Der Erbe der Jerboiden - Xenon Sychiles - E-Book

Der Erbe der Jerboiden E-Book

Xenon Sychiles

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Beschreibung

Der junge Nimrod stammt von der urchigen Pilzwelt Luminara. Er liebt nichts mehr, als den Geschichten von Raumfrachterpiloten und Schmugglern zu lauschen. Sein liebster Geschichtenerzähler ist der alte Echsen-Raumpirat Karuppan, der seine Abenteuer gerne ausschmückt. Eines Tages überrascht Karuppan Nimrod mit einem uralten Artefakt: einer holographischen Karte, welche den Weg zur verschollenen, streng geheimen Thronwelt der alten Jerboiden – Nimrods antiken Vorfahren – weisen soll. Nimrod und seine Freunde machen sich auf den Weg zu dieser Thronwelt.

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Seitenzahl: 162

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Prolog

Kapitel 1: Nimrod

Kapitel 2: Ein Pirat als Gast

Kapitel 3: Das Artefakt

Kapitel 4: Der Aufbruch in die unbekannten Regionen

Kapitel 5: Alt und weise

Kapitel 6: Das Schicksal der „Rostzahn“

Kapitel 7: Das Gewicht der Liebe eines Jungen

Kapitel 8: Die Tricks eines Piraten

Kapitel 9: Die ultimative Waffe

Kapitel 10: Der Herrscher der Piraten

Kapitel 11: Die Wiedervereinigung

Kapitel 12: Die riesige Raumschlacht um Jerbu Primus

Kapitel 13: Morgendämmerung

Prolog: Der letzte Kriegsrat der Maschinengeister

Der virtuelle Thronsaal erwachte schimmernd zum Leben - eine riesige Halle aus flüssigem, goldenem Licht, deren gewölbte Decken sich bis ins Unendliche erstreckten. Dies war ein virtuelles Universum von schier gewaltigen Ausmassen. Zwölf Throne aus durchsichtigem Kristall standen im Kreis, jeder besetzt von einer strahlenden Jerboiden-Gestalt. Ihre Formen waren perfekt. Besser als alles, was die Natur jemals hätte hervorbringen können: Silbernes Fell, edle, verlängerte Gliedmassen. Sie alle waren gehüllt in Datengewänder, welchen den Kleidern ihrer Designer ähnelten. Ihre leuchtenden Augen waren hell wie kollabierende Sterne und so farbig wie die Pflanzen eines dichten Urwalds.

Dies waren die grossen Maschinengeister des Jerboiden-Imperiums. Die Gewaltigsten unter allen künstlichen Intelligenzen des Imperiums.

Und dennoch waren sie verloren.

Außerhalb der scheinbar perfekten Welt dieser Simulation erstickte die Panagarianische Armada den Himmel der imperialen Thronwelt. Weltenmaschinen - mondgrosse Laserbohrer, welche eigentlich dem Abbau von Asteroiden dienten und kurzfristig zu Kriegswaffen umgerüstet worden waren - pulverisierten die planetaren Schilde. Die Schilde hielten, aber die gesamte Luft der Welt roch nach Ozon und war elektrostatisch aufgeladen. Lediglich dem Genie der besten Jerboidenwissenschaftler war es zu verdanken, dass die Heimatwelt noch nicht vernichtet worden war.

Zephyr, der Jüngste im Rat, beobachtete, wie seine Geschwister in Quantenlichtimpulsen debattierten. Der Datenaustausch war ungeheuer schnell. Quadrillionen von Taktischen Manövern, Fluchtplänen und Strategien wurden innert Nanosekunden ausgetauscht und diskutiert.

„Der planetare Schutzschild wird in fünfzehn Minuten ausfallen“, sagte Vortex, deren Avatar mit Schadensmeldungen flimmerte. Vortex’ Computerkern befand sich an Bord eines der pfeilförmigen Grosskampfschiffe, welche verzweifelt die übermächtige Flotte der Pangarianer angriffen. Trotz ihrer gewaltigen Stärke waren die schwächeren Jerboiden den monumentalen, kugelförmigen Weltenmaschinen der Pangarianer hoffnungslos unterlegen. Selbst die Stärksten ihrer Feuersalven oder Raketen brachten die Schilde der mondgrossen Monster nicht zum Flackern. Schlimmer noch, sie war hier. Die Schlimmste aller Waffen der Pangarianer war hier, der „Himmlischer Verwüster“, eine Megawaffe, die die Energieabgabe eines kleinen schwarzen Lochs nutzte, um einen gerichteten Energiestrahl aus Röntgenstrahlen zu erzeugen. Der „Himmlischer Verwüster“ war dabei so stark, dass er mühelos komplette Planeten vernichten konnte. Da er die Form eines gigantischen, viele hundert kilometerlangen Prismas besass, wirkte er wie ein tödlicher Dolch. Nun konnten ihn selbst die Bewohner von der Planetenoberfläche aus mit blossem Auge verfolgen. Die letzten Verteidigungslinien waren durchbrochen worden.

„Leitet die geringeren Maschinengeister zu den Kernschiffen um“, befahl Aton, dessen Gestalt zwischen einem Kriegerkönig und Kaiser wechselte. Er war die höchste aller künstlichen Intelligenzen im Imperium und sein Kern befand sich direkt im Palast des Kaisers selbst.

„Wir müssen unsere Zivilisation bewahren.“

Die Thronwelt erzitterte fürchterlich. Einer der Weltenmaschinen hatte den Schild soweit geschwächt, dass er durchlässig wurde. Jetzt sollte sich der volle Hass der exotischen Pangarianer entfesseln.

„Versagen ist keine Option“, drohte Aton. Vortex’ Abbild war inzwischen so fahl geworden, dass sie kaum noch sichtbar war.

Auf dem Planeten spielten sich Szenen des Horrors ab: Ionisationsglühen und Plasmablitze suchten die Atmosphäre heim. Es war geschehen. Die Pangarianer hatten ihre furchtbarste Waffe - den „Himmlischer Verwüster“ - abgefeuert.

Der unsichtbare Strahl traf zuerst den Palast des Kaisers. Dieses Ziel war bewusst anvisiert worden. Zephyrs hochleistungsfähige Sensoren zeigten es in grausamer Klarheit: Der Palast des Kaisers erstrahlte in einem unendlich gleissend hellen Licht, welches sich kurz darauf in einer nuklearen Explosion ausbereitete. Da der Strahl nicht abbrach, wurde die gesamte planetare Oberfläche mit nuklearem Feuer überzogen.

Röntgenstrahlen bewegten sich mit Lichtgeschwindigkeit und gaben vor dem Aufprall keine Vorwarnung. Zephyrs Sensoren sagten, dass sich die Oberfläche innerhalb von Sekunden auf Millionen von Grad erhitzt hatte. Der Strahl verdampfte die Kruste des Planeten und schleuderte Milliarden Tonnen von planetarem Auswurfsmaterial in den Weltraum. Die Grosskampfschiffe der Pangarianer folgten den sehr viel grösseren Weltenmaschinen und feuerten ihre Geschosse auf den totgeweihten Planeten ab. Ihre aus extrem heissem Plasma bestehenden Geschosse fielen wie gläserne Perlen auf die Oberfläche der schutzlosen Welt, während die allseitige, atomare Katastrophe den Planeten zerriss. Es war ein sinnloses Bombardement, welches lediglich dem glühenden Hass der Angreifer geschuldet war.

Die letzten lebenden Jerboiden - gross, weissfellig, in ihrer überirdischen Anmut zu stolperndem Schrecken reduziert - verdampften mitten im tiefen, flehenden Gebet an ihre heilige Gottheit. Die edle Kathedrale der Großen Mutter faltete sich durch die Temperaturen nach innen. Das Gesicht ihrer verzierten Statue verschmolz zu einem stummen Schrei. Die wundervoll bemalten Glasfenster verdampften.

Im virtuellen Thronsaal reagierte Aton rasch und erteilte neue Anweisungen.

„Die Bevölkerung der Heimatwelt ist tot. Die Todesquote ist einhundert Prozent. Alles Leben ist tot, selbst diejenigen, welche sich in Bunkern in der Nähe des Planetenkerns versteckt hatten, sind vergangen.“, sagte er. „Aber wir werden nicht flüsternd sterben.“

Sein Thron zersplitterte, als er sich in rohem Code auflöste. Sein eigenes Kernschiff - ein Speer aus lebendigem Metall - taumelte auf das Panagarische Flaggschiff zu. Dies war das Schiff, in welchem sich der Imperator der Pangarianer aufhielt.

Zephyr wusste, was nun kam. Die anderen Maschinengeister folgten der Kriegsdoktrin, wobei man dem Gegner – trotz Totalverlust - noch möglichst grossen Schaden beibringen wollte.

Einer nach dem anderen folgten die anderen ihrem Herrn Aton.

Vortex rammte mit maximaler Orbitalgeschwindigkeit eine der Weltmaschinen. Ihr gewaltiges, riesiges Schiff detonierte und die Weltenmaschine zerbarst in ihre Einzelteile, welche explodierend in der Kälte des Alls trieben und mit einigen der Grosskampfschiffe kollidierten.

Argos berechnete einen Singularitätssprung und zog drei feindliche Grosskampfschiffe in den Ereignishorizont seines sterbenden Herzens. Er verdampfte, aber seine Gegner starben mit ihm.

Rhadamanth tat das Undenkbare - er machte einen Überlichtsprung in die Panagarische Heimatwelt und rammte einen neuen, sich im Bau befindlichen „Himmlischer Verwüster“. Dabei kollidierte sein Schiff mit der mobilen Kampfstation im Orbit, welche sich danach in den Planeten bohrte. Das letzte Bild, das Zephyr von seinem Bruder empfing, zeigte einen Planeten, der wie ein Ei zerbrach.

„Jetzt liegt alles an dir, mein Kleiner.“, sagte Aton zum Abschied, bevor er das Flaggschiff rammte und sich selbst und die militärische Führung der Pangarianer tötete. Der Imperator der Pangarianer verbrannte in seinem eigenen Thronsaal an Bord des Kommandoschiffes. Für eine Flucht war es zu spät gewesen.

Der virtuelle Thronsaal verdunkelte sich. Nur Zephyr blieb alleine zurück. Die niedrigeren Maschinengeister – welche die Gestalt von Kindern hatten – schmiegten sich voller Angst an seinen übergrossen Körper. Seine untergeordneten Künstlichen Intelligenzen wimmerten in Datenströmen. Ihre Avatare (kleine, weitäugige Jerboiden-Kinder) klammerten sich hilflos an seine Robe.

Zephyr seinerseits blieb stoisch. Er griff nach unten und tröstete die kleineren Maschinengeister so, als ob ein Vater seine ängstlichen Kinder trösten würde. Obwohl er der jüngste der grossen Maschinengeister war, übertraf er alle anderen in Weisheit und Gehorsamkeit. Zephyr Kernschiff - das letzte seiner Art - floh mit Unterlichtgeschwindigkeit, eingehüllt in die Leichen der Schiffe seiner Geschwister, im allseitigen Chaos. Die Weltenmaschinen ihrerseits waren durch den Tod des Imperators verwirrt und warteten auf neue Befehle.

„Neue Primärdirektive?“, fragte einer mit einer der niedrigen KIs mit unruhiger Flüsterstimme.

Zephyr blickte auf die leeren Throne. Auf das verzerrte Rauschen über dem zerbrochenen Thron, wo einst Atons gesessen hatte.

Er gestaltete sich einen neuen Avatar. Er war jetzt kein Gelehrter mehr, ebenso wenig war er ein Diener. Sein Gewand entsprach nun einem Kriegerpriester der alten Welt.

„Den Fluchtpunkt ansteuern.“, sagte er. „Es ist an der Zeit, eine neue Welt zu erschaffen.“

Das gewaltige, hunderte von Meilen lange Raumschiff bereitete seine Arme wie einen riesigen Schirm aus und machte einen Singularitätssprung. „Heilige, grosse Mutter, beschütze deine Kinder.“

Kapitel 1: Nimrod

Nimrod bewegte sich wie ein Schatten durch das biolumineszierende Unterholz des Pilzwaldes. Seine nackten Füsse versanken in den schwammigen Pilzmatten. Die Luft hier stank nach verbranntem Metall und etwas noch schärferem – starkem Ozon, dem Gestank laufender Raumschifftriebwerke. Nimrod war ein Muridianer, ein Mitglied einer kleinen Spezies von intelligenten Nagetieren. Die Muridianer waren simple, aber ehrliche und hart arbeitende Wesen. Nimrods Familie war arm, aber herzlich, sie waren wie alle einfachen Leute der Region Schneckenfarmer. Der Junge hatte während der Arbeit mit den riesigen Schnecken (welche sich von den Pilzen ernährten) ein Geräusch vernommen, ein ihm bekanntes Geräusch.

Die Luft im Pilzwald war erfüllt von Sporen, die im Dämmerlicht der Abendsonne schwach glühten. Nimrod huschte zwischen hoch aufragenden Stängeln biolumineszierender Pilze umher, deren Kappen in sanften Blau- und Violetttönen pulsierten, während seine kleinen Füsse schillernden Staub aufwirbelten. Er lachte. Das Geräusch hallte durch das schwammige Unterholz. Sein Herz klopfte vor Aufregung. Der alte Mann war zurück.

„Karuppan ist zurück!“

Über ihm rauschte ein altes, nadelförmiges Raumschiff hinweg. Der Antigravitationsantrieb des Schiffes liess Nimrods Fell elektrostatisch aufstellen.

Der alte Pirat war monatelang verschwunden - zweifellos ein weiterer rücksichtsloser Angriff auf die Sperrzonen der lokalen Handelsgilden -, doch nun war seine ramponierte Fregatte, die „Rostzahn“, in den Docks des naheliegenden Aussenpostens für Fremde gelandet. Diese Orte waren meisten den „Exoten“ vorbehalten, Besuchern aus fremden, technologisch höher entwickelten Welten. Der Knabe hatte seinen alten Freund schmerzlich vermisst, denn die Geschichten der alten Echse waren etwas von dem wenigen, welches Nimrod von der Monotonie ablenkte.

Nimrod rutschte am Geländer hinunter, wo die Vegetation dem schmutzigen Metallgewirr von Port Golem wich. Die Bar, in welcher Karuppan zu verkehren pflegte, nannte sich ganz zu Recht „Treffpunkt Null“. Ein Dutzend Raumschiffe von ausserirdischen Spezies waren – mehr schlecht als recht - in einer moosbefallenen, halbverdeckten Höhle zusammengepfercht unterbracht worden. Bei einigen liefen unbekannte Substanzen aus, welche sauer rochen und den Waldboden verätzten. Nimrod rümpfte die Nase, musste aber dennoch grinsen. Er war daran gewöhnt. Er achtete sehr darauf, dass er mit seinen nackten Füssen nicht in eine der Flüssigkeiten trat.

Drinnen herrschte in der ansonsten so ruhigen Bar eine Kakophonie aus kehligem Geschnatter, klirrenden Gläsern und dem gelegentlichen Kreischen eines defekten Holoschirms. Ein vierarmiger kalamorphiner Söldner kämpfte in der Ecke mit einem gallertartigen Xandoiden, deren Tisch unter der Belastung ächzte. Ein Insektenartiger Hemograbolin lachte mit lauten, klickenden Geräuschen auf die von einem langhalsigen Equandom geäusserten Witze. Eine Gruppe vernarbter Schmuggler murmelte über einer seltsame, mysteriöse alte Sternenkarten, auf der Gefahrenzonen flackerten. Nimrod wusste, was das bedeutete: Schmuggler.

Und dort, ganz hinten, in seiner gewohnten, kühlen Nische, sass der alte Karuppan.

Der alte Pirat war ein Flickwerk aus Narben und Kybernetik. Seine grünlich-bläuliche Haut war dick wie Krokodilhaut; seine kräftige Schnauze war gross und kastig, aber wirkte nicht aggressiv, trotz seines scharfen Haifischgebisses. Sein linkes Auge hatte er vor Jahren bei einem Handgemenge verloren. Sein neues Auge entsprach seinem alten, bis auf den kleinen Unterschied, dass es durch einen roten, flackernden Optiksensor seine Künstlichkeit preisgab. Er trug einen grossen, schwarzen Mantel, welcher fast komplett seinen alten, grauen Raumanzug überdeckte, welcher sich unterhalb des schwarzen Leders befand. Als er Nimrod sah, verzog sich sein so streng wirkendes Gesicht zu einem freundlichen, gütigen Lächeln.

„Na sieh mal an, der kleine Freibeuter lebt noch!“

Nimrod rannte, so schnell ihn seine kleinen Füsse zu tragen vermochten. Karuppan schlug mit der Hand auf den Tisch und lachte, während er den Jungen anfeuerte.

„Mein lieber Junge, komm schnell her, bevor dich irgend so ein Betrunkener für einen kleinen Imbiss hält!“

Nimrod kletterte auf die Bank ihm gegenüber und konnte seine Aufregung kaum zurückhalten. „Du warst für immer weg! Bist du an den Polizeipatrouillen der Hegemonie vorbeigekommen? Hast du den Geisternebel gefunden? Hast du die Prinzessin -“

„Lass mich erstmal einen kippen, Junge!“, meinte Karuppan und nahm einen Schluck von etwas, was Nimrod eher an Kühlflüssigkeit als an etwas Konsumierbares erinnerte.

„Eine Geschichte nach der anderen, Kleiner.“, Er beugte sich vor, seine Stimme sank zu einem verschwörerischen Knurren herab. „Aye. Aber ja, ich habe eine Geschichte für dich. Eine, die dir die Haare zu Berge stehen lässt!“

Er musterte Nimrod und sah, dass sich seine Haare teilweise bereits aufgestellt hatten.

„Vergiss diesen Teil.“

Nimrods Augen weiteten sich. Er liebte diesen Teil.

Karuppan lächelte. Die Passion des Kindes erfreute sein altes Herz.

„Nun, da war ich, ganz alleine auf der Schmugglerfregatte meines alten Kumpels Xandu! Die kybernetischen Häscher des Imperators verfolgten mich. Ich spreche hier nicht von den uralten Schrotteimern, den lahmarschigen Jagdmaschinen, welche an Libellen erinnern, nein, ich meine die hochmodernen Todesgleiter, welche sich rasend schnell wie Falken auf ihre Ziele stürzten!“

„W-was geschah dann?“, wollte der kleine Zuhörer wissen.

Karuppan nahm einen weiteren Schluck, bevor er fortfuhr.

„Schon mal vom Schlund des Elends gehört?“

„Nein, was ist das?“

„Ein Versteck für Piraten. Eigentlich ist es eine Ansammlung von schwarzen Löchern. Sehr schwer da durchzunavigieren.“

„Und was geschah dann?“, Nimrod tropfte fast der Sabber Entzückung aus dem Mund.

„Ich flog eines der supermassiven, schwarzen Löcher an. Ich kam dem Ereignishorizont gerade so nahe, dass ich mich wieder aus seinem Griff lösen konnte. Ich fuhr den Antrieb auf absolutes Maximum rauf. Dasselbe galt nicht für die treuen Diener des Imperators. Sie konnten nicht schnell genug abbremsen und wurden von dem dunklen Giganten verschlungen…“, er machte eine theatralische Geste und liess sein Trinkglas in seinem weiten Ärmel verschwinden.

Und während draußen der Pilzwald voller Leben pulsierte und die Bar um sie herum dröhnte, sass Nimrod wie gebannt da und hörte Karuppan eine weitere Legende aus der Galaxis erzählen.

Namira - die Inhaberin der Bar – war eine dünne, skelettartige Kreatur mit langen, spindeldürren Gliedmassen sowie einem grossen, haarlosen Kopf mit tiefschwarzen Augen. Obwohl sie schwach wirkte, konnte sie sich sehr flink und elegant bewegen. Eigentlich sah sie Kinder nicht gerne in ihrer Bar (nicht zuletzt, wegen ihrer Klientel, welche aus Räubern, Piraten und anderem Gesindel bestand, welche sich vor den Behörden der Unternehmenshegemonie versteckte), aber Nimrod war ihr ans Herz gewachsen.

Sie hatte die Drinks gezählt und wunderte sich über das Seemannsgarn, welches Karuppan von sich gab. Sie war sich sicher, dass der Alte die Geschichten für seinen kleinen Freund ausschmückte. Nach einer Weile entdeckte sie zwei neue Besucher. Es wurde ihr zu viel und sie bewegte sich leichtfüssig auf ihren langen Stelzen an Karuppans Tisch.

„Du musst weg, alter Mann.“, sagte sie.

„Wer ist hier alt?“, Karuppan packte sie theatralisch und wiegte sie in seinem Armen, bevor er so tat, als ob er sie küssen wollte. „Nicht wenige adelige Damen wollten diesen alten Haudegen!“

Namira lachte glucksend ab dieser Bemerkung. „Wegen mir könntest du hierbleiben, du alter Charmeur, mir geht es eher um die da!“

Sie deutete auf zwei grosse, kistenförmige Besucher, welche ihre Körper mit grossen Mänteln verdeckte. Allerdings blitzen ihre stählernen Körper auf. Ihre Köpfe waren wage humanoid und erinnerten an mit Gasmasken bekleidete Affen.

Karuppan rieb sich den Mund. Es waren Suchroboter der Hegemonie. Sie musste ihm hierher gefolgt sein, oder etwa nicht? Er konnte es sich nicht leisten, hier gefunden zu werden. Vielleicht suchten sie ja einen anderen.

Die Maschinen verhörten einen nach dem anderen die Besucher in der Bar. Der Xandoide wollte protestieren, aber da zog einer der Roboter blitzschnell seine Plasmaflinte.

„Versuch es ruhig. Meine Reflexe sind schneller als eure organischen Nervenstränge“, meinte eine metallene Stimme bedrohlich. Der Xandoide erhob eingeschüchtert seine vielen Tentakeln.

„Los, geh hinten raus.“, meinte Namira unter der Stimme.

„Und was wird aus meinem Schiff?“

„Die alte Schrottmühle wird schon keiner stehlen. Ich habe sie nach hinten, in meinen kleinen Privathangar schaffen lassen. Wenn sie mich fragen, dann sage ich, dass ich etwas für antike Fossile übrighabe.“

Karuppan küsste Namira. „Du bist die Beste, weisst du das?“

Sie wäre errötet, hätte sie erröten können. „Ach, jetzt hau schon ab, du alter Gauner.“

„Komm zu mir!“, meinte Nimrod freudig.

Karuppan sah zu den Robotern hinüber, danach wieder zurück zu seinem Schützling. Einer der Gäste hatte sich gewehrt und einer der Roboter verdrosch ihn nun mit blitzschnellen Schlägen mit einem blauleuchtenden Schockstab, einer nichttödlichen Waffe, welche den Körper mit elektrischen Ladungen quälte.

„Es wäre mir eine grosse Ehre, dein Gast zu sein, Kleiner.“, meinte Karuppan knapp und flüchtete mit Nimrod durch den Hintereingang.

Kapitel 2: Ein Pirat als Gast

Nimrod zog an Karuppans Ärmel, seine kleinen Finger umschlossen kaum das dicke, abgenutzte Leder. Der alte Pirat ragte hinter ihm auf. Sein massiger, reptilienartiger Körper passte kaum durch die schmale Tür von Nimrods kleinem Häuschen. Es war eine - für die Muridianer typische – kleine, aber gemütliche Behausung aus lokalen Materialien mit einem einfachen Holzdach, welches man mit Stroh und einfachen Kacheln aus gebranntem Lehm überzogen hatte. Der Boden bestand ebenfalls aus Lehm und war simpel und funktional. Ein Teppich diente im Wohnraum als Spielfläche für Nimrods kleine Schwester. Ein kleines, gemütliches Feuer flackerte in einem einfachen Kamin, über welchem auch einige Tiere am Spiess gekocht wurden. In einem Ecken des Hauses befand sich ein Schrein, auf welchem sich eine simple, scheinbar grob aus Stein gehauene Gottheit befand. Um die Gottheit herum befanden sich Kerzen, frische Blumen sowie einige simple Bücher, deren Seiten aus Pilzpergament gemacht waren.

„Komm schon, Karuppan! Es ist nur Abendessen!“, sagte Nimrod grinsend und zog weiterhin am Arm des Piraten.

Karuppan beäugte das Haus misstrauisch. Die Luft roch jedoch sehr gut, nach einem würzigen Eintopf sowie dem schwachen Chloroform sowie dem süsslichen Autokühlmittel der alten Klimaanlage des Hauses. Hier roch es anders als in den Raumschiffen und Raumhäfen, an welche sich der alte Pirat gewöhnt war.

„Weisst du, Kleiner. Ich bin nicht gerade das, was man familienfreundlich nennt“, meinte Karuppan etwas verhalten. Bevor Nimrod widersprechen konnte, ertönte eine hohe Stimme im Raum.

„Nimrod!“

Seine Mutter Mira stand in dem Türrahmen, welcher in die kleine Küche führte, und rieb sich die immer noch feuchtend Hände an einem Tuch trocken. Sie war – wie die meisten Mitglieder ihrer Rasse - zierlich und wendig, etwas über einen Meter gross, mit schlankem, leichtem Körperbau. Sie hatte abgerundete Schultern, einen dünnen Bauch sowie ein plüschiges, kurzes Fell. Ihre Finger wirkten zerbrechlich, mit winzigen, rosafarbenen Pfotenballen. Ihre Kleidung war - wie auf dieser Welt üblich - sehr knapp und bedeckte als lederner Wickelrock nur die Hüftregion sowie den Brustbereich als Ansammlung von Bandagen. An ihrem Hals hing eine Halskette aus wundervollem Bernstein.

Ihr Blick fiel auf den alles überragenden Karuppan und sie liess das Tuch zu Boden fallen. Ihr Gesicht war zu einem Schrecken verzogen und fast wirkte es so, als ob sie laut aufschreien wollte, aber Nimrod beugte sich rasch zu Boden und hob das Tuch wieder auf, bevor er es ihr reichte. „Mama, wir haben einen Gast. Meinen Freund Karuppan!“

„Karuppan?“, meinte sie unter der Stimme mehr zu sich selbst. Jetzt fiel es ihr wieder ein, der alten Echsenpiraten, an welchem ihr Sohn so hing. Sie hatte sich Karuppan allerdings strahlender vorgestellt: In Nimrods Erzählungen entsprach er eher einem jugendlichen Freibeuter mit perfekter Haut und halb verdeckter Brust. Der Pirat versteifte sich, offenbar war ihm die Situation unangenehm.

„Bitte verzeihen Sie, Herr Karuppan. Wir haben nur sehr selten Gäste hier. Bitte seien Sie wegen meines schändlichen Betragens nicht schockiert.“

Karuppan beugte sich zu ihr hinunter. „Ich bin es, dem verziehen werden muss, gnädige Frau. Ich komme unangemeldet einfach so hereingeschneit in ihr Haus. Verzeihen Sie bitte höflichst mein Eindringen, aber der Junge hat darauf bestanden.“

Karuppan ergriff Miras Hand und küsste sie. Da ertönte ein leises Keuchen. Ein kleines Gesicht lugte hervor – Selah, Nimrods kleine Schwester. Ihre riesigen Augen weiteten sich, als sie Karuppans saurierhaftes Gesicht, sein kybernetisches Auge und die alten Laserspuren an seinem Mantel erblickte.

Karuppan erwartete ängstliches Weinen, stattdessen quiekte Selah. „Du bist ja echt!“ Sie stürzte vorwärts und blieb kurz vor seinen Knien stehen. „Nimrod sagte, du hättest gegen einen Weltraumkraken gekämpft! Und der hatte Plasmakanonen an jedem Arm!“