Deichmörder - Hendrik Berg - E-Book
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Deichmörder E-Book

Hendrik Berg

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Beschreibung

Ein nordfriesischer Krimi voller Atmosphäre und Legenden – und atemberaubender Spannung

Vor den Nachstellungen eines gewissenlosen Triebtäters flüchtet die junge Eva mit ihrem Mann in aller Heimlichkeit aus Berlin nach Nordfriesland. Hier, in einem kleinen, aber wunderschönen Haus direkt am Rand der nordfriesischen Marsch will sie den Erinnerungen an die Bedrohung durch den skrupellosen Mario Stein entkommen, der geradezu besessen war von ihr – dem die Polizei jedoch nie etwas nachweisen konnte. Anfangs scheint das junge Paar in der Idylle Nordfrieslands seinen Frieden gefunden zu haben. Doch bald fühlt sich Eva erneut verfolgt und bedroht – und diesmal von weit mehr als nur von der eigenen Vergangenheit ...

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Buch

Die Erzieherin Eva und ihr Mann Till ziehen aus Berlin nach Nordfriesland – in ein wunderschönes, über 150 Jahre altes Haus direkt am Deich. Doch es ist nicht allein der Wunsch nach unverbrauchter Natur, der sie aus der großen Stadt in das verträumte Dörfchen Kleebüll führt. Die beiden haben eine schwere Zeit hinter sich, nachdem Eva in Berlin den sexuellen Belästigungen eines Stalkers ausgesetzt war, der, obwohl er sie fast vergewaltigt hatte, mit einer Bewährungsstrafe davonkam. Durch den Umzug hofft Eva, die Erinnerungen an den skrupellosen Mann endlich hinter sich lassen zu können. Anfangs scheint das junge Paar in der Idylle Nordfrieslands seinen Frieden gefunden zu haben. Die Menschen im Ort erweisen sich als exzentrisch, aber äußerst liebenswert. Doch bald fühlt sich Eva erneut verfolgt und bedroht – und diesmal von weit mehr als nur von der eigenen Vergangenheit …

Weitere Informationen zu Hendrik Berg

sowie zu lieferbaren Titeln des Autors

finden Sie am Ende des Buches.

Hendrik Berg

Deichmörder

Roman

1. Auflage

Originalausgabe April 2014

Copyright © 2014 by Wilhelm Goldmann Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Umschlaggestaltung: Uno Werbeagentur München

Umschlagfoto: Gettyimages/Look/Hauke Dressler

mb · Herstellung: Str.

Satz: omnisatz GmbH, Berlin

ISBN 978-3-641-11858-7

www.goldmann-verlag.de

When the flood calls

You have no home, you have no walls

In the thunder crash

You’re a thousand minds, within a flash

Don’t be afraid to cry at what you see

The actors gone, there’s only you and me

And if we break before the dawn, they’ll

use up what we used to be.

(Peter Gabriel, Here comes the flood)

1

Früher

»Und wenn der Tag der Verdammnis kommt – und er wird bald kommen, da könnt ihr gewiss sein, ihr nichtswürdigen Schafe – dann solltet ihr euch alle fragen, ob ihr dem Herrn allzeit wohlgetan habt! Denn mit Seinem göttlichen Hammer wird Er die strafen, die in Seinem Angesicht gesündigt haben. Er wird sie mit Seiner nassen Hand zerschmettern und in die tiefsten Abgründe der Hölle schicken, auf dass sie ihr sündhaftes Leben bis in alle Ewigkeiten, bis ans Ende aller Zeiten bereuen! Hört ihr den Sturm, hört ihr Ihn?! Jawohl, das ist Er, der Einzige und Ewige! Er ruft euch! Und nur die, die ein Leben in Keuschheit und Demut vor Ihm gelebt haben, können Seinen Erzengeln entfliehen! Nur die, die Seinen Namen und den Seines Sohnes gepriesen, die ihr Leben nach Seinen strengen, aber gerechten Regeln gelebt haben, können auf Seine Gnade hoffen! Alle anderen wird das Meer in einer gewaltigen Woge hinwegspülen und auf den dunklen, kalten Grund der See hinabziehen! Also, tut Buße, ihr alle, tut Buße, jetzt!«

Die Balken im Dachstuhl knirschten und krachten. Nervös blickte die junge Frau in der dunklen Sonntagstracht nach oben. Der heftige Sturm, der draußen über der Marsch tobte, ließ die kleine Kirche bis in ihre Grundfesten erzittern. Blitze erleuchteten die Heiligenfiguren im Altar in grellen Farben. Der heilige Bonifatius, der heilige Severin, der heilige Martin, ja, der heilige Gottvater selbst, sie alle schauten streng auf sie und die anderen Männer, Frauen und Kinder herunter, die sich hier zum Gottesdienst versammelt hatten und voller Angst der Predigt lauschten.

Sie mochte Pastor Hermanns Predigten nicht. Wieso nur musste er immer mit fürchterlichen Strafen und der Hölle drohen? War das Leben denn nicht schon hart genug? Warum musste er ihnen solche Angst machen?

Sie betrachtete die anderen Dorfbewohner, die sich an diesem dunklen Tag zur Messe versammelt hatten. Die harte Arbeit auf den Feldern, der tägliche Kampf gegen die Urgewalten, gegen Kälte, Wind und die stürmische See, hatten tiefe Spuren in ihren Gesichtern hinterlassen. Sie sah den alten Schroeder, der sein Leben lang Schafe gezüchtet hatte. Wenn er mit seinem langen Stock zwischen seinen Tieren auf dem Feld stand, sah er aus wie eine der schiefen Birken, vom Westwind gebeugt.

Neben ihm saß Bauer Heiner mit seiner Frau Agnetha, die bei der Sturmflut von 1857 nicht nur ihren Hof, sondern auch zwei ihrer Kinder an den Blanken Hans verloren hatten. Agnetha, eine Schwedin, die Heiner auf dem Markt in Schleswig kennengelernt hatte, hatte seitdem kein Wort mehr gesprochen.

Sie blickte zur alten Trine. Ihr ganzes Leben hatte sie nur hinter dem Spinnrad gesessen. Ihre Hände, die sich jetzt angstvoll in das Gesangbuch krallten, waren voller Schwielen und Narben vom scharfen Garn. Ihre vom grauen Star getrübten Augen blickten ergeben zur Kanzel hinauf. Neben der Alten saß ihr Sohn Volker, dessen Augen im Gegensatz zu denen seiner fast blinden Mutter wie blaue Sterne leuchteten. Er war einer der Fischer des Dorfes. Das Salzwasser hatte ihm mittlerweile auch die letzten Haare vom kantigen Schädel gewaschen. Die Hände waren von der Arbeit mit den Netzen gezeichnet und von dicker Hornhaut überzogen. Zwei Finger fehlten; sie waren ihm vor vielen Jahren abgerissen worden, als sein Netz sich in einem Riff verfangen hatte, draußen vor der Tiefen Senke. Die Strafe für sein unzüchtiges Leben, wurde im Dorf gemunkelt. Sie hatte nie herausgefunden, warum, denn Volker lebte immer noch bei seiner Mutter und war fast jeden Tag alleine auf See.

Wieder ließ ein heftiger Donner die Kirche erzittern. Putz rieselte von der hohen Decke, die Kerzen auf dem Altar flackerten. Mehnert, der Bürgermeister, und Goedeke, der alte Schulmeister, blickten sich in der ersten Reihe nachdenklich an. Dahinter sah sie Mütter, die besorgt ihre Kinder an sich drückten, welche mit großen, ängstlichen Augen zu den im Sturm klirrenden Fenstern starrten.

»Und es kam ein anderes Ross daher, feuerrot, und dem, der auf ihm saß, wurde gegeben, den Frieden hinwegzunehmen von der Erde und dass sie einander hinschlachten, und es wurde ihm ein großes Schwert gereicht …«

Ein lauter Knall unterbrach den Pastor und ließ die Gemeinde zusammenfahren. Alle drehten sich erschrocken um: Der Wind hatte die Tür aufgeschlagen. Sofort brauste der Sturm wie ein unheimlicher Gast in die Kirche und blies einen Großteil der Kerzen auf dem Altar aus. Ein paar Kinder schrien erschrocken auf, während die Dorfbewohner zu der offenen, wild hin und her schwingenden Tür blickten, als erwarteten sie, dass Satan persönlich hereintreten und sie alle mit sich in den Abgrund der Hölle ziehen würde.

Aber das tat er nicht. Stattdessen sprangen zwei der Knechte, die auf der letzten Bank saßen, auf und drückten die schwere Holztür mit vereinten Kräften wieder zu. Ein erleichtertes Aufatmen ging durch die Gemeinde, während Mehnert den beiden Burschen dankbar zunickte.

Die beiden setzten sich wieder zu ihren Freunden. Sie sah, dass einer der Knechte sie mit einem begehrlichen Grinsen anstarrte. Sie kannte ihn nur zu gut. Sein Name war Hans. Er arbeitete auf dem Mannsen-Hof, stammte aus Hallstedt und lebte erst seit zwei Jahren im Dorf. Vom ersten Tag an hatte er ihr Angst gemacht. Er war fast zwei Köpfe größer als sie. Seine Haare hingen ihm in wirren Strähnen über die breiten Schultern. Wenn er ihr auf diese unverschämte Weise direkt in die Augen blickte, bekam sie jedes Mal eine Gänsehaut.

Aber er hatte es nicht bei Blicken belassen.

Vor drei Monaten, als sie nach dem Kirchfest alleine nach Hause gegangen war, hatte er ihr aufgelauert und sie brutal gegen eine Scheunenwand gedrängt. Mit seiner Schlangenstimme hatte er behauptet, sie würde ihm ständig freche Blicke zuwerfen. Dann hatte er seine riesigen Pranken auf ihre Brüste gelegt und versucht, sie in die Scheune zu schieben. Nie würde sie seinen Gestank, den Anblick seiner verfaulten Zähne und das böse Funkeln in seinen Augen vergessen. Sie hatte versucht, sich loszureißen, aber er war viel zu stark für sie gewesen. Zum Glück hatte sich in diesem Moment ein Bauer mit seinem Knecht genähert. Gesehen hatten sie nichts, aber es hatte gereicht, dass Hans von ihr abgelassen hatte und weggelaufen war.

Sie hatte sich bei Mehnert über den Knecht beschwert. Doch Hans hatte alles abgestritten, und der Bürgermeister hatte ihm geglaubt. Hans sei ein fleißiger Bursche, hatte Mehnert gesagt. Sein Bauer sei sehr zufrieden mit ihm und habe noch nie einen Grund zur Beschwerde gehabt. Mehr wollte Mehnert zu dem Thema nicht sagen. Sie hatte die leise Verachtung in den Augen des Bürgermeisters gesehen. Seit zwei Jahren wohnte sie jetzt schon hier im Dorf. Aber sie war noch immer eine Außenseiterin. Die meisten unterstellten ihr, etwas Besseres sein zu wollen, nur weil sie aus einer alten Föhrer Kapitänsfamilie stammte. Dummes Zeug, dachte sie und erinnerte sich voller Wehmut an ihre lieben Eltern und ihre Geschwister, an die stolze Insel mitten im Wattenmeer und an das schmucke Häuschen in Wyk, in dem sie aufgewachsen war. Oben vom Deich konnte sie die grüne Insel am Horizont sehen, trotzdem erschien ihr ihre alte Heimat an manchen Tagen unendlich fern. Hier im Dorf fühlte sie sich immer noch fremd. Es würde wohl noch Jahre dauern, bis ihre Nachbarn sie als eine der Ihren sehen würden.

Für einen kurzen Moment traf sich ihr Blick mit dem von Hans. Der Knecht verzog seinen Mund zu einem gierigen Lächeln. Hastig drehte sie sich weg.

Was für ein Widerling! Seit der Sache bei der Scheune ging sie nicht mehr alleine durch den Ort und schloss ihre Haustür doppelt ab. Immerhin, er hatte sie seit damals nicht mehr belästigt und nie wieder angesprochen. Er hatte ihr lüsterne Blicke zugeworfen, aber mehr war zum Glück nicht passiert. Vielleicht hatten Mehnert oder sein Bauer ihm gesagt, dass er sich von ihr fernhalten sollte.

Aber da war noch etwas anderes gewesen.

Vor zwei Wochen war ein junges Mädchen, nicht älter als sechzehn Jahre, das als Magd auf der Jessen-Warft arbeitete, in einen Pflug gestürzt. Ein tragischer Unfall, sagten alle. Aber sie hatte beobachtet, wie Hans ihr vorher auf einem Hochzeitsfest hinterhergesehen hatte, dann aufgestanden und ihr gefolgt war. Zwei Stunden später war das Mädchen tot gewesen.

Sie war wieder zu Mehnert gegangen und hatte ihm erzählt, was sie gesehen hatte. Doch der Bürgermeister hatte sie weggeschickt. Dummes Weibergeschwätz, hatte er geschimpft und sie aufgefordert, mit ihrem Getratsche nicht den Dorffrieden zu stören.

Aber sie wusste, was sie gesehen hatte. Und als Hans ihr später voller Genugtuung einen verächtlichen Blick zuwarf, wusste sie, dass sie recht hatte.

Sie schüttelte sich und versuchte sich auf einen Punkt am Altar zu konzentrieren, während sie seine begehrlichen Blicke in ihrem Rücken spürte. Zwischen den anderen Frauen auf der Bank fühlte sie sich völlig wehrlos. Verzweifelt schloss sie die Augen.

Boye, dachte sie voller Wehmut und Schmerz. Warum hast du mich alleine gelassen?

Instinktiv fasste sie sich ans Kopftuch, unter dem sie als verheiratete Frau eine mit Perlen bestickte Haube trug. Da merkte sie, dass etwas fehlte. Auch wenn sie jetzt auf dem Festland lebte, trug sie sonntags und zu den Feiertagen die Föhringer Tracht. Zu der gehörte normalerweise auch der Knooper, eine mit Silberschmuck verzierte Kette. Mit Rücksicht auf die eher ärmeren Bäuerinnen des Dorfes trug sie dieses Kettengeflecht nur selten, aber auf ein Schmuckstück verzichtete sie nie. Erschrocken tastete sie unter ihrem schwarzen Leinenkleid und befühlte ihren Hals.

Sie hatte die Kette nicht um!

Wie hatte das passieren können? Sie trug die Kette mit dem Medaillon immer, sogar bei der Arbeit im Garten, ja sogar wenn sie schlief!

Nur nicht, wenn sie ein Bad nahm. Ihr fiel ein, dass sie die Kette heute Morgen nach ihrem Bad noch nicht herausgeholt hatte. Dann hatte sie plötzlich die Gänse gehört. Irgendwas, vielleicht ein Fuchs, musste sie erschreckt haben. Sie erinnerte sich, dass sie hinaus in den Garten gegangen war, um nach dem Rechten zu sehen. Dabei hatte sie die Kette komplett vergessen.

Ein warmes Gefühl der Scham durchströmte ihren Körper. Sie fühlte eine tiefe, bohrende Schuld. Das würde sie sich niemals verzeihen! Alles hätte sie auf dem Gang zur Messe vergessen dürfen, aber doch nicht seine Kette, das Medaillon mit seinem Bild.

War das ein erstes Zeichen dafür, dass sie Boye langsam vergaß? Dass er keine Rolle mehr in ihrem Leben spielte? Keinen Platz mehr in ihrem Herzen hatte?

Nein, dachte sie und stöhnte leise. Niemals, Boye war in ihren Gedanken immer bei ihr, und er würde es auch immer bleiben.

Unsicher blickte sie zu den anderen Mädchen und Frauen, die neben ihr auf der Bank saßen. Ob eine ihre Schuld bemerkt hatte? Für eine Hure würden sie sie halten, wenn sie von ihrem Fehler wüssten.

Aber keine achtete auf ihre Seelenpein. Alle waren mit ihren eigenen Gefühlen und Ängsten beschäftigt und lauschten ängstlich dem Sturm, der immer heftiger um die Kirche donnerte. Das ungeduldige Scharren in den engen Bankreihen wurde immer lauter. In den Gesichtern der Männer und Frauen konnte sie den deutlichen Wunsch erkennen, dass Pastor Hermann mit seiner Predigt bald zum Ende kommen möge. Alle hatten den Wunsch, nach Hause zu ihren Häusern und Höfen zu gehen und nach dem Rechten zu sehen.

Wieder blickte sie besorgt nach oben zum leise stöhnenden Gebälk. Mittlerweile schien es, als wenn der Orkan, der draußen über dem Meer und über der Marsch tobte, jeden Augenblick den kompletten Dachstuhl davontragen könnte.

Der Pastor bemerkte die Angst seiner Schäfchen. Aber noch wollte er sie nicht ziehen lassen. Im Gegenteil, endlich war er sich ihrer uneingeschränkten Aufmerksamkeit sicher. Mit seinen dicken Händen hielt er sich an seiner Kanzel fest und beugte sich nach unten zu seiner Gemeinde:

»Dieser Sturm, er ist eine Prüfung, eine Strafe und eine Chance zugleich. Der Herr, der über uns allen oben im Himmel wacht, er schickt euch Seine Flut, um euch zu reinigen, um euch den Schmutz abzuwaschen, den Gestank von Unzucht, Missgunst und Völlerei …«

In diesem Augenblick wurde die Kirchentür wieder aufgestoßen. Wieder schoss eine Windböe in den Innenraum und brachte die noch brennenden Altarkerzen zum Tanzen. Der Regen peitschte herein, und durch die offene Tür konnte sie sehen, dass der Himmel mitten am Tag pechschwarz geworden war.

Doch dieses Mal war es nicht der Wind gewesen, der die Tür aufgestoßen hatte. Ein erschrockenes Raunen ging durch die Gemeinde, als sie die dunkle Gestalt in dem langen Mantel im Eingang sah.

Dann schob der Mann die Kapuze zurück und zeigte den Dorfbewohnern sein von Schweiß und Regen tropfendes Gesicht.

Die junge Frau kannte den Mann. Es handelte sich um Gustav, den Großknecht des Deichgrafen. Er war völlig erschöpft und schien eine lange Strecke gelaufen zu sein. Schwankend hielt er sich am Türrahmen fest, als er seine Botschaft in die Kirche rief:

»Der Deich …«, stöhnte er, und die Stimme versagte ihm für einen Moment, »der Deich bricht!«

2

Eva konnte ihr Glück nicht fassen. Sie waren schon mal hier gewesen. Aber da hatte es in Strömen geregnet, und graue Wolken hatten den Himmel bedeckt. Doch jetzt, an diesem warmen Sommertag, mit dem grenzenlosen Blau über sich und der frischen Brise, fühlte sie sich wie in einem Traum.

Sie standen zusammen vor dem Haus, und alles war voller Licht und sah so unglaublich kuschelig und schön aus, dass es einfach nicht wahr sein konnte.

Ihr neues Zuhause war eine kleine Friesenkate direkt hinterm Deich. Ein über 150 Jahre altes Kunstwerk. Die weiß verputzten Wände leuchteten in der Sonne und bildeten den perfekten Hintergrund für die Rosenbüsche, die in sanften Schwüngen hinauf bis zum Dach rankten. Die vier Fenster der Vorderfront harmonierten perfekt mit der grün-weißen Eingangstür, die sich unter einem gemauerten Torbogen befand. Darüber erhob sich die Giebelluke in der ersten Etage – und das alles unter einem heimeligen Reetdach.

Und erst der Garten! Geschützt von einem moosbewachsenen Wall aus Natursteinen blühten Rosen, Sonnen- und bunte Feldblumen. Der Rasen war grün und frisch gemäht, und neben der kleinen Terrasse bewegte sich eine Kinderschaukel sanft im Wind.

Eva spürte, wie Till nach ihrer Hand griff.

»Und? Gefällt es dir immer noch?«

»Ich liebe es«, seufzte sie und fiel ihrem Mann in den Arm.

Die Vorbesitzer, eine vierköpfige Professorenfamilie, die zurück nach Hamburg gezogen war, hatten nicht nur bei der Renovierung der Außenfassade viel Liebe zur Tradition bewiesen. Hamburger Lehrern sei es zu verdanken, dass die friesische Kultur erhalten worden war, hatte der Makler gesagt. Denn während die Einheimischen froh waren, wenn sie sich neue, moderne Höfe leisten konnten, hätten sich seit Anfang der siebziger Jahre viele Akademiker aus der Hansestadt heruntergekommene Bauernhäuser in Nordfriesland als Wochenendhäuser hergerichtet. Auch bei der Gestaltung der kleinen, verwunschenen Innenräume hatte die Familie aus Hamburg sich bemüht, alles Alte zu bewahren oder mit viel Hingabe wiederherzustellen. Im Wohnzimmer gab es sogar noch einen Alkoven, eine kleine Kammer in der Wand, in der die Bewohner des Hauses früher geschlafen hatten. Die alten Holzdielen waren sorgfältig gesäubert und geschliffen worden. An den Wänden war zum Teil auf Putz und Tapete verzichtet worden, um den Blick auf das alte, jetzt neu verfugte Mauerwerk freizulegen. Und in der Küche hingen noch immer die über hundert Jahre alten weiß-blauen Fliesen mit handgemalten Windmühlen, Segelschiffen und anderen friesischen Motiven.

Hand in Hand und andächtig schweigend gingen Eva und Till durch die noch leeren Räume ihres neuen Zuhauses.

»Wie ein Puppenhaus, findest du nicht?«, meinte Eva.

Till nickte gedankenverloren, während er sich vergewisserte, dass die Handwerker die gewünschten zusätzlichen Steckdosen installiert hatten.

Eva betrachtete ihn nachdenklich und gab ihm dann einen Kuss auf die Wange. »Danke«, sagte sie.

»Wofür?«

»Dass du mit mir hierhergezogen bist. Und dich mit mir auf dieses Abenteuer einlässt.«

Er küsste sie auf den Mund und grinste. »He, wer ist denn hier der Fischkopp? Ich bin hier praktisch zu Hause.«

»Aber du kommst aus Hamburg. Das ist nicht das Gleiche.«

»Hauptsache Nordsee. Mehr brauche ich nicht.«

Bis vor 130 Jahren hatten die Wellen hier direkt auf der anderen Seite des Deichs gegen das Land geschlagen. Immer wieder hatten verheerende Sturmfluten viele Menschen das Leben gekostet. Dann war ein besserer, moderner Deich weiter draußen im Meer gebaut worden. Nach und nach war das Land zwischen dem alten Sommerdeich und dem neuen Seedeich kultiviert und bepflanzt worden. Heute war im nach dem damaligen Deichgrafen benannten Michael-Hansen-Koog nichts mehr vom ehemaligen Meeresgrund zu sehen. Stattdessen weideten dort Schafe und schwarz-weiße Kühe.

Eva sah aus dem Küchenfenster auf die Marschlandschaft, die hinter ihrem Grundstück auf der dem Deich abgewandten Seite begann. Nichts zu sehen von den sonst allgegenwärtigen riesigen Windrädern. Stattdessen breiteten sich vor ihren Augen fruchtbare Felder wie ein endloses, grünes Tuch aus, nur unterbrochen von schmalen Wassergräben. Die nächsten Häuser waren ein gutes Stück entfernt, genau wie die Straße, die in den verträumten Kleebüller Ortskern führte.

Till schaute ihr über die Schulter: »Nicht viel los hier, was?«

»Meinst du, es könnte langweilig werden?«

»Bestimmt nicht. Endlich kann ich in Ruhe arbeiten. Außerdem soll es in Husum sogar ein nettes Café geben, falls wir mal ein bisschen Abwechslung brauchen.« Er zwinkerte zum Zeichen, dass er nur Spaß machte.

»Also machen wir das Richtige?«

Er schwieg einen Moment und sagte dann mit fester Stimme: »In meinem Leben hat sich noch nie was so richtig angefühlt wie das hier.«

Glücklich ließ sie sich von ihm in den Arm nehmen. Ein Neuanfang, das war es. Und sie würde alles dafür tun, dass es ein guter Neuanfang wurde nach all den schlimmen Monaten, die sie hinter sich hatten.

Für einen Moment lauschten sie der Stille, dann küsste Till sie zärtlich in den Nacken.

»Wollen wir uns mal das Schlafzimmer anschauen?«, schnurrte er, als sie ein Hupen von der Straße hörten.

»Der Möbelwagen!« Eva lächelte.

»Glück gehabt!«, knurrte Till, nahm sie an die Hand und ging mit ihr auf den Hof, von dem aus ein schmaler Sandweg zur Kleebüller Dorfstraße führte.

»Klasse Arsch!«

Hauptkommissar Holger Mannsen guckte mit deutlichem Missfallen zu seinem jungen Kollegen, der neben ihm am Steuer saß und mit einem Fernglas zu dem kleinen Haus am Deich hinübersah. Sie hatten ihren Passat ein Stück entfernt im Schatten einer Eiche geparkt. Bis jetzt hatte das junge Ehepaar nicht ein Mal zu ihnen herübergeschaut.

Todde bemerkte den vorwurfsvollen Blick seines Vorgesetzten. »Was denn?«, fragte er unbeeindruckt. »Jetzt tun Sie nicht so, als wenn der Ihnen nicht aufgefallen wäre.«

Mannsen schüttelte nur den Kopf und sah wieder zu dem Friesenhaus am Ende der Straße. Er beobachtete, wie die neuen Besitzer die Möbelpacker begrüßten, die ihren Lkw mit Berliner Kennzeichen direkt vor dem Eingang geparkt hatten, hinter dem schwarzen Porsche-Cabrio, das dem jungen Paar gehörte.

Natürlich war ihm aufgefallen, wie hübsch die junge Frau war. Eine richtige Schönheit. Die langen schwarzen Haare reichten ihr bis zur Hüfte. Und so wie er es von hier aus mit dem Fernglas erkennen konnte, hatte sie ein freundliches, offenes Gesicht mit großen, dunklen Augen. Die engen Jeans brachten ihre sportliche Figur zur Geltung. Er sah, wie auch die Möbelfahrer ihr ganz offen auf den Hintern starrten. Mannsen seufzte. Die junge Frau würde hier in Kleebüll bestimmt für einige Unruhe sorgen. Und er hasste Unruhe.

Jetzt begrüßte der Mann die Möbelpacker mit Handschlag und führte sie ins Haus.

»Wer sind die beiden denn?«, fragte Todde.

Der Kommissar packte eine Salamistulle aus und biss hinein. »Eva und Till Becker. Sie ist Kindergärtnerin und er Werbetexter. Kommen aus Berlin«, sagte er mit vollem Mund.

Todde nickte mit starrer Miene. Er brauchte eine kleine Weile, bis er die Information gespeichert hatte. »Und was ist mit ihnen?«, erkundigte er sich und kratzte sich an der Nase.

Mannsen zögerte und starrte weiter zum Möbelwagen. Wenn er seinem jungen Kollegen alles erzählte, konnte er gleich ein Flugblatt an die Dorfbewohner verteilen. Todde war die größte Plaudertasche an der nordfriesischen Küste.

»Chef?«, hakte Todde noch einmal nach, weil er nicht sicher war, ob Mannsen ihn verstanden hatte. »Warum wollen Sie, dass wir die beiden bespitzeln?«

»Von Bespitzeln war nie die Rede. Ich möchte einfach nur ein Auge auf sie haben.«

»Warum?«

»Ein Gefallen. Ein Kollege aus Berlin hat mich gebeten, ein wenig auf sie … aufzupassen.«

»Aufpassen? Wieso das denn? Was soll ihnen denn ausgerechnet hier passieren?« Todde glotzte ihn mit seinen Kuhaugen weiter verständnislos an. Immerhin, hartnäckig war er, dachte Mannsen spöttisch, vielleicht machte er ja doch noch Karriere bei der Polizei. Er überlegte, wohin er das Butterpapier seiner Stulle stopfen sollte, und entschied sich schließlich für den Spalt zwischen Tür und Sitz. Dann wischte er sich die Hände an der Uniform ab und legte sie anschließend auf seinen mächtigen Bauch.

»Er kennt die beiden eben und will, dass es ihnen hier gut geht.«

Toddes Miene war deutlich anzusehen, dass ihm diese Antwort immer noch nicht reichte. Aber er begriff, dass sein Chef nicht mehr zu dem Thema sagen wollte. Also hielt er seinen Mund, beobachtete das Friesenhaus und kratzte sich dabei wieder an seiner Nase.

Mannsen betrachtete ihn von der Seite. Warum war er nur so dumm gewesen, diesen Trottel in seine Wache aufzunehmen? Natürlich wusste er, warum: weil Toddes Vater Polizeirat in Kiel war. Ohne die »Unterstützung« für seinen Sohn hätte Mannsen die Mittel für die Renovierung der Wache in Bredstedt nie so zügig zugesichert bekommen.

Er wandte sich wieder den Beckers zu. Mittlerweile hatten die Möbelpacker begonnen, die Sachen in das Haus zu tragen. Till Becker hatte den Arm um seine Frau gelegt. Mannsen sah, wie er ihr etwas ins Ohr tuschelte, worauf sie lachte und ihn verliebt ansah.

Hübsches Paar, dachte Mannsen und erinnerte sich daran, wie besorgt der Berliner Kollege am Telefon geklungen hatte. Krumme hieß der Mann. Er hatte ihn vor ein paar Jahren auf einem Fortbildungsseminar in Hamburg kennengelernt. Ein erfahrener Kriminalhauptkommissar aus Neukölln, der im Gegensatz zu ihm täglich mit Schwerstkriminalität zu tun hatte. Die beiden hatten nur ein, zwei Worte miteinander gewechselt, und er hatte damals nicht den Eindruck gehabt, dass ihm der Kollege aus der Hauptstadt besonders viel Respekt entgegenbrachte. Umso überraschter war er gewesen, als er ihn auf einmal am Telefon hatte.

Mannsen beobachtete das glückliche Paar, das händchenhaltend ins Haus ging. Auf einmal hatte er so ein seltsames Gefühl im Magen, so ähnlich wie Sodbrennen. Er stöhnte leise und schob seinen schweren Körper auf dem durchgesessenen Sitz hin und her. Dann wandte er sich an Todde: »Lass uns zurückfahren. Ich glaub, wir kriegen Sturm.«

Todde startete den Motor, blickte dabei aber irritiert in den Himmel. Es war keine Wolke zu sehen.

3

Abends frischte es auf. Nachdem die Möbelpacker gefahren waren, beschlossen Eva und Till, einen Spaziergang auf dem Deich zu machen. Dort wurden sie von einer Brise begrüßt, die heftig an ihren Jacken zerrte. Dazu verwandelte ein spektakulärer Sonnenuntergang den Himmel in ein Meer aus roten und gelben Flammen. Hand in Hand spazierten sie in einem langen Bogen auf dem Sommerdeich entlang, bis sie schließlich den Seedeich erreichten, der nur etwas höher, aber deutlich breiter war und sanft Richtung Meer abfiel.

Aber das Meer war gar nicht da.

Es war Ebbe. Vor Evas und Tills Augen erstreckte sich das Watt, eine endlose graubraune Landschaft, unterbrochen durch ein Labyrinth aus kleinen Bächen und Prielen, in denen glitzerndes Wasser abfloss. Am Horizont konnten Eva und Till die Halligen Hooge und Gröde ausmachen, winzige Inseln mit nur wenigen Häusern, die sich vor dem Abendhimmel wie kleine Schlösser erhoben und in der flimmernden Luft zu schweben schienen.

»Hallo«, sagte Eva leise mit Blick auf das Watt.

Till sah überrascht zu ihr.

Sie lächelte. »Ich wollte nur unsere neue Heimat begrüßen.«

Er fasste sie zärtlich an der Hand.

»Das können wir ab jetzt jeden Tag haben«, flüsterte er, als wenn er Angst hätte, diesen erhabenen Moment zu zerstören.

Schweigend gingen sie weiter auf dem Deich entlang und folgten schließlich einem kleinen Pfad, der sie am Ende des Michael-Hansen-Koogs landeinwärts zurück auf den Seedeich führte. In der Ferne konnten sie die ersten Lichter von Kleebüll sehen, die sich wie eine Perlenkette an der Dorfstraße aneinanderreihten. Dahinter erhob sich der rot-weiße Leuchtturm von Dovelbüll mit seinem sanft pulsierenden Licht.

Als Eva und Till nach einer Stunde in ihr Haus zurückkehrten, funkelten schon die ersten Sterne. Die Möbelpacker hatten die Möbel und die Kartons in die richtigen Zimmer gebracht und zum Teil sogar schon aufgebaut, so dass sich das Umzugschaos in Grenzen hielt. Erschöpft von so viel ungewohnter frischer Luft ließ sich Eva im Wohnzimmer auf das Sofa fallen. Till legte seinen Kopf in ihren Schoß. Versonnen kraulte sie in seinen Locken und blickte zum Fenster, wo der letzte goldene Streifen der Sonne gerade verschwand.

Für einen langen Moment schwiegen beide und lauschten der Stille.

»Soll ich uns noch ein paar Brote machen?«, fragte sie.

Till nickte. Eva stemmte sich hoch und ging in die Küche. Zum Glück hatte sie das Essen für den ersten Tag in einen Extrakorb gelegt. Sie schmierte ein paar Brote mit Käse und Schinken, den sie gestern Abend noch im Supermarkt in Schöneberg gekauft hatte. Sie dachte an den Lärm und die endlose Schlange vor der Kasse, die Rückfahrt zur Wohnung in der verstopften U-Bahn und konnte sich gar nicht vorstellen, dass das alles gerade mal einen Tag her war. Berlin und der ganze Stress der Großstadt, all die schlimmen Erlebnisse der letzten Zeit, das kam ihr jetzt vor wie ein anderes, dunkles Leben auf einem fernen Planeten.

Schließlich kehrte sie mit dem Teller zurück ins Wohnzimmer – und fand Till selig schlafend auf dem Sofa. Sie lächelte und weckte ihn mit einem Kuss auf die Wange.

Eine Viertelstunde später lagen beide aneinandergekuschelt in ihrem Bett im Schlafzimmer direkt unter dem Reetdach. Till war nach der kurzen Störung sofort wieder eingeschlafen und schnarchte Eva jetzt direkt ins Ohr. Sie überlegte, ob sie ihn in die Seite knuffen sollte, damit er endlich still war, aber schon nach wenigen Augenblicken war sie selber eingeschlafen.

Der Wind rauschte um das Haus, rüttelte an den Fenstern und drückte die Gardinen in das Zimmer. Die Balken, die das Reetdach stützten, knarrten wie morsche Gelenke.

Eva streckte sich stöhnend. Sie konnte nicht schlafen. Müde setzte sie sich auf und rieb sich die Augen. Wie schrecklich! Auch in ihrem neuen Haus, viele hundert Kilometer von Berlin entfernt, spürte sie seine Gegenwart.

Plötzlich war es wieder da, das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Sie schluckte, hustete. Spürte einen immer stärkeren Druck auf ihrem Hals, ein Gewicht auf ihrer Brust, das ihr den Atem aus der Lunge presste. Ihr schwindelte, das Zimmer drehte sich, sie glaubte, jeden Moment die Besinnung zu verlieren. Sie kniff die Augen zusammen, schüttelte den Kopf, um den Alptraum zu verscheuchen. Und tatsächlich: Als sie die Augen wieder öffnete, war der Druck verschwunden.

Sie atmete auf. Vorsichtig versuchte sie ein Stück Bettdecke von Till zurückzuerobern. Ohne Erfolg. Sie zerrte heftiger, aber Till wälzte sich mit der Decke nur weiter Richtung Bettkante. Wenn sie nicht mehr frieren wollte, musste sie ihn wecken.

Sie zog die Knie an. Die Fenster mussten undicht sein, sie spürte einen kühlen Lufthauch, der sie erschaudern ließ. Ohne Decke kam sie sich völlig wehrlos vor.

Plötzlich hörte sie ein Knarzen. Jemand kam die kleine Holztreppe herauf, langsam, ganz langsam, Schritt für Schritt.

Sie erstarrte. Was, wenn er ihr von Berlin hierher gefolgt war? Sie wollte Till an der Schulter packen, ihn aufwecken, aber sie konnte sich nicht bewegen. Wie gelähmt lag sie auf dem Rücken und starrte zur Tür, deren Knauf sich langsam drehte …

Mit einem leisen Stöhnen setzte sie sich auf.

Sie hatte geträumt, schon wieder.

Erschöpft wischte sie sich mit dem Handrücken über die feuchte Stirn. Ihr Nachthemd war völlig durchgeschwitzt und klebte an ihrem Körper. Eva blickte auf den kleinen Wecker auf ihrem Nachttisch und stellte fest, dass sie gerade mal zwei Stunden geschlafen hatte. Es war mitten in der Nacht. Seufzend warf sie ihren Kopf ins Kissen und starrte an die Decke. Es war zum Weinen. Nach dem schönen Tag war sie sich sicher gewesen, dass sie ihre Schlafprobleme in Berlin gelassen hatte. Sie hatte gehofft, dass sie wenigstens nicht wieder von Ihm träumen würde. Aber sie hatte sich getäuscht.

Eva schaute zu Till, der friedlich neben ihr schlummerte. Beneidenswert. Er konnte immer und überall schlafen, wenn er müde war. Sie dagegen wurde schon beim kleinsten Geräusch wach.

Das war nicht immer so gewesen.

Sie lauschte. Der Wind war stärker geworden. Wie gemütlich es hier war. Die schräge Decke des kleinen Schlafzimmers war nur einen Meter von ihrem Kopf entfernt. Sie schliefen praktisch im Dach. Kein Vergleich zu Berlin, wo die Decke in ihrer Altbauwohnung über vier Meter hoch gewesen war.

Till seufzte im Schlaf. Ohne die Augen zu öffnen, drehte er sich auf Evas Seite, legte seinen Arm um sie und schmiegte sich ganz dicht an sie. Im Nacken konnte sie seinen Atem spüren, in ihrem Rücken seinen warmen Bauch.

Schluss mit den düsteren Gedanken! Jetzt begann ein neues Leben, hier in diesem Häuschen im Paradies. Hier, in Tills Armen, war sie in Sicherheit, sie musste keine Angst mehr haben. Das Dunkel lag hinter ihr, hinter ihnen. Jetzt würde alles wieder gut werden.

Nein, falsch. Als sie Tills Körper roch, den frischen Limonenduft der Bettwäsche, dazu den intensiven Holzgeruch ihres neuen Zuhauses, da wurde ihr auf einmal klar, dass alles schon gut war!

Mit dieser Erkenntnis im Herzen konnte sie sich endlich entspannen. Schon nach wenigen Augenblicken war sie in einen tiefen Schlaf gefallen.

Auch das laute Kreischen der Möwe direkt vor dem Schlafzimmerfenster konnte sie nicht wecken. Sanft ließ sich der Vogel vom Wind in die Höhe heben, hinauf in den funkelnden Sternenhimmel der warmen Spätsommernacht, und sah hinunter auf das kleine Dorf, auf die Marsch, auf der Kühe und Schafe träumten. In den Kanälen glitzerte friedlich das Wasser im Mondlicht. Doch da war etwas, ein dunkler Schatten auf der Deichkrone.

Ein Tier? Ein Baum, der sich im Wind bewegte?

Nein, es war kein Tier. Es war ein Mann, ein großer Mann. Er trug einen langen Mantel, der im Mondlicht glänzte. Die Haare hingen ihm bis über die Schultern und verdeckten sein Gesicht. Regungslos stand er auf dem Deich, die Hände tief in den Taschen vergraben, und starrte hinunter auf das kleine Reetdachhaus.

4

Eva.

Ihr Bild strahlte wie ein helles Licht in einem dunklen Tunnel. Es gab ihm immer Kraft, zeigte ihm den Weg aus dem Schatten zurück auf die gute Seite.

Aber nicht heute Abend.

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