Demokratie für Deutschland - Timo Rieg - E-Book

Demokratie für Deutschland E-Book

Timo Rieg

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Beschreibung

Politik ist immer Herrschaft für das eigene Wohl - zu Lasten der Allgemeinheit. Daran ändert auch die coolste Partei und der netteste Politiker nichts. Der Schaden fürs Volk lässt sich nur begrenzen, indem die Politikerherrschaft begrenzt wird. Statt Berufspolitiker für vier Jahre in den Bundestag zu entsenden, die dann Gesetze machen und der Regierung die Macht sichern, sollen ganz normale Bürger für jeweils eine Woche per Zufallslos als Volksvertreter bestimmt werden. Die Regierung wird direkt gewählt, jeder Quereinsteiger darf sich bewerben. Und mit Referenden und Volksentscheiden besteht jederzeit ein Korrektiv. Klingt ein wenig verrückt? Alle drei vorgeschlagenen Verfahren echter Demokratie sind lange erprobt, das Auslosen von Parlamentariern schon seit 2.500 Jahren. Und der Gedanke, was alles möglich wäre, wenn Lobbyismus und Vetternwirtschaft keine Chance mehr hätten, lässt einem die Tränen kommen. Diese eBook-Version ist wegen eines früheren Redaktionsschlusses nicht identisch mit dem gleichnamigen Print-Buch, enthält aber drei Zusatztexte.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 349

Veröffentlichungsjahr: 2013

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Timo Rieg

DEMOKRATIE für DEUTSCHLAND

Von unwählbaren Parteien und einer echten Alternative

Verlag Berliner Konsortium

ISBN 978-3-938081-82-2

eBook-Version 1 vom 29. Juli 2013

Dieses eBook ist wegen des früheren Redaktionsschluss‘ nicht ganz identisch mit dem Print-Buch (ISBN 978-3-938081-81-5). Bei Bedarf erscheint eine erweiterte überarbeitete Version mit neuer ISBN.

Das Buch einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.

© 2013 Berliner Konsortium

Vorwort

Am 22. September 2013 steht wieder eine Bundestagswahl an (und eine Landtagswahl in Hessen sowie eine Woche zuvor in Bayern). Inzwischen ist der Frust über unsere Politiker, das Gefühl der Machtlosigkeit in der „globalisierten Welt“ so groß, dass grundlegende Reformen in der Luft liegen. Es sind nicht nur „Wutbürger“, die es satt haben: Selbständige verzweifeln ob der wuchernden Vorschriften und der damit für sie verbundenen Bürokratie, Angestellte fragen sich, wie viele Nebenjobs sie noch machen sollen, um mit der Erwerbsarbeit den Lebensunterhalt zu bestreiten; Wähler blicken auf einen unvorstellbaren Staatsschuldenberg und auf Atommüllfässer, für die immer noch eine Lagerstätte gesucht wird, die eine Million Jahre sicher sein soll - beides Ergebnisse verantwortungslosen und irrsinnigen Politikerhandelns. Seine völlige Machtlosigkeit erlebt der Souverän täglich - vom gigantischen NSA-Spionage-Skandal bis zur erbärmlichen Justizkriminalität wie im Fall Gustl Ferdinand Mollath, von „Bundeslöschtagen“ im Bundeskanzleramt bis zum Datenschwund im NSU-Verfahren oder „Sachsen-Sumpf“.

Die Zeit für Demokratie steht gut - weil sie kein Biotop für Karrieristen und Lobbyisten ist wie derzeit, sondern das Instrumentarium, vernünftige und zukunftsfähige Entscheidungen für die Gemeinschaft zu erarbeiten.

Bereits 2004 hatte ich auf eine gesellschaftliche (und mediale) Reformbereitschaft gehofft - ausgedrückt in dem Buch „Verbannung nach Helgoland - Reich & glücklich ohne Politiker - Ein Masterplan für alle Stammtische und Kegelclubs draußen im Land“. Doch trotz einer gewissen medialen Aufmerksamkeit und guter Resonanz bei Lesungen hat es leider keinen Reformimpuls gesetzt. Einer der möglichen Gründe: Ich hatte nicht vor jedem satirischen Satz oder Abschnitt einen Warnhinweis gesetzt; was leider manchen überfordert hat. Beispielhaft das Erlebnis vor einer Lesung in einem Wuppertaler Kulturzentrum 2005: Ich saß mit der Veranstalterin und einigen ihrer Mitarbeiter_innen zusammen, wir diskutierten irgendwas aus der aktuellen Politik und kamen dabei auf die Frage nach dem Sinn von Abschreckung. Ich sagte sinngemäß: „Klar kann das helfen. Wenn man zum Beispiel jeden Autofahrer, der mit 60 km/h durch eine 30er Zone brettert, auf der Stelle erschießt. Das wird die Raserei drastisch eindämmen.“ „Erschießt?“, wiederholt die Veranstalterin mit einem Gesichtsausdruck, als sei ihr der Leibhaftige erschienen. „Ja klar, erschießen, ich denke, das hätte Abschreckungspotential“, bekräftige ich. „Ich glaube, ich bin hier im falschen Film“, sagt die Veranstalterin, steht auf und entschwindet, - ich habe sie nie wieder gesehen.

„Verbannung nach Helgoland“ sollte keinen klaren Lösungsweg aufzeigen, sondern die grundsätzlichen Probleme benennen: dass nämlich die herrschende Parteien-Oligarchie wenig mit Demokratie zu tun hat und sie keine Probleme löst, sondern schafft, weil genau dies das Business der Berufspolitiker ist: das Problem zu sein, um dessen Lösung man sich angeblich Tag und Nacht müht. Wie man es ganz anders machen könnte - nämlich so ähnlich, wie die Erfinder der Demokratie im antiken Griechenland - hatte ich in dem Buch nur angedeutet. Ich wollte gerade keinen „Masterplan“ vorlegen, der im Titel satirisch angekündigt war. Denn gute Ideen gibt es genug und jeder hat einen eigenen Kopf zum Denken.

Dachte ich. Die meisten Menschen wollen aber offenbar klare Lösungswege, sie wollen Werbung für ein Produkt, das ihnen gefallen könnte. In „Demokratie für Deutschland“ werde ich daher deutlicher. Den Kern einer notwendigen Verfassungsreform weg von der repräsentativen hin zu einer aleatorischen Demokratie (Demarchie) stelle ich ausführlich vor und benenne Probleme und mögliche Einwände. Die Zauberworte heißen Zufall oder Losverfahren. Die Idee ist - wie gesagt - alles andere als neu, ihre erneute Umsetzung wäre allerdings eine weit größere Revolution als die Aufklärung im 18. Jahrhundert.

Bei der kommenden Bundestagswahl ist dieses Modell natürlich nicht im Angebot. Aber da nichts außer dem Sterben zwingend ist, sollten wir es versuchen. Für den 22. September ist der wenig revolutionär klingende Appell daher: ungültig zu wählen, den Wahlzettel durchzustreichen, ihn mit Kommentaren zu versehen, jedenfalls keiner der kandidierenden Parteien seien Stimme zu geben. Denn so nah auch das Wahlprogramm einer („Splitter“-)Partei den eigenen Vorstellungen kommen mag: dass sich nach der Wahl endlich Grundlegendes ändert, kann niemand hoffen, der noch halbwegs bei Trost ist.

Warum? Das ergibt sich hoffentlich aus diesem Buch. Aktuelle Notizen zur Politik finden Sie auf meiner Website www.Timo-Rieg.de, über die Sie mir auch Feedback zur „Demokratie für Deutschland“ geben können.

Timo Rieg

Juli 2013

Kapitel 1

Das Missverständnis - Eine Einführung

„Was in Deutschland politisch geschieht, bestimmen aus Wahlen hervorgegangene demokratische Mehrheiten und keine Boulevardzeitungen“, hatte Gerhard Schröder anderthalb Jahre vor seiner Abwahl gesagt, als die BILD-Zeitung ihre Leser dazu aufgerufen hatte, Minister aus dem Kabinett zu wählen. Das war einer dieser Momente, da konnte einem ein Licht aufgehen. Und man hätte Schröder und seine Freunden auf das Missverständnis aufmerksam machen können

Früher war die Welt noch in Ordnung - vor allem klar gegliedert. Es galt das Recht des Stärkeren[1], Herrscher waren zum Herrschen da, das Volk zum Beherrschen und Ausnehmen. Allenfalls konnten Fürsten, Könige und Kaiser einmal gnädig sein, aber es änderte nichts an der Grundsituation. Dort oben thronte die Macht, hier unten krauchten die Untertanen. Wer diese Weltordnung irgendwie in Frage stellte, verlor den Kopf oder schied anderweitig aus dem irdischen Leben.

Die Griechen versuchten schon vor 2.400 Jahren, Regenten und Regierte quasi nach dem Rotationsprinzip zu wechseln. Bei uns dauerte es bis ins letzte Jahrhundert hinein. Zwar waren sich Deutsche und später sogar Österreicher Ende der 30er Jahre sehr sicher, ihr Führer sei nicht von kleinen fiesen Marswesen hier abgesetzt, sondern von ihnen selbst erkoren worden, im Rückblick dominierte dann bekanntlich eine andere Geschichtsschreibung, kurz und prägnant mit „Machtergreifung“ auf den diktatorischen Punkt gebracht. Doch danach wurde die Welt anders. Endlich. Die Sache mit dem Beherrschtwerden sollte ein Ende finden, und Deutschland rief - von starken Schutztruppen moderiert - eine Demokratie aus.

Seitdem leben wir mit und die Politiker sehr prächtig von einem Missverständnis: Wir halten Politiker wie eh und je für eine besondere Klasse, auch wenn sie nicht mehr adelig sind. Sie sind für uns die geborenen Herrscher. Wir lachen über sie beim Kabarett oder - zunehmend - beim Comedy-Standup, schmunzeln über die tägliche Karikatur in der Zeitung und können uns abends mit Freunden schon mal in Rage reden über „die da oben“. Aber das war‘s dann auch. Keine Massenstreiks, weil die Politiker unser Land mit ungeheuren Problemen beladen haben. Allenfalls ein paar Senioren-Combos am Brandenburger Tor, die ein lächerliches „Finger weg von unseren Renten“ skandieren - und danach brav auf der Zuschauertribüne im Reichstagsgebäude Platz nehmen. Und die Politiker - jetzt kommt die zweite Seite des Missverständnisses - fühlen sich genau dadurch legitimiert. Sie kommen ja gar nicht mehr mit einem aristokratischen Machtanspruch daher, zumindest nicht in den ersten Jahrzehnten ihres politischen Schaffens - sondern sie halten ihre Dauerherrschaft für Demokratie! Das Volk habe sie schließlich gewählt, ihnen das Land zu Füßen gelegt und gesagt: Macht euch uns untertan.

Überall in der Welt regiert die Macht des Stärkeren: Der stärkere Schüler gibt dem schwächeren auf die Mütze, wer die Macht von Charme und Sexappeal hat, dominiert über hässliche Entlein, reichere bzw. besser kreditierte Firmen schlucken finanzschwächere, die bessere Armee obsiegt über die schlechtere. Nur in der formalen gesellschaftlichen Herrschaft soll es anders sein? Hier soll Stärke schlicht in Mehrheit liegen, ungeachtet ihrer Qualität, ihrer Qualifikation, ihrer Profitabilität?

Der erfolgreiche Trick unserer Politiker besteht darin, uns glauben zu machen, das Volk bestimme die Politik in einem Prozess der Mehrheitsbildung mit Minderheitenschutz. Tatsächlich setzt sich aber wie eh und je nur das Recht des Stärkeren durch. Die Bevölkerung im Großen und Ganzen nimmt jedoch untertänig gar nicht am Kräftemessen teil und ist der demokratiegläubige Schwächling, während Politiker und andere Funktionäre unter sich den Kuchen - rund eine Billion Euro pro Jahr - aufteilen: Verwaltung, Infrastruktur, Außenbeziehungen, Bildung, Beteiligung, medizinische Versorgung, Renten u.v.a.m.

Machtbesitz nur vorzutäuschen und dadurch real Macht zu erlangen ist nichts Neues, jeder Hochstapler macht das so, jedes Inkasso-Büro, ja jeder Krawattenträger. Aber dass einige wenige hundert Männer und Frauen sechs Jahrzehnte lang 60 bis 80 Millionen Bürgern vorgaukeln, die Mächtigsten zu sein und dadurch die Herrschaft zu haben, das ist ein absolutes evolutorisches Novum. Ihre einzigen Macht-Insignien sind die Parteibücher (und die werden die wenigsten von uns je gesehen haben).

Politiker zwingen uns, mehr als die Hälfte all unserer „Erträge“, unserer Arbeit, unseres Vermögens, unserer Genialität ihnen an die „öffentliche Hand“ zu geben. Wir lassen uns als volljährige Schüler von ihnen zum Besuch auch des bescheuertsten Unterrichts zwingen. Wir lassen uns von ihnen sagen, wie viel und wie lange wir zu arbeiten haben, welche Versicherungen wir abschließen müssen und vor wem wir die Hosen fallen zu lassen haben, wie viel Bier in ein Glas gehört und welche Lampe und zuhause leuchtet. Wer das alles mehr oder weniger anstandslos befolgt - von ein bisschen Aufstand Ende der 60er Jahre abgesehen gab es in der Bundesrepublik Deutschland noch keinen nennenswerten Widerstand gegen Politikerherrschaft -, der muss schwer davon überzeugt sein, es mit Leuten zu tun zu haben, die stärker sind als man selbst.

Und das ist von unserer Seite aus betrachtet das große Missverständnis - und, sollten es einzelne Politiker selbst durchschauen und nicht einfach im Laufe ihrer Parteikarriere als humanethologisches Grundprinzip verinnerlicht haben, auch der große Coup: Aus unserem auf dem Glauben an die Macht der Politiker fußenden Gehorsam leiten sie eine demokratische Legitimation ihrer realen Herrschaft ab. Und damit werden sie tatsächlich zu den Stärkeren, zu den Dominierenden, zu Herrschenden.

Die Überlegung ist ja uralt: Wenn wir einfach relativ geschlossen sagen würden: „Hebt uns hinten rum“ - dann wäre es vorbei mit ihrer Macht. Und derzeit könnte man sogar erwarten, sie hätten nichts mehr in der Hinterhand. Keine Armee, die auf uns ballert, keine Bundespolizei, die uns alle einkaserniert, nicht einmal genug Blockwarte, die wenigstens die besonders eifrigen Querdenker von uns dingfest machen helfen. Nein, unsere Politiker sind freilich nicht wirklich stark und mächtig. Sie haben zwar - wie einst die Könige - ihre Verbündeten, ihren Clan - doch deren Macht fußt ja auch auf nichts anderem, als eben diesem Missverständnis.

Unsere Politiker treffen Entscheidung über Entscheidung, die wir nicht wollen, und bei denen wir auch im Nachhinein nicht erkennen, wozu sie gut gewesen sein sollen. Die Wiederbewaffnung Deutschlands 1955 war nicht mehrheitsfähig, und doch wurde dafür das Grundgesetz mit der nötigen Zweidrittel-Mehrheit geändert. Von Atomkraft hatten nach dem 26. April 1986 mindestens drei Viertel der Deutschen die Nase voll - und es meilert auch heute nach dem „rot-grünen Atomausstieg“ und der schwarz-gelben „Energiewende“ kräftig weiter. Wir wollten den Euro nicht und haben ihn doch bekommen - Krise inklusive. Die Hartz-Gesetze hat nie jemand verstanden und daher auch nicht wollen können, aber sie sind da, sinnfrei doch mächtig, und wenn sie nur die Schlagzeilen beherrschen und Sozialpädagogen in der Armutsberatung beschäftigen.

Es schmerzt sich das genau vor Augen zu führen: „die da oben“ machen gar nichts, sie sagen nur, was „wir da unten“ zu tun haben - und wir tun es dann auch noch. Diese Situation ist in der Menschheitsgeschichte einmalig. Die Probleme, die es heute zu lösen gilt, sind alle hausgemacht - wie aber auch der Erfolg, der Fortschritt, der zu ihnen geführt hat. Keine Pestepidemie rafft mehr ganze Landstriche in Europa dahin, keine schlechte Ernte lässt uns hungern, so gut wie kein Kind stirbt mehr in Deutschland an einer Krankheit. Und doch tanzen wir auf einem rauchenden Vulkan - und haben allenthalben eine Scheiß-Laune deswegen.

In den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik Deutschland konnten die Politiker aus dem Vollen schöpfen. Nach Gutdünken schufen sie Kultur, gestalteten die Landschaft, leisteten sich und uns jede Menge Luxus. Was nicht ging, wurde gehend gemacht - denn bekanntlich makes money the world go round, und money besorgten sich Politiker immer ausreichend.

Der Anteil der Studierenden stieg von 130.000 Anfang der 50er Jahre auf 1,9 Millionen.Das überörtliche Straßennetz wurde von 127.697 km im Jahr 1951 auf 230.000 km (2002) fast verdoppelt, allein die westdeutschen Autobahnen wuchsen von einst 2.116 km bis kurz vor der Wiedervereinigung auf 8.822 km.Die Zahl der Staatsbediensteten in Vollzeit expandierte im alten Bundesgebiet (ohne Bundesbahn und Bundespost) von 1,4 Millionen (1950) auf 3,5 Millionen (2000).Die Staatsausgaben haben von 26 Milliarden Euro 1955 auf heute 1 Billion um 3.800% zugelegt.

Grenzen schien es nicht zu geben, die frühen Warner wurden verspottet und im späteren Rückblick allenfalls milde als Pessimisten ignoriert. 1972 sprach der Club of Rome von den „Grenzen des Wachstums“. Doch 40 Jahre später sind die weltweiten Erdölvorräte nicht verbraucht - zwischenzeitlich waren immer neue Vorkommen entdeckt worden, und jetzt gibt es auch noch Schiefergas. Den beherrschenden Diskussionen um das „Waldsterben“ in den 80er Jahren zum Trotz sehen wir immer noch grün und können recht gut atmen. Die UdSSR ist untergegangen, 1,3 Milliarde Chinesen sind friedlich in Asien geblieben und die afrikanische Migration beschränkt sich bisher fast ausschließlich auf den afrikanischen Kontinent.

Doch allmählich dünkt dem ein oder anderen, dass die vermeintlichen Wohltaten der Vergangenheit eben keine waren, sondern Bestechung. Politiker schufen, was ihnen gefiel und was es ggf. brauchte, um Wahlen zu gewinnen, um Gewerkschaften zu besänftigen, um Wirtschaftsbosse gefügig zu machen. Aber sie entwickelten das Land nicht. Das Volk sollte ab und an mal wählen - und sonst tun, was ihm gesagt wird. Arbeiten und Steuern zahlen vor allem, aber auch zur Pockenschutzimpfung gehen, Gartenhecken auf Maß schneiden und beim Demonstrieren das freie Gesicht in die Polizeikamera halten. Über 100.000 Einzelnormen allein auf Bundesebene - ohne Länder und Kommunen! - sind auf diese Weise bis heute entstanden, alle einzeln von Politikern und ihren Beamten fabriziert. Überlegungen, wie man hier gemeinsam leben möchte, was wichtig und was weniger wichtig ist, wie die sprudelnden technischen Innovationen oder das rapide wachsende Wissen sinnstiftend genutzt werden könnten - solche Überlegungen gibt es nicht.

Schon Oberstufenschüler fragen heute, was das denn für ein Irrsinn mit dem Wirtschaftswachstum sei, ohne welches bei uns nach herrschender Lehre und dominierender öffentlicher Meinung alles den Bach runter geht. Ein Wachstum ohne jedes Ziel, bei dem sogar Naturkatastrophen wie das Elbehochwasser positiv zu Buche schlagen, ebenso wie Militärausgaben und alle neuen Staatsschulden. Und doch geht es jeden Tag um die eine profane Zahl, ob nun als Zielgröße, Schätzung oder Messwert: um wie viel Prozent wächst die deutsche Wirtschaft denn jetzt bitte, bitte wieder ein bisschen?

Politiker richten ihre Blicke nur auf das Hier und Jetzt. Sie müssen jetzt Lobbyisten befriedigen, Wählerstimmen für sich gewinnen, Macht ausüben. Den Blick in die Zukunft wagen sie nicht, woraus sich zwei fatale Defizite ergeben:

a) Es gibt keine Ziele. Ihre Politik muss zu nichts führen, außer den Tag gut zu überstehen. Damit gibt es auch keinerlei Maßstab, an dem Politiker zu messen wären. Wie wollen wir hier in 10 oder 20 Jahren leben? Soll es Städte ohne Autos geben oder sollte besser ganz Deutschland asphaltiert werden? Wie viele Stunden wollen wir täglich zwischen Wohnung und Arbeitsstätte pendeln? Wie soll es mit der „Verteilung“ von natürlichen Ressourcen weitergehen? - noch hat schließlich nicht jeder deutsche Haushalt einen eigenen Aufsitzrasenmäher. Wie gehen wir damit um, dass medizinisch fast alles machbar ist, wir es uns aber nie und nimmer für alle werden leisten können?

Unsere Politiker sagen dazu nichts. Sie haben dazu keine Idee, und leider ignorieren sie alles, was dazu von anderen artikuliert wird. Stattdessen wird gewurschtelt. Weil man sich irgendwann mal verpflichtet hat, den Kohlendioxid-Ausstoß in der EU bis 2012 gegenüber dem Ausstoß von 1990 um 8% zu senken, wurde um CO2-Tonnen gefeilscht, ein europäischer Emissionshandel installiert - im Hinblick auf die ursprüngliche Idee von Rio eher eine karnevalistische Parodie. Es gab niemals ein Brainstorming, wie man insgesamt deutlich weniger klimaschädliche Gase in die Luft blasen könnte. Möglichkeiten dafür gibt es fast unendlich viele, aber sie alle verlangen eine Vision, eine Lebensperspektive - und gelegentlich auch die Einsicht eines Politikers, dass andere Menschen schlauer sind.

b) Es gibt keine ehrlichen Prognosen. Was wird kommen, wie gehen wir damit um oder was müssen wir heute ändern, damit es eben anders wird? Wer es wissen will, der weiß, dass Renten und Pensionen einfach nicht mehr zahlbar sind, egal wie sehr man das arbeitende Volk aussaugt. Dass der Staat pleite ist und sich sein heutiges Agieren nur leisten kann, weil er zukünftige Generationen verkauft hat an die Reichen und ihre Geldsackverwalter, die dem Staat eifrig Kredite andienen, weil sie damit noch reicher werden. Wer es wissen will, der weiß, dass der Arbeitsbegriff im herkömmlichen Sinne ausgedient hat. Dass weder Hartz-Gesetze noch Ausbildungsplatzabgabe noch sonst irgendein parteipolitischer Aktionismus daran etwas ändern können. Wer auch nur ein wenig im Leben steht, der sieht Horden Heranwachsender ohne jede Perspektive, ungebildet, asozial, ghettoisiert - aber staatlich verwaltet von Sozial- und Jugendamt, Arbeitsagentur, Jugendschöffengericht, JVA und Bewährungshelfer.

In allen Innovations-Berufen sind junge Leute maßgebend für die Entwicklung, wenn das Kommando auch alte Herren führen. Ob bei der Produktion einer Talkshow oder eines Computerspiels, beim Design eines neuen Autos oder in der Mikrobiologie - bei einem rasanten, nie dagewesenen und Menschen völlig überfordernden Wissenswachstum können viele Alte nicht mithalten. Ganz offiziell gelten Arbeitslose ab spätestens 50 Jahren als schwer oder gar nicht mehr vermittelbar. Nur in der Politik dominiert das Gestern und Vorgestern - mit einem Altersdurchschnitt von 50 Jahren bei den Bundestagsabgeordneten, (übrigens bei Männern und Frauen gleichermaßen und über die 60-jährige Geschichte nahezu unverändert[2]). Unsere Politiker kommen aus grässlich konservativen Strukturen: kein Unternehmen ist heute so antiquiert wie die Parteien. Politiker kommen, wenn sie jemals einen Beruf ausgeübt haben, bevor sie hauptamtlich Parteifunktionäre wurden, aus weltfremden, gerade überhaupt nicht zeitgemäßen und alles andere als fortschrittlichen Branchen, überwiegend aus dem Beamtentum und dem öffentlichen Dienst und aus der Juristerei. Sie leben ein Politikverständnis der 50er Jahre und schleifen den Nachwuchs auf dieses ein. Zwar gehört „Fortschritt“ zu ihren Lieblingsvokabeln, doch wenn sie das „Pisa-Debakel“ diskutieren, fordern sie gerne, wieder mehr Goethe zu lesen - das habe ihnen schließlich auch gut getan, damals anno tobak.

Zunehmend dünkt uns: das kann es wohl nicht sein. Auf dieser Welt lagern Waffen, mit denen die Erde hundertfach vernichtet werden kann - doch unsere Politiker denken weiter in militärischen Bündnissen, stellen sich irgendwem an die Seite und skandieren die „uneingeschränkte Solidarität“ mit denen, die ihnen für ihr Vorankommen wichtig erscheinen - welch PRISM-atischen Sperenzchen die Partner auch mit einem treiben. Beim Eintritt in den „wohlverdienten Ruhestand“ hat heute ein Rentner noch mehr als 18 Jahre Leben vor sich. Als die Rente erfunden wurde, war er zu diesem Zeitpunkt bereits seit einigen Jahren tot - statistisch gesehen. Und doch gibt es nicht den Ansatz von Überlegungen zu einem neuen System.

Dass mit Politikern des Typs „Deutscher Parteisoldat“ kein Staat zu machen ist, ist keine neue Erkenntnis. Wer ein wenig durch die Demokratiegeschichte schlendert, findet von Anfang an Warnungen vor dem, was wir immer noch haben: eine volksherrschaftlich angemalte Oligarchie. Schon Goethe schrieb seinem Kollegen Schiller: „Die Fratze des Parteigeistes ist mir mehr zuwider als irgendeine andere Karikatur.“ 1902 forderte Moisei Ostrogorski die Abschaffung der Parteien. Ihre Funktionen seien auf zeitlich begrenzte Vereinigungen mit eindeutigem Zweck zu übertragen. Richard von Weizsäcker meinte 1992: „Nach meiner Überzeugung ist unser Parteienstaat von beidem zugleich geprägt, nämlich machtversessen auf den Wahlsieg und machtvergessen bei der Wahrnehmung der inhaltlichen und konzeptionellen politischen Führungsaufgabe.“ Im selben Jahr analysierte Peter Glotz: „Das Problem liegt in der Ausweglosigkeit der Willensbildung des Volkes jenseits von Wahlterminen. Repräsentative Demokratie in der radikalen Fassung des von einer bestimmten Interpretation des Weimarer Zusammenbruchs beeinflussten Bonner Grundgesetzes heißt: Wähle deine Partei. Was die dann tut, hast du zu akzeptieren. Deine nächste Chance kommt in vier Jahren.“

Unser Politiksystem, also die Art und Weise, wie über unser Zusammenleben und die Entwicklung unserer Gesellschaft entschieden wird, weist gravierende Mängel auf. Auch das ist keine neue Entdeckung, nur werden die Folgen allmählich richtig unangenehm.

Können Parteipolitiker, deren gesamte persönliche, gesellschaftliche und finanzielle Sozialisation in einem sehr kleinen, simpel gestrickten System mit fünf Parteien als Akteuren stattfindet, überhaupt andere als ihre eigenen Probleme meistern - guten Willen vorausgesetzt?

a) Politiker werden als Vertreter ihrer Partei wahrgenommen, weniger als Individuen. Zumindest müssen sie dafür sorgen. Denn anders ist keine Karriere zu machen. Als Wähler können wir zunächst nur über die relative Zusammensetzung der Parlamente bestimmen, nicht über die Personen. Die Entscheidung, wer dort tatsächlich tätig werden darf, treffen die Parteien höchst selbst. Sie legen die Kandidatenlisten fest, nach denen Parteimitglieder Abgeordnete werden. Sie bestimmen, wer auf alle Fälle ins Parlament kommt (sofern die Partei denn wenigstens einen Sitz erhält) und wer auf einem so genannten „aussichtslosen Listenplatz“ noch mit sich persönlich für die Partei werben darf, ohne dass er überhaupt ins Parlament gelangen kann.

b) Demnach sind Politiker vor allem ihrer Partei verpflichtet. Sie müssen intern um eine gute Position kämpfen, nicht wirklich bei uns werben. Wer da nicht spurt, fliegt raus. Prominente Beispiele gibt es viele, wie Siegfried Kauder, der zwar gerade noch als Vorsitzender des Rechtsausschusses eines der wichtigsten Parlamentsämter inne hat, von seinem CDU-Landesverband Baden-Württemberg aber für die Wahl am 22. September 2013 nicht mehr aufgestellt wurde und somit nicht wählbar ist (er versucht es zwar gerade als unabhängiger Kandidat, aber eine solche Direktkandidatur über die Erststimme ist noch fast niemandem geglückt). Dass in der Volksvertretung die Besten sitzen, bestreiten neben dem Volk nur geschasste Politiker, wie der Ex-Gründe Oswald Metzger, der ganz nebenbei die Versorgung der Abgeordneten für eine „ungeheuerliche Obszönität“ hielt: „Auch Grüne werden zu Hyänen, wenn es um Macht und Pfründe geht.“

Zu welchen Verdrehungen das führen muss, ist klar. Welchen Parteigehorsam, welchen Gleichmut politischen Positionen gegenüber es verlangt, auch. Und so dient denn das meiste, was Politiker von sich geben, allein der internen Kommunikation. Wenn Friedrich Merz in einem Interview sagte: „Wenn wir es nicht schaffen, wenigstens die Krankenversicherung vom Arbeitsverhältnis zu lösen, sind wir es nicht wert gewählt zu werden“, dann konnten das zwar Hunderttausend in der Zeitung lesen oder mussten es zwangsweise als Kurzmeldung im Radio oder Fernsehen hören, doch bestimmt war es für gerade mal ein Dutzend einflussreicher CDU-Politiker, für deren Bewertung natürlich sehr entscheidend ist, über welches Medium Merz etwas sagt - und nicht, was er zu sagen hat - das können sie sich denken.

Wenn jemand Minister werden will, dann muss er der Bundeskanzlerin oder dem Ministerpräsidenten gefallen, denn diese Chefs allein entscheiden über ihr Kabinett. Ja selbst, welche Parteien schließlich eine Regierung bilden und damit, nach unserem verfassungsgerichtlich als notwendig geadelten Fraktionszwang, auch die Parlamentsmehrheit, entscheiden die Parteien. An jedem Wahlabend quillt die gleiche Arroganz aus dem Fernseher: „Es ist jetzt nicht die Zeit für öffentliche Spekulationen über Koalitionen, das entscheiden nun die Parteigremien und dann wird man verhandeln“ und der doofe Wahlbürger wird schon rechtzeitig erfahren, was er da wieder angerichtet hat.

c) Ist unser Einfluss auch geradezu minimalistisch, so bleiben die Wahlen doch das karriereentscheidende Ereignis für Politiker. Wir entscheiden zwar nicht, welche Personen das politische Geschäft für uns erledigen sollen, wir legen aber wenigstens in etwa fest, welche Partei Herrscher stellen darf. Auf Listenplatz eins zu stehen ist zwar schön, aber mehr Geld als für Platz 100 gibt es dafür nicht. Wohl aber gibt es eine fein justierte Hierarchie innerhalb der Parteien, bei der selbstverständlich auch die Listenplatzierung eine Rolle spielt - wir können dazu allerdings nichts beitragen. Im Entscheidungsergebnis aber ist ohnehin nur relevant, wer zur kleineren Gruppe der Opposition und wer zur größeren der Regierung gehört. Folgerichtig prostituieren sich Politiker. Und wenn sie schon keine Dienstleistungen anzubieten haben, weil sie in der Opposition sind und „wechselnde Mehrheiten“ als pfui gelten, wir also anhand der Sitzverteilung locker für vier Jahre im voraus wissen, wie Entscheidungen aussehen werden, bleibt den Verschmähten nur zu zeigen, dass es mit ihnen viel schöner gewesen wäre - was bei der nächsten Wahl ja zu korrigieren ist. Nichts wäre da dümmer, als der Regierungskoalition - oder gar noch der Opposition - in irgendetwas beizupflichten, eine Idee als richtig anzuerkennen und für ihre Umsetzung zu sorgen. Man wird also alles tun, um den „politischen Gegner“ gerade nicht zu unterstützten, jedes seiner Vorhaben zu zerreden, zu kritisieren. Will Rot-Grün eine neue Steuer auf „Alcopops“ einführen, um die Jugend vor dem Alkoholismus zu bewahren, ist die Union dagegen - in diesem Fall, weil ihr der vorgelegte Gesetzentwurf nicht weit genug geht. Bei allem, was wirklich wichtig ist, können wir dies beobachten: Einwanderung, Atomkraft, Krieg irgendwo - man wird sich nie einigen. Das gehört zu den verheerenden Spielregeln.

Politiker behaupten gerne das Gegenteil - und verweisen auf die vielen Gesetze, die sie übergreifend zustande gebracht haben wollen. Schauen Sie sich diese Gesetze an - es geht entweder um die Umsetzung von EU-Recht, worauf das Parlament eh keinen Einfluss hat, was bedeutet: das entsprechende Gesetz muss beschlossen werden, dieser Bereich macht bereits 40% der Parlamentsentscheidungen aus (Töller 2008)) - oder es geht um die eigenen Pfründe, um Diäten, um Parteienfinanzierung, um Macht, um Unantastbarkeit - da ist man sich selbstredend einig.

Berufspolitikern liegt nichts ferner, als Probleme zu lösen, an Sachthemen zu arbeiten. Ihre Profession ist das Palaver. So formulierte Gerhard Schröder in einer Broschüre seiner Regierung unter dem Titel „Perspektiven für Deutschland - unsere Strategie für eine Nachhaltige Entwicklung“ („Nachhaltig“ ist tatsächlich durchgängig großgeschrieben, quasi als kreative Namens-Erfindung) im Juli 2002:

„Über den Tag hinaus brauchen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft eine langfristige Orientierung, in welche Richtung sich unser Land entwickeln soll. Das Leitbild der Nachhaltigen Entwicklung ist der rote Faden für den Weg in das 21. Jahrhundert. Die Lebenschancen der heutigen und der zukünftigen Generationen zu erhalten, bildet den Kern des Leitbildes.“

Unter der Kapitelüberschrift „Wie wollen wir morgen leben?“ stehen in einer Aufzählung Hammer-Sätze wie:

„Natürliche Lebensgrundlagen werden erhalten.“„Familie und Beruf sind besser vereinbar.“„Unternehmen und Verbraucher tragen Verantwortung für die Produktion und Auswahl der Produkte.“

Und so konkret geht es weiter. „Im Verkehr müssen neue Wege der Effizienzsteigerung gefunden werden.“ Es folgt wenig später ein Schaubild zum „Anteil des Schienenverkehrs an der Güterverkehrsleistung“, mit vier Säulen: 1991: 21,0%, 1995: 16,6%, 2000: 15,5% (da war Schröder bereits seit zwei Jahren Kanzler!), 2015: 25,0%. Wie dieser gewaltige Anstieg geschafft werden sollte - kein Wort. Es war ja damals auch noch lange hin - eine halbe Generation. 2015 wird niemand mehr fragen, was eine längst vergessene Regierung in irgendeiner Broschüre, die sie flächendeckend über das Land verteilen ließ, geschrieben hatte.

Nicht nur, dass wir nicht über die Politik in unserem Land entscheiden - wir wissen vielfach nicht einmal im Nachhinein, was unsere Politiker entschieden haben. Wussten Sie, dass

alle Ausländer in Deutschland in einem Zentralregister gespeichert werden,ein Seemann, der auf einem Schiff, das die deutsche Flagge hissen darf, irgendwo auf der Welt schippert, eine Aufenthaltsgenehmigung braucht, so er nicht Deutscher im Sinne des Art. 116 Grundgesetz ist,in der Bundesliga kickende brasilianische Fußballweltmeister sich nicht nur pflichtgemäß und regelmäßig bei der Ausländerbehörde um die Ecke zu melden haben, sondern auch „der für die Sportart zuständige deutsche Spitzenverband im Einvernehmen mit dem Deutschen Sportbund ihre sportliche Qualifikation als Berufssportler“ beglaubigen muss?

Politiker hätten heute vor allem zwei Möglichkeiten, ernsthafte Politik zu machen:

a) Sie könnten Vermittler in einem „gesellschaftlichen Dialog“ sein. Darin spielen die Parteien keine Rolle - mit insgesamt 1,3 Millionen Mitgliedern[3] und gerade mal 150.000 Aktiven sind sie völlig irrelevant. Politiker müssten „die Fakten auf den Tisch legen“, verschiedene Lösungsmöglichkeiten, die sie sich gar nicht selbst auszudenken brauchen, vorschlagen und so einen echten Meinungsbildungsprozess managen.

b) Sie könnten mit klaren Positionen zur Wahl antreten und danach vier Jahre lang arbeiten, wie sie es versprochen haben - bis wir abrechnen. In dieser Arbeitsphase muss uns nicht alles gefallen, was sie tun und entscheiden, so es denn vom Ziel her dem entspricht, was sie auf ihre Wahletiketten geschrieben hatten. Aber nach vier Jahren sagen wir, ob uns das so passt oder ob wir uns doch etwas anderes vorgestellt haben.

Doch beides geschieht nicht. Wirklich spannende Fragen werden von Politikern nur intern verhandelt, was regelmäßig darin gipfelt, bestimmte Themen komplett aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Aber auch „Wahlversprechen“, für deren Umsetzung die Gewählten von uns schließlich mandatiert worden sind, werden keineswegs in konkrete Politik umgesetzt.

So schrieb die SPD in ihr Wahlprogramm 2002: „Aus der Generation der 55-Jährigen und älteren stehen nur 39% aktiv im Erwerbsleben. Das tatsächliche Renteneintrittsalter muss mittelfristig über die heute durchschnittlich gut 59 Jahre wieder in Richtung der gesetzlichen Altersgrenze verändert werden. Die Erfahrungen und das Können dieser Generation sind unverzichtbar.“ Das ist natürlich schon super-schwammig, und die Begründung mit dem Know-how der Alten ist Euphemismus: die Berufstätigen haben einfach keine Lust mehr, mit ihrer Arbeit anderen ein faules Leben zu finanzieren. Warum aber bezahlen wir allein für vorzeitige Altersrenten und Erwerbsminderungsrenten (also Renten vor 67) knapp 45 Milliarden Euro ohne Frühpensionen und Altersarbeitslosigkeitsalimentierung? Warum schickt die Regierung bzw. das ihr mehrheitlich hörige Parlament Unteroffiziere immer noch mit 53 und Jetpiloten der Bundeswehr sogar mit 41 Jahren in den gut betuchten Ruhestand?

Die ewige Begründung hierfür lautet: weil Politiker Lobbygruppen zufrieden stellen wollen - also Wähler und Verbündete. Das mag sein, weil für Politiker vorrangig die Bürger sichtbar sind, die sich über Lobbyvertreter an sie wenden - so wie der Chef einer Lokalzeitung als Leser auch zunächst nur das Dutzend Leserbriefschreiber wahrnimmt, das sich regelmäßig beschwert. Logisch ist es gleichwohl nicht, und zielführend schon gar nicht.

Anstatt uns von Wahl zu Wahl vertrösten zu lassen, sollten wir einfach mal empirisch arbeiten, uns die Vergangenheit ansehen - um daraus Schlüsse zu ziehen. Denn unsere Berufspolitiker haben uns in ein Desaster manövriert. Ein paar Spotlights:

In Kürze haben wir mehr Wahlberechtigte, die von Umverteilung leben (überwiegend Rentner und Pensionäre), als Wahlberechtigte, die für diese Umverteilung das nötige Kleingeld aufbringen. Damit verabschieden wir uns endgültig von der Demokratie, weil ihr konstituierender Gleichheitsgrundsatz immer nur die Absicht hatte, auch die „Schwächeren“ zu integrieren. Wenn wir nicht ganz schnell massiv etwas ändern, steht das gesamte System Kopf: dann entscheiden bei Wahlen Studenten, Arbeitslose, Rentner und Pensionäre allein, was der wirtschaftlich tätige Rest der Bevölkerung für sie zu tun hat.Wir sind finanziell am Ende. Dass allenthalben noch Autobahnen gebaut werden, Opern aufspielen, Förderpreise vergeben oder Blumenkübel monatlich neu bepflanzt werden, kann darüber nicht hinwegtäuschen. Eine vierköpfige Familie müsste im Moment 103.700 Euro auf den Tisch legen, um sich von ihren anteiligen Staatsschulden zu befreien. Natürlich geht das nicht. Woher sollten Sozialhilfeempfänger das Geld nehmen, wie sollte ein Auszubildender seine fast 26.000 Euro aufbringen? Aber die Zahlungspflicht besteht, und dank Zinseszins wachsen die Schulden, selbst wenn der Staat ab heute keine neuen Kredite aufnehmen würde (Schäuble hat es gerade mal wieder für in zwei Jahren versprochen, dann soll es erstmals seit 1969 wieder Überschuss im Bundeshaushalt geben). Von völlig ungedeckten Zahlungsverpflichtungen einmal abgesehen: allein die Versorgungsansprüche der ehemaligen Postbeamten belaufen sich auf eine halbe Billion Euro, für die keinerlei Rücklagen existieren.Es gibt bisher nicht im Ansatz ein Konzept, wie damit umgegangen werden könnte, dass die klassische Erwerbsarbeit ausgedient hat. Alle Berechnungen zu Krankenversicherungsbeiträgen, Steuern oder Rentenzahlungen sind Nonsens. Arbeitskräfte werden für das Standardprogramm kaum noch gebraucht - und alles andere (Sichwort: Dienstleistungsgesellschaft) ist Luxus für gute Zeiten. Wir haben uns einst von der Selbstversorgung zugunsten einer Spezialisierung, einer Arbeitsteilung verabschiedet. Von diesen Spezialisten aber braucht es nur noch wenige. Bahnen fahren ohne Fahrer, den Fahrkartenverkauf übernimmt der Automat, Selbstbedienung zieht sich inzwischen bis in die Bäckerei durch, der Friseur ist günstiger, wenn wir selber föhnen. Dieser unendliche Fortschritt, nicht mehr arbeiten zu müssen, kann unseren Untergang bedeuten, weil Politiker und ihre Lobbykollegen von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden nicht einmal im Traum darüber nachdenken - denn jedes Denkergebnis würde ihre Existenz gefährden. Unsere Politiker lassen inzwischen jede Banküberweisung, jede E-Mail, jeden Furz kontrollieren, um uns vor Kriminalität zu schützen. Bald dürfen wir nackt vor dem beamteten Personal-ausweislichtbildfotografen tanzen, unsere DNA nehmen sie direkt bei der Geburt und auch sonst bleibt nichts dem staatlichen Sicherheitsblick verborgen - damit „der Terror“ erfolgreich bekämpft werden kann. Wer aber tatsächlich Terror machen will, der wird sich von alledem nicht aufhalten lassen, wird einige völlig unkontrollierte Schulbusse in die Luft sprengen, Trinkwasser vergiften oder Peer Steinbrück klonen. Diese Gefahr wächst real, weil es genügend Menschen auf der Welt gibt, die mit ihrem Leben noch viel unzufriedener sind als wir - und die einfach nichts zu verlieren haben. Politiker aber machen das, was sie eben schon immer gemacht haben: sich als die Stärkeren fühlen. Also mehr Bundespolizei an den Grenzen, strengere Polizeikontrollen, weniger Visa. Wie naiv unsere Politiker wirklich sind, zeigte sich freilich nach dem 11. September 2001. So viel glaubhaftes Entsetzen, so viel Verwunderung darüber, dass es möglich ist, mit genügend krimineller Energie und gerade mal zwei Dutzend Mitstreitern die stärkste Nation der Erde in die Knie zu zwingen - das muss einem doch die Augen öffnen. Was sich mit diesen Anschlägen gezeigt hat, ist nicht, zu was Terroristen fähig sind - lieber Himmel, da gibt es genügend fürchterliche Beispiele und meine Fantasie zaubert gleich noch ein paar Massaker dazu -, sondern wie wirklichkeitsblind Politiker durch die Welt eiern. Zwar gab es bereits im zweiten Weltkrieg Kamikaze-Flieger, die Briten wollten explosive Brieftauben abrichten und die Amerikaner beluden u.a. Delfine mit Sprengladungen - nur dass Terroristen einfach Flugzeuge klauen und diese als Bomben einsetzen, das war für Politiker weltweit angeblich nicht vorstellbar. Wie sollte man dann im Nachgang von ihnen vernünftige Entscheidungen erwarten, ein Nachdenken über Ursachen und Wirkungen, über Alternativen? „Mit Terroristen verhandeln wir nicht“ heißt es aus unseren Head Quarters. Na dann, rette sich wer kann. „Umweltschutz“ ist schon lange kein Thema mehr, von Trittin (der mal wieder auf das Amt spekuliert?) hat man seit seiner Dosenpfand-Schmierseifenoper nichts mehr gehört und es ist wieder schick, die „wirtschaftlichen Interessen“ voranzustellen. Wenn uns auch nur eines der 9 derzeit noch in Deutschland laufenden Atomkraftwerke um die Ohren fliegt, ist es schlicht und ergreifend vorbei mit dem „Wirtschaftsstandort Deutschland“. Die tatsächlichen Auswirkungen des menschlichen Ausstoßes von 7 Milliarden Tonnen Kohlendioxid pro Jahr werden wir erst in 30 Jahren spüren. Dass wir heute noch leben, ist für die unter 60-Jährigen da keine Beruhigung. Metalle kommen auf der Erde nur sehr begrenzt vor. Und doch sorgt gerade ein angeblich der Nachhaltigkeit dienendes Kreislaufwirtschaftgesetz dafür, dass Rohstoffe nicht genutzt werden, weil die Verwertungsquoten erfüllt sind. Von unserem Hausmüll werden nur 9% verwertet. Nachfolgende Generationen können ja Katasterkarten studieren und unseren Müll wieder ausbuddeln, wenn sie Rohstoffe brauchen.Inzwischen sitzt statistisch gesehen in jeder Schulklasse ein in diesem Jahr tatverdächtiges Kind oder ein tatverdächtiger Jugendlicher. Die Politik sinniert über härtere Strafen, Herabsetzung der Strafmündigkeit, Streichung des Kindergelds für Eltern von Schulschwänzern. Aber nicht ein Neuronenfunke, warum das wohl so ist, keine Selbstkritik, was Jugendliche wohl so anödet an dieser Welt, keine kreative Suche nach irgendwelchen Veränderungen. Stattdessen: Kürzung der Mittel für Jugendarbeit in allen Ländern und im Bund, Ausweitung der ach so sinngebenden Schule auf den Nachmittag, berufsvorbereitende Maßnahmen für Jungs und Mädels, die einfach mal handwerklich was schaffen wollen.

Berufspolitiker sind nicht im Mindesten geeignet, die von ihnen geschaffenen Probleme zu lösen. Die Welt ist heute tatsächlich zu komplex, als dass Paragraphenreiter sie durchschauen könnten. Jede Entscheidung heute hat eine Tragweite, die deutlich über das Karrierekalkül eines Parteisoldaten hinausreicht. Früher war das eher undramatisch - deshalb gibt es uns noch. Heute aber beschließen Politiker, wie mit Genen herumgepfuscht werden darf, weil sie das für die Wirtschaft und vor allem für das internationale Renommee wichtig finden - solange holländische Schlangengurken keine deutschen Touristen verspeisen, dünkt ihnen dabei nichts Böses.

Es liegt in der Natur dieses Systems, dass kurz vorm Kollaps noch alles in bester Ordnung erscheint. Familie Meyer hat brav Hundesteuer gezahlt, der Falschparker am Sportplatz wurde abgeschleppt, in bayrischen Schulen steht man auf, wenn der Lehrer kommt, und in der ersten Stunde wird fromm gebetet, das private Josefs-Hospital versteuert korrekt seine Gewinne aus Verkehrsunfallflickerei, 58.100 Strafgefangene sitzen sicher im Knast, Deutschland engagiert sich für die Rettung der Milchstraße am Hindukusch.

Das alles wäre völlig normal, glaubten wir noch wie vor wenigen hundert Jahren an den baldigen, gottgewollten Weltuntergang. Dann sollten wir kräftig Party machen, die Sau rauslassen und die Weltzerstörung als großes Happening für 2040 vereinbaren. Bis dahin kommen wir locker-flockig durch.

Wer das aber nicht will, wer heute Luftnot bekommt, wenn er über seiner Steuererklärung brütet, wer sich auch den Last-Minute-Urlaub auf Mallorca nicht leisten kann und stattdessen im ZDF paradiesische Strände beguckt, wer sich seine statistische Lebenserwartung anschaut und meint, da müsse mehr sein als irgendwann nur noch auf dem Balkon zu grillen, wer Enkel hat und ihnen zum Geburtstag aufrichtig „alles Gute“ wünschen möchte, wer Angst davor hat, später auf Pflegestufe 3 nur noch verwaltet zu werden, der oder die wird kapiert haben, dass unsere Berufspolitiker nicht die richtige Adresse sind, wenn es um mehr als das bloße Überleben des nächsten Tages geht.

Vielleicht war es okay, in den letzten Jahrzehnten wie schon zuvor aufs eigene Denken zu verzichten - müßig, das im Nachhinein zu erörtern - es ist eben so gelaufen.

Aber für ein Leben in Zufriedenheit reicht das heute definitiv nicht mehr. Es könnte nicht alles noch viel schlimmer sein, es wird alles noch viel schlimmer kommen, wenn wir uns nicht aus dem Trott befreien, alle vier Jahre Zukunftslotto ohne Gewinnchance zu spielen.

Denn das, was uns da geboten wird, das, was uns erwartet, ist aus freien Stücken nicht wählbar. Vergessen wir die Beschwichtigungsversuche, „wir“ seien doch in so vielem die Nummer eins auf der Welt, und wenn es beim Spargelverzehr ist. Wir sollten uns wirklich nicht weiter der Illusion hingeben, Berufspolitiker könnten noch irgendwas positiv reißen.

Bürokratieabbau wird in jedem Wahlprogramm versprochen. Altkanzler Helmut Schmidt sagte dazu in einem SZ-Interview: „Zu den Aufgaben jedes Kanzlers zählt nunmehr der Abbau der Bürokratie. Doch wird ihm das leider misslingen.“ Wenn Politiker nicht einmal von ihnen geschaffene Regelungen zurücknehmen können - was um alles in der Welt sollen sie dann auf die Reihe bekommen?An der Arbeitslosigkeit hat sich weder in der langen Unions-Ära noch anschließend unter SPD-Führung etwas geändert - und natürlich auch nicht in der Zeit der Großen Koalition.Mit der Kriminalität wird es angeblich immer schlimmer - trotz immer schärferer Gesetze, einem unglaublichen Polizeiapparat und dem öffentlichen Nachdenken über ein bisschen erlaubte Staatsfolter. (Natürlich ist das mit der wachsenden Kriminalität ein Märchen, aber es ändert nichts daran, dass sich unsere Nachbarn durch diese politisch missbrauchten Horrorszenarien subjektiv bedroht fühlen, es also auch ohne Kriminelle immer krimineller wird.)Der unglaubliche Fortschritt in diesem unserem Land hat dazu geführt, dass man seinen dämlichen Gegenüber nicht mal einen dummen Hund nennen darf, ohne mit einem Beleidigungsprozess überzogen zu werden, bei dem, bitte sehr, nicht etwa der Depp von Gegenüber zivil klagt, sondern ein Staatsanwalt Recht und Ordnung für dieses Volk vertritt.

Kurz und gut, mit unseren derzeitigen Berufspolitikern ist kein guter Staat zu machen. Es gibt nicht mehr den Funken Resthoffnung, dass sie irgendetwas Gemeinnütziges im Schilde führten. Sie gewähren ihren Machtgenen auf hoch luxuriösem Niveau freie Entfaltung und wir alimentieren sie dafür. Wir lassen uns von ihnen aber nicht nur finanziell ausnehmen - das wäre verschmerzbar - wir lassen uns von ihnen um unsere Lebensfreude bringen. Da hört nun wahrlich jeder Spaß auf.

Die allermeisten Menschen hier sind unzufrieden, allenfalls noch gleichgültig, weil sie es nie anders erlebt haben und ihnen die Vision fehlt, wie eine Gesellschaft besser funktionieren könnte.

Kein Schüler hat Bock auf Schule. Wie auch? Er muss den größten Teil des Tages irgendwelchen sinnentleerten Stoff lernen oder bearbeiten, angeleitet von Menschen, die nie aus der Schule rausgekommen sind und die ihnen folglich genau null Gründe nennen können, warum man das alles machen soll. Derweil dehnt die Politik dieses Erfolgsmodell auch noch auf den Rest des Tages aus.Azubis, Arbeiter und Angestellte werden täglich damit konfrontiert, dass eine „öffentliche Meinung“ in der Berufstätigkeit das Heil sieht; Berufstätigkeit ist Selbstverwirklichung, gesellschaftliche Teilhabe, einfach an sich großartig. Nur kann das ein großer Teil der 27 Millionen Angestellten nicht sehen: acht Stunden am Tag Beitragsbescheide zu versenden, Datenbanken zu füttern, telefonisch zahlungssäumige Kunden zu mahnen oder Platinen zu löten ist eben einfach nicht erfüllend. Dumm dran, wer sich das eingesteht.Als Rentner endlich sollte man im irdischen Paradies angekommen sein. 24 Stunden am Tag nur tun, wozu man Lust hat. Das ist aber in Marzahn, Klein Berßen oder Niederwürschnitz nicht so wahnsinnig viel. Dreieinhalb Stunden sieht der Rentner am Tag fern, im Durchschnitt. Wie wenig Vergnügen das bereitet, ist wohl unstrittig.

Wer das ändern will, kann nicht über Köpfe reden. Die Regierungswechsel der letzten Jahre haben alle nichts gebracht und die unangenehmsten Politiker-Gesellen halten sich am hartnäckigsten auf den Titelseiten der Zeitungen. Die parlamentarische Demokratie hat uns in den vergangenen 31 Jahren ganze drei politische Führungsköpfe gegönnt: Helmut Kohl (der wegen irgendwelcher Parteispendengeschichten für viele eine persona non grata ist), Gerhard Schröder (von dem lieber auch niemand mehr spricht, außer im Zusammenhang mit gut bezahlten Beraterjobs) und schließlich Angela Merkel (von der niemand weiß, womit wir sie verdient haben, aber auch niemand eine Alternative aus dem Politikersortiment benennen kann).

Curt Goetz hatte dazu schon vor einem halben Jahrhundert eine treffliche Idee: „Wie wäre es, alle Politiker in einen zoologischen Garten zu stecken und aus dem Eintrittsgeld die Welt zu sanieren?“

Tja, wie wäre das, wenn wir einfach nicht mehr nur zuschauen würden, wie uns Politiker tagtäglich auf die Nerven gehen mit dem, was sie tun und vor allem dem, was sie schon längst getan haben; wenn wir stattdessen mal selbst eine „Agenda“ schmiedeten, uns darauf verständigten, was ansteht, was zu tun ist, wo wir hin wollen. Denn das ist der Luxus, den wir tatsächlich noch hätten: Wir kämpfen noch nicht wieder ums Überleben, wie unsere Ur-Vorfahren. Nichts steht an, was sofort getan werden müsste, alles hat noch ein paar Tage Zeit. Diese beruhigende Gewissheit dürfen wir aus dem politischen Geplänkel durchaus ziehen: da wird seit mehr als einer Dekade tagtäglich von der Politik das Schreckensbild vom „internationalen Terrorismus“ gezeichnet und eine die Stasi verspottende Totalüberwachung aufgebaut - aber sonst passiert nichts, die Erde dreht sich einfach weiter.

Und eine zweite Gewissheit dürfen wir haben: Es gibt tatsächlich viel zu tun, um aus unserem einen Leben gemeinschaftlich etwas Vernünftiges zu machen; aber wenn wir es nicht selbst tun, tut es niemand. Politiker jedenfalls werden den Teufel tun, Probleme zu lösen, die sie überhaupt erst geschaffen haben und die quasi ihre Lebensgrundlage bilden.