Deathly Obsession - Kate Dark - E-Book
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Deathly Obsession E-Book

Kate Dark

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Beschreibung

Ihre Leidenschaft wird zum Verhängnis. Denn sie gehört nur ihm.
Die spannende Dark Romance voller dunkler Sinnlichkeit

Ein Mörder, der sich kaltblütig an Prostituierten vergeht, hält die Kleinstadt Blackwood in Atem. FBI-Agent Lucas wird auf den grauenvollen Fall in seiner alten Heimat angesetzt. Als er vor Jahren mit einem gebrochenen Herzen der Stadt den Rücken kehrte, hat er jedoch nicht damit gerechnet, undercover zurückzukehren und ausgerechnet der Frau zu begegnen, die ihn damals tief verletzt hat.

Sadie kämpft gegen die Angst: Dinge verschwinden, Türen sind nicht verschlossen und nachts kommt jemand in ihr Haus. Dann taucht auch noch Lucas auf, der ihr einst das Herz brach. Als sie aufeinandertreffen, flammen die leidenschaftlichen Gefühle wieder auf. Aber je näher sie sich kommen, desto gefährlicher wird es: Jemand hat es auf sie abgesehen und sie merken, dass damals nichts war wie es schien …

Dies ist eine überarbeitete Neuauflage des bereits 2019 erschienen Titels Blackwood Obsession – Du bist mein.

Erste Leser:innenstimmen
„Der Liebesroman hat mich von Anfang an gefesselt!“
„Lucas und Sadie sind mysteriöse Charaktere, die mich nicht mehr losgelassen haben.“
„Spannend, düster und sexy … Ich bin sprachlos.“
„Das war mein erster Romantic Suspense Roman von Kate Dark, aber sicher nicht der letzte!“

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Seitenzahl: 562

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Über dieses E-Book

Ein Mörder, der sich kaltblütig an Prostituierten vergeht, hält die Kleinstadt Blackwood in Atem. FBI-Agent Lucas wird auf den grauenvollen Fall in seiner alten Heimat angesetzt. Als er vor Jahren mit einem gebrochenen Herzen der Stadt den Rücken kehrte, hat er jedoch nicht damit gerechnet, undercover zurückzukehren und ausgerechnet der Frau zu begegnen, die ihn damals tief verletzt hat.

Sadie kämpft gegen die Angst: Dinge verschwinden, Türen sind nicht verschlossen und nachts kommt jemand in ihr Haus. Dann taucht auch noch Lucas auf, der ihr einst das Herz brach. Als sie aufeinandertreffen, flammen die leidenschaftlichen Gefühle wieder auf. Aber je näher sie sich kommen, desto gefährlicher wird es: Jemand hat es auf sie abgesehen und sie merken, dass damals nichts war wie es schien …

Dies ist eine überarbeitete Neuauflage des bereits 2019 erschienen Titels Blackwood Obsession – Du bist mein.

Impressum

Überarbeitete Neuausgabe Januar 2023

Copyright © 2023 dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Made in Stuttgart with ♥ Alle Rechte vorbehalten

E-Book-ISBN: 978-3-98778-154-4 Taschenbuch-ISBN: 978-3-98778-252-7

Copyright © 2019, dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Dies ist eine überarbeitete Neuausgabe des bereits 2019 bei dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH erschienenen Titels Blackwood Obsession. (ISBN: 978-3-96087-796-7).

Covergestaltung: Anne Gebhardt unter Verwendung von Motiven von stock.adobe.com: © Serazetdinov, © milosz_g, © scenery1, © Volodymyr Lektorat: Nadine Buranaseda, typo18, Bornheim

E-Book-Version 07.11.2023, 09:25:54.

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.

Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

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Deathly Obsession

Vorwort

Deathly Obsession wird immer etwas ganz Besonderes für mich sein. Das erste fertiggestellte Projekt. Die erste Veröffentlichung. Der erste Schritt in Richtung Buchwelt. Umso mehr freue ich mich, dass es zu dieser wundervollen Geschichte um Sadie und Lucas eine Neuauflage gibt.

Ich liebe das Genre Dark Romance mit all seinen düsteren Facetten, den grenzwürdigen Moralvorstellungen und der bedingungslosen Liebe. Düster – sinnlich – fesselnd – begib dich gemeinsam mit mir auf die Reise in eine Welt der menschlichen Abgründe, voller Leidenschaft und Spannung.

Prolog

Blackwoods Straßen lagen einsam und verlassen vor ihm. Die Laternen hatten ihren Dienst um Mitternacht eingestellt, und kein Mondlicht erleichterte die Sicht im Dunkeln. Ausgezeichnet. Keine neugierigen Nachbarn, die ihm dabei zusahen, wie er den Ort verließ. Es war Herbst, die Touristen und die meisten reichen Einheimischen wohnten lediglich im Sommer hier. Umso besser für ihn. Er wollte keineswegs auffallen und agierte immer im Hintergrund, beobachtete aus der Ferne und stellte sich vor, wie es wäre, sie endlich an seiner Seite zu haben.

Er bog nach links ab und verließ seinen Heimatort Blackwood in Richtung Norden. Nebelschwaden zogen über den Boden der abgeernteten Weizenfelder zu beiden Seiten der Allee. Er trat das Gaspedal durch und raste die in die Jahre gekommene Straße entlang.

Sein Ziel lag etwa zwei Stunden entfernt. Dort kannte ihn niemand. Vor ein paar Tagen hatte er die kleine Stadt ausgekundschaftet. Sie war die einzige in der Nähe, die ein Bordell hatte, und lag dazu in einem anderen Bundesstaat. Alle anderen Orte waren zu weit weg. Ansonsten blieb ihm nur der Straßenstrich. Doch die Frauen waren vorsichtig geworden. Er hatte Fehler begangen, die nicht rückgängig zu machen waren. Zum Glück war er aus dem Schaden klug geworden und veränderte nun jedes Mal sein Äußeres, suchte seltener die Frauen dieser Etablissements auf, achtete darauf, niemals dieselbe zu buchen.

Das war seine letzte Chance, seine Bedürfnisse zu stillen. Er musste sich zurückhalten. Sonst würde das Gleiche passieren wie vor zehn Jahren, und das konnte er nicht zulassen. Nicht, solange er sein Ziel nicht erreicht hatte. Aber diese Erfahrung … Seine Hände umfassten das Lenkrad fester. Er ermahnte sich zur Ruhe, seine Zeit würde kommen.

Er parkte den Wagen auf dem Parkplatz vor dem unscheinbaren grauen Betonklotz, in dem sich das Bordell befand. In den meisten Zimmern brannte Licht. Er betrat das Gebäude. Sofort hüllten ihn verschiedene Gerüche nach süßem Parfüm, aufdringlichem Schweiß und Alkohol ein. Dezente Musik quoll aus versteckten Lautsprechern. Überall saßen Männer mit Frauen auf ihren Schößen. Sein Herz raste. Er schluckte und wischte sich die feuchten Handflächen an der Hose ab. Er fühlte sich beobachtet und senkte den Kopf. Seine Schritte beschleunigten sich.

„Bist du frei?“, fragte er eine Schwarzhaarige mit großen Brüsten, als er im hinteren Teil angelangt war. Ihr kurviger Körper steckte in Lederklamotten. Sie machte auf ihn den Eindruck, als könnte sie Schmerzen ab – herablassender Blick, selbstbewusstes Auftreten. Und sie hatte wenig Ähnlichkeit mit dem eigentlichen Objekt seiner Begierde.

Sadie Snow.

Allein der Gedanke an sie ließ ihn hart werden wie Stahl. Aber er durfte sie nicht haben. Noch nicht.

Der abschätzende Blick der Hure glitt über ihn, und sie verzog die aufgespritzten roten Lippen zu einem aufgesetzten Lächeln. „Klar, komm mit.“

Zehn Minuten später stellte sich heraus, dass sie nicht so viel Schmerz aushielt, wie er angenommen hatte, denn ihr heiseres Stöhnen klang eher gequält als lustvoll. Es machte ihn unglaublich an. Das recht ansehnliche Gesicht konnte er nur zu Teilen sehen, weil er sie mit der Hand am Nacken auf die Matratze drückte, während er sie hart von hinten fickte. Sie war bewegungsunfähig, genau wie er es brauchte. Immer wieder klatschte seine andere Hand kraftvoll auf ihren Arsch, der bereits in den schönsten Rottönen schillerte. Er musste sich zügeln, durfte seine dunkle Seite nicht die Oberhand gewinnen lassen.

Es hatte wenig mit Lust zu tun, jedenfalls nicht für sie.

Der Befehl kam schnell und unerwartet: Drück zu!

Plötzlich lagen seine Hände um den schlanken Hals der Frau. Unter den Fingerspitzen spürte er ihren Kehlkopf. Er spürte die Wirbel, die den Übergang zwischen Hals und Rücken bildeten. Er spürte ihren Puls, der unnatürlich schnell zu schlagen schien. Sein Schwanz wurde noch härter in ihr.

Fester!

Sie gab gurgelnde Laute von sich, versuchte, sich von ihm zu lösen, während er weiterhin hart und schnell in sie stieß und seine Hände immer fester um ihren Hals legte. Seine Sicht verschwamm, und er schloss selig für einen winzigen Moment die Augen. Er bestand nur noch aus dem einen Gefühl, das seine Gier bestimmte. Er fühlte sich gut. Stark. Männlich. Es war, als würde jegliche Energie in seinem Körper freigesetzt werden. Adrenalin rauschte durch seine Adern. Wie hatte er dieses Gefühl vermisst!

„Keine Luft“, japste die Hure angestrengt und schlug mit den Armen um sich.

Ich hätte sie fesseln sollen.

Sie kratzte ihn am Arm. Ihre Kräfte ließen langsam nach. Die Euphorie fiel von ihm ab. Tief durchatmend zwang er sich, ruhiger zu werden. Langsam löste er jeden Finger einzeln von ihrem Hals, um das Gefühl weiter voll auszukosten. Ihn überkam Besitzerstolz, als er die roten Male sah.

Es war zwar weniger befriedigend für ihn, weil er es nicht zu Ende bringen konnte, aber dafür hatte er die Möglichkeit eines weiteren Besuchs. Vielleicht bereits morgen.

Nein, nicht so früh wieder. Das ist zu auffällig.

Er musste sich mäßigen und durfte es nicht übertreiben.

Wer sollte es bemerken?, fragte die höhnische Stimme in seinem Kopf. Du änderst ja jedes Mal deine Optik!

„Perverser Freak!“, kam es erstickt von der Matratze und holte ihn aus seinem inneren Monolog.

Er erstarrte, bevor er sich weiter bewegte. Der Drang zu töten drohte, ihn zu überfluten. Er schüttelte den Kopf, musste ihn freibekommen.

Ein letztes Mal stieß er in sie. Früher hätte er das Gefühl seines Höhepunkts genossen. Wie der Saft aus ihm herausschoss und das Kondom füllte. Doch heute? Er war gekommen, nur ohne Sperma. Das machte ihn wütend. Er zog das leere Kondom ab und steckte es in die Hosentasche. Es war Zeit zu gehen. Wieder fing sein Herz zu rasen an. Achtlos warf er ein paar Geldscheine auf das Bett und verließ, ihre Beleidigungen und Flüche ignorierend, das Zimmer.

Erst im Auto fand er wieder zu sich selbst. Seine Hände krampften sich ums Lenkrad. Die Fingernägel hinterließen dabei kleine Halbmonde in den Handflächen.

Kann nicht atmen.

Wie von selbst betätigte er den Schalter für das Autofenster. Kühle Oktoberluft schlug ihm ins Gesicht und brachte ihn halbwegs zur Besinnung.

„Schon besser“, murmelte er und schoss rückwärts aus der Parklücke.

Die Fahrt zurück nach Hause half ihm, wieder klare Gedanken zu fassen. Beinahe wäre er rückfällig geworden. Aber er hatte sich selbst besiegt. Er entspannte sich, schaltete das Radio ein und drosselte die Geschwindigkeit, während er an Sadie Snows Villa vorbeifuhr. Im Erdgeschoss flackerte das Licht eines Fernsehers, ansonsten war es dunkel. Er leckte sich die Lippen.

Bald!

Kapitel 1

Gerade mal Mitternacht. Sadie Snow brauchte schleunigst einen anständigen Drink und etwas Ablenkung, um nicht allein mit ihren Gedanken zu sein und dem ständigen Grübeln zu entkommen. Dafür kam in Blackwood nur ein Ort infrage.

Sadie ignorierte die Menschenschlange vor dem Black’s, ging direkt zum Eingang und nach einem knappen Nicken des Türstehers einfach hinein. Der Klub war der einzige, den Blackwood zu bieten hatte, demzufolge konnte er sich seine Gäste nach Belieben aussuchen. Es herrschte außerdem Kleiderordnung, Turnschuhe und schlabbrige Garderobe waren tabu. Sadie kannte den Besitzer und brauchte sich um solche belanglosen Dinge wie Eintritt oder Anstehen keine Gedanken zu machen. Es hatte eben alles seine Vorteile, wenn man in einem kleinen Ort aufwuchs und bei jedem bekannt war.

Schon im Flur bemerkte Sadie die Hitze, die ganzjährig im Black’s herrschte. Deshalb hatte sie sich wohlweislich für ein Kleid entschieden.

Rot und Schwarz waren die vorherrschenden Farben im Inneren des Klubs. Er wirkte düster, die dämmrige Beleuchtung verlieh ihm aber eine erotische Note. Hinter der schwarzen Bar, die nur durch kleine Spots auf dem Boden und der Decke bestrahlt wurde, trennten rote Seidenvorhänge den normalen Bereich von dem für die VIPs. Links neben der Bar befand sich die Tanzfläche und rechts einige Sitznischen, die um diese Uhrzeit gut besetzt waren. Die Einrichtung war schlicht gehalten und doch ziemlich hübsch. Ein echter Hingucker war die mit sprudelndem Wasser gefüllte Glaswand im VIP-Bereich.

Deacon Williams, der Besitzer und langjähriger Freund ihrer Eltern, kam mit einem breiten Lächeln auf Sadie zu. Behangen mit Goldketten um Hals und Handgelenke, hatte er große Ähnlichkeiten mit einem Bordellbesitzer. Sadie vermutete, dass er sein Haar blondierte, denn er war um die sechzig Jahre alt, vielleicht ein, zwei Jahre jünger und damit im Alter ihrer Eltern. So genau wusste sie das nicht. Der dunkle Anzug saß perfekt, höchstwahrscheinlich Armani oder Prada. Die obersten zwei Knöpfe des weißen Hemds waren offen und zeigten leicht verschwitzte gebräunte Haut. Alter hin oder her, zumindest kleidete er sich elegant, auch wenn sie nicht verstehen konnte, warum er bei den hohen Temperaturen nicht auf das Jackett verzichtete.

„Deacon, wie ich sehe, hast du die Einlasskontrollen entschärft.“ Sadie deutete mit dem Kinn auf eine kleine Gruppe, darunter Callie Frey, ihre Ex-Beste-Freundin und jetzige Erzfeindin. Die dürre Blondine stand inmitten ihrer speichelleckenden Freunde und genoss deren geheuchelte Aufmerksamkeit.

Deacon lachte heiser, das Ergebnis seiner täglichen Zigarettenration, legte die Hände auf Sadies Oberarme und küsste sie zur Begrüßung auf beide Wangen. Er hatte zu viel Aftershave aufgetragen, das ihr in der Nase kitzelte. „Darling, sie bringen viel Geld in die Kasse, und du weißt, davon kann man nie genug haben.“

Sie hob eine Augenbraue und stieß amüsiert Luft durch die Nase aus. „Als hättest du nicht genug davon. Wie geht es Noreen?“

Beim Namen seiner dritten Ehefrau begannen die blassblauen Augen zu leuchten. Noreen war mit vierundzwanzig nur knapp drei Jahre jünger als Sadie. „Wunderbar. Sie geht fast gar nicht mehr aus dem Haus, seit sie das Onlineshoppen für sich entdeckt hat. Nebenbei renoviert sie gerade unser Heim, brauchte dringend eine Beschäftigung, die Gute.“

Das konnte Sadie nachvollziehen. Sie selbst hatte in der Stadt ein kleines Geschäft mit Kleidung, die sie oftmals selbst nähte oder weltweit in edlen Boutiquen erstand und in Blackwood an die Reichen veräußerte. Es war ihr wichtig, Einzelstücke zu verkaufen und nichts, was in jedem dritten Laden an der Stange hing.

Zwar waren Sadies Eltern nicht begeistert davon, dass sie ein eigenes Geschäft betrieb und nicht für sie arbeitete, aber sie sahen ein, dass der Laden gut lief und Blackwood so etwas brauchte. Außerdem hatte Sadie ein glückliches Händchen für Aktien und investierte Teile ihres Gewinns. Sie kam für ihren Lebensunterhalt selbst auf, was ihren Eltern Respekt abverlangte.

Sadies Blick schweifte zu ihrer ehemaligen Freundin. Sie war anders als Callie, die lieber den ganzen Tag großzügig das Geld ihrer Eltern ausgab, als sich selbst die Finger schmutzig zu machen. Seit vielen Jahren waren die beiden Frauen miteinander zerstritten, obwohl Sadie nicht mehr genau wusste, warum sie sich eigentlich hassten. Immerhin waren sie gute Freundinnen gewesen. Doch von einem Tag auf den anderen hatte Callie sie ignoriert und Lügen verbreitet.

Ihre große Liebe und die beste Freundin hatten sie zeitgleich verlassen.

„Wo bist du mit deinen Gedanken?“ Deacon sah sie neugierig an. Er war wie ein altes Waschweib – ständig an Klatsch und Tratsch interessiert, den er wie eine Tageszeitung in Umlauf bringen konnte.

Mit einem Schulterzucken winkte Sadie ab. Sie war hier, um Spaß zu haben, nicht um sich den Abend verderben zu lassen. Nach so vielen Jahren konnte sie an der Situation nichts mehr ändern und wollte es gar nicht.

„Unwichtig“, antwortete sie. „Ich werde mal sehen, ob ich jemanden finde, der mir einen Cocktail spendiert.“

„Damit wirst du wohl keine Probleme haben, Darling“, erwiderte Deacon heiser lachend und verschwand in Richtung der Büroräume.

Sadies mahagonifarbenes, lockiges Haar hing ihr bis zur Mitte des Rückens. Sie besaß Kurven an den richtigen Stellen, war dennoch schlank, aber kein Size-Zero-Model. Sie aß für ihr Leben gern und würde niemals hungern, um einem Ideal zu entsprechen. Mit knapp fünf Fuß fünfundsiebzig gehörte sie nicht zu den kleinen Frauen und trug trotzdem gerne Schuhe mit hohen Absätzen, auch wenn sie damit größer als einige Männer war – die meisten von ihnen konnten es nicht leiden, zu einer Frau aufsehen zu müssen.

Sadie wusste, was sie wollte, und versuchte immer, ihre Ziele zu erreichen. Aus diesem Grund wurde sie von vielen Menschen als arrogant abgestempelt. Vielleicht stimmte das. Doch warum sollte sie sich selbst etwas verweigern, nur damit sich andere besser fühlten? Oder immer darauf achten, niemanden vor den Kopf zu stoßen? Sie hatte aufgehört, ständig Rücksicht auf andere zu nehmen. Wer hätte das erwartet, wo sie vor zehn Jahren sogar zu schüchtern gewesen war, um vor ihrer Schulklasse ein Referat zu halten.

„Was darf’s sein, Süße?“ Der Barkeeper beugte sich über den Tresen.

„Einen Tequila Sunrise bitte.“ Ihr favorisiertes Getränk, wenn sie im Black’s war.

„Der geht auf mich“, ertönte eine tiefe Stimme neben ihr. Oliver Frey gab dem Barkeeper Geld und reichte ihr das Getränk. Das dunkelblonde Haar verwuschelt, als wäre er stundenlang mit den Fingern hindurchgefahren – oder gerade erst aus dem Bett aufgestanden –, lächelte er sie verschmitzt an. „Aber nicht meiner Schwester verraten.“

„Terrorisiert sie immer noch alle in ihrem Umfeld?“, erkundigte sich Sadie scheinheilig und nippte an ihrem Getränk.

„Nur die, die es zulassen“, erwiderte Oliver lachend, dabei bildeten sich kleine Falten in seinen Augenwinkeln. Er umarmte sie herzlich und bestellte sich anschließend ein Bier. Früher, als Sadie und Callie noch Freundinnen gewesen waren, hatte sie viel Zeit bei den Freys verbracht und dadurch Oliver oft gesehen. Was hatte sie für ihn geschwärmt und sich kindlichen Fantasien über sie beide hingegeben. Aber irgendwie war alles anders gekommen.

„Wir sollten unbedingt mal miteinander ausgehen“, sagte er entschlossen.

„Soso, sollten wir das?“

Er war attraktiv, daran bestand kein Zweifel. Damals war Sadie zu jung für ihn gewesen, und jetzt kam es einfach nicht infrage. Sie wollte sich nicht wegen einer einmaligen Bettgeschichte mit seiner Schwester auseinandersetzen müssen. Außerdem war sein bester Freund ihr Ex, die grausame erste Liebe. Beide Männer wohnten seit zehn Jahren nicht mehr in Blackwood. Sporadisch statteten sie der Kleinstadt einen Besuch ab, was Sadie meistens zu verdrängen versuchte. Doch seit Kurzem war Oliver zurück, hatte ein Haus am Wasser gekauft und lebte wieder in seiner Heimatstadt.

Oliver lehnte sich zu ihr herüber, das langärmelige Shirt umspannte dabei seine muskulösen Oberarme. Der herbe Duft seines Aftershave umhüllte sie. „O ja, ganz sicher, Sadie.“

Ein Schauer rann über ihren Rücken. Ihr Name aus seinem Mund klang wie eine Versuchung. Gemischt mit dem sündigen Blick aus den braunen Augen begann sie, ernsthaft zu zweifeln, warum Oliver Frey tabu war.

„Was geht denn hier ab?“

Sadie blinzelte. Nützlich wie ein Eimer mit eiskaltem Wasser im Winter stand Callie neben ihnen, eine Hand in die schmale Taille gestützt. Abwartend sah sie von Oliver zu Sadie. Das lange blonde Haar hing glatt hinunter bis zum Ansatz ihrer kleinen Brüste.

„Nichts, was dich etwas angeht, Schwesterherz.“

Ihre grünen Augen blitzten angriffslustig. „Oh, das sehe ich anders. Wenn du etwas mit der da zu tun hast, geht es mich sehr wohl was an.“

„Fahr die Krallen ein, und zieh ab, Callie.“ Oliver zog die Augenbrauen zusammen und sah ernst zu seiner Schwester. Trotz des Zwielichts schien sich sein Blick gespenstisch zu verdunkeln.

Sadie stellte ihr leeres Glas auf die Theke. Dieses Getue der Geschwister wurde ihr zu blöd. Sie war da, um Spaß zu haben. Ganz bestimmt wollte sie sich nicht mit Callie anzicken. Das kam ohnehin viel öfter vor, als ihr lieb war. Mit den Worten „Viel Vergnügen noch“, verabschiedete sie sich von den beiden.

„Warte!“ Oliver hielt sie am Handgelenk fest, sah aber zu seiner Schwester. „Verschwinde endlich, Callie. Das geht dich nichts an.“

„Ist alles in Ordnung?“ Bereit einzugreifen, sah Deacon erst Sadie und dann die anderen an.

Das ist wie in einer schlechten Seifenoper, dachte Sadie genervt. Herausfordernd blickte sie zu Callie. „Ich weiß nicht – ist alles in Ordnung?“

„Das ist noch nicht vorbei“, zischte sie Oliver an und stolzierte davon.

„Danke“, sagte Sadie.

„Immer wieder gern.“ Deacon sah auffordernd zu Oliver, der nach wie vor ihr Handgelenk umschloss. Langsam hob er eine buschige Augenbraue. „Wären Sie so freundlich, die Hand zu entfernen?“

Auch wenn seine Worte nicht grob klangen, war der ernste Unterton nicht zu überhören. Es hatte bereits einige Männer gegeben, die Deacon unterschätzt hatten. Er mochte wie ein Sugardaddy aussehen, aber hinter dieser Fassade steckte ein harter Kerl. Die meisten Menschen wussten nicht, dass er in jungen Jahren geboxt hatte. Als seine kurze Karriere wegen einer Verletzung vorbei gewesen war, hatte er Teenager von der Straße trainiert, damit sie nicht auf die schiefe Bahn gerieten. Vor einer Weile hatte Deacon Sadie einmal anvertraut, dass seine Nase öfter gebrochen und gerichtet worden war, als er Finger hatte.

„Ist schon gut, Deacon. Danke für deine Hilfe.“ Sadie löste Olivers Hand.

Prüfend musterte der Klubbesitzer Oliver und tippte mit dem Zeigefinger an seinen rechten Augenwinkel, ehe er sich umdrehte und wieder zwischen den Menschen verschwand.

„Das bedeutet, er behält dich im Auge“, erklärte Sadie. Das hatte er schon ein paarmal bei den Gästen gemacht, die ihm gefährlich und suspekt erschienen. Doch die einzige Gefahr, die sie bei Oliver spürte, war, dass er ihrem Höschen zu nah kam. Es konnte nicht gut gehen, wenn sie etwas mit ihm anfing. Selbst wenn es nur eine einmalige Sache war.

„Gut zu wissen“, murmelte Oliver. Er schien gedanklich weit weg zu sein. Ob ihm die Auseinandersetzung mit Callie zu schaffen machte? Anders als die beiden hatte Sadie zu ihrer älteren Schwester keinen Kontakt. Selbst als Kinder hatten sie nicht viel Zeit miteinander verbracht. Ellen war immer das Vorzeigekind gewesen. Sogar heute noch achtete ihre Mutter sorgfältig darauf, Sadie ständig unter die Nase zu reiben, wie perfekt Ellen war. Das nervte ungemein und verstärkte das angespannte Verhältnis der Geschwister weiter.

„Also, wie willst du mir den Abend versüßen?“ Sadie stützte das Kinn in die Hand und lehnte sich zu ihm hinüber. Mhmm, er roch wirklich sehr gut.

Das Lächeln kehrte auf sein hübsches Gesicht zurück. „Mir würde da durchaus etwas einfallen.“

***

Es gab Momente, da fühlte es sich vollkommen falsch an, mit einem Mann mitzugehen. Es war die Art, wie derjenige Sadie berührte oder ansah, als wäre sie lediglich ein sexuelles Objekt – ein Stück Fleisch. Meistens waren das die Männer, die genauso wenig wollten, dass Sadie über Nacht blieb, wie sie nicht neben ihnen aufwachen wollte. Und dann gab es die Sorte Männer, die Frauen ein gutes Gefühl vermittelten. Sie hielten die Tür auf, rückten den Stuhl zurecht oder sahen sie einfach nur an, als wäre sie die einzige Frau auf Erden. Der absolute Hauptgewinn. Obwohl sich Sadie nichts aus solchen Dingen machte, musste sie feststellen, dass es angenehm war, von Oliver umgarnt zu werden. Auch wenn sie schon vor über einer Stunde beschlossen hatte, ihn zu begleiten, war es schön, wie viel Mühe er sich gab. Mit seinen Komplimenten und dem Lächeln hatte er sie überzeugen können und weichgekocht. Er brachte sie zum Lachen und sagte das Richtige. Das war mal eine nette Abwechslung.

Olivers großer Bungalow, der nur ein paar Minuten von ihrem Haus entfernt lag, war hübsch eingerichtet. Wenig Glas, dafür viel Holz, nicht zu vergessen die neuesten Spielereien auf dem Technikmarkt. Nichts anderes hatte sie von einem Mitglied der Frey-Familie erwartet.

Sie saßen, in eine weiche Fleecedecke gehüllt, auf der Terrasse, die direkt zum Strand führte, und tranken kühlen Weißwein. In einigen Stunden würde die Sonne über dem Ozean aufgehen.

Sadie mochte das Meer: das Rauschen des Wassers, den weichen Sand zwischen den Zehen. Hier fühlte sie sich geborgen. Dennoch würde sie das Meer sofort gegen Berge eintauschen. Die gaben ihr das Gefühl von Freiheit und Nachhausekommen. Berge riefen eine Sehnsucht in ihr hervor, wie es sonst nichts anderes vermochte. Sie schloss die Augen und seufzte leise.

Manchmal kotzte es sie an, Sadie Snow zu sein. Tochter aus gutem Hause. Reich. Das vermittelte den meisten Menschen ein vollkommen verzerrtes Bild. Viele wollten mit ihr aus den falschen Gründen befreundet sein. Sie dachten, dadurch würden sie selbst zu Reichtum gelangen oder in die richtigen Kreise aufsteigen. Einen Job im Snow-Imperium ergattern. Genauso war das mit den Männern. Diejenigen, die sie auf Anhieb erkannten, sahen nur das Geld und ihre Familie. Die anderen sahen nur ihr Gesicht und den Körper.

Nur einer hatte bisher sie selbst gesehen. Nicht das Aussehen, nicht das Geld. Einfach nur Sadie. Sie dachte oft an ihn. Was wohl aus ihm geworden war? Wie es ihm ging? Sie schalt sich dann eine Idiotin, weil er es nicht verdient hatte, dass sie auch nur eine Minute ihrer Zeit mit dem Gedanken an ihn verschwendete. Er hatte sie verletzt und enttäuscht, dass es sie auf ewig prägte. Manchmal glaubte sie, das junge Mädchen war mit ihm gegangen und zurückgeblieben war die verbitterte Sadie. Die, die keine Beziehung führen konnte, weil sie den Männern nicht vertraute. Weil der Schmerz selbst nach all den Jahren noch so tief saß.

Als kühle Lippen auf ihre trafen, riss sie überrascht die Augen auf und schnappte nach Luft.

„Zu früh?“, fragte Oliver gedämpft und nahm den Kopf ein Stück zurück, damit er sie ansehen konnte.

„Nein.“ Sadie legte die Arme um seinen Nacken und zog ihn wieder zu sich heran. Was als sinnlicher Kuss begann, wurde schnell drängender. Oliver hob sie auf die Arme und brachte sie in sein Zimmer, ohne die Lippen von ihr zu lösen. Etwas unbeholfen warf er sie aufs Bett, doch das störte sie nicht. Seine Hände wanderten zärtlich über ihren Körper. Von den Schenkeln bis zu den Brüsten und wieder zurück. Sadie zog ihm das Shirt aus der Hose, während er den Reißverschluss ihres Kleids öffnete. Kleidungsstücke fielen zu Boden und blieben dort als kleiner Haufen liegen.

„Verdammt, bist du schön“, flüsterte Oliver beinahe ehrfürchtig und küsste sich einen Weg von ihrem Schlüsselbein bis hinunter zu ihrem Bauchnabel. Seine Zunge hinterließ eine heiße Spur auf ihrer Haut. Sanft drückte er ihre Beine auseinander und küsste sich vom Nabel weiter südlich, bis er das Zentrum ihrer Lust gefunden hatte. Gekonnt tauchte seine Zunge zwischen ihre Lippen. Immer wieder biss er leicht in ihre Klitoris, um sie anschließend fest in den Mund zu saugen. Sadies Becken kam seiner geschickten Zunge entgegen. Wollte mehr von diesem Erlebnis, mehr von seinem Können. Ein Beben ging durch ihren Körper, als er seine Finger hinzunahm und in sie eindrang. Mal schnell und dann wieder langsam leckte er über ihre Spalte und erkundete ihr Innerstes. Mit den Händen hielt sie seinen Kopf zwischen ihren Beinen gefangen. Fuhr immer wieder mit den Fingern durch sein Haar, ehe sie diese ins Laken krallte und laut stöhnte. Kleine Sterne tanzten vor ihren Augen, als ihr Höhepunkt sie überrollte.

Oliver holte ein Kondom aus dem Nachttisch und legte es neben sich auf das Bett. Er überstürzte nichts, ließ sie in aller Ruhe wieder zu Atem kommen. Währenddessen schien er jeden Zoll ihres Körpers zu studieren.

Sadie richtete sich auf, nahm die Verpackung und riss sie auf, um das Kondom über seinen harten Penis zu streifen. Mit einer Hand auf seiner Brust drückte sie ihn aufs Bett und setzte sich auf ihn. Stück für Stück nahm sie ihn in sich auf, stöhnte ungehemmt, nachdem er vollständig in ihr war, und begann, sich auf und ab zu bewegen. Seine Hände wanderten über ihre vollen Brüste hinab zu ihrer Hüfte.

„Das ist der Wahnsinn“, keuchte er und richtete sich auf, damit sie auf Augenhöhe waren. Fest presste sich sein Mund auf ihren. Eine Hand umfing ihren Nacken, die andere lag auf ihrem Po. Sadie hatte das Gefühl zu zerfließen, überall schien Oliver zu sein. Ihr war vorher nicht aufgefallen, wie groß seine Hände waren. Er warf sie auf den Rücken und war sofort über ihr, drang mit einem schnellen Stoß in sie ein. Sein Rhythmus änderte sich von schnell zu langsam, von hart zu zärtlich.

„Hör nicht auf“, bettelte sie und bog sich ihm weiter entgegen. Sie mochte es schnell und hart.

Wieder baute sich in Sadie ein Orgasmus auf. Ihre Finger schlugen sich in seinen muskulösen Rücken, als sie kam und die Welt um sie herum zu einem Strudel aus Farben und Geräuschen verschwamm.

Schwer atmend lag Oliver auf ihr, das Gesicht in ihrer Halsbeuge vergraben. Es störte sie nicht, dass er sie beinahe erdrückte. Im Gegenteil. Es fühlte sich angenehm an, sein Gewicht auf ihrem Körper zu spüren.

Schade nur, dass es eine einmalige Sache zwischen ihnen bleiben würde.

Er richtete sich auf und blickte sie an. „Bist du okay?“

Was für eine merkwürdige Frage. Sie lächelte. „Mehr als okay.“

„Das ist schön“, murmelte er abwesend, zog sie an seine Brust und legte die Decke über sie beide. Das war jetzt sehr intim, und sie wusste nicht, ob sie das wollte. Nach dem Sex im selben Bett schlafen, war in Ordnung. Aber kuscheln? Wie ein Liebespaar? Normalerweise tat sie das nicht. Dennoch schlief sie schnell ein.

Ein Poltern vor der Tür weckte Sadie. Verschlafen öffnete sie die Augen. Oliver lag neben ihr, ein Arm um sie gelegt, und schien noch tief und fest zu schlafen. Zeit für sie zu gehen. Leise schlich sie aus dem Bett und suchte ihre Kleidung zusammen. Merkwürdigerweise verspürte sie Bedauern. Aber wenn sie mal einen One-Night-Stand hatte, machte sie das immer so. Warum also diese Gewissensbisse, als sie, fertig angezogen und bereit zum Aufbruch, die Schlafzimmertür hinter sich zuzog? Er war ein Mann wie jeder andere.

Sie schüttelte den Kopf, drehte sich um und stieß mit jemandem zusammen. Ihre Augen blickten direkt auf eine braun gebrannte, muskulöse Brust. Das Gesicht eines Drachens zierte die rechte Seite und zog sich bis weit über die Schulter. Ihr Blick glitt höher. Ein kräftiger, sehniger Hals, markantes Kinn, sinnlicher Mund, schöne Nase und blaue Augen, so kalt wie der Ozean im Winter.

„Lucas?“, hauchte Sadie entsetzt und erstarrte.

Kapitel 2

Lucas Valentine hatte zehn Jahre gebraucht, um zu sich selbst zu finden und der Mann zu werden, der er heute war. Es war ihm immer verhasst gewesen, mit seiner Familie verglichen und auf den Familiennamen reduziert zu werden – oder dass jeder automatisch annahm, er würde in das Geschäft seiner Eltern einsteigen und sinnlos mit Geld um sich werfen.

Von wegen!

Nichts lag ihm ferner, als tagein, tagaus Häuser zu bewerben und Grundstücke anzupreisen. Er brauchte Abenteuer und Action, keinen geregelten Job. Damals und genauso jetzt.

Lucas hatte schon immer den Rausch gebraucht, den das Adrenalin verursachte. In den vergangenen Jahren hatte er so ziemlich alles ausprobiert, was diesen auslöste. Fallschirmspringen aus sechstausendfünfhundert Fuß Höhe, Bungeejumping von einer Brücke, Wasserrafting, sogar ein Drachentattoo hatte er sich stechen lassen. Doch nichts ließ das Blut in seinen Adern wilder rauschen als der unvergleichliche Anblick von Sadie Snow. Ihr rotbraunes Haar, der verruchte Blick aus den grauen Augen, ihr sexy kurviger Körper, ihre gesamte Ausstrahlung. Sie war noch genauso schön, wie er sie in Erinnerung hatte. Verdammt!

Wann immer er in den letzten Jahren in Blackwood gewesen war, hatte er sie gesehen. Beim Einkaufen im Supermarkt, mit Freunden im Restaurant, wenn sie gerade mit dem Auto in ihre Straße fuhr oder bei Dates. Ganz besonders bei Scheißdates. Lucas hatte stets darauf geachtet, dass sie ihn nicht zu Gesicht bekam. Dieses Recht hatte sie verspielt, als sie ihm das Herz aus der Brust gerissen hatte und freudig darauf herumgetrampelt war. Und sein Herz, dieser kleine miese Verräter, hatte trotzdem jedes verdammte Mal einen Salto vollführt bei ihrem Anblick. Wie sehr er das hasste. Als er das erste Mal nach sechs Monaten wieder nach Hause gekommen war, hatte er sich noch eingeredet, dass es ein Quäntchen Restgefühl für sie war. Nach knapp zwei Jahren dachte er, dass es einfach nur an dem Wiedersehen nach so langer Zeit lag. Nach fünf und zehn Jahren war es jedoch amtlich: Er war ein Idiot. Ein Idiot, der nach wie vor in Sadie Snow verliebt war.

Es war leicht, sie zu vergessen, wenn er nach zwei Tagen wieder die Stadt verließ. Jetzt hingegen würde es deutlich schwieriger werden. Lucas konnte nicht mit Sicherheit sagen, wie lange er bleiben würde. Zumindest aber, bis er seinen Job erledigt hatte. Gott, er hoffte wirklich, dass es nicht zu viel Zeit in Anspruch nahm und er eher früher als später wieder abhauen konnte. Er wollte nicht in der Nähe von Sadie leben oder ihr jeden Tag über den Weg laufen. Womöglich mit ihrem neuen Lover.

Mist! Jetzt klang er auch noch wie ein waschechter Jammerlappen. Und das wegen eines Mädchens, das ihn garantiert längst vergessen hatte.

Bei seinem letzten Besuch in Blackwood hatte er zufällig Oliver getroffen. Gemeinsam hatten sie in Blackwoods einziger Kneipe bei einem Bier über die alten Zeiten geredet, und dabei war herausgekommen, dass Oliver hierher zurückkehren würde. Er war durch die Welt gereist, hatte da und dort gearbeitet und sehnte sich nun nach seiner Heimat. Oder um es mit Lucas’ Worten zu sagen: Oliver wollte sesshaft werden, eine Familie gründen und kleine Hosenscheißer in die Welt setzen. Das Übliche eben, wenn man ein bestimmtes Alter erreichte.

Lucas und Oliver waren zusammen zur Schule gegangen und hatten beide das schwere Los ihrer Familie zu tragen. Schnell war ihnen klar geworden, dass sie sich aufeinander verlassen konnten. Die anderen Schüler sahen nur ihre Namen und das Ansehen, das sich dahinter versteckte. Sie wollten ebenfalls zu den „coolen Kids“ gehören. Er war oft bei den Freys zu Hause gewesen. Er mochte Olivers Eltern, sie hatten keine allzu großen Erwartungen an ihre Sprösslinge gestellt und ließen ihnen alle Freiheiten. Etwas, dass es bei seinen Eltern niemals gegeben hätte. Da hieß es immer nur, man erwarte Großes von ihm, schließlich sei er ein Valentine. Ein Valentine ruhte sich nicht aus. Ein Valentine arbeitete hart. Ein Valentine konzentrierte sich auf die Schule, Arbeit, Karriere und nicht auf Mädchen, Hobbys oder andere Freizeitvergnügungen, die vom Wesentlichen ablenkten.

Lucas wusste nicht, wie oft er diese Sätze in seiner Kindheit gehört hatte. Der ständige Druck der Eltern hatte ihm schwer zugesetzt, weshalb er auch damals von seiner Familie hatte wegmüssen, um seinen eigenen Weg zu gehen – was er erfolgreich geschafft hatte.

Um von vorneherein sämtliche Streitereien zu vermeiden, hatte er sich gar nicht erst bei seinen Eltern für die Zeit seines Aufenthalts einquartiert, sondern direkt bei Oliver, der in einem Bungalow am Meer lebte. Das war viel unkomplizierter, außerdem wollte er schon immer mal in einer richtigen Männer-WG wohnen. Am Abend fettige Pizza essen, die Socken herumliegen lassen, Bier trinken und nur dann aufräumen, wenn es langsam an der Zeit war. Das war es, was er jetzt brauchte. Und Oliver war so herrlich bescheiden, dass das tatsächlich klappen konnte. Es war ja nur von kurzer Dauer, und dann würde er zurück nach Pittsburgh, Pennsylvania gehen.

„Vorausgesetzt, du vermasselst es nicht“, murrte Lucas, während er sich sein Zimmer bei Oliver einrichtete. Das Haus war für eine Person viel zu groß. Es hatte drei Bäder, kein normaler Mensch brauchte drei Bäder! Sechs riesige Zimmer, wovon Lucas jetzt eines bewohnte, eine große Küche, ein Wohnzimmer und eine Terrasse mit eigenem Zugang zum Strand.

Als es an der Tür klopfte, schob er hastig seine Waffe, eine Glock 17, unters Kopfkissen. Kein Grund, jemanden in Panik zu versetzen. Es brauchte niemand zu wissen, dass er eine Pistole bei sich trug. Oder dass er Supervisory Special Agent beim FBI und für einen Undercover-Einsatz nach Blackwood gekommen war. Lucas musste lächeln bei dem Gedanken daran, dass jemand einmal einen Ausbilder gefragt hatte, ob er einen Menschen töten durfte, wenn dieser wusste, dass er für das FBI arbeitete. Der Ausbilder hatte nur ungläubig den Kopf geschüttelt.

„Herein.“

Oliver steckte den Kopf ins Zimmer. „Ich will nachher ins Black’s, kommst du mit?“

„Besser nicht.“ Lucas räumte seine Reisetasche in den großen Kleiderschrank, um Oliver nicht ansehen zu müssen.

„Komm schon, das wird lustig. Callie wird auch da sein. Sie freut sich, dich endlich mal wiederzusehen. Außerdem gibt es dort garantiert ein paar hübsche Mädels, die uns den Abend und die Nacht verschönern können.“ Er wackelte anzüglich mit den Augenbrauen und verschränkte die Arme, während er sich an den Türrahmen lehnte.

Da das Black’s Sadies zweites Zuhause war, konnte er sich vorstellen, wie sein Abend aussehen würde. Entweder er würde ihr den gesamten Abend über ausweichen oder hinterherlaufen. Weder das eine noch das andere konnte er mit seinem Stolz vereinbaren.

„Lass gut sein“, winkte Lucas ab, „ein anderes Mal gerne. Ich habe Jess versprochen, auf ein Bier vorbeizukommen.“

„Soso“, lachte Oliver. „Du und die kleine Jessica Hartley?“

Lucas verdrehte die Augen und fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. „Natürlich nicht. Sie ist nett, wir verstehen uns gut, aber mehr ist da nicht.“

„Und du stehst nicht auf Schwarzhaarige, richtig?“ Er stellte die Frage nebenher, aber Lucas hatte das unangenehme Gefühl, als würde Oliver ahnen, was der wahre Grund war. Sie waren beste Freunde. Natürlich hatte Oliver damals die Geschichte mit Sadie mitbekommen, doch konnte er wissen, dass Lucas immer noch Gefühle für sie hatte?

Also zog er einfach nur die Schultern hoch. „Ich leugne nicht, dass ich eine Schwäche für einen bestimmten Frauentyp habe. Das hindert mich allerdings nicht daran, mit Frauen auszugehen, die dem nicht entsprechen. Wie auch immer. Ich mag Jess, aber mehr ist da nicht.“

„Wie du meinst, Kumpel“, gab Oliver beim Hinausgehen lachend zurück, „wie du meinst.“

Manchmal war sein bester Freund ein echtes Arschloch.

***

Die Kneipe von Blackwood, die keinen Namen hatte und einfach Kneipe genannt wurde, war nicht übermäßig voll, was Lucas recht war. So brauchte er keine unangenehmen Gespräche zu führen und konnte sich Gedanken über das Thema machen, weswegen er eigentlich zurückgekehrt war.

Der Ripper, wie ihn die Presse fälschlicherweise nannte. Ein Mann, der Prostituierte erst schändete und dann ermordete. Der Kerl würgte seine Opfer – neben anderen unaussprechlichen Dingen – gerne. Doch das war Täterwissen und nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.

Lucas schüttelte den Kopf, setzte sich an die Bar und bestellte ein Bier. Die Medien machten seine Arbeit um einiges schwieriger. Indem sie diesem Psychopathen überhaupt einen Namen verpassten, ermutigten sie ihn zu weiteren Taten. Inzwischen gab es bereits fünf tote Frauen in zwei verschiedenen Bundesstaaten, sodass die zuständigen Sheriffs in den beiden Countys das FBI zur Unterstützung angefordert hatten.

Lucas’ Vorgesetzter, Special Agent in Charge Michael Donovan, hatte einen Vorteil darin gesehen, dass Lucas in Blackwood aufgewachsen war, was seine Arbeit vereinfachen würde. Also war er nach Blackwood geschickt worden, um den Mörder so schnell wie möglich zu fassen, während sein Dienstpartner vorerst den Morden in dem anderen Bundesstaat, nicht weit entfernt von Lucas, nachging.

Er hatte schon einige Fälle gehabt, die knifflig gewesen waren. Meistens dauerten seine Ermittlungen mehrere Wochen. Aber da gab es zumindest Anhaltspunkte. Die beiden Sheriffs dagegen hatten nichts vorzuweisen außer den Frauenleichen. Selbst die Frauen hatten nichts gemeinsam, bis auf ihren Job und die Art, wie sie starben – durch Strangulation. Sie hatten verschiedene Haut-, Augen- und Haarfarben. Weder Piercings noch Tätowierungen. Keine gemeinsamen Freunde oder Feinde.

Lucas rieb sich die Stirn, als vor ihm eine wedelnde Hand auftauchte und ihn aus seinen Grübeleien holte. „Wo bist du mit deinen Gedanken?“

„Hey, Jess.“ Er lächelte sie an. „Alles klar bei dir?“

„Das Gleiche wollte ich dich gerade fragen. Bei mir ist alles bestens. Erzähl mir mal lieber, warum du so verkniffen guckst.“ Sie neigte den Kopf, sodass ihr langes schwarzes Haar nach links fiel. Jessica Hartley war hübsch, daran gab es keinen Zweifel. Ihre Augen waren groß und hellblau, fast grau. Sie war schlank. Make-up war für sie ein Fremdwort. Jess war natürlich und ging auch mal in Jogginghosen nach draußen.

„Wie läuft das Studium?“, lenkte er vom Thema ab.

„Ganz gut. Obwohl ich mir sicher bin, dass Jura nicht das Richtige für mich ist. Diese vielen Gesetzestexte und Ausnahmefälle, die wiederum Ausnahmen haben.“ Sie stützte das Kinn in die Hand und lehnte sich zu ihm vor. „Ernsthaft, ich werde das Hauptfach wechseln. Das alles interessiert mich nicht die Bohne.“

Lucas lächelte. „Und was genau interessiert dich?“

Jess warf ihm ein geheimnisvolles Lächeln zu. „Im Moment interessiert mich nur, warum du hier bist und nicht im Black’s.“

„Fang du jetzt nicht auch noch damit an. Ich musste mich schon vor Oliver rechtfertigen. Ist es so schwer zu verstehen, dass ich lieber einen ruhigen Abend habe, als in einem überfüllten Klub zu sein? Außerdem habe ich dir versprochen, heute vorbeizukommen.“

Wieder schenkte sie ihm dieses geheimnisvolle Lächeln. „Okay.“

„Gut“, brummte er und schob ihr das leere Bierglas hin. „Ich nehme noch eins.“

Eine Weile beobachtete er Jess bei der Arbeit. Sie bedachte jeden Gast mit einem Lächeln, nannte ihn beim Namen und war freundlich. Es war erstaunlich, dass sie erst seit ungefähr zwei Jahren in Blackwood lebte und trotzdem bereits jeden kannte. Und das, wo sie nur zu den Semesterferien und manchmal an den Wochenenden hier war. Sie war gemeinsam mit ihrer Mutter hergezogen, die ein Restaurant leitete. Jess studierte zwar in der Nähe, lebte dennoch in einem Wohnheim, damit sie sich den Anfahrtsweg sparen konnte. Insgeheim fragte er sich, ob sie beide, wenn sie mehr Zeit miteinander verbringen würden, nicht sogar ein Paar werden konnten. Sie war ein nettes und kluges Mädchen, genau so jemanden brauchte er an seiner Seite.

Ein nettes Mädchen?

Sein Unterbewusstsein brach in schallendes Gelächter aus. Als würde ihn das auf Dauer zufriedenstellen. Es wäre am Anfang aufregend, doch dann würde es ihn langweilen. Unweigerlich kamen ihm graue Augen in den Sinn. Ähnlich den hellblauen von Jess, aber irgendwie sinnlicher. Sadie hatte schon immer diesen besonderen Ausdruck in den Augen gehabt. Einer, der besagte, dass sie genau bekommen würde, was sie wollte.

Bei seinen sexuellen Vorlieben war es ähnlich. Nette Mädchen waren nicht das, was er in seinem Bett wollte. Selbst wenn sie für eine kleine Abwechslung zwischendurch sorgten.

Er rieb sich die Schläfen und trank das Bier aus. Lucas wollte nicht ständig an sie denken, und dennoch kreisten seine Gedanken nur um Sadie. Es machte ihn rasend, wenn er daran dachte, dass sie in diesem Moment bei einem anderen sein konnte. Dass sie irgendeinem dahergelaufenen Kerl diesen besonderen Blick schenkte. Warum kam er nicht von ihr los?

In den vergangenen zehn Jahren hatte er sich immer wieder gefragt, weshalb sie ihn verlassen hatte. Sie waren glücklich gewesen, oder nicht? Hatte er etwas übersehen? Sicher war es nicht schön gewesen, dass sie ihre Beziehung geheim gehalten hatten. Aber Sadie war zu dem Zeitpunkt minderjährig gewesen, und Lucas hatte nichts riskieren wollen. Sie hätten nur noch ein paar Tage überstehen müssen, dann wäre ihre Beziehung ganz offiziell gewesen. Aber nein, sie war lieber sang- und klanglos aus seinem Leben verschwunden.

„Du brauchst eine Aufmunterung.“ Jess setzte sich neben ihn.

„Tatsächlich?“, fragte er amüsiert und drehte sich zu ihr. Sie hatte ihre Schürze abgelegt und trug jetzt ihre normale Kleidung – Jeans und Tanktop.

Sie nickte feierlich. „Hör zu“, meinte sie dann ernst. „Wir brauchen beide ein bisschen Ablenkung. Wie wäre es, wenn ich mit zu dir komme und wir uns ein wenig Spaß gönnen?“

„Jess…“ Meistens nannte er sie einfach nur Jess, wenn Lucas ernster wurde, nannte er sie bei ihrem vollen Namen – Jessica.

Ihr Zeigefinger auf seinen Lippen stoppte ihn. „Du musst nichts sagen, lass uns einfach für eine Weile die Geister verdrängen, die uns beschäftigen.“

Das Angebot klang verlockend, obwohl es falsch war. Lucas wollte Jessica nicht benutzen, um eine andere für den Moment zu vergessen. Sie war ihm eine gute Freundin geworden, er wollte nicht, dass der Sex das alles zerstörte.

„Es wird alles verändern.“

„Wird es nicht“, widersprach sie und hielt die Hand hoch. „Indianerehrenwort!“

Knutschend und ineinander verschlungen, stolperten sie ins Haus. Lucas hob Jess hoch, die ihre Beine um seine Hüfte legte. Er trug sie zu seinem Zimmer, während ein Arm um ihren Po lag und die andere Hand den Knopf ihrer Hose öffnete. Die Tür schlug hinter ihnen zu. Er warf sie aufs Bett, zog ihr die Hose aus und schob anschließend ihr Top hoch, damit er ihre Brüste küssen konnte, die gut in seinen Händen lagen. Langsam küsste er sich einen Weg nach oben und blickte in vor Leidenschaft verhangene Augen. Aber nicht in jene, in die er eigentlich blicken wollte. Es waren Jessicas, nicht Sadies.

„Scheiße“, brummte er und rollte von Jess hinunter. Verdammtes Blackwood. Diese Stadt weckte einfach nur unschöne Erinnerungen. Er legte den Arm über sein Gesicht und atmete tief durch. „Tut mir leid, aber ich kann das einfach nicht.“

„Schon gut.“

Ihr Ton war freundlich, wie immer. Sie wurde nie laut oder ausfallend. Er war ein Arschloch. Das alles hatte sie nicht verdient.

Eine Weile schwiegen sie und lauschten den Geräuschen aus Olivers Zimmer.

Plötzlich fing Jessica zu kichern an. „Wenigstens einer hat heute seinen Spaß. Sag mal, ist das okay, wenn ich über Nacht bleibe? Ich will jetzt nicht zu Fuß nach Hause gehen.“

„Sicher, du kannst das Bett haben, ich werde einfach im Wohnzimmer pennen.“

„Sei nicht albern“, sagte sie und schlug ihm leicht gegen den Arm. „Das Bett ist groß genug für uns beide.“

Lucas konnte nicht mehr schlafen. Da es ohnehin schon Morgen war, konnte er genauso gut aufstehen und eine Runde joggen. In seinem Beruf war es wichtig, fit zu bleiben.

Im Haus war es still, was das Zuschlagen der Schranktür umso lauter erscheinen ließ.

„Mist“, fluchte er leise und trank das Glas Wasser aus, das er sich aus der Küche geholt hatte. Er stellte es auf die Theke, ging zurück in den Flur und stieß gegen einen kleinen, weichen Frauenkörper.

Sadie stand vor ihm und hauchte seinen Namen.

Der Körperkontakt ließ ihn erbeben. Sofort raste sein Herz, und seine Sinne liefen auf Hochtouren. Ihr Duft. Ihre weiche Haut. Die weit aufgerissenen Augen. Ganz besonders diese funkelnden Augen!

„Schneeflöckchen?“, rutschte ihm ihr alter Spitzname heraus, was ihn unweigerlich wütend werden ließ. So hatte er sie genannt, als sie ein Paar gewesen waren.

Erst jetzt registrierte er, dass sie aus Olivers Zimmer gekommen war. Dass sie es gewesen war, die er in der Nacht gehört hatte. Und, was zum Teufel, hatte sie da überhaupt an? Dieser lächerliche Hauch von Nichts, ließ absolut gar nichts der Fantasie übrig. Wie auch, wenn alles zu sehen war? Jeder konnte ihren Busen begaffen, ihre kurvige Hüfte, den Hintern, die langen Beine. Eifersucht kochte in ihm hoch.

„Was machst du hier?“, fragte sie und verschränkte die Arme vor der Brust.

So wie sie ihn taxierte, fühlte er sich ihr vollkommen ausgeliefert. Nackt, obwohl er angezogen war. Tausend Emotionen wallten in ihm auf. Wut, Trauer, Eifersucht. All das prasselte auf ihn ein.

„Ich wohne hier.“ Er musterte sie demonstrativ von oben bis unten, kniff anschließend die Augen zusammen. „Die bessere Frage ist, was du hier machst.“

Zorn flammte in ihren Augen auf, den sie schnell hinter einem spöttischen Ton versteckte. „Ist das nicht offensichtlich? Ich trage die Kleider von gestern, meine Haare sind nicht gemacht …“ Verheißungsvoll ließ sie den Satz ausklingen und straffte die Schultern.

Dieses Spiel konnte er ebenfalls. Wieder wanderte sein Blick über ihren anbetungswürdigen Körper. „Du siehst …“, er musste sich unterbrechen, um den Gedanken nicht auszusprechen. Nach einem Räuspern sagte er: „Du siehst billig aus. Ist das Kleid nicht zu kurz für diese Jahreszeit, Schneeflöckchen? Und pass auf, dass deine Brüste nicht herausfallen. Die Menschen könnten noch denken, sie hätten es mit einer Hure zu tun, wenn sie dich ansehen.“

Geschockt blieb ihr Mund offen stehen.

Lucas warf ihr einen letzten, abfälligen Blick zu, ehe er sich umdrehte und den Flur entlangging.

Lucas hatte sie nicht beleidigen wollen, wirklich nicht, aber dass sie mit seinem besten Freund schlief, hatte ihn irrational handeln lassen. Genau wie die Eifersucht, die er immer unterdrückt hatte und dafür jetzt umso stärker in ihm brodelte.

Er spürte ihren stechenden Blick im Rücken, als würde sie ihn mit einem Messer traktieren. Wahrscheinlich sollte er schneller gehen, bevor sie tatsächlich auf die Idee kam, mit einem Messer auf ihn loszugehen.

„Also du und Sadie Snow?“, fragte Jessica vorsichtig, als er sein Zimmer betrat.

„Belauschst du gerne die Gespräche anderer?“, knurrte er wütend und zog sich eine lange Sporthose an.

„Nur wenn es sich nicht vermeiden lässt. Lass deine schlechte Laune nicht an mir aus. Schließlich kann ich nichts dafür, dass sie mit deinem besten Freund vögelt.“

„Jessica“, warnte er sie und zog ein Shirt aus dem Schrank. Sadie und Oliver. Wie hatte das passieren können? Sein Kiefer knackte. Wäre es auch dazu gekommen, wenn Lucas gestern mit ins Black’s gegangen wäre? Oder hätte er das verhindern können? Hätte Sadie die Nacht mit ihm anstatt mit seinem besten Freund verbracht?

Was, zur Hölle, dachte er da schon wieder?

„Möchtest du darüber reden?“, fragte Jess.

„Nein, ich gehe jetzt laufen, um mich abzureagieren. Wenn ich wiederkomme, bin ich hoffentlich entspannt genug, dass ich nicht mehr in Olivers Zimmer rennen will, um ihm die Tracht Prügel zu verpassen, die er verdient hat.“

Laut schlug die Haustür hinter ihm zu. Seine Ex-Freundin, die er immer noch liebte, und sein bester Freund, der das ganz genau wusste … Das musste er erst einmal verdauen.

Kapitel 3 – Rückblick

Sadies erstes Mal war die reinste Katastrophe gewesen. Sie war ein sechzehnjähriges, schüchternes Mädchen, das sich kaum traute, einem Jungen ins Gesicht zu sehen. Rick Johnson, ihr damaliger Freund, war neunzehn und hatte den Ruf eines Aufreißers. Was Sadie nicht bestätigen konnte. Er brachte ihr Blumen, hielt ihr die Türen auf und erwärmte ihr naives Herz mit schnulzigen Worten.

„Du bist das schönste Mädchen, das ich jemals gesehen habe“, lautete sein Standardspruch für sie. Und naiv, wie sie war, glaubte sie ihm und verliebte sich jedes Mal ein bisschen mehr in ihn. Sie ignorierte die Worte ihrer älteren Schwester, die mit Rick in einer Klasse war. Sadie hatte das, was andere Mädchen wollten – nämlich Rick. Und schließlich war Ellen nur eifersüchtig. So war es immer, oder etwa nicht?

Ebenso ignorierte Sadie die merkwürdigen Telefonate mit ihrem Freund, wenn sie ihn spätabends anrief und er Worte flüsterte, die nicht an sie gerichtet waren, und Kopfkissen raschelten.

„Wo bist du?“, fragte sie und zupfte an ihrer Decke herum.

„Im Bett, wo sollte ich um diese Uhrzeit sonst sein?“, antwortete er immer, und sie hörte das Lächeln in seiner Stimme.

Sie fasste all ihren Mut zusammen. „Meine Eltern verreisen übers Wochenende, und ich dachte, vielleicht möchtest du mich besuchen kommen.“ Die letzten Worte waren nur noch geflüstert.

„Sehr gerne, Süße.“ Er keuchte kurz. „Ich bin Freitagabend gegen sieben bei dir, in Ordnung? Ich muss jetzt aufhören, ich bin wahnsinnig müde.“

Wieder das Rascheln der Bettdecke. Bestimmt hatte er sich hingelegt.

„Okay, ich hab dich lieb“, verabschiedete sie sich. Die Leitung war tot. Hatte er ihre Worte noch gehört?

„Bist du dir sicher, dass du das willst?“, fragte Callie Frey, ihre beste Freundin, und zog eine Augenbraue in die Höhe. Sadie mochte Callie, sie kannten sich seit dem Kindergarten. Sie war schlank, hatte blondes Haar und grüne Augen. Mit einem älteren Bruder, der auch verdammt ansehnlich war. Und bei dessen Anblick Sadie jedes Mal errötete und schnell die Flucht ergriff.

„Ja, ich bin mir sicher. Er ist der Richtige“, beteuerte sie und nickte bekräftigend. Worauf sollte sie denn noch warten? Sie waren schon seit acht Wochen zusammen, er hatte ihre Eltern kennengelernt – die aufgrund des Altersunterschieds nicht begeistert waren – und Sadie mit Blumen überhäuft. Er machte ihr Komplimente, brachte sie pünktlich nach Hause. Er war alles, was Sadie von einem festen Freund verlangte.

„Ich weiß nicht“, erwiderte Callie langsam. „Er macht nicht unbedingt einen ehrlichen Eindruck. Und Becca Robbins meinte, ihre Cousine hätte ihn vor ein paar Tagen mit Fredericka Smith gesehen, wie sie im Kino rumgemacht hätten.“

Sadie schüttelte lachend den Kopf. „Solche Geschichten höre ich ständig, er würde hier und da mit anderen Mädchen zusammen sein. Jedes Mal, wenn ich ihn darauf anspreche, wird er fuchsteufelswild und sagt, er würde es hassen, dass alle versuchen, uns auseinanderzubringen.“

Callie schwieg lange. „Na gut“, erwiderte sie schließlich. „Wenn du mich brauchst, bin ich für dich da.“

Der Abend rückte immer näher, und Sadie war aufgeregt wie nie zuvor in ihrem Leben. Sie hatte gekocht. Nun ja, es gab Nudeln. Aber er war nicht zum Essen da. Sie hatte in ihrem Zimmer Rosenblätter verteilt, die CD eines Sängers eingelegt, der nur Liebeslieder sang. Sie war frisch gebadet, rasiert, trug ihre hübscheste Unterwäsche – weiße Spitze – und hatte ihr mahagonifarbenes Haar so lange gebürstet, bis es richtig glänzte und in perfekten Wellen über ihren Rücken fiel.

Alles in allem war sie bereit, endlich ihre Jungfräulichkeit zu verlieren. Der Abend war bis ins kleinste Detail durchgeplant, jetzt musste nur noch Rick auftauchen. Sieben Uhr kam und ging. Es wurde halb acht – acht Uhr. Hatte er einen Unfall gehabt und lag bewusstlos im Straßengraben oder gar im Krankenhaus?

Endlich ertönte das ersehnte Klingeln an der Tür.

Strahlend öffnete Sadie.

„Hey, Süße.“ Rick kam herein, gab ihr einen Kuss, bei dem sie seine Bierfahne schmeckte, und ließ seine Jacke auf den Boden fallen. Sofort fläzte er sich auf das große Ledersofa im Wohnbereich, schnappte sich die Fernbedienung und schaltete den Fernseher ein.

Unbehaglich trat sie von einem Fuß auf den anderen, ehe sie sich neben ihn setzte. Er roch anders. Süßlicher. Nicht unbedingt passend für einen Mann, aber gut, wenn ihm das gefiel. „Hast du Hunger? Ich habe gekocht.“

„Sorry, habe bei Mike gegessen.“ Er lächelte entschuldigend und küsste sie. Lange und intensiv. Anders als sonst. Sie klammerte sich an seine Schultern und genoss das Spiel ihrer Zungen.

„Wollen wir hochgehen?“, fragte sie zaghaft und spürte, wie sie unter seinem Blick errötete.

„Hier ist es perfekt.“

Er schob seine Hand unter ihr Kleid, unter ihr Höschen und führte einen Finger in sie ein. Sadie zuckte zusammen. Rick küsste sie und begann nebenbei, seine Hose zu öffnen. Mit einer Hand wohlgemerkt, als hätte er verdammt viel Übung darin. Die andere bewegte sich immer noch in ihr. Sadie wusste nicht genau, was sie fühlen sollte. Schmerz? Verwirrung? Lust war es jedenfalls nicht, so viel stand fest.

Das ist nur das Ungewohnte, ermahnte sie sich im Stillen, es wird gleich besser.

„Warte mal“, keuchte sie und rückte ein Stück von ihm ab. Er sah genervt aus. Wütend? „Können wir etwas langsamer machen bitte?“

Rick brummte etwas Zustimmendes, fuhr sich mit einer Hand durch die blonden Haare.

„Leg dich auf den Rücken“, wies er sie an. Aus seiner Brieftasche holte er ein Kondom, das er neben ihren Kopf legte.

„Hast du so etwas immer bei dir?“, fragte sie verunsichert und schielte auf die Verpackung.

„Ein Mann darf hoffen, Sadie. Und es ist immer besser, auf alles vorbereitet zu sein.“

Er beugte sich über sie. Seine Zunge drang ohne viel Aufsehen in ihren Mund. Eine Hand verschwand erneut in ihrem Höschen. Diesmal ließ er sich mehr Zeit. Umkreiste ihre Klitoris, bevor er mit einem Finger in sie eindrang. Nun, das war schon weniger schmerzhaft, aber weit davon entfernt, angenehm zu sein.

„Ich halte es nicht mehr länger aus“, sagte er stöhnend. „Du bist eng und heiß.“

Er zog ihr Höschen komplett herunter, bis es nur noch an einem Bein baumelte. Das hatte etwas Obszönes an sich und fühlte sich einfach falsch an. So schnell konnte Sadie gar nicht gucken, wie er das Kondom über sein Geschlecht gestülpt hatte und komplett auf ihr lag. Sie hatte keine Zeit, darüber nachzudenken, dass sein Penis groß war und sie keinen Schimmer hatte, wie er in sie hineinpassen sollte.

„Es tut nur am Anfang weh“, versprach er und drang mit einem festen Stoß in sie ein, der ihr Tränen in die Augen trieb. Kurz verharrte er, bevor er anfing sich zu bewegen. Zuerst langsam und dann immer schneller, während Sadie nur an die stuckverzierte Decke starren konnte. So fühlte sich also Sex an. Wenn dies das tolle Erlebnis sein sollte, von dem alle Welt sprach, hatte sie kein Bedürfnis, das zu wiederholen.

Rick keuchte laut an ihrem Ohr. Grob umfassten seine Hände ihre Brüste, die er aus dem Kleid gezwängt hatte, ohne sich die Mühe zu machen, es ihr vorher auszuziehen.

Ständig wiederholte er, wie eng sie war und dass er gleich „so hart komme, wie schon lange nicht mehr“.

Was auch immer das zu bedeuten hatte.

„Mmh … ja … ja“, stöhnte er laut und verharrte anschließend reglos auf ihrem steifen Körper. Er schöpfte Atem und sah sie lächelnd an. Nicht verliebt oder tief berührt, sein Blick hatte etwas Triumphierendes. Etwas, das Sadie überhaupt nicht nachvollziehen konnte und sie verwirrte.

„Beim nächsten Mal wird es besser“, sagte er, streifte das Kondom ab, knotete es zusammen und steckte es in die Hosentasche.

„Ich hab einen Mülleimer“, meinte sie trocken.

Er grinste. „Wir wollen weder die Haushälterin noch deine Eltern auf den Plan rufen, oder?“

Damit hatte er nicht ganz unrecht. Nicht auszudenken, was ihre Eltern sagen würden. Bestimmt würden sie Rick anzeigen. Sie nickte also zustimmend. „Du bleibst noch, oder?“

„Süße, ich muss los. Bin mit Mike zum Footballspielen verabredet. Ich rufe dich an.“ Er beugte sich zu ihr hinunter, küsste sie knapp, und dann hörte sie die Tür ins Schloss fallen. Er hatte nicht mal gefragt, ob sie ihn begleiten wollte oder ob es ihr gut ging.

Sadie blinzelte. Einmal. Zweimal. Und schon liefen die Tränen an ihren Wangen hinunter. Was war heute Abend schiefgelaufen? Sie hatte das doch alles haargenau geplant. Das war nicht der Rick Johnson, den sie kannte und mochte. Er war anders. Ein Fremder.

Wie auf Autopilot stand sie auf, zuckte vor Schmerz zusammen und gleich darauf noch einmal, als sie das Blut auf der weißen Ledercouch entdeckte. Weitere Tränen liefen hinunter.

Sie holte einen feuchten Lappen aus der Küche, schrubbte das Blut wie eine Verrückte weg, heulte weiter und beschloss, zum Footballfeld zu gehen, um Rick … Ja, um was, Sadie Snow? Ihn zur Rede zu stellen? Den Sex zu wiederholen? Sich vor seinen Freunden zur Idiotin zu machen?

***

Das kleine Stadion von Blackwood lag eine halbe Stunde Fußmarsch von ihrem Zuhause entfernt. Sadie hatte zwar ein Auto in der Garage, aber noch keinen Führerschein. Nach wenigen Schritten schmerzten ihre Füße. Sie fror, obwohl es Sommer war. Es war bereits dunkel, und obgleich sie ihren Heimatort wie ihre Westentasche kannte, fühlte sie sich unbehaglich, so allein da draußen. Der Abend hätte vollkommen anders ablaufen sollen. Sie verstand es einfach nicht. Erneut stellte sie sich die Frage, was schiefgelaufen war. Lag es an ihr? Hatte er sich gelangweilt? Es war das erste Mal für sie gewesen, mit ein bisschen Übung konnte sie besser werden. Das würde sie Rick auch sagen. Er durfte sie nicht verlassen. Nicht deswegen.

Sadie sah schon den Eingang vom Stadion, der immer offen war, damit die Einwohner Blackwoods, hauptsächlich die männlichen, Football spielen konnten. Das war eine Maßnahme des Bürgermeisters, um die Jungs vom Blau- und die Mädchen vom Rotlicht fernzuhalten.

Lautes Gelächter ertönte, und sie zog sich in die tiefen Schatten der Bäume und Büsche zurück, als sie sich dem Lärm näherte.

Einige Teenager kamen heraus, darunter Fredericka Smith und Rick. Seine Hand lag auf ihrem Po, während er sie hinterm Ohr küsste. Sadie hielt sich den Mund zu. Ihr Magen rebellierte.

„Wenn ich nicht von der Wette gewusst hätte, wäre ich glatt eifersüchtig“, meinte Fredericka und strich sich das mausbraune Haar aus dem Gesicht. „Und sie hat nichts gemerkt?“

Einige lachten, während Rick antwortete: „Nein, Babe, du hättest ihren Gesichtsausdruck sehen sollen.“

Mike Miller, den Sadie immer nett gefunden hatte, sagte: „Es war ihr erstes Mal, und du hast weniger als eine Stunde gebraucht. Zu allem Überfluss hast du das Kondom mitgenommen. Was für ein Gesicht sollte sie denn deiner Meinung nach machen?“

Fredericka funkelte ihn böse an. „Hast du etwa Mitleid mit der Kleinen?“

Mike zuckte mit den Schultern. „Sie hat euch nie was getan, oder?“

„Sie stolziert herum und macht einen auf schüchtern“, entgegnete Fredericka, „ruht sich auf dem Geld ihrer Eltern aus und gibt damit an, was sie alles Schönes besitzt. Ich finde, sie hat es durchaus verdient, mal von ihrem hohen Ross runterzukommen.“

„Das habt ihr ja jetzt geschafft“, sagte Mike angewidert und schüttelte den Kopf.

„Hier, deine hundert Mäuse.“ Ein anderer Junge, den Sadie nicht kannte, drückte Rick Geld in die Hand. Und selbst wenn sie sich während des Gesprächs noch vorgelogen hatte, dass dies nicht wirklich passierte, wurde es ihr mit einem Mal klar.

Rick hatte sie entjungfert. Für Geld. Er war mit Fredericka zusammen und hatte Sadie nur ausgenutzt. Die Erkenntnis schmerzte, und ihr Herz drohte, aus der Brust zu springen. Sie kauerte sich zwischen den Büschen zusammen und presste sich weiterhin die Hand auf den Mund, um nicht laut zu schluchzen. Sie würde niemandem die Genugtuung gönnen, sie in diesem Zustand zu sehen.

„Komm, Babe“, schnurrte Rick gerade und nahm Frederickas Hand. „Nach diesem Jungfrauen-Fick brauche ich was Anständiges.“

Sie lachte gackernd, und die Gruppe löste sich auf.

Sadie ging zu der einzigen Person, der sie noch vertraute. Callie. Sie wählte mit dem Mobiltelefon ihre Nummer.

„Ich bin zu Hause, komm her“, sagte ihre beste Freundin ohne Umschweife. Als hätte sie es geahnt. Was wohl auch so war, denn hatte sie Sadie nicht gewarnt? War sie die Einzige, die blind in Bezug auf Rick gewesen war?

Callies Familie wohnte nur wenige Minuten vom Stadion entfernt. Sie hatten eine schöne Villa. Modern und doch passend für diese Kleinstadtidylle.

Die Tür öffnete sich, ohne dass Sadie klingeln musste, und in Erwartung von Callie warf sie sich blind vor Tränen und ohne nachzudenken in die Arme der Person.

„Das ist mal eine nette Art, Hallo zu sagen.“

Erschrocken fuhr Sadie zusammen und blickte in die blauen Augen von Lucas Valentine. Sie kannte ihn. Natürlich tat sie das! Wer nicht? Er war sexy – die Worte anderer Mädchen, nicht ihre. Jede wollte ihn haben, aber nur ein paar konnten behaupten, ihn tatsächlich gehabt zu haben. Allerdings gehörte sie zu der Sorte Mädchen, die ihn aus der Ferne anhimmelten und die er niemals bemerken würde. Er stand nicht auf unscheinbare Girlies, die rosa Kleidchen trugen und Teeniezeitschriften lasen. Die Liste seiner Eroberungen war der Beweis. Diese Mädchen hätten allesamt Models sein können.

Bei ihrem Anblick zog er die Augenbrauen zusammen. Garantiert sah sie fürchterlich aus. „Ist alles in Ordnung mit dir?“