Das Wiener Studentenheim - Akademikerhilfe Wien - E-Book

Das Wiener Studentenheim E-Book

Akademikerhilfe Wien

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Beschreibung

Wien ist mit rund 200.000 Studierenden eine der größten Universitätsstädte im deutschsprachigen Raum. Die Anfänge studentischen Wohnens in Wien gehen mit der Gründung der Universität Wien bis ins Jahr 1365 zurück. Für gerade einmal ca. 10% der Studierenden ist derzeit ein Platz in Studentenheimen vorhanden. Aus diesem Grund entstanden in den letzten Jahren bzw. entstehen in Wien immer mehr Angebote im studentischen (temporären) Wohnen.Auch haben sich die Anforderungen der Bewohnerinnen und Bewohner an einen Heimplatz über die Jahre verändert. Dieser ist für die meisten von ihnen für einige Jahre ihr unmittelbarer Lebensbereich. Das soziale Umfeld, die Lage im städtischen Raum, die Nähe zu Bildungseinrichtungen, die Qualität der Unterbringung und natürlich die daraus resultierenden Kosten sind zentrale Fragen, die sich Studierende und auch deren Eltern stellen.Eine Antwort auf diese Fragen ist das entwickelte "Raummodul" für "Das Wiener Studentenheim", welches sich auf Grund von Umfragen unter den Studierenden ergeben hat. Natürlich ist das Bauen und Betreiben von Studentenwohnheimen auch mit Kosten verbunden. Wie können sich daher die Gesamtkosten eines Projektes zusammensetzen, welche Themen sind im Betrieb zu beachten und sind die Bewohnerinnen und Bewohner dieser Einrichtungen mit der gebotenen Qualität zufrieden?Eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern der Akademikerhilfe, der WGA ZT GmbH und der TU Wien / Forschungsbereich Baugeschichte und Bauforschung, hat sich dieser Thematik angenommen, das gegenständliche Werk erarbeitet und herausgegeben. Es richtet sich sowohl an eine Fach- als auch allgemein kultur- und wissenschaftsinteressierte LeserInnenschaft.

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Das Wiener Studentenheim

 

Michael WagnerVerlag

 

 

© 2021 by Michael Wagner Verlag in der Universitätsverlag Wagner Ges.m.b.H.,

Erlerstraße 10, A-6020 Innsbruck

E-Mail: [email protected]

Internet: www.michael-wagner-verlag.at

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

ISBN 978-3-7107-6786-9

Herausgeber:

Akademikerhilfe Studentenunterstützungsverein AH

Pfeilgasse 3a

A-1080 Wien

WGA ZT GmbH

Bloch-Bauer-Promenade 21

A-1100 Wien

Projektleitung: Michael Wagner Verlag/Franz Kurz

Layout und Satz: Gül Özyürek

Dieses Buch erhalten Sie auch in gedruckter Form mit hochwertiger Ausstattung in Ihrer Buchhandlung oder direkt unter www.michael-wagner-verlag.at

 

 

 

 

 

 

 

Anmerkung zu gendergerechter Formulierung:

Bei allen Benennungen, die sich auf Personen beziehen, betrifft die verwendete Formulierung sowohl das weibliche als auch das männliche Geschlecht, auch wenn aus Gründen der Lesbarkeit die Männlichkeitsform verwendet wird.

Inhalt

Vorworte

1. Ein historischer Abriss des studentischen Wohnens in Wien

Marina Döring-Williams

Elisabeth Wernig

1.1 Bursen und Kodreien: Wohnformen des Wiener Studentenlebens ab 1365

1.2 Das Alte Universitätsviertel und die Jesuiten: Reformen, Umbrüche und ein erster Trend zu privaten Studentenbuden

1.3 Neustart und Experimente des kollektiven studentischen Wohnens im 19. Jahrhundert

1.4 Studentisches Wohnen im 20. Jahrhundert – Entstehung des „organisierten“ Heimwesens

1.4.1 Gründung der ersten Heimbetreiber nach dem Ersten Weltkrieg

1.4.2 Die Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs auf das Studenten- heimwesen und ein neuer Anfang in der Nachkriegszeit

1.4.3 Wirtschaftswunderzeit und Hochblüte der Studierendenheime in den 1960er Jahren

1.4.4 Bauboom ab den 1970er Jahren für steigende Studierenden- zahlen

1.5 Technische, konzeptionelle und strategische Innovationen ab 2000

1.6 Aktuelle Trends und alternative Perspektiven

2. Entwicklungen und Tendenzen im Studentenheimbau

Harald Oissner

Helena Oissner

2.1 Studentenheime in Wien – die derzeitigen Rahmenbedingungen

2.1.1 Anstieg der Studierendenzahlen und Nachfrage nach studentischem Wohnen in Wien

2.1.2 Wohnformen und -präferenzen der Studierenden

2.1.3 Novellierung des Studentenheimgesetzes 2019

2.1.4 Ökologie und Nachhaltigkeit

2.1.5 „Mixed Use“

2.1.6 Barrierefreiheit

2.1.7 Die Corona-Krise und ihre Auswirkungen

2.2 Aktuelle Studentenwohnheim-Projekte in Wien

2.2.1 Projekte gemeinnütziger Betreiber

2.2.2 Projekte privatwirtschaftlicher Betreiber

3. Planung, Gestaltung und Ausstattung von Studentenheimen

Harald Oissner

Helena Oissner

Gül Özyürek

3.1 Typologie

3.1.1 Erschließung

3.1.2 Modulare Bauweise vs. Massivbauweise

3.1.3 Neue gebaute Studentenwohnheime vs. Bauen im Bestand

3.1.4 Reine Studentenwohnheime vs. Kombinationen mit anderen Nutzungen

3.2 Was braucht es für ein zeitgemäßes Wohnheim?

3.2.1 Grundsätzliche Anforderungen

3.2.2 Stadträumliche Anforderungen

3.2.3 Räumliche bzw. infrastrukturelle Anforderungen

3.3 Die Parameter der studentischen Einheit

3.3.1 Flächenausmaß und Raumhöhe

3.3.2 Materialität der umfassenden Bauteile

3.3.3 Addierbarkeit und Multiplizierbarkeit

3.4 Technische Gebäudeausrüstung

3.4.1 Grundsätzliches: „So wenig wie möglich und so viel wie notwendig“

3.4.2 Ver- und Entsorgung

3.4.3 Heizung

3.4.4 Lüftung

3.5 Bauphysikalische Grundannahmen und Brandschutz

3.5.1 Körperschall und Luftschall

3.5.2 Brandschutz

3.6 Das „Modul“: Anforderungen an die Ausstattung und Materialität

3.6.1 Vorraum

3.6.2 Bad

3.6.3 Wohnbereich

3.6.4 Die Qualität der eingesetzten Materialien

3.6.5 Technische Ausstattung

3.6.6 Einrichtung

3.7 Das „Modul“: Die Planung

3.7.1 Grundrisse, Ansichten, Schnitte

3.7.2 Visualisierung

4. Der Betrieb des Wohnheimes für Studierende

Bernhard Tschrepitsch

Klaus Albustin

4.1 Kennzahlen

4.2 Investitionen

4.2.1 Grund-Bewertungen

4.2.2 Baukosten

4.2.3 Betriebskosten

4.2.4 Auslastungsabhängige Kosten

4.2.5 Auslastungsunabhängige Kosten

4.2.6 Finanzierung

4.3 Soziologische Aspekte

4.4 Vorgaben und Angebote des Studentenheimbetreibers für und an Bewohner

4.5 Selbstorganisation und Verantwortungsübernahme der Bewohner

4.6 Unterscheidung zu anderen Wohnformen als verschränktes Ergebnis der vorgenannten Punkte

5. Wohnen aus Sicht der Bewohnerinnen und Bewohner

5.1 Entscheidung für das Wohnen im Studentenheim

5.2 Das Wohnen im Studentenheim bedeutet für mich

5.3 Erlebnisse im Studentenheim

5.4 Was macht Wohlfühlen in deinem Zimmer aus?

5.5 Das soll mein Studentenzimmer haben …

5.6 Gemeinschaftsküche und Gemeinschaftsbad – Hindernis oder Treffpunkt?

5.7 Welcher ist dein liebster Raum im Studentenheim? Und warum?

5.8 Manchmal nervt mich …

5.9 Fazit – Meine Zeit im Studentenwohnheim

6. Zusammenfassung und Ausblick

Abbildungsverzeichnis

Vorwort

Univ.-Prof. Dr. Heinz Faßmann

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung

Die Akademikerhilfe ist ein Pionier unter den österreichischen Studentenheimbetreibern. Ihre Ära reicht bis in die Anfänge der Republik Österreich. Als das Studieren damals aufhörte, ein Privileg für wenige zu sein, boten Studentenheime Studierenden aus sozial schwächeren Bevölkerungsschichten eine unabdingbare Voraussetzung für die Absolvierung eines Studiums.

Im 21. Jahrhundert spielen die studentische Mobilität und der internationale Austausch und damit die Studentenheime eine noch wesentlich größere Rolle. Die vom Studentenheimgesetz festgelegte demokratische Einbindung der Heimbewohnerinnen und -bewohner bietet – parallel zur akademischen Ausbildung – einen guten Lernprozess für junge Menschen. Durch die jüngste Novelle des Studentenheimgesetzes, die in meine Amtszeit gefallen ist, sind die Rahmenbedingungen für das Leben im Studentenheim noch verbessert worden.

Mein Dank gilt der Akademikerhilfe mit allen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die über ein volles Jahrhundert einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet haben, dass junge Menschen in Österreich ihren Studienwunsch realisieren konnten. Als Wissenschaftsminister freut es mich, dass dieses runde Jubiläum zum Anlass genommen wurde, sich wissenschaftlich mit der Thematik des studentischen Wohnens quer durch die Zeit auseinanderzusetzen. Damit liegt ein Standardwerk vor, das ein bisher wenig beleuchtetes Kapitel der Bildungsgeschichte untersucht.

Hofrat Dr. Christian Sonnweber

Obmann der Akademikerhilfe

Studentenheimbauten sind Entscheidungen für Generationen. Bauten, die heute realisiert werden, definieren Wohnformen für Jahrzehnte. Mehrere Generationen von Studentinnen und Studenten werden während ihrer gesamten Ausbildung in Räumen wohnen, die heute errichtet werden. Der Akademikerhilfe ist es in den letzten 100 Jahren gelungen, die richtige Bauentwicklung vorwegzunehmen und Studentenheime für die Zukunft zu bauen.

Die Akademikerhilfe als größter Studentenheimträger Österreichs ist in allen Universitätsstädten vertreten und betreibt 39 Studentenheime mit österreichweit ca. 5.000 Heimplätzen. Neben dem Anspruch, modernes Wohnen in einem studentengerechten Umfeld anzubieten, ist es der Akademikerhilfe seit ihrer Gründung ein Anliegen, jungen Menschen auch ein gutes soziales Umfeld zu bieten, wo Eigenengagement, Übernahme von Verantwortung und Unterstützung beim Studium herkunftsunabhängig ermöglicht und gefördert wird.

Nicht selten wohnt bereits die dritte oder vierte Generation von Studierenden derselben Familie in unseren Häusern und natürlich schätzen auch viele andere Studierende die Vorzüge der Heime der Akademikerhilfe. So wird wohl jeder, der hier wohnt oder einmal gewohnt hat, bestätigen: „In einem Studentenheim zu wohnen ist mehr, als einfach einen Platz zur Verfügung gestellt zu bekommen!“

Anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums der Akademikerhilfe sollen daher im vorliegenden Buch neben historischen Darstellungen und architektonischen Beschreibungen auch soziale Aspekte des Studentenheimlebens und betriebliche Notwendigkeiten dargestellt werden. Vielleicht wird sich dieses Buch bald als Standardwerk etabliert haben. Die Autorinnen und Autoren sowie die Akademikerhilfe würden sich freuen!

Univ.-Prof. Dr.-Ing. M.A. Marina Döring-Williams

TU Wien, Leitung Forschungsbereich Baugeschichte und Bauforschung

Arch. Dipl.-Ing. Elisabeth Wernig

TU Wien, Projektassistentin Forschungsbereich Baugeschichte und Bauforschung

Seit mehr als zehn Jahren ist die Erforschung des studentischen Wohnens in Wien aus bauhistorischer Perspektive ein fixer Forschungsschwerpunkt am Fachgebiet Baugeschichte und Bauforschung der TU Wien. Das Themengebiet „Studentische Unterkünfte“ erwies sich dabei als extrem komplex, ist seine (Bau)-Geschichte doch auf vielfältige Weise nicht nur Spiegel architektonischer und städtebaulicher, sondern nicht zuletzt auch sozial- und wirtschaftspolitischer Entwicklungen. Gerade die kollektiven Wohnformen waren und sind Indikatoren für den Wandel der Bedürfnisse und Ansprüche der Studierenden im Kontext aktueller (Hochschul-)Politik und damit auch generell der gesellschaftlichen Veränderungen im Laufe der Zeit. Gerade im aktuellen Baugeschehen zeigt sich daher das Konzipieren adäquater Unterkünfte in Studierendenheimen als Bauaufgabe mit höchster Relevanz – und Brisanz. Seitdem Wien Universitätsstadt ist, also bereits seit rund 650 Jahren, werden studentische Unterkünfte durch unterschiedliche Formen des kollektiven Wohnens bestimmt. Dazu zählen die Bursen des Mittelalters, die kirchlich organisierten Einrichtungen der Frühen Neuzeit, aber bereits ab Ende des 19. Jahrhunderts auch bahnbrechende Pionierprojekte als Wegbereiter des modernen Studierendenheimbaus. Unter dem Druck drängender Wohnungsnot und dringenden Bedarfs an leistbarem Wohnraum gerade von Seiten der Studierenden formierten sich in Wien in der Zwischenkriegszeit schließlich erste, zunächst vorwiegend politisch motivierte Vereine für das organisierte Bauen von Heimarchitektur.

Zu diesen, die Institutionalisierung des Studierendenheimbauwesens grundlegend mitprägenden Heimträgern, gehört auch die Akademikerhilfe, die heuer ihr 100jähriges Bestandsjubiläum feiert. Ein willkommener Anlass, im Kontext einer allgemeinen Zusammenfassung der bauhistorischen Entwicklung des studentischen Wohnens in Wien eine Retrospektive besonders der letzten 100-

Jahre „Studierendenheimbau“ vorzulegen. Nicht zuletzt dank der vielen Schätze in Form wertvoller Dokumente über Bauten und Architekten im sehr gut ausgestatteten Archiv der Akademikerhilfe wurde die umfassende Rekonstruktion der baulichen Aktivitäten eines ganzen Jahrhunderts ermöglicht. Hervorgehoben sind in der Betrachtung ausgewählte Wiener Pionierbauten, Wegbereiter in Typologie und Nutzung, aber auch die Konzeptionen der jüngeren und jüngsten Studierendenheim-Projekte.

Der Forschungsbereich Baugeschichte und Bauforschung der TU Wien dankt den Verantwortlichen der Akademikerhilfe für die langjährige Unterstützung der Forschungsaktivitäten zum „Wiener Wohnen für Studierende“ und des vorliegenden Beitrags als Startschuss für weitere Publikationen im Themenbereich sowie für das gemeinsame Herantasten an erstes research-build (forschungsbegleitetes Planen und Bauen) in Forschung, Lehre und Praxis. Wir freuen uns auf weiteres Forschen, Diskutieren, Planen und auf das Umsetzen gemeinsam entwickelter Ideen!

Arch. Dipl.-Ing. Harald Oissner

WGA ZT GmbH, Geschäftsführender Gesellschafter

Das Planen und Bauen für junge Menschen, welche in der Regel zum ersten Mal das Elternhaus verlassen haben und in einer für sie neuen Umgebung wohnen und studieren dürfen, stellt eine besonders spannende Aufgabe dar.

Gerade auf diesem Gebiet stellt die Akademikerhilfe seit 100 Jahren ein besonderes Angebot zur Verfügung und hat auf diesem Weg viele junge Menschen auf ihrem Weg durch ein Studium begleitet.

Das studentische Wohnen stellt viel mehr dar, als die bloße Unterbringung von Studierenden. Hier ist auch ganz besonders die soziale Komponente hervorzuheben. Das gemeinsame Leben und Studieren unter einem Dach stellt wichtige Weichenstellungen auch für das zukünftige Berufsleben. Gerade die soziale Kompetenz ist in der heutigen Zeit wichtiger denn je.

Wir, als WGA ZT GmbH, sind eines der größten Architektur- und Generalplanungsunternehmen in Österreich und haben uns in den letzten Jahren und Jahrzehnten unseres Bestehens sehr intensiv mit dem Thema des studentischen temporären Wohnens befasst. Ebenso durften wir die Akademikerhilfe bei verschiedenen Projekten mit unseren Kernkompetenzen begleiten.

Es freut mich daher umso mehr, dass wir jetzt auch gemeinsam ein Werk entwickelt haben, welches die grundsätzlichen Themen rund um das Planen, Bauen und Betreiben von Wohnheimen für Studierende untersucht und abbildet.

1 Ein historischer Abriss des studentischen Wohnens in Wien

Mit der Gründung der ersten Universität in Wien vor mehr als 600 Jahren begann auch das studentische Leben und Wohnen in Wien. Die Strukturen der studentischen Unterkünfte veränderten sich im Laufe der Jahrhunderte ständig und mussten auf wechselnde gesellschaftspolitische, aber auch auf infrastrukturell bedingte und bauliche Entwicklungen reagieren. Das Leben junger Leute in der zukunftsentscheidenden Phase zwischen Schulzeit und Beruf pendelt zwischen den Polen Kollektivität und Individualität, und auch beim Wohnen dreht es sich zwangsläufig um ein ausgewogenes Verhältnis von privatem Raum und Gemeinschaftsanteil. Gemeinsam ist allen Formen des kollektiven studentischen Wohnens, dass es sich um „temporäres Wohnen“ und dadurch auch immer um ein Experiment des Miteinanders handelt, von dem aus sich Funktionen, Nutzungsmöglichkeiten, Bedarf und Bedürfnisse entwickeln.

Seit jeher ist studentisches Wohnen von der Verfügbarkeit erschwinglicher Unterkünfte bestimmt. Mit der Ankunft in der Universitätsstadt und in den noch ungewohnten Lebensumständen des Studiums beginnt die Suche nach einem „Daheim“ in der Fremde. Das soll aber nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern möglichst auch ein unterstützendes soziales Umfeld bieten. In Hochmittelalter und Früher Neuzeit wurde das sowohl von kirchlichen Einrichtungen als auch von einzelnen Unterrichts- und Wohngemeinschaften wie den Bursen geboten. Erst am Ende des 19. Jahrhunderts sollten neue autarke Bau- und Funktionstypen des kollektiven studentischen Wohnens entstehen und sich allmählich aus den systemischen Abhängigkeiten von Kirche und Hochschule lösen. Sie wurden konzeptionell und baulich schließlich zu den Vorreitern der heutigen Studierendenheime.

1.1 Bursen und Kodreien: Wohnformen des Wiener Studentenlebens ab 1365

Mit der Stiftung der Universität Wien, der Alma Mater Rudolphina Vindobonensis – 1365 durch Rudolf den IV. prominent platziert im 1. Bezirk zwischen Singerstraße und Fleischmarkt, dem heutigen „Alten Universitätsviertel“ – entstanden zeitgleich auch die ersten studentischen Unterkünfte. Wie das 1384 unter Albrecht dem III. gegründete Herzogskolleg „Collegium ducale” wurden in unmittelbarer Nähe der Bildungsstätten entsprechende Studentenhäuser eingerichtet. Dabei handelte es sich üblicherweise um die so genannten Bursen bzw. Kodreien oder Koderien. „Bursa“ stand einerseits für den Betrag, den man wöchentlich für Kost und Logie und vertieften Unterricht entrichten musste, wurde aber schnell auch zum Synonym der Studentenhäuser selbst. Die Hörer an der Universität waren zu dieser Zeit verpflichtet, sich in diesen an die Hochschulen gebundenen Institutionen einzuquartieren, wobei die schlechter ausgestatteten Kodreien den weniger finanzkräftigen

Studenten offenstanden. Nur auf Genehmigung konnte man sich in Privatunterkünfte einmieten und sich damit auch der Aufsicht entziehen – Vorzüge, die aber nur von den wohlhabenden Studenten genutzt werden konnten. Viele Bursen entstanden aus Stiftungen. Die Stifter stellten dann nicht nur die Unterkünfte selbst zur Verfügung, sondern kamen in Form einer Art Stipendium auch für die Kosten der aufgenommenen Studenten auf – ein wichtiger Schritt für das Durchbrechen starrer sozialer Grenzen durch Bildung.

Abb.1: Mittelalterliche Bursen in Wien und das Collegium Ducale (Ausschnitt Vogelschau von Josef Hoefnagl 1609)

Einen ausgewiesenen Bautyp „Burse” gab es nicht, vielmehr fanden die Studentenhäuser Raum in Bürgerhäusern in Universitätsnähe, wo individuell geeignete Wohn- und Arbeitsräume angemietet wurden. Die Organisation oblag „Magistern”, die als Konventoren für die wirtschaftlichen, aber auch disziplinaren Belange in den „Unternehmerbursen“ verantwortlich waren.1 Sie unterstanden prinzipiell der jeweils zugeordneten Universität, die einen eigenen Rechtsstatus besaß, und semesterweise standen Kontrollen durch den Dekan an. „Das Bursenleben folgte einem strengen Ablauf. Tagwache war im Morgengrauen. Begonnen wurde mit einem Morgengebet (…). Anschließend besuchte man die Frühmesse und um sechs Uhr war die erste Vorlesung angesetzt”, so beschreibt Uta Tschernuth das Leben der Studenten im 15. Jahrhundert.2 Gegessen wurde an einem gemeinsamen Tisch, die Unterhaltung fand als Vorbereitung zum Unterricht in lateinischer Sprache statt. Einen kleinen Eindruck in das k-"arge Wohnen“ gibt Werner Klose: „Die Schlafstuben waren üblicherweise nicht heizbar, nur die großen Räume, die zugleich als Studier- und Speisesaal herhalten mußten, wurden im Winter geheizt” 3

Die starren Regeln waren wohl der Tatsache geschuldet, dass sich die ersten Universitäten in Mitteleuropa aus den Klosterschulen entwickeltet hatten. Zu Beginn rekrutierte sich der Lehrkörper mehrheitlich aus Angehörigen des Klerus. Die Studentenschaft kam vorwiegend entweder ebenfalls aus einem kirchlich organisierten Kontext oder aber aus dem städtischen Bürgertum. Immerhin ein Viertel der ersten Scholaren entstammte dem Kleinbürgertum und Arbeiterstand, lediglich ein Prozent dem Adel. Überdies fand auch ein Teil der gymnasialen Bildung an den Hochschulen statt, wodurch auch erst 14- bis 16-Jährige inskribiert waren. Ein Umstand, dem wohl ein zusätzliches Maß an Verantwortung und in der Folge an Ordnung und Aufsicht geschuldet war.4 Trotz der strengen Reglements boten die Bursen aber neben Erziehung und Bildung in sehr komplexer Weise auch Obhut, denn für die von ihren Familien getrennten jungen Menschen bedeuteten sie gleichzeitig wirtschaftliche und rechtliche Sicherheit sowie sozialen Zusammenhalt.5 Zu Beginn des 15. Jahrhunderts gab es wohl bereits um die 4000 Scholaren an der Wiener Universität. Die Anzahl an Bursen und Kodreien variierte dabei stark. 1413 erreichten sie ihren Höchststand mit 29 überlieferten Studentenhäusern.6

1.2 Das Alte Universitätsviertel und die Jesuiten: Reformen, Umbrüche und ein erster Trend zu privaten Studentenbuden

Abb.2: Der Universitätsplatz mit Jesuitenkirche in Wien (Gemälde von Bernardo Bellotto Mitte des 18. Jhds.)

Mit der reformatio nova 1554 unter Ferdinand I. begann sich das Wesen der bisher klerikalen Universitätsstruktur immer mehr den staatlichen Bedürfnissen unterzuordnen. Damit begann auch die Zunahme adeliger Studenten an den Universitäten. Die neuen Bildungsideale des Humanismus forcierten zusätzlich die Auflösung des „Bursenzwangs” in Wien und damit die individuelle Anmietung privater „Buden”. Im 17. Jahrhundert änderten sich schließlich Wesen und Organisation der Universität nochmals gravierend. Auslöser war die 1623 unter Kaiser Ferdinand II. durchgeführte Vereinigung von Universität und Ordenskolleg der 1551 nach Wien gekommenen Jesuiten. Die Konsequenz daraus war ein regelrechter Bauboom, im Zuge dessen in den folgenden Jahrzehnten das „Alte Universitätsviertel“ fast gänzlich durch die Neubauten der Jesuiten, dem „Collegium Academicum” ersetzt wurde. Herzstück dieses barocken „Campus” war eine neue Kirche, die den Jesuitenheiligen Ignatius von Loyola und Franz Xaver geweiht war – die heutige Universitätskirche am Dr.-Ignaz-Seipel-Platz.7

Auch die Jesuiten hatten zwar die Auflösung der Bursen und Codreien zunächst gezielt vorangetrieben, gleichzeitig boten sie aber einem Teil der ärmeren Studenten Ersatz in ihren eigenen Konvikten im neuen „Collegium Academicum”. Diese dienten jetzt wieder als kirchlich organisierte Unterkünfte und kosteten nur etwa die Hälfte einer Bude in einem der Bürgerhäuser.8 Allerdings ging auch dieses preisgünstige Wohnangebot spätestens mit der Auflösung und schließlich der Aufhebung des Ordens der Gesellschaft Jesu 1773 wieder verloren.

Mit dem zunehmenden Andrang des Adels an die Universitäten im 18. Jahrhundert, unterstützt durch die Reformen Kaiserin Maria Theresias zur Förderung eines Studiums, dessen Wissenschaft und Lehre in erster Linie der Öffentlichkeit und dem Staatswohl verpflichtet war, veränderte sich auch die soziale Struktur der Studierenden. Dieser Wandel spiegelt sich in einem Dekret zur Berechtigung von Professoren, Studenten aus hohem Adelsstand privat zu unterrichten, um Ihnen den Besuch der Universitätsgebäude zu erlassen, von 1756 wider. Während der vermögende Adel samt Personal ganze Etagen oder eigene Häuser bewohnte, setzte sich mit dem Verschwinden des Bursentums auch bei den „Bürgerburschen“ die private Untermiete in den Studentenbuden endgültig durch. Ganz im Sinne der Aufklärung und dem damit einhergehenden aufkeimenden Individualismus hätte das kollektive Wohnen hier vorerst fast sein Ende gefunden. 9

Die neu gewonnene Individualität hatte aber auch ihre Kehrseiten, wie Ernst Haider 1979 im Zuge einer sozialwissenschaftlichen Analyse beschreibt: „Verschläge auf Dachböden, Kellerräume und Kammern mit Lehm- oder Ziegelboden gehörten hinfort bis in die jüngste Vergangenheit zum Alltag des minder Begüterten. Jedenfalls dürfen wir annehmen, daß die lange Fortdauer des Studentenbettelns in Wien mit dem Wohnungselend der studierenden Jugend zusammenhing.” Die erste Blütezeit dieser „Institution“ sei, so beschreibt Ernst Haider die Lebenssituation der Studenten weiter, in die Zeit gefallen, nachdem die Bursen als Studentenheime eingegangen waren. Allerdings sei bereits für das Jahr 1582 ein erstes Verbot von „Betteln und Singen” der Studenten belegt: „Es mußte aber von der niederösterreichischen Regierung bis weit ins 18. Jahrhundert hinein ständig wiederholt werden. Noch um die Mitte des Jahrhunderts der Aufklärung stellten die Rektoren bzw. ihre Pedelle Bettelzeugnisse für arme Studenten aus. Dadurch bekam der Bettelstudent das Recht, Armenausspeisungen zu erhalten und die Erlaubnis, in Haushöfen geistliche Lieder zu singen. Weiters durfte er, bis er Unterstand gefunden hatte, drei Nächte in der Vorhalle der Universität auf Stroh schlafen.“ 10

1.3 Neustart und Experimente des kollektiven studentischen Wohnens im 19. Jahrhundert

Auch das 19. Jahrhundert war geprägt von politischen und gesellschaftlichen Umbrüchen, die direkte Auswirkungen auf das Universitätswesen und indirekt auch auf die studentische Wohnsituation hatten. Aufgrund der Reformen Maria Theresias und Josephs II. war die Wiener Universität immer weniger Ort der wissenschaftlichen Forschung, sondern war vielmehr zur Kaderschmiede für Staatsbedienstete geworden.11 Auch noch unter Kaiser Franz I., vor dem Hintergrund der „Jakobinerverschwörung”, der Napoleonischen Kriege, des Staatsbankrotts 1811 und den Ereignissen um den Wiener Kongress hatte der „Vormärz” zu rein obrigkeitsgeleiteten, zensurbestimmten Universitäten geführt, deren Professorenbestellung, Lehrpläne, Vorlesungsinhalte und Unterrichtsmaterial staatlich kontrolliert wurden. Gegen diese restaurativen und konservativen Tendenzen entwickelte sich immer größerer Widerstand sowohl von Seiten der Lehrenden als auch der Studierenden.12 Letztendlich gehörten sie zu den treibenden Kräften der Märzrevolution 1848 in Wien. Bereits am 12. März des Revolutionsjahres wurde eine Studentenpetition vorgelegt, die die Basis für umwälzende Reformen im gesamten Unterrichts-, Bildungs- und Wissenschaftswesen in Österreich auf dem Prinzip der Lehr- und Lernfreiheit liefern, und damit gleichzeitig den Grundstein für moderne Lehr- und Forschungsuniversitäten legen sollten.13 Dass es tatsächlich gelang, diese liberalen Neuerungen in der anbrechenden Ära des Neoabsolutismus auch politisch umzusetzen, ist dem „Provisorischen Gesetz über die Organisation der akademischen Behörden“ des damaligen Unterrichtsministers Leo Graf Thun-Hohensteins von 1849 zu verdanken, abgelöst 1873 vom „Organisationsgesetz für die österreichischen Universitäten” als nun wirkliche Ordinarienuniversitäten.14

Damit konnte sich, parallel zur beginnenden Auflösung der Universität als umfassend regulierende Institution, wieder kollektives Bewusstsein entwickeln. Diese Tendenz manifestierte sich im Laufe des 19. Jahrhunderts allerdings auch in Form von Studentenverbindungen: „Jetzt schufen sich die Akademiker ihre „zunftmäßigen“ Kammern, die Studenten ihre farbentragenden Korporationen als „Ersatz für das verlorene akademische Dach.“ 15 Die Verbindungshäuser der verschiedenen Korporationen dienten zunächst nur der Versammlung, abgehalten etwa in den hausinterne Kneipschenken. Um das Recht des Wohnens wurden die Häuser je nach finanziellen und räumlichen Möglichkeiten allmählich erweitert. Ihre Bedeutung blieb allerdings weit hinter der z.B. in Deutschland zurück16, sind doch in Österreich am Ende des 19. Jahrhunderts lediglich fünf Korporationshäuser belegt. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts gründen sich vermehrt Verbindungen, welche zum Teil auch Wohnraum zur Verfügung stellten. Die Anzahl an Schlafplätzen blieb im Verhältnis zu anderen Wohnmöglichkeiten aber gering. Wie Ernst Haider 1979 beschreibt, wohnte die Mehrheit der Studierenden, sofern nicht im eigenen Elternhaus, als Untermieter, Bettgeher oder „privat in einer eigenen Bude”17, die man sich in etwa so vorstellen musste: