Der Bergpfarrer 382 – Heimatroman - Toni Waidacher - E-Book

Der Bergpfarrer 382 – Heimatroman E-Book

Toni Waidacher

0,0

Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 10 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Unter anderem gingen auch mehrere Spielfilme im ZDF mit Millionen Zuschauern daraus hervor. Was ist denn gescheh'n, das Pascal veranlasst haben könnt', die Klinik zu verlassen?" Sebastian Trenker schaute Lena Brock und Adrian Keller fragend an. Sie saßen im Büro des Arztes und Leiters der Landklinik Schirmerhof und sprachen über das Verschwinden des Patienten. Vor einer Viertelstunde hatte die Kräuterpädagogin und Heilpraktikerin im Pfarrhaus angerufen und den Geistlichen um Hilfe gebeten. Lena und Adrian tauschten einen Blick aus, dann nickte Dr. Keller. "Erzähl' Hochwürden, was gestern war." Die junge Frau nagte an der Unterlippe, sie wirkte nervös und irgendwie schuldbewusst. Pascal Metzler war aber auch nicht ein Patient unter vielen, sondern der Bruder einer Freundin von Lena, der in seinem Leben schon viel durchgemacht hatte. Schicksalsschläge, wie sie glücklicherweise nicht jedem widerfuhren, hatten ihn getroffen und ihre Spuren hinterlassen. Seine frühere Verlobte, mit der er zusammen in einer Elsässischen Bank gearbeitet hatte, war von einem Tag auf den anderen verschwunden und hatte dabei einen Millionenbetrag unterschlagen. Als Clarissa Belfort tauchte sie eines Tages in St. Johann auf, wo sie, trotz einer Schönheitsoperation, die ihr Aussehen total verändert hatte, von Yvonne Metzler, die zufällig bei Lena Brock zu Besuch war, wiedererkannt wurde.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 120

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Der Bergpfarrer –382–

Eine Erbschaft für Sebastian

Wer vermacht dem Bergpfarrer Millionen?

Roman von Toni Waidacher

»Was ist denn gescheh’n, das Pascal veranlasst haben könnt’, die Klinik zu verlassen?«

Sebastian Trenker schaute Lena Brock und Adrian Keller fragend an. Sie saßen im Büro des Arztes und Leiters der Landklinik Schirmerhof und sprachen über das Verschwinden des Patienten.

Vor einer Viertelstunde hatte die Kräuterpädagogin und Heilpraktikerin im Pfarrhaus angerufen und den Geistlichen um Hilfe gebeten. Lena und Adrian tauschten einen Blick aus, dann nickte Dr. Keller.

»Erzähl’ Hochwürden, was gestern war.«

Die junge Frau nagte an der Unterlippe, sie wirkte nervös und irgendwie schuldbewusst. Pascal Metzler war aber auch nicht ein Patient unter vielen, sondern der Bruder einer Freundin von Lena, der in seinem Leben schon viel durchgemacht hatte. Schicksalsschläge, wie sie glücklicherweise nicht jedem widerfuhren, hatten ihn getroffen und ihre Spuren hinterlassen. Seine frühere Verlobte, mit der er zusammen in einer Elsässischen Bank gearbeitet hatte, war von einem Tag auf den anderen verschwunden und hatte dabei einen Millionenbetrag unterschlagen. Als Clarissa Belfort tauchte sie eines Tages in St. Johann auf, wo sie, trotz einer Schönheitsoperation, die ihr Aussehen total verändert hatte, von Yvonne Metzler, die zufällig bei Lena Brock zu Besuch war, wiedererkannt wurde.

Nathalie Baumann, so ihr richtiger Name, sah die Gefahr trotz ihrer Tarnung aufzufliegen, zumal Yvonne damit drohte, ihren Bruder ins Wachnertal zu holen und die gesuchte Millionenbetrügerin durch Pascal überführen zu lassen. Und nur wenig später geschah das Schreckliche – Pascal wurde absichtlich von einem Auto angefahren!

Steckte Nathalie hinter dem Anschlag auf sein Leben?

Für die Eingeweihten kam niemand Anderer in Betracht, doch Beweise gab es nicht. Pascal überlebte gottlob das Attentat, wenn auch schwer verletzt. Nach seiner Genesung brachte seine Schwester ihn ins Wachnertal, wo er sich in der Landklinik Schirmerhof von dem Trauma erholen sollte.

Leider geschah dann etwas, womit keiner gerechnet hatte – der Franzose verliebte sich in Lena Brock.

»Ich hatte es schon vor ein paar Tagen bemerkt«, erzählte die Kräuterfrau, »habe es aber als Schwärmerei abgetan. Dabei hätten die Blicke, mit denen Pascal mich angeschaut hat, mich eines Besseren belehren sollen. Als wir dann gestern Nachmittag in der Kirche waren, da war er kurz davor, mir ein Liebesgeständnis zu machen – zum Glück kamen Sie, Hochwürden, im selben Moment aus der Sakristei. Aber auf dem Heimweg dann hat er es mir gesagt.«

Sebastian nickte verstehend. »Und was hast du darauf geantwortet?«

Lena zuckte erneut die Schultern.

»Die Wahrheit«, antwortete sie. »Dass ich, als seine Therapeutin, die Liebe net erwidern darf, und dass mein Herz ohnehin net mehr frei ist.«

»Was hat Pascal darauf gesagt?«

»Nix. Der Rest der Fahrt verlief schweigend. Als wir hier angekommen sind, ist er gleich ausgestiegen und auf sein Zimmer gegangen.«

»Und heut’ Morgen war er dann fort …«

Adrian nickte. »Wir wissen allerdings nicht, ob er schon gestern Abend verschwunden ist, oder erst heute in der Frühe«, bemerkte der Arzt. »Wir stellen es unseren Patienten frei, an den gemeinsamen Mahlzeiten teilzunehmen, oder sich das Essen auf dem Zimmer servieren zu lassen. Pascal hatte bisher immer Letzteres vorgezogen.«

»Wurde ihm denn gestern noch das Abendessen gebracht?«

»Ja«, antwortete Lena, »allerdings stand das Tablett heute Morgen unangetastet auf dem Tisch, und das Bett war unberührt. Das hat Schwester Barbara freilich sofort alarmiert und sie hat uns informiert. Bei der Durchsuchung auf irgendeinen Hinweis, haben wir dann festgestellt, dass Pascal auch seine Sachen mitgenommen hat, Kleidung und Reisetasche sind net mehr da.«

Sebastian fuhr sich nachdenklich über das Kinn.

»Sicher bin ich freilich net, aber ich vermutete, dass Pascal Metzler irgendwann in der Nacht die Klinik verlassen hat, als keine Gefahr bestand, dass er von jemandem geseh’n werden könnte. Doch wohin kann er gegangen sein?«

Lena biss die Zähne zusammen.

»Net auszudenken, wenn ihm was zugestoßen ist«, stieß sie hervor. »Ich weiß gar net, was ich Yvonne sagen soll.«

Der Bergpfarrer hob beschwichtigend die Hand.

»Wir woll’n doch net gleich das Schlimmste annehmen«, entgegnete er. »Leider ist der Max grad net da. Er ist nach München gefahren, um Claudia vom Flughafen abzuholen, und wird vor Mittag net zurück sein. Aber bevor wir die Bergrettung alarmieren, denk’ ich, stellen wir einen kleinen Suchtrupp zusammen. Ich ruf’ gleich den Doktor und Jonas Brandström an.«

»Und ich Jimmy«, sagte Adrian und griff zum Telefon. »Hoffentlich hat er keinen Dienst.«

Jimmy Carpenter erklärte sich, ebenso wie Dr. Wiesinger und der junge Schwede, bereit, an der Suche nach Pascal Metzler teilzunehmen.

»Fünf Leut’, ich denk’, das sollt’ reichen«, nickte Sebastian zufrieden.

»Ich komm’ auch mit«, erklärte Lena Brock.

Der Geistliche schüttelte den Kopf.

»Einer muss hier am Telefon bleiben«, erklärte er. »Außerdem – ich weiß net, wie Pascal reagiert, wenn er dich sieht …«

Das war durchaus verständlich, schließlich liebte der Franzose sie, Lena war der Grund für sein überstürztes Fortlaufen.

Keine zwanzig Minuten später brachen die fünf Männer auf.

»Ich kann mir net vorstellen, dass Pascal nach oben gestiegen ist«, begründete Sebastian seine Absicht, die Suche nach dem Verschwundenen auf das Tal zu konzentrieren. »Bei Vollmond und sternenklarer Nacht, vielleicht, aber wir hatten bedeckten Himmel, der Mond war kaum zu seh’n, und droben, am Teglerjoch, kennt Pascal sich net aus.«

Sie einigten sich darauf, das erste Stück gemeinsam abzusteigen und sich dann zu trennen. Es gab mehrere Möglichkeiten, in welche Richtung sich der Franzose gewandt haben konnte. Sie alle mussten abgesucht werden.

*

Erstaunt blickte Nathalie Baumann auf den Mann, der eben ihre Zelle betreten hatte. Er war um die Fünfzig, trug einen dunklen Anzug und Krawatte, in der linken Hand hielt er einen Aktenkoffer.

»Guten Tag, Frau Belfort«, sagte er, in gebrochenem Französisch, »mein Name ist John Harrington, ich bin Ihr Anwalt.«

Der Besucher wartete, bis der Wärter die Tür hinter sich ins Schloss gezogen hatte, dann kam er auf die Französin zu und reichte ihr die Hand.

»Mr. Whitaker hat mich beauftragt, Sie hier herauszuholen«, raunte er, als habe er Angst, die Wände könnten Ohren haben. »Meine erste Frage – haben Sie irgendetwas ausgesagt? Etwas zu den Vorwürfen, oder zu Ihrer Identität?«

Nathalie schüttelte den Kopf.

»Ich habe von meinem Recht gebraucht gemacht und die Aussage verweigert.«

»Wunderbar! Darf ich?«

Harrington deutete auf den kleinen Hocker und setzte sich, noch ehe die Französin nicken konnte. Der Anwalt öffnete den Aktenkoffer und nahm mehrere Dokumente heraus, die er auf dem Tisch ausbreitete.

»So«, tippte er auf ein Blatt, während er einen Füller aus der Reverstasche zog und aufschraubte. »Da ist zunächst einmal die Vollmacht, die müssten Sie mir unterschreiben.«

Nathalie zögerte. »Wieso schickt Mr. Whitaker Sie?«

Harrington hob den Kopf und schaute sie an.

»Weil er an Ihre Unschuld glaubt«, antwortete er.

Unschuld?

Pustekuchen! Der Boss wusste doch genau, was sie auf dem Kerbholz hatte.

»Was mich angeht, so habe ich die Aufgabe, Sie, Miss Belfort, aus diesem Gefängnis zu holen, und ich denke, ich habe da auch schon einen Weg gefunden …«

Nathalies Gesicht überzog ein Strahlen.

Sie sollte freikommen? Raus aus diesem elendigen Loch?

Wie oft hatte sie davon in den vergangenen Nächten geträumt. Und jetzt sollte dieser Traum wahr werden?

Sie nahm den Füller und unterzeichnete die Vollmacht mit Clarissa Belfort.

»Wie wollen Sie mich denn hier herausholen?«

Der Anwalt grinste listig.

»Wegen eines Fehlers bei der elektronischen Übertragung Ihrer Daten an den Zentralcomputer, bei Scotland Yard, der wiederum mit dem Computer von Interpol vernetzt ist. Am Tag Ihrer Festnahme gab es einen Ausfall im gesamten Netzwerk, als der behoben worden war, stellte man fest, dass Millionen Daten durcheinander geraten waren. Die Computer fast aller europäischen Polizeipräsidien sind miteinander vernetzt, und überall herrscht dasselbe Chaos. Die IT-Experten sind seitdem Tag und Nacht im Einsatz, um das wieder in den Griff zu kriegen, aber das kann dauern, und diese Zeit nutzen wir. Deshalb anfangs meine Frage, ob Sie etwas über Ihre Identität gesagt hätten. Da das nicht der Fall ist, beharren wir darauf, dass Sie das Opfer dieser Verwechslung geworden sind und Clarissa Belfort heißen, wie es in Ihren Papieren steht.«

Harrington nahm ein Papier hoch.

»Das ist eine Abschrift des Protokolls Ihrer Festnahme in ›Clifford-House‹, in dem explizit die Abnahme der Fingerabdrücke auf elektronischem Wege dokumentiert ist. Lesen Sie es bitte durch und sagen Sie es, wenn Ihnen dabei irgendetwas auffällt, das Sie anders in Erinnerung haben.«

Nathalie nahm das Blatt und las es durch, dabei erinnerte sie sich an jede Sekunde, vor allem aber an die Enttäuschung auf Tonys Gesicht. Hätte sie vorher vielleicht Zweifel gehabt, in diesem Moment war ihr schlagartig klar geworden, dass der Earl sie wirklich liebte.

»So war es«, sagte sie und gab das Papier zurück.

»Gut. Was übrigens den Diebstahl dieses Zepters angeht«, bemerkte der Anwalt, »so hat die Polizei Sie nicht in Verdacht, der richtet sich im Moment gerade gegen einen Gärtnergehilfen, der hin und wieder in ›Clifford-House‹ arbeitet. Der Mann soll ziemlich hohe Spielschulden haben und immer in Geldnot sein.«

Nathalie atmete innerlich auf. Wenn sie tatsächlich freikam, dann würde Tony sie vielleicht doch noch heiraten.

Ein kleiner Hoffnungsschimmer nur, gewiss, aber das war immerhin mehr, als sie bis jetzt als Zukunftsaussicht gehabt hatte, seit sie in dieser Zelle saß.

»Also …«

John Harrington besprach mit Nathalie die Strategie durch, die er anwenden wollte, um sie aus dem Gefängnis herauszuholen.

»Alles, was Sie tun müssen, ist auf Ihrer Identität als Clarissa Belfort zu beharren. Alles Andere überlassen Sie mir.«

Nathalie Baumann nickte, sie würde alles tun, was der Anwalt verlangte, nur um hier herauszukommen.

»Aber was ist, wenn man erneut meine Fingerabdrücke nimmt?«

Harrington hob die Rechte.

»Die Frage ist berechtigt«, entgegnete er und packte seine Sachen zusammen. »Und um das zu verhindern, müssen wir die Zeit nutzen, während der das Computersystem noch lahmgelegt ist.«

Er schaute auf seine Uhr.

»Aus diesem Grund habe ich gleich einen Termin beim zuständigen Richter«, setzte der Engländer hinzu, »bei dem ich Ihre sofortige Freilassung beantragen werde.«

Er stand auf und ging zur Tür.

»Kopf hoch«, meinte der Anwalt aufmunternd, während er klopfte, »mit etwas Glück sind Sie in einer Stunde wieder in Freiheit.«

Als sich die Tür hinter John Harrington schloss, setzte sich Nathalie auf den Hocker und atmete erst einmal tief durch.

Sollte das Husarenstück tatsächlich glücken, und sie wieder freikommen?

Sie konnte es kaum glauben, aber offenbar musste sie Whitaker doch mehr bedeuten, als sie angenommen hatte. Bisher hatte die Französin geglaubt, der Boss würde darauf vertrauen, dass sie über ihn kein Wort sagen werde. Dass sein Arm weit reichte, wusste sie ja, oft genug hatte er es betont, wenn auch nicht im Zusammenhang mit ihr. Aber vermutlich war sie doch die unschätzbar wertvolle Mitarbeiterin, als die er sie immer bezeichnete. Und mit diesem Coup wollte er sich ihrer Dankbarkeit versichern …

Nun, wenn sie erst einmal wieder frei war, würde sie schon einen Weg finden, ihm zu entkommen. Als Erstes würde sie zum ›Clifford-House‹ fahren, Tony würde Augen machen. Wenn sie so plötzlich vor ihm stand, musste er ihr die Verwechslung glauben.

Nathalie erinnerte sich an seinen Besuch, hier in der Zelle. Ob sie ihn belogen habe, als sie sagte, sie liebe ihn, wie keinen anderen Mann vor ihm, wollte er wissen. Nein, hatte sie beteuert, das war keine Lüge, und zum ersten Mal in ihrem Leben hatte die Französin tatsächlich die Wahrheit gesagt.

Nathalie war so in Gedanken versunken, dass sie erschrocken hoch ruckte, als die Zellentür aufgesperrt wurde.

War tatsächlich schon eine Stunde vorüber?

Harrington trat ein, er strahlte über das ganze Gesicht, in der Hand hielt er ein Blatt Papier.

»Kommen Sie, Miss Belfort«, sagte er. »Sie sind frei.«

Sie hatte das Gefühl, ihr Herzschlag setze aus.

Herr im Himmel, dieser Kelch war noch einmal an ihr vorbeigegangen!

Hastig packte sie die Sachen zusammen, die sie bei ihrer Einlieferung erhalten hatte, und folgte dem Anwalt und dem Wärter. In dem Raum neben der Gittertür, die in die Freiheit führte, gab sie die Sachen ab und erhielt ihr Eigentum zurück. Erleichtert unterschrieb sie mit Clarissa Belfort und bestätigte den Empfang.

»Kommen Sie«, sagte Harrington, »mein Wagen steht dort vorne.«

»Bringen Sie mich zum ›Clifford-House‹?«, fragte sie erfreut.

Der Anwalt schüttelte den Kopf. »Nein, nach Heathrow.«

»Zum Flughafen?« Ihre Stimme klang ungläubig. »Aber warum …?«

Sie waren beim Auto angekommen, Harrington schloss auf.

»Der Richter ist nicht überzeugt, dass Sie tatsächlich Clarissa Belfort heißen«, erklärte er. »Er hat Ihrer Freilassung nur zugestimmt, weil ich damit gedrohte habe, den Fall vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu bringen. Ein Skandal sei es, habe ich getobt, eine unschuldige Frau wegen eines Fehlers im Computersystem einzusperren.«

Der Anwalt setzte sich hinter das Lenkrad.

»Der Mann hat schließlich zugestimmt, allerdings mit der Auflage, dass Sie das Vereinigte Königreich umgehend verlassen.«

»Wohin werden Sie fliegen?«

Nathalie schwirrte der Kopf. In die Staaten? Was sollte sie dort? Fieberhaft überlegte sie. Aber alles, was ihr einfiel, war St. Johann. Dort war der Sitz ihrer internationalen Unternehmensberatung, die sie offiziell betrieb, und dort hatte sie ihre Wohnung eingerichtet.

Wenn man so wollte, war es ihr erstes Heim, seit der Flucht aus Frankreich. Allerdings hatte sie dort auch ihre Feinde …

*

Gegen Mittag kamen sie im Pfarrhaus an, Pascal Metzler war immer noch verschwunden.

Angesichts der sommerlichen Hitze hatte Sophie Tappert einen leckeren Kartoffelsalat zubereitet, zu dem sie Fischpflanzerl und Remouladensauce reichte.

»Wo kann er denn nur abgeblieben sein?«

Toni Wiesinger schaute ratlos in die Runde. Bis nach Waldeck und Engelsbach waren sie gewandert, in der Hoffnung, den jungen Franzosen zu finden, leider vergeblich.

»Vielleicht ist er per Anhalter weiter«, meinte Jimmy Carpenter und zuckte die Schulter.

»Und sitzt längst im Zug, in Richtung Elsass«, nickte der Bergpfarrer. »Auch das ist möglich.«

»Kann man denn nicht die Schwester erreichen?«, fragte Jonas Brandström.

»Natürlich«, nickte Adrian Keller dem jungen Schweden zu. »Aber Pascal dürfte noch gar nicht in Frankreich angekommen sein, und wenn wir Yvonne jetzt anrufen, dann jagen wir ihr einen gehörigen Schrecken ein.«

Der Arzt hatte zwischendurch in der Landklinik angerufen, aber Lena hatte auch nichts von dem Verschwundenen gehört.

»Was also tun?«

Der Bergpfarrer hatte diese Frage gestellt, aber niemand wusste eine Antwort. Sebastian konnte sie sich selbst auch nicht beantworten.

»Ich denk’, wir müssen abwarten, bis Max wieder da ist«, erklärte er schließlich. »Mag sein, dass es für eine offizielle Vermisstenanzeige noch zu früh ist, aber sicher kann mein Bruder da was machen. Und wenn alle Stricke reißen, werde ich doch die Bergrettung alarmieren.«