Der Einfall - Boris Revout - E-Book

Der Einfall E-Book

Boris Revout

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Beschreibung

Der junge Ethnologe Jens Schattenbach reist nach einer verlorenen Insel im Ozean, um die Lebensweise der hiesigen, unwissenden Bevölkerung zu untersuchen. Was er dort entdeckt, übertrifft alle seine Erwartungen, denn mehrere Seiten ihres Lebens sind, ungeachtet ihrer technischen und kulturellen Rückständigkeit, fast perfekt angeordnet. Der simple Vergleich dieser Menschen mit ihren modernen, westlichen Zeitgenossen, zwingt den Forscher am Vorrang der Letzten zu zweifeln. Mit dieser ziemlich unverhofften Schlussfolgerung, die später unvermittelt für die Schlagzeilen in Weltmedien sorgte. Die Ereignisse dieses Romans zeugen eindeutig davon, dass alles, was in heutiger Welt passiert, gleichermaßen alle Länder und Nationen betrifft und das kulturelle sowie soziale Niveau dabei gar keine Rolle spielt. Viel wichtiger sind aber die hohen moralischen Eigenschaften unserer Artgenossen aus der Gattung Homo sapiens.

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Seitenzahl: 705

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Inhaltsverzeichnis

Aller Anfang ist schwer

Auf dem harten Wege zur Wissenschaft

Sprachstudium

Eine aufschlussreiche Reise nach Japan

Die erste selbstständige Dienstreise

Mit einem sechsten Sinn

Aus der Geschichte unserer Weltanschauung

Alle Menschen sind gleichberechtigt

Aus berufenem Munde gehoben

Moderne Welt in Augen des Eingeborenen

Wie sicher sollen sich die Westler fühlen

Wozu brauchten die Einheimischen das Gold

Eine Naturpädagogik

Emanzipation

Die schleichende Islamisierung

Essenstil bei den Eingeborenen

Evolution des Hasses

Von welchem Menschen stammen du und ich ab?

Eine heimliche Kraft der Träume

Tanz und Gesang auf der Insel

Wie soll man mit den alten Traditionen umgehen?

Gibt es einen Unterschied zwischen westlicher und einheimischer Ehe?

Eigentümer ohne Besitz

Flüchtlinge wie ein Kennzeichen unserer Zeit

Bestattungskultur der modernen und uralten Welt

Im Ozean der Veränderungen

Angesichts der Einheimische

Medizin der Einheimischen

Ohne Hauptsinn

Psychische Gesundheit der Heimischen

Kann unsere Welt überhaupt ohne Kriege existieren?

Wie geht der Westen mit den Drogen um?

Eine unbegründete Zuversicht

Wie kann man die Angst bekämpfen?

Geld wie ein Fortschritt Förderer

Wie Eingeborene die Wahrheit verstanden

Wie tolerant waren Einheimischen den Fremden gegenüber?

Vorwärts in die Hexerei?

Ein frischer Blick auf die Inselgeschichte

Zurück in die Zivilisation

Eine ungewöhnliche Ansicht

Wie man sich vor den Pandemien schützen kann?

Den Teufel mit dem Beelzebub austreiben

Wieder im Ozean der Medien

Eine künstliche Natur

Wie man das Volksbewusstsein verstehen soll

Noch ein Anlass für Besorgnis

Verlorene Atombomben

Der Unterschied zwischen den Armen

Ein Wolf im Schafspelz

Eine wichtige Mission

Die zweite Reise nach Tabet

Eine verspätete Lösung des Knotens

Aller Anfang ist schwer

Jens Schattenbach wurde in Göttingen geboren, wo sein Vater als Professor der Georg-August-Üniversität gearbeitet hatte. Dessen Fachgebiet betraf einige wenig erforschten Gebiete der Ethnologie. Völkerkunde erwies sich in seinen zahlreichen Studien, die von ihm mehrere Jahre Forschung bei Naturvölkern forderten, eine Vielfalt neuer Fakten, die ihm eine neue Theorie der Entstehung zahlreichen Völkern zu entwickeln ermöglichten. Später veröffentlichte er seine Ergebnisse in renommierten Zeitschriften, was ihm danach das internationale Ansehen mitgebracht habe. Department of Ethnology, History of Religions and Gender Studies der University of Chicago stellte später ihm vor, ein neues Institut zu leiten, wo er seine wissenschaftlichen Ideen weit zu verbreiten fähig wäre. Nach einer Reihe heftiger Familiendebatten wurde diese Offerte letztendlich aufgenommen worden und die Familie (außer Jens hatten die Eltern noch eine Dreijahre jüngere Tochter Sandra) übersiedelte sich in die Übersee.

Der Vater stellte eine erfolgreiche wissenschaftliche Karriere auch für seine Kinder vor. Deswegen absolvierte Jens (dank einer ausreichenden finanziellen Unterstützung des Vaters) erfolgreich eine gut gekannte „University-preparatory-school“, wo er neben Hauptkenntnissen, die ihm den Weg zu besten Hochschulen des Landes öffneten, auch aktiv Sport zu treiben ermöglichte. Der Junge neigte eher zu Fußball und Leichtathletik und die Coach setzten ihm eine große sportliche Zukunft voraus. Darauf wurde er ein guter Student an der Chicago University geworden, wo ein bekannter Läufertrainer (der auf seinem Konto schon zwei Olympiasieger hatte) in ihm einen Weltstar in Voraus erkannte. Der alte Mann entwickelte auch eine eigenartige Leistungsdiät, die seine Kollegen sehr hoch schätzen sollten. Nach seiner Ansicht versorgte diese Ernährungsart den jungen Körper mit solchen biologischen Substanzen, die für die Muskelkraft der Füßen und Beinen von hoher Bedeutung waren. Natürlich ließen die guten Ergebnisse auf sich nicht lange warten. Doch gute Ergebnisse waren nicht das größte Ziel des Lehrmeisters, er wollte noch mehr Weltrekorde, die in unserem Zeitalter immer schwieriger zu erreichen worden war. Der echte Herausforderer brauchte nun irgendwelche übermenschlichen Leistungen, die nur mithilfe von kreativer Chemie zu ermöglichen schienen. Ganz ungeachtet davon, dass die Sportmediziner und Chemieanalytiker ungeheuer präzise Methoden entwickeln, um die Dopingfälle herauszufinden, nahmen diese Fälle weltweit zu. Den Edelmütigen stand eine Menge der hoch qualifizierten Fachkräfte gegenüber, die alle Errungenschaften der Forschung nutzen, um den Dopingmissbrauch effizient zu vertuschen. Man hoffte dabei, dass die bekannten körpereigenen Stoffe, die in Dopingproduktion immer größeren Einsatz fanden, gar keinen Schaden dem Organismus der Sportler bringen könnten. Es war tatsächlich nicht der Fall. Es wurden mehrere Todesfälle bei berühmten Spitzensportlern bekannt, die eindeutig auf den Missbrauch solcher Präparate hinwiesen. Also der Begriff „körpereigene“ spricht nichts über die Harmlosigkeit dieser Substanzen. Ganz im Gegenteil sind sie imstande, mehrere schweren akuten und chronische Erkrankungen verursachen, die die Lebenserwartung der Betroffenen stark herabsetzen können. Man kann vermuten, dass auch Jens Schattenbach die Dopinggefahr nicht zu vermeiden vermochte, denn im Laufe von zwei Jahren seine Ergebnisse im Mitteldistanzlauf die Schwelle der Weltresultate fast erreicht haben. Eine gut ausgeglichene Ernährung, die er sicher bekam, war für diese Leistung eher nicht wohl genug. Allerdings schlug ihn der stolze Trainer für das Nationalteam vor. Mittlerweile bemühten sich Ärzte damit, die gefährlichen Folgen aller bekannten Dopings zu erforschen. Sie fanden dabei heraus, dass eine Aufgabe, die Wirkung mehreren beteiligten Substanzen richtig abzuschätzen unrealisierbar war. Denn deren gemeinsame Aktivität erwies sich in unterschiedlichen Richtungen. Die Erkrankung selbst ging nicht durch einzelne Substanzen zurück, sondern vielmehr von den sehr komplizierten Wechselwirkungen zwischen diesen Komponenten hervorgerufen werden könnte. Das heißt, es war fast unmöglich, realistisch alle mögliche Folgen und Nebenwirkungen der Präparate vorherzusagen. Ähnlicherweise schien es ihnen kaum realisierbar, irgendwelche neue Arzneien herauszufinden, die die schädlichen Nebenwirkungen vollständig oder weitgehend verhindern könnten. Ein gut gemeinter Versuch, den Dopingeinfluss auf die Gesundheit der Leistungssportler zu verharmlosen, schien den ernsten Forschern besonders heimtückisch. Nach ihrer Meinung führte es dazu, dass Apotheken solche Medikamente direkt verkaufen könnten. Und wenn es außerdem von einem guten Arzt verschrieben worden war, verstößt eine solche Handlung gegen die Berufsordnung, weil sie auf das Kassenrezept ausgeschrieben wurde. Solcher Betrug soll mit gesetzlichem Mittel bestraft werden sein. Die Machereien fanden natürlich im weit entfernten von der Öffentlichkeit Raum statt, so dass sogar die nahe Verwandten der Sportler keinen Schimmer davon erfahren sollten. Was den Eltern von Jens davon übrig geblieben wurde, betraf seine Studiumsleistung, die anscheinend von den sportlichen verdrängt worden waren. Haben sie sich vielleicht bezwungen, mit dem Gedanken zu versöhnen, dass ihr Sohn ein Fachsportler werden sollte? Eigentlich nicht. Doch die reelle Situation sah noch schlimmer aus. Denn gerade vor kurzem entdeckte ein Sportpsychologe eine starke positive Effizienz eines Psychopharmakons, das eine Regung Nervenzellen auslösen konnte und damit die sportliche Leistung erheblich steigert. Vielleicht war in seiner Stellungnahme etwas ganz Vernünftiges. Aber der Trainer war kein Mediziner, er legte logisch begründet ziemlich einfach dar: wenn wir dazu noch ein bekanntes und harmloses Doping einsetzen, soll das Ergebnis noch besser werden. Vielleicht hatte seine Logik Recht und unter anderen Umständen auch sein Lieblingsläufer den Weltrekord schlagen konnte. Doch diesmal ging die Sache im sportlichen Sinne schief. Nein, um ehrlich zu sein, versetzte der Versuch keinen Schaden dem physischen Zustande des Läufers. Darüber hinaus stellte der Sportarzt eine objektive Besserung der körperlichen Werten: der Herzmuskel zog sich mehr rhythmisch zusammen und die Lungen füllten sich viel vollständiger mit der Luft. Und nichtsdestoweniger war Jens zu einem Weltrekord nicht bereit. Er bat den Alten um einen Gefallen und zwar, dass er ihn nach Hause gehen ließe. Der Trainer war so erstaunt oder enttäuscht, dass er zwei seine Assistenten beauftragte, den künftigen Weltstar nach Hause zu begleiten. Dem Alten war es jetzt bewusst, dass die Medikamente diesmal irgendwelche unerwartete Wirkung auf Jens Schattenbach gehabt haben. Für den berühmten Sportlehrer war diese Erschütterung genug, um kurzfristig Verstand zu verlieren, was die Umgebung in Panik geriet. Sie rief gleich den Notdienst an und benachrichtigte ihn über den Zwischenfall. In eine Viertelstunde war der Arme schon im Krankenhaus. Die klinischen Ärzte fanden bei ihm aber nichts Besonderes – einen Nervenschock und keine Lebensgefahr. Nach drei Stunden Aufenthalts in der Klinik wurde er von seiner Frau nach Hause abgeholt worden.

Was aber die „harmlosen“ Arzneien mit Jens gemacht haben, war viel komplizierter geworden. Nach seiner Lieferung durch die Assistenten von Trainer empfand er sich so müde, dass er ins Bett lag, um etwas Neugierde hervorrufendes zu lesen. Stattdessen geriet er in einen Dämmerungszustand, der mit den fabelhaften Bildern verbunden war. Seine Vernunft versuchte beharrlich in einem Halbschlaf festzustellen, woher sie ihm bekannt waren. Zuerst wurde es ihm klar geworden, dass irgendwas mit dem Zeitalter nicht stimmt. Es war eine belebte Strasse mit mehreren Passanten, wenige berittene, keine Autos, keine Fahrräder, alle in bizarren Klamotten. Jens ertappte sich beim Gedanken, dass das Wort dazu kaum passte. Nein, eher das Gewand, das nicht unbedingt alle Körperteile bedeckte, doch den Eindruck der Haltbarkeit schindete. Jens bewegte sich in gleiche Richtung wie die anderen, als er ein gut bekanntes Gebäude anschaute. Na, klar, es war sicher das römische Kolosseum, man könnte sich nicht beirren. Jens schlaffender Verstand bemühte sich nun, um das Jahrhundert eher ungefähr vorzustellen. Er strengte sein Gedächtnis stark an, um etwas Bestimmtes auszudenken. Er war schon hier vor fünf-sechs Jahren. Na ja, genau, dieser hervorragende Bau wurde irgendwann am Ende des ersten Jahrhundert nach Christ gefertigt worden. Hieß es dann, dass er gerade zweitausend Jahre zurückgekehrt war? Es war unglaublich. Aber diese halbnackten Figuren sollten seine Vermutungen bestätigen. Diese starke Krieger mit gewaltigen Rumpfs in kurzen Panzerhemde, kleinen gepanzerten Strumpfe und künstlich geformten Helmen. Ihre bronzegebrannte Haut sah allein ein bisschen kampflustig aus. Ein anscheinendes Ehepaar verkaufte süße Brötchen. Sie sollten wahrscheinlich eine Bäckerei in der Nähe betreiben, was ihnen einen guten Ertrag mitbringen sollte, denn unter ihren Kunden waren alle Schichten der Bevölkerung vorhanden. Sogar zwei Männer in wertvoller Toga, sicher Patrizier, wendeten sich herablassend zu diesem Bäckerpaar zu. Jens tauchte plötzlich in der Erinnerung die frühere Kenntnisse auf. Was habe dieser Tiberius Gracchus nicht richtig gemacht? Er unternahm ein aufrichtiges Wagnis und ging dem herrschenden Brauch entgegen, indem er zum zweiten Mal gewählt werden wollte. Darauf wurden er und dreihundert seiner Anhänger ermordet. Vierhundertjahrelang zuvor beherrschte in der ganzen römischen Innenpolitik eine verhältnismäßige Ruhe und nun dieses Blutbad. Viele Jahrzehnte darauf verdiente Caesar mit seinen ruhmreichen weltweiten Siegen das Recht, der Herrscher über die ganze römische Welt zu werden und sich zum Diktator auf Lebenszeit zu ernennen. Er war tatsächlich voll mit den großartigen Vorhaben überfüllt: neue Prunkbauten, Handelskolonien, ein grandioser Feldzug in den Orient als eine Wiederholung der Alexander der Großen Heldentaten. Einen Monat später wurde er von Brutus, Cassius und allen denen, die seine Gnade oder seine Verzeihung genossen hatten, ermordet. Es war ein gemeiner und heimtückischer Mord, den der tapfere und scharfsinnige Staatsmann kaum vermuten konnte. Unfähig etwas richtig Schöpferisches zu machen, brachten die treulosen Mörder den Staatsapparat ins Durcheinander. Und nicht nur diese zwei Kaiser wurden hinterlistig ermordet worden. Auch Domitian brachte mit seinen willkürlichen Dekreten und schreckender Herrschaft den Senat mit dem Zorn fertig. Nach seiner Ermordung versuchte sein Nachfolger, Nerva, mit den spitzfindigen Tricken seine Position zu stärken. Er adoptierte einsichtig dafür einen der viel versprechenden Nebenbuhler, der dafür einen Titel des Nachfolgers bekommen sollte. Der war der große Feldherr Traian, ein Nachkomme römischer Siedler in Spanien und der erste Kaiser, der nicht aus Italien stammte. Merkwürdigerweise war auch sein Nachfolger, Hadrian, ein Spanier, der die Hälfte seiner Regierungszeit auf Reisen verbrachte. Kurz von seinem Tode adoptierte Hadrian Antonius Pius, der aus einer Familie stammte, die aus der französischen Nemausus (Nimus) nach Italien eingewandert war. Er war ein offener Gegner der weltweiten Bestrebungen Hadrians und bevorzugte, lieber Italien nicht zu verlassen. Er war vor allem ein friedlicher, nachsichtiger und sparsamer Herrscher. Zu besonderen Bedingungen seiner Adoption schloss sich ein Versprechen, als seinen Nachfolger Hadrians Neffen und Schwiegersohn, Markus Aurelius, zu ernennen. Obwohl Markus Aurelius in die Weltgeschichte als ein der bedeutendsten stoischen Philosophen eintrat, wurde er gezwungen, fast die Zeitspanne seiner Regierung Krieg zu führen. Die letzten Gegner Aurelius, Markomannen und Quaden, wollten eine Krisislage des Reiches, die in den Zeiten der Pestepidemie das Römische Reich heimsuchte, vollständig ausnutzen. Wenn sie schon zur Norditalien drängten, sammelte der träumerische Kaiser alle seine leistungsfähigen Kräfte und schlug den Feinde zurück zu den Grenzen des Reiches. In diesem Augenblick machte das selbstständig funktionierende Unterbewusstsein Jens eine kleine Pause, die wahrscheinlich einen bedeutenden Meilenstein verspüren sollte, dann verkündete es:

„Also es ging alles in der vorchristlichen Ära vonstatten. Aber an wen sollte das Römische Reich glauben? Es war sicher ein Knackpunkt. Denn man konnte über ein riesiges Imperium nur mit den gewaltigen einheitlichen Ideen herrschen. Es war das A und O der alten römischen Regierung. Diese vereinigenden Ideen sollten mit der Sprache der Logik nichts Gemeinsames haben. Ganz im Gegenteil musste man alles tun, um die mystischen Quellen in den Vordergrund zu bringen. Eine bunt gemischte Bevölkerung aus mehreren Völkern konnte sich nur dadurch einig empfinden, dass die patriotischen und kultischen Motive ungetrennt predigt werden. Die Lage der Reichsregierung begünstigte sich aber deshalb, weil die Italiker sich gern den fremden und exotischen Kulten neigten, die weniger zeremoniell und bereinigt waren als ihre uralten Riten. Sie beteten dem großen Himmelgöttern Jupiter, Juno und Minerva in ihrem Capitolischen Tempel an, sowie einer Menge von Hausgöttern (Penaten). Obwohl die römischen Denker wie Cicero und Lukrez an die Wahrheit dieser Kulte zweifelten, fanden sie darin das Nutzen für das Reich. Und Kaiser Augustus zog unbedingt den größten Erfolg aus deren Gedanken für seine Herrschaft aus. Er stellte die uralten Heiligtümer wieder her, ließ neuen prachtvollen Gebäuden errichten, unter anderen den palatinischen Tempel seines Golds strahlenden „Schutzherren“, des Apollon. Er belebte eine alte Tradition der Festlichkeit zu Ehren der „Säkularspiele“ wieder und befahl, den alten Herrscher in zunehmendem Maße als Gott zu betrachten. Schon die Griechen der klassischen Zeit suchten nach einer Milderung des Glaubens. Denn schon zuvor wurde den Dionysos Riten so intensiv anbetetet worden, dass der üblich ekstatische Kult in lang dauerte ausschweifenden Orgien umgewandelt worden war. Euripides habe es meisterhaft in seinem satirischen „Bacchantinnen“ gezeigt. Nichtsdestoweniger war damals Dionysos Kult der dominierende Gottheitsglauben der Epoche, den sogar selbst Alexander der Große gestützt habe. Die Römer übernahmen in der Tat den Kult dieses Gottes, den sie aber Bacchus oder Liber nannten. Der Senat scheuchte sich aber später davon, dass dieser Kult die öffentliche Ruhe und Ordnung zu gefährden drohte. Caesar versuchte ihn in einen achtbaren mystischen Glauben umzuwandeln. Die wilden Ekstasen ließen aber sicher nicht nach, sondern beeinflussen auch die Kunst. Ein anderer Glauben, der eher auf der Grundlage des Gefühls stand, war der des Gottes der Heilkunde Asklepios (Äskulap). Die mythischen Sibyllen, die angeblich imstande waren, alle künftigen Ereignisse zu prophezeien, waren davon verantwortlich, dass Anfang des 3 Jh. v. Chr. dieser Glauben von Epidauros nach Rom gebracht worden war und verbreitete sich über den gesamten Westen. Dabei waren tausende Zeugen davon, dass dieser Glauben schwere Krankheiten auskurieren ließ. Kaiser Caracalla, der daran aufrichtig glaubte, prägte seine Münzen mit dem Abbilden des Äskulaps mit einer Schlange auf dem Stab, den sie umwand. Es wurden auch andere Kulte weit verbreitet, deren Gottheiten, seien sie Atargatis-, Agdistis-, Kybele-, Isis-, Antinoos- oder Mithraskult unter dem Einfluss der örtlichen herrschenden Klassen hoch geschätzt wurden. Diese machtgierigen Herrscher machten die Religion zunutze, um der Bevölkerung die Achtung einzuflößen oder sie einzuschüchtern. Die immer dienstfertigen Priester scheuten vor keinem noch so theatralischen Mittel zurück. Sie waren dabei ständig gut mit den gewissen Taschenspielerkünsten und wissenschaftlichen Apparaten ausgestattet Sie inszenierten damit solche Tempelwunder, die die Verblüffung und ehrfürchtige Scheu erweckten. Sie waren unbedingt perfekt ausgebildet worden, um mit schwierigen technischen Einrichtungen leicht umzugehen. Mit deren Hilfe war es wirklich einfach Wasser in Wein umzuwandeln, Fanfarenstöße zu ertönen oder das Altarfeuer aufzulodern.

Auf dieser Stelle war der seltsame Traum Jens plötzlich abgebrochen so, dass er sich nicht vermuten konnte, woher er kam. Klar war ihm nur die Tatsache, dass diese täuschende Erlebnisse überwiegend durch die Einnahme der zweifelhaften Medikamente entstanden könnten. Dieses fabelhafte buntfarbige Geschehen schindete einen unvergesslichen Eindruck auf den jungen Sportler. Er war tief begeistert nicht nur von der Welt, wohin kein normaler Mensch einen Zugang bekommen könnte, sondern von den Möglichkeiten des in Erregung geratenen menschlichen Gehirns. Bildlich gesehen war es wunderschön. Gleichzeitig erwachte es eine Angst bei ihm. Wohin sollten ihn diese zweifelhaften Vorführungen zugunsten eines Weltrekords weiter führen? Der alte Trainer war ein gutherziger Mensch, doch seine unerschöpfte Begierde nach Weltleistungen konnte zu gefährlichen Folgen bringen. Jens dachte auch über die professionelle Sportkarriere nach, die eine ziemlich kurze Zeit dauern könnte. Was sollte er danach unternehmen, eine neue Ausbildung machen oder in der Nähe von Sportereignissen seine Brötchen zu verdienen versuchen? Die beiden Versionen passten mit seiner Natur kaum zusammen. Es war der Hauptgrund dafür, dass er eine harte Entscheidung traf, mit dem großen Sport Schluss zu machen. Darüber hinaus empfand er einen verborgenen Wunsch seines Vaters, den Sohn wie einem Nachfolger seines Fachgebietes zu sehen. Es wäre für seinen „Alten“ bestimmt angenehm, wenn Jens den gleichen Beruf auszuwählen vermochte. So verließ die große Hoffnung des Sportuniversums diesen Pfad und widmete sich vollständig der Wissenschaft, wo sich einen Namen zu schaffen gar nicht leichter wie im Sport war. Er investierte nun seine junge Energie in Studien aller Wissenschaftszweige, die ihm künftig von einer großen Bedeutung sein sollten. Es war eine schwere Tätigkeit, die man im Unterschied zum Sport mit keinem Medikamenten erleichtern könnte.

Auf dem harten Wege zur Wissenschaft

Schon während der ersten Semester merkte junge Jens, dass die Mehrheit der Lehrer etwas ziemlich Seltsames in ihrem Benehmen oder in ihrer Sprache zum Ausdruck zu bringen vermochten. Er zwang sich (nach den häufigen Empfehlungen seines Vaters) von Anfang an aufmerksam gewesen zu sein und versuchte, gerade nach nächster Vorlesung alle besonders schwierigen Stellen aufzuklären. Allerdings gelang es ihm weit nicht immer. Manche von diesen bekannten Forschern beeilten sich ständig, um ihm viel Zeit zu widmen. Andere bevorzugten, ihm irgendwas Witziges mitzuteilen, was er kaum zu begreifen fähig war. In allen Fällen könnten sie seine Neugier nicht befriedigen. Vielleicht war es ein Grund dafür, dass er sich einige Jahre später mit einem Professor namens Evans Donovan kennen zu lernen gelang. Dieser noch junge große Mann (der tatsächlich fast fünfzig war) mit einem Vollbart, der bei jedem Gespräch vergnügend Tabakspfeife rauchte, deren Aroma das ganze Arbeitszimmer anfüllte, unterschied sich unbedingt von mehreren seinen Kollegen. Es sah bei ihm so aus, als ob er jede Unterhaltung mit seinen Studenten nicht weniger als seine Pfeife genoss. Er antwortete nicht einsilbig, sondern zeigte offensichtig seine Mühe, das Wesen der Frage zu verstehen und möglichst angemessen zu antworten. Genauso war es bei diesem Mal, als Jens Schattenbach ihn zu stören wagte:

„Mr. Donovan, ich habe schon viel über diese einfachen Menschen gelesen, die unsere Zivilisation eher zu primitiven zu zählen neigt. Allerdings konnte ich solche Primitivität kaum verspüren. Ist dafür meine reelle Unwissenheit oder irgendwas noch verantwortlich?“ Professor ließ zwei Rauchschwaden hinaus bevor er sprach:

„Eine gute Frage, mein junger Kollege, ich habe grade nachgedacht, warum eigentlich? Nun wollte ich laut und gemeinsam mit Ihnen diese Sache erörtern. Wir werden dabei natürlich unterschiedliche Gesichtspunkte in Betracht ziehen. Wir Völkerkundler bemerken nicht selten eine Eigentümlichkeit dieser schriftlosen Gemeinden, die für uns schon längst etwas Archaisches bedeuten sollte. Fast alle von ihnen empfinden ein tiefes Gefühl der Verwandtschaft, die auch unsere fernen Vorfahren auch unbedingt genossen hatten. Dadurch bestimmten sie deutlich eine Zugehörigkeit zu einem Stamm, die ihnen vielleicht Jahrtausende die Chance schenkte, alle Schicksal Quäle zu übertragen. Es gab mehrere Voraussetzungen dafür, z.B. seinem Stamm irgendwelcher eigenartigen Tugend zuzuschreiben sowie allen Fremden die elementaren menschlichen Eigenschaften lieber hochmütig abzusprechen. Wir kennen merkwürdigerweise das aktuelle Auftreten solcher uralten Erscheinung sogar im vorigen Jahrhundert, was zu einer großen Weltkatastrophe geführt habe. Solch eher seltsames Merkmal erwies sich wie eine riesige und unerschöpfliche biologische und geistliche Kraft, die für die Einheit der Mitglieder des Stammes und später des Volkes sorgte. Es schien den Anführer selbstverständlich, ihrem Stamm eine Überlegenheit allen anderen Mitmenschen gegenüber zu erfinden. Gerade dieses Zusammentreffen der Verwandtschaft und Überlegenheit wurde zum Triebwerk der künftigen Nationen“.

„Aber, Professor“, erwiderte gerade der junge Wissbegierige, „eine Verwandtschaft sollte sehr engen rein biologischen Verknüpfungen bedeuten. Wie war es bei ziemlich großen Völker oder sogar Nationen möglich?“

„Da haben Sie Recht, obwohl wir noch heute bestimmte Beispiele beobachten können, nennen wir nur Saudi oder Arabische Emiraten, wo fast die ganze Bevölkerung aus nahen Verwandten besteht. Es gab sicher bestimmte Grenzen der nachgewiesenen Abstammung eines Kindes vom engen Verwandtkreisen, was die genannten engen Bedingungen zu verbreiten forderte. Die spätere Entwicklung der Menschheit bestätigte die Notwendigkeit solcher Tatsache. Übrigens zeigt uns schon das Alte Testament, wie die Urvölker sich zu vermischen geneigt worden waren. Aber um nicht überkonservativ nachzureden, versuchen wir lieber, nicht lange innerhalb diesen uralten Rahmen zu bleiben. Es gab sicher bestimmte verwandten Gruppen, die sich erfolgreich vermehren könnten und eine prinzipiell neue Gemeinschaft zu gründen, wo die oben genannte Bluteinheit keine entscheidende Rolle mehr spielen sollte. Wichtiger dabei war die richtige Verteilung der sozialen Funktionen in dieser neuen Gesellschaft“.

„Sollte Ihre Äußerung, Mr. Donovan; eine Erniedrigung der Familienrolle bedeuten?“

„Auf keinen Fall. Sie sollte nur betonen, dass neben den familiären auch die anderen, sagen wir sozialen, politischen, wirtschaftlichen oder religiösen Verhältnisse eine wichtige Rolle spielen sollten. Gleichzeitig musste ich sicher bestätigen, dass ohne biologische Bestandteile unsere Sippe zweifellos zum Aussterben verurteilt worden wäre. Wir alle bleiben, mein junger Freund, wie es betrüblich klingen sollte, Tiere, obwohl natürlich die höchsten. Das heißt, wir müssen uns fortpflanzen. Sonst gäbe es keine Chance, uns dauerhaft zu erhalten. Diese fast primitive Schlussfolgerung bedeutet trotzdem ziemlich komplizierte Regeln, die jede Gesellschaft für sich auswählen sollte, die die Zugehörigkeit jedes Neugeborenen zu dieser Gesellschaft zu verordnen verlangt. Sie sind auch mit den Heiratbedingungen verknüpft, die man streng ausüben sollte“.

„Sagen Sie, Professor, bitte“, unterbrach ihn der Student, „Ihre Meinung aus, ob unsere zivilisierte Gesellschaft einen großen Schritt in dieser Heiratssache unternommen habe?“

„Ich kann vielleicht nicht völlig Ihre Vorstellung erfassen, aber wie ich das Problem sehen könnte, sieht es folgendermaßen aus. Der Fortschritt unserer Gesellschaft dieser Angelegenheit gegenüber besteht vor allem darin, dass sie ein großes Elend der Menschheit, ich meine die Unfruchtbarkeit, zu beseitigen vermochte. Man konnte es möglicherweise nicht bemerken, doch damit wurde ein großes Hindernis überwunden worden, das für Millionen Familien weltweit auf dem Wege zum Glück stand. Das heißt, man erlernte, eine Reihe von Verfahren durchzuführen, die unfruchtbare Paare zu Kindern zu verhelfen vermögen. Schon eine einfache Aufzahlung der modernen Methoden, einschließlich künstliche Befruchtung, Eizellenspende, Verleihen der Gebärmutter, Einfrieren von Embrios, In-vitro-Fertilisation mit Spermatozoen des Ehemanns oder eines anderen Mannes sowie Dutzende anderen Varianten eröffnen eine Menge von Möglichkeiten nach beliebiger Auswahl der Kunden und Patienten“.

„Mr. Donovan, sie sprechen dabei aber über die Schwierigkeiten einzelnen Partnerschaften. Ich verstehe, dass solche ungewöhnliche Verhältnisse keinen großen Einfluss auf die ganze Gesellschaft zu nehmen fähig waren. Oder kapiere ich etwas nicht richtig?“

„Ich glaube, es fehlt Ihrer Vorstellung eine allumfassende Ansicht. Ich versuche, meinen Gedanke einfacher zu erläutern. Wenn wir nur einige Verwirklichungen unter die Lupe nehmen lassen, könnten wir eine erhebliche Bedeutung dieser Verfahren auch für die großen Gemeinschaften anschauen. Schon heute ist es leicht vorstellbar, dass ein Kind eine Mutter und zwei Väter habe oder bei einem lesbischen Ehepaar – einen Vater und zwei Mütter habe. Selbstverständlich besteht eine Möglichkeit bei einem Samenspender einen Vater und Dutzende Geschwister in einer Gegend oder weltweit haben. Es gibt schon die Fälle, bei denen ein Kind gleichzeitig drei Mütter und zwei Väter besitzt, z.B. wenn der Erzeuger nicht derselbe Mann ist wie der Vater und wenn drei Frauen sich beteiligen und zwar die Eizellenspenderin, die Leihmutter und diejenige, die die offizielle Mutter des Kindes sein wird. Allerdings kann man prinzipiell alle von mir bemerkten Gelegenheiten mit gewisser Neigung zu Einbildungen gut verstehen. Noch fantastischer wäre aber die Situation, wenn heutzutage ein Kind geboren wird, dessen Vater viel älter als sein Urgroßvater sein sollte. Kein Wunder, denn eine Technik des tiefen Einfrierens von Samen war perfekt in Gang gesetzt worden. Das bedeutet, dass sie hunderte von Jahren in Gefrierschränken bewahren können, ohne ihre beste Qualität zu verlieren. Könnten Sie, mein junger Kollege ein Bild vergegenwärtigen, wenn ein 18-jähriges Mädchen, mit dem Sie sich gerade kennen gelernt haben, verkündet Ihnen, dass sein Vater heute seinen zweihunderten Geburtstag feiern sollte. Sagt solche seltsame Botschaft Ihnen nicht, dass Ihre junge Freundin eine Gesandte aus den Zeiten ist, wenn das Pferd ein Hauptverkehrsmittel des Alten Landes war. Also keine Ahnung von Fernsehen, Computer oder Internet. Sehen Sie darin nicht eine Zerstörung mehreren wichtigen sozialen Grundlagen, die meine Generation für etwas Unentbehrliches hielte? Man diskutiert heute die Satzungen der Firmen, die Spendesamen sammeln und bewahren, die an weiblichen Personen verkauft werden sollen. Diese Satzungen besagen, dass die Identifizierungsdaten der Spender nicht aufgedeckt werden dürfen. Diese Einstellung spricht aber dem allgemeinen Recht der Person wider, die Persönlichkeit ihrer eigenen Eltern zu erkennen. Um dieses Recht angemessen zu verstehen, sollte man sich etwas über die wahre frühere Gesetzgebung solcher Angelegenheit gegenüber verständigen. Z.B. davon, dass in Frankreich seit Napoléon Bonaparte der Code civil oder der Code Napoléon existierte, der den Ehemann der Mutter für den gesetzliche Vater des Kindes erklärte. Eine geschiedene Frau (was sehr selten der Fall war, weil die Kirche auf dem Wege stand und die Scheidung im Namen Gottes zu verbieten pflegte), die Kinder hatte, sie nach der abermaligen Heirat zum neuen Vater mitbrachte. Dort war also alles klar. Heutzutage gibt es, wie ich schon erwähnte, solche Mannigfaltigkeit der Gelegenheiten, dass die Bestimmung der Vaterschaft (und nicht selten auch der Mutterschaft) mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist. Dazu kommen auch die Versuche von mehreren Personen, die schon mit Spendensamen gezeugt worden waren, ihre biologischen Väter herauszufinden, was, prinzipiell gesehen, ihrem Recht entsprechen sollte“.

„Mr. Donovan, wie ich es kapieren konnte, besteht eine große Frage der westlichen Familie darin, für die Vater- oder Mutterschaft irgendwelche gesetzlichen Kriterien herauszufinden. Vielleicht ist diese Aufgabe realisierbar, aber es gibt eine Kehrseite der Münze und zwar sittliche – wie soll sich ein erwachsenes Kind empfinden, das die ganze Geschichte seiner Herkunft mit allen Samenspenden und Leihmütter in Betracht zieht. Ich sehe es ganz beleidigend und erniedrigend, sich wie einem Reagenzglaskind zu fühlen, stimmt es?“

„Ihr Zweifel ist auf jeden Fall gut begründet. Es ist sicher nicht einfach, alle Widersprüche dieser harten Diskussion auszugleichen. Einerseits kann man es nicht verbieten, einer Person alles über ihre Eltern wissen zu lassen. Andererseits aber soll sie einen Zugang zu „erschreckenden“ Manipulationen überlassen, die ihrer Geburt vorangingen. Solche „Entdeckung“ ist bestimmt nicht für die Menschen mit schwachen Nerven. Deswegen gibt es bis heute keine Einigkeit darin, ob der Staat in dieser Angelegenheit absolut ehrlich vor dem Bürger werden muss oder ob man irgendwelche Verfahren erfinden sollte, um alle Einzelheiten zu vertuschen. Ich sollte aber jetzt betonen, dass es sogar auf dem hohen staatlichen Niveau unterschiedliche Einstellungen gibt, indem einige westlichen Länder für die absolute Durchsichtigkeit in dieser Sache äußern, die anderen dagegen für eine vollständige Anonymität auszusagen bevorzugen. Man darf aber nicht, in dieser extrem komplizierten Frage etwas wie „es ist Geschmacksache“ formulieren“.

„Professor Donovan, haben Sie nicht im Rahmen dieser Diskussion ein Gefühl gespürt, dass die Eingeborenen, die keine Ahnung von solchen hoch intelligenten Versuchen haben, viel glücklicher sein sollten, als unsere Kultur mit aller deren Errungenschaften?“

„Diese einfachen Leute besitzen bestimmt solche phantastische Möglichkeit nicht, extrem wissenschaftliche Studien mit Samen und Eizellen durchzuführen. Wir dürfen sie aber nicht im Sinne ihrer Urteilskraft demütigen. Denn sie waren imstande, sehr vernünftige Normen und Regeln zu entwickeln, die ihr Familienleben sowie Vaterschaft in Ordnung bringen sollen. Es gibt, z.B. bestimmte Naturvölker in Afrika, deren Gesetze eine frühe Heirat erlauben. Eine Besonderheit solcher Eheschließung besteht darin, dass bevor ein Mädchen zu ihrem Ehemann übersiedelt, muss es bis zu drei Jahre lang einen Geliebten seiner Wahl haben. Diese Mädchenwahl wird offiziell anerkannt und von allen Bewohnern verehrt. Die junge Frau bringt ihrem Mann das erste Kind mit, das sie mit ihrem Liebhaber gezeugt hat. Das Kind wird aber als das Erstgeborene der gesetzlichen Familie gelten. Seinerseits kann ein Mann mehrere gesetzliche Familien haben. Im Falle, dass eine seine Frau oder alle Familienfrauen ihn verlassen, bleibt er trotzdem der rechtmäßige Vater aller Kinder, die sie später gebären könnten. Eigentümlich haben diese Einheimischen auch das Problem der Unfruchtbarkeit der Frau gelöst, indem der Ehemann sich mit einer anderen Frau verständigt, gegen eine Zahlung ihm ein Kind zur Welt zu bringen. Es ist nicht schwer, eine nahe Ähnlichkeit mit der Leihmutterpraxis in den westlichen Ländern zu sehen, deren Rechte aber im Voraus streng verordnen sind. Die Westler streiten aber immer wieder, ob diese „Dienstleistung“ kostenfrei oder bezahlbar sein sollte. Das heißt, die Eingeborenen können bestimmte Fragen noch plausibler lösen. Bei einigen anderen afrikanischen Naturvölkern wurde eine Verlegenheit mit der fruchtlosen Frau sehr praktisch gelöst – sie bekommt ein zielgerichtetes Geschenk in Form eines Viehs, das sie anscheinend für die Heirat ihrer Nichten als eine Mitgift anwenden sollte. Tatsächlich kauft sie dafür eine Frau, die ihr mithilfe ihres oder eines fremden Mannes Kinder gebären wird. In manchen Fällen profitieren davon die Leihmütter, die durch solche nützliche „Hilfsaktion“ ziemlich reich sein könnten. Es gibt aber eine weitere Möglichkeit, wenn die rechtmäßige Familie diese Leihmutter in ihre Gemeinschaft eingliedern wollte. Dann bekommt das neue Familienmitglied eine gute und vollständige Unterkunft und Verpflegung und die Hausleute brauchen nicht mehr, etwas für die nächsten Kinder zu bezahlen. Die Völkerkundler beschrieben auch gewisse andere Beispiele, die wir mit der modernen Methode der Postumzeugung gegenüberstellen könnten. Es handelte sich dabei um eine gespenstische Heirat des verbliebenen Bruder mit der Witwe des Verstorbenen oder (wenn der Tote noch nicht verehelicht worden war) mit einer anderen Frau, in dessen Namen. Das neugeborene Kind wird für den Erben des Toten erklärt. Natürlich zweifeln diese einfachen Personen nicht daran, dass in diesem Kind die Seele des Gestorbenen sich gleich wiederverleiblicht werden sollte. Übrigens verheimlichen die Familienangehörigen den Name der wirklichen Erzeuger vor dem erwachsenen Kind, was unter genannten Umständen keine wichtige Rolle spielen sollte. Eher verstärkt es noch die Vorstellung von Übersiedlung der Seele. Darüber hinaus sehen sie in diesem Wunderakten eine göttliche Vorsehung, die dem Neugeborenen ein glückliches Schicksal bescheren soll, dadurch er oder sie unter besonderem Schutz des Himmels stehen wird. Wir kennen auch einige indianische Stämme, die dem Mann ein Recht überlassen, gleichzeitig oder hintereinander mehrere Schwestern oder eine Mutter und deren Tochter aus einer vorherigen Verbindung zu heiraten. Der Unterschied zum Abendland besteht aber darin, dass diese Frauen ihre Kinder gemeinsam erziehen, ohne sich darüber Gedanken zu machen, ob das Kind, um das diese oder jene Frau sich kümmert, das ihre ist oder das einer anderen Gattin ihres Mannes. In dieser Verhaltensweise sehe ich eine größere Hochherzigkeit und ein richtiges Mitgefühl, als wir gewöhnlich bei unseren Menschen sehen könnten. Nicht weniger human, nach meiner Auffassung, benehmen sich einige Insulaner des Indischen Ozeans, wo mehrere Brüder eine einzige Ehefrau haben können. Interessanterweise werden alle Kinder dem ältesten Bruder gehören, den sie Vater nennen. Alle sonstigen Ehemänner nennen sie Onkel. Es gibt dabei keiner Streitigkeit gegenüber persönlicher Vater- oder Mutterschaft, denn alle Beteiligten finden diese Regel für sinnvoll“.

„Mr. Donovan, alles, was Sie mir gerade erzählt haben, zeigt eine prinzipielle Analogie zwischen diesen natürlichen Völkern und uns, obwohl unsere Kulturen sich stark unterscheiden sollen. Was noch wichtiges können wir von diesen Menschen erkennen?“

„Wissen Sie, Jens, ich sollte diese Frage von Ihnen erwarten, weil sie für die Vertreter unseres Berufs ganz logisch aussehen. Unsere Kollegen Anthropologen untersuchen sterbliche Überreste Menschen der früheren irdischen Epochen und versuchen, sehr bedeutende Schlussfolgerungen aus ihren Begrabungen herauszuziehen. Bildlich ausgedrückt, verkehren sie sich mit den Schädeln und Knochen dieser uralten Menschen, die ihnen kein Wort mehr zu sagen vermögen. Uns wurde es in diesem Sinne viel mehr geglückt, denn wir haben eine gute Chance bekommen, Menschen, die in sich praktisch eine riesige tausendjährige Geschichte aufrechtzuerhalten vermochten, kennen zu lernen. Es ist ein großer Vorteil unseres Fachgebietes, mit dem wir nicht nur unsere eigene Geschichte, sondern auch unsere aktuelle Charakterzüge und Gewöhntheiten besser zu verstehen fähig werden. Diese Völker sind unser Ausgangspunkt und Vergleichsmaterial für die Abschätzung, wie wertvoll und hoch entwickelt unsere Kultur tatsächlich ist. Sie sollten, uns vor der Selbstbewunderung und dem Eigensinn schützen. Wir haben unbedingt einen riesigen Fortschritt gemacht und dank der modernen Wissenschaft und Technik märchenhafte Maschinen und Einrichtungen erfanden. Allerdings können wir uns nicht mit dem gleichen Erfolg in allen moralischen und humanistischen Angelegenheiten prahlen. Ganz im Gegenteil können eher diese Menschen, die wir manchmal aus Gewohnheit als primitiv abstufen, einen nützlichen Unterricht erteilen. Sie sind üblicherweise armselig und machtlos. Gleichzeitig verstehen sie viel besser ihre Umwelt und machen alles Mögliches, um sie zu schützen und bewahren. Sie kapieren perfekt die dringend nötigen Bedürfnisse der Tiere und Pflanzen und helfen ihnen immer wieder zu überleben. Wir sind häufig reich und bevorzugen, unseren Reichtum für eine noch größere Bereicherung anzuwenden. Wenn wir damit tausende unserer Mitmenschen auf die Schwelle der tiefen Schlucht verhelfen müssen oder für die Welt der Tiere und Pflanzen unerträgliche Lebensbedingungen schaffen, ist uns wahrscheinlich scheißegal. Unser Forschungsbereich habe natürlich keine Absicht, moderne Menschen wieder zurück in die grausamen mittelalterlichen Zeiten unterzutauchen. Nein, wir sind in der Lage, durch die Erforschung altes Stammen unsere eigenen Fehler deutlich zu erkennen und unsere Kultur fördern, sie zu korrigieren“.

„Professor, was ich von Ihnen heute wirklich erkennen könnte, betrifft grundsätzlich moralische und soziale Aspekte, wo eine sich schnell entwickelnde Gesellschaft manchmal absichtlich, manchmal aus Versehen gewisse ärgerliche Fehler machen kann. Aber, ich glaube, Sie können nicht bestreiten, dass in allen Fragen der Wirtschaft unsere Kultur ihre vollkommene Überlegenheit bewiesen habe?“

„Wenn Sie von einer Massenproduktion reden, gibt es keinen Zweifel an der Richtigkeit Ihrer Äußerung. Aber lassen wir uns, auf unsere Wirtschaft von einem anderen Gesichtswinkel anschauen. Wir haben unbedingt eine perfekt entwickelte Technologie, die uns Verbraucher mit allen notwendigen Waren und Dienstleistungen zu versorgen pflegt. Deswegen sind wir davon überzeugt, dass alle unsere Lebensmittel und andere Produkte immer sehr frisch und ungefährlich bleiben. Sprechen wir heute nicht über großen Skandalen, die ab und zu in einer oder anderer Branche entstehen, die unsere feste Überzeugung vermindern lässt. Die Kontrolleuren beschwerden sich jedes Mal, dass ihre Zahl unzulässig klein ist, um alle Erzeugnisse zu überprüfen und zu analysieren. Wir haben unsere Umwelt durch unsere industrielle Wirtschaft (und heutige Landwirtschaft ist auch hoch industrialisiert geworden) so stark verschmutzt haben, dass es wirklich keinen Sinn mehr gibt, tausende ökologische Gifte in unserem Essen zu analysieren. Sonst würden die Preise von allen unseren Produkten ungeheuer groß, weil den Löwenanteil des aktuellen Preisaufschlags die großen Gehälter der Kontrolleure fressen sollten werden. Das tut uns nicht gut. Also vergessen wir das Problem und die riesige Zahl der Kontrolleure. Diskutieren wir nun kurz und gut unsere wirtschaftlichen Gewinne und Errungenschaften, die zu Aussterben von mehreren Tier- und Pflanzenarten sowie zu Umwelt- und Klimakatastrophen führen. Wir nutzen eine gigantische Menge von Fachkräften, die alle Bereiche der Umwelt beharrlich untersuchen und präzis analysieren sollen. Woher soll überhaupt diese Notwendigkeit vorkommen? Es passiert überwiegend deswegen, weil die Hersteller üblicherweise kein Interesse an diesen „unwichtigen“ (nach ihrer nicht sachkundigen Auffassung) Dingen haben. Was denken Sie, mein junger Kollege, darüber nach, kann solche Begleiterscheinung endlos dauern? Sicher nicht – es führt zu einem bestimmten Ergebnis und zwar zu einer Weltkatastrophe. Denn die Umweltgifte sammeln und konzentrieren sich immer stärker in unserem Wasser und Lebensmittel bis die Sterblichkeit davon in die himmlische Höhe steigt. Dann werden Staatsregierungen noch größere Kräfte von Fachleuten für die Rettung der Bevölkerung überlassen müssen. Es bleibt aber fraglich, ob sie in der Tat die Lage wieder in Ordnung zu bringen fähig werden. Ein kaum günstiges Szenario, muss ich sagen. Nun kucken wir mal auf diese Naturvölker. Unsere Zivilisation spottet, dass diese Unwissenden eine bebende Angst vor ihren Gottheiten haben, die ihnen angeblich alle überflüssige Menge von Tieren und Pflanzen auszubeuten sowie die Natur beschmutzen verbieten. Natürlich kann ich nicht behaupten, dass die Angst gut ist. Trotzdem sollte sie bei diesen Menschen gut funktionieren. Als ein guter Beweis dafür kann ich Ihnen den Vergleich vorstellen, der uns eindeutig zeigt, dass die reinsten Zonen auf der Erde, wo gleichzeitig die größte Vielfalt der biologischen Arten aufrechterhalten werden kann, sind diese von Eingeborenen geblieben. Gerade auf diesem Grund wiederhole ich ständig meinen Studenten, dass unser verblüffender Fortschritt tatsächlich eine schlimme Zeitbombe ist, die wir für die künftigen Generationen vorbereiten. Ich selbst bin schon längst ein Mitglied und Befürworter des Club of Rome, einer großen internationalen Organisation, die sich für die Beschränkung des Wachstums der Wirtschaftsproduktion kümmert. Unser Planet ist eine sehr seltene Erscheinung des Universums. Doch seine Möglichkeiten sind viel weniger, als wir noch vor hundert Jahren vorstellen könnten. Unsere Weltbevölkerung vergrößert sich so schnell, dass die Menschheit sich schon im nächsten Jahrhundert von dem Hunger bedroht wird. Und gemeinsam mit den echten Problemen, über die ich Ihnen gerade erzählt habe, können wir vor unserem physischen Überleben bangen. In diesem Sinne zeigen uns diese Naturvölker ein musterhaftes Beispiel davon, wie wir mit der Umwelt umgehen müssen. Wenn wir keine Furcht vor dem Gott zu haben vermögen, sollen wir eine erweiterte Liste von Verboten ausarbeiten, die unsere Willkür der Natur gegenüber gewaltig beschränken musste. Das heißt, Strafmaßnahmen verstärken sowie Korruptionsfälle effizient bekämpfen“.

„Mr. Donovan, könnten sie vielleicht einige Beispiele des früheren Stammens nennen, die für uns aufschlussreich werden könnten?“

„Die Anthropologie befestigt uns mit den Kenntnissen, dass schon vor tausenden Jahren in verschiedenen Regionen der Zentral- und Südamerikas große Zivilisationen existierten, die hervorragende landwirtschaftlichen Systeme entwickelt hatten. Dort war nicht nur erfolgreich eine Böden Bewässerung eingeführt worden, die die zahlreiche Bevölkerung vor den schweren Missernten vollständig gewährleistete, sondern eine reiche Fischerei in den nah liegenden Kanälen ermöglichte. Für uns könnte es wie einem Hinweis dafür dienen, wie man aus relativ kleinen Ackerflächen ausreichende Ernte für tausende Menschen bekommen konnte. Diese uralten Völker zeigten uns vielleicht das erste Beispiel dafür, wie gut und komplex man die komplizierten Problemen der Massenernährung lösen konnte. Man kann darin ein Prototyp der modernen verschlossenen Zyklen vorstellen, die heute bei vielen Ökologen in hohem Ansehen stehen. Solche letzten Forschungsprojekte werden von renommierten Förderstiftungen finanziert. Ein unterscheidendes Kennzeichen dieser uralten Gesellschaften bestand darin, dass sie keine Verallgemeinerung für die verschiedenen Gebiete forderten. Ganz im Gegenteil versuchten sie stark, die lokalen Bedingungen maximal auszunutzen, um gleichzeitig mehrere Aufgaben zu erfüllen. Uns erwartet noch eine schwierige Erforschung, die darauf gezielt wird, einen Zusammenhang zwischen diesen Kulturen, die allgemein als ausgestorbene gemeint worden waren, mit den bis jetzt existierenden Naturvölker herauszufinden versuchen“.

„Ehrlich gesagt, Professor Donovan, scheint mir tatsächlich diesen Zusammenhang nicht offensichtlich. Ich wurde bis dahin der Meinung gewesen sei, dass diese noch lebenden Naturvölker nicht besonders von allen technischen Neuigkeiten zu profitieren bestrebt sind. Außerdem zeigen sie sich manchmal wie zurückgebliebene Gegner des Fortschritts, die in ihm einen Zerstörer ihrer Freiheit sehen wollten“.

„Es ist eine ziemlich genaue Beobachtung. Doch ich sehe die Wurzeln solches ungünstigen Widerstandes irgendwo anders. Nach meiner Auffassung fürchten sie vor allem, dass solche Novitäten ihre innere Einheit zugrunde zu bringen drohen. Denn sie finden ihre Ausgeglichenheit und Ruhe wie einen Zustand der Natur, die sie umgibt. Sie alle entwickelten sich nach bestimmten Gesetzen, die ihnen Götter vom Himmel unterbringen. Sie haben ausreichend alles, was sie brauchen und wollen keineswegs etwas Überflüssiges. Deshalb verzichten sie sich auch auf jeden Wettbewerb, der in sich Streiten und Feindseligkeit verbergen kann. Auf jeden Fall wäre es ungerecht, ihnen entweder Untätigkeit oder einfache Gleichgültigkeit zuzuschreiben. Wenn sie eine Abneigung gegen moderne technische Einrichtungen zeigen, soll es einen Vorzug für die Natur bedeuten, die sie viel besser kennen und mögen. Sie ahmen häufig den Tieren und Naturerscheinungen nach und dieses Verhalten sorgt gewöhnlich für ihren Erfolg bei der Jagd und bei den Stürmen. Sie täuschen den Vögelgesang vor und die befiederten teilen ihnen deren wichtige Botschaften mit. Wenn bei den hoch entwickelten Nationen das „know how“ von großer Bedeutung sein sollte, was mit anderen Worten das Wissen verheimlicht, wie man mit einem Minimum an Aufwand eine Sache praktisch verwirklichen kann, sollten viele Fertigkeiten und Erfahrungen dieser einheimischen Menschen einem riesigen „know how“ entsprechen. Für die westlichen Leute wird jede von diesen Verfahren ein schweres Rätsel gewesen, das sie kaum ohne eine spezielle „Schulung“ zu lösen vermögen. Ihre für uns manchmal nicht besonders komplizierten Handlungen, seien sie Holzschneiderei oder Töpferware, erweisen eine logische Ergänzung der Natur in deren merkwürdigen Formen, die unwillkürlich unser Lächeln hervorrufen. Und dieses Lächeln ist gerade das, was sie mit ihrer Kunst erreichen wollen, weil es zum Versöhnen und zur Einheit führen muss. Warum erkennen wir oft in ihren Erzeugnissen etwas Märchenhaftes und Phantastisches? Weil diese Geister und Götter für sie gleich materiell wie alles anderes in der Natur scheinen. Eine aufmerksame Beobachtung dieser Stamme lässt uns bei ihnen solche ungewöhnlichen Eigenschaften bemerken, die wahrscheinlich für unseren fernen Vorfahren, die schon längst ausgestorben sind, eigentümlich waren“.

„Wollen Sie, Mr. Donovan, damit sagen, dass sie für die ganze Welt offen und gutgelaunt sein sollten?“

„Nein, das habe ich nicht gemeint. Eine verschlossene Gesellschaft entspricht viel mehr ihren Vorstellungen von Glück und Freiheit. Diese ziemlich seltsame und für uns altmodische Einstellung kommt von deren Geistlichen vor und wurde anscheinend unmittelbar von Göttern gesendet worden. Diese Lehrer des Volkes verfolgen dabei selbstverständlich ihre eigenen Ziele, die nichts Gemeinsames mit der Offenheit zur Welt haben könnte. Solche unkultivierte Ansicht spiegelt sich allerdings in mehreren modernen Gesellschaften wider, besonders in denen, wo diktatorische Regime herrschen. Sie erklären für ihre Staaten einen eigenartigen Weg, der mit keinem anderen verglichen werden könnte. Auf diesen Grund brauchen sie keine engen Verhandlungen mit der ganzen Weltöffentlichkeit und sorgen vermeintlich ausschließlich um seine eigene „geliebte“ Bevölkerung. Üblicherweise stimmt solche erhabene Äußerung aber nicht überein, denn die regierende Elite nutzt solche verlogene „Kunst“, das Volk durch leidenschaftliche Reden zu verführen, überwiegend nur dafür, um eigene Korruption und Bereicherung zu vertuschen. Obwohl die Geistlichen bei den Naturvölkern gewöhnlich kein großes Interesse für den Reichtum erweisen, sind ihre einschläfernden Wortschwalle eine eigentümliche Ideologie, die deren Macht zu verschärfen sucht. Viele unsere Studien zeigen, dass sie grundsätzlich erfolgreich ihre Aufgaben erfüllen können, weil die ganze Bevölkerung vollkommen mit ihnen einig ist und ihre führende Stellung unterstützt. Im völkischen Verstand verknüpft sich ihre herrschende Position mit der Vorstellung von Gleichgewichtssicherheit und Beständigkeit. Diese einfachen Menschen brauchen unbedingt keine Änderung, mit der sie bestimmt eine Verschlechterung der Lebensumstände verbinden. Ganz unerwartet genießen diese unwissenden Leute vollstänig die unzerbrechliche Ordnung, die sonst für die entwickelten Nationen typisch sein sollte. Außerdem sehen sie in allen Naturkatastrophen die Wirkung von bösen Kräften, die diese Weltordnung zu beseitigen suchen. Vielleicht zählen sie manchmal dazu auch die zivilisierten Länder, wo man durch ständige Innovationen aus seiner eigenen Vergangenheit zu entgehen versucht. Dagegen wollen sie, weiter mit ihren Vorfahren (mindestens mit deren Geistern) zusammenleben und ihre heiligen Vermögen sich zugunsten ausnutzen. Im Grunde genommen sind sie imstande, etwas Ungünstiges in dem westlichen Fortschritt zu verspüren, was ihnen fremd ist. Aber die reelle westliche Evolution bestätigte viel ihre Befürchtungen. Unendliche Machtergreifungen, gewaltige Revolutionen und Aufstände, Kriege und Kämpfe, die das Leben von hunderten Millionen Menschen forderten, ließen dem vernünftigen Teil der Menschheit zweifeln, ob es tatsächlich notwendig werden sollte. Nicht weniger riskant waren alle großen Errungenschaften der Wissenschaft, wo sich jede neue Erfindung schnell in die Waffe gegen die Menschheit umwandelte. Ermordung und Zerstörung wurden zum zweiten Janusgesicht unseres Fortschritts. Sogar solche wohlgemeinte Fachgebiet wie Genetik, das angeblich für die Gesundheit und das Wohlbehalten aller Lebewesen sorgen sollte, scheint seine Hoffnungen nicht zu erfüllen“.

„Diese Schlussfolgerung klingt für mich aber unbegründet. Diese Richtung sollte nach meiner Auffassung Millionen todkranken Menschen retten oder große Risiken zu verbeugen helfen. Was meinen Sie, Mr. Donovan; damit?“

„Beruhigen Sie sich; bitte, mein junger Freund, ich hole mich auf keinen Fall zum Schlage gegen diese humane Seite der Genetik aus. Es handelt sich dabei um ganz andere Seite dieses Gebiets und zwar um die neue ernste Denkweise, neue Menschen zu schaffen. Weil es mit den genetischen Methoden gemacht werden könnte, sollten die veränderten Gene an Nachkommen weitergeben. Übrigens haben wir vor kurzem über die Spermien, Eizellen und Embryo gesprochen. Sie alle erweisen die so genannte Keimbahn, die letzte Zeit für den Gegenstand der Versuchen geworden war. Die Ethikkommissionen mehrerer westlichen Staaten schlugen Alarm und forderten, ein eiliges Moratorium auf alle ähnlichen Studien zu erlangen. Doch viele Forschungseinrichtungen waren dagegen. Sie meinten, dass wir mit solcher Maßnahme auch die extrem nützlichen medizinischen Experimente unmöglich machen. Nach heißen Debatten zwischen allen Meinungen wurde ein Abkommen getroffen, das erstmal das Schaffen neuer Menschen den Einhalt gebot, allerdings wurde die Forschung an Embryos weiter erlaubt worden. Es gibt aber einen großen Vorteil unserer modernen Gesellschaft im Vergleich zu naturvölkischen, die meistens nach der Meinung der Geistlichen weiter gehen. Wir hören bei wichtigen Angelegenheiten nicht selten der Meinung der breiten Öffentlichkeit zu, die, ehrlich gesagt, viele Forschungen mit ihrem Geld bezahlt. Diesmal sollte der Streit um die extrem feinen Mechanismen der Gentechnik sein. Vor einigen Jahrzehnten wurde eine interessante Bakterie herausgefunden, die genetische Experimente zu erleichtern versprach. Die Einzellige ließ unterschiedliche Viren in sich eindringen. Die Letzten benahmen sich in dieser Wirtzelle nicht wirkungslos – sie versuchten von Anfang an, den genetischen Code der Bakterie zu ändern. Zeit der Evolution gelang es aber mehreren Bakterien, einen verlässigen Schutzvorgang herauszufinden, der einen Abschnitt des Erbguts präzis auszuschneiden ermöglicht. Weitere Studien zeigten, dass die gleiche Leistungen der bakteriellen Zellen kann man jeder lebenden Zelle übergeben, sei sie von Pflanzen, Tieren oder Menschen. Das heißt, dass man auch menschliche Zellen mit dem gestörten Erbschatz sorgfältig reparieren lassen kann. Praktisch kann man ein geeignetes molekulares Instrument für Reparatur jedes benötigten Abschnitts aussuchen. Wenn diese Gelegenheit für das breite Publikum veröffentlicht worden war und ihre grenzlose Fähigkeiten für die Medizin (und mehrere andere Anwendungen) verständlich wurden, verschärften sich Debatten erneut“. Der Student unterbrach für das nächste Mal seinen Mentor mit der Notiz:

„Es ist kein Wunder, Professor Donovan, dass viele potenzielle Patienten dieser Humangenetiker fürchten, dass man mit ihnen etwas nicht Richtiges machen könnte. Wissen Sie, wenn ein Chirurg ihnen einen Eingriff zu machen beabsichtigt, sind sie darauf in der Lage, absolut genau wissen zu lassen, wie gut oder schlecht in der Tat diese Operation geschafft worden war. Ganz andere Sache erweisen Handlungen Molekularbiologen. Denn ihre Leistung wäre sehr schwer zu kontrollieren. Deswegen gibt es ein weites Feld für die Manipulationen in diesem Bereiche der Wissenschaft“,

„Unser Fachgebiet, muss ich Ihnen zugestehen, beinhaltet nicht weniger Möglichkeiten für eine Reihe von Manipulation wie die Molekulargenetik. Ich bin trotzdem der Überzeugung, dass jede Forschungsgattung nur von der Anständigkeit der Person abhängig wird (sicher mit günstigen anderen Bedingungen). Wenn man bei der Abschätzung einer Forschungsarbeit noch mit dem Misstrauen zur Persönlichkeit selbst konfrontieren sollte, würde es ein Todschlag für unsere Zunft gewesen. Aber zurück zu unserer Frage. Ich bin nicht der Verfechter von unbegründeten Beschuldigungen. Wenn die Forscher, die beharrlich mit ihrer Arbeit beschäftigt sind, sich zusätzlich gegen Laienschar schützen müssen, wird ihr Leben zum Tortur geworden. Jene Kreativität braucht einen gewissen Grad der Freiheit – unter einer starken Schießerei der Kritik kann man keine Forschung machen. Natürlich kann ein krankes Gehirn irgendwelche phantastischen Chimären erfinden wie „Menschen nach Maß“ oder „Designer-Kinder“. Einige davon können sogar von phantastischen Computer Programmierung der sozialen Schichten reden. Unsere Zivilisation ist stark genug, um solche unsinnigen Ideen auszurotten. Eine von wenigen Aufgaben, die man von diesen genetischen Studien erwarten könnte, betrifft Behandlung von gefährlichen Erbkrankheiten, die nur mit solchen Methoden zu kurieren möglich wäre. Was noch vorstellbar sein könnte, wird mit der Korrigierung von genetischen Defekten in Embryos verbunden. Aber schon heute untersuchen Forscher im Reagenzglas unterschiedliche genetische Veränderungen, die bei schweren und unheilbaren Erkrankungen wie Alzheimer, Leukämie oder Diabetes stattfinden. Neue Gentechniken geben die Hoffnung auch für die Behandlung solcher heimtückischen Leiden“.

„Solche zielgerichtete medizinische Einstellung konnte sicher keinen Widerspruch bei der breiten Bevölkerung erheben. Aber, Professor Donovan, nicht nur diese extrem komplizierten Probleme der Genetik verhehlen in sich meist unterschiedliche Seiten. Auch unser Fachgebiet ist auch reich an Gegensätze, die sich in mehreren Veröffentlichungen wie ein roter Faden durchziehen. Sind wir nicht imstande, sie zu entgehen?“

„Wissen Sie, mein junger Kollege, ich sehe keinen Sinn, unseren heißen wissenschaftlichen Streiten den Garaus zu machen. Ganz im Gegenteil sehe ich darin die Treibkraft unseres Berufs. Worin besteht eigentlich das richtige Ziel unserer Forschung? Wir beobachten Gesellschaften auf einer viel niedrigeren Entwicklungsstufe wie unsere eigene. Für diese Naturvölker sollen ihre Religionen eine bedeutende Rolle spielen, die wir in allen ihren Lebensfunktionen analysieren sollen. Gewöhnlich setzen sich diese Religionen aus einer Vielfalt der Mythen und Riten zusammen. Wenn wir von unserer intellektuellen Ansicht alle diesen Riten und Erzählungen zu betrachten verstehen, können wir eine wichtige Schlussfolgerung herausziehen, dass diese eher zufällige Sammlung absolut ohne wechselseitige Verbindungen gemacht worden war. Das heißt, wir müssen sie unbedingt mit den Augen der Menschen anschauen, die mit ihr erwachsen und erzogen worden waren. Das ist der einzige Weg, um irgendwelche tatsächlich angemessene wissenschaftliche Spekulationen zu entwickeln. Wenn solche Auffassung uns gelingt, werden wir in der Lage sein, essentielle Zusammenhänge in allen anscheinend unverbundenen Kenntnissen richtig zu kapieren. Wir werden eine bestimmte Logik darin sehen, die viele merkwürdigen Mythen aus dem grauen Altertum ziemlich nah und verwandt miteinander zu vereinen fähig sein werden. Wir decken tief versteckte Beziehungen auf, die auch die einzelnen Mythen viel einfacher zu verstehen ermöglichen, als es uns zuvor scheinen könnte. Wir haben uns gewöhnt, mit den wissenschaftlichen Fakten und Hypothesen zu verkehren, die allerdings mit dieser alten Welt nicht zusammenpassen, weil sie eher auf bildlichen und sinnlichen Wahrnehmungen gegründet sind. Unsere Ideenbeziehungen sehen hier zu kompliziert aus, denn man handelt mit reellen und konkreten Vorstellungen, die alle eingebildeten Szenen im Himmel gleich so materiell wie bei seiner eigenen Familie verstehen kann. Seine Geister und Götter sind auf keinen Fall etwas Fremdartiges, sie sind tief ins Leben des Volkes eingeschlossen und nehmen freiwillig im Alltag teil. Deswegen wird ihre Denkweise auf den sensorischen Eigenschaften aufgebaut sein. Alle diese endlosen Farben, Gerüche, Geräusche und Geschmacksunterschiede werden bei ihnen, wie bei unseren großen Sprachenkenner (die in ihren Köpfen vielbändiges Lexikon bewahren) ein echtes Kaleidoskop der Empfindungen und Emotionen auslösen. Sie stellen alle diesen Reflexionen zusammen und drücken sie mit reichen Gesten und Mimik aus, was ihre Stammverwandte ganz angemessen zu kapieren vermögen. Etwas Ähnliches sollte bei der Erzählung von Mythen passieren, die einen gleichen Eindruck auf alle Zuhörer schinden sollen. So verstehen sie leicht den tiefen Sinn einer Reihe von Legenden, die sich um eine verbotene Liebe handelt, die die Grenze zwischen dem Leben und Tod durchzubrechen imstande wird. Diese Liebe erweist sich dabei wie ein gewisses Wesen, das ganz unabhängig und selbstständig existiert und das Schicksal der Liebenden beeinflussen kann. In unterschiedlichen Modifikationen können sich die Verliebten in einen Leib vereinen, der sich unter bestimmten Umständen wieder in zwei getrennten Körpern umgewandelt werden kann. Der Tod wird auch personifiziert, um wirkliche menschliche Eigenschaften zu prüfen. Wir finden komischerweise etwas Ähnliches in den großen Werken unserer Literatur, was bestimmte Parallelen zwischen unserer Kultur und der der Eingeborenen ziehen lässt. Eine Analogie mit diesem Sujet gibt es auch bei gewissem indianischem Stämmen, wo die Protagonisten ein Sternbild erweisen, in dem eine Liebesstory vonstatten gehen sollte. Nicht weit davon entfernt stehen auch die Mythen, wo die Helden bestimmte Flecken auf der Sonne sind. Nicht selten stellen die Liebenden Geschwister vor, was eine inzestuöse Besonderheit dem Mythen verleihen sollte. Welche Funktion solche blutschänderische Begleiterscheinung dabei haben sollte, bleibt aber umstritten. Eine große mündliche Anthologie der Mythen sollte für die Einheimischen ursprünglich eine Art von hoher Ausbildung bedeuten, die eine passende Antwort auf alle Lebenssituationen geben könnte. Außerdem erwiesen solche Folklore einen Wegweiser, mit dem man sittliche Probleme des Daseins zu lösen vermochte. Sie war einigermaßen ein Vorläufer der biblischen „Zehn Geboten“, wo alle Verhaltensnormen ihren genauen Ausdruck bekommen haben. Im Unterschied zu Naturvölkern sahen die Vertreter der westlichen Zivilisation nicht besonders großen Sinn in ihrer eigenen alten Mythologie. Dagegen haben sie einen eigenen Weg ausgewählt, der die wichtigsten Fragen des Universums und der menschlichen Gesellschaft mit wissenschaftlichen Methoden zu lösen versuchte. Diese vorangekommenen Gesellschaften wollten nicht untätig die Welt beschauen bis Götter sie zu beglücken beabsichtigen. Sie fühlten sich imstande zu sein, diese göttliche Welt richtig zu erkennen und sich zugunsten zu verändern Schon ihre ersten Handlungen in dieser Richtung zeigten, dass ihre Absicht realisierbar werden könnte. Man konnte tatsächlich, physikalische Gesetze der Erde und des Weltalls entdecken und ihre Kraft in seinem Alltage anwenden. Die Umgebung, in der diese fortschreitende Gesellschaft lebte, war vielseitig, um sie mit einer einzigen Lehre oder Theorie zu beschreiben. Auf diesen Grund entstanden zahlreiche Gattungen der Wissenschaft, die sich mit konkreten Wissensgebieten beschäftigen sollten. Außerdem versteckte die Erde in sich alles, was Mensch für seine gute Verpflegung und sein Wohlbefinden benötigte. Dieser Reichtum der Natur forderte aber auch unterschiedliche Formen menschlicher Arbeit. Diese Gesellschaft war aber sehr wissbegierig der eigenen Geschichte gegenüber, sie wollte ihre Vergangenheit so ausreichend kennen zu lernen wie die Natur. Diese Aufgabe wurde aber viel komplizierter gewesen, weil jedes Ereignis der vorigen Zeit eine vernünftige Erläuterung brauchte, die allerdings stark von den individuellen Eigenschaften des Forschers abhängig war. Mit anderen Worten konnte man in einem Krieg oder Aufstand entweder positive oder negative Seiten zu betonen bevorzugen. Deswegen wurden nicht selten dieselbe Begebenheit nach der Machtübergabe vollkommen umgeschrieben worden. Aber was ist eigentlich eine übergearbeitete Geschichte? Eher eine Abart des Mythos, der kaum besonders glaubwürdig sein sollte. Wenn es tatsächlich der Fall ist, dass wir unserer Geschichte nicht die gleichen Eigenschaften, z.B. Echtheit oder Objektivität wie denen der exakten Wissenschaften, zuschreiben können, verliert sie erheblich an ihrem Wert. Trotzdem setzten wir weiter die Forschung im Bereiche der historischen Wissenschaften fort und bekommen immer wieder neue Ergebnisse. Es ist ein nächster Beweis dafür, dass die alte mythische Tradition der Eingeborenen auch in unserem Verstand eine starke Spur hinterlassen sollte. Unsere Zugehörigkeit zu derselben biologischen Gattung Homo sapiens, wie unsere verwandten Naturvölker, sorgt fürs eingebürgerte Vorurteil mit festen Vorstellungsklischees, die uns fast bei allen Tätigkeiten begleiten. Praktisch gesehen, sollte es bedeuten, dass jede politische Partei oder sogar jedes Individuum ihre eigene Ansicht auf allgemeine Geschichte der Menschheit sowie auf einzelne ihre Episoden haben könnten“.

„Mr. Donovan, meinen Sie damit, dass diese Neigung zu Vorurteilen eine exklusive Eigentümlichkeit der Geschichte ist. Wollen Sie sagen, dass die exakten (wie Sie genannt haben) Wissenschaften dieses Mangels bar werden sollen?“

„Nein, das habe ich auf keinen Fall gemeint. Wenn wir mit unserer Weltanschauung des 21. Jh. die früheren Vorstellungen über die Hauptweltgesetzen betrachten, sollen wir die Schlussfolgerung ziehen, dass sie auch voll von Vorurteilen waren. Heute suchen große internationalen Teams mithilfe riesiger Teilchenbeschleuniger nach fundamentalen „Ziegelchen“ des Universums, was einige Gesetze der Physik, die zuvor verewigt worden waren, für ungültig erklären könnten. Interessanterweise nutzten aber diese bedeutenden Grundlagenforschungen manchmal solche Vermutungen, die an alten Mythen erinnern können. Ist diese Begleiterscheinung zufällig oder gibt es in der Tat eine Analogie zwischen geistlichen Vorstellungen von natürlichen Völkern und moderner Wissenschaft? Ich bin der Auffassung, dass unser menschliches Gehirn so komplex organisiert wird, dass es in sich einigermaßen alle Etappe der Evolution widerzuspiegeln vermöge. Wie wir es begreifen können, nahm die Mythenepoche einen großen Zeitraum von mehreren Jahrtausenden unserer Geschichte ein, was auch für die Evolution eine sehr wesentliche Zeitspanne erweisen sollte, um irgendwelche festen Klischees aufzubauen. Es ist nicht einfach zu urteilen, ob wir diese Mythologiegeschichte zu unseren Nach- oder Vorteilen zuschreiben sollen. Ich sehe beides für möglich, denn einerseits entstellten sie unser heutiges realistisches Weltbild und andererseits gab sie uns die wertvolle Fähigkeit, unterschiedliche schöne Gestalten einzubilden. Vielleicht sorgte gerade die letzte dafür, dass auch unsere modernen Zeitgenossen die Struktur des Weltalls aufdecken können“.

Diese freundlichen Gespräche mit einem renommierten Ethologen gehörten bestimmt zur dieser allgemeinen Ausbildung des jungen Jens Schattenbach, die der künftige Forscher von Anfang an hoch schätzte. Noch mehrere Jahre danach erinnerte er sich an bestimmte Äußerungen des Professors und wurde begeistert, wie fest sie in seinem Gehirn gelagert worden waren sowie ihn zu beeinflussen fortsetzen vermochten. Besonders seine tiefen Gedanken über die unentbehrliche Rolle, die die uralten Mythen für die Menschheit weiter spielen könnten. Merkwürdigerweise fand er immer neue Aspekte dieses Zusammenhangs in unterschiedlichen Bereichen menschlicher Kultur. Das jüngste Beispiel betraf ein Gemälde von Caravaggio. Diese unbedingt bemerkenswerte Geschichte vereinte verschiedene Seiten menschlichen Wesens in sich. Gleichzeitig versteckte sie etwas Mystisches, was man auch auf das Konto mythischer Erzählungen zuschreiben könnte. Das Sujet dieser Geschichte war aber dadurch erschwert worden, dass das Bild seltsamerweise nach dreieinhalb Jahrhundert seiner Schöpfung von seinem Platz spurlos verschwand. Dieses Ereignis bedeckte sich reichlich mit mehreren Gerüchten, die allerdings kein Licht auf sein Verschwinden zu werfen vermochten. Der Besucher der kleinen Kirche in der Altstadt von Palermo, der Hauptstadt von Sizilien, genoss nur die Möglichkeit, den großen Rahmen von drei Meter hoch und zwei Meter breit von diesem Kunststück zu betrachten. Wie es bei vielen Mythen übrig blieb, wussten alle, dass es zwei Diebe gab, die sehr sorgfältig die Leinwand von dem Rahmen ausgeschnitten, sehr behutsam in eine schmale Rolle gedreht und weggetragen hatten. Man konnte diese Missetäter sogar visuell gut vorstellen, trotzdem fand sie seit fast einem halben Jahrhundert niemand. Man konnte aber nicht sagen, dass sogar die kleine Vorstellung von dieser fabelhaften Leinwand namens „Geburt Christi“ aus dem Volksgedächtnis ausgerottet worden war. Nein, so brutal war es gar nicht. Denn ihr Platz wurde durch eine Fotografie gleicher Größe ersetzt, die die Erhabenheit des Ereignisses vorstellen ließ. Unsere Computerepoche gab eine noch bessere Möglichkeit, diese Vorstellung durch eine digitalisierte Kopie zu verbessern, die alle Einzelheiten des Originals inklusiv kleine Risse und alte Patina zu rekonstruieren verhalf. Man sagt, diese Kopie soll viel genauer das große Meisterwerk widerspiegeln als es wegen Veralterung des gestohlenen Gemäldes zeigen sollte. Rein ästhetisch gesehen, schien diese Erscheinung wie eine zauberhafte Wiedererstattung des Verschwundenen auf seine Stelle noch in einer schöneren Form wie zuvor. Die digitale Restaurierung selbst war eine Kunst anderer Art, in dem man mehrere detaillierten Fotos des Bildes aus mehreren Kunstarchiven und privaten Sammlungen auszunutzen probiert, die gemeinsam viel mehr für den Computer wichtiger Information bekommen ließ als nur einige davon. Man erforschte wie einem Archäologen nicht nur alle Farben und Abtönungen sondern die Strukturen des Gewebes sowie die Textur des Auftrags, was man später mit anderen Werken Caravaggios vergleichen könnte. Ist es nicht den mythischen Verwandlungen ähnlich, die wir in mehreren mündlichen Legenden anzuhören fähig waren mit dem Unterschied, dass das moderne Wunder auf den großen Errungenschaften der Forschung und Technologie gegründet worden war. Darüber hinaus schließt das neue Gemälde etwas Heiliges in sich ein, denn es wurde nicht der Alterung ausgesetzt worden, was für alle „normalen“ Malereistücke eigentümlich ist. Man kann vorstellen, dass solche modernen Kostbarkeiten auch in der Zukunft zum Gegenstand der Begierde für alle Kunstdiebe der Welt werden könnten. Aber schon vom heutigen Gesichtswinkel ist es klar, dass solch wertvolles Werk