Find Me at Sunset - Mareike Allnoch - E-Book

Find Me at Sunset E-Book

Mareike Allnoch

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Beschreibung

Grüne Olivenbäume, griechische Küche, große Liebe Malina kann es kaum glauben, als ihr im Hotel auf Korfu plötzlich Elyas, ihr Crush aus der Schulzeit, gegenübersteht. Aber warum hat er unter falschem Namen eingecheckt? Vielleicht möchte der berühmte Hotelerbe einfach ein bisschen Ruhe? Malina lässt sich auf das Spiel um Elyas' falsche Identität ein. Zumal Elyas sie nicht erkennt, denn Malina hat sich seit dem Abschluss verändert. Doch sie hat nicht damit gerechnet, dass sie Elyas durch ihre Arbeit als Hotelköchin immer näherkommt und sie noch immer Schmetterlinge verspürt, wenn sie ihn sieht …  Erlebe, wie Malinas Schwester Toni in Meet Me at Sunrise auf Santorini ihre große Liebe findet!

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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© everlove, ein Imprint der Piper Verlag GmbH, München 2025

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

Covergestaltung: FAVORITBUERO, München

Covermotiv: Bilder unter Lizenzierung von Shutterstock.com genutzt

Vignette: Design View, gefunden auf freepik.com

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Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Widmung

1. Kapitel

Malina

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

Elyas

6. Kapitel

Malina

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

Elyas

11. Kapitel

Malina

12. Kapitel

13. Kapitel

Elyas

14. Kapitel

Malina

15. Kapitel

16. Kapitel

Elyas

17. Kapitel

Malina

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

Elyas

21. Kapitel

Malina

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

Elyas

26. Kapitel

Malina

27. Kapitel

Elyas

28. Kapitel

Malina

29. Kapitel

30. Kapitel

Elyas

31. Kapitel

Malina

32. Kapitel

33. Kapitel

34. Kapitel

Elyas

35. Kapitel

Malina

36. Kapitel

Elyas

37. Kapitel

Malina

38. Kapitel

Epilog

Danksagung

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Widmung

Für alle Träumer unter uns.Hört nicht auf, an Magie und die kleinen Wunderim Leben zu glauben. Manchmal ergeben eine PriseHoffnung, ein Schuss Romantik und ein Hauch vonGlitzer das beste Rezept fürs Leben. 🙂

1. Kapitel

Malina

»Bin gerade gelandet!«, teilte ich meiner Schwester Toni freudig am Telefon mit, als ich aus dem Gebäude des Corfu Airport trat. Draußen schlug mir sogleich trocken-heiße Luft entgegen.

Allein die Anreise nach Korfu war spektakulär gewesen. Wobei ich bei der Landung etwas nervös geworden war und meinem süßen Sitznachbarn die Finger in den Arm gekrallt hatte, was dieser glücklicherweise mit Humor nahm.

Ich zerrte meinen rosafarbenen Koffer hinter mir her, der eine Rolle verloren hatte und sich daher nur schwerfällig ziehen ließ. Das tat meiner guten Laune aber keinen Abbruch.

»Malina, bist du noch da?«, erklang Tonis Stimme. Kurz hatte ich vergessen, dass meine Schwester noch am Handy war.

»Sorry, hab gerade etwas Schwierigkeiten mit meinem Koffer«, ächzte ich. »So, bin wieder ganz bei dir.«

»Kaum zu glauben, dass ich jetzt auf Santorini bin und du in dein Abenteuer auf Korfu startest!«, stieß Toni hervor. »Hat das mit dem Untervermieten der Wohnung noch gut geklappt?«

Unsere gemeinsame WG in Schwabing hatten wir für die Zeit unserer Auslandsaufenthalte nicht kündigen wollen, deshalb hatten wir uns schnell dafür entschieden, die Wohnung erst mal unterzuvermieten. Im Moment stand nämlich noch in den Sternen, wie lange Toni und ich auf den beiden griechischen Inseln bleiben würden. Geplant war erst mal ein halbes Jahr, dann würden wir weitersehen.

Ich freute mich auf jeden Fall schon ungemein, griechische Luft zu schnuppern, sowohl Küchen- als auch Meeresluft.

»Hat alles bestens funktioniert«, antwortete ich, während ich meinen Blick suchend über die Autos schweifen ließ, die vor dem Flughafengebäude standen.

Bisher war von meinem Fahrer noch nichts zu sehen. Das Hotel hatte mir ausgerichtet, dass sie mir ein Taxi schicken würden. Es musste jeden Moment kommen. Und so nutzte ich die Zeit, um noch ein Weilchen mit meiner Schwester zu quatschen.

»Das ist einfach super, dass Helens Nichte aus Argentinien mindestens für ein halbes Jahr in München bleiben möchte. Besser hätte es gar nicht laufen können. So müssen wir unsere Wohnung nicht kündigen, und bei Helen können wir uns drauf verlassen, dass ihre Nichte nicht unsere ganze Bude auseinandernimmt. Und wir konnten Valentina aushelfen. Das nenn ich mal eine Win-win-Situation!«

Helen arbeitete in der Bäckerei in Schwabing, bei der Toni immer Zimtschnecken für uns geholt hatte. Es war eine Tradition gewesen, dass wir uns im Sommer morgens zusammen auf den Balkon gesetzt und gemeinsam gefrühstückt hatten, zumindest dann, wenn unsere Schichten im Hotel oder anderweitige Termine es zugelassen hatten. Inzwischen hatten wir uns eine andere Routine gesucht und schickten uns jeden Tag ein Foto zu einem bestimmten Motto. Durch diese kleine Challenge fühlten wir uns trotz der Entfernung zwischen uns miteinander verbunden.

»Jetzt kann ich dir bald endlich auch Fotos aus meinem Alltag in Griechenland schicken, ist das nicht cool? Nicht mehr aus München.«

»Ich hab mich immer über deine München-Fotos gefreut«, warf Toni ein. »Da kam direkt ein bisschen Heimatgefühl auf.« Sie seufzte wehmütig. »Sosehr ich Santorini in den sechs Wochen hier mittlerweile lieben gelernt habe, so sehr vermisse ich München doch. Die lauen Sommerabende in den Biergärten, mit Mama und Papa im Garten grillen …«

Bei Tonis schwelgerischen Worten wurden auch meine eigenen Erinnerungen wach, und ein warmes Gefühl breitete sich in meinem Bauch aus. Ich hing ebenso sehr an meiner Familie und meiner Heimat München, wie Toni es tat. Gleichzeitig zog es mich aber auch in die Ferne. Vor allem, weil es mich ungemein reizte, die landestypische Küche fremder Destinationen kennenzulernen. Und ich liebte deftiges Essen. Da erschien mir ein Ziel wie Korfu gerade richtig, um mich als Köchin weiterzuentwickeln und neue Erfahrungen zu sammeln. Meine Ausbildung hatte mir neues Selbstbewusstsein verliehen, und die Küche war meine persönliche Komfortzone.

Toni hatte sich anfangs deutlich schwerer mit ihrer neuen Stelle als Eventplanerin auf Santorini getan, was unter anderem mit ihrer Angst vor Wasser zusammenhing und damit, dass wir eigentlich geplant hatten, gemeinsam nach Korfu zu gehen. Letzten Endes war alles ein bisschen anders gekommen. Toni hatte vor anderthalb Monaten ihre Stelle auf Santorini angetreten, ich hingegen hatte einen Posten als Köchin auf Korfu angeboten bekommen. Meine Schwester hatte lange mit dem Gedanken gespielt, die Stelle auf Santorini abzulehnen, dann hatte sie sich nach etwas gutem Zureden doch dafür entschieden.

Ich war unfassbar stolz, dass sie sich mittlerweile so gut auf der Kykladeninsel eingelebt hatte. Was nicht zuletzt einem ganz besonderen Kerl zu verdanken war …

»Und, wie läuft es mit Yanis?«, fragte ich.

»Es läuft super. Er ist einfach toll«, schwärmte Toni, und ich konnte mir bildlich vorstellen, wie gerade ein riesiges Lächeln ihre Lippen zierte. Unweigerlich hoben sich auch meine Mundwinkel. Sie hatte es verdient, glücklich zu sein, nach allem, was sie durchgemacht hatte. Toni hatte keinen Menschen mehr an sich herangelassen, seitdem ihre Jugendliebe Leon vor fünf Jahren in einem Badesee ertrunken war. Mit der Zeit hatte Toni sich mehr und mehr zu Hause und in ihrem Job im White Oasis Boutique Hotel Munich vergraben. Erst Yanis war es gelungen, sie aus ihrem Schneckenhäuschen herauszuholen, und ich freute mich schon sehr darauf, ihn eines Tages kennenzulernen.

»Und wie geht’s Damiano?« Das attraktive italienische Male Model hatte zuletzt für ziemlich viel Chaos in Tonis Leben gesorgt. Mittlerweile waren die zwei gute Freunde geworden.

»Ach, der ist schon wieder fleißig dabei, irgendwelche Werbekampagnen zu drehen. Heute Morgen hat er mir ein Bild aus New York geschickt.«

»Ich weiß ja nicht, ob so ein Leben was für mich wäre … ständig unterwegs sein, niemals wirklich zu Hause.« Allein der Gedanke verursachte bei mir ein leichtes Unwohlsein. Es war ja schön und gut, neue Ziele zu entdecken, aber wie sollte man sich so jemals eine eigene Wohlfühloase schaffen?

»Ja, stimmt. Wobei – ist schon etwas widersprüchlich, dass ausgerechnet wir das sagen, wo wir doch in der Hotelbranche arbeiten.«

Ich grinste. »Auch wieder wahr.«

In dem Moment kam ein Taxi am Flughafen vorgefahren, und ein Mann älteren Semesters mit Schnurrbart und dunklen Haaren stieg aus. Kurz darauf hielt er ein Schild in die Höhe, auf dem »Malina Breuer« stand.

Während Toni mir am Telefon gerade weiter von Yanis und seiner Goldschmiede vorschwärmte, hob ich eine Hand in Richtung des Taxifahrers, um ihn auf mich aufmerksam zu machen. »Du, Toni, ich muss Schluss machen, mein Taxi ist da. Wir hören und lesen uns ganz bald, ja?«

»Klar, leb dich erst mal gut ein. Ich hoffe, du hast einen tollen Start im Hotel. Hab dich lieb, Malina.«

»Hab dich auch lieb, Toni.«

Wir beide legten auf, und ich eilte auf den Taxifahrer zu. »Kaliméra, ich bin Malina Breuer«, stellte ich mich auf Englisch vor, woraufhin der Taxifahrer mit einer einladenden Geste auf das Taxi deutete.

»Kaliméra und herzlich willkommen auf Korfu. Bitte, nehmen Sie gern schon einmal vorne Platz, ich verlade noch Ihr Gepäck im Kofferraum.« Er stutzte. »Sagen Sie, da fehlt ja eine Rolle?«

Ich hob die Schultern und lächelte. »Jetzt wird mich dieser Koffer zumindest für immer an meine Reise nach Korfu erinnern.«

Kaum dass mein Gepäck verstaut war, befanden wir uns auch schon auf dem Weg in Richtung des White Sands Boutique Hotel Corfu. Aufregung und Vorfreude machten sich in mir breit, und ich bemerkte, wie ich nervös mit meinen Beinen hibbelte.

Dem Taxifahrer schien das ebenfalls aufzufallen. Wie um mich abzulenken, fragte er: »Sind Sie das erste Mal auf Korfu?«

Ich nickte. »Ja. Es ist überhaupt das erste Mal, dass ich nach Griechenland geflogen bin. Ich bin unheimlich gespannt darauf, die einheimische Küche kennenzulernen.«

Der Taxifahrer lachte kehlig. »Ich will nicht übertreiben, aber die griechische Küche zählt nicht ohne Grund zu den besten weltweit.«

Am Straßenrand erspähte ich einige schnuckelige und zum Teil fast schon unscheinbar wirkende Tavernen. Vom Hörensagen wusste ich, dass sich dahinter meist wahre kulinarische Juwelen versteckten.

Während der Fahrt stierte ich immerzu nach draußen und nahm die neue Umgebung in mich auf. Ich konnte es noch gar nicht richtig glauben, dass ich jetzt wirklich hier war. Das war mein bisher größtes Abenteuer.

Mein Handy vibrierte, und das Instagram-Symbol leuchtete auf meinem Display auf. Ich gab es zwar nicht gerne zu, aber ich hatte den Kanal der GALA abonniert. Ich wünschte, es wäre anders, aber ich liebte den neuesten Tratsch und Klatsch, vor allem, wenn er sich in meiner Heimat München ereignete.

Gespannt rief ich den Post auf. »Schlägerei in Münchener VIP-Club – Hotelketten-Sprössling Elyas Liebenberger außer Rand und Band«.

Mein Puls beschleunigte sich, mein Mund wurde trocken. Wie von selbst tippte ich auf den Link, der unter dem Post angegeben war und mich auf eine externe Seite führte. In Windeseile scannte ich den Artikel.

Ärger in Münchens neuestem VIP-Club

Er ist einer der begehrtesten Junggesellen Münchens – Hotelerbe Elyas Liebenberger. Der 23-jährige Sohn des bekannten Hotelinhabers Markus Liebenberger macht in letzter Zeit immer wieder durch negative Schlagzeilen auf sich aufmerksam. Vergangenen Samstag kam es zwischen ihm und einem weiteren Clubbesucher zu einer handfesten Rangelei. Handyaufnahmen zeigen, wie Elyas Liebenberger sich auf einmal wütend auf den anderen Gast des Clubs stürzte. Worum es bei dem Streit ging, ist unklar. Letzten Endes wurde der Hotelerbe vom Securitypersonal vor die Tür gesetzt. Erst kürzlich geriet der Hotelketten-Sprössling in die Schlagzeilen, als er seinen Porsche bei einem illegalen Rennen auf einem abgelegenen Parkplatz zu Schrott fuhr. Zu Schaden kam dabei zum Glück niemand.

Mein Herz klopfte nahezu schmerzhaft in meinem Brustkorb, und ich besah mir das Bild, das Elyas Liebenberger mit gehobenen Fäusten und wutverzerrtem Gesicht zeigte. Er wirkte völlig außer sich. Es war ein gänzlich anderes Bild als jenes, das ich von ihm hatte. Meine Gedanken glitten zu dem blonden Jungen von einst auf dem Schulhof. Zu den türkisblauen Augen, in dem ein Funken Unsicherheit gelegen hatte, und zu dem leichten Lächeln auf seinen Lippen. Zu dem kleinen Leberfleck an seinem Hals, der den beliebten und attraktiven Schulschwarm etwas weniger makellos hatte erscheinen lassen.

Toni hatte keinen blassen Schimmer, dass ich mir jeden Artikel über Elyas Liebenberger durchlas und er mich selbst heute noch in meinen Träumen heimsuchte. Ich erinnerte mich daran zurück, wie Toni und ich kurz vor ihrer Abreise nach Santorini in einem von Münchens Biergärten gesessen hatten. An jenem Abend war Elyas auch dort gewesen, doch er hatte mich keines Blickes gewürdigt. Wahrscheinlich hatte er mich nicht mal bemerkt, denn an dem Tag war er ebenfalls in eine lautstarke Auseinandersetzung verwickelt gewesen.

Mein Blick schweifte wieder zu dem Artikel auf meinem Handy. Dieser junge Mann auf dem Foto – er wirkte hart und unnahbar, fast schon verbittert. Ich fragte mich, wie es Elyas in den letzten Jahren wohl ergangen war. Oft hatte ich mit dem Gedanken gespielt, ihm eine Nachricht bei Instagram zu schicken, aber jedes Mal hatte mich im letzten Moment der Mut verlassen. Mittlerweile war so viel Zeit vergangen, und trotzdem ließ mich Elyas nicht los. Offenbar war mein Teenagerherz noch immer nicht ganz über ihn hinweg.

Seufzend steckte ich mein Handy in die Tasche und beschloss, Elyas irgendwo ganz tief in meinem Inneren in einer kleinen Kammer einzusperren. Mir stand gerade das größte Abenteuer meines Lebens bevor. Da sollte ich mir keine Gedanken über einen Hotelerben machen, der im Zerstörungsrausch zu sein schien.

Ich hatte keine Ahnung, wie lange wir schon fuhren, als es irgendwann in Serpentinen immer weiter den Berg hinaufging. Ich erhaschte einen Blick auf das tiefblaue Meer, und ein verzückter Laut verließ meine Lippen.

»Darf ich das Fenster öffnen?«, fragte ich den Taxifahrer aufgeregt, woraufhin dieser amüsiert schmunzelte.

»Bitte, nur zu.«

Kaum, dass ich das Fenster ein Stück weit heruntergelassen hatte, hielt ich mein Gesicht in den Fahrtwind. Das Meer blitzte ab und zu zwischen der wilden Natur am Horizont auf und glitzerte verlockend im Sonnenlicht. Ich bildete mir ein, den leicht salzigen Geruch von Meeresluft in der Nase zu haben. Darunter mischte sich noch etwas Fruchtig-Herbes.

Ich schloss die Augen, um die einzelnen Gerüche besser herausfiltern zu können. »Orangen, Eukalyptus …«, murmelte ich vor mich hin und sog noch einmal kräftig die Luft ein. »Oliven, Pinien …«

»Wie bitte?«, riss mich der Fahrer aus meiner Trance, woraufhin ich meine Lider wieder öffnete.

»Oh, entschuldigen Sie, ich hab mit mir selbst gesprochen. Ich bin Köchin und habe gerade festgestellt, wie wundervoll diese Insel riecht. Da würde ich mich am liebsten sofort in die Küche stellen und neue Rezepte ausprobieren.«

Bei der Vorstellung erfasste mich ein unbändiges Kribbeln, das mich noch unruhiger auf meinem Sitz hin- und herrutschen ließ.

»Diese ganzen Gerüche haben Sie gerade wahrgenommen?«, fragte der Taxifahrer mich erstaunt. Ein beeindruckter Unterton schwang in seiner Stimme mit, was mich mit Stolz erfüllte.

Ich nickte und hob in einer fast schon beschämten Geste die Schultern. »Ich glaube, das ist das Leid – oder die Kunst – eines jeden Kochs. Alles inspiriert einen ständig zu neuen Rezepten.«

Der Taxifahrer hob verblüfft die Augenbrauen. »Bemerkenswert. Ich bin mir sicher, dass Ihr feiner Geruchssinn Sie weit bringen wird.«

Ich lächelte still in mich hinein angesichts dieses schönen Kompliments. Ich hoffte sehr, dass mich meine Liebe zum Kochen noch weit bringen würde. Der Traum, eines Tages hinter die Kulissen eines mit einem Michelin-Stern ausgezeichneten Hotels blicken zu können, trieb mich an, auch wenn er vermutlich reines Wunschdenken war. Ich wusste, wie hart und streng es in der Küche zuging.

Nach einer weiteren Kurve umfuhren wir schließlich ein kreisförmig angelegtes Gartenstück, auf dem prächtige bunte Blumen blühten, dann hielten wir vor einem Gebäude, bei dem es sich um das Haupthaus des Hotels handelte. Ich erkannte es von dessen Homepage wieder.

Staunend blickte ich aus dem Fenster.

»Da wären wir«, sagte mein Fahrer und stieg aus, um mein Gepäck aus dem Kofferraum zu holen. Ich stieg ebenfalls aus und folgte ihm zum Heck des Wagens.

»Ich wünsche Ihnen alles Gute.«

»Danke, das ist nett von Ihnen«, bedankte ich mich, bezahlte und drückte ihm zusätzlich etwas Trinkgeld in die Hand. Lächelnd stieg der Taxifahrer wieder in seinen Wagen. Ich schaute dem davonfahrenden Auto hinterher, anschließend versuchte ich, die gesamte Anlage mit dem Blick zu erfassen. Ich hatte mir das Fünf-Sterne-Hotel zuvor natürlich schon genauestens im Internet angeschaut, aber es jetzt in echt zu sehen, ließ die Anlage noch eindrucksvoller wirken.

Das White Sands schmiegte sich an einen grün bewachsenen Berg und war förmlich in den Hang eingebettet, umgeben von Eukalyptusbäumen, Pinien und Zypressen. Von hier oben hatte man einen fantastischen Blick aufs Meer und die kleine Bucht, in der sich ein privater Strandabschnitt nur für die Gäste befand. Für mich versprühte das Hotel einen typisch mediterranen Charme, und ich freute mich darauf, die Anlage ausgiebig zu erkunden.

Das Hotel bestand aus mehreren kleinen terrakottafarbenen Häuschen mit Flachdächern. Von hier oben konnte ich sogar erkennen, dass manche über einen Privatpool verfügten. Rechts vom Hotel erspähte ich einen großzügig angelegten Tennisplatz.

Kurz ließ ich die verträumte Kulisse auf mich wirken und war geneigt, mich selbst einmal zu kneifen, um sicherzugehen, dass ich mich wirklich hier befand und es sich nicht nur um einen Traum handelte.

»Miss, kann ich Ihnen weiterhelfen?« Ein Mann mittleren Alters und mit grauem Haar kam auf mich zugelaufen, ein freundliches Lächeln lag auf den Lippen. An seiner förmlichen Arbeitskleidung war unverkennbar, dass er ein Mitarbeiter des Hotels war. Wahrscheinlich handelte es sich um den Concierge, der den Gästen mit ihrem Gepäck behilflich war. Mein Blick blieb an seinem Schildchen hängen, das auf Brusthöhe an seiner Uniform angebracht war und ihn als Vassilis Papadopoulos auszeichnete.

»Bitte, nennen Sie mich Malina. Ich werde als Köchin in diesem Hotel beginnen und kann es kaum erwarten, alle kennenzulernen.« Euphorisch streckte ich ihm meine Hand entgegen und strahlte wie ein Honigkuchenpferd.

Der Concierge blickte mich zunächst etwas verdutzt an. Offenbar hatte er mit solch einer überschwänglichen Reaktion nicht gerechnet. Toni hatte mir mal gesagt, dass ich manchmal dazu tendierte, meine Mitmenschen mit meiner positiven Art zu »überrumpeln«. Vermutlich lag ein Funken Wahrheit in ihren Worten. Ich merkte, wie Zweifel in mir aufkamen und Unsicherheit wie eine Dornenranke in meinem Inneren emporkroch. Plötzlich ärgerte es mich, dass ich mich so forsch benommen hatte, und wollte mich bereits für mein Verhalten entschuldigen, als ein Lächeln an den Mundwinkeln des Hotelmitarbeiters zupfte.

Er reichte mir nun ebenfalls die Hand. »Freut mich sehr, ich bin Vassilis, der Concierge. Sozusagen die gute Seele des Hauses. Ich kümmere mich hier um die an- und abreisenden Gäste.«

Erleichterung durchströmte mich. »Freut mich ebenfalls!«

Vassilis deutete auf mein Gepäck. »Na, dann zeige ich dir doch erst mal dein Zimmer. Komm mit, ich nehme deinen Koffer.« Ich wollte widersprechen, da griff er bereits nach meinem Gepäck. Auf keinen Fall wollte ich ein weiteres Mal zu energisch rüberkommen, deshalb hielt ich meinen Mund, zumal es Vassilis nichts auszumachen schien. Gut gelaunt pfiff er vor sich hin, während er meinen ramponierten Koffer hinter sich her schleifte.

2. Kapitel

»Das hier ist das Hauptgebäude«, teilte er mir mit, sobald wir das Hotel betreten hatten. Der Eingangsbereich wirkte sehr hell und modern mit dem weißen Marmor und den Kronleuchtern, die von der Decke hingen. Pastellfarbene Blumen setzten dezente Farbkleckser und verströmten einen frischen Duft, der bei mir das Gefühl von Sommer noch verstärkte.

Vassilis hielt auf die Rezeption zu, hinter der ein junger Mann und eine junge Frau standen. Er sagte ein paar Worte auf Griechisch, bevor er auf mich zeigte und wieder ins Englische wechselte. »Darf ich vorstellen, das ist Malina …« Kurz hielt er inne und wirkte beschämt. »Ähm, wie ist eigentlich dein Nachname?«

Wie peinlich, den hatte ich in meiner Aufregung gänzlich unerwähnt gelassen.

»Breuer«, schob ich schnell hinterher.

»Das ist Malina Breuer, sie wird unser Team demnächst in der Küche unterstützen«, fuhr Vassilis mit seiner Vorstellungsrunde fort, woraufhin ich von den zwei Rezeptionisten freundlich begrüßt wurde. Sie wurden in dem Moment jedoch von zwei Urlauberpärchen in Beschlag genommen, sodass sich ein näheres Kennenlernen vorerst erübrigte. Wobei ich mir ohnehin nicht so sicher war, wie eng ich wirklich mit den Hotelangestellten aus den anderen Abteilungen zusammenarbeiten würde. Vermutlich würde ich die meiste Zeit in der Küche verbringen. Und wenn ich erst einmal von Gewürzen und Küchengeräten umgeben war, dann hielt mich nichts mehr. Obwohl ich mich bei der Arbeit schon die ganze Zeit in der Küche aufhielt, liebte ich es dennoch, auch im privaten Rahmen immer wieder ein paar Kleinigkeiten zu zaubern. Hier mal ein paar Dattel-im-Speckmantel-Spieße zum Grillen bei meinen Eltern, da mal ein Hefezopf für ein gemütliches Frühstück mit Toni …

Neben der Rezeption stand ein Kellner mit einem Tablett, auf dem kleine Häppchen angerichtet waren. Bei dem Anblick lief mir bereits das Wasser im Mund zusammen. Wahrscheinlich waren die Appetithappen für die anreisenden Gäste gedacht, doch der Mann hielt mir das Tablett lächelnd und fast schon auffordernd entgegen.

Vassilis schien mein Zögern zu bemerken. »Bitte, greif zu. Du würdest es bereuen, wenn du es nicht tätest.«

»Na, wenn das so ist, kann ich mir das auf keinen Fall entgehen lassen.« Ich griff nach einem Kanapee.

Aufmerksam begutachtete ich die geröstete Baguettescheibe und das Topping, das aus Hackfleisch, einer weißen Creme und einer Olive als i-Tüpfelchen bestand. Allein das Aussehen war mindestens eine Zehn von zehn. Wenn ich kochte oder backte, musste es nicht nur schmecken, es musste auch nach einem kleinen Kunstwerk aussehen.

Neugierig biss ich hinein. Kaum, dass sich der Geschmack in meinem Mund entfaltete, stöhnte ich genussvoll auf. Das Baguette war herrlich kross, und das Tsatsiki so frisch, dass es einen perfekten Kontrast bot. Und an Knoblauch hatte die Hotelküche auch nicht gespart.

»Hmmm, ist das gut«, schwärmte ich, bevor ich mir den letzten Bissen in den Mund schob.

»Das sind griechische Bifteki-Crostinis mit Tsatsiki und Oliven«, ließ Vassilis mich wissen.

»Wirklich köstlich. Und sehr knoblauchlastig. Vielleicht sollte ich für den Rest des Tages einen gewissen Abstand zu den Gästen und Hotelmitarbeitern halten.« Demonstrativ hielt ich mir die Hand vor den Mund und grinste.

Vassilis lachte. »Hier in Griechenland geht nichts ohne eine ordentliche Portion Knoblauch. Und kleiner Tipp für das tägliche Leben auf Korfu: Lehn Angebote von Einheimischen niemals ab, ob du jetzt am Strand zu einem Barbecue eingeladen wirst oder auf dem Markt ein Stück Obst probieren sollst. Das wird hier als grobe Unhöflichkeit gewertet. Es ist für uns Griechen eine Ehre, Gäste zu bewirten.«

»Ich hab also einen Freifahrtschein fürs Essen? Wie könnte ich da Nein sagen?«

Ich klaubte mir direkt noch eins dieser köstlichen Bifteki-Crostinis vom Tablett, was Vassilis mit einem Grinsen quittierte. Anschließend folgte ich ihm, wobei er nach wie vor darauf pochte, mein Gepäck zu nehmen.

Wir liefen durch einen lichtdurchfluteten Gang. Nach rechts öffnete sich neben mir eine Glasschiebetür, dahinter führte eine Treppe nach oben ins Freie. Mein Blick glitt jedoch nach links durch die riesige Glasfront in Richtung des tiefblauen Meeres. Fast wäre mir ein vorfreudiges Juchzen über die Lippen geperlt, aber ich riss mich zusammen und lächelte lieber still in mich hinein. Ich sehnte mich danach, meine Füße in das kühle Nass zu tauchen und dem Geräusch der an den Strand rollenden Wellen zu lauschen. Dabei kehrten meine Gedanken zurück zu Toni. Wie schön es doch gewesen wäre, diese Erfahrung mit ihr zu teilen, als Schwestern. Und doch war alles anders gekommen. Vielleicht war das auch genau richtig so. Manchmal ging das Leben seltsame Wege, nahm einige unerwartete Abzweigungen, aber grundsätzlich war ich überzeugt davon, dass am Ende immer alles gut werden würde.

Vassilis führte mich in ein Nebengebäude. Im Gehen drehte er sich kurz zu mir um. »Im Nebenkomplex, der mit dem Hauptgebäude verbunden ist, gibt es insgesamt dreißig Zimmer, wobei die Zimmer erst ab der ersten Etage beginnen. Ebenerdig liegen hier nur Büros und Lagerräume sowie ein Veranstaltungsraum. Die restlichen dreißig Zimmer sind auf die umliegenden Häuschen verteilt.«

Wir nahmen den Fahrstuhl. »Wir bieten im Hotel verschiedene Zimmerkategorien an. In den unteren Etagen im Nebengebäude liegen unsere größeren Zimmer und Suiten, ganz oben befinden sich die etwas kleineren Zimmer. Die aber nicht weniger schön sind.« Vassilis zwinkerte mir zu. »Und in den Häuschen befinden sich unsere Luxussuiten. Manche davon erstrecken sich über zwei Ebenen und haben auch einen eigenen Pool.«

Wir hielten auf der dritten und damit obersten Etage. Vassilis stoppte vor dem letzten Zimmer auf der linken Seite des Korridors und zückte die Zimmerkarte, die er zuvor am Empfang entgegengenommen hatte.

Die Tür öffnete sich mit einem leisen Surren. Vassilis betrat als Erster den Raum und schob meinen Koffer vor sich her, bevor ich ihm mit angehaltenem Atem in das Zimmer folgte.

Der Concierge stellte meinen Koffer ab, drehte sich zu mir um und machte ein bedauerndes Gesicht. »Ich würde dich gern noch durch das gesamte Hotel führen, aber ich muss leider meinen Posten unten am Eingang wieder einnehmen. Heute reisen noch einige Gäste an. Der Hoteldirektor hat dir übrigens eine Nachricht hinterlassen.« Er deutete vielsagend auf einen weißen Umschlag, der auf dem frisch gemachten Bett lag.

»Wenn du zum Pool auf der ersten Etage des Hauptgebäudes möchtest, musst du einfach auf dem Korridor auf Ebene 0 durch die Glasschiebetür gehen und dann die Treppe hoch«, fuhr Vassilis fort. »Und vom Haupteingang aus kannst du den schmalen Pfad nehmen, der dich direkt zur Strandbucht führt.«

Das klang so unglaublich verlockend, zumal heute nur der Anreisetag war und meine Arbeit erst morgen beginnen würde. Da konnte es sicher nicht schaden, vorher schon mal das Hotelgelände zu erkunden und mich mit den Gegebenheiten vor Ort vertraut zu machen.

»Meinst du, du kommst jetzt erst mal allein zurecht? Wenn was ist, kannst du dich selbstverständlich jederzeit bei mir melden«, setzte Vassilis hinzu.

Ich lächelte ihn an. »Keine Sorge, hier werde ich es auf jeden Fall aushalten. Danke, dass du mich auf mein Zimmer gebracht hast.«

»Nichts zu danken.« Vassilis deutete eine leichte Verbeugung an. Im Türrahmen blieb er noch einmal stehen. »Also, Mrs Malina: Herzlich willkommen im White Sands Boutique Hotel.«

Mit diesen Worten verabschiedete er sich von mir, und ich blieb allein zurück. Interessiert begutachtete ich mein Zimmer. Ich erkannte einige Gestaltungselemente aus unserem Hotel in München wieder, in dem Toni und ich zuvor gearbeitet hatten, vor allem die natürlichlen Materialien. Und mir gefielen die hellen Farbtöne.

Unweigerlich stieß ich ein zufriedenes Seufzen aus. Das Einzimmerapartment war klein, aber sehr stilvoll eingerichtet und verfügte über alles, was man brauchte. Es gab ein großes Bett, das mit einer cremefarbenen Tagesdecke überzogen war, einen schmalen Tisch mit Stuhl und sogar eine winzige Küchenzeile. In einer Vase auf dem Schreibtisch standen frische pink blühende Bougainvilleen. Ich trat näher und roch daran. Herrlich!

Das Bad war in strahlendem Weiß gehalten, passend zum Namen des Hotels: White Sands.

Doch das wahre Schmuckstück meines Apartments war der Balkon. »O mein Gott!«, stieß ich aus und wusste gar nicht, worauf ich mich zuerst konzentrieren sollte. Auf die Hängematte, die sacht vor der gläsernen Balkonfront im Sommerwind schaukelte, oder auf die grandiose Aussicht. Ich blickte direkt auf die kleine Strandbucht. Erst beim zweiten Hinsehen erkannte ich, dass eine Standseilbahn vom Strand zum Hotel hinaufführte. Gerade für weniger mobile Personen war das mit Sicherheit eine hervorragende Option, denn die Anlage war schon recht steil in den Hang gebaut.

Auf der anderen Seite der Bucht und ebenfalls idyllisch in den Hang eingebettet wurde gerade offenbar ein neues Hotel errichtet. Die Gebäude sahen schon so gut wie fertig aus, allerdings wurde die Stille in diesem Augenblick durch das laute Geräusch von Bohrmaschinen zerschnitten. Ich verzog den Mund. Hoffentlich war der Baulärm nur von kurzer Dauer.

Küstenvögel segelten anmutig durch die Lüfte, und mein Blick erfasste die bewaldete Bergkette, die sich hinter der Bucht erstreckte. Ein wahrer Traum! Ich konnte es kaum glauben, dass ich hier wohnen und als Köchin arbeiten würde.

Wieder drang mir der intensive Duft von Pinien und Olivenbäumen in die Nase, vermengt mit dem salzigen Geruch des Meeres. Ich war so in meine Tagträumereien versunken, dass ich das Klingeln meines Handys, das irgendwo aus dem Zimmer kam, zunächst gar nicht wahrnahm. Verwirrt lief ich nach drinnen, kramte mein Handy aus der Handtasche und ging damit zurück auf den Balkon. Es war Ma.

»Hey Mama«, begrüßte ich sie.

»Hallo, mein Schatz, bist du schon im Hotel angekommen? Wie ist dein erster Eindruck? Ich hab gerade mit Toni telefoniert, und sie sagte, ihr hättet nach deiner Landung kurz miteinander gesprochen«, vernahm ich die warme Stimme meiner Mutter. Schon immer hatte sie einen beruhigenden Effekt auf mich gehabt.

»Es ist soooo schön hier, ehrlich!«, schwärmte ich und wusste gar nicht, wo ich anfangen sollte. Ich erzählte von meinen ersten Eindrücken und von den Gerüchen, als Ma mich auch schon fragte, ob ich aufgeregt wäre wegen meines ersten Arbeitstags morgen.

Ich horchte in mich hinein. Ja, ich war aufgeregt, doch gerade war es eher Vorfreude, die jegliche anderen Emotionen überdeckte. Denn ich hoffte, dass ich hier wirklich die Chance haben würde, mich weiterzuentwickeln und Neues zu lernen, sowohl über mich selbst als auch in meinem Beruf als Köchin.

»Ach, das wird schon alles, Ma«, sagte ich zuversichtlich. »Ich glaub, die Hotelküche im White Sands ist wirklich grandios. Hier kann ich bestimmt ganz viel lernen.«

»Und wer versorgt uns jetzt mit den neuesten Leckereien?«, fragte Ma scherzhaft. »Jetzt musst du dir künftig andere Testesser als deinen Vater, Toni und mich suchen.«

»Ich kann ja zwei Carepakete machen, eins schicke ich zu Toni nach Santorini und eins zu euch nach München«, lachte ich.

»So schlimm, dass wir nicht überlebensfähig wären, ist es zum Glück noch nicht«, erwiderte Ma. »Und Toni wird auf Santorini anscheinend auch bestens versorgt, vor allem von den Eltern und Großeltern ihres neuen Freundes, die eine eigene Taverne besitzen.« Die Stimme meiner Mutter kletterte ein paar Oktaven höher. Und ihre Neugierde gleich mit.

»Mama, ich werde jetzt nicht Tonis Liebesleben mit dir durchkauen.« Ich grinste.

Meine Mutter seufzte. »Hach, ich bin doch bloß so erleichtert, dass ihr beide euren Weg geht. Euer Vater und ich wollen nur, dass ihr glücklich seid. Und dass Toni ihre Angst vor Wasser angeht und sie endlich wieder mehr Nähe in ihrem Leben zulässt, erleichtert uns sehr. Es ist nur so … Jetzt seid ihr beide aus dem Haus, und das fühlt sich komisch an.«

Wärme flutete meinen Bauch, und ich verzog meine Lippen zu einem liebevollen Lächeln, auch wenn Ma das nicht sehen konnte. »Aber Toni und ich sind doch bereits länger aus dem Haus gewesen und hatten unsere eigene WG«, erinnerte ich sie sanft.

»Ja, schon …«, antwortete meine Mutter gedehnt. »Aber gerade fühlt es sich noch mehr so an, als wärt ihr richtig erwachsen. Und dass ihr uns gar nicht mehr so braucht wie früher.« Ein leises Schniefen drang durch den Hörer.

Ich drückte mein Handy noch etwas fester an mein Ohr. »Mama, weinst du etwa?«

»Nein«, schniefte meine Mutter. »Vielleicht ein bisschen, ja. Ich bin so stolz auf euch. Das habe ich Toni eben auch gesagt.«

In diesem Moment wurde mir wieder einmal bewusst, wie viel Glück ich hatte, so behütet und geliebt aufgewachsen zu sein.

»Ach Mama, jetzt fang ich auch gleich an zu weinen«, entgegnete ich mit belegter Stimme.

»Nein, das soll nicht passieren. Deine alte Mutter ist schon wieder viel zu sentimental geworden. Wir legen jetzt besser auf, Malina. Du sollst deinen ersten Tag noch so richtig genießen können, bevor morgen der Arbeitsalltag losgeht. Also, mein Schatz: Ich wünsche dir einen tollen Start auf Korfu. Dein Vater und ich haben dich ganz doll lieb, hörst du?«

»Ich hab euch auch ganz doll lieb«, antwortete ich flüsternd. Ich versprach, regelmäßig ein kleines Update in die Familiengruppe zu schicken, bevor wir auflegten.

Nachdenklich und beseelt schaute ich aufs Meer. Ich hatte die tollste Familie, die man haben konnte, auch wenn wir nicht blutsverwandt waren. Weder war Toni meine richtige Schwester noch waren Mama und Papa meine leiblichen Eltern. Und dennoch hatte ich sie niemals als etwas anderes betrachtet, und mir war auch nie das Gefühl vermittelt worden, dass ich nicht voll und ganz zur Familie gehörte.

Meine leibliche Mutter war damals noch sehr jung gewesen, als sie mich bekam. Im Alter von einem Jahr brachte mich das Jugendamt in ein Kinderheim, weil meine Mutter nicht in der Lage war, sich um mich zu kümmern. Als ich drei Jahre alt war, hatten meine Eltern mich adoptiert, und ich war Tonis Schwester geworden.

In meiner Teenagerzeit gab es dann eine Phase, in der ich mein Leben stark hinterfragte. In der ich grübelte, warum meine leibliche Mutter mich im Stich gelassen hatte und warum ihre Liebe zu mir nicht ausgereicht hatte, um den Ansporn zu haben, ihr eigenes Leben in den Griff zu bekommen.

Ich zog das verknitterte Foto aus meiner Handyhülle, das ich immer bei mir trug. Es sollte mich daran erinnern, wer ich wirklich war.

Ein Mädchen von fünfzehn Jahren blickte mir darauf entgegen, mit trotzigem und störrischem Blick, als hätte sich das ganze Leben gegen sie verschworen. Damals hatte ich mich sehr unverstanden gefühlt, hatte sogar gegen Mama und Papa rebelliert, was mir heute sehr leidtat. Starke Selbstzweifel hatten mich erfüllt, aus denen Toni mich letztendlich rausholte. Sie führte mir vor Augen, dass Familie keine Frage des Blutes war, sondern bedeutete, Menschen um sich zu haben, die einen bedingungslos liebten.

Ich strich über das zerknitterte Foto, blickte meinem jüngeren Ich entgegen – mit den kurz geschnittenen blonden Haaren und den weiten Klamotten, unter denen ich meine Weiblichkeit versteckt hatte, erinnerte ich damals eher an einen Jungen. Äußerlich betrachtet, hatte ich heute rein gar nichts mehr mit dieser Person zu tun. Aber wie es in mir drinnen aussah, ließ sich nicht ganz so leicht ändern wie ein Haarschnitt und ein Kleidungsstil.

Nein, es war ein langer Weg, auf dem man an sich selbst und seinen eigenen Zweifeln arbeiten musste. Aber wenn ich die Chance hätte, meinem fünfzehnjährigen Ich noch einmal auf dem Schulhof gegenüberzustehen, dann hätte ich der jungen Malina gerne gesagt, dass alles gut werden würde.

Heute wusste ich, dass es richtig war, nicht bei einer Frau aufgewachsen zu sein, die kaum imstande gewesen war, sich um sich selbst zu kümmern.

Ein letztes Mal betrachtete ich das Foto, bevor ich es wieder in meiner Handyhülle verstaute und mein Blick über die Balkonbrüstung in Richtung Hotelzufahrt glitt. Von hier aus hatte ich eine optimale Sicht auf die an- und abreisenden Gäste.

Gerade fuhr ein Taxi die Einfahrt hinauf. Ein älterer Mann stieg aus, bevor auf der Beifahrerseite ein junger Mann mit blondem Haar und schwarzer Sonnenbrille den Wagen verließ. Irgendetwas an ihm machte mich neugierig. Ob er wohl alleine Urlaub hier machte? Oder war seine Begleitung möglicherweise schon im Hotel?

Ich wusste nicht, ob ich der Typ dafür wäre, alleine in den Urlaub zu fliegen. Andererseits gingen auch Toni und ich entgegen unserer ursprünglichen Planung gerade getrennte Wege. Vielleicht war für manche Sachen irgendwann immer das erste Mal, und man hatte dadurch die Chance, Dinge über sich zu lernen, die man vorher selbst gar nicht erwartet hätte.

Kurz blieb mein Blick wieder an dem Kerl hängen. Er sah äußerst schick gekleidet aus, fast schon ein bisschen zu förmlich für einen Urlaub auf Korfu. Oder war er geschäftlich hier? Manchmal, wenn ich mit Toni morgens gemeinsam auf unserem kleinen Balkon in München gefrühstückt hatte, hatte ich die Menschen auf dem Gehweg unter uns beobachtet und mich gefragt, wie ihr Leben wohl aussah. Menschen faszinierten mich.

Welche Geschichte der junge Mann wohl zu erzählen hatte? Ich würde es vermutlich nie erfahren. Aber das sollte gerade auch nicht meine Sorge sein, denn ich wollte endlich die Gegend erkunden. Daher drückte ich mich schwungvoll von der Balkonbrüstung ab, wirbelte herum, wodurch sich mein Kleid in der sanften Sommerbrise aufbauschte, und lief ins Zimmer.

Neue Energie packte mich, und ich hielt zielstrebig auf meinen Koffer zu. Dabei fiel mir der Brief auf meinem Bett wieder ein, den mir der Hoteldirektor hinterlassen hatte. Ich hatte ihn beinahe vergessen. Deshalb öffnete ich jetzt schnell den Umschlag und zog das Papier daraus hervor.

Er war sogar auf Deutsch geschrieben, wie ich nach dem Auseinanderfalten feststellte. Da die Hotelkette einst von einem deutsch-griechischen Paar ins Leben gerufen worden war, war die Bedingung, dass die Führungskräfte mindestens Deutsch und Griechisch sprachen.

Liebe Frau Breuer,

herzlich willkommen im White Sands. Gern möchte ich Sie persönlich begrüßen und mit dem Hotel vertrautmachen. Bitte kommen Sie daher um 19 Uhr in meinBüro. Sie können sich sehr gern an der Hotelbar draußen am Pool auf Kosten des Hauses etwas zu essen bestellen, bestimmt sind Sie nach dem Flug hungrig. Ein frischer Cocktail wartet dort ebenfalls auf Sie.

Ich freue mich, Sie kennenzulernen.

Herzliche Grüße

Manuel Tsakiris

Was für eine nette Willkommensnachricht! Mein Plan stand fest. Ich würde erst dem Strand einen Besuch abstatten, mir danach eine Kleinigkeit an der Bar genehmigen und mich dann zu meinem Treffen mit Herrn Tsakiris begeben.

Jetzt blieb bloß die Frage: Bikini oder Badeanzug?

3. Kapitel

Ich hatte mich für einen hübschen weißen Badeanzug entschieden, der mit einem zarten Blumenmuster bedruckt und im Brustbereich mit Rüschen versehen war. Darüber trug ich ein weißes Kleid mit Puffärmeln und kleinen Erdbeeren darauf.

Ja, wenn es nach mir ging, konnte es eigentlich gar nicht verspielt genug sein. Um ehrlich zu sein, war ich anfällig für alles, was bunt oder kunstvoll gestaltet war. Wenn ich ein Vorbild nennen sollte, dann wäre es wohl Emily Cooper aus Emily in Paris. Auch wenn sie nur eine Serienfigur war, liebte ich ihren gewagten Stil und dass sie sich traute, grelle Farben miteinander zu kombinieren. Sie konnte daraus immer was Modisches machen. Auch bei Deko oder überflüssigem Schnickschnack, wie meine liebe Schwester Toni es gerne nannte, konnte es mir gar nicht bunt genug sein. In unserer Wohnung in München zählten meine Lieblingsvase – ein quietschgelbes Exemplar mit lauter angeklebten Zitronen –, meine rote Sofadecke mit pinken Herzen und ein Aufbewahrungsdöschen in Kuchenform zu meinen Schätzen.

Beschwingten Schrittes machte ich mich auf den Weg Richtung Strand. Ich genoss es, wie der Wind dabei durch mein erdbeerblondes Haar strich, das ich zu einem Messy Bun hochgebunden hatte – mit einem Haargummi, das passend zum Kleid ebenfalls mit kleinen Erdbeeren versehen war. Kaum zu glauben, wenn man meinen heutigen Look mit dem von damals zu Schulzeiten verglich. Bei dem Gedanken musste ich in mich hineinlächeln.

Ich verließ das Hotel durch den Haupteingang und entdeckte Vassilis, der sich gerade mit einem Gast unterhielt. Wenn mich nicht alles täuschte, handelte es sich dabei um den jungen Mann von zuvor. Ich erkannte ihn an seiner schicken Kleidung wieder. Leider stand er mit dem Rücken zu mir, sodass ich sein Gesicht nicht sehen konnte. Die durchtrainierten Schultern waren allerdings nicht zu verachten.

Mein Blick fiel wieder auf die blonden Wuschelhaare des Mannes. Ja, vielleicht hatte ich eine Schwäche für Kerle mit blonden Haaren. Das fing schon bei Liam Hemsworth an. Wobei – ich glaube, der Ursprung lag ganz woanders … Unweigerlich schob sich wieder der Artikel aus der GALA vor mein inneres Auge. Selbst nach all der Zeit, die vergangen war, spukte Elyas mir noch immer im Kopf herum. Ich fragte mich, wie viel an dem Artikel wohl dran war. Aber wenn ich an den Tumult neulich im Biergarten dachte, als er sich dort mit einem anderen Besucher gestritten hatte … Toni hatte noch nie viel von Elyas gehalten, und der Auftritt dort war nur eine weitere Bestätigung für sie gewesen.

War jeder Märchenprinz am Ende doch nur ein Frosch? Ich war einfach hoffnungslos romantisch. Kein Wunder, dass Bridgerton eine meiner Lieblingsserien war.

»Malina, hör auf, irgendwelchen Jugendschwärmereien nachzujagen«, schimpfte ich leise mit mir selbst. Ich sollte Elyas Liebenberger endlich aus meinem Gedächtnis verbannen. Oder noch besser: Vielleicht sollte ich generell die Finger von blonden Männern mit Wuschelhaaren und breiten Schultern lassen, dann konnte ich auch nicht so viel auf sie projizieren.

Rasch kehrte ich dem Hotelgast und Vassilis den Rücken, konnte auf dem Weg zum Strand das Bild von dem blauäugigen Jungen von damals auf dem Schulhof jedoch nicht vollständig loswerden.

Ich führte mir vor Augen, dass für mich gerade anderes zählte und ich hier auf Korfu eine einmalige Chance erhielt, die mir vielleicht die Türen in die Küchen von preisgekrönten Hotelketten und Restaurants öffnen würde. Der Gedanke half mir, mich endlich wieder auf die wirklich wichtigen Dinge in meinem Leben zu besinnen.

Vom Hotel ging rechts ein Weg ab, der mich über Kopfsteinpflaster zwischen den vereinzelten Häuschen des Hotels hindurch bis zum Strand führte. Die Bucht war nur für Hotelgäste zugänglich, und der Pfad dorthin wurde von zahlreichen farbenprächtigen Pflanzen gesäumt. Es roch, als hätte jemand zig blumige Parfüms ausgekippt, deren Duft sich nun in der Luft vermischte. Schmetterlinge in den unterschiedlichsten Farben flatterten von Blüte zu Blüte. Es war so schön anzusehen, dass ich unbedingt ein Foto davon machen musste.

Schmetterlinge waren eindeutig meine Lieblingstiere. Weil ich sie mit dem Gefühl des Sommers, mit Sonne und Leichtigkeit verband. Und genau diese Leichtigkeit war es, die mich faszinierte und mit der auch ich die Welt entdecken wollte.

Als sich das blaue Meer immer weiter in mein Sichtfeld schob, seufzte ich zufrieden. Das Meer stimmte mich einfach glücklich.

Toni und ich hatten vor unserer Abreise vereinbart, uns jeden Tag ein Foto zu einem gewissen Motto zu schicken, und die Fotochallenge hatten wir bisher konsequent durchgehalten. Das heutige Thema lautete »Reflexion«, und da sich das Licht der Sonne gerade so wunderschön in dem tiefblauen Meer brach, machte ich ein Foto davon und schickte es an Toni.

Am Strand waren fast alle Liegen belegt, doch ich ergatterte eine in zweiter Reihe mit bestem Blick aufs Meer. Ich zog mir das Kleid über den Kopf, breitete mein Handtuch auf der Liege aus und machte es mir darauf bequem. Anschließend nahm ich die Sonnencreme – Lichtschutzfaktor 50 – aus meiner Strandtasche. Ja, darunter ging bei mir nichts. Bei meiner hellen Haut würde ich sonst in zehn Minuten krebsrot aussehen. Und das wollte ich definitiv vermeiden.

Eingecremt ließ ich mich auf meine Liege sinken, während die Sonne meinen Körper wärmte. An der Bucht befand sich sogar eine Strandbar, die zum Hotel gehörte. Dort konnte man sich unter anderem Cocktails sowie Eis und Snacks für den kleinen Hunger holen. Vermutlich fanden hier hin und wieder auch Events statt.

Schon wieder drangen die verschiedensten Gerüche in meine Nase, was sofort die Zahnrädchen in meinem Kopf in Bewegung versetzte und meine Kreativität auf Hochtouren laufen ließ. Ich roch den süßen Duft einer Wassermelone und hatte sogleich einen herzhaften Snack vor Augen, bestehend aus Wassermelone, Feta und Minze.

Und während ich noch weitere Zubereitungsmöglichkeiten in meinem Kopf durchging, nickte ich darüber prompt ein.

 

Ich musste für mindestens zwei Stunden weggedöst sein, denn als ich aufwachte, war es bereits später Nachmittag, und die meisten Gäste hatten den Strand verlassen. Trotz Lichtschutzfaktor 50 hatte ich mir einen Sonnenbrand im Dekolleté geholt, wie ich mit Blick auf mein Handy entsetzt feststellte. Das war dann wohl eine Lehre für mich, beim nächsten Mal häufiger nachzucremen. Oder von vornherein im Schatten zu bleiben.

Kurz ging ich mit den Beinen ins Wasser, das kälter war als gedacht und meinem erhitzten Körper eine angenehme Abkühlung bescherte. Anschließend zog ich mein Kleid wieder über, schnappte mir Strandtuch und Tasche und machte mich auf den Rückweg zum Hotel. Vor meinem Treffen mit dem Hoteldirektor wollte ich mich umziehen.

Nachdem ich mir an der Hotelbar noch einen frischen Salat und drei herrlich angebratene, pikant gewürzte Fleischspieße einschließlich eines Erdbeershakes genehmigt hatte, war es langsam an der Zeit, meinen zukünftigen Chef kennenzulernen.

Als ich an die Tür des Hoteldirektors klopfte, wurde diese ein paar Sekunden später von innen geöffnet.

Kurz war ich überrumpelt davon, wie attraktiv und jung der Hoteldirektor war. Ich hatte ihn zuvor zwar schon auf einem Bild auf der Internetseite des Hotels gesehen, allerdings wurde ihm das Foto nicht einmal ansatzweise gerecht. Auch wenn ich eigentlich mehr auf Blond stand, musste ich mir eingestehen, dass der braunhaarige Kerl vor mir ziemlich ansprechend war.

Gleich darauf schämte ich mich für meine Gedankengänge. Herrgott, das hier war mein zukünftiger Chef! Nur weil ich ein Faible für Schmetterlinge hatte, musste ich sie ja nicht gleich im Bauch haben.

Der Direktor schenkte mir ein warmes Lächeln. »Ah, Sie müssen Malina Breuer sein«, begrüßte er mich auf Deutsch. »Manuel Tsakiris. Es freut mich sehr, Sie kennenzulernen!« Er reichte mir seine Hand, und ich erwiderte die Geste. Sein Händedruck war zwar resolut, aber es kam mir so vor, als machte er diesen Job noch nicht allzu lange. Er strahlte nicht diese Art von Autorität aus, die man nach einer längeren Berufserfahrung im Hotel hatte.

Er schloss die Tür hinter uns und deutete in den Raum hinein. »Setzen Sie sich«, bat er mich.

Ich nahm auf einem der Stühle vor seinem Schreibtisch Platz, bevor sich Manuel Tsakiris mir gegenüber setzte.

»Das mag jetzt vielleicht etwas unprofessionell wirken, aber darf ich Ihnen direkt das Du anbieten? Im White Sands geht das Team sehr familiär und ungezwungen miteinander um. Und wenn ich ehrlich bin, finde ich dieses Gesieze ganz fürchterlich.« Er lachte etwas unsicher, was mir sogleich meine eigene Nervosität nahm.

»Sehr gern. Ich bin Malina.«

»Manuel.« Er zuppelte an seiner Krawatte, die irgendwie so gar nicht zu ihm passte. Ich hatte den Eindruck, er würde sie am liebsten in den nächsten Mülleimer pfeffern.

»Hast du schon dein Zimmer in Augenschein genommen?«, erkundigte Manuel sich, woraufhin ich nickte.

»Die Aussicht ist wirklich einmalig. Und diese verschiedenen Gerüche … Mich hat direkt die Kochlust überkommen.«

»Ich muss zugeben, dass sich meine Begeisterung fürs Essen gelegt hat, seitdem ich kaum noch etwas riechen oder schmecken kann«, gestand Manuel mit wehmütigem Blick.

Erschrocken sah ich ihn an. »Du kannst nichts mehr riechen und schmecken?«

Er schüttelte den Kopf. »Vor zwei Jahren habe ich nach einer schweren Grippe meinen Geruchs- und Geschmackssinn fast vollständig verloren. Anfangs war es hart, aber mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt.«

Was für ein Albtraum! Ich wollte mir nicht einmal ausmalen, wie es sein musste, nichts mehr zu riechen oder zu schmecken. Ich stellte mir das grausam vor, wie ein Leben im Dunkeln, fernab von Farben, Emotionen und Kreativität. In meinem Fall wäre es das Ende meines Berufs. Ich konnte nicht verhindern, dass ein unbehaglicher Schauder meinen Nacken hinabrieselte und dafür sorgte, dass sich die feinen Härchen auf meinem Arm aufstellten.

Jetzt lag es an Manuel, schockiert dreinzublicken. »Um Gottes willen, wie konnte ich das ausgerechnet einer leidenschaftlichen Köchin erzählen? So, genug von mir, kommen wir viel lieber zu dir und deinem Aufenthalt hier. Übrigens … wie kommt man darauf, von München nach Korfu zu wechseln? München ist doch eine wundervolle Stadt. Ich habe ein Auslandssemester dort verbracht.«

»Echt?«, fragte ich begeistert, da ich es schön fand, jemandem gegenüberzusitzen, der so ein offenkundiger München-Fan war. Gleichzeitig fiel mir auf, dass Manuel sehr sprunghaft in seinen Themenwechseln war. »Ich liebe München auch total, vor allem im Sommer. Aber es war schon immer ein großer Traum, in die Küche anderer Länder einzutauchen. Nichts gegen ein klassisches Wiener Schnitzel, deftige Käsespätzle oder deutsche Hausmannskost im Allgemeinen, aber die griechische Küche ist so unglaublich vielfältig.«

In dem Moment vernahm ich ein lautes Hämmern, das von draußen zu kommen schien.

Manuel kniff die Augen zusammen und rieb sich über die Schläfe. Auf einmal war die Gelassenheit aus seinem Blick verschwunden, stattdessen wirkte er angespannt.

»Diese Bauarbeiten von gegenüber machen mich noch wahnsinnig«, seufzte er.

Ich zählte eins und eins zusammen. »Du meinst das Hotel, das gerade auf der anderen Seite der Bucht errichtet wird?«

»Ja, genau das.« Manuel verzog unglücklich den Mund. »Es ist schon schlimm genug, dass die Bucht dadurch weiter zugebaut und die Natur zunehmend zurückgedrängt wird. Aber jetzt befindet sich das Hotel auch noch in unmittelbarer Nähe. Und damit in direkter Konkurrenz.«

»Ja, aber wieso wurde das denn überhaupt genehmigt?«, fragte ich. »Sind die beiden Hotels nicht fast ein bisschen zu dicht beieinander?«

Der Hoteldirektor hob die Schultern. »Wir haben versucht, ein Veto gegen die Baugenehmigung einzulegen, das hat aber nichts gebracht. Korfu lebt vom Tourismus, wie auch die anderen griechischen Inseln. Der Regierung ist natürlich daran gelegen, dass so viele Touristen wie möglich auf die Insel kommen.«