Der Duft der Farben - Preethi Nair - E-Book
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Der Duft der Farben E-Book

Preethi Nair

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Beschreibung

Selbst in der dunkelsten Stunde leuchtet die Hoffnung: Der berührende Schicksalsroman »Der Duft der Farben« von Preethi Nair als eBook bei dotbooks. Eine Frau zwischen Hoffnung und Trauer, zwischen dem bunten Zauber Indiens und dem Trubel Londons – wird sie den Mut finden, ihren ganz eigenen Weg zu gehen? Als die junge Kunstgaleristin Nina eines Morgens eine bemalte Kokosnuss von der London Bridge ins Wasser wirft, wird ihr eins schlagartig klar: So kann es nicht weitergehen! Seit dem Tod ihrer besten Freundin treibt Nina genauso ziellos durch die ewig grauen Tage wie eben jene Kokosnuss, die der Familienguru ihr als symbolisches Heilmittel aufgeschwatzt hat. Höchste Zeit, selbst wieder Farbe in ihr Leben zu bringen – doch niemals hat Nina damit gerechnet, mit ihren anonymen Gemälden plötzlich zum angesagtesten Star der Londoner Kunstszene zu werden! Ein Geheimnis, das sie ausgerechnet vor dem Mann verbergen muss, dem schon lange ihr Herz gehört … »Ein herrlich verwickelter Roman mit klarer Botschaft: Lebe deine Träume!« Für Sie Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der turbulente Schicksalsroman »Der Duft der Farben« von Preethi Nair wird alle Fans von Lori Nelson Spielman und Jojo Moyes begeistern. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 506

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Über dieses Buch:

Eine Frau zwischen Hoffnung und Trauer, zwischen dem bunten Zauber Indiens und dem Trubel Londons – wird sie den Mut finden, ihren ganz eigenen Weg zu gehen? Als die junge Kunstgaleristin Nina eines Morgens eine bemalte Kokosnuss von der London Bridge ins Wasser wirft, wird ihr eins schlagartig klar: So kann es nicht weitergehen! Seit dem Tod ihrer besten Freundin treibt Nina genauso ziellos durch die ewig grauen Tage wie eben jene Kokosnuss, die der Familienguru ihr als symbolisches Heilmittel aufgeschwatzt hat. Höchste Zeit, selbst wieder Farbe in ihr Leben zu bringen – doch niemals hat Nina damit gerechnet, mit ihren anonymen Gemälden plötzlich zum angesagtesten Star der Londoner Kunstszene zu werden! Ein Geheimnis, das sie ausgerechnet vor dem Mann verbergen muss, dem schon lange ihr Herz gehört …

Über die Autorin:

Preethi Nair wurde 1971 in Kerala in Südindien geboren und wuchs in London auf. Sie arbeitete als Unternehmensberaterin, bevor sie beschloss, ihren Traum vom Schreiben zu verwirklichen und dafür einen eigenen Verlag zu gründen. Heute lehrt sie an der Londoner Fakultät der Financial Times und IE Business School das Studienfach Kreatives Schreiben.

Die Website der Autorin: preethinair.com

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eBook-Neuausgabe Juli 2022

Die englische Originalausgabe erschien erstmals 2004 unter dem Originaltitel »Beyond Indigo« bei HarperCollins Publishers Ltd., London.

Copyright © der englischen Originalausgabe 2004 Preethi Nair

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2007 by Droemer Verlag.Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt, Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München.

Copyright © der Neuausgabe 2022 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock / TanyaLovus / Billion Photos / kzww / Madlen

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (mm)

ISBN 978-3-98690-011-3

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Preethi Nair

Der Duft der Farben

Roman

Aus dem Englischen von Karin Dufner

dotbooks.

Für meinen Dad und Amma.

»Es blühen immer Blumen für die, die sie sehen wollen.«

Henri Matisse

Kapitel 1

Inzwischen weiß ich, dass ich Verdacht hätte schöpfen sollen, als ich um halb sieben Uhr morgens eine mit Safran bemalte Kokosnuss von der London Bridge warf. Jedenfalls beäugte mich der Obdachlose in seinem Pappkarton, als wolle er mir sagen, dass ich sicher bald zu seinesgleichen gehören würde. Doch der Guru hatte mir erklärt, dass ich dadurch den Stillstand aus meinem Leben vertreiben könne. Dieser werde von der haarigen Kokosnuss verkörpert, während das Wasser für Bewegung stünde. Aber die Themse glitzerte mich nicht aufmunternd an. Tja, das konnte sie auch nur schlecht, denn sie war pechschwarz und vermutlich gefroren. Allerdings wollte ich fest daran glauben, dass sie funkelte, ja sogar leuchtete und mir den Weg in eine bessere Zukunft wies.

Rückblickend betrachtet hatte der Guru eigentlich nur die Sache mit der Symbolik richtig hingekriegt: Braune Frau landet in schlammiger Brühe.

Besagten Guru hatte ich am Vortag kennen gelernt. Wie gerne würde ich behaupten, dass es in den Hügelausläufern des Himalajas oder an sonst einem exotischen Ort war. Doch leider traf ich ihn vor dem Pound-Savers-Supermarkt in der Croydon High Street. Es war einer dieser eiskalten Dezembertage, an denen das Wetter von allen Richtungen auf einen einzustürmen scheint:

Wind, Regen, Matschpfützen, hin und wieder Hagel und alles, womit die Natur den Menschen sonst zu peinigen beliebt.

Es war ein anstrengender Arbeitstag und insgesamt ziemlich unerfreulich gewesen: Heute vor genau einem Jahr war meine beste Freundin Kirelli gestorben. An diesem Tag erschienen mir die Vertragsverhandlungen mit irgendeinem selbstverliebten Künstler und die Überprüfung der Herkunft eines Bildes im Auftrag eines Kunden so schrecklich unbedeutend, dass ich meinem Chef mitteilte, ich hätte Kopfschmerzen und wolle früher nach Hause gehen.

»Zwei Aspirin helfen sicher«, meinte er.

»Ganz bestimmt. Ich besorge mir welche auf dem Heimweg«, erwiderte ich, obwohl ich nicht die geringste Absicht hatte, eine Apotheke aufzusuchen. Aber ich war eine gute Schauspielerin, und weil ich in zwei unvereinbaren Welten lebte, war es mir mittlerweile in Fleisch und Blut übergegangen, mich zu verstellen.

Genau genommen hatten die Kunstszene und der indische Subkontinent, der das Klima in unserer Doppelhaushälfte prägte, jedoch durchaus ihre Gemeinsamkeiten. Auf den ersten Blick wirkten beide Wertesysteme zuverlässig und zeichneten sich durch ein zwischen den Zeilen liegendes und unausgesprochenes Netzwerk aus Regeln und Verhaltensvorschriften aus, die von einer kleinen Eliteschicht festgesetzt wurden, die über ihre Einhaltung wachte. Das eine informelle Entscheidergremium befand über den Preis von Kunstwerken, das andere arrangierte Ehen ‒ wobei der wichtigste Unterschied darin bestand, dass die tonangebenden Personen in der Kunstszene weder einen Mittelscheitel noch Saris mit grauen Wollsocken und Sandalen trugen.

Theater zu spielen war meine einzige Chance, um die kulturelle Kluft zwischen der Hindimusik, die durch die Doppelhaushälfte dudelte, und der dezenten Klassik im Empfangsbereich der Anwaltskanzlei, wo ich als Kunstanwältin tätig war, zu überbrücken. Ich musste mich als jemand ausgeben, der ich gar nicht war.

»Nina, morgen kommt Boo Williams«, verkündete mein Chef, bevor ich ging. In seinem Code bedeutete das: »Sieh zu, dass du bis morgen früh wieder fit bist.«

Boo Williams war eine Künstlerin, die wir vertraten. Ihre die Venus von Milo darstellende Plastik, angefertigt aus Trockenobst und Gemüse, war gerade beim Aus wähl verfahren für den Turner-Prize durchgefallen, weshalb morgen sicher Trost und leere Schmeicheleien von mir erwartet wurden. »Vergiss deine Zipperlein, vergiss deine Trauer, Boo und ihr Viktualienhaufen brauchen dich viel mehr.«

»Gut, dann also bis morgen«, murmelte ich und griff nach meinem Mantel.

Auf dem Heimweg musste ich mich nicht zwischen die übrigen Pendler zwängen, die sich sonst hektisch in die U-Bahn schoben. Zu meiner Erleichterung waren die Waggons fast leer. Mit einer Horde klatschnasser Fremder um einen Stehplatz zu kämpfen hätte mir vermutlich den Rest gegeben. Ich setzte mich gegenüber einer alten Dame mit flaumigem, weißem Haar. Nach einem Blick in ihre unbeschreiblich gütigen Augen hätte ich ihr am liebsten anvertraut, dass meine beste Freundin vor einem Jahr um genau diese Uhrzeit ‒ halb drei ‒ in meinen Armen gestorben war und ich mich seitdem so entsetzlich verlassen fühlte. Als die alte Dame mir zulächelte, bekam ich einen Kloß im Hals. Ich stand auf, wechselte die Plätze und ließ mich neben einer durchweichten Ausgabe der Guardian nieder. Sie war bei dem Artikel über den Gewinner des Turner-Preisträgers Maximus Karlhein aufgeschlagen, der sich vergeblich um eine ernsthafte Miene bemühte. Er stand neben einem seiner Werke, das in der Tate Gallery ausgestellt war, einem alten Schrank, vollgestopft mit seiner irdischen Habe. Erschöpft schob ich die Zeitung beiseite. So ein bodenloser Unsinn: Menschen, die vor Schränken posierten und dies als Kunst ausgaben und damit Schlagzeilen machten. Wo blieb da das Gefühl? Und die Leidenschaft? Und dann das Geschwafel, der Schrank habe sich in seine Seele eingeprägt, sodass er keine andere Wahl gehabt habe, als diesen Umstand auszudrücken. Welcher Pressefritze dachte sich denn so einen Müll aus? Wahre Kunst zeugte doch von wahren Emotionen, während Erklärungen wie diese nur an den Haaren herbeigezogen war. Mich erinnerte das alles an das Märchen von des Kaisers neuen Kleidern: Ein paar einflussreiche Leute erklärten ein Werk für gut, worauf der Rest der Welt ihnen Glauben schenkte. Was war nur aus der Kunst geworden? Was war mit den Bildern von Malern, denen ihr eigener Bekanntheitsgrad völlig gleichgültig war? Ich hatte genug von diesen Selbstdarstellern, die einen Haufen Trockenobst oder einen Müllberg mithilfe verschlungener Definitionen zum Kunstwerk erklärten. Und obwohl ich mir nach Kis Tod geschworen hatte, mir in Zukunft selbst treu zu bleiben, machte ich heute, ein Jahr später, noch immer bei diesem Zirkus mit.

Morgen würde ich ganz sicher Boo das Händchen halten müssen. Was war das bloß für ein Name? Hui-Buh, das Schlossgespenst! »Keine Sorge, Liebchen, auch wenn du mit deinen trockenen Aprikosen in diesem Jahr nicht den Turner-Prize abgesahnt hast, kannst du den Kram immer noch für mindestens fünf Riesen verkaufen.« Das war es, was ich ihr am liebsten gesagt hätte, doch in Wirklichkeit würde ich nur wieder säuseln: »Ach, Ms. Williams, Boo, es ist einfach ungerecht. Ich verstehe einfach nicht, warum Sie den Preis nicht bekommen haben. Ihr Konzept, Ihr Umgang mit Farbe ist einfach … einfach inspirierend.« War das die normale Entwicklung, die jeder durchmachen musste? Erfüllt von großen Hoffnungen und Idealen ging man an den Start, um früher oder später auf dieses Geschwätz hereinzufallen, bis man es irgendwann für wahr hielt. Nein, ich schätzte mich selbst nicht als betroffen ein, denn tief in meinem Innersten wusste ich, dass das Leben zu kurz war, um etwas anderes als das zu tun, was ich wirklich wollte. Das hatte Ki mir beigebracht. Allerdings war das nicht das eigentliche Problem: Ich musste nämlich Rücksicht auf die anderen Bewohner der Doppelhaushälfte nehmen, denn es war meine Pflicht, sie glücklich zu machen. Und dass ich meine Stelle als Kunstagentin behielt, gehörte zu den wichtigsten Kriterien des allgegenwärtigen Listensystems.

Liebe und Leidenschaft waren für Mum und Dad zu vernachlässigende Größen, weshalb bei genauer Überlegung zwischen der Bewerberliste für den Turner-Prize und der Kandidatenliste meiner Eltern kein großer Unterschied bestand. Trotz der scheinbar eindeutig und transparent festgelegten Voraussetzungen kam zuweilen ein verblüffendes Ergebnis dabei heraus. Im Falle meiner Eltern ging es um einen Mann, und Ziel und Zweck der Unternehmung war, mich unter die Haube zu bringen. Wie in der Kunstszene spielte sich das tatsächliche Fädenziehen hinter den Kulissen ab, ohne dass jemand wirklich davon erfuhr. Man tat einander einen Gefallen, verteilte Schmeicheleien und setzte verschiedene Taktiken ein, um einigen wenigen einflussreichen Persönlichkeiten den Wunschkandidaten als Sinnbild der Vollkommenheit zu präsentieren und sie davon zu überzeugen, dass der Betreffende genau der richtige Mann für diese Aufgabe war. Die lange Liste wurde von einigen älteren weiblichen Gemeindemitgliedern mit guten Beziehungen zusammengestellt, deren zurückhaltende Art nicht verriet, wozu sie in Wahrheit fähig waren. Die Kriterien, nach denen die Bewerber ausgefiltert wurden, lauteten wie folgt: gute Familie, Bildung und viel Geld. Eine der Aufgaben meiner Mum bestand darin, die lange Liste auf ausgewählte Bewerber zusammenzustreichen, doch hauptsächlich war sie damit beschäftigt, PR-Maßnahmen in die Wege zu leiten, sämtliche negativen Eigenschaften unter den Teppich zu kehren, den Kandidaten aufzubauen und ihn auf Hochglanz zu polieren, damit ich auch sicher nur seine Schokoladenseite wahrnahm. In dieser Woche hatte sie es geschafft, die Liste auf drei Anwärter zu kürzen, deren genaue Daten uns in Form handgeschriebener Lebensläufe Vorlagen. Einer war Arzt, einer Anwalt und der dritte Steuerberater. Die Unterlagen waren auf unserem Esstisch ausgebreitet, sodass ich sie auch bestimmt nicht übersah. Der Steuerberater lag ganz vorn im Rennen (seine Akte ruhte oben auf dem Stapel), denn er besaß eine eigene Immobilie: »Beta, dieser Kandidat hat sich meiner Seele offenbart.« Natürlich drückte sie das nicht so aus, sondern wies mich nur auf die Eigentumswohnung hin. Und obwohl es mir scheinbar allein überlassen war, mir einen von ihnen auszusuchen, ein paarmal mit ihm auszugehen und dann einer Hochzeit zuzustimmen, handelte es sich bei dieser Veranstaltung ganz klar um Schiebung.

Allerdings hatte das Entscheidergremium eine sehr wichtige Sache übersehen: Ein Außenstehender versuchte gerade, das System zu infiltrieren, denn ein Mann, von dessen Existenz niemand etwas ahnte, hatte vor kurzem um meine Hand angehalten: Die Preisrichter würden bald ein Riesenproblem haben. Im besten Fall würde ein Entsetzensschrei durchs Haus hallen. Mein Dad würde einen Herzinfarkt vortäuschen, während meine Mutter wie immer anfangen würde, Klagelaute auszustoßen und sich auf die Brust zu schlagen. Schlimmstenfalls blühte mir dasselbe Schicksal wie meiner Schwester, die mit ihrem Freund durchgebrannt war und seitdem kein Wort mehr mit meinen Eltern wechselte. Ich wusste nicht, was ich Jean Michel antworten sollte, als er mich bat, seine Frau zu werden. Die Frage war nicht, ob ich ihn genug liebte, sondern eher, ob ich überhaupt eine Entscheidung mit so weit reichenden Konsequenzen fällen wollte, denn ich war viel zu müde dafür. Also hatte ich seit einiger Zeit gar nichts mehr entschieden und wagte nicht einmal, auch nur ein kleines bisschen von meinem Tagesablauf abzuweichen. In gewisser Hinsicht vermittelte es mir Geborgenheit, mit der U-Bahn zur Arbeit zu fahren, mit den Mandanten zu sprechen, zu Mum und Dad nach Hause zurückzukehren und die Lebensläufe auf dem Tisch liegen zu sehen.

Ich gab mir Mühe, nicht zu gründlich nachzudenken, wenn ich nicht, wie zum Beispiel an Tagen wie heute, dazu gezwungen wurde. Schließlich wusste ich ja, dass Ki tot war. Ich hatte ihren Verfall mit angesehen und war dabei gewesen, als ihre Asche im Wind verstreut wurde und dennoch war sie für mich nach wie vor anwesend. Das musste sie einfach sein. So zu tun, als gäbe es sie noch und als hielte sie ihre Hand über mich, war das Einzige, was mich aufrechterhielt, denn sonst… sonst hätte alles keinen Zweck mehr gehabt. Ihr Tod war absolut sinnlos gewesen. Gute Menschen durften nicht so jung sterben. Ich hatte hart mit Gott verhandelt und ihm alles Mögliche versprochen, wenn er sie nur am Leben ließe. Und obwohl er nicht auf mich gehört hatte, klammerte ich mich fest an meinem Glauben, denn sonst gab mir nichts mehr Halt. Ich kann diesen Glauben nur als Gefühl beschreiben, dass da jemand ist, der zuhört und antwortet. Es findet eine Art universelles Gespräch statt, während sich die Kräfte der Natur miteinander verbünden, um auf einen zu achten und einem Kraft zu schenken. Hin und wieder erhascht man einen Blick auf das, was hinter den Kulissen geschieht und von den anderen als Zufall oder Glück bezeichnet wird. Und dann sind da auch noch die Zeichen, wie zum Beispiel, dass man ausgerechnet dann einen Zwanzig-Pfund-Schein findet, wenn man ihn am nötigsten braucht. Vielleicht ein Lied im Radio, das plötzlich einsetzt und einem etwas mitteilt. Oder Menschen, mit denen man genau im richtigen Moment zusammentrifft. Ki hatte versprochen, mir ein Zeichen zu schicken. Seitdem war ein Jahr vergangen, ohne dass ich von ihr gehört hatte. Möglicherweise hatte ich es ja auch verpasst, denn inzwischen war ich viel zu beschäftigt, um noch nach links und rechts zu schauen. Ich stieg aus der U-Bahn und wartete auf den Zug, der mich nach Hause bringen würde.

Die High Street machte einen müden und niedergeschlagenen Eindruck, als hätte auch sie genug von dem gnadenlos prasselnden Regen. Doch zwischen all dem Grau, den vom Wind gezausten Schirmen und den dahinhastenden Passanten bemerkte ich plötzlich etwas Buntes, ein grell leuchtendes Orange. Ich ging darauf zu, um es mir näher anzusehen. Es war ein Guru, der mitten im Gewühl seelenruhig im Regen stand. Ich hielt kurz inne, dachte, dass diese Szene ein wundervolles Bildmotiv abgeben würde, und starrte die Erscheinung an. Der Mann trug ein langes orangefarbenes Gewand über einer blauen ausgestellten Hose. Über das Gewand hatte er eine blaue Weste gezogen. Vorbeigehende Schulkinder zeigten kichernd auf den riesigen roten Punkt auf seiner Stirn. Mich hingegen erstaunte der rote Punkt weniger als die Sandalen an seinen Füßen. Es war eisig kalt, und ich dachte gerade, dass er ganz sicher dringend Socken brauchte, als ich jemanden meinen Namen rufen hörte.

»Nina, Nina!«, sagte der Mann, der mit einer Einkaufstüte in der Hand gerade aus dem Supermarkt kam. Er war ein Bekannter meines Vaters, dem ich schon einige Male begegnet war. Allerdings hatte ich seinen Namen vergessen.

»Hallo, Onkel«, erwiderte ich, erleichtert darüber, dass es in Indien Sitte ist, entfernte Freunde der Eltern »Onkel« zu nennen. Jeder Mensch, der einem zufällig vorgestellt wird, muss mit diesem Titel angesprochen werden. »Wie geht es dir?«, fragte ich höflich.

»Ich habe gerade Socken für seine Heiligkeit gekauft«, sagte er mit Blick auf den Guru. »Er hat nämlich festgestellt, dass das Wetter hier ein wenig kühler ist als in Mumbai. Guru Anuraj, das ist Nina Savani. Nina, das ist Seine Heiligkeit, Guru Anuraj.«

Der Guru faltete die Hände wie zum Gebet. Als wohlerzogenes indisches Mädchen hätte ich diese Einführung und den Titel »Heiligkeit« eigentlich als Stichwort nehmen müssen, um mitten auf der Croydon High Street niederzuknien und die eiskalten Füße des heiligen Mannes zu berühren. Doch stattdessen nickte ich nur lächelnd. Der Guru hielt mir die Hand hin. Da ich dachte, dass er meine schütteln wollte, gab ich sie ihm, aber er nahm sie nur, drehte sie mit der Handfläche nach oben und murmelte: »Du hast viel Schmerz durchlitten. Aber hab keine Angst, es ist bald vorbei.«

»Er ist sehr gut, weißt du. Jahrelang konnte Tantchen kein Baby bekommen, und jetzt erwarten wir ein Kind«, unterbrach der Bekannte meines Vaters aufgeregt. »Guru Anuraj hat uns ein Kind geschickt«, verkündete er strahlend. Das warme Lächeln des Guru breitete sich wie ein Sicherheitsnetz aus, als er mir sagte, mein Leben werde innerhalb der nächsten beiden Wochen eine eindeutige Wendung zum Guten nehmen. Obwohl es mir gefiel, hatte ich Mühe, nicht auf seine abgebrochenen und schwarzen Zähne zu achten. Hätte ich länger über seine Einstellung zur Mundhygiene nachgedacht, hätte ich vielleicht Rückschlüsse auf seinen Charakter und seine Zukunft gezogen, ohne dazu in seiner Handfläche lesen zu müssen. Immerhin hatte man mir von klein auf eingebläut, dass Sauberkeit und Gottesfurcht praktisch ein und dasselbe waren. Doch als er mir versprach, den Stillstand zu beseitigen, der für die mich belastenden Hindernisse schuld sei, beschloss ich, nicht auf diese Warnzeichen zu achten. Ich wollte, dass der Guru mir mehr erzählte, aber er musste nun seine Socken anziehen. Außerdem hatte er den Kastanienverkäufer entdeckt und deutete dem Bekannten meines Vaters gegenüber an, dass er Appetit auf einen Imbiss hätte. Bevor er ging, wühlte er unter seinem Gewand und förderte ein Blatt Papier zutage. »Ruf mich an«, sagte er und starrte mir eindringlich in die Augen. »Du musst ihn anrufen. Seine Heiligkeit gibt seine Nummer nur ganz besonderen Menschen«, fügte der Bekannte meines Vaters hinzu. Ich nahm das Blatt und verabschiedete mich von den beiden.

Als ich nach Hause kam, plärrte Hindimusik aus dem Fernseher. Meine Eltern taten dasselbe wie immer: Mum war in der Küche und machte rotis, während Dad, ein Glas Whisky in der einen und die Zeitung in der anderen Hand, im Wohnzimmer saß. Mit seinem roten Hemd, dem weißen Bart und dem dicken Bauch erinnerte er an eine indische Version des Weihnachtsmanns. Er war der Einzige von uns, der in dem gewaltigen Lederland-Sofa nicht unterging.

»Hattest du einen schönen Tag, Nina?«, fragte er und wandte sich sofort wieder seiner Zeitung zu.

»Es war einfach scheußlich. Miese Stimmung, miese Mandanten. Eine Katastrophe.«

»Sehr schön«, erwiderte er. Mein Dad hatte ein sehr selektives Gehör und verstand nur das, was ihm gefiel oder was auf irgendeine Weise eine Gefahr für ihn darstellte. »Du kommst aber früh nach Hause.«

»Wir sind alle gekündigt worden.«

Er stellte das Glas ab, ließ die Zeitung zu Boden fallen und sah mich an. Eine Kündigung war sein schlimmster Albtraum. Schließlich musste ich Anwältin sein und bleiben, denn es waren jahrelang Zeit und Geld in dieses Ziel investiert worden. Außerdem handelte es sich um ein zentrales Kriterium im Listensystem (die Beurteilung der Kandidaten funktionierte nämlich in beide Richtungen; auch mein Dossier lag auf irgendeinem Esszimmertisch). Dass ich Anwältin war und in einer angesehenen Kanzlei arbeitete, war ebenso ein schlagendes Verkaufsargument wie meine Körpergröße und meine ziemlich helle Hautfarbe. Der Umstand, dass ich eine wuchernde Narbe am linken Arm hatte und eine ziemlich miserable Köchin war, wurde lieber unter den Teppich gekehrt. Nach Auffassung meiner Eltern war siebenundzwanzig viel zu alt zum Heiraten. Meine Mutter verstand die Welt nicht mehr, weil ich, wie sie meinem Vater anvertraute, derzeit eines der hübschesten Mädchen auf dem Markt war, sodass die Heiratskandidaten förmlich Schlange standen. Allerdings war es mir bis jetzt gelungen, meine Eltern hinzuhalten, indem ich beteuerte, die Zeiten hätten sich geändert. Männer interessierten sich inzwischen für Frauen mit Berufserfahrung, und es sei nicht mehr so wie früher, als nur Körpergröße, Hautfarbe und Haarlänge zählten. Allerdings gingen mir allmählich die Argumente aus, denn wie mein Dad zu seufzen pflegte, näherte ich mich unaufhaltsam dem Rentenalter. Die Folge war, dass die Anzahl der Lebensläufe von Woche zu Woche zunahm.

»Was?«, rief er.

»Ich sagte, ich habe Kopfschmerzen.«

»Ich dachte, ich hätte das Wort Kündigung gehört.«

»Nein, Kopfschmerzen.«

»Bhagavan sei Dank«, seufzte er und warf einen Blick auf eine der vielen Götterfiguren.

Das Nudelholz in der Hand, kam meine Mum aus der Küche. »Du hast Kopfschmerzen, beta! Das liegt nur daran, dass du nicht ordentlich isst.«

»Ich glaube, ich lege mich einfach hin. Das wird schon wieder, Ma.«

»Möchtest du nicht mit uns essen?«, fragte sie und betrachtete mit vielsagender Miene den Esstisch. »Rajan Mehta. Er ist einunddreißig und Steuerberater und besitzt eine eigene Wohnung in Victoria …«

Mir wurde mulmig. Während ich mich umdrehte und auf die Treppe zusteuerte, rief sie mir nach: »… vier Zimmer und zwei Bäder.«

Ich konnte das Unvermeidliche nicht bis in alle Ewigkeit hinausschieben. Irgendwann würde ich meinen Eltern von Jean Michel erzählen müssen, und zwar bald. Derzeit war er geschäftlich in New York, doch sofort nach seiner Rückkehr mussten wir uns etwas einfallen lassen. Ich griff zum Telefon, um ihn anzurufen, und legte den Hörer wieder weg. Er hatte eine Besprechung nach der anderen, weshalb der Zeitpunkt für ein Telefonat vermutlich nicht gerade günstig war. Also blätterte ich mein Adressbuch durch, um zu sehen, wen ich sonst anrufen könnte. Natürlich hatte ich Freunde, aber niemanden, dem ich mich wirklich anvertrauen wollte. Seit Kis Tod hatte ich nur oberflächliche Bekanntschaften gepflegt. Niemand wusste, was wirklich in mir vorging, denn ich hatte keine Lust, mich noch einmal auf so viel Nähe einzulassen und zu riskieren, dass sie mir wieder genommen wurde. Erneut blätterte ich in meinem Notizbuch. Nein, da gab es niemanden. Keinen Menschen, der auch nur die leiseste Ahnung hatte, dass da etwas im Argen lag. Und wo hätte ich auch anfangen sollen? Dabei, dass ich es mir nicht gestatten konnte zu weinen? Dass ich Ki verzweifelt vermisste? Dass ich meinen Beruf hasste? Dass ich nicht wusste, ob ich Jean Michel heiraten sollte? Da fiel mir plötzlich etwas ein.

»Hast du mir den Guru geschickt, Ki? Hast du das gemeint, als du sagtest, du würdest mit mir sprechen? War er ein Zeichen?«

Ich holte das Blatt hervor, das die Aufschrift »Guru Anuraj, Hellseher, Heiler, spiritueller Berater und Freund« trug. Dann wählte ich die Nummer. Er gab mir gleich am nächsten Vormittag einen Termin. Anschließend duschte ich und ging zu Bett.

Kapitel 2

Um halb sechs am nächsten Morgen fuhr ich mit dem Auto zu der angegebenen Adresse. Meinen Eltern wollte ich nicht sagen, dass ich einen Guru aufsuchen würde, denn dann hätte sich meine Mutter allerhand Gedanken gemacht, was nicht ohne Gefahren war. Als sie mich so früh am Morgen schon auf den Beinen sah, erklärte ich ihr, ich müsse zu einem Mandantentermin nach Leeds, eine Notlüge, zu der ich nur zu ihrem eigenen Schutz griff. Ich weiß, dass die Uhrzeit ein wenig merkwürdig war, aber meine Mum pflegte zu sagen, Gebete seien zwischen vier und sieben Uhr morgens am wirksamsten ‒ und so brachte sie unsere Nachbarn mit ihrem frühmorgendlichen Geheul und Gejaule auf die Palme.

»Kavitha, warum kannst du nicht singen wie Cilla Black?«, fragte mein Vater sie häufig.

»Ich singe doch.«

»Das ist kein Gesang. Weißt du, die Nachbarn haben sich schon schriftlich beschwert«, erwiderte mein Vater und förderte einige Briefe zutage, die in einer Handschrift verfasst waren, die seiner bemerkenswert ähnlich sah.

»Das ist alles nur für Nina, damit sie einen netten Ehemann findet, der aus einer guten Familie kommt«, entgegnete meine Mutter.

»Wenn du so weitermachst, ist der einzige Mann, der sich noch hier blicken lässt, ein Polizist.«

Doch nicht einmal die Drohungen der Stadtverwaltung, sie wegen Lärmbelästigung anzuzeigen, konnten sie beirren. Denn in ihren Augen war es die Mühe wert, wenn das erwünschte Ergebnis dabei herauskam.

Als ich vor seiner Tür stand, klopfte ich wie angewiesen. Ein klein gewachsener Mann machte auf und führte mich ins Esszimmer, wo er mich aufforderte, Platz zu nehmen. Er sagte, der Guru habe noch Besuch und werde gleich für mich da sein. Ich war nervös und aufgeregt. Mich an den Guru zu wenden, war der erste positive Schritt, den ich seit langem unternommen hatte. Zugegeben fühlte ich mich auch ein wenig beklommen, nicht weil ich in einem fremden Haus war, sondern weil ich Angst vor dem hatte, was der, Guru mir sagen könnte. Also konzentrierte ich mich auf die Einrichtung des Esszimmers, ließ wie Lloyd Grossman die Einzelheiten auf mich wirken und malte mir aus, was für eine Familie hier wohl lebte. Eine halbe Stunde später kehrte der Mann zurück und begleitete mich zu einem anderen Zimmer, wo ich erneut anklopfte und eintrat.

Der Raum war von Jasminduft, leiser Musik und Kerzenlicht erfüllt, und auf bunten Seidentüchern standen Götterfiguren von unterschiedlicher Größe. Der Guru begrüßte mich mit einem Nicken und bat mich, die Schuhe auszuziehen und mich ihm gegenüber auf den Boden zu setzen. Ich gehorchte nervös.

»Geburtsdatum?«, fragte der Guru.

»4. September 1972.«

Daraufhin zeichnete er einige Quadrate, stellte ein paar Berechnungen an und sagte dann wie der Ausrufer beim Bingo eine Reihe von Zahlen an, die, wie er sagte, für die wichtigsten Ereignisse in meinem Leben stünden. Sechs Jahre: Ein Zusammenstoß mit dem Element Feuer, der tiefe Narben zurückgelassen hatte. Ich betrachtete meinen Arm, der völlig bedeckt war. Woher konnte er das wissen? Er fuhr fort. Achtzehn Jahre: ein Liebesverhältnis, das nicht in einer Ehe gemündet hatte. Dabei zog er die Augenbrauen hoch. Fünfundzwanzig Jahre: das nächste. Mir war klar, dass das auf einen frommen Guru, der sicher traditionellen Werten anhing und an die Heiligkeit der arrangierten Ehe glaubte, keinen guten Eindruck machte, und wich deshalb seinem Blick aus.

»Ein westlicher Mann?«, fragte er.

Ich nickte. Er schüttelte den Kopf. »Ist es etwas Ernstes?«, erkundigte er sich dann.

Ich nickte wieder.

»Wissen es die Eltern?«

Ich schüttelte den Kopf.

»Haben die Eltern denn nichts arrangiert?«

Meine Eltern waren Tag und Nacht damit beschäftigt, etwas zu arrangieren. Der Favorit der vergangenen Woche war ein neunundzwanzigjähriger Investmentbanker gewesen, diese Woche lag der einunddreißigjährige Steuerberater Raj mit den fünf Hochschulabschlüssen vorn, der mit den Titeln hinter seinem Namen eine ganze Seite ausfüllen konnte. Der Guru hörte bei meinem sechsundzwanzigsten Lebensjahr auf, dem Todesjahr meiner besten Freundin.

»Alles wird sich ändern«, versprach er. Ich kämpfte mit den Tränen. Als er meine Handflächen berührte, begannen sie zu prickeln. Ein warmes Leuchten ergriff mich, und ich fühlte mich geborgen.

»Im Moment herrscht in deinem Leben Stillstand, nichts rührt sich, und du kannst keine Entscheidungen treffen. Schau!«, sagte er und wies mit einem Nicken auf meine Handflächen. »Alles ist im Fluss, doch es ist zu viel Negativität in deinem Körper, um es zu gestatten. Lass es los, lass alles los.« Und so kam es zu der Episode mit der Kokosnuss auf der Brücke.

So bizarr es rückblickend auch klingen mag, führte er an diesem Morgen eine Zeremonie durch, in der er von den Göttern die Erlaubnis erbat, mich zu behandeln. Die Kokosnuss, die er bei dem Ritual verwendete und mit Safran einrieb, sollte mich symbolisieren. Anschließend tat er dasselbe mit meiner Stirn, damit eine Verbindung zwischen mir und der Kokosnuss entstand. Die Themse verkörperte das neue Leben. Nachdem der Guru ein Gebet gemurmelt hatte, bat er mich wiederzukommen, nachdem ich meine Kokosnuss von der Brücke geworfen hätte. Ich hätte mir jede beliebige Uferstelle aussuchen können, sogar den Kanal in der Nähe unseres Hauses, aber ich wollte nicht, dass die Kokosnuss auf dem Grund neben einem verrosteten Fahrrad landete, was ein ausgesprochen schlechtes Omen gewesen wäre. Also entschied ich mich für die London Bridge.

»Es wird sich viel bei dir verändern, Nina«, meinte der Guru, als ich mich mit der Kokosnuss unter dem Arm von ihm verabschiedete. »Komm heute Abend noch einmal zu mir.«

Nachdem ich die Kokosnuss von der Brücke geworfen hatte, fühlte ich mich unbeschreiblich erleichtert. Ich wischte mir den Fleck von der Stirn, ging zur Arbeit und war bereit, Boo Williams’ Ego zu streicheln. Als ich ankam, teilte man mir mit, Boo sei zu erschüttert, um ihr Bett zu verlassen, weshalb der Termin auf den nächsten Tag verschoben sei. Doch auch das konnte mich nicht aus der Ruhe bringen. Richard, einer meiner Kollegen, meinte, ich sähe sehr gut aus.

»Ich werde mich verloben«, erwiderte ich.

Sobald die Kokosnuss mir aus den Händen geglitten war, standen alle meine Entscheidungen mit einem Mal fest. Ich wollte Jean Michel sofort rufen, um ihm zu sagen, dass ich ihn heiraten würde, und fing sogar an, seine Mobilfunknummer zu wählen. Doch dann beschloss ich zu warten, bis er am nächsten Tag von seiner Geschäftsreise zurückkehrte, um persönlich mit ihm zu sprechen. Die Arbeit ging mir mühelos von der Hand, denn nun wusste ich, dass meine Tage in der Kanzlei gezählt waren: Wenn Jean Michel und ich erst einmal verheiratet waren, konnte ich mir etwas anderes einfallen lassen. Und was war mit Mum und Dad? Wie sollte ich es ihnen beibringen? Jean würde es sicher gelingen, meine Mutter um den Finger zu wickeln ‒ das gelang ihm dank seines unglaublichen Charmes bei jedem ‒, und sie würde ihrerseits meinen Vater bearbeiten. Gemeinsam würden wir es schon hinkriegen, ihn zu überzeugen. Als Jean mich später am Nachmittag anrief, kostete es mich Mühe, nicht damit herauszuplatzen.

»Ich kann es kaum erwarten, dich wiederzusehen, ma chérie.«

»Ich auch nicht. Wenn du zurück bist, wird sich alles ändern. Ich liebe dich, Jean.«

Nun musste ich nur noch einen Tag Geduld haben. Dann war endgültig Schluss mit dem Theaterspiel.

Der Guru hatte mir die Kraft vermittelt, die mir alle Hindernisse überwindlich erschienen ließ. Später am Abend stattete ich ihm deshalb einen erneuten Besuch ab, um mich für seine Hilfe zu bedanken. Er verordnete mir noch eine Sitzung für den nächsten Tag, nur um sicherzugehen, dass ich nicht vom rechten Wege abweichen würde. Wie sehr wünsche ich, ich hätte damals einen Schlussstrich gezogen. Am nächsten Morgen war die Tür des Gurus nur angelehnt, sodass ich nach kurzem Klopfen einfach eintrat. Er kehrte mir den Rücken zu, zündete Kerzen an, summte vor sich hin und wiegte sich im Takt von Stings »Englishman in New York«, das laut durch den Raum dudelte. Die Situation wurde ein wenig absurd, als der Guru sich umdrehte. Bei meinem Anblick malte sich Überraschung auf seinem Gesicht, und er schaltete sofort den Kassettenrecorder ab. Dann meinte er, er wolle sich nur ein Bild von der Musik machen, die die heutige Jugend verderbe, und legte prompt ein Band mit einer jaulenden Sitar ein.

»Sting verdirbt doch niemanden«, protestierte ich. »Er setzt sich sogar gegen das Waldsterben ein.«

Als ich das Wort »Waldsterben« aussprach, sah der Guru mich finster an, als kenne er die Bedeutung nicht. Doch wenn ich mir heute diesen Blick ins Gedächtnis rufe ‒ verengte Augen und zusammengezogene Brauen ‒, sollte er vermutlich eher besagen, dass er sich an sein Vorhaben erinnerte. Er wies mich an, auf dem Boden Platz zu nehmen, und hielt meine Hände. Wieder breitete sich ein warmes Prickeln in ihnen aus, als er einen rituellen Gesang anstimmte. Dann forderte der Guru mich auf, ich solle mich hinlegen, fuhr fort, mich zu berühren und arbeitete sich langsam von den Händen zu anderen Körperteilen wie meinem Hals und meinen Füßen vor. Dabei gingen die Gesänge weiter, und er rief verschiedene Götter an, die mich umfangende Negativität zu heilen und mir das Loslassen zu ermöglichen. Als er meine Kleider öffnete und mir das Oberteil auszog, wurde sein Atem rhythmisch und sein Gesang lauter, und seine Perlenkette presste sich an meine Brust. Ich schloss die Augen und wollte daran glauben, dass ich zwischen den Göttern schwebte und all das nicht wirklich geschah. Das konnte doch nicht sein, ein heiliger Mann würde so etwas niemals tun, das war unmöglich, sicher bildete ich es mir nur ein. Sein Bart streifte meine Haut, seine Finger umfassten meinen Mund, und ich tat so, als wäre meine Hose nicht heruntergerutscht. Später habe ich mich oft gefragt, warum ich nicht früher die Flucht ergriffen hatte, anstatt alles über mich ergehen zu lassen. Die Antwort ist, dass ich es einfach nicht glauben wollte, weil anderenfalls nichts mehr einen Sinn ergeben hätte. Und in diesem Augenblick war dieser Glaube das Einzige, was mir Halt vermittelte. Ich wollte nicht begreifen, was seine schmutzigen, rauen Hände da taten, denn dann hätte ich mir eingestehen müssen, dass derjenige, der mir Zeichen schickte, mir auch diesen Guru geschickt hatte, dessen Vorstellungen von Spiritualität offenbar ganz eigentümliche waren. So grausam konnte doch niemand sein. Als er seine schlabbrigen Lippen auf meinen Mund presste und sein Gewand hochzog, stieg mir sein Geruch in die Nase, und mir wurde auf einmal alles klar. Er roch nach Kaffee. Ich trat nach ihm, stieß ihn von mir herunter und schaffte es, unter ihm hervorzukriechen, bevor sein Zauberstab zum Einsatz kam.

»Nein!«, rief ich.

»Du bist verflucht!«, kreischte er, als ich zur Tür hinausrannte. »Verflucht! Denke an meine Worte.«

Wie ich so tief hatte sinken können, ist mir bis heute ein Geheimnis, doch zu diesem Zeitpunkt nahm mein Weg eine Wendung. Ich war verzweifelt, verstand die Welt nicht mehr und fühlte mich erniedrigt, von Selbstzweifeln gebeutelt und beschmutzt. Wie gerne hätte ich Jean Michel angerufen und ihm alles erzählt, doch der hätte dem Guru den Hals umgedreht. Also versuchte ich, nicht mehr daran zu denken und so zu tun, als wäre nichts geschehen. Der Zug, in dem ich saß, hielt an, und ein alter Mann stieg ein, der genauso verfaulte Zähne hatte wie der Guru. Es ist merkwürdig, wie immer wieder Dinge geschehen, die einen ausgerechnet an das erinnern, was man unbedingt vergessen möchte. Als er mir zulächelte, wurde mir übel, und meine Hände begannen zu zittern. »Es ist nichts passiert«, wiederholte ich immer wieder in Gedanken. »Du bildest dir das alles nur ein. Es ist nichts passiert.« Als ich ein Pfefferminzbonbon aus meiner Handtasche hervorkramen wollte, stieß ich beim Wühlen auf einen Umschlag mit der Aufschrift »dringend«. Es war der Vertrag, den ich für einen Mandanten durchgesehen hatte und nun schon seit zwei Tagen in der Handtasche mit mir herumtrug. Ich hatte versprochen, ihn am nächsten Tag zurückzuschicken, ihn aber völlig vergessen. Doch heute würde sich alles ändern. Ich musste mich zusammenreißen.

»Endstation. Alles aussteigen«, verkündete der Fahrer. Obwohl ich schon zu spät dran war, beschloss ich, eine Briefmarke zu kaufen, einen Briefkasten zu suchen und diesen Brief persönlich auf den Weg zu bringen. Das eigenhändig zu tun sollte ein Symbol für meine neu gewonnene Entschlossenheit sein, mein Leben endlich in den Griff zu bekommen. Aber wie es der Teufel wollte, war nirgendwo ein Briefkasten in Sicht.

»Du bist verflucht«, hallte es mir immer wieder in den Ohren.

Und je öfter ich es hörte, umso mehr verbiss ich mich in meine Suche nach einem Briefkasten, sodass alles andere an Bedeutung verlor.

Simon, mein Chef, war ein wenig besorgt, als ich zu spät kam. Ich kam nämlich niemals zu spät.

»Ist alles in Ordnung, Nina?«

»Mir geht es blendend«, erwiderte ich und steuerte auf meinen Schreibtisch zu.

Nachdem ich den Computer eingeschaltet hatte, blickte ich aus dem Fenster. Graue und trübsinnige Gebäude ragten vor einem ebensolchen Winterhimmel auf. So oft hatte ich dagesessen und aus diesem Fenster geschaut, mir vorgestellt, der Himmel sei orange, und mir gewünscht, ich könnte die Strahlen dieses orangefarbenen Himmels in mich aufsaugen, aus dem Fenster fliegen und den Mut finden, etwas anderes zu tun. Etwas, das meinem Leben eine Bedeutung gab.

Inzwischen arbeitete ich seit dreieinhalb Jahren bei Whitter and Lawson und vertrat die verschiedensten Künstler, und zwar hauptsächlich in Urheberrechtsfragen oder wenn es um den Abschluss eines Vertrages mit einer Galerie ging. Irgendwo hatte ich gelesen, dass viele Menschen in Berufen arbeiten, die ihrem wahren Interessengebiet verwandt waren, um sich der Gefahr einer Zurückweisung nicht auszusetzen. So wird zum Beispiel jemand, der insgeheim gerne Autorennen fahren würde, Mechaniker auf der Rennbahn, aber er setzt sich niemals selbst hinters Steuer. Bei mir war es in gewisser Weise ähnlich: Da ich schon immer Malerin hatte werden wollen, betreute ich Künstler. Allerdings ging es in meinem Beruf nicht wirklich um Kunst, sondern um Geld und gekränkte Eitelkeiten, was dazu führte, dass ich immer zynischer wurde und häufig dachte, dass ich es eigentlich viel besser könnte. Aber das war ganz und gar unmöglich, wobei ich mich weniger vor Zurückweisung fürchtete als davor, meinen Vater zu enttäuschen. Denn schließlich hatte er so viel Geld in die Anschaffung der Encyclopedia Britannica investiert. Seit meinem sechsten Lebensjahr wusste ich, dass ich Malerin werden wollte. Meinem Gehirn ist es schon immer schwer gefallen, die Vernetzung zu meinem Mund herzustellen, weshalb ich meine Gedanken eigentlich nur auf Papier richtig ausdrücken kann. Also wurde alles, was in mir vorging, in ein buntes Geschmier aus Fingerfarben umgesetzt, mit dem niemand so recht etwas anfangen konnte. Als mir klar wurde, dass meine Schwester nicht zurückkommen würde, reagierte ich genauso. Allerdings befestigten meine Eltern niemals die Bilder mit Magneten an der Kühlschranktür, denn sie wussten nicht, dass das der übliche Umgang mit den oft unverständlichen Gemälden des eigenen Nachwuchses ist. Sie schwindelten mir nicht einmal vor, dass ihnen meine Bilder gefielen, sondern falteten sie einfach zusammen und warfen sie in den Mülleimer, worauf mein Vater sich mit mir hinsetzte und mir aus der Encyclopaedia Britannica Artikel vorlas, die er selbst nicht verstand. Sein Ziel war es, eine Juristin aus mir zu machen.

Diese Berufswahl hatte ihren Grund, der aber nicht in einer alten Familientradition lag, denn er selbst war Busfahrer. Ich glaube, er wollte mir einfach den bestmöglichen Start ins Leben bieten und sichergehen, dass ich nicht denselben Unwägbarkeiten ausgesetzt sein würde wie er. Und als dann ‒ ich war noch sehr klein ‒ der Lexikonvertreter bei uns vor der Tür stand, erahnte der kluge Mann sofort die ehrgeizigen Zukunftspläne, die mein Vater für mich hegte, und benützte mich schamlos als Verkaufsargument, indem er behauptete, die Bücher würden mir eine großartige Karriere eröffnen. Mein Dad kaufte die gesamte Reihe, obwohl das seine finanziellen Mittel eindeutig überstieg, und fing an, nebenberuflich Fernseher zu reparieren, um die Haushaltskasse aufzubessern. Und so kam Jahr für Jahr der neueste Band hinzu. Als ich mit sechzehn den Wunsch äußerte, an die Kunsthochschule zu gehen, geriet er völlig außer sich und sprach wochenlang nicht mehr mit mir. Und als er endlich wieder das Wort an mich richtete, meinte er nur: »Nina, ich habe nicht mein Leben dafür geopfert, dass du dir ein Hobby suchst. Anwalt ist ein anständiger Beruf. Ich möchte dich ja nicht unter Druck setzen, aber ich bin schließlich nach England gegangen und habe mich Tag und Nacht krummgeschuftet, damit du eine gute Ausbildung bekommst.«

In gewisser Hinsicht konnte ich ihn ja verstehen. Also legte ich ‒ ohne, dass er es wusste ‒ eine Abiturprüfung in Kunst ab, nur für den Fall, dass er seine Meinung noch ändern könnte. Da er das nicht tat, begann ich eben mit dem Jurastudium.

Bei Whitter and Lawson hatte ich mein Praktikum gemacht und mich unglaublich ins Zeug gelegt, damit sie mir nach dem Abschluss eine feste Stelle anboten, um wenigstens in Kontakt mit Künstlern und ihrer Welt zu stehen. Alle in meinem Umfeld beteuerten, es sei einfach unmöglich. Schließlich gebe es kaum indische Anwälte, die Künstler verträten, da es in dieser Branche hauptsächlich auf gute Beziehungen ankäme. Deshalb müsse schon ein Wunder geschehen, dass die Kanzlei mich nahm. Aber ich schuftete Tag und Nacht, um mich unentbehrlich zu machen und es allen zu zeigen. Ich weiß noch, was ich mir alles vorgenommen hatte, für den Fall, dass ich die Stelle bekommen sollte. Ich wollte zehn Prozent meines Gehalts für wohltätige Zwecke spenden und jede Woche die Obdachlosenzeitschrift Big lssue kaufen. Allerdings kann ich nicht sagen, wem ich all das eigentlich versprach, vielleicht ja nur mir selbst. Als ich zum ersten Mal die Straße überquerte und so tat, als hätte ich den obdachlosen Zeitungsverkäufer trotz seines heftigen Winkens nicht gesehen, hätte ich das als erstes Anzeichen dafür erkennen müssen, dass ich genug von diesem Leben hatte. Aber ich spielte Theater und redete mir ein, dass ich Glück gehabt hätte, den Job zu ergattern, viel Geld zu verdienen und in solchen Kreisen zu verkehren. Mein Dad pflegte immer zu sagen, dass es im Leben eigentlich nur um das eine ging ‒ hart zu arbeiten, fleißig zu sein, Geld zu machen und sich in einer Welt, in der jeder gegen jeden kämpfte, zu behaupten. Doch dann starb meine beste Freundin Ki, nichts ergab mehr einen Sinn, und ein mulmiges Gefühl beschlich mich. Felicity, die Sekretärin, rief mich an und meldete, dass Boo Williams mich am Empfang erwartete.

Kapitel 3

Mit vierundzwanzig begann Ki, innerhalb kürzester Zeit zu verfallen. Sie war im Ausland unterwegs gewesen, als sie einen Knoten in ihrem Bein entdeckt, aber beschlossen hatte, es sei schon nichts Schlimmes. Bei ihrer Rückkehr hatte sich die Krankheit bereits im ganzen Körper ausgebreitet, und es gab keine Rettung mehr. Ich tat so, als würde alles wieder in Ordnung kommen, und versuchte, das Kopftuch, den Speichelfluss und den Gewichtsverlust nicht wahrzunehmen. Sie flüsterte mir viele Dinge zu, und ich machte ihr eine ganze Reihe von Versprechungen. Ich weiß nicht mehr, was ich alles gesagt habe, denn da ich geistig abgelenkt war, konnte ich mich an nichts mehr erinnern. Erst als ich an meinem Computer saß und daran dachte, wie wenig Verantwortung ich übernommen hatte, fiel es mir wieder ein. Ich hatte ihr versprochen, ein leidenschaftliches Leben zu führen und all meine Träume wahr werden zu lassen, und zwar nicht nur für mich, sondern auch für sie. An dem Tag, als sie mir von ihrer Krankheit erzählte, ließ sie es einfach nebenbei fallen wie einen vergessenen Punkt auf einer Einkaufsliste. Ki war vor einigen Wochen aus Thailand zurückgekommen, und wir hatten seitdem fast jeden Tag zusammen verbracht. Als wir gerade nach Brighton fahren wollten, stand ihr Dad vor dem Haus und wusch sein Auto.

»Heiß heute, was?«, meinte er.

»Prima, nicht wahr?«, erwiderte ich.

»Da möchte man am liebsten ans Meer fahren.«

Ich nickte gerade, als Ki aus dem Haus kam.

»Na, beta, ich habe gerade zu Nina gesagt, dass ich am liebsten ans Meer fahren würde.«

»Ja, schon gut, Dad. Das machen wir ganz bestimmt, und zwar bald.«

Ich erinnere mich, dass ich ihre Reaktion damals merkwürdig fand, denn sonst antwortete sie nie so ausweichend.

»Wusstest du, dass mein Dad denkt, ich stehe auf Pornos?«, meinte ich, als ich mit ihr ins Haus ging.

»Was?«

»Mir war gar nicht klar, dass der Satellitenreceiver im Wohnzimmer mit meinem verbunden ist. Und einmal habe ich herumgezappt und bin bei ein paar Pornokanälen und einer Talkshow für Lesben hängen geblieben.«

Sie starrte mich an.

»Nur aus Neugier. Leider hatte ich keine Ahnung, dass ich damit den Hindi-Sender meiner Eltern störe. Am nächsten Morgen habe ich gehört, wie Dad zu meiner Mum sagte, sie solle ein ernstes Wort mit mir reden. Vielleicht werde die Ehe mir ja den Kopf zurechtrücken. Also hatte ich gleich noch ein paar Lebensläufe mehr auf dem Tisch.«

»Wann wirst du ihnen von Jean erzählen?«

»Bald«, antwortete ich.

»Nina, es bringt nichts, zu lange zu warten. Tu, was dich glücklich macht. Du wirst doch versuchen, glücklich zu werden, oder?«

Ich blickte sie an. Warum sagte sie so etwas?

»Ich habe Krebs, Nina, und es sieht gar nicht gut aus. Drittes Stadium, nennt man das. Ich glaube, dass die Chemo auch nicht mehr viel nützen wird, aber sie wollen es trotzdem versuchen.«

Das eröffnete sie mir ganz beiläufig, so als hätte sie sich eine neue Hose bei French Connection gekauft und vergessen, es zu erwähnen. Ihre Eltern wussten es noch nicht. Und so stand ihr Dad in glückseliger Unwissenheit vor dem Haus, den Eimer in der einen, den Schwamm in der anderen Hand, polierte sein silbermetallic lackiertes Auto, redete über Ausflüge zum Meer und ahnte nicht, dass sich sein Leben bald für immer verändern würde. Ich redete mir ein, dass die Chemotherapie schon wirken würde. Wenn ich nur hart genug verhandelte und genug Gelübde ablegte, musste alles wieder gut werden. Daran glaubte ich bis zum letzten Augenblick. Selbst als sie starb, hielt ich sie fest und wollte nicht loslassen. Ihr Dad musste mich von der Leiche wegziehen.

Wieder läutete das Telefon. »Ms. Williams erwartet Sie am Empfang, Nina.«

»Das haben Sie mir schon mal gesagt«, zischte ich.

Meine Kollegen drehten sich um und starrten mich an. Noch nie hatte ich die Beherrschung verloren. Ganz gleich, was auch geschah, ich bewahrte immer die Ruhe. Die ausgeglichene und zuverlässige Nina, die zwölf Stunden am Tag arbeitete, wenn es nötig war. Immer ein freundliches Wort auf den Lippen, immer ein Fels in der Brandung, tat sie doch alles, was von ihr verlangt wurde und besuchte auch die Vernissagen, auf die die anderen Kollegen keine Lust hatten. Ich stand auf und ging zum Empfang, um Boo abzuholen. Sie war schwarz gekleidet und trug rote Stiefel in der Farbe der getrockneten Tomaten, die sie in den Augenhöhlen ihrer Venus von Milo verarbeitet hatte.

»Es tut mir leid, dass Sie warten mussten.«

»Das sollte es auch«, gab sie zurück.

Und diese Antwort sorgte dafür, dass ich endgültig die Fassung verlor.

»Das sollte es auch«, wiederholte ich leise.

»Ja, schließlich kann ich meine Zeit auch besser nützen«, entgegnete sie.

»Indem Sie Skulpturen aus Aprikosen basteln?«

Felicity spähte erschrocken hinter ihrem Empfangstisch hervor.

»Mir gefällt Ihr Ton nicht, Nina«, stellte Boo fest.

»Mir geht es mit Ihren Arbeiten genauso, tut mir leid, aber ich bin einfach machtlos dagegen.«

Der Empfang wurde von »Nessun dorma« beschallt, und die Arie schien mir ungewöhnlich laut in den Ohren zu klingen, als Boo zu toben begann. Ich hörte ihr gar nicht mehr richtig zu, sondern starrte sie nur stumpf an und sah, wie ihre Lippen sich bewegten. Dabei hallte wie auf einer Endlosschleife die Stimme des Gurus in meinem Kopf wider, die mir sagte, dass ich verflucht sei. Ich wollte nichts als raus.

»Boo, Nina fühlt sich seit einiger Zeit nicht wohl, richtig, Nina?«, sagte Simon, der das Gekreische gehört hatte und aus seinem Büro kam, um sie zu beruhigen.

»Ja, nicht ganz wohl, wie von einer gewaltigen grauen Wolke erdrückt und unter einem schmutzfarbenen Himmel gefangen. Ich muss weg.«

Alle schwiegen auf einmal. Es war die Art von Schweigen, die regelrecht danach schreit, gebrochen zu werden. Simon unternahm keinen Versuch, mich aufzuhalten. Mehr als drei Jahre hatte ich mich in seiner Kanzlei krummgeschuftet, aufgeblasene Egos gestreichelt und Geld für ihn gescheffelt. Und nun sagte er nicht einmal: »Kommen Sie mal mit in mein Büro und lassen Sie uns darüber reden.«

Wenn er das getan hätte, wäre ich vielleicht geblieben, denn ich brauchte nichts weiter als die Bestätigung, dass ich etwas wert war.

»Gut«, meinte ich und griff nach meinem Mantel. »Den Rest meiner Sachen hole ich später.«

»Ich lasse sie Ihnen von Felicity nachschicken«, erwiderte Simon.

Ich platschte durch Pfützen und trottete ziellos und wie betäubt vor mich hin. Eigentlich hätte ich doch in Hochstimmung oder wenigstens erleichtert sein sollen, weil ich endlich gekündigt hatte. Allerdings war es auf eine Art und Weise geschehen, die sich meinem Einfluss entzog, denn Simon hatte mich im Grunde genommen rausgeschmissen. Nach allem, was ich für ihn getan hatte, bedeutete ich ihm offenbar gar nichts. Wie sollte ich das nur meinen Eltern beibringen? Allein die Mitteilung, dass ich Jean heiraten wollte, würde ein großer Schock für sie sein. Und nun war auch noch die schlimmste Befürchtung meines Vaters wahr geworden: Ich hatte meine Arbeit verloren. Vielleicht war es das Beste, ihnen einfach reinen Wein einzuschenken. Mit einer arbeitslosen Tochter war ihr Listensystem sowieso sein Papier nicht mehr wert, und ich hatte wenigstens noch Jean. Ganz gleich, was auch geschah, Jean würde für mich da sein. Heute Abend würde er nach Hause kommen und wir würden gemeinsam einen Weg finden, es ihnen so schonend wie möglich zu erklären. Ich versuchte, mir einzureden, dass es doch gar nicht so schlimm um mich stand. Immerhin war es mir ja auch gelungen, die Episode mit dem Guru hinter mir zu lassen, und es gab genug schöne Dinge, auf die ich mich freuen konnte. Jean und ich hatten nun endlich die Gelegenheit, einen eigenen Hausstand zu gründen. Bei dem Gedanken, ihn wiederzusehen, wurde ich ganz aufgeregt. Er würde mich in die Arme nehmen und mir versichern, dass alles gut werden würde. Da ich noch ein paar Stunden totschlagen musste, beschloss ich, in seine Wohnung zu gehen, etwas für uns zu kochen und auf ihn zu warten. Er wollte gegen sechs kommen.

Kurz darauf quoll mein Einkaufskorb von bunten Gemüsen über. Ich hatte noch keine Ahnung, was ich damit anfangen wollte, doch ich legte trotzdem alles, was eine schöne Farbe hatte, hinein. Da Jean gern Hühnchen aß, beschloss ich, eines zu erwerben und mir die Art der Zubereitung später zu überlegen. Ich kaufte auch ein Rezeptbuch, Wein und Blumen und machte mich dann auf den Weg zu seiner Wohnung. Als ich das Gebäude betrat, lächelte ich dem Portier zu, doch anstatt mein Lächeln zu erwidern, betrachtete er seine Fußspitzen.

»Viel zu tun, John?«

»Ja, Miss«, erwiderte er und holte für mich den Aufzug. Weil ich ihm anmerkte, dass er nicht sehr gesprächig war, wartete ich schweigend, bis der Lift da war. Die Kacheln und Spiegel reflektierten die hohen Decken des Gebäudes. Der Aufzug selbst war ziemlich wackelig und hatte eine altmodische Gittertür, sodass ich stets befürchtete, er könnte ‒ mit mir darin ‒ stecken bleiben. Bevor Jean Michel zu seiner Geschäftsreise aufgebrochen war, hatte er den Lift auf halber Strecke angehalten. Ich war in Panik geraten. »Ich werde immer auf dich aufpassen, chérie«, hatte er gesagt. »Immer, Nina, das weißt du doch. Ich möchte, dass du meine Frau wirst.«

Und obwohl ich im ersten Moment völlig überwältigt war, lautete das erste Wort, das mir über die Lippen kam, nicht etwa »Ja«, sondern »Dad«. Ich konnte nichts sehen als die todtraurige Miene meines Vaters. Jean versuchte, sich seine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen, und sagte, er habe Verständnis für meine Lage. Doch da ich nun wieder klar denken konnte, hatte ich die Möglichkeit, alles wiedergutzumachen.

Wir hatten uns vor zwei Jahren auf einer Party kennen gelernt. Als er eintrat, drehte sich die Hälfte aller anwesenden Frauen um und starrte ihn an. Jean Michel war eins fünfundachtzig groß und hatte blaue Augen, kohlrabenschwarzes Haar und ein zuversichtliches Lächeln. Aus dem Augenwinkel beobachtete ich jede seiner Bewegungen, und mein Herz machte einen ungläubigen Satz, als er geradewegs auf mich zusteuerte.

»Alles in Ordnung?«, fragte er mit einer tiefen, selbstbewussten Stimme, als seien wir alte Bekannte.

Ich vergewisserte mich, dass er tatsächlich mit mir sprach, und es war kein Irrtum: Von allen Frauen im Raum hatte er sich ausgerechnet mich ausgesucht. Wir unterhielten uns stundenlang, und als ich ging, versprach er, mich anzurufen. Die Wartezeit erschien mir unendlich, und jedes Mal, wenn das Telefon läutete, trieb mein Magen die merkwürdigsten Dinge. Zwei Tage später meldete er sich, sagte, eigentlich habe er sofort anrufen wollen, um sich zu erkundigen, ob ich auch wohlbehalten nach Hause gekommen sei, und dann jedoch beschlossen, sich so lange wie möglich in Geduld zu üben. Er hatte etwas Beständiges an sich, war selbstbewusst, aber auch leidenschaftlich und spontan. In unserem Leben war Langeweile ein Fremdwort. Wir planten nichts und ließen die Dinge einfach geschehen. Er entführte mich aus der Welt der Doppelhaushälfte in Croydon, der Kandidatenlisten, der praktischen Erwägungen und der Pflichten und vermittelte mir das Gefühl, dass ich schön war. Außerdem besaß er alle Eigenschaften, die mir fehlten, und in seiner Nähe kam ich mir nie unzulänglich vor. Ki fand, dass er genau das war, was ich brauchte. Er zeigte mir, dass man die Dinge auch anders sehen und über die Wertvorstellungen hinausblicken konnte, die mir von Kindheit an eingebläut worden waren.

Ki liebte das Risiko genauso wie Jean, geriet aber an jemanden, der einen sicheren, zuverlässigen und berechenbaren Eindruck machte, auch wenn sich das letztlich als Irrtum entpuppte. Ki wurde in ihrem roten Brautsari aufgebahrt. Ihr Freund, der sie angeblich leidenschaftlich liebte, hatte dann doch keine Lust auf eine Hochzeit gehabt. Dennoch hatte ihre Mutter darauf bestanden, Ki in ihrer Hochzeitskleidung beizusetzen, wie sei es sich gewünscht hatte. Wusste sie aber, dass seine Besuche gegen Kis Ende immer seltener geworden waren? Er schaffte es nicht einmal, zur Beerdigung zu erscheinen, und drei Monate später hatte er bereits eine neue Freundin.

Jean Michel begleitete mich durch diese Zeit. Allerdings bestand meine Methode, damit zurechtzukommen, darin, dass ich einfach zum Alltag überging und versuchte, nicht zu viel darüber nachzudenken. Ich wusste, er würde mir zuhören, wenn ich darüber reden wollte. Er hörte mir immer zu, und er versuchte, mich zu verstehen.

Als ich die Tür von Jeans Wohnung öffnete, bemerkte ich, dass nicht zweimal abgeschlossen war.

»Schlampig wie immer«, dachte ich. »Da fährt der Mann vier Tage lang weg und schließt die Tür nicht richtig ab.«

Ich schleppte die Einkäufe in die Küche und glaubte plötzlich, ein Geräusch zu hören. Vielleicht war ja die Putzfrau da, obwohl heute eigentlich nicht ihr Tag war.

»Hallo«, rief ich, aber niemand antwortete. Also begann ich mit dem Auspacken der Lebensmittel. Im Kühlschrank standen eine halbe Flasche Champagner und ein Rest Pate. Plötzlich war da wieder ein Geräusch.

»Hallo, ist da jemand?«, fragte ich und steuerte auf Jeans Zimmer zu. Als Jean plötzlich vor mir stand, zuckte ich vor Schreck zusammen.

»Jean, ich wusste ja gar nicht, dass du zu Hause bist. Wann bist du denn zurückgekommen? Hast du mich nicht gehört? Ich habe dir ja so viel zu erzählen.«

Er wirkte ziemlich blass.

»Bist du krank? Was ist denn los?«

Die Schlafzimmertür fiel zu.

»Was soll das? Wer ist da drin? Wer ist es, Jean?«

»Niemand, Nina.« Seine Stimme klang seltsam. »Geh da nicht rein.«

Ich tat es trotzdem und sah eine Frau an mir vorbeischlüpfen wie ein Wiesel aus einem Loch. Sie hatte einen roten Lockenschopf und nicht viel an. Ich konnte nur an den Portier denken, der offenbar so viele Geheimnisse wie Schlüssel in seiner Obhut hatte. Er hätte doch etwas zu mir sagen können, zum Beispiel: »Miss, Sie können da jetzt nicht rauf. Es ist jemand von den Gaswerken da, um ein Leck zu reparieren. Kommen Sie in ein paar Stunden wieder.« Ich hätte auf ihn gehört. Nun stand ich da wie erstarrt und versuchte, die eindeutige Situation zu begreifen. Es kamen keine abgedroschenen Phrasen wie »Es ist nicht so, wie du denkst« oder »Sie bedeutet mir gar nichts«. Fast wünschte ich, Jean Michel hatte versucht, sich aus der Affäre zu ziehen, denn ich verstand in diesen Minuten des Schweigens, dass er mich gar nicht lieben konnte und sich selbst viel mehr liebte. Offenbar erwartete er von mir, dass ich etwas sagte oder tat. Aber ich stand nur stumm da und blickte ihn an. Und dann ging ich.

Ich rannte die Treppe hinunter und aus dem Gebäude. Autos hupten, als ich einfach über die Straße stürmte, ohne mich darum zu kümmern, ob ich überfahren werden könnte. Ich lief, als wollte ich nie wieder aufhören, bis ich Seitenstechen bekam und nicht mehr weiterkonnte. Taumelnd ließ ich mich auf einer Bank im Green Park nieder, um wieder Atem zu schöpfen. Tränen rannen mir übers Gesicht. Jean war der einzige Mensch außer Ki, der mich bis ins tiefste Innerste kannte. Ich hatte ihm gezeigt, wer ich wirklich war, und nun hatte er mich abgewiesen. War ich nicht gut genug für ihn? Hatte ich mir nur vorgemacht, dass er mich liebte? Hatte er seinen Heiratsantrag ernst gemeint? Oder hatte ich mir das auch nur eingebildet? Lag es daran, dass ich seit Kis Tod so abwesend war? Hatte ich ihn möglicherweise zu lange hingehalten? Aber er hatte doch gesagt, er werde warten, bis ich bereit dazu sei!

Die hässliche gerötete und faltige Haut an meinem Arm und meiner Brust. Er hatte so getan, als störe ihn das nicht. Hatte sie auch abstoßende Narben, über die er die Finger gleiten ließ, während er ihr ins Ohr flüsterte, dass er sie liebte, und zwar alles an ihr? War das der Grund? Hatte er sie gestreichelt und ihr versprochen, für sie da zu sein, während der Guru mich betatscht hatte? Hatte er nur aus Mitleid vorgegeben, mich zu lieben? Tränen strömten mir übers Gesicht.

»Hilf mir, Ki, bitte, ich brauche dich. Gib mir ein Zeichen, wenn du mich hörst. Du hast doch gesagt, du würdest es tun. Bitte. Hast du das alles mitbekommen? Hast du?« Aber nichts geschah. »Du hast mich angelogen. Du hast mir versprochen, du würdest immer bei mir sein, aber wie soll das gehen? Wenn du hier wärst, hätte so etwas nie passieren können. Niemals. Aber du bist tot, und Tote können nun einmal nichts tun. Richtig? Ich habe dir vertraut, und du hast mich belogen. Ich habe zugelassen, dass du aufgibst, weil du mir versprochen hast, immer bei mir zu bleiben. Doch du hast mich genauso verraten wie all die anderen auch.«

Es fing an zu regnen. Ich saß auf der Parkbank und dachte, dass es vermutlich gar keine Vorsehung gab. Man stellte sich nur vor, dass das Schicksal seine Hand im Spiel hatte, damit man sich nicht so allein fühlte und der sinnlosen Reise eine Bedeutung verleihen konnte. »Ich gebe dir noch eine letzte Chance. Sprich mit mir, wie du es gesagt hast. Los. Ich höre. Willst du, dass ich dich anbettle? Gut, dann bettle ich.«

Ich fiel auf Hände und Knie. »Schau, ich bettle. Bitte.« Immer noch nichts.

Ich krallte meine Finger in das nasse Gras, sackte auf den Knien in den Matsch und schluchzte herzzerreißend, ohne mich darum zu kümmern, wer mich vielleicht beobachten könnte. Dann blickte ich hinauf zum trüben grauen Himmel, wo tiefe Regenwolken hingen. »Los, dann regne eben noch fester. Soll das schon alles gewesen sein? Es ist mir egal, womit du mich sonst noch behämmerst oder wen du mir als Nächstes auf den Hals hetzt, damit er mich befummelt. Nur zu. Mich interessiert es nicht mehr. Du hast mir alles, alles genommen. Hörst du mich? Wahrscheinlich gibt es dich gar nicht. Alles nur Erfindungen und Lügen.«