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Ihre gemeinsame Vergangenheit vereint sie erneut. Aber sie birgt auch tödliche Gefahren ...
Als drei ihrer engsten Freunde sterben, bekommt es Isabelle Carson mit der Angst zu tun. Die Polizei behauptet in allen drei Fällen, es sei Selbstmord gewesen. Doch Isabelle fürchtet, jemand könnte ihre Freunde ermordet haben - und sie selbst das nächste Opfer werden. Der Einzige, der ihr Glauben schenkt, ist der ehemalige Delta-Force-Agent Grant Kent. Die beiden kennen sich bereits seit ihrer Kindheit und entwickeln schnell Gefühle füreinander. Währenddessen ahnen Isabelle und Grant jedoch nicht, dass der Killer sie längst im Visier hat ...
"Nichts für schwache Gemüter und doch ein wunderbar romantisches Buch! Shannon Butcher ist eine äußerst vielversprechende neue Autorin - eine echte Entdeckung!" Romantic Times
Die Delta-Force-Trilogie von Shannon K. Butcher - Spannung pur!
Band 1: Blicke nicht zurück
Band 2: Die Last der Schuld
Band 3: Es gibt kein Entkommen
eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.
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Seitenzahl: 551
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Über dieses Buch
Über die Autorin
Titel
Impressum
Widmung
Prolog
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Epilog
Aus der Feder von Shannon K. Butcher
Danksagung
Mein auf ewig
Die Delta-Force-Trilogie:
Blicke nicht zurück
Die Last der Schuld
Es gibt kein Entkommen
Ihre gemeinsame Vergangenheit vereint sie erneut. Aber sie birgt auch tödliche Gefahren …
Als drei ihrer engsten Freunde sterben, bekommt es Isabelle Carson mit der Angst zu tun. Die Polizei behauptet in allen drei Fällen, es sei Selbstmord gewesen. Doch Isabelle fürchtet, jemand könnte ihre Freunde ermordet haben – und sie selbst das nächste Opfer werden. Der Einzige, der ihr Glauben schenkt, ist der ehemalige Delta-Force-Agent Grant Kent. Die beiden kennen sich bereits seit ihrer Kindheit und entwickeln schnell Gefühle füreinander. Währenddessen ahnen Isabelle und Grant jedoch nicht, dass der Killer sie längst im Visier hat …
eBooks von beHEARTBEAT – Herzklopfen garantiert.
Shannon K. Butcher absolvierte eine Ausbildung als Wirtschaftsingenieurin. Bei der Zusammenarbeit mit ihrem Mann Jim Butcher entdeckte sie ihr eigenes Talent als Autorin. Seither schreibt sie mit großem Erfolg Liebesromane.
SHANNON K. BUTCHER
DELTA FORCE
Es gibt kein Entkommen
Aus dem amerikanischen Englisch von Anja Hackländer
Digitale Neuausgabe
»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG
Für die Originalausgabe:
Copyright © 2008 by Shannon K. Butcher
Titel der amerikanischen Originalausgabe: »No Escape«
Originalverlag: Forever, Hachette Book Group USA, New York. Forever is an imprint of Grand Central Publishing.
This edition published by arrangement with Grand Central Publishing, New York, NY, USA. All rights reserved.
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.
Für diese Ausgabe:
Copyright © 2012/2022 by Bastei Lübbe AG, Köln
Textredaktion: Birgit Sarrafian
Covergestaltung: Guter Punkt GmbH Co. KG unter Verwendung von Motiven von © MRBIG_PHOTOGRAPHY/iStock/Getty Images Plus; Kiuikson/iStock/Getty Images Plus; Ensup/iStock/Getty Images Plus; Gun2becontinued/iStock/Getty Images Plus
eBook-Erstellung: Greiner & Reichel, Köln
ISBN 978-3-7517-2041-0
be-heartbeat.de
lesejury.de
Für meinen Sohn, der meine Frauenromane vermutlich nie lesen wird. Ohne deine bemerkenswerte Selbstständigkeit und dein Verständnis hätte ich nie die Zeit und Energie gefunden, mich meiner schriftstellerischen Leidenschaft zu widmen.
Deine Mom liebt dich, Monkey.
Beverly Sinclair hatte es endlich geschafft. Nach jahrelangen Bemühungen, ihr Leben in den Griff zu bekommen, hatte sie nun endlich eine vernünftige Arbeitsstelle, einen großartigen Ehemann und den klügsten und schönsten Sohn aller Zeiten. Er war gerade mal drei Wochen alt, aber sie hatte keinen Zweifel, dass Cory für Größeres bestimmt war.
Sie konnte es kaum erwarten, ihn ihrer besten Freundin Isabelle vorzustellen.
Fünf Minuten vor der vereinbarten Zeit klingelte es an der Haustür, aber das war typisch Isabelle. Sie war noch nie in ihrem Leben zu spät gekommen.
Voller Erwartung eilte Beverly zur Tür, erfüllt von jenem mütterlichen Stolz, den sie sich vor Corys Geburt niemals hätte vorstellen können. Isabelle würde den Kleinen lieben.
Mit einem Lächeln öffnete sie die schwere Holztür.
Ein maskierter Mann stürzte sich auf sie und drängte sie zurück ins Haus, ehe sie auch nur die Chance hatte, sich in irgendeiner Weise zu wehren. Sein Gewicht ließ sie mit voller Wucht gegen die Wand knallen.
Der Schock fuhr ihr durch die Glieder und raubte ihr den Atem. In ihrem Innern bildete sich ein Schrei, doch er drang nicht nach außen. Ihre Lungen rangen verzweifelt nach Luft und sogen einen dezenten Geruch von Aftershave ein.
Der Mann trat die Haustür mit dem Fuß zu. Sie schloss sich mit einem dumpfen Knall, der etwas entsetzlich Endgültiges an sich hatte.
Aus dem Kinderzimmer drang ein winziges Quäken, das das Weinen ihres Babys ankündigte.
Sie musste Cory hier rausbringen. Mit ihm fliehen.
Die Panik verlieh ihrem Körper ungeahnte Kräfte, und sie drängte ihren Angreifer mit aller Macht zurück. Ihr entfuhr ein wilder, wütender Schrei, der ihr in der Kehle brannte.
Der Mann wankte ein Stück zurück, sodass sie sich seinem Griff entwinden konnte, doch ihre Freiheit war nicht von langer Dauer. Er riss sie an den Haaren zurück und fing sie auf, ehe sie zu Boden stürzen konnte.
Aus dem Augenwinkel sah sie etwas Glänzendes aufblitzen und hoffte inständig, dass es kein Messer war. Noch während sie sich umdrehte, hob sie den Arm, um sich gegen die Klinge zu schützen, doch der Mann hielt wider Erwarten eine Spraydose in seiner behandschuhten Hand. Ein kühler Nebel schlug ihr ins Gesicht, und ein beißend medizinischer Geruch stieg ihr in die Nase. Beverly sank wie eine Stoffpuppe in sich zusammen, während sich der Arm ihres Angreifers noch fester um ihren Körper legte, um sie vor einem Sturz auf die harten Fliesen zu bewahren.
Beverly versuchte verzweifelt, sich zu bewegen, aber ihr Körper gehorchte ihr nicht. Sie konnte zwar weiterhin hören und sehen, doch ansonsten funktionierte rein gar nichts. Ihre Arme und Beine kribbelten. Dann wurden sie taub. Sie konnte sich nicht mehr bewegen. Nicht das kleinste bisschen.
Der Mann legte sie vorsichtig auf den Boden. »Wir können uns nicht erlauben, dass du dir blaue Flecke holst«, sagte er mit emotionsloser Stimme. »Das würde alles verderben.«
Eine erdrückende Angst senkte sich über Beverly. Sie hatte keine Ahnung, was er damit meinte, aber es verhieß mit Sicherheit nichts Gutes. Weder für sie noch für ihr Baby.
Cory stieß einen wütenden Schrei aus, der seine Gegenwart im Nachbarzimmer preisgab.
Beverly versuchte mit aller Verzweiflung, etwas zu bewegen – einen Arm, einen Finger, irgendwas.
Ein heiserer Seufzer war alles, was sie zustande brachte, und der war nicht einmal laut genug, um im Nebenzimmer gehört zu werden, geschweige denn von den Nachbarn.
Der Unbekannte strich ihr das Haar aus dem Gesicht und beugte sich über sie, sodass sie geradewegs in seine strahlend blauen Augen blickte. »Es wird alles gut. Wart’s nur ab. Ich werde mich gut um dich kümmern.«
Die Hilflosigkeit machte es ihr schwer zu atmen und unmöglich zu denken.
Der Mann ließ sie achtlos am Boden liegen, während sie sich qualvoll bemühte, irgendeine Bewegung, irgendeinen Laut zustande zu bringen. Allein die Hoffnung, dass Isabelle in Kürze hier auftauchen würde, bewahrte sie davor, den Verstand zu verlieren. Isabelle würde sie retten.
Im Badezimmer hörte sie Wasserrauschen. Die antike Wanduhr schlug zwei und ließ sie hoffen, dass Isabelle jeden Moment durch die Tür treten würde.
Corys Schreie wurden immer lauter. Vielleicht würden ihn die Nachbarn ja hören.
Bitte mach, dass sie ihn hören.
Der Mann kehrte aus dem Badezimmer zurück und beugte sich bedrohlich über sie. Er wirkte gigantisch. Monströs. Ein riesiger schwarzer Schatten, der sie zu verschlingen drohte.
»Uns bleibt nicht viel Zeit. Wir müssen dir die Sachen ausziehen.«
Beverlys Herz machte einen heftigen Satz. Sie hatte Mühe, ihre Panik unter Kontrolle zu halten. Aber sie musste dringend Ruhe bewahren, um ihren Sohn zu retten.
Der Mann hob Beverly hoch, als würde sie nicht das Geringste wiegen, dann trug er sie ins Bad. Die Luft war warm und feucht, und sie hörte einen Wassertropfen in die Badewanne fallen.
Ihre Fußsohlen fingen an zu kribbeln, und sie brach vor lauter Aufregung in kalten Schweiß aus. Anscheinend ließ die Wirkung des Sprays allmählich nach.
Der Mann knöpfte ihr die Bluse auf. »Ohne Handschuhe ginge das Ganze schneller, aber wir wollen schließlich keine Fingerabdrücke hinterlassen, nicht wahr?«
Er zog ihr die Bluse aus und schob seine Hände in ihren Rücken, um ihren BH zu öffnen. Eine neue Welle von Panik erfasste ihren Körper, als ihr bewusst wurde, dass der Kerl möglicherweise vorhatte, sie zu vergewaltigen.
Andererseits, wenn das seine Absicht war und er Cory dafür verschonen würde, konnte sie sich glücklich schätzen.
Er zog ihr die übrige Kleidung aus, während er mit beruhigender Stimme zu ihr sprach. »Es gibt viel zu tun. So viele, denen ich helfen muss.«
Eine pulsierende Wärme stieg in ihren Beinen nach oben, und sie spürte, wie das Gefühl in ihren Händen zurückkehrte. Obwohl sie sich gegen den Angreifer wehren wollte, blieb sie reglos liegen, damit er nicht sofort merkte, dass ihr Bewegungsvermögen zurückkehrte. Ein Überraschungsangriff war ihre einzige Hoffnung, und die wollte sie nicht leichtfertig verspielen.
Beverly trug immer noch ihre bequeme, elastische Schwangerschaftshose, die der Kerl ihr mitsamt der Unterhose mühelos herunterstreifte. Er warf nicht einmal einen flüchtigen Blick auf ihren nackten Körper. Als er sie in die Badewanne hob, spiegelte sich keinerlei Lust in seinen Augen, nur kühle, emotionslose Distanz.
Das warme Wasser schwappte um ihren Körper herum, während er ihre schlaffen Arme so arrangierte, dass ihr Kopf über Wasser blieb.
Beverly lag reglos in der Wanne. Nackt. Hilflos. Jedes Mal, wenn er sie berührte, zuckte sie innerlich zusammen, kurz davor zurückzuweichen.
Cory schrie sich im Nachbarzimmer die Seele aus dem Leib. Beverly versuchte, ihn im Geiste zu beruhigen, damit er nicht zu viel Aufmerksamkeit auf sich lenkte.
Wo zum Teufel steckte nur Isabelle? Sie kam sonst nie zu spät. Ganz im Gegensatz zu Beverly, die sich so oft verspätete, dass ihr Mann alle Uhren im Haus um fünfzehn Minuten vorgestellt hatte.
Oh Gott.
Isabelle würde frühestens in zehn Minuten hier eintreffen. In zehn Minuten konnte viel passieren. Zu viel.
Der Mann verließ das Bad. Seine schweren Schritte entfernten sich in Richtung Kinderzimmer.
Cory hörte urplötzlich auf zu weinen. Was hatte er ihrem Baby angetan?
Beverly geriet in Panik und versuchte aus der Wanne zu klettern. Ihre Gliedmaßen traten unbeholfen ins Leere, und eine Ladung Wasser schwappte über den Wannenrand. Sie verlor das Gleichgewicht, schrie auf und ging unter. Wasser drang ihr in die Nase und drohte sie zu ersticken.
Sie durfte nicht ertrinken. Nicht, solange sich ihr Sohn in der Gewalt dieses Irren befand.
Ihre Lungen brannten, während sie sich mit schwachen Armen hochzudrücken versuchte. Sie rutschte zweimal aus, ehe es ihr gelang, die Wasseroberfläche zu durchbrechen und einen verzweifelten Atemzug zu nehmen.
In einem heftigen Hustenanfall befreite sie ihre Lungen vom Wasser. Ihre Arme zitterten, doch sie hielten ihrem Gewicht stand. Ihr Körper hatte inzwischen an Kraft gewonnen, doch sie fühlte sich immer noch wackelig. Die Wirkung des Mittels schien fast ebenso schnell nachzulassen, wie sie eingetreten war. Gott sei Dank.
Wassertropfen rannen ihr in die Augen, aber sie wischte sie nicht weg aus Angst, erneut den Halt zu verlieren. Sie blinzelte mehrmals, um wieder klar sehen zu können, doch der Anblick, der sich ihr bot, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren.
Der Unbekannte hielt ihren Sohn in seinem Arm, während er mit einer Hand die Kehle des Babys umfasste. Die Botschaft war eindeutig. Er hatte die Absicht, Cory zu töten.
»Schluss damit.« Mehr sagte er nicht. Mehr musste er auch nicht sagen.
Beverly erstarrte; sie wagte es nicht einmal zu blinzeln. »Bitte tun Sie ihm nichts«, flehte sie mit undeutlicher Stimme, aber er schien sie zu verstehen.
»Ich will ihm nichts tun. Aber wenn es sein muss, werde ich das.«
»Sagen Sie, was Sie von mir wollen.«
Der Mann griff in seine Hosentasche und zog ein orangefarbenes Cuttermesser hervor. Er legte es auf den Wannenrand. »Ich will, dass du das benutzt.«
Beverly hatte keine Ahnung, was er von ihr wollte. Wofür sollte sie es benutzen? »Wofür?«
»Für dich.«
Ihr Magen verkrampfte sich, während ihr Verstand den Worten einen Sinn abzuringen versuchte. »Sie sind verrückt.«
Beverly war sich nicht sicher, aber sie hatte den Eindruck, dass sich der Mund des Mannes hinter der Maske zu einer wütenden Linie verzog. Seine Hand griff erneut an die Kehle ihres Babys. Als er weitersprach, klangen seine Worte scharf und abgehackt. »Du wirst deine Qualen beenden, bevor du deinem Kind welche zufügen kannst.«
»Ich würde meinem Kind nie wehtun.«
»Nicht absichtlich. Das tun Eltern nie.«
»Bitte. Ich weiß nicht, wovon Sie reden. Was wollen Sie von mir?«
Die Finger des Mannes schlossen sich um Corys zarten Hals. »Dein Leben oder das deines Sohns. Es liegt bei dir.«
Das alles ergab keinen Sinn, doch dieser Irre meinte es bitterernst. Sie hatte keinen Zweifel, dass er seine Drohung wahr machen würde. Er würde ihrem Baby etwas antun. Sie musste dringend Zeit gewinnen …
»Können wir nicht darüber reden? Sagen Sie mir, warum Sie das tun!«
»Es gibt nichts mehr zu bereden. Die Zeit läuft uns davon. Isabelle ist schon auf dem Weg hierher.«
Woher wusste er das? »Sie können ihr meinen Sohn anvertrauen. Sie wird sich gut um ihn kümmern.«
»Genug der Worte! Tu, was ich dir sage, und ich lasse den Jungen am Leben. Wehr dich, und ich beende seine Qualen, bevor sie begonnen haben. Ich schwöre es.« Er schüttelte Cory ein wenig, und Beverlys Brust schnürte sich zusammen.
Corys Gesicht wurde dunkelrot, und sein Mund verzog sich zu einem wütenden Schrei. Er war einfach wundervoll. So winzig und doch so perfekt. Beverly liebte ihren Mann, aber was wahre Liebe bedeutete, hatte sie erst erfahren, als sie ihren Sohn zum ersten Mal im Arm gehalten hatte. Das Gefühl war einfach unbeschreiblich. Überwältigend. Für ihren Sohn würde sie alles tun.
Ausnahmslos alles.
Tränen rannen über ihr Gesicht, als sie nach dem Messer griff. Ihre schwachen, feuchten Finger rutschten an dem Plastikgriff ab, doch sie schaffte es irgendwie, die Klinge herauszuschieben. Ein Sonnenstrahl, der durch das Badezimmerfenster hereinfiel, ließ sie bedrohlich funkeln.
»Schön tief«, sagte der Mann. »Dann wirst du einfach so davontreiben. Endlich frei, nach all den Jahren.«
Von wegen frei. Tot. Aber ihr Sohn würde leben. Daran musste sie glauben.
Beverly setzte sich die Klinge ans Handgelenk, betrachtete zum letzten Mal ihren Sohn und bewahrte das Bild in ihrem Herzen, während sie den ersten Schnitt tat.
»Hier sind in letzter Zeit ein paar … seltsame Dinge geschehen. Pass gut auf dich auf, okay?«
Das tat Grant Kent grundsätzlich – nur so hatte er annähernd zehn Jahre bei der Delta Force überlebt –, doch seit er Anfang der Woche Isabelles Nachricht erhalten hatte, gingen ihm die Worte nicht mehr aus dem Kopf. Genauso wenig wie das Zittern in Isabelles Stimme.
Es war überhaupt das erste Mal, dass sie ihn angerufen hatte, und es ging ihr offenbar nicht um Small Talk. Irgendetwas stimmte nicht, weshalb Grant einen Umweg von rund dreihundert Meilen in Kauf genommen hatte, um herauszufinden, was es war.
Sein Mustang glitt durch die ruhigen Anliegerstraßen, während er nach dem richtigen Haus Ausschau hielt. Er konnte nur hoffen, dass die Adresse auf der Weihnachtskarte, die er letztes Jahr erhalten hatte, noch aktuell war.
Es spielte keine Rolle, dass er morgen eine neue Stelle antrat und bei Tagesanbruch in Denver sein musste. Ebenso wenig spielte es eine Rolle, dass er Isabelle seit vierzehn Jahren nicht gesehen hatte. Das Einzige, was zählte, war dieser Anruf. Und obwohl sie ihn nicht gebeten hatte zu kommen, ließ jener angstvolle Ton in ihrer Stimme alles andere bedeutungslos erscheinen.
Und deshalb war er hier in Springfield, Missouri, dem Zuhause schlechter Erinnerungen, obwohl er sich geschworen hatte, nie wieder herzukommen. Nur, weil die süße kleine Isabelle Carson vor irgendetwas Angst hatte und Grant nicht einfach darüber hinwegsehen konnte.
Seiner Einschätzung nach blieben ihm etwa zwei Stunden, um herauszufinden, was Isabelle Angst machte, und das Problem zu beseitigen, um rechtzeitig zurück auf den Highway zu fahren und im Morgengrauen bei David Wolfe am Frühstückstisch zu sitzen.
Vorfreude schwellte seine Brust und zeichnete ihm ein albernes Grinsen aufs Gesicht. Nach vierzehn Jahren Militärdienst war er endlich aus der Nummer heraus. Er konnte es kaum erwarten, seine Freunde wiederzusehen und ein neues Leben zu beginnen.
Grant Kent, Sicherheitsberater. Klang gar nicht mal übel.
Er bog in Isabelles Straße ein und fand die richtige Hausnummer. Das Haus war alt, aber in einem guten Zustand, und viel zu groß für eine einzige Person. Trotz der Dunkelheit konnte er die weißen Wände erkennen, die vom Licht der Verandabeleuchtung angestrahlt wurden. Der Garten war ordentlich gepflegt, die Bäume sauber zurückgeschnitten, und selbst das vom Winter tote Gras wirkte absolut makellos.
Grant bog in die Einfahrt ein und hoffte, sich am richtigen Ort zu befinden. Isabelle hatte in ihrer Nachricht keine Adresse genannt, und er hatte das Gefühl, wenn er vorher angerufen und nachgefragt hätte, wäre der Schuss nach hinten losgegangen.
Sie hatten sich nicht gerade unter glücklichen Umständen getrennt, und Grant wollte es Isabelle nicht zu leicht machen, ihn abzuweisen – nicht, solange die Möglichkeit bestand, dass sie in Schwierigkeiten steckte.
Grant stieg aus dem Wagen und dehnte seine steifen Glieder. So sehr er seinen Mustang auch liebte, für einen Mann seiner Größe war der Wagen einfach nicht geschaffen. Und Grant hatte unterwegs nicht oft haltgemacht, um sich die Beine zu vertreten. Ihm war zu sehr daran gelegen, möglichst bald anzukommen und die Sache hinter sich zu bringen.
Doch nun, da er hier war, kamen ihm Zweifel, ob er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Er hatte keine Ahnung, worauf er sich da einließ und ob sie ihn überhaupt nach all der Zeit würde sehen wollen.
Ein eisiger Märzwind peitschte ihm um die Ohren, als er zögerlichen Schrittes auf das Haus zuging.
Bei ihrer letzten Begegnung war Isabelle sechzehn gewesen und hatte mit angezogenen Beinen in einem Krankenwagen gekauert. Mit tränennassen Wangen hatte sie dem Streifenwagen hinterhergestarrt, auf dessen Rückbank Grant in Handschellen abtransportiert wurde.
Er sah dem Wiedersehen mit ihr mit gemischten Gefühlen entgegen, aber er war immerhin Manns genug, um auf den beleuchteten Klingelknopf zu drücken.
Ein melodischer Dreiklang drang durch das bleigefasste Fenster im oberen Teil der Tür nach draußen. Einen Augenblick später nahm er hinter der Scheibe schemenhafte Bewegungen wahr. Die Tür öffnete sich, und Grant brauchte gut und gern zehn Sekunden, um Isabelle Carson wiederzuerkennen. Erwartet hatte er eine ältere Version des hageren sechzehnjährigen Mädchens mit strähnigem Haar und fahler Haut, die sich straff über ihre zarten Knochen spannte. Wäre da nicht ihre exotisch-japanische Abstammung gewesen, die ihrem Aussehen eines typisch amerikanischen Mädchens von nebenan einen besonderen Akzent verlieh, hätte er sie vermutlich gar nicht erkannt.
Grant hatte schon viele attraktive Frauen gesehen, aber Isabelle war einfach … atemberaubend.
Es verschlug ihm für einen Moment die Sprache, während er ihren Anblick stumm in sich aufsog. Sie war hochgewachsen – so um die eins achtzig –, während sie ihm früher gerade mal bis zur Brust gegangen war. Unter ihrer legeren Kleidung verbargen sich schlanke, verführerische Kurven, die nur dazu gemacht schienen, sich in die Handflächen eines Mannes zu schmiegen. Ihr glänzendes Haar fiel ihr glatt über den Rücken, doch ihr Pony lenkte den Blick hin zu ihren Augen. Sie waren tiefgrün, wie die Farbe des Waldes in der Dämmerung, und standen ein klein wenig schräg.
Ihre exotischen Augen weiteten sich überrascht, während sie ihn fassungslos anstarrte.
Grant wartete ab und gab ihr ein wenig Zeit, um den Schock zu verarbeiten. Er hatte keine Ahnung, wie sehr er sich verändert hatte, seit sie ihn als siebzehnjährigen Jungen das letzte Mal gesehen hatte. Mit angehaltenem Atem hoffte er, sie würde ihm nicht die Tür vor der Nase zuknallen.
Seine Knöchel schmerzten, so fest hatte er seine Hände zu Fäusten geballt. Kein gutes Zeichen für jemanden, der es gewohnt war, seinen Körper unter Kontrolle zu haben und nicht andersherum.
Mehr als einmal im Leben hatte er tagelang durch das Zielfernrohr seines Gewehrs gespäht, um geheime Informationen zu sammeln oder auf den perfekten Schuss zu warten, während sein Versteck jeden Moment hätte auffliegen können, und doch war er nie zuvor so nervös gewesen wie jetzt, da er Isabelle nach all der Zeit erneut gegenüberstand.
Was, wenn sie ihn nicht mochte? Was, wenn sie nur jenen wütenden, aggressiven Jungen in ihm sah, der er einst gewesen war? Oder, schlimmer noch, was, wenn sie ihn hasste, weil er ihren Pflegevater umgebracht hatte?
Grant widerstand dem Drang zu flüchten, nur weil Isabelle möglicherweise eine schlechte Meinung von ihm hatte. Er hatte keine Ahnung, ob er stark genug wäre, ihre Enttäuschung zu verkraften, doch anstatt wie ein Feigling davonzurennen, straffte er seine Schultern und stellte sich der Situation.
Isabelle blinzelte mehrmals, als könne sie kaum glauben, was sie da sah. Völlig erstarrt stand sie in der Tür. Grant spürte, wie die Wärme ihres hell erleuchteten Hauses sein Gesicht streifte und sich in der kühlen Nacht verlor.
»Schön, dich wiederzusehen, Isabelle.«
Sie stand weit genug entfernt, um seine persönliche Distanzzone nicht zu verletzen, und doch nahe genug, dass er sie ohne Weiteres hätte berühren können.
Was er jedoch nicht tat. Er hatte keine Ahnung, wie sie darauf reagieren würde.
Grant versuchte zu lächeln – was ihm in Gegenwart einer Frau für gewöhnlich leichtfiel –, doch der Versuch scheiterte kläglich.
»Grant?«, fragte sie verwirrt, als wäre sie nicht sicher, ob er es tatsächlich war.
»Hi, Isabelle. Ist lange her.« Er klang lässig, fast gleichgültig.
»Was … was willst du hier?«
Nicht gerade ein herzlicher Empfang, aber den hatte er auch nicht erwartet. Leider machte dies das Ganze kein bisschen leichter. »Ich hab deine Nachricht erhalten. Da dachte ich mir, ich schau mal vorbei, um zu hören, was hier los ist.«
Sie spähte an ihm vorbei, die Straße auf und ab. Nach all den Jahren verdeckter Ermittlungen kannte Grant diesen Blick nur allzu gut. Isabelle rechnete mit Schwierigkeiten.
»Du solltest nicht hier sein«, erwiderte sie.
»Ich hätte wohl besser vorher anrufen sollen, als einfach so hier aufzukreuzen.«
Sie sah ihn immer noch nicht an, sondern hielt ihren Blick fest auf die Straße gerichtet. »Nein, das meine ich nicht. Du solltest von hier verschwinden. Und zwar sofort.«
Hätte er in ihren Augen Wut oder Abscheu gelesen, hätte er auf dem Absatz kehrtgemacht und wäre gegangen. Aber es war etwas ganz anderes. Er bemerkte Angst in ihren Zügen, Besorgnis in ihrer Stimme.
Wenn Isabelle mit Schwierigkeiten rechnete, wollte Grant zur Stelle sein.
»Darf ich reinkommen?«
»Nein, Grant. Du musst verschwinden. Bevor dich irgendjemand sieht. Bitte.«
Grant drehte sich um und musterte die Umgebung. Er bemerkte nichts Außergewöhnliches, keinerlei Hinweise auf jemanden, der sich in den nächtlichen Schatten um ihr Haus versteckt hielt und sie beobachtete. »Wer sollte mich hier sehen?«
Ein Auto bog in die Straße ein. Seine grellen Scheinwerfer beleuchteten die Fassade des gegenüberliegenden Hauses.
»Komm rein.« Isabelle packte ihn an seinem Hemd und versetzte ihm einen energischen Ruck.
Grant konnte gerade noch verhindern, gegen sie zu stolpern, als Isabelle ihn ins Haus zerrte und die Tür hinter ihm zuknallte. »Runter!« Sie riss erneut an seinem Hemd und zog ihn in die Hocke.
Er duckte sich instinktiv, obwohl er keine Ahnung hatte, warum. Vermutlich war er es zu sehr gewohnt, den Wünschen einer Frau Folge zu leisten. Wenn man ihn bat, ungewöhnliche Dinge zu tun, endete dies meist in einem leidenschaftlichen Vergnügen, sowohl für ihn als auch für die Frau.
Allerdings hatte er arge Zweifel, dass dies einer jener Momente war.
Durch das Fenster in der Tür konnte er sehen, dass das Auto zügig vorbeifuhr, ohne zu halten oder auch nur zu bremsen.
»Was zur Hölle ist hier los?«, fragte er.
Sie ließ von ihm ab und spähte durchs Fenster. Grant bemühte sich, ihr nicht auf den Po zu starren, doch er konnte einfach nicht anders. Isabelle stand an der Tür, und er hockte, wie befohlen, hinter ihr, sodass ihm gar keine andere Wahl blieb als hinzusehen.
Ihre engen Jeans schmiegten sich perfekt an ihren Körper und verliehen ihm Kurven, die man als Mann so schnell nicht wieder vergaß. Ihr schwarzes Haar reichte ihr bis zur Hüfte und schimmerte im Licht, als sie sich abrupt umdrehte.
»Warum bist du gekommen?«
»Deine Nachricht hat mich beunruhigt. In bin unterwegs nach Denver, um eine neue Stelle anzutreten, also dachte ich mir, ich schaue kurz vorbei, um zu sehen, ob es dir gut geht.«
Isabelles schmale Schultern sanken erleichtert herab. »Denver. Das ist Stunden von hier entfernt. Da bist du in Sicherheit.«
In Sicherheit? Mit anderen Worten, hier war er das nicht? In was für eine Sache war sie da hineingeraten?
Grants Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Er atmete tief durch und versuchte es aufs Neue. »Kannst du mir bitte verraten, was hier los ist?«
»Es wäre das Beste, wenn du einfach gehst. Ich will dich da nicht mit reinziehen.«
Grant verschränkte die Arme vor der Brust und baute sich vor ihr auf. »Ich werde nirgendwo hingehen, solange du mir nicht sagst, was hier los ist.«
Ihre vollen Lippen spannten sich, und ihre Augen verengten sich zu funkelnden Schlitzen. »Ich habe dich nicht hergebeten. Du hast hier nichts verloren. Wenn du nicht gleich verschwindest, rufe ich die Polizei.«
Er zuckte mit den Schultern. »Meinetwegen. Nur zu. Vielleicht können die mir ja verraten, warum du dich so panisch verhältst.«
»Ich verhalte mich überhaupt nicht panisch. Nur vorsichtig.«
»Und warum?«
Sie presste die Lippen aufeinander und wandte ihren Blick ab.
Grant hatte Isabelle noch nie zuvor berührt. Sie war ihm immer so zerbrechlich vorgekommen, dass er Angst hatte, ihr wehzutun, ihr etwas zu brechen.
Doch Isabelle war nicht länger zerbrechlich. Er hatte ihre Kraft gespürt, als sie an seinem Hemd gezerrt hatte. Er konnte mit eigenen Augen sehen, dass sie gesund und munter war.
Es gab keinerlei Grund, weshalb er sie nicht berühren sollte.
Spontan legte er einen Finger an ihr Kinn und zwang sie, zu ihm aufzublicken. Seine Fingerkuppe streifte ihre zarte Haut, und ihre Augen waren von einem überwältigenden Grün. Um ein Haar vergaß er, was er sie hatte fragen wollen. Doch die Angst in ihren Augen war noch immer sichtbar und half seinem verwirrten Gehirn, sich zu konzentrieren, anstatt vor der Macht ihrer Augen zu kapitulieren. »Warum, Isabelle? Warum soll ich die Stadt verlassen? Wovor hast du Angst?«
Sie schluckte nervös, und ein feines Beben erfasste ihr Kinn, ehe sie entschlossen die Zähne zusammenbiss. »Weil hier Menschen sterben. Und ich will nicht, dass du der Nächste bist.«
***
Isabelle wusste, dass sie die Wahrheit nicht hätte sagen sollen, doch sie hatte Grant Kent noch nie widerstehen können. Nicht damals, als sie sechzehn war, und erst recht nicht heute, da er groß und attraktiv und völlig unerwartet vor ihr stand. Und sie obendrein berührte. Jahrelang hatte sie davon geträumt, und nun, da er es endlich tat, konnte sie kaum noch klar denken. Natürlich war es nicht mehr als die Spitze eines Fingers gewesen, aber bei einem Mann wie Grant reichte bereits die kleinste Berührung, um einen Frauenkörper in Wallungen zu versetzen.
Als bräuchte sie noch mehr Aufregung in ihrem Leben! Sie hatte schon mehr als genug davon, ohne auch noch ihre dunkle Vergangenheit und eine jahrzehntelange Schwärmerei hinzuzufügen.
Grant erschien ihr geradezu übermenschlich. Souverän, selbstbewusst, atemberaubend. Er war groß, schlank und attraktiv, und seine goldenen Augen funkelten, wenn er sie ansah. Seine Frisur war ein wenig kürzer als zu seiner rebellischen Jugendzeit, und obwohl der Winter gerade erst den Rückzug antrat, glänzten seine sonnengebleichten Haare im Licht, wann immer er den Kopf bewegte. Er verfügte über jene magische Anziehungskraft, die Frauen in Scharen anzog, und Isabelle war keineswegs immun gegen seinen Charme und sein umwerfendes Äußeres. Das war sie noch nie gewesen.
Als sechzehnjähriges Mädchen hatte sie nicht wirklich begriffen, was sie für ihn empfand, aber inzwischen wusste sie ganz genau, was diese Gänsehaut zu bedeuten hatte, ebenso wie jener feine Schauer, der ihr über den Rücken lief, wenn er ihre Haut berührte. Sie war kein unschuldiges Mädchen mehr und wusste sehr genau, was auf dem Spiel stand, wenn sie jenem magischen Charme erlag, den er seit jeher auf sie ausgeübt hatte.
Grants funkelnde Augen begegneten ihrem Blick und hielten ihn fest. Sie sprühten nur so vor Intensität, und hinter der charmanten Fassade verbarg sich eine eiserne Entschlossenheit. Was auch immer Grant in den letzten vierzehn Jahren beim Militär gemacht hatte, er hatte mit Sicherheit nicht am Schreibtisch gesessen. Er verströmte eine Aura von absoluter Kompetenz und Souveränität.
Sein Blick wanderte über ihr Gesicht, und obwohl sich sein Finger unter ihrem Kinn nicht von der Stelle rührte, fühlte sie sich von ihm liebkost. »Was soll das heißen, Menschen sterben? Wer stirbt?«
Zu spät, um irgendetwas zu leugnen. Sie musste ihre Taktik ändern. »Ich dramatisiere nur. Das kommt von dem Schock, dich so unerwartet wiederzusehen. Mehr nicht.«
Grants Kiefermuskulatur verhärtete sich, und seine Augen verengten sich zu Schlitzen. »Blödsinn. Sag mir die Wahrheit, und zwar sofort.«
Nein. Sie würde nicht einfach nachgeben, nur weil er es so wollte.
Entschlossen stieß sie seine Hand beiseite und unterbrach den Körperkontakt.
Der sicherste Weg, Grant zu beschützen, war, ihn aus der Stadt zu jagen. So weit weg wie nur möglich. Wenn sie ihn in diese Sache hineinzog, würde er bleiben. Und sie konnte unmöglich verantworten, dass er sein Leben aufs Spiel setzte. Nicht nach allem, was er vor vierzehn Jahren für sie getan hatte, für sie aufs Spiel gesetzt hatte.
Er war für sie ins Gefängnis gegangen, hatte für sie seine Freiheit geopfert. Sie würde sich gewiss nicht revanchieren, indem sie ihn leichtfertig in Gefahr brachte – vorausgesetzt, dass sie sich das Ganze nicht nur einbildete.
Was durchaus eine realistische Möglichkeit war. Niemand glaubte ihr.
»Vermutlich ist an der Sache überhaupt nichts dran«, erwiderte sie mit einem aufgesetzten Lächeln.
»Das würde ich gern selbst beurteilen.« Sein Ton klang fordernd, daher fügte er ein milderndes »Bitte« hinzu.
Vielleicht sollte sie ihm ganz einfach alles erzählen. Er war immerhin beim Militär gewesen. Wenn jemand eine Gefahr erkannte, dann er. Und wenn er sich ihr Beweismaterial ansah und dennoch zu dem Schluss kam, dass alles in Ordnung war, konnte sie wenigstens wieder beruhigt schlafen.
»Du wirst mich für völlig durchgeknallt halten.«
»Ich finde durchgeknallte Mädels eigentlich ziemlich sexy.«
Isabelle spürte, wie ihr die Hitze in die Wangen schoss. Sie war kein kleines Mädchen mehr, doch kaum verbrachte sie ein paar Minuten mit Grant, fühlte sie sich wieder wie ein verknallter Teenager: unsicher und verlegen. Der einzige Unterschied bestand darin, dass sie sich damals vergeblich nach jener Aufmerksamkeit gesehnt hatte, die sie nun in geballter Form abbekam.
Mehr war nicht nötig, um eine Frau in Verlegenheit zu bringen.
»Spuck’s aus, Isabelle, oder ich gebe dir eine Kostprobe von den Verhörtechniken, die ich beim Militär gelernt habe.«
»Du machst mir keine Angst.«
Ein träges Grinsen breitete sich über sein Gesicht aus. »Nur, weil ich mir große Mühe gebe, es nicht zu tun. Willst du wirklich, dass ich zu Plan B übergehe, meine Liebe?«
Ja, schrie die Sechzehnjährige in ihr, die so von Grant schwärmte, dass ihr Verstand buchstäblich aussetzte. Was auch immer er mit ihr vorhatte, war mit Sicherheit besser, als ihn einfach so gehen zu lassen. Zum zweiten Mal.
Der vernünftige, rationale Teil ihrer selbst wusste es hingegen besser. Sie hatte sich in ihrem Leben größeren, besseren Dingen verschrieben. Sie brauchte Grant nicht. Nicht mehr.
»Nicht nötig. Setz dich einfach ins Auto und fahr los, und ich verspreche dir, ich werde dir per Handy alles erzählen, was du wissen willst.«
»Keine Chance. Schieß los.«
Grant hatte schon als Teenager eine beeindruckende Ausstrahlung besessen, doch die war rein gar nichts verglichen mit der schieren Willenskraft, die er als Mann verströmte. Er wirkte stärker als früher. Bedrohlicher. Begehrenswerter.
»Ich hätte dich nicht anrufen sollen.« Zu dumm, dass ihr das nicht bewusst gewesen war, als sie zum Hörer gegriffen hatte. Dabei hatte sie ihn einfach nur warnen wollen. Nicht im Traum hätte sie damit gerechnet, dass ihn dieser Anruf zu ihrer Haustür führen würde.
»Aber das hast du.«
Es war nicht der erste Fehler, den sie in ihrem Leben gemacht hatte, und mit Sicherheit auch nicht der letzte. Im Moment konnte sie nichts weiter tun, als Schadensbegrenzung zu betreiben. »Na schön. Setzen wir uns.«
***
Grant hob auffordernd den Arm, um sich von Isabelle den Weg weisen zu lassen. Sie verließen den Flur und traten ins Wohnzimmer. Vor einer der Wände stand ein hell erleuchtetes Aquarium, dessen farbenprächtige Bewohner anmutig durchs Wasser glitten. Hier und da hingen Kunstdrucke an den Wänden, die überwiegend Blumenmotive darstellten. Und die bequem anmutenden Möbel waren überladen mit verspielten Kissen, die verziert waren mit Perlen und Quasten und irgendwelchem glitzernden Firlefanz, den er nicht mal benennen konnte.
Isabelle setzte sich ans hintere Ende der Couch, möglichst weit von ihm entfernt, was höchst bedauerlich war. Grant verstand den dezenten Hinweis und schob einen Haufen Kissen beiseite, um in einem Sessel Platz zu nehmen, der zwischen dem Sofa und der Tür stand.
Wenn da draußen wirklich eine Gefahr lauerte, würde er sich ihr in den Weg stellen.
Isabelle fingerte an einem Kissen herum, und Grant bemerkte das kaum wahrnehmbare Zittern ihrer Hände.
Was auch immer ihr Angst machte, Grant wollte es ausfindig machen und zur Strecke bringen. Er hatte nie begriffen, warum Isabelle diesen heftigen Beschützerinstinkt in ihm auslöste. Er war irgendwie immer davon ausgegangen, dass es mit ihrer kleinen, zerbrechlichen Gestalt zusammenhing.
Offenbar hatte er sich geirrt, denn die erwachsene Isabelle war weder klein noch zerbrechlich, und doch hatte jener unerklärliche Drang in keiner Weise nachgelassen.
Diese Erkenntnis war überaus beunruhigend.
Isabelle atmete tief ein und schloss die Augen. Dann platzte es aus ihr heraus. »Im Januar sind zwei meiner Weihnachtskarten als unzustellbar zurückgekommen.«
Grant schwieg und erwartete die Fortsetzung ihrer Beichte. Vergeblich. »Okay, ich sehe dir an, dass dich das beunruhigt. Aber ich bin anscheinend schwer von Begriff, deshalb musst du mir mit dem Warum auf die Sprünge helfen.«
»Ich schreibe jedes Jahr Geburtstags- und Weihnachtskarten an alle, die damals mit mir in derselben Pflegefamilie gelebt haben, seit du … uns verlassen hast.«
Grant errötete, da er all ihre Karten in einer wasserfesten Tasche aufbewahrte, die seine wertvollsten Besitztümer enthielt. Er hatte sich nicht von einer einzigen trennen können. Immerhin kramte er sie nicht hervor, um sie immer wieder zu lesen. Zumindest nicht ständig.
»Sollte ich mich noch nicht dafür bedankt haben, hole ich es hiermit nach. Ich freue mich immer, von dir zu hören.«
»Danke. Die anderen scheinen sich auch über meine Karten zu freuen, deshalb fand ich es auch so komisch, dass zwei von ihnen zurückkamen.«
Grant zuckte mit den Schultern. »Menschen ziehen eben manchmal um.«
»Das hab ich mir auch gesagt, aber …«
»Aber was?«
Sie schüttelte den Kopf, und ein paar Strähnen ihres seidigen Haars glitten ihr über die Schulter und streiften ihre zarte Wange. Grant schob seine Hände unter die Oberschenkel, um sich davon abzuhalten, Isabelles Haar zurückzustreichen und dessen seidige Struktur zwischen den Fingern zu spüren.
Er wusste, wie sich das Haar einer Frau anfühlte. Er brauchte sich nicht zu vergewissern.
»Es hat mich ganz einfach beunruhigt«, fuhr sie fort. »Die Karten gingen an Sam und Linda. Erinnerst du dich an die beiden?«
Er schüttelte den Kopf. Die Zeit zwischen dem Tod seiner Mutter – die ihr Auto um einen Baum gewickelt hatte, weil sie zu betrunken gewesen war, um noch fahren zu können – und seinem Eintritt ins Militär versuchte Grant so gut es ging zu verdrängen. Es war besser so. »Ich war nur ein paar Tage bei euch. Und in der Zeit ist viel passiert.«
Ein Anflug von Traurigkeit zerrte an ihren Mundwinkeln. »Aber wären diese paar Tage nicht gewesen, wer weiß, was dann aus mir geworden wäre. Du hast mich vor Lavine gerettet.«
Edgar Lavine. Es war viele Jahre her, seit er diesen Namen zum letzten Mal gehört hatte, und doch verging kein Tag, an dem er nicht an ihn dachte – und daran, dass er ihn am liebsten noch einmal umbringen würde für all das, was er diesen Kindern angetan hatte. Nur diesmal qualvoller.
Grant ließ sich seine Wut nicht anmerken, um zu verhindern, dass Isabelle sie auf sich bezog. Stattdessen zuckte er beiläufig mit den Schultern. »Jeder andere hätte dasselbe getan.«
»Nein. Es gab genügend andere, die etwas hätten tun können, aber das haben sie nicht. Du warst derjenige.«
Er wollte nicht über Lavine reden. Nicht jetzt und auch sonst nicht. »Ich kann mich nicht an die beiden erinnern. Tut mir leid.«
»Sam war vielleicht schon weg, als du zu uns gekommen bist. Aber Linda hat mit uns zusammengewohnt. Sie war damals so um die acht.«
Die Erinnerung an jenen ersten Tag, als er bei Lavine eingezogen war, flammte plötzlich vor seinen Augen auf. Ein kleines blondes Mädchen im Kleiderschrank, das bitterlich weinte und sich weigerte herauszukommen, die Arme fest um seinen Körper geschlungen.
Ein Anflug von Ekel schnürte ihm die Kehle zu. Er konnte unmöglich zu jenem Teil seines Lebens zurückkehren. Damals hatte er es nicht begriffen, aber als Erwachsener wusste er, dass dies der erste Hinweis gewesen war, um was für ein sadistisches, Kinder missbrauchendes Arschloch es sich bei Lavine handelte.
Er schluckte schwer, ehe er mit zitternder Stimme fortfuhr. »Ich weiß, wen du meinst.«
»Sie ist zu einer glücklichen Frau herangewachsen. Das solltest du wissen. Was damals mit ihr geschah, war furchtbar, aber sie hat es überwunden. Sie hat sogar vor einem Jahr geheiratet.«
»Das ist großartig. Freut mich, dass es ihr gut geht.«
Isabelles Blick richtete sich auf das Kissen in ihrem Schoß, doch Grant bemerkte einen feinen Schimmer von Tränen in ihren Augen, den sie hastig wegblinzelte. »Es geht ihr leider … nicht mehr gut.«
»Was ist passiert?«, fragte er, obwohl er es im Grunde gar nicht wissen wollte. Er kam sich vor wie ein elender Feigling.
»Als meine Weihnachtskarte zurückkam, habe ich bei ihr angerufen, um zu hören, wie es ihr geht. Ihr Mann hat mir gesagt, dass sie sich an Heiligabend umgebracht hat. Überdosis.«
Der Schock traf ihn tief ins Mark. Seine Muskeln verkrampften sich von dem Drang, Isabelle in den Arm zu nehmen und ihr Trost zu spenden, von dem er nicht wusste, ob sie ihn wollte. »Oh Gott. Das tut mir leid, Isabelle.«
Sie schniefte und straffte die Schultern, doch in ihren Augen lag noch immer ein Schleier von Trauer. »Schon gut. Wir sind dann später in unterschiedliche Familien gekommen. Wir standen uns nicht besonders nahe. Es ist einfach nur traurig. Sie war noch so jung. Gerade mal zweiundzwanzig.«
Grant konnte sich kaum daran erinnern, was er vor zehn Jahren gemacht hatte, als er zweiundzwanzig war. Vermutlich kräftig über die Stränge geschlagen und diversen Frauen nachgestellt, wann immer er Heimaturlaub bekam. Das Übliche eben. Damals hatte er sich vermutlich für unsterblich gehalten.
»Nachdem ich das mit Linda erfahren hatte, brauchte ich einige Zeit, um den Mut aufzubringen, mich nach Sam zu erkundigen und herauszufinden, warum seine Karte ebenfalls nicht angekommen war. Als ich mich schließlich dazu durchringen konnte, hatte ich Mühe, ihn ausfindig zu machen.«
»Aber du hast ihn gefunden?«
Isabelle nickte starr.
»Wo?«
»Er ist ebenfalls gestorben«, sagte sie.
Das klang ziemlich übel. Zu übel, um innerhalb von zwei Stunden abgehakt zu werden.
»Wie?«
Isabelle presste die Lippen aufeinander, als wollte sie sich davon abhalten zu sprechen. Ihre Hände zitterten, doch sie sagte kein Wort.
»Wie ist er gestorben, Isabelle?«
»Er hat sich umgebracht. Mit einem Kopfschuss.« Frische Tränen funkelten in ihren Augen und ließen sie leuchtend grün schimmern. »Und vor ein paar Wochen hat sich meine Freundin Beverly die Pulsadern aufgeschlitzt.« Sie schluckte kräftig, zweimal. Dann räusperte sie sich. »Ich hab sie gefunden. Ihr kleiner Sohn hat im Nachbarzimmer geweint. Sie lag in einer Badewanne voll Blut. Ihre Wangen waren feucht vor Tränen, ihr Körper immer noch … warm.«
Sie atmete einmal tief ein und aus. »Wäre ich nur fünf Minuten eher gekommen, hätte ich sie vielleicht retten können. Aber das bin ich nicht, und jetzt ist sie tot.«
Grant konnte nicht länger still sitzen und zusehen, wie Isabelle zitterte und kurz davor war, in Tränen auszubrechen. Er hockte sich vor sie und nahm ihre Hände in die seinen. Dann sagte er mit tiefer, ruhiger Stimme: »Sag mir, was los ist. Ich kann dir bestimmt helfen.«
Er rechnete mit dem Schlimmsten – dass diese Todesfälle auch in ihr Selbstmordgedanken auslösten. Das musste er um jeden Preis verhindern.
»Wenn du mir wirklich helfen willst, dann verschwinde. Und zwar sofort. Ich habe keine Ahnung, was hier vor sich geht, aber ich kann nicht riskieren, dich auch noch zu verlieren.«
»Was meinst du mit riskieren?«
Sie drückte seine Hände, doch er hatte das Gefühl, dass sie sich dessen nicht mal bewusst war. »Du bist hier nicht sicher.«
»Warum nicht? Hilf mir, das Ganze zu verstehen.«
Sie schwieg für einen Moment, dann sank sie niedergeschlagen in sich zusammen. Ihre Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, doch er verstand jedes Wort. »Ich glaube nicht, dass sich diese Menschen umgebracht haben. Ich glaube, sie wurden ermordet.«
Die Neuigkeit erschütterte ihn zutiefst. Fassungslos versuchte er, seiner Stimme und seinem Gesichtsausdruck nichts anmerken zu lassen, bis er etwas Genaueres wusste. »Wenn du glaubst, dass sie umgebracht wurden, warum hast du mich nicht schon früher angerufen und mir davon erzählt?«
Sie versuchte, ihm ihre Hände zu entziehen, doch Grant ließ es nicht zu. Er hielt sie weiterhin fest, forderte ihre volle Aufmerksamkeit, forderte eine Antwort.
»Ich habe schon mal bei dir angerufen, um dich zu warnen. Du bist nicht rangegangen, und es kam mir albern vor, eine Nachricht zu hinterlassen. Ich dachte, du hältst mich bestimmt für verrückt.«
Grant biss frustriert die Zähne zusammen. Wie oft hatte sie wohl schon versucht, ihn anzurufen, und er war nicht zu erreichen gewesen? Er hätte für sie da sein müssen – für all jene Kinder. Seinetwegen hatten sie damals erneut auf der Straße gesessen. Er hätte sich um sie kümmern müssen, auch wenn er selbst noch ein Kind gewesen war.
Wenigstens war er zu ihr gekommen, bevor es zu spät war.
»Jetzt bin ich jedenfalls für dich da. Und ich werde erst von hier verschwinden, wenn ich weiß, dass du in Sicherheit bist.«
David, seine neue Stelle und sein neues Leben würden wohl oder übel warten müssen.
Isabelle durfte auf keinen Fall zulassen, dass Grant blieb. Er gefährdete nicht nur seine eigene Sicherheit, sondern auch all ihre wundervollen Lebenspläne.
»Ich bin eine erwachsene Frau. Ich habe keinen Beschützer gebraucht, seit ich sechzehn bin.«
Grants Kiefer spannte sich, und er wandte den Blick ab. Sofort bereute sie es, ihre gemeinsame Vergangenheit erwähnt zu haben.
Grant hatte ihretwegen einen Menschen getötet. Natürlich hatte er indirekt auch die anderen Kinder gerettet, doch Lavine war in jener Nacht zum ersten Mal zu ihr gekommen. Grant hatte ihn von ihr heruntergezerrt und sie vor jenem grausamen Schicksal bewahrt, das die meisten anderen Pflegekinder ereilt hatte. Seinetwegen musste Isabelle lediglich mit den Schrecken einer versuchten Vergewaltigung klarkommen statt mit jenem unbeschreiblichen Grauen, das den anderen widerfahren war.
»Ich bleibe. Erzähl mir, was du weißt.« Seine Stimme klang hart, unnachgiebig.
»Ich habe dir bereits alles erzählt.«
»Es muss einen Grund geben, warum du glaubst, dass diese Menschen ermordet wurden. Verrat ihn mir.«
Sie schluckte schwer, um den Kloß der Erleichterung in ihrem Hals loszuwerden. Grant hielt sie nicht für verrückt, wie sie es befürchtet hatte. Er hielt sie nicht für eine erbärmliche Lügnerin, die irgendwelchen Unsinn erfand, nur um ein bisschen Aufmerksamkeit zu erhalten.
Er hatte sie seit Jahren nicht gesehen, und doch schenkte er ihr mehr Glauben als ihre engsten Freunde.
»Du hast doch einen Grund, oder?«
»Den hab ich.«
Ihr Rücken entspannte sich, und ihr wurde bewusst, wie verkrampft sie gewesen war. Es war eine ungeheure Erleichterung, endlich mit jemandem reden zu können, der ihr tatsächlich zuhörte.
Sie würde Grant ihre Unterlagen zeigen, und er würde zu dem Schluss kommen, dass sie die Fakten überinterpretierte. Dann konnte sie die Sache auf sich beruhen lassen und endlich mit ihrem Leben fortfahren. »Komm mit.«
Isabelle ging den Flur hinunter zu einem kleinen Raum, den sie als Arbeitszimmer nutzte. Alle paar Schritte warf sie einen Blick über die Schulter, um sicherzugehen, dass Grant ihr noch folgte. Sie hätte wissen müssen, dass er sie nicht einfach im Stich lassen würde, aber sie hatte in ihrem Leben zu viele böse Überraschungen erlebt, um anderen Menschen bedingungslos zu vertrauen. Sie war zu oft enttäuscht worden, um sich irgendwelche Illusionen zu machen.
Isabelle knipste das Licht im Arbeitszimmer an. Ihr Schreibtisch war ziemlich abgewetzt, aber immerhin groß genug, um darauf Arbeiten zu korrigieren und einen PC unterzubringen.
Mit einem Schlüssel, den sie stets bei sich trug, schloss sie eine Schublade ihres Aktenschranks auf. Sie wollte nicht, dass ihr Pflegesohn zufällig über die Unterlagen stolperte und sich unnötig Gedanken machte. Dale hatte so schon genug um die Ohren, ohne sich auch noch um ihre Sicherheit sorgen zu müssen.
Sie zog die Schublade bis zum Anschlag heraus und griff ganz nach hinten, um eine Fächermappe hervorzuziehen, in der sie ihre Informationen aufbewahrte.
»Hier. Sieh dir das an und sag mir, was du davon hältst.«
Sie schob einen Stapel unkorrigierter Arbeiten und einen Testbericht über Schaukeln beiseite und breitete die Unterlagen auf dem Schreibtisch aus. Sie zeigte Grant sämtliche Zeitungsartikel und gerichtsmedizinischen Berichte, ohne auch nur etwas zu sagen, das seine Meinung in irgendeiner Weise beeinflussen konnte.
Stattdessen beobachtete sie ihn aufmerksam, während er jede einzelne Seite in die Hand nahm und las. Sein Kiefer verkrampfte sich zunehmend, und das neugierige Funkeln in seinen Augen wich nach und nach einem unbändigen Zorn.
Das Licht der Schreibtischlampe betonte seine Züge und zeichnete tiefe Schatten auf sein Gesicht. Sie bemerkte zwei feine Narben – eine auf seiner Wange, die andere über seiner linken Augenbraue. Von der geplatzten Lippe, die Lavine ihm verpasst hatte, war nichts mehr zu sehen, wie Isabelle erleichtert feststellte. Sie hätte es gehasst, wenn Grant ein Andenken aus jener Nacht davongetragen hätte, das ihn Tag für Tag beim Rasieren daran erinnert hätte.
Grant schob den ersten Stapel beiseite und widmete sich dem nächsten. Isabelle sah schweigend zu und beobachtete ihn.
Sie wusste ganz genau, was er da las: seitenweise Fakten über die Tode sechs verschiedener Menschen. Carrie war die Erste. Sie hatte den Motor ihres Wagens laufen lassen, bei geschlossener Garage und mit offenen Autotüren. Dann folgte Henry. Er hatte sich im Keller erhängt, nachdem ihn seine Frau verlassen hatte – sie war einige Wochen zuvor spurlos verschwunden. Jamal war aus dem zehnten Stock seines Wohnblocks gesprungen. Linda war an einer Überdosis Tabletten gestorben.
Isabelle hatte keinen dieser Menschen gut gekannt, doch sie kannte Sam und Beverly, die sich ebenfalls umgebracht haben sollten.
Isabelle wusste tief in ihrem Herzen, dass dies eine Lüge war.
Grant legte das letzte Blatt vorsichtig beiseite und richtete seinen zornigen Blick auf sie.
»Wer sind diese Menschen, und wie stehst du mit ihnen in Verbindung?«, fragte er. Seine Stimme klang hart und kalt. Isabelle unterdrückte einen Schauer finsterer Vorahnung.
»Du stehst genauso mit ihnen in Verbindung. Jeder von ihnen hat mal bei Edgar Lavine gelebt.«
Er presste die Lippen aufeinander, und ein Ausdruck von Ekel breitete sich über sein Gesicht aus, als er den Namen Lavine hörte. »Woher weißt du das? Sind das nicht vertrauliche Informationen?«
Isabelle spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. »Ich kann dir nicht sagen, wo ich die Information herhabe. Ich würde damit nur jemanden in Schwierigkeiten bringen, der mir einfach nur helfen wollte.«
Er akzeptierte ihre Antwort und ging darüber hinweg, ohne sie unter Druck zu setzen, wie es die Polizei getan hatte. »Bist du dir sicher, dass all diese Menschen bei Lavine gelebt haben?«, fragte er.
»Ganz sicher. Ich bezweifle nur, dass sie Selbstmord begangen haben.«
»Lavine hat den Kindern, die seiner Obhut anvertraut waren, furchtbare Dinge angetan. Möglicherweise sind sie nie darüber hinweggekommen.«
Obwohl Grant sie vor einer Vergewaltigung bewahrt hatte, verfolgten sie die Erinnerungen an jenen Tag noch heute. Manchmal sah sie beim Einkaufen einen Mann, der Lavine ähnelte, und blieb wie erstarrt stehen. Ein anderes Mal hatte ihr der Vater eines Schülers die Hand entgegengestreckt, und seine kurzen knotigen Finger, die denen Lavines entsetzlich ähnelten, hatten sie unvermittelt in jene furchtbare Nacht zurückversetzt. Sie hatte sich in die Damentoilette geflüchtet, um sich zu übergeben, und war dem verdutzten Vater nie wieder gegenübergetreten.
»Ich weiß nicht, ob man über so etwas hinwegkommen kann. Und trotzdem glaube ich nicht, dass sie sich umgebracht haben.«
»Warum nicht?«
»Ich glaube es ganz einfach nicht«, sagte sie aus tiefster Überzeugung.
»Gib mir etwas, worauf ich mich stützen kann. Ich versuche nur, deine Theorie zu verstehen.«
»Sam und Beverly waren nicht suizidgefährdet. Ich kannte die beiden. Ich würde mein Leben darauf verwetten.«
Grant presste angesichts ihrer Wortwahl die Lippen aufeinander. »Okay, angenommen, die beiden waren nicht suizidgefährdet. Was ist mit den anderen? Kanntest du sie?«
»Nein. Und so krank das vielleicht klingen mag, ich würde nur zu gern daran glauben, dass sie sich umgebracht haben. Für meinen Seelenfrieden wäre es eindeutig besser, sie hätten sich das Leben genommen, als davon auszugehen, dass sie ermordet wurden – dass sie erneut zu Opfern wurden. Das Problem ist nur, mein Instinkt sagt mir das Gegenteil.«
»Aber warum?« Die Frage war nicht als Vorwurf gemeint, sondern entsprang dem Wunsch, der Sache auf den Grund zu gehen.
Isabelle zuckte mit den Schultern. »Weibliche Intuition? Eingebung? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, wenn ich richtigliege, gibt es da draußen noch mehr Menschen, die in Gefahr sind. Einschließlich dir.«
Diese schockierende Erkenntnis ließ ihn nicht mal mit der Wimper zucken. »Auf mich selbst kann ich aufpassen. Ich mache mir eher Sorgen um dich. Wenn du richtigliegst, müssen wir die Polizei informieren. Du brauchst professionellen Schutz, zumal du diejenige bist, die all diese Dinge ans Tageslicht gebracht hat. Wenn hier jemand Menschen ermordet und die Morde als Selbstmorde tarnt, wird er mit Sicherheit nicht wollen, dass du ihm auf die Schliche kommst. Und wenn er von deinen Nachforschungen erfährt, wird er versuchen, dich aufzuhalten.«
Isabelle schob alle Unterlagen zurück in die Mappe und spürte, wie ein Gefühl von Frustration in ihr hochstieg, das ihr nur allzu verraut war. Niemand glaubte ihr. Vielleicht täuschte sie sich wirklich. »Ich war schon bei der Polizei. Die sagen, es gibt keinerlei Hinweise auf ein Verbrechen. Außerdem liegen manche dieser Todesfälle außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs.«
»Lass mich raten, sie würden dir gern helfen, aber sie können es leider nicht.«
»Ganz genau.«
»Und was ist mit der verschwundenen Frau?«
»Trina. Henrys Ehefrau. Sie haben eine Weile nach ihr gesucht, aber ich bezweifele, dass sie dem Fall allzu große Aufmerksamkeit schenken. Henry hielt bei seinem Tod einen Brief in der Hand, in dem sie erklärt, mit einem anderen Kerl durchgebrannt zu sein.«
»Aber das glaubst du nicht?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Ich kannte die beiden nicht gut genug, um das beurteilen zu können. Sie hatten Lavine bereits verlassen, als ich bei ihm eingezogen bin.«
»Eine ziemlich üble Geschichte.«
»Ich wollte dich da nicht mit reinziehen.«
»Aber ich hab dir keine andere Wahl gelassen.«
»Und was sollen wir nun tun?«
Grant schwieg für einen Moment, als würde er einen inneren Kampf ausfechten, dann straffte er die Schultern und stieß sich vom Schreibtisch ab. »Ich weiß zumindest, was ich tun werde.«
»Soll das heißen, du glaubst mir?« Mit angehaltenem Atem erwartete sie seine Antwort.
»Ich glaube, dass du daran glaubst. Und das reicht mir fürs Erste. Wir werden diese Sache klären. Mach dir keine Sorgen.«
Mach dir keine Sorgen. Leichter gesagt als getan. Aber immerhin hielt er sie nicht für verrückt, weil sie so etwas wie Mord überhaupt in Erwägung zog – im Gegensatz zu ihrem Freund Keith.
Grant streckte seine Hand aus und erwartete, dass sie ihm die Unterlagen aushändigte. Aber Isabelle war noch nicht bereit, sie ihm anzuvertrauen. Nicht, solange sie nicht wusste, was er damit vorhatte. Sie hatte Wochen gebraucht, um all diese Informationen zusammen zu tragen und dafür so ziemlich jeden Gefallen eingefordert, den man ihr schuldete.
Sie drückte sich die Mappe an die Brust und verschränkte schützend ihre Arme davor, damit er ihr die Unterlagen nicht wegschnappen konnte. Sie wollte seine Hilfe in Anspruch nehmen, aber sie wollte nicht, dass er ohne ihr Wissen irgendein Risiko einging. Auf keinen Fall würde sie sich die Sache aus der Hand nehmen lassen und sich Grants Machogehabe beugen.
»Also, was wollen wir tun?«, fragte sie.
Grant ignorierte den Umstand, dass sie sich die Mappe an die Brust drückte, und zog sie geschickt unter ihren Armen hervor. Sicher hatte er nicht beabsichtigt, dabei ihre Brustwarzen mit seiner unfreiwilligen Liebkosung zu wecken, doch sie richteten sich unvermittelt auf. Etwas in ihr fragte sich, wie ihr Körper wohl reagieren würde, wenn dieser Mann sie einmal richtig berühren sollte – die Gedanken eines Teenagers mit einem Hang zur Heldenverehrung.
Glücklicherweise hatte der Teenager in ihrem Leben nichts mehr zu melden.
Isabelle veränderte die Position ihrer Arme, um die peinliche Reaktion ihres Körpers zu verbergen. Grant brauchte nicht noch mehr Macht über sie, als er ohnehin schon besaß.
»Wir werden überhaupt nichts tun«, verkündete er. »Du wirst schön brav dein Leben leben, während ich mich um die Sache kümmere. Ich werde noch mal mit der Polizei sprechen. Vielleicht kann ich ja mehr erreichen.«
Da war es wieder, dieses entsetzliche Machogehabe. »Ich hab dich nicht angerufen, damit du hier einschreitest und das Ganze in die Hand nimmst.«
»Niemand schreitet hier ein. Außerdem hast du das Schwierigste, die ganze Recherche, bereits selbst erledigt. Jetzt lass mich mal ran.«
»Ich glaube kaum, dass das eine gute Idee ist.«
»Hast du nicht selbst gesagt, die Polizei konnte dir nicht helfen?«
»Aber dir, oder was?« Ihre Stimme klang schrill vor Empörung.
Grant zuckte mit den Schultern. »Vielleicht. Es ist zumindest einen Versuch wert. Wenn du nicht die Einzige bist, die sich mit derartigen Bedenken an sie wendet, lassen sie sich vielleicht davon überzeugen, der Sache nachzugehen.«
Auch wenn sie es sich nur ungern eingestand, ergab seine Logik durchaus Sinn. Und es würde seiner Aussage vermutlich mehr Gewicht verleihen, wenn er allein ging statt zusammen mit ihr.
Ein träges Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. »Außerdem sollen sie doch nicht denken, dass ich mich von einer schönen Frau beeinflussen lasse, oder?«
Isabelle unterdrückte das angenehme Schaudern, das sein Kompliment ausgelöst hatte, und rief sich zur Räson. Es spielte keine Rolle, ob er sie schön fand. Nicht die geringste. Wenn sie sich das nur lange genug einredete, würde sie es am Ende vielleicht sogar glauben.
»Wenn wir es so machen, wie du es vorschlägst, musst du mir versprechen, dass du anschließend vorbeikommst und mir berichtest, was sie gesagt haben.«
»Kein Problem«, erwiderte Grant. »Bis die Sache geklärt ist, werde ich sowieso hier bei dir bleiben.«
Sie brachte vor Schreck keinen Ton heraus, sondern starrte ihn nur begriffsstutzig an.
Grant wollte bei ihr übernachten, nur wenige Meter von ihrem Schlafzimmer entfernt, in greifbarer Nähe? Er wollte bei ihr am Tisch sitzen, die Mahlzeiten mit ihr teilen und sich mit ihr unterhalten? Er wollte unter ihrer Dusche stehen, nackt und feucht, ohne dass ihm jemand den Rücken abseifte? Das würde sie nicht überstehen. Selbst wenn sie stark genug wäre, ihn nicht zu verführen, würde ihr Haus nie wieder dasselbe sein. Sie würde seine Anwesenheit überall spüren. »Das geht nicht.«
Er besaß tatsächlich die Stirn, den Verletzten zu mimen, mit einem Schmollmund, der ihr das Gefühl gab, einen Welpen getreten zu haben. »Was? Bin ich etwa nicht willkommen?«
Nein. Nicht, solange ihr etwas an ihrem Verstand lag. »Du kannst mit Zurückweisungen wohl schlecht umgehen?«
»Mangelnde Erfahrung, würde ich sagen.«
»Schön, dass ich dir diese wichtige Lektion erteilen darf. Immerhin bin ich Lehrerin.«
»Das schon, aber ich bin nicht einer deiner Zweitklässler.«
Isabelle fehlten die Worte. Woher wusste er, dass sie eine zweite Klasse unterrichtete? Das hatte sie ihm nicht erzählt. »Spionierst du mir etwa nach?«
Er deutete auf den Stapel unkorrigierter Arbeiten auf ihrem Schreibtisch und den Namen eines ihrer Schüler. Darunter stand klar und deutlich: Miss Carson, zweite Klasse.
Grant zog seine hellen Augenbrauen hoch und grinste spitzbübisch. »Siehst du? Ich bin gar nicht so schlecht in Sachen Ermittlungen. Du solltest mich bei dir aufnehmen.«
»Ich dachte, du sollst morgen eine neue Stelle antreten? Ich will nicht, dass du meinetwegen gefeuert wirst.«
»Lass das nur meine Sorge sein. Ich hab alles im Griff.«
»Und was soll Dale davon halten?«
»Dale?« Grants Blick glitt spontan zu ihrer linken Hand. Ihr wurde bewusst, dass er nach einem Ring suchte. Sein Lächeln erstarb, seine Augen wurden ausdruckslos. »Ich wusste nicht, dass du einen Freund hast.«
Das konnte unmöglich Eifersucht sein, die sie da heraushörte. Nicht bei Grant Ich-bekomm-jede-rum-Kent. Oder doch?
»Dale ist mein Pflegesohn.«
Sein Lächeln kehrte umso strahlender zurück und erwärmte seine Stimme. »Ehrlich? Das ist ja toll!«
Bis zu diesem Moment war ihr nicht bewusst gewesen, wie wichtig ihr seine Meinung bezüglich ihrer Entscheidung, Pflegemutter zu werden, war. Tiefe Zufriedenheit machte sich in ihr breit und verlieh ihren Bewegungen neue Leichtigkeit. »Er wohnt noch nicht lange hier, gerade mal seit August. Aber es läuft ganz gut. Er ist ein toller Junge – fast schon ein Mann, muss ich wohl eher sagen. Ich wünschte, wir hätten uns früher gefunden.« Aus einer Vielzahl von Gründen.
»Warum?«
»Er hat’s nicht leicht gehabt. Seine Mutter ist tot. Und sein Vater wurde vor wenigen Monaten aus dem Gefängnis entlassen und will ihn nun zu sich holen, aber das werde ich nicht zulassen. Der Mann saß im Knast, weil er seine Frau misshandelt hat, verdammt. Der Mistkerl behauptet, er hätte sich geändert.«
»Was für ein Schwachsinn«, knurrte Grant. »Einmal Arschloch, immer Arschloch.«
Isabelle brummte zustimmend. Treffender hätte sie es nicht ausdrücken können. »Ich würde Dale gern adoptieren, aber ich glaube kaum, dass das was wird.«
»Warum nicht?«
»Abgesehen davon, dass sein Vater das Sorgerecht zurückhaben will, weiß ich nicht, ob dieser ganze Papierkram noch vor seinem achtzehnten Geburtstag über die Bühne gehen würde.«
»Achtzehn ist nicht zu alt, um sich eine Familie zu wünschen«, sagte Grant.
Isabelles Herz verkrampfte für einen Moment. Grant wusste, wie es war, als junger Mann ohne Familie dazustehen.
Sie schlug einen leichteren Ton an, um sich ihr Mitleid nicht anmerken zu lassen. »Dale wird für mich immer zur Familie gehören, egal, ob ich den amtlichen Beweis dafür habe oder nicht.«
»Du bist eine verdammt großherzige Frau, Isabelle.«
Sein Lob brachte ihre Wangen zum Glühen. Wenn er so weitermachte, würde es ihr niemals gelingen, ihn auf Abstand zu halten. Er würde wieder aus ihrem Leben verschwinden und sie mit ihren Gefühlen zurücklassen, und sie wäre absolut machtlos dagegen.
Nur diesmal wäre es keine harmlose Schwärmerei.
Der Gedanke jagte ihr eine Heidenangst ein. Sie musste sich höllisch in Acht nehmen. Grant war ihre größte Schwäche. Der Held ihrer Kindheit. Er musste für sie mit der Polizei reden, aber sie musste sich deshalb nicht gleich in ihn verlieben. Am besten blieb sie auf Distanz und brachte das Ganze so schnell wie möglich hinter sich, damit ihr Körper am Ende noch ihr gehörte und Grant sein neues Leben beginnen konnte.
»Weiß dein Sohn von der Sache?«
»Nein. Und ich will auch nicht, dass er es erfährt. Er hat gerade die Eignungstests fürs College vor sich und nutzt jede freie Minute zum Lernen. Da will ich ihn nicht unnötig ablenken.«
»Ich verspreche dir, er wird meine Anwesenheit nicht weiter beachten.«
Isabelle schnaubte verächtlich. »Du bleibst nirgendwo unbeachtet, ganz gleich, wie sehr du dich bemühst.«
Er zog herausfordernd die Augenbrauen hoch. »Wollen wir wetten? Ich könnte dir ein paar Geschichten erzählen, die dich mühelos vom Gegenteil überzeugen würden.« Er schenkte ihr ein Lächeln, bei dem ihr die Knie weich wurden. »Aber ich muss zugeben, die Vorstellung, von dir beachtet zu werden, hat durchaus seinen Reiz.«
»Wage es ja nicht, mit mir zu flirten«, sagte sie warnend.
Grant trat einen Schritt näher, sodass sich ihre Körper fast berührten. Er hob eine Strähne ihres seidigen Haars an seine Nase und atmete tief ein. Sein anerkennendes Brummen brachte die Luft zwischen ihnen zum Knistern. »Warum nicht, Isabelle? Ein kleiner Flirt hat noch niemandem geschadet.«
Isabelle war wie erstarrt, unfähig, sich seinem Bann zu entziehen. »Dir vielleicht nicht, aber du bist auch nicht derjenige, der am Ende allein dasteht und sich fragt, was da schiefgelaufen ist.«
Gott, er sah echt verdammt attraktiv aus. Das Alter meinte es gut mit ihm und hob seine scharfen maskulinen Züge eindrucksvoll hervor. Er wirkte hart und stark, wie ein Mann, der eine Frau niemals im Stich lassen würde. Sie hatte keine Ahnung, wie er es schaffte, diese Illusion glaubhaft zu verkörpern, doch sie durfte unter keinen Umständen darauf hereinfallen.
»Ist es dir so ergangen, Isabelle? Bist du deshalb noch allein? Hat man dich im Stich gelassen?«
Zu viele Male. Ihre Mutter hatte sie nach der Geburt weggeben, mehr als ein Dutzend Pflegeeltern hatten sich von ihr getrennt, unzählige Freunde hatten ihr den Rücken gekehrt, ebenso wie zwei Männer, von denen sie geglaubt hatte, sie würden sie lieben. Selbst Dale würde im Herbst aufs College gehen.
Menschen kamen und gingen. So war das nun mal.
»Ich bin nicht allein. Ich habe Dale.«
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