläufst.«

»Haha, sehr witzig«, sagte ich.

Liz zog die Augenbrauen hoch und betrachtete mich vielsagend. »Hast du nicht etwas vergessen?«

»Nö, was denn?«

In meinen Gedanken sah ich Louis und mich Händchen haltend durch München laufen … Hach! Dafür benötigte es nicht mal eine Kakaowolke, dass die Bilder wie ein Film vor mir abliefen. Ich überlegte mir, was ich Lou alles zeigen wollte. Auf jeden Fall den Englischen Garten, den Marienplatz, das Schloss Nymphenburg …

Liz’ stechender Blick holte mich zurück ins Hier und Jetzt. Demonstrativ sah sie auf ihre Armbanduhr.

»Dass wir in – Moment – zehn Minuten unsere Matheklausur schreiben? Dafür wirkst du gerade erstaunlich gelassen.«

Als endlich die Bedeutung ihrer Worte in mein Gehirn gesickert war, fuhr mir der Schreck durch die Glieder. Heiliger Bimbam! Wie hatte ich bloß vergessen können, dass wir heute Mathe schrieben? Das war mir ja noch nie passiert!

Ich musste Liz gerade so schockiert anstarren wie ein einäugiges Alien. Na ja, oder wie die Grinsekatze höchstpersönlich.

Sie verdrehte die Augen und fasste mich energisch bei der Hand, als es in meiner Nase verdächtig zu kribbeln begann und ich zugleich den Duft von Kakao wahrnahm. Verdammt. Wo kam der denn jetzt auf einmal her? Ich ließ meinen Blick über den Schulhof schweifen und erspähte unsere Direktorin, Frau Pumpernickel, die gerade herzhaft in einen Schokoladenriegel biss. Und wieso musste sich ausgerechnet jetzt auch noch mein Heuschnupfen bemerkbar machen? Pollenallergie und Kakaowahrsagerei waren keine sonderlich wünschenswerte Kombination. Ob daraus irgendwann so was wie eine Kreuzallergie entstehen konnte? Ich nieste laut, zeitgleich stob eine gigantische Kakaowolke auf.

Vor mir sah ich einen Jungen, der aus dem Schulbus stieg, den Blick konzentriert nach vorne gerichtet. Dabei übersah er jedoch das Mädchen, das sich ihm von rechts in einem Affenzahn auf einem Skateboard näherte. O Gott, die beiden würden jeden Moment zusammenkrachen! Mein Herz machte vor lauter Entsetzen einen Satz.

Der Kakaonebel lichtete sich und ich scannte eilig meine Umgebung ab. Tatsächlich, dort vorne stieg ein Junge aus dem Schulbus, die Kakaowolke hatte nicht gelogen! Und das Mädchen aus meiner Vision war auch nicht mehr weit.

»Haaaalt!«, schrie ich dem Jungen aus Leibeskräften entgegen. »Pass auf, wo du hinläufst!«

Der Junge war so erschrocken darüber, dass er zwar zur Seite sprang und somit auch der Skateboarderin auswich, doch stattdessen war er in einen Kaugummi getreten, der am Boden klebte.

»Igitt!«, schimpfte er, als sich lange weiße Fäden unter seinen nagelneu aussehenden Sneakers entlangzogen. Er warf mir einen grimmigen Blick zu, bevor er schließlich in zügigen Schritten auf das Schulgebäude zueilte. Wahrscheinlich wollte er nur möglichst schnell von mir wegkommen.

Frustriert ließ ich die Schultern hängen.

»War das eben wieder eine Vision?«, fragte Liz aufgeregt, doch ich kam nicht dazu, zu antworten, da sich eine weitere Kakaowolke vor mir auftürmte.

Mir fiel vor lauter Schreck fast das Handy aus der Hand, als das Gesicht von Madame Pompidou vor meinem inneren Auge auftauchte. Noch immer konnte ich es nicht fassen, dass die Köchin des Élysée-Palastes uns im Sommer allesamt reingelegt und insgeheim gemeinsame Sache mit dem finsteren französischen Premierminister Jacques Dubois gemacht hatte. Wobei ich letzten Endes ja sogar feststellen musste, dass Madame Pompidou einen noch viel größeren Sprung in der Schüssel hatte als Monobrauen-Jacques. Und das wollte was heißen.

Das Bild wurde klarer. Feuerrotes Haar fiel Madame Pompidou in kräftigen Wellen über die Schultern und ihre Lippen waren in einem knalligen Orange geschminkt. Plötzlich schien es, als würde Madame Pompidou mir ihr Gesicht direkt zuwenden und ihre Lippen teilten sich zu einem unheilvollen Grinsen.

»Mila«, wisperte sie, und ich dachte schon, mein Herz würde jeden Moment stehenbleiben. Hatte sie gerade wirklich meinen Namen gesagt?

»Wir werden uns wiedersehen, Mila«, flüsterte sie, während sich die Härchen an meinem Unterarm aufstellten. Und das lag keinesfalls an den Temperaturen, denn obwohl wir schon Oktober hatten, war es für diese Jahreszeit ungewöhnlich mild.

Auf einmal streckte Madame Pompidou ihre Hand nach mir aus. Diese Bewegung wirkte so real, dass ich ein panisches »Nein!« schrie und aus meiner kakaodunstigen Trance erwachte.

Noch immer hatte ich das Gefühl, Madame Pompidous Flüstern in meinem Ohr zu haben. Wie undurchdringlicher Nebel, der einfach nicht verschwinden wollte.

Ein eiskalter Schauer lief mir über den Rücken. Diese Vision war anders gewesen als alle, die ich zuvor erlebt hatte. Seit Wochen hatten wir nichts mehr von Madame Pompidou und Jacques Dubois gehört oder gesehen, sie waren spurlos verschwunden. Und ausgerechnet jetzt kehrte die Köchin in meine Visionen zurück? Diese Erkenntnis beunruhigte mich zutiefst.

»Mein Gott, Mila, du bist ja leichenblass«, stieß Liz hervor und musterte mich besorgt. »Sag bloß, du hattest gerade eine zweite Vision?«

In dem Moment liefen Charlotte und ihre beste Freundin Tami an uns vorbei über den Schulhof.

»Was ist denn mit der verkehrt?«, ätzte Charlotte. »Mila wird auch von Tag zu Tag schräger.«

Tami kicherte. »Sie macht ein Gesicht, als hätte sie ein Gespenst gesehen.«

»Oder eine Fata Morgana«, frotzelte Charlotte. Natürlich so laut, dass es jeder hören konnte. Mittlerweile war ich ohnehin schon das Gesprächsthema Nummer eins auf dem Pausenhof, da es leider nicht selten passierte, dass ich wie festgefroren an Ort und Stelle stehen blieb, sobald ich wieder von einer Kakaovision erfasst wurde. Für Außenstehende musste das sicherlich ein sehr seltsames Bild abgeben, wie ich mit weit aufgerissenen Augen mitten in der Gegend herumstand und nahezu wie hypnotisiert vor mich hinstarrte.

Ehrlich, ich konnte schon nachvollziehen, warum die Leute einen großen Bogen um mich machten.

Einmal war mir das sogar auf dem Klo passiert. Auf dem Klo, das musste man sich mal vorstellen! Nur weil die doofe Fenja in der Kabine neben mir schon wieder ihre Vollmilchschokolade ausgepackt hatte. Die Kakaovision war zudem so heftig und abrupt gewesen, dass ich fast noch von der Klobrille gefallen wäre.

»Ey, Charlotte«, rief Liz dieser zu. »Vielleicht solltest du dich gedanklich lieber mit der bevorstehenden Matheklausur beschäftigen. Dann kommt dieses Mal vielleicht wenigstens eine Fünf statt einer Sechs dabei heraus, was meinst du?«

»Ach, sei doch still! Kann ja nicht jeder so ein ätzender Streber wie du sein, Pinker Bell!«, giftete Charlotte, womit sie eindeutig auf Liz’ neue Haarfarbe und ihr heutiges Outfit anspielte. Ihr Haarschopf leuchtete in einem auffälligen Pink, noch dazu trug sie ein selbst genähtes grünes Kostüm, das durchaus an das Kleid der beliebten Fee Tinker Bell erinnerte.

Charlottes Kommentar störte Liz jedoch nicht die Bohne. Sie grinste unsere Klassenkameradin spöttisch an. »Viel Erfolg bei der Matheklausur!«, zwitscherte sie, was Charlotte nur noch mehr auf die Palme brachte.

Wutentbrannt hakte sie ihre verdutzte Freundin Tami unter, die gar nicht wusste, wie ihr geschah, und rauschte mit ihr in Richtung der Klassenräume davon.

Liz blickte den beiden hinterher und schüttelte ungläubig den Kopf, bevor sie sich wieder mir zuwandte. »Kommen wir zu den wichtigen Dingen. Was ist da eben passiert?«

Noch immer zitterte ich am ganzen Leib und versuchte zu begreifen, was ich soeben erlebt hatte.

Meine beste Freundin strich mir über den Arm. »Hey, Mila, du bist ja völlig von der Rolle. Komm, setz dich erst mal.«

Sie bugsierte mich zu einer Bank auf dem Schulhof, auf die ich mich wie ein nasser Sack fallen ließ.

Als ich mich etwas gefasst hatte, erzählte ich Liz davon, was ich gesehen hatte.

»Liz«, sagte ich, »die Vision eben, die … die war anders. Es war, als hätte Madame Pompidou direkt zu mir gesprochen. Als hätte sich diese Szene in der Gegenwart abgespielt und nicht erst in der Zukunft.«

Meine Gedanken überschlugen sich regelrecht.

»Das ist unmöglich«, widersprach Liz. »Wie hätte Madame Pompidou denn über Gedanken zu dir Kontakt aufnehmen sollen?«

»Ich weiß es nicht. Vielleicht war es eine Botschaft. Eine Warnung an mich. Was ist, wenn die Kakaowolke mir zeigen wollte, dass Madame Pompidou noch immer hinter uns her ist? Wenn sie sich womöglich in der Nähe des Élysée-Palastes aufhält? Um den Präsidenten doch noch aus dem Weg zu räumen?«

Ich dachte daran zurück, wie Madame Pompidou unerwartet in der Küche des Palastes aufgetaucht war, als Louis, sein Bodyguard Cem, Liz und ich gerade Jacques Dubois hatten entlarven wollen. Letzten Endes hatte sich jedoch herausgestellt, dass die Köchin selbst die Drahtzieherin gewesen war. Ärgerlicherweise war es den beiden gelungen zu fliehen, als Madame Pompidou uns eine Ladung Mehl ins Gesicht geschmissen und uns somit für einen kurzen Augenblick außer Gefecht gesetzt hatte.

Die Köchin war unberechenbar. Ob ich Louis und seinen Vater warnen musste? Oder würde ich damit nur für Unruhe sorgen? Unruhe, die der Präsident nach all dem Trubel der letzten Wochen nicht gebrauchen konnte?

»Wenn Madame Pompidou und Jacques Dubois in der Nähe wären, dann würde der Präsident es sicher wissen«, beruhigte Liz mich. »Du weißt doch, der Palast hat seine Augen und Ohren überall. Denk nur daran, welche Infos über dich eingeholt wurden, bevor du nach Paris gekommen bist.«

Es klingelte zur ersten Stunde.

»Mist, die Klassenarbeit«, seufzte ich und rieb mir über die Schläfe. »Das wird ein Desaster.«

»Nein, das wird Teamarbeit«, erwiderte meine beste Freundin und zwinkerte mir zu. »Wie gut, dass Herr Gockel so ein Blindfisch ist …«

Kapitel 2

Vorhang auf für Gerlinde-Dörte

Von wegen Blindfisch. Offensichtlich hatte Herr Gockel zum ersten Mal in seinen gefühlt hundert Jahren Berufsleben (zumindest sah er schon aus wie hundertfünfundzwanzig!) den Anspruch, noch vor der Rente seinem Ruf als fieser Pädagoge gerecht zu werden.

Ausgerechnet heute kam er auf die Idee, uns alle auseinanderzusetzen. Partnerarbeit mit Liz hatte sich somit erledigt. Mein einziger Hoffnungsschimmer schien wohl oder übel Gerlinde zu sein, unsere Klassen-Topfpflanze, die neben mir auf dem Fensterbrett stand und schon etwas verdorrt aussah. (Vielleicht würde ich sie doch noch umtaufen in Dörte, haha!) Leider war Gerlinde-Dörte nicht sehr redselig, und ich hatte auch den Eindruck, dass sie ein bisschen muffelte.

Während ich also über der Mathearbeit brütete, beäugte Herr Gockel uns misstrauisch durch sein Monokel. (Mal im Ernst, wer trug heutzutage noch ein Monokel?!)

Verzweifelt starrte ich auf das nahezu leere Blatt Papier. Als Herr Gockel sich einmal in Richtung Tafel wandte, machte Liz auf der anderen Seite des Klassenraumes irgendwelche kuriosen Verrenkungen. Ich konnte nicht sagen, ob sie mir geheime Botschaften überbringen wollte oder ob sie pinkeln musste.

Da mir die Erleuchtung leider verwehrt blieb, verbrachte ich die Zeit damit, Eiffeltürme und Croissants auf das Blatt zu kritzeln und mir auf einem Schmierzettel Notizen zu meinen Kakaovisionen zu machen, um sie später in mein Duftdiarium zu übertragen. Liz hatte den Vorschlag gemacht, dass ich all meine Visionen in einem kleinen Notizbüchlein sammeln sollte, um eines Tages vielleicht einen größeren Sinn hinter meiner Gabe erkennen zu können. Tja, konnte ich bisher, ehrlich gesagt, immer noch nicht. Es gab einfach noch viel zu viele Ungereimtheiten, was diese ganze Sache mit der Magie betraf.

Ich konnte partout nicht aufhören, an die zweite Kakaowolke zu denken, in der mir Madame Pompidou erschienen war.

Es hatte sich so echt angefühlt … fast schon unheimlich. Die Köchin musste unfassbar wütend sein, dass ich ihre Pläne gemeinsam mit der Hilfe von Louis, Liz und Cem durchkreuzt hatte. Wenn es nach ihr ginge, dann würde sie jetzt gemeinsam mit Jacques Dubois an der Spitze Frankreichs stehen und das Land regieren.

Als die Klingel das Ende der Stunde ankündigte, hatte ich nichts weiter vollbracht, als die ersten drei Aufgaben zu lösen und meine Mathearbeit in ein Kunstwerk zu verwandeln. Wunderbar.

Vielleicht stimmten meine künstlerischen Fähigkeiten Herrn Gockel milde und er würde mir noch eine mitleidige Vier für die Arbeit verpassen.

Wenigstens hatten wir direkt nach Mathe Französischunterricht bei der Krähe, pardon – ich meinte natürlich Madame Delacroix. Gleich würden wir über den bevorstehenden Besuch unserer französischen Austauschklasse sprechen, der bereits in einer Woche sein würde. Juhuu!

Kapitel 3

Leg dich nicht mit mir an, ich bin schwer verliebt!

Meine Vorfreude auf den Besuch aus Frankreich bekam allerdings nur wenige Minuten später einen gewaltigen Dämpfer verpasst. Tausendmal lieber hätte ich mich noch ein bisschen länger mit der muffigen Gerlinde-Dörte angeschwiegen, als die folgende Unterhaltung zu führen.

Madame Delacroix rückte seit gefühlt fünf Minuten ihre Brille zurecht, was mir langsam ein bisschen spanisch vorkam (oder besser gesagt: französisch!).

»Was ist denn mit der los?«, raunte Liz mir ins Ohr. »Die wirkt ja total von der Rolle.«

Ich konnte Liz nur beipflichten. Auch wenn die Krähe (den Spitznamen hatten Liz und ich unserer Französischlehrerin vor Ewigkeiten verpasst, da sie eine sehr krächzige Stimme hatte) allgemein nicht dafür bekannt war, durch Ordnung und Struktur zu glänzen – heute war sie völlig durch den Wind.

Ihre Wangen leuchteten wie eine Christbaumkugel, und mittlerweile gesellten sich dicke Pusteln dazu, die sich nervös an ihrem Hals ausbreiteten. Madame Delacroix sah beinahe aus, als hätte sie Scharlach.

»Nun«, begann sie und hüstelte nervös, »ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht.«

Ein unwohles Grummeln breitete sich in meiner Magengegend aus. Was wollte die Krähe denn damit andeuten?

»Die gute ist … dass die Franzosen zu uns nach München kommen werden …«

»Und was ist dann jetzt die schlechte Nachricht?«, rief Max dazwischen.

Die Krähe rückte wieder nervös ihre Brille zurecht. »Der Schüleraustausch mit den Franzosen muss auf nächstes Jahr verschoben werden.«

WAS?!

»Das ist doch wohl nicht ihr Ernst?«, stieß Liz empört aus, gleich darauf setzte lautstarker Protest im Klassenraum ein.

Meine beste Freundin und ich sahen einander entsetzt an.

»Kinder, Kinder! Silence, s‘il vous plaît! Bitte beruhigt euch wieder!«

Der Lärmpegel ebbte nur langsam ab, und Madame Delacroix machte den Anschein, als hätte sie sich am liebsten hinter ihrem Lehrerpult verkrochen.

»Ich habe soeben einen Anruf von der Saint-Clément erhalten. Leider hatte Madame Quinette einen Reitunfall. Es geht ihr einigermaßen gut, allerdings wird sie mehrere Wochen ausfallen und kann somit nicht den geplanten Schüleraustausch nach München leiten. Und aus ihrem Kollegium ist niemand bereit, so kurzfristig einzuspringen. Es tut mir wirklich leid, das könnt ihr mir glauben. Ich hatte mich auch schon sehr auf den Besuch der Franzosen gefreut.«

Wo ich noch wenige Stunden zuvor in Gedanken Händchen haltend mit Louis durch München spaziert war, zerschmetterte mein Herz gerade in tausend kleine Einzelteile.

»Das … das können Sie uns nicht antun!«, ereiferte sich Liz, nur um sich gleich darauf zu verbessern: »Ich meine, das können Sie mir nicht antun. Neben mir sitzt eine schwer verliebte Freundin! Wissen Sie, was das bedeutet?«

»Hey, Mila, hat dieser Louis eigentlich Tomaten auf den Augen, oder wieso hat er ausgerechnet dich genommen? Vielleicht ist das ja auch ein Wohltätigkeitsprojekt von ihm«, lästerte Charlotte wieder.

Obwohl Charlotte nicht einmal mit in Paris gewesen war, mussten meine lieben Mitschüler und Mitschülerinnen ihr von Louis und mir berichtet haben. Spätestens auf dem Sommerball der Privatschule Saint-Clément hatte vermutlich jeder mitbekommen, wie wir uns geküsst hatten. Aber dass sich diese Nachricht gleich wie ein Lauffeuer verbreiten musste – ätzend. Ich wusste schon, warum ich kein Menschenfreund war.

Charlotte grinste mich gehässig an. Offensichtlich war sie noch immer auf hundertachtzig, dass Liz ihr vorhin auf dem Pausenhof einen Spruch reingedrückt hatte. Normalerweise hätte ich bei Charlottes Gemeinheiten einfach so getan, als hätte ich sie nicht gehört.

Tja, was soll ich sagen? In diesem Augenblick hatte sie äußerst schlechte Karten bei mir. Die Enttäuschung darüber, dass die Franzosen nicht nach München kommen würden, vermischte sich mit der Wut über Charlottes selten dämliche Sprüche.

Ich drehte mich zu ihr um.

»Weißt du was, Charlotte? Du bist doch einfach nur neidisch, weil es kein Junge der Welt auch nur drei Sekunden mit dir aushalten würde. Aussehen ist nicht alles. Aber jemand, der in etwa den Horizont einer Erbse besitzt, versteht das wahrscheinlich nicht.«

Charlottes Mund stand sperrangelweit offen, während ich nicht minder schockiert über meine eigenen Worte war.

In der Klasse war es mucksmäuschenstill geworden, alle starrten Charlotte und mich an.

»Holla, die Waldfee, das hat gesessen«, murmelte Liz neben mir und warf mir einen anerkennenden Blick von der Seite zu.

Doch ich war nicht stolz auf mich. Ich fühlte mich nur hundeelend.

Und dann stand ich auf und verließ wortlos mitten im Unterricht den Klassenraum, da ich keine Lust hatte, vor allen in Tränen auszubrechen.

Kapitel 4

Von Kugelfischen und aufgedunsenen Backenhörnchen

Ich flitzte auf die Toiletten, schloss mich in einer der Kabinen ein, setzte mich auf den geschlossenen Klodeckel und zog die Beine nach oben. Dann heulte ich Rotz und Wasser.

Da flossen sie dahin, meine Pläne mit Louis, im wahrsten Sinne des Wortes. Dabei hatte ich mir doch bereits alles so schön ausgemalt. Wie sehr hatte ich mich darauf gefreut, ihm München zu zeigen … Und jetzt war alles futsch!

Was musste Madame Quinette auch einen Reitunfall haben! Hätte sie sich nicht ein weniger gefährliches Hobby suchen können? Häkeln zum Beispiel? (Obwohl – Häkeln konnte auch in eine selbstmörderische Freizeitgestaltung ausarten, wie mich meine Tante gelehrt hatte. Claudi wäre es beinahe gelungen, sich mit einer Häkelnadel ein Auge auszustechen. Respekt, so was musste man erst mal schaffen.)

Ach, ich tat mir gerade so unfassbar leid. Ich hielt in meinem theatralischen Schniefen inne, als plötzlich die Tür zu den Toiletten aufgestoßen wurde. Herr im Himmel, unser Hausmeister, Herr Mahlzahn, musste das Teil unbedingt mal wieder ölen. Einbrecher hatten es in dieser Schule schwer.

Kurz darauf bollerte es auch schon an meiner Kabine. »Mila, komm da raus.«

Natürlich war es Liz, wer sonst?

»Ich sitz grad auf ’m Klo«, nuschelte ich, doch Liz kannte mich besser.

»Seit wann pinkelst du denn mit angezogenen Füßen? Da würde ich aber ziemlich schnell einen Krampf in den Beinen bekommen.«

»Beobachtest du mich etwa?«, fragte ich empört und drückte demonstrativ auf die Klospülung. Ein lautes Gurgeln und Rauschen ertönte, gefolgt von Liz’ tiefem Seufzen.

Sie klopfte erneut gegen die Tür. »Nun mach schon auf.«

»Ich komm hier nie wieder raus«, sagte ich mit Nachdruck. Blöd war nur, dass ich allmählich Hunger bekam. Lange würde mein Streik nicht andauern, vor allem, weil Ma versprochen hatte, heute Lasagne zu machen. (Bei Brokkoliauflauf wäre ich länger standhaft geblieben.)

»Ist das Melodramatische nicht eigentlich eher mein Ding?«, entgegnete Liz. »Ich meine, wer von uns beiden war denn in der Theater-AG?«

In dem Moment quietschte die Tür zu den Toiletten.

»Hier ist Sperrstunde!«, rief Liz energisch, und wer auch immer gerade die Mädchentoiletten betreten hatte, verließ sie bei Liz’ bellendem Soldatenton fluchtartig wieder. Wäre Liz nicht meine beste Freundin, hätte ich wahrscheinlich eine Heidenangst vor ihr.

»Nicht mal auf dem Klo hat man seine Ruhe«, murmelte sie.

»Ach wirklich, ist das so?«, fragte ich spöttisch und hoffte, dass sich Liz meinen vielsagenden Blick bildlich vorstellen konnte, trotz Kabinenwand zwischen uns.

»Mila, du hättest Charlottes Gesicht sehen sollen! Sie sah aus wie ein Kugelfisch kurz vorm Platzen!«

»Charlotte ist mir gerade so was von egal …« Ich merkte, wie sich meine Augen schon wieder mit Tränen füllten.

»Ich versteh dich ja. Dass der Schüleraustausch auf nächstes Jahr verschoben wurde, ist echt Mist.«

»Für dich oder für mich?«

»Für uns beide. Obwohl ich durchaus froh bin, dass ich noch eine Gnadenfrist bekommen habe, was den Besuch von Ophelia – Miss Magnifique – betrifft. Darauf kann ich getrost verzichten.« Liz hatte in der Tat im Sommer weniger Glück mit ihrer Austauschfamilie gehabt. Auf die eingebildete Ophelia konnte ich gut und gerne genauso verzichten wie Liz.

»Und was dich angeht«, fuhr Liz fort, »ehrlich gesagt hatte ich gehofft, dass dein geistiger Umnachtungszustand endlich ein Ende haben würde, wenn Lou nach München käme.«

»Sehr aufbauend, danke.«

»Nein, jetzt mal im Ernst, Mila: Ich hab mir da was überlegt.«

»Und was?«, fragte ich misstrauisch.

»Das verrate ich dir nur, wenn du endlich rauskommst.«

»Das ist Erpressung«, beschwerte ich mich, sprang letzten Endes aber vom Toilettendeckel und öffnete die Tür. (Was hauptsächlich daran lag, dass mein Hintern allmählich einschlief und ich nicht mehr sitzen konnte. Und mein Magen knurrte auch schon vorfreudig in Anbetracht der von Ma angekündigten Lasagne.)

Als ich vor Liz stand, musterte sie mich eingehend. Ich erwartete schon, dass sie mir gleich sagte, dass ich aussah wie ein aufgedunsenes Backenhörnchen, doch sie verkniff sich mit Müh und Not einen Kommentar, was ich ihr hoch anrechnete. Es war wahrscheinlich nicht so einfach, derzeit mit mir befreundet zu sein. Ganz ehrlich, ich konnte mich Jammerlappen ja selbst nicht mehr ertragen!

Liz holte tief Luft.

»Wenn die Franzosen nicht zu uns kommen, dann müssen wir eben nach Frankreich«, sagte sie pragmatisch.

»Hä?«, fragte ich nur.

»Was, hä? Hab ich mich irgendwie unklar ausgedrückt?«

Liz schüttelte den Kopf. »Das müssen eindeutig die Hormone sein. Hoffentlich verliebe ich mich nie. Also, du und ich«, Liz zeigte mit dem Zeigefinger zwischen uns hin und her, als wäre ich leicht plemplem, »fahren in den Herbstferien nach Paris. Compris? Verstanden?«

»Au ja!«, stimmte ich Liz begeistert zu, nur um kurz darauf ein deprimiertes »Oh nein!« hinterherzuschieben.

Liz war angesichts meiner Stimmungsschwankungen etwas verwirrt. »Was nun, ja oder nein?«

»Natürlich möchte ich nach Paris fahren …«

»Und zu deinem herzallerliebsten Louis«, ergänzte Liz in einem Anflug von Dramatik (da kam wieder ihre Leidenschaft fürs Schauspielern durch) und runzelte die Stirn. »Lass mich raten, es kommt sicher noch ein Aber …«