A Season of Love and Secrets - Mareike Allnoch - E-Book

A Season of Love and Secrets E-Book

Mareike Allnoch

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Beschreibung

Große Gefühle zur Weihnachtszeit Große Gefühle zur Weihnachtszeit Was wäre Weihnachten ohne Geheimnisse – und die große Liebe? In zwölf zauberhaften Kurzgeschichten, die sich jeweils über zwei Kapitel strecken, nehmen unsere liebsten Romance- und Romantasy-Autor:innen uns mit zu bekannten und neuen Protagonist:innen. Jede Menge Herzklopfen, romantische Momente und geheimnisvolle Überraschungen garantiert! Ein Adventskalender mit Geschichten von Mareike Allnoch, Bianka Behrend, Kathinka Engel, Christian Handel, Kim Leopold, Kira Licht, Nina MacKay, Mia Moreno, Sarah Scheumer, Andreas Suchanek, Leni Wambach und Toni Winter

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Mit Geschichten von:

Mareike Allnoch • Bianka Behrend • Kathinka Engel • Christian Handel • Kim Leopold • Kira Licht • Nina MacKay • Mia Moreno • Sarah Scheumer • Andreas Suchanek • Leni Wambach • Toni Winter

© everlove, ein Imprint der Piper Verlag GmbH, München 2025

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

Covergestaltung: zero-media.net, München

Covermotiv: FinePic®, München

Abbildung Inhalt: 1425576472 von Adobe Stock

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Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Nina MacKay

Biografie

1. Dezember

2. Dezember

Toni Winter

Biografie

3. Dezember

4. Dezember

Leni Wambach

Biografie

5. Dezember

6. Dezember

Kim Leopold

Biografie

7. Dezember

8. Dezember

Mareike Allnoch

Biografie

9. Dezember

10. Dezember

Kira Licht

Biografie

11. Dezember

12. Dezember

Mia Moreno

Biografie

13. Dezember

14. Dezember

Sarah Scheumer

Biografie

15. Dezember

16. Dezember

Andreas Suchanek

Biografie

17. Dezember

18. Dezember

Christian Handel

Biografie

19. Dezember

20. Dezember

Bianka Behrend

Biografie

21. Dezember

22. Dezember

Kathinka Engel

Biografie

23. Dezember

24. Dezember

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Nina MacKay

Operation Ex-Files

Biografie

Nina MacKay, irgendwann in den ausgeflippten 80er-Jahren geboren, arbeitet als Marketingmanagerin (wurde aber auch schon im Wonderwoman-Kostüm im Südwesten Deutschlands gesichtet). Außerhalb ihrer Arbeitszeiten erträumt sie sich eigene Welten und führt imaginäre Interviews mit ihren Romanfiguren. Gerüchten zufolge hat sie früher als Model gearbeitet und einige Misswahlen auf der ganzen Welt gewonnen. Schreiben ist und war allerdings immer ihre größte Leidenschaft.

Weitere Titel der Autorin bei Piper/everlove

The Darkest Queen – Kuss der DämonenThe Darkest Queen – Versprechen der Finsternis

1. Dezember

FragenNew York, kurz vor Weihnachten

»Hey, Lennon«, rief ich über die Köpfe der Feiernden hinweg, während ich mein Sektglas reckte, meine Hüften im Takt wiegte und meinen besten Freund ansah. Der Bass des Songs krachte aus den Boxen, weswegen ich regelrecht schreien musste. »Würdest du für mich einen Mord begehen?«

Lennon – schon reichlich angezählt – hob seinen Strawberry Daiquiri, wobei sich ein Schwall daraus auf die Tanzfläche ergoss. Die zwei jungen Frauen in weißen Blusen, die sich zwischen uns hindurchquetschten, zogen die Köpfe ein. »Aber sicher, Krysten. Sogar zwei Morde. Nein, für beste Freunde sogar drei«, bekräftigte er und exte, was von seinem Drink übrig war.

So lobte ich mir das. »Das habe ich in einer Studie gelesen«, brüllte ich, wobei drei oder fünf Tanzende auf Abstand gingen. Was vermutlich daran lag, dass ich meinen Mimosa – das beste Getränk der Welt – in ihre Richtung schwenkte. »Freunde, die bereit sind, füreinander einen Mord zu begehen, sind Freunde fürs Leben.«

»Nein, die sind Mordsfreunde!«, brüllte Lennon begeistert zurück.

»Mordsfreunde!«, kreischte ich ebenfalls. Darauf stießen wir an, wobei uns auffiel, dass unsere Gläser irgendwie schon leer waren.

Zwei Stunden später stützte ich Lennon, während wir durch den Schnee vom Club zu meiner Wohnung schlenderten. After-Work-Partys waren das Zweitschlimmste in New York – denn sie waren um zehn Uhr schon wieder zu Ende.

Am schlimmsten waren allerdings verliebte Paare mit Einkaufstüten unter viel zu greller Weihnachtsbeleuchtung. Es war entsetzlich. Für Singles wie mich jedenfalls.

Im Laufen rieb Lennon seinen Wuschelkopf an meiner Schläfe. Ich schob die freie Hand in meine Manteltasche und beobachtete, wie eine blonde Frau in den Zwanzigern ihren Kopf an die Schulter ihres Partners schmiegte und den beiden währenddessen ein Dachshund um die Füße strich. Ich konnte mir genau ausmalen, wie harmonisch und verliebt ihr Weihnachtsfest ausfallen würde.

Wirklich, sie waren die Pest.

In meiner Tasche strich ich mit den Fingern über ein Kaugummipapier, und in etwa genauso fühlte ich mich: zerknittert und leer. In den nächsten Tagen bis Weihnachten blieb mir nichts anderes übrig, als mich in Selbstmitleid zu suhlen, so viel war sicher, und dabei würde ich mir von niemandem reinreden lassen.

Am Eingang meines Backstein-Wohnkomplexes klopfte ich mir den Schneematsch von den Füßen. Lennon stöhnte, stützte sich am Türrahmen ab und taumelte von da an alleine durch Flur und Treppenhaus. Immerhin. Rasch drückte ich die Tür hinter uns ins Schloss und sperrte damit das Weihnachtsgedudel und alle kitschigen Lichter aus. Ein befreiender Akt. Das Jahr war hart genug gewesen. Ein knappes halbes Dutzend Dates, eins nutzloser als das nächste, denn sämtliche Männer hatten mich danach geghostet. Als ob das ein unausgesprochener neuer Trend der Männer in New York wäre. Im ersten Stock bog Lennon nach links ab, und ich musste seinen Kurs bis zur zweiten Tür rechts korrigieren.

Seufzend schob ich ihn vorwärts. Doch dann hielt ich mitten in der Bewegung inne. Direkt vor meiner Tür auf der halb zerfledderten Türmatte wartete etwas Unerwartetes auf mich: ein kleines Päckchen.

Sobald ich es erreicht hatte, erkannte ich, was genau es war: ein Glückskeks in einem durchsichtigen Tütchen. Die schiefen Ränder und die Textur des Glückskekses verrieten, dass er aus einer chaotischen Hobbybäckerei und keiner Fabrik stammte.

Stirnrunzelnd hob ich ihn auf. Ein Zettelende schaute an der Seite heraus. Eingebacken oder im Nachhinein hineingeschoben.

Von einer plötzlichen Neugier gepackt, fischte ich den Keks aus der Verpackung, noch ehe ich den Schlüssel ins Schloss gesteckt hatte. Ein einzelner, zweizeiliger Satz stand darauf

»Du findest die Antwort, wenn du zuerst die Fragen stellst, die du dich nie zu fragen getraut hast«, las ich laut vor.

»Whoa, das ist tiefgründig«, kommentierte Lennon, der neugierig über meine Schulter spähte.

»Oder gruselig«, entgegnete ich. Mein Blick verharrte auf der feinen Schrift. Saubere kleine Buchstaben, mit einem schwarzen Kugelschreiber verfasst.

Lennon lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand neben der Tür, rutschte allerdings kurz ab, ehe er sich zu meiner Überraschung relativ lässig wieder fing. »Von wem der wohl ist?«

»Wahrscheinlich von Mr Baron.« Mein Vermieter, der unter mir wohnte. Seit ich eingezogen war, versorgte er mich regelmäßig mit Gebäck.

»Vielleicht ein Zeichen!« Lennons Augen funkelten vor lauter Schalk, ein Grinsen schlich sich auf seine Lippen. »Du weißt schon, Antworten auf deine Fragen.«

Ein hässlich kaltes Gefühl kroch über meine Wirbelsäule und drohte mich in die Tiefe zu ziehen. »Ich wollte eigentlich nicht mehr daran denken.«

Zerknirscht drehte ich den Schlüssel im Schloss. Nicht nur, dass ich keinen Mann in meiner neuen Wahlheimat kennengelernt hatte – außer Lennon, der mich schon in meiner ersten Woche als Barista im Café nebenan bedient hatte und seither mein einziger Freund war, kannte ich hier niemanden. Gut, bis auf Mr Baron, der allerdings so alt wie mein Vater war und sich auch exakt so benahm.

In meiner Wohnung wartete selbstverständlich nur ein Stapel ungespültes Geschirr auf mich, Mr Tolstoi – die Taube auf der Fensterbank – und ansonsten: Stille.

Obwohl ich es besser wissen sollte, warf ich einen Blick auf mein Smartphone. Keenan hatte nicht geschrieben. Keine Entschuldigung, keine Ausrede, kein nichts. Ich hatte geschlagene neunzig Minuten am Eingang der Eisbahn auf ihn gewartet. Noch vor dem ersten Treffen geghostet werden, war ein neuer Rekord – selbst für mich.

Seufzend ließ ich mich auf meine Couch fallen, und Lennon folgte meinem Beispiel, wobei er auf mir landete. Grüner, kratziger Couchbezug aus Samt scheuerte über meine Strumpfhose. Immerhin hatte Lennon spontan Zeit für eine After-Work-Party gehabt. Ich kraulte ihm den Kopf, wewegen er wohlige Laute ausstieß. Seine niedlichen Wuschelhaare erinnerten mich an einen dunkelbraunen Pudel. Obwohl er sie an den Seiten stoppelkurz trug.

»Oh, ich bin auf deinem Häkeldings gelandet«, brummte Lennon und zog Mr Bloomsbury unter seiner Schulter hervor. »Was soll das eigentlich sein?« Er blinzelte. »Ein Marshmallow mit pinker Schürze?«

»Das ist ein Eisbär mit Ballettrock«, brummte ich zurück.

»Natürlich, hab ich sofort erkannt.« Lennon gähnte. »Sorry, Frühschicht kickt.«

Das konnte ich mir vorstellen. Gedankenverloren spielte ich an meinen Haarsträhnen herum, die fast so dunkel waren wie die von Lennon.

»Krysten.« Lennons mahnender Tonfall riss mich aus meinen Tagträumen. »Du denkst doch nicht etwa noch an ihn? Dieser Typ ist es nicht wert.«

»Natürlich. Du hast recht wie immer«, versicherte ich ihm.

»Gut, denn wir sollten ihn dir eigentlich nach diesem Abend aus dem Kopf getanzt haben.«

Daraufhin sagte ich nichts mehr.

»Krysten …?« Allein mein Name aus Lennons Mund brachte mich augenblicklich dazu, ihm alles zu gestehen. Noch ein weiterer vorwurfsvoller Blick, und ich hätte ihm sämtliche Familiengeheimnisse gebeichtet, inklusive der Sache mit dem in die Freiheit entlassenen Wellensittich in meiner Kindheit.

»Es ist nur … ich frage mich, warum.« Ich hörte auf, den Kopf meines besten Freundes zu kraulen, sank dafür tiefer in die Couchpolster und überstreckte meinen Hals, sodass ich mit zurückgelegtem Kopf aus dem Fenster schauen konnte.

Schneeflocken segelten wie zarte Spitzendeckchen aus dem schwarzen, eiskalten Himmel und legten sich wie Puderzucker auf die Straßenlaternen und den Fenstersims. Selbst Mr Tolstoi beobachtete die Flocken voller Ehrfurcht.

»Warum was?«, erklang Lennons warme Stimme von meinem Schoß her. Er hatte sich so gedreht, dass er den Kopf auf meine Beine betten konnte.

»Warum es bei mir immer gleich abläuft. Keenan war dieses Jahr nur das Sahnehäubchen auf der Torte. Wenn ich jedes Mal einen Dollar für ein Date bekommen hätte, das dieses Jahr katastrophal geendet ist …«

»… dann könntest du dir einen ordentlichen Kaffee leisten und mir dazu einen ausgeben«, vervollständigte Lennon meinen Satz.

»Ha ha,« erwiderte ich mit gespielter Genervtheit. »Die Königin der Dating-Desaster hat wieder zugeschlagen.«

»Hey, das liegt nicht an dir. Die Typen in dieser Stadt haben einfach die romantische Ader einer Excel-Tabelle.«

»Was ja okay wäre, wenn ich auf Zahlen stehen würde. Allerdings haben sie mich ja allesamt geghostet, ehe ich mich überhaupt mit ihrer Excel-Tabelle befassen konnte.«

Ich setzte mich gerade hin, und auch Lennon rappelte sich auf. »Krysten, wer nicht checkt, wie großartig du bist, hat keinen zweiten Blick verdient.«

»Du bist der Beste.« Ich tätschelte über seine Schläfe und sein Ohr, worauf er sich in meine Hand schmiegte. »Du würdest nie jemanden so feige ghosten.«

Nach ein paar Sekunden des Schweigens, in denen sich wieder und wieder die schrecklichsten Ghosting-Momente des Jahres vor meinem inneren Auge abgespielt hatten, setzte sich Lennon mit einem Ruck auf. »Ich hab’s!«

Laut flatternd stieß sich Mr Tolstoi vom Fenstersims ab und verschwand im Schneetreiben.

»Was denn? Einen Kater? Ja, der kommt definitiv.«

»Nein, Quatsch!« Etwas umständlich zog Lennon die Beine an. »Ich weiß, was wir machen, damit du mit diesem desaströsen Dating-Jahr abschließen kannst. Und das noch vor Weihnachten!«

»Ja?« Zweifelnd neigte ich den Kopf zur Seite. Was kam jetzt? Hoffentlich nichts Spirituelles. Dafür war ich nicht bereit.

Lennons Augen leuchteten, während er weitersprach. »Wir machen reinen Tisch. Wir suchen deine Dates von diesem Jahr auf und erfahren, warum sie dich geghostet haben. Du bekommst endlich Antworten!«

Lennons plötzliche Euphorie konnte ich nicht wirklich teilen. »Antworten worauf? Warum mein Liebesleben eine einzige Sitcom ist?«

»Genau!« Lennon breitete dramatisch die Arme aus, als hätte er einen brillanten Masterplan enthüllt. »Komm schon, wir könnten ein bisschen Abenteuer gebrauchen. Lass uns den Antworten nachjagen! Und ich hab ein paar Tech-Skills, die nützlich sein könnten.«

»Ich weiß nicht …«

»Dann weiß ich es für dich. Stell dir vor, bis Weihnachten hast du alle Antworten, wieso man dich geghostet hat, und steckst nicht mehr in diesem Gedankenkarussell fest. Und du bist nicht allein, denn ich unterstütze dich bei unserem Plan.«

»Eigentlich ist es dein Plan«, hielt ich dagegen.

»Lass es einfach kurz auf dich wirken.« Lennon nahm meine Hand. »Stell dir vor, du erfährst, was das heute von Keenans Seite sollte und wieso Juan dich letzten Monat geghostet hat und dieser Student im Herbst und … wie sie alle heißen.«

Ich erhob mich, wobei der Glückskekszettel von meinem Schoß fiel, an den ich gar nicht mehr gedacht hatte. Du findest die Antwort, wenn du zuerst die Fragen stellst, die du dich nie zu fragen getraut hast.

Tatsächlich hatte ich noch nie nachgefragt, wieso mich die Typen geghostet hatten. Wenn ich darüber ehrlich nachdachte, dann war der Grund dafür Scham gewesen. Ich hatte es nicht hören wollen, dass es an mir lag. An meinem Auftreten, meiner nicht vorhandenen Schönheit … Aber was, wenn es heilsam sein würde, eben endlich diese unbequemen Fragen zu stellen? Lennon hatte recht: Wenn ich es nicht tat, würde ich an Weihnachten immer noch grübeln und Was-wäre-wenn-Spiele in meinem Kopf durchgehen.

Ohne mir selbst Zeit zu geben, es mir wieder auszureden, wandte ich mich Lennon zu. »Gut. Tun wir’s.«

Lennon stieß eine Faust in die Luft. »Yes!« Auf seinem Gesicht breitete sich ein Ausdruck purer Freude aus. »Das ist die richtige Einstellung. Wir treten diesen Mistkerlen in den Hintern.«

»Das habe ich nie gesagt …«, bemerkte ich mit hochgezogenen Augenbrauen, worauf Lennon eine abwerfende Handbewegung machte.

»Hol deinen Laptop. Wir brauchen einen Plan und sämtliche Kontaktdaten.«

»Okay, Sherlock.« Seufzend tat ich, um was Lennon mich gebeten hatte.

Etwa eine Stunde später bestellte Lennon bei mir einen weiteren »mittelmäßigen Kaffee« – wie er es nannte. Seine Finger huschten über die Tastatur, das sanfte Tippen erfüllte den Raum, und das bläuliche Licht des Laptopbildschirms ließ seine konzentrierte Miene noch entschlossener wirken.

Ich warf einen kurzen Blick auf das Dokument, das er geöffnet hatte. Namen, Daten, Orte – sie reihten sich wie kleine Soldaten auf der weißen Seite aneinander, jeder einzelne eine gescheiterte Mission in Sachen Liebe.

»Okay«, murmelte Lennon vor sich hin, »mal sehen, ob hier irgendein Muster auftaucht.«

»Du machst aus meinem Liebesleben eine wissenschaftliche Studie?«

»Nicht ganz. Ich suche nur nach Schwachpunkten in der Matrix. Nach Geheimnissen und Antworten eben.«

Wie auch immer. Kurz darauf stellte ich eine Kaffeetasse neben den Laptop.

Lennon nahm einen Schluck und zuckte nicht mal mit der Wimper, obwohl der Kaffee noch heiß sein musste. »Besser, als im Selbstmitleid zu versinken, oder?«

»Definitiv.« Ich zog einen Stuhl heran und setzte mich neben Lennon an den Wohnzimmertisch.

Lennon lehnte sich zurück, offensichtlich zufrieden mit sich. »Bist du bereit? Operation Ex-Files startet.«

»So was von nicht bereit, aber egal. Leg los.«

Lennons Finger flogen mit einer Geschwindigkeit über die Tasten, als hätte er einen Cheatcode für das echte Leben entwickelt. »Nachdem ich die vollen Namen hatte, war der Rest eigentlich ein Kinderspiel. Hab einiges über die Typen in Erfahrung gebracht, eventuelle Druckmittel für uns zur Seite gelegt und das ein oder andere Geheimnis jetzt schon entdeckt.«

Ach ja? Gespannt lehnte ich mich nach links, bis meine Schulter Lennons Arm berührte. Mein Herzschlag beschleunigte sich vor Spannung. Zeile um Zeile scrollte vorbei – ein digitaler Wasserfall aus wahrscheinlich gut versteckten Geheimnissen, durch die sich Lennon mit beängstigender Präzision manövrierte. »Willst du wissen, was Keenan, Juan, Lucas, Taytum und Koa zu verbergen haben?«

Äh? Auf welches Terrain begaben wir uns? Ich dachte, er wollte lediglich ihre Adressen heraussuchen, damit wir bei meinen Ex-Dates klingeln konnten?

»Hier hab ich zum Beispiel etwas sehr Interessantes gefunden«, murmelte Lennon, seine Stimme plötzlich ernst. »Ich denke, Lucas aufzusuchen, können wir uns sparen. Der Grund für sein Ghosting ist relativ offensichtlich.« Lennon drehte den Laptop so, dass ich eine gute Sicht auf mehrere Instagram-Einträge und Threads hatte. Bilder von Lucas und einer Blondine, die über die Jahre alterten. Ich blinzelte. Lucas, mit dem ich im Zoo Babyziegen gefüttert und der mich im Anschluss nicht mehr angeschrieben hatte.

»Meinen Recherchen zufolge war er zwar im Sommer Single, kam aber recht schnell wieder mit seiner Ex zusammen«, sagte Lennon.

Oh. Ich neigte den Kopf. Das erklärte tatsächlich vieles. Auch seine oft abwesenden Blicke und das ständige Checken, ob Nachrichten auf seinem Smartphone eintrafen. Allerdings hätte er mir das wirklich schreiben können, anstatt mich zu ghosten.

»Und hier hab ich was über Taytum gefunden«, murmelte Lennon, seine Stimme plötzlich ernst – und genau das brachte meine Aufmerksamkeit sofort zum Bildschirm zurück.

»Und?« Meine Neugier war geweckt.

»Der Typ, der dich nach drei Dates im Februar einfach aus dem Nichts geghostet hat … sagen wir mal so, er steht definitiv auf Santas Naughty List.« Auf Lennons Miene zeigte sich eine interessante Mischung aus Ekel und Genugtuung. Genoss er unsere Mission? »Der steckt bis zum Hals in zwielichtigen Online-Auktionen. Und nein, er verkauft nicht Omas Porzellangeschirr.«

»Meinst du etwa, dass er …«

»… ein kleines illegales Nebengeschäft am Laufen hat? Jep.« Lennon sah mich scharf an. »Und wenn ich mich nicht täusche, hast du hier eine prima Gelegenheit. Ein Stupser in die richtige Richtung könnte ein paar Wahrheiten ans Licht bringen.«

Ich atmete tief ein, ahnte, was Lennon damit sagen wollte. »Erpressung?« Das Wort schmeckte bitter, aber verdammt, die Aussicht, dadurch ein paar Antworten zu erhalten, war zu verlockend. Ganz wollte ich mich nicht gegen dieses Druckmittel sperren – jedenfalls noch nicht.

Lennon ließ seinen Nacken knacken. »Erpressung klingt so hart. Nennen wir es … strategische Überzeugungsarbeit.« Er grinste schief, aber in seinen Augen lag ein Funkeln. Ihm schien die Sache tatsächlich Spaß zu machen.

»Also, was jetzt …? Schreiben wir ihm?« Ich kratzte mich am Kinn. Wie fing man so eine Erpresser-Nachricht eigentlich an? War ich überhaupt abgebrüht genug dafür?

»Exakt, das tun wir so was von. Sieh an, Taytum ist zufälligerweise online. Das ist ein Zeichen. Wie dein Glückskeksspruch.« Lennon rief ein Chatfenster auf und begann zu tippen.

Selbstverständlich las ich über seine Schulter mit, während sich die Worte auf dem Bildschirm zu eindeutigen Sätzen formten:

Interessante Nebentätigkeit und Sammlung, die du da angehäuft hast. Wäre doch schade, wenn gewisse Details dazu ans Tageslicht kämen. Lust auf ein Gespräch, um das abzuwenden?

Lennon sah mich fragend an, den Zeigefinger über der Enter-Taste.

Ich nickte. »Schick’s ab.«

Daraufhin ließ Lennon seinen Finger wie einen kleinen Hammer auf die Taste schnellen, ehe er sich zurücklehnte. Abgeschickt. Schweigend starrten wir auf den Bildschirm, während die Anspannung ins Unermessliche stieg. Zwei blaue Haken erschienen. Taytum hatte die Nachricht geöffnet.

Lennon und ich tauschten einen Blick, schwiegen allerdings, bis schließlich eine Antwort aufploppte.

Wer bist? Woher weißt du das?

»Showtime«, flüsterte Lennon, ließ seine Fingerknöchel knacken und warf mir einen vielsagenden Blick zu.

Ich atmete tief durch und setzte mich aufrechter hin. Es ging los, und ich war bereit, mich der Vergangenheit und ihren Geistern zu stellen.

Lennon tippte schneller, als ich schauen konnte.

Wer ich bin, tut nichts zur Sache. Aber ich will ein paar Antworten. Hast du morgen Zeit? Wir treffen uns im Bloomingdale Café. Andernfalls sende ich meine Informationen über dich morgen dem NYPD.

Okay. 16 Uhr, kam die Antwort sofort. Ich stellte mir vor, wie Taytum, der immer für schnelle Entscheidungen war, dasaß, den Kopf voller Fragezeichen und Ungewissheit. Es ging los. War ich bereit dafür?

2. Dezember

AntwortenNew York, kurz vor Weihnachten

Meine Finger trommelten unkontrolliert auf der Tischplatte herum, was das Klopfen meines eigenen Herzens widerspiegelte. Lennon und ich saßen im Bloomingdale Café, in dem er arbeitete, und warteten auf Taytum. Die Luft war erfüllt von intensivem Duft nach frisch gemahlenen Kaffeebohnen, aber selbst das half nicht, die Spannung aus meinem Magen zu vertreiben. Nicht mal die Jingle-Bells-Melodie, die im Hintergrund aus den Lautsprecherboxen rieselte, entspannte mich.

Draußen schneite es riesige Flocken, so groß wie die Wollmäuse unter meinem Sofa. Unter dem Tisch drückte Lennon meine andere Hand, um mich zu beruhigen. Tatsächlich kribbelte meine Haut dadurch jedoch nur noch mehr.

In diesem Moment klingelte die goldene Glocke über der Tür. Taytum, mit schwarzer Mütze und brauner Jacke, sah sich im Café um, während er seine Handschuhe auszog. Sein Blick fand meinen, und ich hob meine Hand. Selbstverständlich ohne zu lächeln. Taytum wirkte eine halbe Sekunde lang irritiert, mich zu sehen, beherrschte allerdings ganz offensichtlich seine Emotionen ausgezeichnet. Ausdruckslos musterte er mich. Das war Taytum, unverschämt gut aussehend, wie ein Model, wobei seine dunkle Aura etwas Gefährliches an sich hatte, was mich an einen Mafioso erinnerte. Und Lennon hatte gestern seine illegalen Geheimnisse aufgedeckt. Ich setzte mich aufrechter hin. Wenn es unglücklich lief … war meine Befragung nicht unbedingt ungefährlich für Lennon und mich …

Kurz dachte ich daran, wie Taytum mit mir ein Picknick im Central Park veranstaltet hatte, obwohl es viel zu kalt dafür gewesen war. Danach hatten wir uns in einer Pizzeria aufwärmen müssen. Aber das war lange her.

Ich presste die Lippen aufeinander, verfolgte jede von Taytums Bewegungen. Wie er angespannt auf uns zukam, sich den Schal abwickelte und dann auf den Stuhl vor mir glitt. »Krysten?« Er überspielte seine Überraschung, mich zu sehen, gekonnt. Taytums Blick glitt zu meinem besten Freund. »Was soll das hier? Ist das irgendein krankes Spiel von euch?«

»Wir sitzen in einem Café und reden«, entgegnete Lennon. »Was meinst du, ist das für ein Spiel?«

Schweigen. Doch durch Lennons Andeutungen in seinen Chatnachrichten musste Taytum zweifellos etwas ahnen. Dann sprach Lennon Klartext: »Wir haben dich hierherbestellt, um Antworten zu bekommen, auf eine ganz einfache Frage: Wir schweigen über deinen Nebenverdienst, wenn du Krysten erklärst, was zum Teufel dich geritten hat, sie zu ghosten.«

Ich atmete ein, hielt die Luft an. Es so klar und deutlich aus Lennons Mund zu hören, machte etwas mit mir. Er war so ein verdammter Schatz. Womit hatte ich ihn verdient?

Eine Kellnerin kam, nahm Taytums Bestellung auf, warf Lennon einen verstohlenen Blick zu und ging wieder. Damit hatte Taytum genug Zeit zum Nachdenken bekommen.

In einer herausfordernden Geste nippte ich an meinem Cappuccino. »Also?«

»Okay, hier ist die Wahrheit«, begann Taytum, seine Augen huschten nervös zwischen Lennon und mir hin und her. »Ich fand dich immer toll, Krysten. Wirklich. Aber ich hatte einfach … meine eigenen Probleme. Ich konnte nicht …«

»Konntest nicht was?« Ich lehnte mich weiter nach vorn über die Tischplatte. Meine Stimme klang gefasster, als ich mich fühlte.

»Nicht der Typ sein, den du verdient hast.« Seine Stimme brach leicht, während er auf seine Fingerspitzen starrte. »Du bist wie ein verdammter leuchtender Stern, Krysten. Und ich wollte dich nicht in meinen Schlamassel reinziehen. Also hab ich mich verdrückt.«

Mein Kiefer lockerte sich, und ich spürte, wie sich sämtliche meiner Muskeln entspannten. All die Zeit über hatte ich gedacht, etwas falsch gemacht zu haben – dass ich vielleicht nicht genug gewesen war. Doch jetzt saß Taytum hier vor mir und offenbarte, dass es nie an mir gelegen hatte. Sondern an seinem zwielichtigen Job.

»Danke, dass du mir das sagst«, sagte ich schließlich, meine Stimme klang wärmer, als ich erwartet hatte.

Mit einem Nicken knallte Taytum einen Zehn-Dollar-Schein auf den Tisch, stand auf und rauschte an der Kellnerin vorbei, die gerade seinen Espresso brachte.

Als Lennon und ich das Café verließen, biss der eisige Winterwind in meine Wangen, aber meine Brust durchströmte immer noch angenehme Wärme. Zufriedene Wärme. Das erste Geheimnis war gelüftet, oder besser gesagt das zweite, nachdem wir die Wahrheit über Lucas entdeckt hatten. Ich warf Lennon einen Seitenblick zu – der ebenso wie ich zufrieden grinste. Es hatte aufgehört zu schneien, allerdings sahen die Gehwege nicht unbedingt geräumt aus, was uns jedoch egal war.

»Operation Ex-Files läuft richtig gut, was?« Er stieß mich spielerisch mit dem Ellbogen an, hielt mich dann aber eilig fest, als ich auf einem glatten Stück Gehweg ins Rutschen geriet.

»Überraschenderweise ja.« Ich lachte – ein echtes, leichtes Lachen. Im Grunde hatte ich nicht erwartet, dass sich diese Mission so gut anfühlen würde. Was für ein unerwarteter Nervenkitzel, nach der Wahrheit zu graben und sie schlussendlich auch zu erhalten.

»Bereit für den Nächsten?« Lennon sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an, eine Spur von Abenteuerlust in seinem Blick.

»Definitiv.« Ich grinste. Irgendwie fühlte sich alles … so viel leichter an. Als würde ich mich endlich nach vorn bewegen, anstatt in der Vergangenheit festzustecken.

»Gut, denn wir treffen Koa an seinem Arbeitsplatz.«

»Im Chelsea Market?« Ich sah auf.

»Ja, ich habe unseren Tag heute gut strukturiert.« Lennon drückte den Rücken durch und hob das Kinn.

Also würde ich heute nicht nur einmal über meinen Schatten springen und eine direkte Konfrontation suchen müssen, sondern gleich mehrmals? Das hatte Lennon mit keinem Wort erwähnt. Irgendwie hatte ich auf eine Pause oder auf Antworten auf digitalem Weg gehofft … Aber gut. Es war wohl nötig. »Zeit, aus alten Mustern auszubrechen, oder?«, sagte ich mehr zu mir selbst. Nach Antworten bei Koa, dem Poeten aus Nigeria, zu suchen, fühlte sich an, als würde ich ein ganz neues Level in meinem Leben freischalten.

»Genau.« Lennons Stimme war fest, seine Präsenz beruhigend. »Heute durchbrechen wir den Kreislauf. Du bist nicht mehr die Frau, die geghostet wird. Ab heute bist du die Detektivin, die die Zügel in der Hand hält. Die Geschichtenerzählerin, die ihr eigenes Buch neu schreibt.«

Ich sah ihn an. Sein Blick war ernst, aber er spiegelte das Feuer wider, das er in mir entfacht hatte. Selbstverständlich nur das Feuer, das der Aufregung über unsere Mission geschuldet war. Ich schluckte, schaute wieder nach vorn, was auch besser war bei dem rutschigen Weg, der vor uns lag.

»Na gut, Detective Lennon«, sagte ich mit einem schiefen Lächeln. »Dann lass uns mal sehen, ob wir ein bisschen echte Poesie in der Wahrheit finden.«

Unsere Blicke trafen sich – ein stilles Versprechen lag darin, ein unausgesprochenes Verständnis, dass wir gemeinsam alles stemmen konnten.

Eine Schneeflocke, so groß wie eine Untertasse, landete auf Lennons Scheitel. Ich strich sie weg. Seine Haare waren schon feucht genug. »Du solltest dir wirklich eine Mütze zulegen.«

Lennons Nase zuckte. »Wer hat denn Zeit für Shopping, wenn er die unerklärlichsten Verbrechen New Yorks aufklären muss?« Während wir weiter durch New Yorks schneebedeckte Straßen stapften, vermischte sich unser Lachen mit dem leisen Knirschen unter unseren Stiefeln.

Koa führte einen Stand mit handgemachter Töpferware im Chelsea Market, das wusste ich von unserem Date in der Hochhaus-Bar. Er hatte mir davon erzählt, wie stolz er darauf war, und dass er hoffte, bald einen eigenen Laden aufmachen zu können.

Im Laufe des Jahres hatte ich tatsächlich einmal nach diesem Stand – natürlich ganz unauffällig – Ausschau gehalten, also wusste ich genau, wo Koa seine Töpferware der zahlungskräftigen Kundschaft anbot.

Im Chelsea Market fühlte ich mich jedes Mal wie zu Besuch in einem anderen Land. Ein Land, wie eine Mischung aus Großbritannien und Asien. Durch die vielen Lichter an der Decke des schmalen Mittelgangs fühlte ich mich heute allerdings auch ein wenig in die Werkstatt des Weihnachtsmanns versetzt.

»Da vorn.« Ich ging voraus, wies auf den Stand mit dem antiken Holzkarren. Schick war die Aufmachung schon, selbst Koa, der gerade ein älteres Ehepaar beriet, passte mit seiner grünen Samtjacke optimal in dieses Ambiente. Das Licht der Deckenlämpchen spiegelte sich auf seiner rasierten Glatze. Unwillkürlich krochen die Erinnerungen in mir empor. An das Gefühl in meiner Brust, nachdem er damals mit seinem Ghosting mein Herz gebrochen hatte.

Wir hatten Glück. Gerade als wir auf Koa zumarschierten, verabschiedete sich das ältere Ehepaar, das er soeben beraten hatte. Somit waren wir seine einzigen Kunden.

Bei meinem Anblick weiteten sich Koas Augen. Noch im selben Atemzug glitt sein Blick zu Lennon. »Krysten?«

»Ja. Überraschung.« Sogleich biss ich mir auf die Unterlippe. Eigentlich hatte ich die Sache nicht ins Lächerliche ziehen wollen.

Eine Gruppe junger Frauen kam an den Stand und nahm ein paar hübsche korallenrote Töpferschalen in Augenschein.

Koa blinzelte. In seiner Nase blitzte ein Piercing auf. Das war neu.

Schonungslos durchziehen, sagte ich mir. Ohne Umschweife loslegen – genau wie man ein Pflaster am besten abzog. »Das kommt jetzt vielleicht überraschend. Aber ich bin auf einer Mission unterwegs. Wenn du mir einfach sagst, wieso du dich nicht mehr gemeldet hast, hilfst du mir enorm weiter, und dann bin ich auch schon wieder weg.«

Koa blinzelte erneut. Wahrscheinlich fragte er sich, ob das gerade wirklich passierte. Und wahrscheinlich auch, was zum Teufel mit mir los war.

Demonstrativ sah ich in Richtung seiner Kundinnen. »Betrachte es einfach als schnelles Tauschgeschäft.«

Mittlerweile beäugte uns die Mädelstruppe neugierig. Hätte ich wahrscheinlich nicht anders gemacht.

»Du bist extra hergekommen, nach über neun Monaten, um mich das zu fragen?«

Bevor ich dazu etwas sagen konnte, ergriff Lennon das Wort. »Ghosting ist keine Aktion, die dich in eine überhebliche Position bringen und einen anmaßenden Tonfall rechtfertigen könnte, also runter von deinem hohen Ross.«

Nicht übel. Beeindruckt nickte ich meinem besten Freund zu, und mir wurde ein wenig leichter ums Herz. Von neuem Mut gepackt, straffte ich erneut die Schultern. Koas verstohlene Seitenblicke verrieten mir, wie viel er auf die Meinung seiner Standnachbarn und Kunden gab. Es wirkte, als würde ihm gleich der Schweiß ausbrechen. »Wieso hast du dich damals nicht mehr gemeldet? Die Wahrheit bitte. Damit ich ruhiger schlafen kann.« Noch während ich den letzten Satz aussprach, wurde mir bewusst, dass das nicht der Wahrheit entsprach. Nicht mehr. Wegen Koas Verhalten mir gegenüber schlecht zu schlafen, kam mir auf einmal absolut nebensächlich vor. Geradezu lächerlich.

»Hör zu.« Koa fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn. »Zwischen uns hat es einfach nicht gepasst. Und ja, ich war zu feige, das auszusprechen.«

Oh. Wow, das war wahrscheinlich die ehrlichste Ansage, die mir je ein Date gemacht hatte. »Verstehe. Ja, das kommt vor«, sagte ich schlicht. Kam es auch, und es war eine natürliche Angelegenheit im Leben. Man konnte sich nicht in jede Person verlieben, und wenn ich ehrlich zu mir selbst war, hatte es bei mir auch nicht so richtig gefunkt. Bloß hatte mich Koas Abweisung gekränkt. Ja, das war alles gewesen.

»Ich hoffe, damit kannst du jetzt besser schlafen«, fügte Koa hinzu, der sich näher zu mir gelehnt hatte. Seine Stimme klang irgendwie verständnisvoll.

»Yep. Ich danke dir. Das war wichtig für mich. Mach’s gut, Koa.« Rasch nahm ich Lennon an der Hand und zog ihn von Koa und seinen Kundinnen weg. Mein Herz pochte heftig, wobei dieses Mal eine gewisse Leichtigkeit darin lag. »Das war … echt befreiend.«

»Hat gutgetan, oder?«, fragte Lennon. Seine Stimme klang belustigt. »Gut, als Nächstes treffen wir …«

»Nein«, unterbrach ich meinen besten Freund. »Ich denke, ab hier ist es genug. Es reicht. Nach Koa habe ich Antworten genug bekommen.« Ich blieb direkt vor einem Stand mit Glückskeksen stehen und sah Lennon fest in die Augen. »Ehrlich gesagt, fühle ich mich durch diese Mission befreit. Sie hat mir die Augen geöffnet. Mir ist gerade klar geworden, dass das Problem die ganze Zeit nur ich selbst gewesen bin. Oder besser gesagt, der Stress, den ich mir selbst gemacht habe.« Sobald ich es aussprach, merkte ich, was für eine tiefe Wahrheit in meinen Worten lag. »Manchmal passt es einfach nicht. Also nicht nur manchmal, sondern fast immer bei Dates. Dass sich zwei Menschen gleichzeitig ineinander verlieben, ist ein großer Zufall und ein noch größeres Glück. Man kann es nicht erzwingen, und deswegen braucht man nicht gekränkt zu sein. Das habe ich jetzt verstanden. Auch egal, wenn der Typ es merkt, aber dir nichts sagt, sondern dich feige ghostet. Koa war sowieso nicht der Richtige.«

»Oha, diese Erkenntnis – ein wahres Weihnachtswunder.« Lennon grinste. »Du hast deine Antworten gefunden.«

Das hatte ich tatsächlich … Antworten … Mein Blick glitt zu dem Haufen an Glückskeksen neben uns. Eine junge Angestellte arrangierte sie auf der Theke zu kleinen Pyramiden.

Lennons Blick folgte meinem, und ein noch zufriedenerer Ausdruck huschte über sein Gesicht. Und ich verstand.

»Du hast mir gestern den Glückskeks gebacken und vor der After-Work-Party auf die Fußmatte gelegt, oder?«

Lennon blinzelte, und sein Lächeln verblasste. »Das stimmt.«

Bloß wieso die ganze Glückskeks-Geheimniskrämerei? Und dieses Mal kam keine schlagfertige Antwort von ihm? Ich legte die Stirn in Falten.

Lennon seufzte. »Wo wir schon bei der Wahrheit sind …« Er legte eine bedeutungsschwere Pause ein. »Du bedeutest mir sehr viel, Krysten. Jeden Tag fühle ich mehr für dich. Allerdings will ich unsere Freundschaft nicht aufs Spiel setzen. Ich meine, nach all den Date-Desastern dieses Jahr bist du wahrscheinlich sowieso noch nicht bereit …« Er zerstrubbelte sich seine Haare, und seine Stimme brach.

Wie er da vor mir stand. In mehr Gefühlswirrwar verstrickt als ich im ganzen Jahr, das war Lennon deutlich anzusehen. Wie süß er einfach war, und fürsorglich. Meine Gedanken kreisten um die letzten zwei Tage, bis die Erkenntnis in meinem Kopf wie ein ganzer Topf voll Popcorn aufploppte. Lennon war immer für mich da gewesen und hatte zu mir gestanden. Mit ihm fühlte sich alles so natürlich an. Wie nach Hause zu kommen. Ach Lennon … Mein Herz wurde weich.

»Lennon Brodwick … fragst du mich etwa nach einem Date?«, fragte ich gespielt schockiert.

»Ähm«, er biss sich auf die Unterlippe. »Nur, wenn du Ja sagst.«

Ich warf den Kopf in den Nacken und lachte. Wieso nicht? Hieß es nicht immer, dass man am Ende seinen besten Freund im Leben heiratete? War Freundschaft nicht die beste Basis? »Aber nur, wenn du mich danach nicht ghostest.« Ich hielt ihm meine Hand hin.

Lennon schüttelte sie feierlich. »Versprochen.«

Jemand räusperte sich. Verwirrt sah ich zur Seite.

Die junge Angestellte schob uns einen Glückskeks über die Theke zu und lächelte. »Der geht aufs Haus.«

Mir entfuhr ein heiseres Kichern. Schon wieder ein Glückskeks. Das musste wirklich Schicksal sein. »Danke.« Ich nahm ihn und reichte ihn an Lennon weiter.

»Ich muss da nicht reinsehen, um zu wissen, was dadrin steht«, sagte Lennon mit einem sanften Lächeln. »Heute ist dein Glückstag. Da bin ich mir ganz sicher.«

»Mhm.« Ich grinste. »Nur zur Sicherheit schaue ich doch nach.« Rasch wickelte ich den Keks aus der Verpackung und brach ihn in der Mitte entzwei, um den Zettel herauszufischen. »Oh.«

»O was?«, hakte Lennon nach.

»Da steht: Ihre Zukunft ist rosig und voller Liebe.«

»Was? Ehrlich?« Lennon lachte laut auf und griff nach dem Zettel. Dann las er den Spruch, der wirklich dort stand, und kicherte noch mehr. »Sie sollten dringend einen Termin bei Ihrem Zahnarzt ausmachen. Ehrlich jetzt, Krysten?«

»Ein sehr weiser Glückskeks.« Ich hakte mich bei Lennon unter und dirigierte ihn in Richtung Ausgang. »Aber meine Version klang romantischer.«

Daraufhin wurde Lennon ganz still, strich nach einer Pause über meinen Handrücken. »Deine Version war in der Tat das Schönste, was ich mir für die Zukunft vorstellen kann.«

Ich lächelte einfach nur in mich hinein. Damit hatte er so recht. Weihnachten kam mir auf einmal wie das beste Fest des Jahres vor. Ich sah ihn fest an. Mit Lennon auf meiner Couch würde es das auch sicherlich werden.

Toni Winter

Lady Cinnamon