Definitheit im Deutschen und im Chinesischen - Tingxiao Lei - E-Book

Definitheit im Deutschen und im Chinesischen E-Book

Tingxiao Lei

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Beschreibung

Definitheit ist ein Begriff, der in der Sprachwissenschaft eng mit der Verwendung des Artikels verbunden ist. Es ist jedoch umstritten, welche Rolle Definitheit in Sprachen ohne Artikel spielt. In ihrem Band geht die Autorin von dem semantisch-pragmatischen Konzept der Identifizierbarkeit aus, das in Sprachen mit Artikel als Definitheit grammatisch realisiert wird, aber auch in artikellosen Sprachen zum Ausdruck kommt. Vor diesem Hintergrund untersucht sie für das Chinesische, wie tragfähig die bisherigen Annahmen zur Markierung von Definitheit überhaupt sind und wie Sprecher die Identifikation des gemeinten Referenten durch den Hörer sicherstellen bzw. wie Hörer den intendierten Referenten identifizieren, wenn Identifizierbarkeit nicht eindeutig markiert wird.

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Seitenzahl: 278

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Tingxiao Lei

Definitheit im Deutschen und im Chinesischen

Narr Francke Attempto Verlag Tübingen

 

 

© 2017 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen www.francke.de • [email protected]

 

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

E-Book-Produktion: pagina GmbH, Tübingen

 

ePub-ISBN 978-3-8233-0049-6

Inhalt

Danksagung1 Einleitung1.1 Gegenstand1.2 Aufbau der Arbeit1.3 Quellen der Beispiele sowie Angaben zum Transkriptionssystem2 Definitheit und verwandte Konzepte2.1 Referenz2.1.1 Referentielle und nicht-referentielle NPn2.1.2 Nicht-referentielle NPn im Deutschen2.1.3 Nicht-referentielle NPn im Chinesischen2.2 Spezifizität2.3 Generizität2.3.1 Generische NPn und generische Sätze2.3.2 Generische NPn im Deutschen und im Chinesischen2.4 Definitheit2.4.1 Verwendungsweisen des definiten Artikels2.4.2 Was ist Definitheit?2.5 Fazit3 Definitheit im Deutschen3.1 Definiter Artikel3.2 Demonstrativdeterminativ3.2.1 Gebrauchskontexte von Demonstrativa3.2.2 Unterscheidung zwischen definitem Artikel und Demonstrativdeterminativ3.3 Possessivdeterminativ3.4 Quantifizierende Determinative all- und jed-3.5 Exkurs: Der indefinite Artikel3.5.1 Der kategoriale Status von ein3.5.2 Ein auf dem Weg der Grammatikalisierung3.6 Fazit4 Definitheit im Chinesischen4.1 Der aktuelle Forschungsstand4.1.1 Li & Thompson (1975, 1978, 1981)4.1.2 Y.-Z. Shi (2002)4.1.3 LaPolla (1990, 1995)4.1.4 Chen (2004)4.2 Wortstellung und Definitheit4.2.1 Informationsstruktur4.2.2 Positionen, die definite/indefinite NPn präferieren4.3 Fazit5 NP-Formen im Chinesischen und Definitheit5.1 NPn mit Demonstrativa5.1.1 Gebrauchsweisen von Demonstrativa im Chinesischen5.1.2 Artikelähnliche Verwendungen von Demonstrativa5.2 NPn mit Pers+de5.3 Allquantifizierte NPn5.4 Yi+Kl+N5.4.1 Verwendungsweisen von yi5.4.2 Yi+Kl+N, das als definit interpretiert wird5.5 Indeterminierte NPn5.5.1 Bloße NPn5.5.2 Num+Kl+N5.6 Fazit6 Empirische Untersuchung6.1 Pers+de+N und Poss+N6.1.1 Gebrauchskontexte von Pers+de6.1.2 Belege für possessive NPn im Ausgangstext6.1.3 Belege für Poss+N in der Übersetzung6.2 Dem+Kl+N und Dem+N6.2.1 Belege für Dem+Kl+N im Ausgangstext6.2.2 Belege für Dem+N im Zieltext6.3 Yi+Kl+N und ein+N6.3.1 Yi+Kl+N, das auf identifizierbare Entitäten referiert6.3.2 Belege für ein+N und ihre Entsprechungen im Ausgangstext6.4 Num+Kl+N6.5 Fazit7 SchlusswortAbkürzungsverzeichnisAngaben zu Autor, Titel und Übersetzung der einzelnen KorpustexteLiteraturverzeichnis

Danksagung

Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2016 von der Fakultät für Philologie der Ruhr-Universität Bochum als Dissertation angenommen. Für die Publikation wurde die Arbeit geringfügig überarbeitet.

An dieser Stelle möchte ich mich herzlich bei allen Personen und Institutionen bedanken, die mich im Forschungsprozess begleitet und gefördert haben:

Mein Dank gilt an erster Stelle meiner Doktormutter Frau Prof. Dr. Karin Pittner für die freundliche Überlassung des Themas, für die hervorragende und stets engagierte wissenschaftliche Betreuung und den immerwährenden und inspirierenden Optimismus auch in schwierigen Phasen dieser Arbeit.

Zudem danke ich Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Heinz H. Menge für die hilfsbereite und wissenschaftliche Betreuung als Zweitgutachter. Seine Anmerkungen und kritischen Kommentare haben zum guten Gelingen dieser Arbeit beigetragen.

Herrn Thomas Beckmann danke ich für das sorgfältige Korrekturlesen und für vielfältige Anmerkungen und Hinweise.

Mein besonderer Dank gebührt Herrn Tillmann Bub für die ausgezeichnete redaktionelle Betreuung des Publikationsprozesses.

Bei dem China Scholarship Council bedanke ich mich herzlich für die finanzielle Förderung über die gesamte Entstehungszeit der Dissertation. Weitere Unterstützung lieferte die VG Wort, indem sie einen großzügigen Druckkostenzuschuss für die Publikation des vorliegenden Buches gewährte.

Schließlich und nicht zuletzt möchte ich meinem Mann Yingbin ganz herzlich danken – dieser Dank gilt nicht nur seinen wertvollen Hinweisen und Ratschlägen für die Bearbeitung meines Themas, sondern auch seiner unermüdlichen Unterstützung während der gesamten Promotionszeit.

1 Einleitung

1.1Gegenstand

Definitheit ist ein Begriff, der in den Sprachwissenschaften eng mit der Verwendung des Artikels verbunden ist. In Artikelsprachen werden Nominalphrasen (im Folgenden abgekürzt als NP) mit definitem oder indefinitem Artikel als prototypische Beispiele für definite und indefinite NPn angesehen. Es ist jedoch umstritten, welche Rolle Definitheit in Sprachen ohne Artikel spielt bzw. wie sie ausgedrückt wird. Es ist zu bemerken, dass im Chinesischen eine starke Tendenz besteht, dass das Subjekt definit und das Objekt indefinit ist (Chao 1968). Diese Beobachtung hat zu der Annahme geführt, dass das Fehlen des Artikels im Chinesischen durch Variation in der Wortstellung kompensiert wird, und zwar wird Wortstellung zum Ausdruck von Definitheit verwendet (Li & Thompson 1975, 1978, 1981, im Folgenden als L&T abgekürzt, Shi 2002). Diese Auffassung ist heute allgemein verbreitet, obwohl LaPolla in seiner Dissertation im Jahr 1995 bereits darauf hingewiesen hat, dass die von Chao (1968) beschriebene Tendenz ein Nebeneffekt der Informationsstrukturierung ist. Ein weiteres Mittel, das beim Ausdruck von Definitheit eine wichtige Rolle spielt, sind „Determinative“. Es ist oft zu lesen, dass Demonstrativa, Pers+de sowie yi(+Kl) im Chinesischen Determinativen im Englischen ähneln und eine definite/indefinite Interpretation bewirken. Es wird vielfach versucht, den Zusammenhang zwischen Wortstellung, Determinativen und Definitheit zu beschreiben und daraus Gesetzmäßigkeiten abzuleiten.

Der Ausgangspunkt dieser Arbeit ist zunächst: Definitheit ist als grammatische Kategorie in Sprachen ohne Artikel nicht vorhanden. Dagegen kann Identifizierbarkeit, die ein semantisch-pragmatisches Konzept darstellt und in Sprachen mit Artikel als Definitheit grammatisch realisiert wird, in allen Sprachen zum Ausdruck kommen. Vor diesem Hintergrund ist es von besonderem Interesse, wie Identifizierbarkeit im Chinesischen ausgedrückt wird. Es ist jedoch unmöglich, diese Frage im Rahmen einer einzelnen Arbeit zu beantworten. In der vorliegenden Arbeit rücken folgende Punkte in den Fokus der Untersuchung:

In der Literatur wird vertreten, dass bestimmte syntaktische Positionen eine Präferenz für definite oder indefinite NPn aufweisen. Es lässt sich jedoch fragen, ob diese Präferenz auf Definitheit zurückzuführen ist.

Auch wird behauptet, dass Demonstrativa und Pers+de im Chinesischen Definitheit induzieren, während yi(+Kl) eine indefinite Interpretation bewirkt, genau wie die entsprechenden Formen im Deutschen. In der vorliegenden Arbeit wird untersucht, inwiefern diese Aussage zutrifft oder nicht zutrifft.

Bekommt der Hörer im Chinesischen Hinweise, um aus der Menge möglicher Referenten einer NP den in der jeweiligen Situation gemeinten Referenten auszuwählen? Wenn ja, welche Hinweise sind das?

Ziel der Arbeit soll sein, die in der Literatur vertretenen Meinungen zu überprüfen und sie um neue Erkenntnisse zu erweitern. Definitheit wird hier aus einer sprachvergleichenden Perspektive untersucht, und zwar aus folgenden Überlegungen heraus: Zuerst ist Definitheit im Deutschen relativ gut erforscht und die dabei gewonnenen Erkenntnisse können wesentlich zum Verständnis von Definitheit im Chinesischen beitragen. Außerdem werden durch den Vergleich mit der deutschen Sprache die Besonderheiten der chinesischen Sprache sichtbar. Ferner wird stets nach Erklärungen gesucht, die nicht nur einzelsprachlich, sondern sprachübergreifend gelten.

1.2Aufbau der Arbeit

Der Aufbau dieser Arbeit gliedert sich in 7 Kapitel, die zunächst zusammenfassend dargestellt werden:

In Kapitel 2 werden der Begriff Definitheit sowie die mit ihm verwandten Konzepte Referenz, Spezifizität und Generizität erläutert, um terminologische Verwirrungen zu vermeiden und eine theoretische Basis sicherzustellen. In Abschnitten 2.1 bis 2.3 werden zuerst die zugrundeliegenden Theorien kurz dargelegt, dann wird versucht, präzise Kriterien für die Analyse und Interpretation von NPn im Deutschen und Chinesischen aufzustellen, damit die Analyse strukturiert und effektiv durchgeführt wird. In Abschnitt 2.4 wird der zentrale Begriff Definitheit abgegrenzt. Es wird zunächst auf die Verwendungsweisen des definiten Artikels eingegangen, die die Basis von Definitheitstheorien bilden. Dann werden einige Theorien zur Definitheit vorgestellt, die unterschiedliche Gebrauchsweisen des definiten Artikels als Ausgangspunkt wählen.

Kapitel 3 bietet einen Überblick über unterschiedliche Formen von definiten und indefiniten NPn im Deutschen. Im Deutschen wird Definitheit bei NPn mit nominalem Kern (engl. full noun phrases) immer durch definite Determinative markiert, während Indefinitheit einfach durch die Abwesenheit dieser Determinative zum Ausdruck kommt. In diesem Kapitel stehen die Gebrauchsweisen von Determinativen (definiter Artikel, Demonstrativa, Possessiva, Allquantoren, indefiniter Artikel) im Mittelpunkt. Es soll die Frage beantwortet werden, wie sie mit Definitheit bzw. Indefinitheit verknüpft sind.

In Kapitel 4 werden bisherige Forschungsergebnisse zur Untersuchung von Definitheit im Chinesischen kritisch dargestellt und somit Probleme der Diskussion offen gelegt. Es wird oft die These vertreten, dass Definitheit im Chinesischen durch Wortstellung markiert wird. Als Argument wird angeführt, dass einige syntaktische Positionen eine Präferenz für definite oder indefinite NPn aufweisen. In diesem Kapitel soll gezeigt werden, dass diese Präferenz nicht auf Definitheit zurückzuführen ist, sondern auf das Zusammenwirken von mehreren Faktoren wie z.B. Informationsstruktur, Aspekt, Verbalcharakter usw.

In Kapitel 5 wird ermittelt, wie NPn unterschiedlicher Formen im Chinesischen bezüglich des Merkmals identifizierbar/nicht-identifizierbar interpretiert werden. Dabei erfolgt eine kritische Betrachtung der bisherigen Forschungsergebnisse und sie werden um eigene Ideen ergänzt. Die hier vorgestellten Zwischenergebnisse sollen anhand eines Übersetzungskorpus überprüft und um neue Erkenntnisse ergänzt werden.

Im 6. Kapitel wird eine sprachvergleichende Analyse mit Blick auf die obengenannten Fragen durchgeführt. Die Analyse stützt sich auf ein selbst erstelltes Korpus von 40 Artikeln der Online-Zeitschrift des Goetheinstituts, die ursprünglich auf Chinesisch verfasst und dann ins Deutsche übersetzt wurden.1 Die Untersuchung geht so vor, dass zuerst nach Pers+de+N, Dem+Kl+N, yi+Kl+N im chinesischen Ausgangstext und nach den entsprechenden Formen im deutschen Zieltext (nämlich Poss+N, Dem+N, ein+N sowie ihren verschiedenen Kasusformen) gesucht wird. Dann werden die Ergebnisse miteinander verglichen, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Sprachen bezüglich des Merkmals „Definitheitsinduktion“ zu bestimmen. Zum Schluss wird versucht, mögliche Ursachen für die Unterschiede zu bestimmen.

In Kapitel 7 sind einige persönliche Bemerkungen und Anregungen für weitere Untersuchungen enthalten.

1.3 Quellen der Beispiele sowie Angaben zum Transkriptionssystem

Die vorliegende Arbeit basiert auf Materialien aus verschiedenen Quellen:

Beispiele aus Korpora, zu denen

das selbst erstellte Korpus

das Deutsche Referenzkorpus (DeReKo) des Mannheimer Instituts für Deutsche Sprache sowie

das Korpus des Centers for Chinese Linguistics, Peking University (im Folgenden als CCL-Korpus bezeichnet) gehören;

Beispiele, die aus anderen Arbeiten übernommen werden;

selbst konstruierte Beispiele.

Chinesische Sätze werden in Pinyin-Umschrift angeboten, wobei die Bezeichnung der Töne einfachheitshalber weggelassen wird.1 Als nächstes kommt die Wort-für-Wort Übersetzung und anschließend die Übertragung ins Deutsche. Um dem Leser dieser Arbeit das Erkennen des Zusammenhangs des einzelnen Zeichens zu erleichtern, werden die jeweils fraglichen chinesischen NPn sowie ihre deutsche Entsprechung durch Unterstreichung gekennzeichnet.

Beispiele aus englischer Literatur werden in ihrer Originalform zitiert (Lautschrift, englische Wort-für-Wort Übersetzung, Übertragung ins Englische). Beispiele aus meinem chinesisch-deutschen Übersetzungskorpus werden von mir in die Pinyin-Umschrift übertragen. Beispiele aus chinesischer Literatur oder aus dem CCL-Korpus werden von mir in die Pinyin-Umschrift transkribiert und ins Deutsche übersetzt.

2 Definitheit und verwandte Konzepte

Vorab ist zu bemerken, dass der Begriff Definitheit sowie die verwandten Konzepte Referenz, Spezifizität und Generizität in der Literatur nicht immer eindeutig geklärt und auch extrem uneinheitlich verwendet werden. Das führt dazu, dass die Ergebnisse einzelner Studien schwer vergleichbar sind. In diesem Kapitel werden die genannten Begriffe erläutert, um terminologische Verwirrungen zu vermeiden und eine theoretische Basis sicherzustellen. Außerdem wird versucht, präzise Kriterien für die Analyse und Interpretation von NPn im Deutschen und Chinesischen aufzustellen, damit die Analyse strukturiert und effektiv durchgeführt werden kann.

2.1Referenz

Unter Referenz verstehe ich in Anlehnung an Lehmann (2015:2) die Operation, die eine Entität, Referent genannt, im Redeuniversum durch einen Ausdruck in einem Text evoziert. Ein sprachlicher Ausdruck referiert nicht auf einen Gegenstand in der physikalischen Welt (Denotat), sondern auf mentale Objekte im Redeuniversum (Referent). Das Redeuniversum ist ein mentaler Raum, den die Gesprächspartner in einer bestimmten Sprechsituation schaffen und entwickeln. Grob gesagt ist es die Schnittmenge des Bewusstseinsinhalts der Gesprächspartner (2015:7). Ob Referenten realexistente Objekte (Denotat) repräsentieren, ist für die Struktur und Bedeutung sprachlicher Äußerungen und Systeme irrelevant. In dieser Arbeit wird der Begriff der Referenz nur auf NPn eingeschränkt gebraucht.

Das Kapitel 2.1 gliedert sich wie folgt: Abschnitt 2.1.1 befasst sich mit der Unterscheidung zwischen referentiellen und nicht-referentiellen NPn, die für die vorliegende Arbeit besonders relevant ist, weil das Merkmal [+/-definit] dem Merkmal [+referentiell] untergeordnet ist. Dabei werden die übrigen in der Literatur entwickelten Kriterien zur Unterscheidung der beiden Typen von NPn in Betracht gezogen und auf ihre Gültigkeit überprüft. In 2.1.2 und 2.1.3 werden die Haupttypen von nicht-referentiellen NPn im Deutschen und Chinesischen kurz vorgestellt.

2.1.1 Referentielle und nicht-referentielle NPn

Unter dem Begriff „referentiell“ wird oft sehr Unterschiedliches verstanden.1 In der sprachphilosophischen Literatur werden referentielle NPn in Opposition zu den sogenannten attributiven NPn gesetzt:

Nach Donnellan (1966) hat der Satz zwei Lesarten: Eine referentielle (engl. referential), wenn der Sprecher genau weiß, wer der Mörder ist und mit der NPSmith’s murderer auf diese Person referiert; eine nicht-referentielle (engl. attributiv), wenn der Sprecher nicht weiß, wer Smith getötet hat. In der attributiven Lesart referieren die NPn nicht, sondern beschreiben nur, was für ein Individuum unter die Beschreibung der NP fällt. Ob eine definite NP referentiell oder nicht-referentiell verwendet wird, ist nach Donnellan (1966:297) „a function of the speaker’s intentions in a particular case“. Die Gegenüberstellung referentiell/attributiv entspricht ungefähr der Unterscheidung in spezifisch/nicht-spezifisch und wird oft unter dem Begriff der Spezifizität behandelt. Nach Vater (2005:101) ist der Terminus „(nicht) referentiell“ für die von Donnellan beschriebene Opposition nicht zutreffend, weil „auch beim ,attributiven‘ Gebrauch einer NP Existenz präsupponiert wird, nur nicht in der realen (zur Zeit der Äußerung gegenwärtigen) Welt, sondern in einer möglichen (bzw. zukünftigen) Welt.“ Nach ihm ist die prädikative NP ein prototypisches Beispiel für nicht-referentielle NPn (von ihm als „nicht-referierend“ bezeichnet). Die prädikative NP denotiert eine Eigenschaft (Qualität) und trägt vor allem zur Beschreibung des Referenten der Subjekt-NP bei, weshalb sie auch als qualitative NP bezeichnet wird. Diese Ansicht wird in der sprachwissenschaftlichen Literatur (z.B. Kuno 1970; Leys 1973; Vater 1979, 2005; Du Bois 1980) auf breiter Ebene geteilt. In dieser Arbeit wird der Begriff „(nicht) referentiell“ im Sinne von Vater verwendet, während die Opposition referentiell/attributiv im Sinne von Donnellan mit der Unterscheidung in (epistemisch) spezifisch/nicht-spezifisch gleichgesetzt wird.

Für die Forschung über Definitheit ist eine klare Unterscheidung zwischen referentiell und nicht-referentiell besonders wichtig, weil die Opposition definit/indefinit bei nicht-referentiellen NPn neutralisiert wird:

Bei referentiellen NPn erfüllen Artikel bestimmte pragmatische Funktionen: Wenn die Katze des Sprechers davongelaufen ist, wird er zu seiner Frau 3a sagen, bei Fremden auf der Straße 3b benutzen. Durch Verwendung unterschiedlicher Artikel wird signalisiert, dass der Sprecher unterschiedliche Erwartungen über das Hörerwissen hat. Wenn er annimmt, dass der Hörer den intendierten Referenten identifizieren kann, verwendet er den definiten Artikel, anderenfalls würde er auf den indefiniten Artikel zurückgreifen. Dagegen sind Artikel bei nicht-referentiellen NPn außer Markierung der morphologischen Eigenschaften „funktionslos“.

In der Literatur werden verschiedene Kriterien zur Identifizierung von nicht-referentiellen NPn entwickelt, die teilweise zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen führen und deswegen einer näheren Betrachtung bedürfen.

Kriterium 1: Nicht-referentielle NPn können nicht anaphorisch aufgegriffen werden (Kuno 1970, Leys 1973, Bausewein 1990, Bosch 2010):

Dieses Kriterium geht davon aus, dass qualitative NPn keine Existenz von Referenten präsupponieren. Deswegen kann zu ihnen keine anaphorische Verbindung hergestellt werden. Die NPein Arzt in 4b dient nicht dazu, einen neuen Referenten in den Diskurs einzuführen, sondern dazu, einen schon in den Diskurs eingeführten Referenten (sein Vater) näher zu bestimmen. Bei der Anwendung dieses Kriteriums sind zwei Aspekte besonders zu beachten: Erstens soll festgestellt werden, ob zwischen zwei NPn tatsächlich Koreferenz besteht:

Lambrecht (1994) betrachtet die NPArzt im Antwortsatz als referentiell, wofür er zwei Argumente anführt: Zum einen ist die NP „an anaphoric topic expression“, zum anderen kann die NP durch das Demonstrativpronomen das ersetzt werden. Dagegen ist kritisch einzuwenden, dass direkte Anaphorik nicht auf Formidentität, sondern auf Referenzidentität beruht. Bei 5 geht es darum, ob „er“ die Eigenschaft „als Arzt tätig sein“ besitzt. Mit der NPArzt wird kein neuer Referent in den Diskurs eingeführt. Außerdem werden referentielle NPn im Deutschen je nach Genus pronominalisiert. Um auf eine maskuline NP im Singular Bezug zu nehmen, sollte das Pronomen der verwendet werden, nicht aber das neutrale das. Im Gegensatz dazu können artikelose NPn und Adjektive, die als Prädikativ fungieren, nur durch neutrale Pronomen (es/das/dies) ersetzt werden. Zweitens stellt die anaphorische Zugänglichkeit eine hinreichende, jedoch keine notwendige Bedingung für Referenzidentität dar: NPn, die anaphorisch aufgreifbar sind, sind referentiell. Umgekehrt gilt aber nicht: NPn, die referentiell sind, sind nicht immer anaphorisch zugänglich. Beispielsweise kann eine nicht-spezifische NP nicht mit einem Pronomen wieder aufgenommen werden, außer wenn das Pronomen in einem modalen Kontext steht (s. Abschnitt 2.2).

Kriterium 2: Belebte, nicht-referentielle NPn lassen sich nur mit was erfragen, belebte referentielle NPn dagegen mit wer/wen (Kuno 1971, Leys 1973):

Dieses Kriterium kann nur dann herangezogen werden, wenn die betreffende NP erfragbar ist. Viele nicht-referentielle NPn sind aber nicht allein erfragbar, weil sie Teil eines komplexen Prädikats ist.

Kriterium 3: Nicht-referentielle NPn können keine Attribute zu sich nehmen (Leys 1973, Bausewein 1990, Bosch 2010):

Aber es scheint doch Ausnahmen zu geben, etwa NPn, die als Prädikativ fungieren:

Obwohl die NPein Arzt in 8a keinen Referenten hat, kann sie durch Adjektive und Relativsätze erweitert werden. Dann denotiert die gesamte NP eine komplexe Eigenschaft.

Kriterium 4: Der Numerus von qualitativen NPn kann nicht verändert werden (Du Bois 1980, Bausewein 1990:63):

Qualitative NPn denotieren Eigenschaften und können deswegen nicht gezählt werden (9a, b). Aber wenn sie als Prädikativ fungieren, müssen sie in der Regel in Numerus mit zusammenhängenden NPn kongruieren (9c).

Kriterium 5: Nicht-referentielle NPn sind nicht sensibel gegenüber Vorerwähnung (von Du Bois als „nonresponsiveness to prior mention“ bezeichnet).

Damit wird implizit unterstellt, dass referentielle NPn bei der zweiten Erwähnung als definit markiert werden sollten: „The forester and the mile, which would ordinarily be expected after prior mentions, are not appropriate in these examples.“ (Du Bois 1980:211). Diese Aussage hilft jedoch nicht bei der Unterscheidung, weil referentielle NPn gegenüber Vorerwähnung auch nicht sensibel sein können:

Die NPein Auto ist zweimal vorgekommen und beim zweiten Vorkommen nicht als definit markiert. Der Grund besteht darin, dass die beiden NPn nicht referenzidentisch sind. Ob eine NP als definit markiert wird, hängt nicht davon ab, ob die NP (die Form) schon vorgekommen ist, sondern davon, ob der betreffende Referent vorerwähnt ist.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es kein brauchbares Kriterium gibt, um nicht-referentielle NPn von referentiellen eindeutig zu unterscheiden. Aber je mehr Kriterien eine NP erfüllt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie qualitätsbezogen ist. Mit einer referentiellen NP wird entweder ein neuer Referent in den Diskurs eingeführt oder auf einen bereits eingeführten Referenten Bezug genommen. Dagegen denotieren qualitative NPn Eigenschaften und dienen dazu, einen anderen Referenten näher zu bestimmen.

2.1.2Nicht-referentielle NPn im Deutschen

In diesem Abschnitt werden NPn im Deutschen, die in der Literatur als nicht-referentiell bezeichnet werden, anhand der oben angeführten Kriterien überprüft. Nach näherer Betrachtung ist festzustellen, dass prädikative NPn (in Form von bloßen NPn und NPn mit indefinitem Artikel), inkorporierte Objekte, NPn in Funktionsverbgefügen und in idiomatischen Wendungen sowie die sogenannten schwachen Definita die Haupttypen von nicht-referentiellen NPn im Deutschen darstellen.1

2.1.2.1Prädikative NPn

Prädikative NPn treten in Kombination mit Kopula- oder kopulaähnlichen Verben auf. Prädikative, die mit Verben wie sein, werden, heißen, bleiben, gelten als usw. zusammen vorkommen, beziehen sich auf die entsprechenden Subjekte und werden als Subjektsprädikative bezeichnet. Demgegenüber beziehen sich Prädikative, die bei Verben des Benennens, Bezeichnens und Einschätzens auftreten (nennen, heißen, schimpfen, taufen; halten, erklären für; bezeichnen, betrachten, einschätzen, bewerten als usw.), auf die jeweiligen Akkusativobjekte und werden Objektsprädikative genannt (Bausewein 1990:250).

Auch NPn nach als oder wie, die nicht valenzabhängig sind und frei hinzutreten, werden in dieser Arbeit als Prädikative angesehen:1

Es ist darauf hinzuweisen, dass nicht alle prädikativen NPn qualitätsbezogen sind, z.B. Eigennamen sowie NPn mit definiten Determinativen:

Sätze wie 15a und b werden oft als äquative Kopulasätze bezeichnet. Äquative Kopulasätze charakterisieren sich dadurch, dass die Subjekt- und die Prädikativ-NP gegenseitig austauschbar sind. Die Funktion solcher Sätze besteht darin, die Referenten der beiden NPn miteinander zu identifizieren (J. Lyons 1977:185).

Wie Prädikative können Appositionen referentiell oder qualitativ sein. Während Appositionen in 16a und b eine Eigenschaft des Bezugsnomens repräsentieren, sind die in 16c und d referenzidentisch mit dem Bezugsnomen.

2.1.2.2Inkorporierte Objekte

Mit Inkorporation wird ein Wortbildungsprozess bezeichnet, bei dem Akkusativobjekts-NPn oder NPn mit instrumentaler und lokaler Bedeutung zusammen mit dem Verb ein neues Verb bilden (Bausewein 1990:65).1

Bei einer Inkorporation liegt ein Verlust an Referenzfähigkeit gegenüber einer parallelen syntaktischen Struktur vor. Das zeigt sich darin, dass inkorporierte NPn anaphorisch nicht zugänglich sind. Außerdem können sie nicht in den Plural gesetzt werden sowie keine Attribute zu sich nehmen. Inkorporierte NPn verhalten sich mit den entsprechenden Verben in phonologischer und morphologischer Hinsicht wie ein Wort. Sie sind keine Ergänzung mehr, sondern ein Teil des Prädikats.

2.1.2.3NPn in Funktionsverbgefügen und in idiomatische Wendungen

NPn in Funktionsverbgefügen können Objektfunktion erfüllen oder Teil von PPn sein. Sie werden nicht als selbständiges Satzglied betrachtet, weil sie mit anderen Bestandteilen eine semantische Einheit bilden. Das zeigt sich darin, dass sie in der Regel nicht pronominalisierbar und nicht erfragbar sind, außerdem kann ihr Numerus nicht verändert werden (Bausewein 1990:65).

Eine idiomatische Wendung ist eine feste Verbindung mehrerer Wörter zu einer Einheit, deren Gesamtbedeutung sich nicht oder nur teilweise aus der Bedeutung der einzelnen Komponenten ergibt (Bußmann 2008:277).

2.1.2.4Schwache Definita1

Es wird zuerst im Englischen beobachtet, dass manche definite NPn zwei Lesarten zulassen, nämlich eine normale und eine „schwache“. Im Gegensatz zu normalen definiten NPn (engl. regular definites) tragen die schwachen Definita (engl. weak definites) keine Existenz- und Einzigkeitspräsupposition, sie verlangen auch keine Referenzidentifikation. Außerdem ist bei ihnen eine semantische Anreicherung zu beobachten (Carlson & Sussman 2005, Bosch 2013:31):

Die NPthe building in 20b hat nur eine normale Lesart, und zwar wird mit dieser NP auf ein für den Empfänger identifizierbares Gebäude referiert. Dagegen hat 20a zwei Lesarten: Entweder geht John in ein bestimmtes Kino, oder der Satz ist mit der Annahme angereichert, dass John sich einen Film anschaut.

Das Deutsche erlaubt für definite NPn sowohl normale als auch schwache Lesarten, was sich zuerst bei NPn in PPn beobachten lässt (Bosch 2013). Im Deutschen können Präpositionen und definite Artikel zu einem Portmanteau-Morphem verschmelzen, im geschriebenen Hochdeutsch sind am, beim, im, vom, zum, zur, ins, ans, aufs verfügbar. Die PPn, die von Verschmelzungsformen eingeleitet sind, werden als kontrahierte PPn (im Folgenden abgekürzt als kPP) bezeichnet, während diejenigen, die von vollen Formen eingeleitet sind, reguläre PPn (im Folgenden abgekürzt als rPP) genannt werden. Die Interpretationsmöglichkeiten der definiten NPn in PPn werden von Bosch (2013:15–34) wie folgt zusammengefasst:

Erstens, wenn keine Verschmelzungsform verfügbar ist, sind rPPn ambig zwischen normaler und schwacher Lesart:

Bei 21b ist diese Ambiguität deutlich zu erkennen: Wenn die definite NPdem Fahrrad eine normale Lesart hat, müssen Berta und Inka auf demselben Fahrrad sitzen; wenn sie eine schwache Lesart hat, können sie auf unterschiedlichen Fahrrädern sitzen.

Zweitens, wenn eine Verschmelzungsform vorhanden ist, können rPPn nur eine normale Lesart haben:

Drittens, im Deutschen können kPPn gründsätzlich nur eine schwache Lesart haben.2

NPn mit einer schwachen Lesart werden von Cieschinger (2011:15ff.) als nicht-referentiell angesehen, dafür sprechen folgende Beobachtungen: Schwache Definita kennzeichnen sich dadurch, dass sie keine Diskursreferenten präsupponieren:

Außerdem kann mit schwachen Definita nicht auf einen zuvor explizit eingeführten Diskursreferenten Bezug genommen werden:

Ferner verlangen schwache Definita keine Identifizierbarkeit des Referenzobjekts:

Überdies können schwache Definita nicht anaphorisch aufgenommen werden:

Es ist zu betonen, dass das Demonstrativum der und die NP(zu)m Supermarkt in 26b nicht referenzidentisch sind. Der erste Satz in 26b drückt ein Konzept aus, nämlich „einkaufen gehen“. Die NP(zu)m Supermarkt ist kein selbständiges Satzglied, sondern bildet mit anderen Elementen eine semantische Einheit. Das Demonstrativum der sollte im Rahmen dieses Konzepts interpretiert werden, und zwar wird damit auf einen Supermarkt Bezug genommen, der im gemeinsamen Wissen von Sprecher und Hörer existiert.3 Eine weitere Eigenschaft, die schwache Definita mit anderen nicht-referentiellen NPn teilen, ist, dass sie keine Attribute zu sich nehmen können:

Nach Bosch (2011:34ff.) denotieren schwache definite NPn Eigenschaften oder Typen von (abstrakten) Situationen, in denen die physische Identität des Objekts nicht relevant ist. Diese Situationen abstrahieren von allen Unterschieden der konkreten Objekte und heben nur ihre allgemeinste Eigenschaft heraus, die ihnen allen gemeinsam ist.

2.1.2.5Exkurs: Negative Pronomen sowie indefinite NPn im Skopus von negativen Quantoren

Negative Pronomen sowie indefinite NPn im Skopus von negativen Quantoren werden in der Literatur (z.B. Du Bois 1980) häufig als nicht-referentiell betrachtet, weil sie nicht anaphorisch aufgenommen werden können:

In dieser Arbeit werde ich solche NPn aber als referentiell werten. In der Prädikatenlogik sind negative Quantoren eine Kombination aus einem Negationsoperator (¬) und einem Existenzquantor (∃). Ein Satz wie 28a lässt sich paraphrasieren in: ‘Es ist nicht der Fall, dass es ein x gibt, für das gilt: x ist ein Student und x raucht‘. Auch negative Pronomen können paraphrasiert werden, 28b z.B. in: ‚Es ist nicht der Fall, dass es ein x gibt, für das gilt: x liebt Maria.‘ Es wird doch ein Referent im Diskursuniversum etabliert und anschließend wird seine Existenz negiert. Nach dieser Auffassung handelt es sich bei negativen Pronomen sowie indefiniten NPn im Skopus von negativen Quantoren eher um nicht-spezifische NPn, weil der Sprecher keinen bestimmten Referenten im Sinn hat.

2.1.3Nicht-referentielle NPn im Chinesischen

Im Chinesischen sind Personalpronomen, Eigennamen und NPn mit Demonstrativa immer referentiell, während bloße NPn sowie (yi)+Kl+N nicht-referentiell verwendet werden können. Im Folgenden wird versucht, Gebrauchskontexte von nicht-referentiellen NPn zu beschreiben.

2.1.3.1Prädikative NPn

In der chinesischen Grammatik existiert der Begriff „Prädikativ“ nicht. NPn, die die Funktion des Prädikativs erfüllen, werden als Objekt bezeichnet. Sie treten typischerweise mit folgenden Verben zusammen auf (vgl. Chen 1987):

Im Chinesischen wird die prädikative Funktion meistens durch bloße NPn oder yi+Kl+N ‚ein+Klassifikator+N‘ erfüllt:

Eigennamen oder NPn mit Demonstrativa können auch als Prädikative fungieren, sie sind immer referentiell:

2.1.3.2 Objekt-NPn in zweisilbigen Verb-Objekt-Konstruktionen

Unter zweisilbigen Verb-Objekt-Konstruktionen werden solche Konstruktionen verstanden, die aus einem einsilbigen Verb und einem einsilbigen Objekt bestehen:

Diese Konstruktion charakterisiert sich dadurch, dass das Verb und sein Objekt sowohl direkt nebeneinander als auch getrennt voneinander auftreten können. Deswegen werden sie in der chinesischen Grammatik als liheci (wörtlich ‚trennbare zusammengesetzte Wörter‘) bezeichnet. In der Literatur ist umstritten, ob solche Konstruktionen als Komposita oder als Verbalphrasen behandelt werden sollen. Da ihre Abgrenzung zu Verbalphrasen unscharf ist, lässt sich ihr Bestand nicht genau angeben.1

Verb-Objekt-Konstruktionen können in der Regel durch Aspektartikeln (32), Komplemente (chin. buyu) (33a, b), Attribute (35a, b) oder Num+Kl (36a, b) erweitert werden (Q.-H. Yang et al. 1995), außerdem ist es bei meinen Konstruktionen sogar möglich, die Objekt-NP in eine präverbale Position zu verschieben (34).

Aspektpartikeln drücken Aspekte der Handlung aus, z.B. ob sie vollendet ist (die aktuelle Aspektpartikel le) oder in der Vergangenheit schon einmal stattgefunden hat (die experimentale Aspektpartikel guo) oder andauert (die durative Aspektpartikel zhe):

Mit dem Begriff Komplement (chin. buyu) werden im Chinesischen Prädikatergänzungen gemeint. Sie kennzeichnen bei Verben das Resultat, die Richtung, den Grad etc. einer Handlung. Dazu zählen z.B. das Komplement des Resultats wie wan ‚fertig‘ in 33a und das Komplement der Häufigkeit wie z.B. liang ci in 33b:

Wie bereits erwähnt ist es bei manchen Verb-Objekt-Konstruktionen möglich, die Objekt-NP in eine präverbale Position zu verschieben:

Zudem kann die Objekt-NP in bestimmten Konstruktionen durch NPn oder Adjektive modifiziert werden, z.B. yi ge xiaoshi ‚eine Stunde‘ in 35a, da ‚groß‘ in 35b:

Die Objekt-NPn in 35a und b sind nicht erfragbar, obwohl sie durch Attribute erweitert werden können. Man kann nur nach dem gesamten Sachverhalt fragen, nicht aber nach dem scheinbaren Objekt. Das heißt, dass diese NPn mit dem Verb eine Einheit bilden.

Darüber hinaus gibt es Verb-Objekt-Konstruktionen, die sich durch Num+Kl erweitern lassen:

Wenn das Verb und die Objekt-NP direkt nebeneinander stehen, bilden sie zusammen ein Prädikat und die NP ist nicht referentiell. Wenn sie durch die obengenannten Elemente getrennt werden, ist aber eine referentielle Interpretation möglich. Zum Beispiel scheinen 36a und b dieselbe Struktur zu haben, aber die Objekt-NP in 36b ist erfragbar, die in 36a dagegen nicht, wie Beispiele 37a und b zeigen:

Yi ge in 36a erfüllt genauer gesagt die Funktion, das komplexe Prädikat xi zao ‚baden, duschen‘ zu modifizieren. Das lässt sich auch an der deutschen Übersetzung erkennen: Während yi ge ‚ein+Kl‘ in 36a mit dem Adverb einmal übersetzt wird, ist yi zhang ‚ein+Kl‘ in 36b mit dem indefiniten Artikel ein wiedergegeben.

2.1.3.3Sonstiges

Genau wie im Deutschen sind NPn in idiomatischen Wendungen (s. Beispiel 204a und b, Seite 158) sowie NPn, die eine Quantitätsbestimmung enthalten (38a und b) im Chinesischen qualitative Ausdrücke:

2.2Spezifizität

Das Konzept der Spezifizität wird zur Unterscheidung verschiedener Verwendungen oder Lesarten der indefiniten NPn verwendet. In der Literatur wird Spezifizität mit verschiedenen Faktoren in Verbindung gesetzt, z.B. Skopus, Sprecherintention, Diskurskohärenz, Partitivität, Präsuppositionalität, dem Kontrast zwischen schwachen und starken Quantoren, Topikalität oder Diskurseigenschaften wie Topikkontinuität und referentielle Persistenz oder noteworthiness (von Heusinger 2011:996). Von Heusinger (2011) unterscheidet z.B. zwischen 7 Subtypen von Spezifizität, während andere Sprachwissenschaftler nur einige davon unter diesem Begriff subsumieren. Es ist außerdem sehr schwierig, alle Verwendungen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. In dieser Arbeit konzentriere ich mich auf zwei Grundtypen von Spezifizität, denen in der linguistischen Literatur am meisten Aufmerksamkeit geschenkt wird, nämlich die skopale und die epistemische Spezifizität.1 Im Folgenden werden die zwei Arten von Spezifizität anhand von Beispielen vorgestellt, zum Schluss wird das ihr zugrunde liegende Konzept erläutert.

Skopale Spezifizität geht auf die formale Logik zurück und betrifft indefinite NPn in opaken Kontexten und indefinite NPn im Skopus von Quantoren (Farkas 2006).2 Indefinite NPn können weiten oder engen Skopus gegenüber einem Operator annehmen und dementsprechend eine spezifische oder eine nicht-spezifische Lesart bekommen.

Im Falle einer spezifischen Interpretation hat die NPa Norwegian in 39 einen weiten Skopus bezüglich des intensionalen Verbs want, und zwar wird sie unabhängig vom Skopus des Verbs interpretiert. Mit dieser NP referiert der Sprecher auf eine bestimmte Norwegerin, deren Identität dem Sprecher möglicherweise bekannt ist (39a). Die NPa Norwegian kann aber auch im Skopus von want interpretiert werden, das heißt, dass sie einen engen Skopus hat und nicht-spezifisch ist. Dabei meint der Sprecher kein bestimmtes Individuum, sondern irgendeinen Referenten, der die Eigenschaft besitzt, die durch die NP ausgedrückt wird (39b). Bei 40 kann die NPa foreign language weiten Skopus über den Allquantor every haben, und zwar sprechen alle Studenten in dieser Klasse dieselbe Fremdsprache (40a). Diese NP kann aber auch engen Skopus haben, dann besteht eine Kovariation zwischen den gesprochenen Fremdsprachen und den Studenten in dieser Klasse (40b). Wenn die NPa misprint in 41 einen weiteren Skopus als die Negation hat, referiert sie auf einen bestimmten Druckfehler (41a), anderenfalls referiert sie auf irgendeine Entität, die die Eigenschaft besitzt, einen Druckfehler zu sein (41b).

Die epistemische Spezifizität betrifft indefinite NPn in Kontexten ohne Operatoren jeglicher Art und hängt mit der referentiellen Intention des Sprechers zusammen. Wenn der Sprecher einen bestimmten Referenten im Sinn hat, ist die NP spezifisch; wenn er auf irgendein Objekt referiert, auf das der deskriptive Gehalt der NP zutrifft, ist die NP nicht-spezifisch.

Im 42a hat der Sprecher einen bestimmten Referenten im Sinn und macht eine Behauptung über den Referenten. Dagegen behauptet der Sprecher in der nicht-spezifischen Lesart lediglich, dass die Menge von Studenten, die geschummelt haben, nicht leer ist.

Farkas (2006:634) verweist darauf, dass der Kontrast spezifisch/nicht-spezifisch auch bei definiten NPn zu beobachten ist:

Obwohl definite NPn überwiegend den weitesten Skopus haben und nicht skopus-sensitiv sind, können sie auch im Skopus eines Operators interpretiert werden und eine nicht-spezifische Lesart bekommen, z.B. 43a. Da befindet sich die NPthe girl sitting to his right im Skopus des Operators every