2060 - Boris Revout - E-Book

2060 E-Book

Boris Revout

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Beschreibung

Das neue Jahr 2060 sollte sich, nach dem fernöstlichen Kalender, zu dem des metallischen Drachen zählen, der in sich scharf gegenseitige Eigenschaften, wie Kälte, Reinheit und Beständigkeit, vereinen ließ. Ähnlicherweise ging es auch bei den Menschen vonstatten, den höchsten Geschöpfen der Erde. Die Sippe homo sapiens bewahrte behutsam das Überbleibsel der uralten Untugend, die ihr verhinderte, im Glück und Frieden zu leben. Gleichzeitig entwickelte sich die fabelhafte Technik und Kultur, einschließlich künstlicher Intelligenz, die Menschen zu kosmischer Vernunft nähern sollte. Die spannende Erzählung des Romans umfasst unterschiedliche Seiten des künftigen Lebens sowie der leidenschaftlichen Liebe. Sie gibt dem Leser die Hoffnung, dass die nächsten Generationen imstande sein werden, den Ausweg aus der Verlegenheit zu finden.

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Seitenzahl: 615

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhaltsverzeichnis

Der Einbruch des neuen Jahres

Episoden eines Schicksals

Ein nächstes Geschick

Wie man etwas in der Menschheit ändern könnte

Ein ungewöhnlicher Patient der plastischen Chirurgie

Ein unangenehmes Ereignis

Die erste Bekanntmachung in Lyon

Ein unerwarteter Tumult

Die Zusammenkunft mit Professor Stoneford

Noch ein Orientale in Europa

Ein Rendezvous

Ein Schulkamerad

Jeans Erwägungen

Was bedeutete Carlotta für Jean?

Wie es Carlotta ging

Noch ein Zufall?

Der Gegenstand der Begeisterung

Eine Reise nach Penaten

Das Gesundheitswesen wie ein Gegenstand des Nachdenkens

Ein edelmütiges Vorgehen aus dem weiblichen Gesichtspunkt

Ein Verfechter der Hungerbekämpfung

Ein Nachfahre der alten Griechen

Eine örtliche Verbreitung Ideen Zaches

Auf Weiber und Gewinn steht aller Welt der Sinn

Die folgende Reise nach Riad

Die Folgen einer inkompetenten Politik

Wie es Imad weiter ging

Dem erfolgreichen Paroli bieten

Das Vorhaben wurde richtig in Gang gebracht

Könnten Philosophen den Staat regieren?

Wie sah es mit der Erziehung aus

Passte eine Berufsarmee realem Staaten?

Ein mannigfaltiger Begriff der Kunst

Wie der Alte Unsterblichkeit verstehen konnte

Mythen der Kosmologie

Was Platons Staatslehre mit Heilkunst vereinte

Aussichten der Philosophie

Die neue Ernährungsweise auf sich testen lassen

Konnte Maschine von Einflüssen verschont sein?

Eine bedeutsame Maßnahme

Die Fahndungen wurden nicht eingestellt

Der Einbruch des neuen Jahres

Dem neuen Jahr 2060 wurde wie gewöhnt eine große allgemeine Ehre gezollt. Was sollte dieser Unbekannte den Erdenbewohnern mitbringen?

Nach dem fernöstlichen Kalender gehörte das Jahr zum metallischen Drachen. Dem Mythos zufolge wurde Metall durch die Berührung des trockenen Steppenwindes die Erde geboren. Er sollte fernerhin den Abend, Herbst und die Kälte verkörpern. So wurde es zum Symbol der Reinheit, Klarheit und Beständigkeit geworden.

Deswegen musste er künftig teilen, schneiden und verhärten. Es schwankte zwischen der Schönheit und Zerstörung, und es war ständig auf die Verwirklichung seiner Absichten gezielt.

Es gab aber etwas Dichterisches in dieser Beschreibung. Doch die Menschen der Mitte des 21. Jh. waren praktisch und einsichtig, um aus einer abstrakten Dichtung etwas Realistisches für sich herauszusuchen. Aber wie konnte man eine mythische Erzählung in moderne Sprache übersetzen? Es war eine schwerlich lösbare Aufgabe. Trotzdem war sie enorm bedeutend, denn das Jahr begann sich mit den ungeheuren Kataklysmen, indem in vielen Erdregionen riesige Überschwemmungen, Erdbeben und Dürre herrschten.

Er wurden überall die Ausschüsse von hiesigen Regierungen und internationalen Organisationen darauf gerichtet, die alles Mögliches zu unternehmen versuchten, um in betroffenen Regionen der Erde wieder die Ordnung herzustellen.

Die Natur schien aber viel stärker als dem Menschen zu sein, und viele Handlungen waren vergeblich. Es wurden sogar die alten Schamanen zur Rettungsarbeiten herangezogen, die wahrscheinlich irgendwelche heimlichen Beziehungen mit den verborgenen Kräften zu haben vermochten. Oder waren sie tatsächlich in der Lage, die ursprüngliche Quelle zu erreichen, die nach den religiösen Lehren für alle Sachen verantwortlich sein sollten.

Bestimmte Gemeinschaften waren aber der Auffassung, sich noch beharrlicher in den Rätseln des metallischen Drachen zu vertiefen, um hoffentlich dort etwas Nützliches herauszufinden. Denn je mehr der Mensch in die komplizierten Geheimnisse des fernen Weltalls durchdrang, desto größer wurde sein Glauben daran, dass er irgendwas Wichtiges verpasste, was ihm allein aus der esoterischen Beschaffenheit der alten Lehre verständlich werden könnte.

Episoden eines Schicksals

Mathew wurde nach einer ziemlich verworrenen Nacht mit den gemischten Gefühlen aufgewacht. Seine Nachtvisionen ließen ihn nicht in Ruhe. Was war es: ein Haufen von unbekannten Gästen, die einerseits den Eindruck zu schinden suchten, dass sie ihn gut kannten. Andererseits konnte er sie überhaupt nicht erkennen, obwohl alles, was sie ihm erzählten, nur seine nahen Verwandten und Freunde wissen könnten. Die letzte Zeit passierte mit ihm sowieso etwas Merkwürdiges, indem er manchmal lang mit den schon mehrere Jahre zuvor verschiedenen Menschen sprach, die wie noch lebendige vor ihm entstanden, um die aktuellsten Sachen zu erörtern. Gleichzeitig unterschieden sich diese seltsamen Gespräche stark von denen, die er gewöhnlich mit seinen Kollegen und Doktoranten in Vinteonet führte. Vinteonet entwickelte sich wie eine moderne Fortsetzung des Internets, das eine 3D Anwesenheit der Gestalt des Ansprechpartners in unmittelbarer Nähe ermöglichte. Diese so bizarren Vinteovisionen entsprachen aber genau dem momentanen Äußeren der Person, einschließlich deren Bekleidung, Makeup u. ä. Übrigens sorgte die Erfindung des Vinteonets gar nicht für die ausschließlich freudigen Gefühle. Es entwickelte sich allmählich eine Gegenströmung, die sogar ein vollständiges Verbot dieses Wunders forderte. So fanden darin viele Feministinnen den abscheulichen Anlass für die sexuelle Belästigung und sonstige Arten des frechen Sexismus. Denn diese 3D männlichen Gestalten bevorzugten manchmal, sich ganz nackt in der unmittelbaren Nähe von den konkreten Gegenständen ihrer Begierde anzubieten, was für die physische und psychische Gesundheit des weiblichen Wesens gefährlich sein sollte. Die Anhänger der neuen Technologie versuchten widerzusprechen im Sinne, dass es anscheinend durch das gegenseitige Einverständnis der beiden Seiten möglich war, solchen „nackten Besuch“ zu verwirklichen. Doch ihre Proteste wollte keine zuhören. Stattdessen brachten die Fürwörter des Verbotes als Beweismittel das Vorhandensein der Möglichkeit selbst, solche rechtswidrigen Handlungen zu verüben. Manche von ihnen zogen sogar gewissen unvorsichtigen Maskulinen vor Gericht, was eine Welle von Massendiskussionen erwecken sollte. Wie gewöhnt, wurde davon das breite Publikum auf zwei Lager geteilt, was bei den Erfindern des Verfahrens zu heftigen Gewissenbissen führen sollte.

Diese weit nicht lyrische Abschweifung habe aber sicher nichts Gemeinsames mit der Wehmut von Mathew, der mit den Gestalten der Entschlafenen zu tun hatte. Der Umgang mit den Gästen aus der Vergangenheit war ganz anderer Art, denn die Person ließ sich nicht nach der gegenseitigen Übereinstimmung, sondern nach deren eigenem Wunsch kommen. Außerdem trug sie immer ein eigentümliches Kleid, das ihr Äußeres momentan zu bestimmen ermöglichte. Dieses Trugbild aus dem Jenseits passte gut zu viel jüngerem Alter der Person und sicher nicht zu den Zeiten vor dem Sterben. Vollkommen unterschieden sich auch die Themen der gezwungenen Unterhaltung. Während die Zeitgenossen mit ihm nicht selten die sinnlosen Kleinigkeiten und anderes dummes Zeug diskutierten, bevorzugten die aus der Vergangenheit nur über die wichtigsten Angelegenheiten des globalen Daseins zu reden. Solche Einzelheiten forderten von ihm, Mathew, eine angespannte Verantwortung, weil diese Leute anscheinend im Voraus über alle richtigen Kenntnisse verfügten und den Falsch sofort zu begreifen bereit waren. Allerdings war er gezwungen, auf die komplizierten Fragen von Leben und Tod, Sinn und Zweck des Lebens, Freiheit usw. zu beantworten. Jedes Mal quälte er sich gewaltig im Versuch, nichts außer Wahrheit auszusagen. Nichtsdestoweniger war er ab und zu beim Worte genommen, was wahrscheinlich nicht vollständig dem Kern der Sache entsprach. Mathew zerbrach sich den Kopf, woher diese seltsamen Besucher überhaupt stammten und was sie von ihm wollten. Waren sie irgendwelche Vertreter der göttlichen Vorsehung, denen die Weisheit der letzten Instanz gegeben worden wurde, oder waren sie alle der Gegenstand seiner verdrehten Vorstellungskraft? Er wusste keine Antwort auf diese Frage. Was er aber genau wusste betraf seine Ungläubigkeit und Ablehnung alles Übernatürliches. Diese geistige Lage verband er mit seiner Erziehung und Ausbildung, die seit der Jugend seinen Stolz erregen sollten. Welche wirkliche Qualität seine Persönlichkeit aufweisen konnte, war das Vorrecht seiner Umgebung zu urteilen. Und sachlich war er, Mathew Stoneford, ein 54-jährig junger Mann, der aus einer wohlhabenden Familie der Stahl-Gießereiunternehmer stammte. Er wurde in Philadelphia, USA, geboren. Seine fernen Vorfahren kamen schon längst aus nördlichen Gebieten Deutschlands vor. Er absolvierte die angesehenen Uni Stanford und Paris und bekam seinen Doktortitel durch die Erforschung der Ausgrabung in der Nähe von Kairo, wo er eine Bestätigung des frühen Monotheismus herausfand. Mathew war der Überzeugung, dass diese Stelle als ein Ziel der Pilgerreise im Altertum diente. Zu sehr bedeutenden für ihn Werken zählte Mathew auch seine Teilnahme an der Aufgrabung im Gebiet von Tarent. Ursprünglich sollte es wahrscheinlich eine vorübergehende Arbeit sein, über die ihn sein Doktorvater inständig bat. Doch erwiesen sich das Ausmaß und technische Niveau so großartig, dass er sich noch Jahrzehnte danach oft daran erinnerte. Jahre später machte Professor Stoneford seinen wissenschaftlichen Namen als Antike-Forscher und Religionshistoriker, die er noch später durch eine andere Richtung und zwar Erforschung und Modellierung der tierischen und menschlichen Verhaltensweise ersetzen sollte. Mathew war ein großer Kerl von stämmigem Körperbau mit mutigen Gesichtszügen, hellgrauen Augen und kastanienfarbigen Haaren. Sein Äußere und seine Offenheit erwarben ihm ziemlich früh die Zuneigung des schönen Geschlechts, so dass er schon als ein Teenager von einer viel älteren Frau aus besonders angesehenen Verhältnissen verführt worden war. Solch ungewöhnliche Kleinigkeit seines Lebenslaufs konnte vielleicht gar unauffällig bleiben, wenn ein gelegentliches Zusammentreffen der Umstände sie nicht in die ungünstige Richtung zu bringen fähig war. Mehrere Jahre gingen schon vorbei als das Geschick dem jungen Professor eine nächste unwürdige Versuchung bereitmachte. Diesmal war es eine schöne Studentin, die sich in den bezaubernden Dozenten zu verknallen wagte. Das Ereignis fand nach einer Studentenkonferenz statt, wo diese junge Dame namens Sofia Hunter einen erfolgreichen Vortrag über die verschwundenen Völker des Amazonasgebietes gemacht hatte. Nach dem Vortrag bedankte sich Mr. Stoneford für die gut bewiesene Auskunft und prophezeite ihr sogar eine viel versprechende Forschungskarriere. Am Feierabend wurden alle Konferenzteilnehmer in die Kantine eingeladen, wo ein festliches Gastmahl veranstaltet worden war. Nach einem überflüssigen Weingenuss empfand Sofia den Wunsch, mit dem Professoren zu tanzen. Es war wahrscheinlich ein großer Fehler beiderseits, denn das Fest wurde darauffolgend im Hotelzimmer fortgesetzt, wo das glückliche Paar die Nacht verbrachte. Sofia schwebte auf Wolke sieben, die Gefühle des Professors waren schwieriger zu beschreiben: Er war schon verheiratet und das Ehepaar hatte mittlerweile zwei Kinder. Man konnte nur vermuten, wie weit diese unverhofft aufgetauchte Liebe gehen konnte. Bekannt wurde allerdings, dass sie einige Jahre dauerte bevor die Liebesbeziehung plötzlich zerrissen worden war. Dabei stellte es sich heraus, dass Mathew sich mit dieser Sofie übermäßig offen benahm, indem sie über mehrere seinen Geheimnisse Bescheid wusste. Keine Ausnahme wies auch seine jugendliche Affäre mit der oben erwähnten älteren Frau aus der vornehmen Gesellschaft auf. Vielleicht sollte er auch zugestehen, dass diese Dame ihn wie einem Sexsklaven auszunutzen suchte. Nach der Trennung mit Sofia ereignete sich etwas absolut Unfassbares, mit dem Mathew sicher nicht rechnen konnte: das Gerücht über sein jugendliches Abenteuer drang bis diese Frau, die immer noch ihre hohe Position aufrechterhalten sollte. Die Dame geriet in Zorn und versuchte, Mr. Stoneford durch ihren Rechtsanwalt zu erpressen. Ihre Forderung bestand darin, dass Professor möglichst schnell die USA verlassen sollte. Sonst wurde er bedroht, dass seine wissenschaftliche Karriere vollkommen zugrunde gerichtet wird. Es klang so einschüchternd, dass Mathew für eine Kapitulation entschied. Er verband sich mit seinen Kollegen in Europa und bat sie um eine führende Stelle als Forscher und Unidozent. Er war dabei der Absicht, seine Familie mitzunehmen. Doch seine Frau, die keine Ahnung über die verborgene Ursache haben konnte, hatte überhaupt keine Lust, USA zu verlassen. Außerdem besaß sie eine gute Position in einer privaten Firma, was auch ein schwerwiegendes Argument fürs Verbleib in den USA war. Trotzdem fanden die beiden keinen Grund dafür, die Ehe aufzuheben. Außerdem konnte Mathew die künftige Möglichkeit nicht ausschließen, dass er nach einigen Jahren zurückkommen könnte. Der einzelne Haken dafür war die alte Dame, deren Voreingenommenheit ihm gegenüber nach wenigem Zeitraum viel schwächer werden konnte. Schon im ersten Monat bekam er drei Anerbieten, die ihm sogar einen Spielraum für die Überlegung erteilten. Das günstigste schien ihm das aus der französischen Lyon, wo er schon mit den Vorträgen gewesen war. Deswegen war er damit einverstanden, die Stadt wieder zu besuchen. In der Tat wurde er dort ganz gönnerhaft aufgenommen. Dabei wurde ihm amtlich eine Professor Stelle vorgeschlagen bei der Fakultät der Anthropologie und der Soziologie in der Université Lumière Lyon 2. Die Fakultätsleitung zeigte ihre Bereitschaft, seine Ansprüche zu erfüllen und ihm sowohl eine Lehrer- als auch Forschungstätigkeit zu ermöglichen. Darüber hinaus konnte er gemütlich seine früheren Untersuchungen, die er in den USA durchführte, fortsetzen. Unter solchen bequemen Bedingungen begann er ohne Verzögerung, in beiden Richtungen intensiv zu arbeiten. Die Hiesigen waren so nett, dass sie auch nichts dagegen hatten, dass er die Vorlesungen auf Englisch halten durfte.

Auf die Zeit der Promotion Mathew Stoneford bezog auch seine Bekanntschaft mit einem jungen Burschen namens Imad al-Mu’allim, der aus der syrischen Damaskus stammte. Nach dessen eigener Schilderung war Imad von seinen Eltern und zehn Geschwistern immer sehr geliebt. Er genoss einen zärtlichen Umgang schon seit seiner Kindheit. Er erwiderte ihnen ein gleiches Gefühl und versuchte, jedem und jeder etwas Angenehmes zu machen oder auszusagen. Eine tiefe Frömmigkeit, die in seinem Hause herrschte, ließ bemerkbare Spuren auf seiner Erziehung. So wusste er schon als kleiner Junge, dass Allah sich um allen Gläubigen kümmert und allen, die ihm dienen, ein glückliches Leben beschert. Deswegen sollte auch er wie sein Vater als einem Geistlichen dienen. Auch seine Gebrüder mussten diesen heiligen Lebensweg auswählen. Es dauerte einige Jahre bis Imad im Alter von 18 Jahren einen leidenschaftlichen Wunsch nach einer weltlichen Ausbildung erlebte. Für die Männer seiner Familie war es sicher unangenehm, von ihm solche Worte anzuhören. Trotzdem begriff der Vater den Sinn seines Wunsches und willigte seine neue Auswahl ein. Darüber hinaus bezahlte er seine italienischen Unterrichtstunden und die Reise nach Rom. Der Alte sagte damals, dass solche Geldmenge von ihm groß genug waren und das Übrige Imad selbst ausgleichen sollte. Auf diesem Grund beschäftige sich Imad zuerst in ewiger Stadt als eine Putzkraft in Krankenhäuser und Restaurants und lernte Italienisch durch die Gespräche mit den Römer. Solche sprachliche Praxis erwies sich viel effizienter zu sein als die unbelebten Stunden in Damaskus. Auf jeden Fall fand der Aufnahmeausschuss seine Sprache ausreichend, um ihm das Studium zu ermöglichen. Diese fünf Jahren waren unbedingt sehr schwierig für den Syrier. Doch seine Strebung nach Wissen war unbesiegt gewesen. Außerdem gelang es ihm, einen Reigen der bekannten Menschen kennenzulernen, die ihm bei unterschiedlichen Angelegenheiten behilflich sein konnten. Unter ihnen waren auch die Vertreterinnen des schönen Geschlechts, die mit dem sympathischen Nordafrikaner gerne zu unterhalten bereit waren. Eine davon namens Adriana studierte Medizin an der Uni Tor Vergata. Sie machten sich bei einem Discos bekannt und waren darauf mehrere Monate befreundet bis das Mädchen eine Praktikum Stelle in Viterbo, 70 km nördlich von Rom gefunden hatte. Die Reise dorthin sollte Imad viel Zeit und Geld kosten. Deswegen konnte er sich solches Vergnügen nur an seltenen Wochenenden leisten. Nachdem das viermonatige Praktikum Adrianas zum Ende war, wurde auch Imad in seine erste archäologische Expedition geschickt. Er sollte dabei an einer großen Ausgrabung in der Nähe von Stadt Tarent teilnehmen, wo das Team von vielen Sachkundigen aus dem Bereich der tiefen unterirdischen photographischen Aufnahmen vor kurzen eine große Siedlung der Urgesellschaft entdeckten. Wie es schon erwähnt wurde, beteiligte sich auch Mathew Stoneford als ein Gruppenleiter daran (und Imad war sein Praktikant). Damals wurde dort einen Forschungskomplex aufgebaut, der eine präzise schichtweise Entfernung des Gesteins ermöglichen sollte. Die vorangehenden Aufnahmen zeugten eindeutig davon, dass Rede dabei von den Menschen aus dem 5. Jahrtausend v. Chr. sein könnte. Dank der zahlreichen Ansammlung der Knochen wäre es für die IT-Fachkräfte nicht kompliziert, das reale Aussehen der Bewohner wiederherzustellen. Für die modernen Informatiker wäre es sicher ganz realistisch, auch die uralte natürliche Umgebung darzustellen. Der Archäologieberuf wurde allmählich zur meist beliebten intellektuellen Arten der menschlichen Beschäftigung geworden. Denn diese Leute vereinten in sich tiefe Kenntnisse der uralten menschlichen Geschichte mit der Einsicht des Vermögens einer klugen Maschine, die zweifellos in der Lage war, irgendwelche vernünftigen Gespräche mit den Fachleuten durchzuführen und die Antworten auf ihre vielen Fragen zu geben. So teilte ihnen das denkende Wesen mehrere Auskünfte mit, die mit der Geschichte der Vorfahren eines Individuums verbunden waren, dessen Knochenreste zufällig gefunden worden waren. So sollte man fernerhin eine große Verehrung vor dem einzelnen menschlichen Knochen empfinden, der in der Tat eine riesige Informationsmenge zu verbergen fähig war. Im Unterschied zu vielen Vertreter der neuen Generation zeigte die einsichtige Maschine ihre ständige Bereitschaft zu Diskussionen, was im Laufe von wenigen Stunden eine Menge von kühnen Hypothesen ausschließen ließ. Allerdings war diese „Hochherzigkeit“ bestimmt nicht grenzenlos. Im Gegenteil stellte sich das „Wesen mit metallischen Herz“ bald fest, ob es tatsächlich mit dem sachkundigen zu tun habe. Wenn es aber nicht der Fall war, änderte sich momentan sein Verhalten ihm gegenüber drastisch, indem es den Betroffenen zu foppen pflegte. Es machte diese Aktion aber so geschickt, dass der Arme nichts zu bemerken fähig war. Es lag also im Interesse des Benutzers selbst, ausreichend gute sachlichen Kenntnisse zu besitzen, um zum Narren nicht gehabt zu werden. Selbstverständlich waren die jungen Praktikanten besonders anfällig für diese Gefahr. Deshalb bemühte sich Imad enorm, das beste Wissen zu bekommen, mehr als das, weil er von Anfang an keinem zweitrangigen Betrachter, sondern bestimmt ein selbstständiger Forscher war. So versuchte er, jede Frage einfach und deutlich zu formulieren, um keine fake Antwort zu bekommen. Sonst beobachtete er auf dem großen Bildschirm eine schichtweise Entfernung des harten Bodens und alle aufgetauchten Gegenstände, die nach seinem Wunsch gleich analysiert werden konnten. Es war sicher sehr anlockend, jeden von ihnen zu erforschen. Nach wenigen Tagen kapierte er aber, dass diese Betätigung nicht nur für die teuren Geräte sehr anstrengend, sondern auch sinnlos war. Wie es schon erwähnt wurde, er war nun ein echter Fachmann, um ausschließlich die wichtigsten wissenschaftlichen Erscheinungen auszuwählen und analysieren zu lassen. Ehrlich gesagt waren schon die Ergebnisse der ersten zwei Wochen ausreichend, um einen gründlichen Artikel zu verfassen und in eine renommierte Zeitschrift zu senden. Imad fand es aber ziemlich unangebracht, mit solchem Gedanken seinen Chef zu stören. Er war nur ein bescheidener Student, der seine Arbeitspflicht als eine Datensammlung sehen sollte. Über den Artikeln könnte der Chef selbst entscheiden. Vielleicht war es eine sinnvolle Taktik, was schließlich sein Praktikum bestätigen sollte.

Der schon bekannte in wissenschaftlichen Kreisen Dr. Stoneford belobigte ihn nach der Vollendung der Arbeit und versprach, in einigen Artikeln, die er schreiben wollte, den Namen Imad in die Liste der Autoren einzutragen. Es war ein großer Erfolg für den jungen Archäologen. So stellte es sich plötzlich heraus, dass zur Zeit der Abschlussprüfung Imad schon zwei wertvolle wissenschaftlichen Veröffentlichungen besaß, was bei keinen anderen Studenten seiner Gruppe der Fall war. Vielleicht war es nicht die letzte Begründung, dass er nach dem Uniabschluss eine Stelle im berühmten archäologischen Institut in Mailand bekommen habe. Nun war es die höchste Zeit, seine Verhältnisse mit Adriana aufzuklären. Alles in allem war er bereit, sie zu heiraten. Er sprach schon telefonisch darüber mit seinem Vater, und der war nicht dagegen, aber mit einem Vorbehalt. Sie sollte sich nach Islam bekehren, was für die beiden Adrianas Eltern, streng überzeugende Katholiken und echte Papstverehrer, undiskutabel sein sollte. Andererseits war Imad seinem Vater sehr dankbar, dass der ihm nicht nur die geistliche Karriere entgehen ließ, sondern teilweise seine weltliche Ausbildung förderte. Nun durfte der junge Gelehrte auf keinen Fall, etwas Schlimmes gegen Vaterswillen unterfangen. Es war also eine Verlegenheit, aus der man kaum einen günstigen Ausweg finden konnte. Eine Zivilehe passte doch beiden jungen Leuten nicht. So gelang es ihm nicht, seine Familienwohlfahrt in Ordnung zu bringen. Aber auch sein neuer Lebensstil in zahlreichen Expeditionen begünstigte kaum einer Gründung der Familie.

Ein nächstes Geschick

Nicht viel freudiger sah auch der Lebensweg eines anderen Kerls aus dem Nahen Osten aus. Hassan Mansur, 32, wurde in Alexandria in einer Fischerfamilie geboren. Er studierte die Geschichte des Islam in Kairo und Teheran und wurde mit der Weltverbreitung dieser Religion beschäftigt. Die wichtigste Schlussfolgerung seiner Doktorarbeit war die Idee der Entschärfung des Koran, indem er eine gemeinsame Lehre für alle Gläubige der Welt werden könnte.

Die Geschichte Hassans war auch ganz aufschlussreich. Er verkehrte seit seiner Kindheit mit den Freunden aus unterschiedlichen sozialen und religiösen Familien, deren Eltern zu Fischer oder Seeleute gehörten. Obwohl sein Vater ein tief gläubiger Moslem war, schätzte er hoch das Recht des Individuums, den Glauben freiwillig auszuwählen. Auch Hassan selbst war der Meinung, dass Menschen aller Konfessionen einander gut verständigen sollten. Eine spätere ausführliche Vertiefung in die Islamgeschichte ließ ihm, diese Auffassung befestigen. Er fand ein Entgegenstellen eigener Religion den anderen sowie ihre deutliche Überlegenheit allen übrigen gegenüber für eine Unwissenheit und ein dummes Benehmen. Auf diesen Grund zog er die Wut der radikal gestimmten Personen auf sich an, die ihn mehrfach schwer zu prügeln suchten, so dass seine Eltern um sein Leben bangen sollten. Zweimal war es ein Arzt, der in der Nähe wohnte, der ihm einen Notdienst zu leisten fähig war. Er machte es umsonst, weil sein Vater diese ärztliche Behandlung kaum auszugleichen fähig war. Doch das dritte Mal wagte der Vater nicht mehr, den ehrwürdigen Herren wieder zu stören. Stattdessen versuchte er, sowohl seine bescheidene Medizinerfahrung als auch die Völkerheilkunde auszunutzen. Schließlich kam er zum Schluss, seinen Sohn irgendwohin weg zu schicken, wo er eine gute Ausbildung zu machen fähig würde. Ihm gelang es deshalb, weil er einige Verwandte in Kairo hatte, die um den Jugendlichen ein Bisschen zu kümmern vermochten. So gelang es Hassan, eine Abitur in der Hauptstadt zu machen und Kairo Uni anzutreten. Er wählte die Geschichte des Islam für seine Lebenskarriere aus mit der Absicht, künftig sich mit der Liberalisierung der Religion zu beschäftigen. Wahrscheinlich war er dabei von der Vermutung überzeugt, dass man in der Hauptstadt ein viel milderes Verhältnis zu Grundlagen des Islam haben sollte. Leider war es nicht der Fall. Ganz im Gegenteil sorgten seine offenkundigen Äußerungen dafür, dass er bald eine Vielfalt von Gegnern unter den Lehrern und Studenten bekommen habe. Nun sollte er möglichst schnell seine Taktik umgestalten, wenn er sein Studium zu Ende zu bringen vermochte. Den Rest des Lehrgangs musste er sich unbedingt zurückhaltend benehmen lassen. Er hatte damit wahrscheinlich Glück gehabt, denn seine Gegner wollten nicht mehr, die Beziehungen mit ihm eskalieren. Es gab vielleicht auch einen anderen Anlass dazu, dass wenn man nach einem einsichtigen Absolventen für die Weiterbildung in Teheran suchte, bevorzugte man ihn unter vielen anderen Bewerber. So befand er sich einige Monate darauf in der islamischen Azad-Universität, wo er seine früheren Kenntnisse zu vervollkommnen wusste und später für eine Promotion entschied. Er fand dafür einen bekannten Professor namens Eshagh Salehi heraus, der die letzte Zeit die Prinzipien einer einheitlichen Religion abarbeitete. Es war wahrscheinlich gerade, was Hassan brauchte. Er bat den Gelehrten darum, die Förderung seiner Promotion zu übernehmen. Ungeachtet einer angespannten Betätigung stimmte der seine Unterstützung zu. Schon die ersten Monate seines Verbleibs beim Professor Salehi zeigte eine vollständige Übereinstimmung des verehrten Forscher mit dessen neuen Schüler. Das ganz typische Unterscheidungskennzeichen Eshagh bestand darin, dass er das Alter Hassan niemals in Betracht ziehen ließ. Für ihn war er ein vollkommen gleichberechtigter Wissenschaftler, der die gleich hohe Verantwortung für die Ergebnisse seiner Erforschung tragen sollte. Auf diesen Grund unterhielt er sich mit seinem Doktoranden jedes Mal so, als ob die beiden auf einer Stufe der Karrieretreppe standen. Ehrlich gesagt war der junge Absolvent im siebten Himmel, schon von dem Tag, als er offiziell die Genehmigung erteilt bekommen hatte, die Forschung anzufangen. Er fühlte tatsächlich jemanden Kräftigen im Rücken zu haben, der ihn unter allen Umständen nicht im Stich lassen konnte. Anders ausgedrückt bekam Hassan anscheinend einen „Ablassbrief“, etwas Riskantes zu unterfangen. Die Zeit trat wirklich ein, der Welt ein neues Gesicht des veredelten Islam darzustellen, der sogar auch in Ungläubigen keinen Feind mehr anzuerkennen vermochte. In der Tat sollte der alte Glaube endgültig nachsichtig und barmherzig für alle Menschen der Welt werden. Die Verfassung der Dissertation kam allmählich zum Schluss, und sie sollte auch amtlich veröffentlich sein. Allerdings empfand der Autor etwas Unangenehmes in seinem Herz, als ob es eine versteckte himmlische Warnung hinter sich haben sollte. Gab es eine natürliche Angst, die alle Doktoranden vor der Prüfung erfassen sollte. Oder gab es etwas Besonderes, das mit dem Thema seiner Arbeit verbunden worden war? Der junge Forscher wusste keine Antwort auf diese Frage. Obendrein zeigte sein Doktorvater überhaupt keine Besorgnis der Arbeit Hassans gegenüber, was man mit einer ständigen Beschäftigung des Professors zu erklären bereit war. Doch das Vorgefühl, dies ahnendes Erfassen durfte man absichtlich nicht beachten, blieb aber unversiegbar. Dafür brauchte man vielleicht eine ausreichende Lebenserfahrung, die der jungen Person noch fehlte. Eine kurze Zeitspanne darauf bestand er ganz erfolgreich die Prüfung und wurde feierlich mit dem Doktortitel gewürdigt. Es herrschte eine Weile die vollständige Ruhe, so dass er schon langsam das frühere Gleichgewicht wieder zu bekommen fähig war. Sie dauerte aber nicht lange. Zuerst tauchte ein Artikel in der zentralen Netzzeitung auf, in dem seinen Namen und seine Arbeit erwähnt worden waren. Allein der Titel des Artikels „Eine schädliche Forschung“ verkündigte ihm etwas Verhängnisvolles. Der Inhalt der Schrift zeugte eindeutig von dem klaren literarischen Talent des Verfassers, der überhaupt keine beleidigenden oder kränkenden Redewendungen angewendet habe. Doch der verborgene Ton der Darstellung war zweifellos ganz hetzerisch und ähnelte an einer längst veralteten Propaganda. Vielleich konnte diese Notiz gar keine Aufmerksamkeit beim Publikum aufwachen lassen, aber die Eigenartigkeit der zentralen Netzpresse bestand darin, dass ein speziell programmierter Computer alle Emotionen erregenden Titeln zu Schlagworten machte, die in allen Nachrichten erscheinen sein sollten. Und da lag der Hund begraben. Das Ergebnis dieser Aktion konnte man kaum vorhersagen: seit wenigen Stunden bekam der Artikel über eine Million Durchsichten. Es herrschte danach in Foren die offenen Aufrufe, den Autoren der Dissertation, das heißt, Hassan Mansur, durch Steinigung zu töten. Schon zum Ende des Tages wurde diese Nachricht zum Gewinner geworden, so dass auch der Doktorvater darüber erkundigen konnte. Der alte Professor geriet sofort in Panik, denn er fühlte sich auf jeden Fall mitverantwortlich. Er musste nun alles Mögliches unternehmen, um das Leben seines Schützlings zu retten. Es war aber momentan schon ein sehr gefährliches Unterfangen, denn es gab die Fotos Hassans an allen Ecken. Der Gelehrte grübelte darüber einige Stunde bevor er einen Plan zu ersinnen fähig war. Er erinnerte sich schließlich daran, dass ein bekannter Historiker aus Dänemark, Professor Claus Poulsen, diese Tage in Teheran zu Gast war. Man sollte nur vertraulich aufklären, in welchem Hotel er wohnen sollte. Diese Auskunft wurde ihm in eine Viertelstunde von seiner Sekretärin geleistet. Es war ein wichtiger Schritt seines Plans. Zuerst telefonierte er dem Gast und verabredete ein dringendes Treffen mit ihm. Dann bat Professor Salehi die Sekretärin um Hilfe und zwar eine heimliche Wohnung für Hassan herauszusuchen. Es stellte sich heraus, dass die Uni einige solchen Wohnungen für die Gäste parat habe. Danach wurde sein Mitarbeiter beauftragt, Herrn Mansur zu besuchen, sein Äußere mit gegebenen kosmetischen Mitteln zu ändern und ihn in die neue Wohnung zu liefern. Der Professor selbst fuhr gerade nach der Stelle, wo er mit dem Dänen unterhalten sollte. Die Begegnung fand in einer Halbestunde statt. Der Iraner erklärte die Situation und die Lebensgefahr, die seinem Doktorand drohte. Nach seiner Auffassung war eine unverzügliche Einmischung der ausländischen Botschaft die einzige Chance, den jungen Forscher zu retten. Der Däne dachte wenige Minuten darüber nach, was er seinerseits machen könnte und schlug das Folgende vor. Er erzählt die Lage in der Botschaft einem diensttuenden Konsul und bittet ihn um Unterstützung. Mit diesen Worten war das Gespräch zweier Professoren beendet und der Gast fuhr nach dänischer Botschaft. Schon in einer Stunde richtete sich ein Auto mit den diplomatischen Kennzeichen nach dem Ort, wo Hassan versteckt worden war. Der war schon vorher benachrichtigt und war bereit, jeden Moment abzureisen. Deswegen holte ihn der dienstliche diplomatische Wagen sofort ab und brachte ihn ins Botschaftsgebäude mit. Dort war er vollkommen in Sicherheit. In wenigen Stunden wurden alle notwendigen Papiere mitsamt dem Visum völlig ausgestaltet. Nun sollte er mit dem ersten diplomatischen Flugzeug die Grenze Irans verlassen. Obwohl die dänische Botschaft ihm eine Unantastbarkeit zu gewährleisten vermochte, sollte seine Verlassung des Landes möglichst schnell vonstattengehen. Denn die Wut war ihm gegenüber zuerst eher „völkischer Natur“. Keine staatlichen Maßnahmen waren offiziell angekündigt. Das bedeutete, er verfügte weiter über das Recht, Iran zu verlassen, es könnte aber nicht lange dauern. Und falls der iranische Staat irgendwelche Sanktionen gegen ihn zu ergreifen vermöge, wird Hassan nicht mehr in der Lage sein, die ausländische Botschaft hinauszugehen. Sonst würde er sofort festgenommen. Das nächste dänische Flugzeug mit der diplomatischen Immunität sollte am kommenden Morgen davonfliegen. Der neu ernannte Doktor hatte aber innerlich ein unangenehmes Vorgefühl, dass es irgendwelches gelegentliches Ereignis passieren sollte, das seine Flucht aus dem Iran verhindern könnte. Er hatte aber nochmals Glück gehabt: als er schon im Jet saß, bekam der Flugkommandant ein Mail von dem Boden, dass der Reisende namens Hassan Mansur wegen unerwarteter Umstände das Flugzeug sofort verlassen sollte. Der Fluggast mit solchem Namen wurde mit dieser Auskunft bekannt gemacht. Er erzählte danach kurz dem Kommandanten die Geschichte seiner gezwungenen Abreise und das Problem wurde erledigt. Nach der Landung in Kopenhagen probierte Hassan bereits am nächsten Tag, den Empfehlungsbrief des Professors Poulsen, den der umsichtige Gelehrte ihm vorbereitete, bei dem Adressaten auszunutzen. Es war ein gewisser Professor Per Stig Mikkelsen aus der Uni Kopenhagen. Per Stig war ein großer hagerer Mann Mitte Vierziger mit langen blonden Haar, ausdrücklichen Gesichtszügen und hellbraunen Augen. Das Auftauchen eines jungen Kerls mit deutlichem orientalischen Aussehen zeigte eine nicht versteckte Verwunderung in seinen Augen. Er las aufmerksam den Brief, als ob er etwas Besonderes zwischen den Zeilen herauszufinden vermochte. Darauf fragte er einfach, worum es ging. Der Gast war selbstverständlich durchaus bereit, solche Frage zu beantworten. Er erzählte aufrichtig seine Absicht, die alte Weltreligionen erheblich reformieren zu lassen. Für Mikkelsen war es sicher ein Neuland, allerdings gab es in Schweden ein Historiker namens Gustav Ekström, mit dem Per Stig mehrere Jahre befreundet war. Professor grübelte einige Zeit, als ob er etwas Bedeutsames in seinem Gedächtnis herauszufinden wusste. Dann zog er eine Schublade in seinem Schreibtisch heraus und nahm einen Ordner mit mehreren Papieren in Plastikfolien in die Hand. Es dauerte noch einige Minuten bis die erwünschte Seite gefunden worden war. Es war gerade ein privater Brief von Professor Ekström, den Per Stig durchlas, um ihn danach seinem Gast zu übergeben. Nun sollte Hassan ihn sorgfältig lesen. Es gab tatsächlich eine gewisse Gemeinsamkeit zwischen dem Gedanken Hassans und dem, was in Brief Professors Ekström geschrieben worden war. Der junge Mann war völlig begeistert davon. Er fragte seinen Gastgeber, ob es möglich wäre, ihn mit Herrn Ekström bekannt zu machen. Für Mikkelsen war es aber nicht nur ganz simpel zu organisieren, sondern er wählte sofort die Telefonnummer in Stockholm, um seinen Freund zu begrüßen. Es gab sicher einen günstigen Anlass, mit Gustav zu sprechen, mit dem er schon seit mehreren Monaten keinen Kontakt mehr hatte. So brachte der Besuch Hassans eine gegenseitige Freude für zwei Professoren mit. Gustav teilte seinen Freund dabei mit, dass er letzte Zeit wegen anderen Forschungen nicht imstande war, diese die Öffentlichkeit erregende Richtung weiter durchzuführen. Er drückte die Hoffnung aus, dass er mithilfe Herrn Mansur dieser Idee eine neue Atmung verleihen könnte. Außerdem versprach er Per Stig, sich bei den internationalen Institutionen über die Förderung dieser Richtung zu erkundigen. Dieses kurze Telefongespräch bestätigte ein prinzipielles Interesse für die Arbeit Hassans. Etwas Günstiges könnte vielleicht im Laufe von vielen Monaten erscheinen. Der junge Mann brauchte aber dringend das Verpflegungsmittel, also eine Teilzeitarbeit. In der Uni brauchte man momentan nur technische Hilfskraft. Deswegen wurde Dr. Mansur zuerst als ein Hauswart in Dienst genommen. Vier Monate darauf genehmigte die europäische Behörde für Bildung und Wissenschaft die Forschung über die Geschichte und mögliche Modernisierung des Islam. Der Entwurf war für zwei Jahre gerechnet. Eine feste Finanzierung begann aber sechs Monate danach. Um ehrlich zu sein wurde Hassan der Hauswartdienst zuwider, weil er sich tagelang für die zahllosen kleinen und großen Angelegenheiten der Unimitarbeiter sorgen sollte, denen pausenlos etwas Notwendiges fehlte. Er ähnelte sich einem Zauberkünstler, der ständig eine neue Sache aus der Luft machen sollte. Darüber hinaus beschäftigte sich ein Gaukler ausschließlich mit einem konkreten Gegenstand, während ein anständiger Hauswart gleichzeitig mehrere Gegenstände produzieren sollte, um alle Wünsche zu befriedigen. Eine Antwort in der Art: „Nein, das habe ich nicht mehr“ wurde dabei gar nicht annehmbar, denn er musste alles haben. Unter solchen Umständen nahm er jede Botschaft über die nächste Verschiebung des Projekts wie eine persönliche Tragödie. Diese Denkweise spiegelte aber den gängigen Satz „das Sein bestimmt das Bewusstsein“ wider. Dr. Mansur lebte wie ein Proletarier und sein Verstand war gegen die Intelligenz gestimmt. Deshalb kapierte er kaum die geistige Lage der Uni-Mitarbeiter, die ohne gut funktionierende Ausrüstung ihre Aufgabe nicht zu erfüllen fähig waren. Ähnlich gleichgültig war er auch den amtlichen Beamten gegenüber, die ihre Beste zu machen versuchten, um den Vertrag für sein Projekt rechtzeitig in Kraft zu bringen. Doch die Verzögerung wurde mit der Tatsache verbunden, dass die Prozedur viele Instanzen hindurchgegen sollte bevor den Forschungsvertrag genehmigt werden durfte. Andererseits sollte Hassan selbst erheblich gutmütiger werden. Vor allem deswegen, weil sein Schicksal extrem wohlgeneigt zu ihm war. Sonst könnte er schon längst durch Steinigung getötet werden. Und nach den Gesetzen des Landes, wo er noch vor wenigen Monaten lebte und seine „gefährliche“ Forschung ausübte, war er in der Tat ein großer geistiger Verbrecher.

Uns Menschen ist es aber eigentümlich, die großen Geschenke des Geschicks bald und leichtsinnig zu vergessen, als ob es selbstverständlich passieren könnte. Und Dr. Mansur war zweifellos keine Ausnahme. Er gewöhnte sich im Laufe der wenigen Monaten an alle Arten westlicher Freiheit und war der Überzeugung, dass es nie anders sein sollte. Gewiss erteilte der weltliche Staat seinen Bürger ein freies und ungebundenes Verhältnis zur Kirche, die jeder Bürger annehmen oder ablehnen durfte. Der Unterschied zwischen Freiheit und Diktatur bestand darin, dass die Letzte ihre Untertannen ständig zu irgendwas zwingen musste. Und der religiöse Fanatismus war eine der schlimmsten Formen der Diktatur. Vor allem, weil er seinen Anhängern das Recht auf eigene Meinung raubte, weil er das menschliche Wesen in den Kerker und an die veralteten einmalig und für die Ewigkeit bestimmten Vorstellungen zu glauben zwang. Für den gesunden Menschenverstand war es nicht nur unzulässig, sondern es war eine ständige Beleidigung und Erniedrigung des wissbegierigen menschlichen Bewusstseins, das ständig die Antworten auf alle möglichen Fragen suchte. Sogar die Pflicht zu glauben schien diesem gesunden Verstand aufrichtig sinnwidrig zu sein. Dr. Mansur kapierte aber die fast unbeschränkten Vorteile, die der Glauben den Geistlichen und Regierenden mitzubringen versprach. Denn ein orthodoxer Gläubiger war immer bereit, sich jeder geistlichen und politischen Macht zu unterwerfen. Was Hassan aber nicht verstehen konnte, betraf die Verhaltensweise der westlichen Kultur. Sie hatte alles, nach seiner Auffassung, für sich gemacht, um ihre Bürger von den Sklavenfesseln der Widersinnigkeit zu befreien. Warum hatte diese fortgeschrittene Kultur nichts unternommen, um die Milliarden Menschen in der sogenannten Dritten Welt aufzuklären? War es tatsächlich ein fahrlässiges Missverständnis oder eine gut ausgedachte Absicht? Darüber hinaus nahm sie Dutzende Millionen Vertreter der Dritten Welt zu sich auf. Und nicht das – sie ließ ihnen alle religiösen und kulturellen Überbleibsel unverändert beibehalten. In der Tat wurden sie aber nicht aufrechterhalten worden, sondern sie wurden erheblich radikalisiert, so dass die ganze ursprüngliche Bevölkerung sich unterdrückend empfand. Hassan zweifelte sich nicht mehr daran, dass solche seltsame „Gastfreundlichkeit“ nichts Gemeinsames mit der humanitären Hilfe haben sollte. Im Gegenteil zeugte sie eher von einer politischen Korruption, die mehrere westlichen Länder beschädigen ließ. Realistisch gesehen war es ein Verbrechen, das die ungünstige Lage in der Dritten Welt nur verstärkte. Diese Lage konnte der junge Forscher mit einer Krankheit vergleichen, die schon eine chronische Stufe erreichte. Er, Hassan Mansur, fühlte sich nun wie einem Arzt, der die schwere Krankheit zu bekämpfen wusste. Er war dafür aber zu schwach, er brauchte eine große Armee, vielleicht Millionen Menschen, um diesen Kampf erfolgreich durchzuführen. Sonst wagte unbedingt sein neues Projekt, zum sinnlosen Papierkram umgewandelt zu werden. Doch die Zeit lief schnell genug und den Erwartungen zufolge befand er sich schließlich in Stockholm, wo Professor Ekström für seine künftige Forschung für alle benötigten Bedingungen sorgte. Das Übrige hing nur von ihm selbst ab, wie der Schwede ihm in einem E-Mail ausdrücklich mitteilte.

Wie man etwas in der Menschheit ändern könnte

Die Grübelei, die mit dem schon (Gott sei Dank) genehmigten Vertrag verknüpft war, ließ Hassan keine Ruhe übrig. Sein Gehirn beschäftigte sich dabei mit der ganzen Menschheit, deren Benehmen offenkundig etwas Merkwürdiges erweisen sollte. Diese riesige Sippe homo sapiens entwickelte neben allen technischen und kulturellen Errungenschaften und unzweifelhaften Schönheiten eine wunderbare Regierungsform, Demokratie, die anscheinend für die Völker aller Welt meist anpassend sein sollte. Stattdessen wurde gerade diese Form überwiegend missbraucht oder in ihre Gegensätzlichkeit herabgesetzt. Warum konnte es wirklich passieren? Wahrscheinlich deswegen, weil Demokratie selbst keine Verfassung besaß, die ihre Rechte verdeutlichen könnte. In dieser Verfassung sollte man betonen, dass man die Hauptprinzipien der Demokratie auf keinen Fall ihr zu Schaden anwenden durfte. Anders ausgedrückt durfte man nicht, Demokratie in deren ursprünglichen Sinne, also als ein Volksentscheid, für die Befestigung der Diktatur ausnutzen. Das nächste Beispiel wäre der Aufruf zu demokratischen Grundlagen seitens religiösen Fanatiker, die jene Erneuerung der festgelegten Überzeugungen abzulehnen suchten. Sie appellierten sich an liberalen westlichen Bürger mit dem Ziel, die antidemokratische Lehre zu verewigen. Eine wahnsinnige Idee, doch der naive Westen stimmte ihnen überein, weil er darin den Ausdruck seiner Freiheitsförderung sehen wollte. Dieser klare Teufelskreis musste man auf jeden Fall zerreißen. Sonst riskierte die Demokratie selbst, zerstört zu werden. Islamistische Extremisten führten seit letzten Jahrhunderten einen Krieg gegen Westen, indem sie ständig große Terroranschläge an vielen westlichen Orten ausgeübt hatten, die Millionen Menschen weltweit das Leben kosteten. Deswegen war die Entschärfung des Islam eine global wichtige Maßnahme.

Abgesehen davon, dass die gegenwärtige mohammedanische Lehre sehr rückständig aussah, bevorzugten die unterschiedlichen radikalen Gruppierungen dieses Glaubens, alle modernsten Erfindungen der westlichen Technik möglichst bald anzueignen. So verfügten sie über alle Informationsquellen, die jene Kenntnis weltweit, die irgendwelchen Bezug mit dem Islam oder Koran haben konnte, unmittelbar nach einem speziellen Zentrum zu sendet, wo man sie im Sinne der Feindlichkeit dieser Religion gegenüber analysieren sollte. Und Dr. Mansur ging wieder in die Falle. Er arbeitete beharrlich mit seinem kleinen Team und habe Erfolg gehabt. Die ersten Ergebnisse waren so vielversprechend, dass der Institutsleiter ihn bat, einen Artikel darüber zu verfassen. Das machte Hassan sehr gerne. Diesmal war er sogar vorsichtiger, um mit der Wissbegierde erregenden Titel niemanden demonstrativ aufzureizen. Solche Sache wollte er sich nie. Nein, der Titel war absolut neutral und unauffällig ausgewählt. Trotzdem hatte er damit auch Pech gehabt. Der Anlass dafür war sein Name, der in der Reihe von Autoren vorhanden war. Später stellte es sich heraus, dass man seinen Namen in eine abgesonderte Rubrik platzieren wollte, um seine künftige Aktivität einfacher zu kontrollieren. So spielte nun fünf tausend Kilometer, die ihn von Teheran entfernten, gar keine Rolle mehr. Für seine Verfolger war er nun ganz nah, um eine Hetzjagd auf ihn auszuüben. Einige Tage danach war diese Nachricht auch in Stockholm bekannt geworden, was sofort die örtliche Öffentlichkeit in Unruhe versetzt hatte. Gustav Ekström selbst reichte eine Bittschrift ans Ministerium fürs Innere ein, in der er um einen persönlichen Schutz für Herr Mansur bat. Zum Glück wurde dieses Anliegen sehr bald erfüllt und schon in wenigen Tagen bewegte sich der Betroffene ausschließlich in Begleitung zweier bewaffneten Polizeibeamten. Die nächste Verlegenheit betraf alle Computer und Programme der Gruppe, die man unmittelbar von den Hackerattacken schützen sollte. Mit dieser Absicht wurde die Gruppe von einem IT-Sachkundigen ergänzt. Es war ein gewisser Sergey Burow, ein mittelhoch großer und gut aufgebauter Kerl mit hellbraunen Haaren und gedankenvollen grauen Augen aus der russischen Stadt Perm. Sergey habe schon ganz viel für seine 32 Jahre gemacht. Des Weiteren zeichnete er sich seit der Kindheit wegen seiner Begabung aus. Er war eindeutig der erste Schüler in der Klasse sowohl in Sprach- als auch in Mathematik- und Naturkunde. Auf diesen Grund wurde er in eine spezielle akademische Schule mitgebracht, wo er auch der Beste sein sollte. Darüber hinaus wurden alle Lehrer von seiner Erfindungskraft begeistert, mit der er fast jede Aufgabe eigenartig auszuüben suchte.

Mit 21 absolvierte er schon die Staatsuniversität als Fachmann der mathematischen Linguistik. Noch in drei Jahren schrieb er eine Doktorarbeit im Bereich der künstlichen Intelligenz, die für das allgemeine Ansehen sorgte. Danach gründete er sein eigenes IT-Unternehmen, das sich mit besonders komplexen Programmen beschäftigte. Gerede zufolge besaß sein Team auch heimliche Programme, die die Funktionsfähigkeit großer Konzernen und Institutionen irreparabel schädigen konnten. Ob es tatsächlich so war, wusste aber keine. Doch allein das Gerücht war ausreichend, um unterschiedliche Behörde und nicht zuletzt die der Staatssicherheit gegen ihn aufzuhetzen. So wurde von ihm aufgefordert, unverzüglich alle Programme und verborgene Angelegenheiten seiner Firma offenzulegen. Er versuchte sich zuerst widerzusetzen, dass es angeblich sein ganzes intellektuelles Kapital gab, das er besaß. Sonst sollte er seine Insolvenz anmelden. Solche verantwortungslose Rederei ließ die Beamten in Wut geraten. Sie drohten Sergey, sein Unternehmen völlig zu zerschmettern, falls er ihren Befehl nicht auszuführen vermochte. Stattdessen verkündete er den Verkauf des Unternehmens und verließ dringend das Land. Es wurden in Russland mehrere Gerichtsverfahren gegen ihn eröffnet, die ihn nach der Hoffnung der Behörden verarmen sollten. Er ließ sich allerdings in New-York nieder, wo er anfänglich im Auftrag UNO arbeitete. Zugleich ließ er mehrere seine Ideen patentieren, die ihm geraubt werden könnten. Einige Jahre darauf querte er den Ozean über, um fernerhin in Paris zu leben. Er gründete dort eine Firma, die für die Sicherheitsprogramme im Netz zuständig war. Als Professor Ekström mit ihm in Kontakt kam, weigerte er nicht lange, um diese wichtige Zusammenarbeit anzunehmen. Sein Auftauchen in Stockholm wurde von allen Mitarbeitern des Instituts herzlich begrüßt. Schon in wenigen Tagen war er die Seele der Gemeinschaft, denn er besaß zweifelsohne einen Liebreiz, den jeder empfinden konnte. Besonders waren die Frauen von ihm entzückt. Sie fanden sogar in seiner einwandfreien Sprache (manche von ihnen auch in seiner Stimme) etwas Liebe Gewinnendes fürs weibliche Herz.

Vielleicht verfügte Sergey in der Tat über solche Beschaffenheit, allerdings erregte sie keine Eifersucht vom männlichen Anteil des Instituts. Und abgesehen von solcher freundlichen Verhaltensweise konzentrierte sich der IT-Fachmann auf der Korrespondenz, die letzte Zeit an alle Computer des Instituts angekommen worden war. Es gab eine Menge über tausend Stück pro Tag, jedes von denen man zwecks Computerviren und -wurmen sorgfältig erforschen sollte. Besonders gefährlich schienen dabei solche von ihnen, die hinter kleinen und fast unsichtbaren grammatischen Fehler komplizierte zerstörerischen Programme verheimlichten, die der Benutzer aus winzigem Versehen in sein Betriebssystem installieren konnte. Die Prozedur diese Technik war so geschickt ausgearbeitet worden, dass der sachkundige höchster Qualifikation viel Zeit investieren sollte, um ein Gegengift herauszufinden. Seinen neuen Kollegen erklärte Dr. Burow seine Aufgabe mit einem einfachen Beispiel:

„Ich kann etwas Ähnliches aus der Medizin vorschlagen. Es gibt eine Menge von effizienten Arzneimitteln, die eine große Gruppe von Krankheitserreger gleichzeitig zu bekämpfen vermögen. Es gibt auch solche, die ganz präzis gegen eine einzelne Erkrankung effizient sein könnten. Ich habe schon gewisse leistungsfähige Programme entwickelt, die ein Computervirus oder einen -wurm zu verspüren wissen, um sie inaktiv zu machen. Sie nützen dabei einige Merkmale, die man in Sprachwissenschaft zu Besonderheiten der Redenarten zählt. Mithilfe solchen Programms wäre es möglich, eine Vielfalt von obengenannten „Schmarotzer“ zu vernichten. Modernen Hacker wurde es aber gelungen, ihren schädlichen „Produkten“ eine schützende „Tarnkappe“ zu ersinnen, die meine Aufgabe enorm komplizierter machen sollte. Nun muss ich ein spezifisches Gegengift für jeden konkreten Fall entwickeln“. Den Kollegen schien solche Erläuterung ganz verständlich, obwohl sie keine Ahnung von dem Kern der Sache haben konnten. Es war ihnen aber egal, weil sie Sergey sowieso keine Hilfe zu leisten fähig waren.

Professor Ekström war bestimmt mit der aktuellen Arbeit Dr. Mansur zufrieden. Doch er war nicht mehr fähig, sich innerlich von einem unangenehmen Gefühl völlig zu befreien. Die Notwendigkeit eines ständigen Personenschutzes für diesen Kerl war aber nicht nur seine private Angelegenheit. Im Gegenteil redeten hinsichtlich dieses Themas schon einige Präsidialbeamten der Uni. Unbedingt war ihre Sprache nicht einwirkend, sie murmelten etwas wie bei einem Selbstgespräch. Aber wenn man dazu beharrlich hinzuhören suchte, stellte es sich heraus, dass deren Worte gar nicht harmlos waren.

„Wir sind eine ziemlich arme Bildungsorganisation“, könnte man anhören, „die für die ausschließlich lebenswichtigen Forschungs- und Lernmaßnahmen keine Finanzierung bekommen können. Und nun wurden wir gezwungen, für den Schutz einer Person große Gelder zu vergeuden“. Gustav Ekström tat natürlich so, als ob er nichts hörte, aber es änderte nichts: einerseits war Hassan der Leiter des Projekts, andererseits drohte ihm eine Lebensgefahr. Was sollte er, Institutsdirektor Ekström, machen, einen Schutz durch Freiwilligen zu leisten? So ging es sicher nicht. Allerdings war diese Gefahr für Hassan unbedingt nicht anscheinend: seine Polizisten beugten schon zweimal der Versuch vor, Unbekannten zu ihm durchzugehen. Nach der Erscheinung der bewaffneten Beamten, verschwanden sie aber momentan. Man sollte sich doch an Hassans Stelle setzen. Der arme fühlte sich wie eine lebendige Zielscheibe. Musste es bis zum Ende dauern oder gab es irgendwelchen Ausweg? Selbstverständlich empfanden auch seine Mitarbeiter Angst, sich in der Nähe von ihm zu befinden. Die heimtückischen Mittel der Terroristen waren geschickt und unvorhersagbar. Gleichzeitig legte sich Hassan Rechenschaft ab, dass seine Anwesenheit eine Menge Schwierigkeiten für die Umgebung mitbringen sollte. Obwohl Ekström ihm gar nicht über das präsidiale Gerede mitteilte, kapierte er selbst wohl, dass er der Uni äußerlich kostspielig sein sollte. Er habe aber diese Zeit keine andere Wahl. Was noch schlimmer werden sollte, er nahm seine Mitarbeiter unter Beschuss. Sogar diejenigen, die als seine Mitautoren die Artikel verfassen konnten, wagten, ins Visier von Terroristen zu geraten. Nicht kleinere Furcht flößte ihm die Gefahr für eine junge Frau namens Corrie de Vries ein, mit der ihn freundliche Verhältnisse verbanden. Corrie stammte aus Niederlanden und wurde bei Uni Amsterdam als Sachkundige für die arabische Sprache ausgebildet. Sie war sechs Jahre jünger als Hassan und fand den Umgang mit ihm ganz großartig. Außerdem war es eine gute Chance, ihre Sprache zu vervollkommnen. „Wenn es mit ihr etwas passiert“, sagte er sich, „könnte ich mir dieses Unglück ja nicht verzeihen“. Corrie gehörte einer anständigen Familie. Ihr Vater war Sprachwissenschaftler und Kenner der alten Sprachen. Ihre Mutter war Künstlerin und Anhängerin des Konzeptualismus, die Corrie schon seit deren Kindheit die großen geistigen Werte des menschlichen Wesens einzuflößen versuchte. In ihren Studienjahren unterstützte die Tochter aktiv die Bewegung für die Gleichberechtigung aller Gläubigen. Die Grundidee dieser Strömung bestand darin, dass es unangebracht und unsinnig war, den eigenen Glauben über alle anderen zu stellen. Eine merkwürdige Einzelheit dieser Bewegung war mit der Tatsache verbunden, dass sie gleichermaßen von allen religiösen Richtungen sehr heftig angegriffen worden war. So sammelten ihre stark bevölkerten Kundgebungen nicht selten die Vertreter mehrerer Konfessionen, die nach der Beendigung der Maßnahme gewaltsame und nicht selten blutige Ausschreitungen gegen Mitglieder anderen Glaubensarten, vor allem aber gegen „Apostel“ der Bewegung begannen. Auch Corrie selbst gewöhnte sich zu Spuren der Prügelei auf ihrem Leibe. Nur eine energische Einmischung der Polizei war imstande, solcher Schlägerei Einhalt zu gebieten. Die junge Frau ließ aber ihre Bemühungen bis der Aussiedlung nach Stockholm nicht zurück. Ihre Bekanntschaft mit Dr. Mansur sagte ihr zuerst nichts besonders Angenehmes. Er schien ihr eher einem mittelmäßigen Mitarbeiter aus der Nordafrika zu sein. Nur nachdem sie von seinem ungewöhnlichen Schicksal erfuhr, wurde sie von einem tiefen Gefühl der Achtung ihm gegenüber erfühlt. Dieser Kerl war unbedingt mutig und furchtlos, obwohl ihm jeden Augenblick eine Lebensgefahr drohte. Corrie wusste schon selbst, wie man sich unter solchen schrecklichen Bedingungen empfinden konnte. Nun war sie unaufhaltsam bereit, auf seine Seite zu übergehen. Darüber hinaus entdeckte nun auch ihre weibliche Natur in ihm eine erklärte Anziehungskraft, die ihr zuvor nicht gelang. Monate danach zweifelte Corrie nicht mehr daran, dass sie für diesen Mann ihr Leben riskieren könnte. Ihr wissgieriger Verstand verglich unwillkürlich Hassan mit Sergey, der ein Altersgenosse des Ägypters war. Der Russe war nicht nur hoch talentiert und großartig ausgebildet, sondern scharfsinnig und erfinderisch, was ihn absolut bezaubernd bei den Frauen machte. Es gab aber irgendwas Verborgenes, was Corrie zu erklären nicht fähig war. Doch gerade diese Beschaffenheit machte ihn völlig verloren für die Holländerin. Vielleicht war es eine kleine Arroganz oder etwas überflüssig ironischer Ton seiner Äußerungen. Nein, sie wusste genau nicht, was es war, doch ihr Herz sagte ihr einfach so. Hassan war sicher nicht so belesen wie Dr. Burow, er war ganz frei von jenem aristokratischen Wesen. Trotzdem glaubte sie an jedes seinen Wort ohne eine verborgene Deutung zu verdächtigen. Man fühlte sich vielleicht bequem mit ihm und wollte nichts ändern. Er erzählte ihr völlig offen, was er letzte Zeit in Bücher und Artikeln gefunden habe und war dankbar für jede ihre Bemerkung oder Empfehlung. Er sagte niemals in der Art: „Das kapierst Du leider nicht“ oder „Es geht wahrscheinlich über den Rahmen Deiner Erfahrung“. Solche ungünstige Schlussfolgerung konnte sie sich nur selbst ziehen. Außerdem zeigte er aufrichtig seine Freude, wie recht sie mit ihrem Rat war, wenn von ihr etwas Wesentliches vorkam. Solche Unbekümmertheit der fremden Meinung entgegen sollte sicher von guter Gemütsart des Menschen zeugen. Aber was letzte Zeit um Hassan herum passierte, konnte eher ihre Besorgnis erregen. Eine polizeiliche Überwachung rund um die Uhr machte auch ihre Verhältnisse unruhig und nervös. Sie bemerkte, dass ihr Freund änderte sich buchstäblich vor ihren Augen. Noch vor Kurzem war er besonders höfflich und zuvorkommend als ob er sie mit einer unvorsichtigen Geste oder mit einem unrichtigen Wort zu beleidigen furchte. Nun war es nicht mehr der Fall. Sie kapierte es wohl, denn nicht er selbst war dafür schuldig, sondern seine unangenehme Lage, die ihn diese Zeit beeinflussen sollte. Die Umstände waren zweifellos in der Lage, mit menschlichem Gemüt zu hantieren. Deswegen konnte sie ihm alle Ungereimtheiten dieser Zeitspanne verzeihen. Sie hoffte stark, dass seine Situation sich früher oder später verbessern sollte, damit er seine vorherigen Eigenschaften wiedererwerben könnte. Ihr blieben nur die ruhige Geduld und Selbstbeherrschung übrig, um ihm tatsächlich behilflich zu sein. Nichtsdestoweniger bedrängte die ständige und lästige Anwesenheit der Polizeibeamten ihre Psyche und zwang sie, manchmal unbedacht zu handeln. Außerdem fühlte sie mit ihrer weiblichen Ahnung, dass die Umgebung sie immer enger mit der eigenen Persönlichkeit Hassans zu verbinden wusste, als ob sie ein untrennbarer Teil seines Wesens werden sollte. Sogar der zartfühlende und taktvolle Professor Ekström blickte sie ab und zu mit einer verborgenen Rüge an. Der Gelehrte legte sich vielleicht keine Rechenschaft darüber ab, doch sie konnte es mit ihrem sechsten Gefühl verspuren, dass er sie einigermaßen für den Zustand ihres Freundes mitverantwortlich machen sollte. Die Gerüchte, dass Dr. Mansur dem Institut überflüssig teuer kosten sollte, erreichte natürlich auch ihr Ohr. Was konnte sie dagegen machen? Sie wurde in Verlegenheit ganz unwillkürlich gebracht, weil sie alle Details der Situation nicht zu erkennen fähig war. Doch dieser Umstand verbesserte sich kaum danach, wenn sie schon Bescheid wusste. Ihr war es besonders schwer, mit Hassan darüber zu sprechen. Sein Nervensystem war sicher enorm beschädigt, so dass er ganz harmlose Aussagen wie einem Verdacht oder einer Beschuldigung aufnehmen könnte. Und wenn sie gar nichts mit ihm diskutieren konnte, was sollte sie sonst unternehmen? Ihr eigener Kopf war vielleicht zu schwach, um alle Kleinigkeiten der Lage miteinander zu knüpfen vermögen oder eine Beste Variante aus unterschiedlichen möglichen auszuwählen. Alles bildete sich so ungünstig heraus auch deswegen, weil sie darüber mit keiner anderen Person unterhalten konnte. Nicht zuletzt wegen der Gefahr, dass ihr Freund davon von jemandem zu erfahren vermochte. Diese Auffassung habe aber nichts Gemeinsames mit ihrer aufrechterhaltenden Überzeugung, dass Hassan ganz und gar gerecht war. So war sie weiter stolz auf ihn, dass er einen großen Mut erwarb, gegen die Radikalisierung des Islam zu kämpfen. Er empörte sich dabei so offen, dass er den Hass aller Extremisten auf sich gerichtet hatte. Und sie war weiter seine Mitkämpferin und Verehrerin. Die Letzte verpflichtete sie, ihm eine sichere Existenz in der nahen Zeit danach, also nach der Beendigung des Projekts, herauszufinden versuchen. Dafür kam sie mit allen seinen Freundinnen in Kontakt, indem sie ausführlich die Schwierigkeiten seiner Lage beschrieb, die künftig vielleicht verlangen könnte, seine Identität vollkommen umzugestalten. Da die Technik der plastischen Chirurgie so brillant entwickelt war, dass das neue Aussehen nach jedem Wunsch erreichbar war und die zuständigen Behörde schon gut Bescheid wussten, worum es ging, um einen neuen Namen und Lebenslauf zu genehmigen, sollten sowohl optische, als auch dokumentarische Probleme gut gelöst werden. Das heißt, man brauchte nun von Corries Freundinnen ausschließlich einen sicheren Aufenthaltsort und eine bescheidene wissenschaftliche Stelle für den promovierten Soziologen.

Damals während ihrer Studienzeit war Corrie sehr gesellig und besaß einen umfassenden Kreis der Freundinnen, also Mädchen, mit denen sie unterschiedliche Sachen besprechen konnte. Mehrere von ihnen waren zweifelfrei hilfsbereit und konnten ihr in mehreren Fällen beistehen. Das Vorkommnis Hassans war ganz anderer Natur, hier sollte das Schicksal eines Menschen entschieden werden. Nein, nicht eines beliebigen Menschen, sondern dessen, der ihr sehr teuer und wichtig war. Das änderte die Situation so drastisch, dass auch die Freundinnen sehr gut ausgewählt werden mussten. Solche gab er nach ihrer Schätzung eher nicht mehr als drei. Ja, sie lebten momentan in verschiedenen Ländern, eine davon im Königreich Marokko. Sie war unbedingt eine zuverlässige Frau und konnte hundertprozentig eine richtige Hilfe leisten. Doch der Aufenthalt dort in einem arabischen Land würde für Hassan mit unvorhersagbaren Ereignissen verknüpft werden, was unzulässig sein sollte. Die zwei anderen wohnten in Europa, waren verheiratet und schienen Corrie für diese Angelegenheit ganz nützlich zu sein. Die beiden änderten schon ihnen Familiennamen, doch sie habe ihre Telefonnummer und E-Mails. Die eine hieß früher Dita Elliz, sie war Tochter des bekannten Jazzmusikers und -komponisten Frank Elliz. Von Geburt an besaß Dita ein hervorragendes musikalisches Gehör, das ihr ermöglichte, ziemlich einfach fremde Sprachen zu lernen. In Uni war sie eine der besten Studenten. Außerdem hatte sie eine angeborene Angst, irgendwas unanständig zu machen. Nun lebte sie mit ihrem Mann und einem kleinen Sohn in Mailand. Die zweite hieß Maureen van Langen und stammte einer Marineoffizier Familie ab. Maureen wurde von ihrer Kindheit an zu einer strengen Ordnung angehalten, was ihr Gemüt stark beeinflussen sollte. Sie sorgte immer beharrlich sowie für ihr tadelloses Aussehen als auch für solches Benehmen. Wahrscheinlich änderte sich später nichts in ihrem Charakter. Maureen war zurzeit noch kinderlos und lebte mit ihrem Mann, Pierre Cordy, in französischer Lyon, wo die beiden Ehepartner an einem privaten Forschungszentrum für Ethnographie gearbeitet haben. Corrie sendete den beiden Freundinnen die ausführlichen Briefe, wo sie alle Schwierigkeiten mit ihrem Kollegen und seine „frommen“ Wünsche der Arbeit gegenüber zu beschreiben wusste. Sie zweifelte nicht daran, dass die beiden Frauen sehr ernst ihre Botschaft durchlesen und alles Mögliches unternehmen sollten, um ihr zu helfen.

Es dauerte etwa über zwei Wochen bis sie die beantwortenden Mitteilungen bekommen habe. Diese zeugten deutlich davon, dass die Frauen eine Menge Mühe aufzuwenden versuchten, um ihre Beste zu machen. Dita beschäftigte damit auch ihren Mann, der in seiner Arbeit mit mehreren Instituten in Europa und Übersee zusammenwirkte. Auf jeden Fall war er bereit, Dr. Mansur eine Stelle anzubieten. Bei Maureen sah es so aus, dass die Leitung des Zentrums, wo sie mit ihrem Mann dienten, sogar aktuell nach einem Soziologen suchten. Die beiden Briefe waren in Holländisch geschrieben, die Hassan nicht kannte. Deswegen übersetzte Corrie ihm buchstäblich jeden Satz. Der Ägypter fand die zwei Variante sehr anlockend. Eine Verlegenheit veranlasste nur die Tatsache, dass er noch ein Jahr um das Projekt in Stockholm kümmern sollte. Ein Jahr war ein zu großer Aufschub dafür, dass jemand eine Stelle für ihn bewahren sollte. Also man musste einen Entschluss möglich schnell fassen.

Corrie versuchte auch damit, etwas Nützliches zu empfehlen:

„Hassan, deine Lage hier scheint mir jedenfalls ziemlich heikel. Die Institutsleitung nimmt dich misstrauisch auf, weil deine Sicherheit ihr zu viel kosten sollte. Ich meine, dass deine Anwesenheit in Stockholm von selbst unerwünscht werden kann. Um dies dummes Zeug zu entgehen kannst du nach meiner Auffassung unserer Leitung eine Abwandlung vorzuschlagen wagen, ihr Projekt sozusagen von außen durchzuführen. Die beiden Varianten, die meine Freundinnen für dich zur Verfügung gestellt haben, machen es für möglich“. Hassan nahm aber solche Möglichkeit eher für unrealistisch:

„Wie kannst du diese Fernarbeit vorstellen? Ich müsste vor allem meine neuen Aufgaben erfüllen, was sicher viel Zeit und Mühe kosten sollte. Und dann wird auch mein hiesiges Projekt stark vernachlässigt. Nein, solche Unmäßigkeit kann ich mir nicht leisten“. Seine Argumentation war bestimmt einsichtig, doch Corrie suchte alle Mittel, um ihm zu helfen:

„Vielleich hast du Recht, es wäre zu kompliziert, zwei Tätigkeiten zugleich auszuüben. Du kannst aber erstmal Stockholm verlassen, um die Sicherheitsgelder zu sparen, und dich in einer Stadt, wo meine Mädchen wohnen, niederlassen. Diese Verhaltensweise finde ich auch für vernünftig, einerseits, weil du dich dort in Sicherheit fühlen könnte, und andererseits, weil du mit deinen künftigen Kollegen näherkommen kannst. Außerdem wirst du in der Lage, dein Projekt in Ruhe fortzusetzen“.

„Danke, Corrie, diese Idee muss ich unbedingt durchdenken“. Für die junge Frau klang diese bescheidene Dankbarkeit wie eine kostbare Belohnung, denn er benahm sich letzte Zeit sehr verschlossen und zurückhaltend. Und sie versuchte mit aller Kraft, ihn aus diesem Zustand hinauszubringen. Mit ihrer jüngsten Empfehlung hatte sie anscheinend Glück gehabt. Auf jeden Fall las sie eine deutliche Änderung seiner Stimmung im Gesicht. Sein kleines Lächeln könnte das Eis zwischen ihnen beiden brechen. Nun wusste Corrie wohl, dass Hassan selbst etwas Entscheidendes zu unternehmen fähig wird. Und es war in der Tat so gewesen, indem er einige Tage darauf Gustav Ekström um eine kurze Unterhaltung bat.

Im Prinzip richtete er beim Treffen mit eigenen Worten alles, was ihm Corrie empfahl, aus. Um ehrlich zu sein erwartete er kaum eine positive Reaktion des Professors auf dem Vorschlag, das Projekt fern zu steuern. Allerdings war Gustav ein umsichtiger Mensch, der momentan imstande war zu kapieren, welche Vorteile er von dieser Arbeitswese bekommen könnte. Selbst das Verschwinden des Problemkollegen aus seinem Gesichtswinkel versprach eine Reihe von Erleichterungen. Die Obrigkeit beschuldigt ihn nicht mehr des hohen Aufwands des Personenschutzes, das Personal des Instituts atmet befreit auf, weil es dessen Unsicherheit mit Dr. Mansur verband. Und er, Gustav Ekström, bekommt die Chance, sich unmittelbar in die Arbeit der Forschungsgruppe Hassan Mansurs einzumischen ohne irgendwelche Verwaltungsordnungen zu ändern. Außerdem erhält der Projektleiter alle Steuerungshebel aufrecht als ob er vollständig bei ihnen verblieb. Die radikalen Gruppierungen, die beharrlich den Lauf der Forschung betrachteten, wussten sicher Bescheid, wann sie zu Ende gehen sollte. Das heißt, sie bereiteten sich zu einem Attentat auf Hassan vor, der durch vorläufige Sicherheitsmaßnahme für sein Leben nicht fürchten konnte.

Aufgrund dieser Überlegungen stimmte Professor den Vorschlag Mansurs überein.

Ein ungewöhnlicher Patient der plastischen Chirurgie

Nach einem gewogenen Gespräch mit Professor Ekström fasste Hassan wirklich den frischen Mut. Er erzählte ausführlich Corrie davon und zeigte seine vollkommene Zufriedenheit anlässlich jede ihre Bemerkung, die die junge Frau in der Absicht, ihn zu Aktivität anzuregen, geäußert habe. Nun stand die Frage der Veränderung der Identität auf der Tagesordnung. Vor allem war die Rede von einer plastischen Operation, die sein Aussehen bis zur Unkenntlichkeit verändert sollte. Es gab dabei zwei heikle Einzelheiten, die man unbedingt genau befolgen musste. Erstens stand die Suche nach einem hochqualifizierten Chirurgen bevor, der richtig seine Aufgabe zu verstehen fähig würde. Zweitens sollte er alles ganz vertraulich machen, damit niemand davon etwas zu erkennen fähig wäre.

Grundsätzlich beschäftigt sich dieser Bereich der Chirurgie mit der Wiederherstellung oder Verbesserung der Körperform oder sichtbar gestörten Körperfunktionen. Einige Sachkundigen haben dabei ein hervorragendes Niveau erreicht, was dem Betroffenen buchstäblich ein neues Leben bescheren lassen konnte. Im Großen und Ganzen unterschied man klare ästhetische und funktionelle Grunde für die Notwendigkeit der Operation. Das echte Vorkommnis Dr. Mansur entsprach kaum diesen beiden. Vielleicht im Gegenteil war er eher bereit, seine äußere Erscheinung zu verschlimmern. Das heißt, dieser erlesene chirurgische Eingriff habe nichts mit der sogenannten Schönheitsoperation zu tun. Man sagt, dass die ästhetischen Angelegenheiten schon in der Antik und dem Mittelalter eine bedeutende Rolle spielten. So ließen sich römische Kaiser etwas in ihrem Aussehen ändern, um sich gewisse mannhafte und mutige Gesichtszüge zuzuteilen. Der moderne Ägypter konnte und wollte aber sicher nicht, sich mit den römischen Kaisern zu vergleichen. Darüber hinaus sorgte er auf keinen Fall für seinen Ruf bei der Öffentlichkeit, sondern für die offizielle Vertilgung der Person namens Hassan Mansur aus allen Medien und sozialen Netzen. Mit diesem Ziel betätigten sich er und seine Freundin intensiv mit der Erforschung der Situation mit solcher medizinischen Richtung in schwedischen Stockholm. Es stellte sich dabei heraus, dass die Mehrheit der Chirurgen die Laserskalpelle zu nutzen bevorzugten,