DER FEHLER DES PILOTEN - Bill Knox - E-Book

DER FEHLER DES PILOTEN E-Book

Bill Knox

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  • Herausgeber: BookRix
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2020
Beschreibung

Der Absturz eines Kleinflugzeugs löst eine Polizei-Aktion aus, bei der weitere ungeklärte Todesfälle ans Tageslicht kommen. Und für Chefinspektor Thane und Inspektor Moss von der Kriminalpolizei in Glasgow beginnt ein Wettlauf mit der Zeit. Denn es ist so gut wie sicher, dass noch weitere Opfer auf der Liste des Mörders stehen... Der Roman DER FEHLER DES PILOTEN von Bill Knox (* 1928 in Glasgow; † März 1999) erschien erstmals im Jahr 1977; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte im gleichen Jahr. Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

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BILL KNOX

 

 

Der Fehler des Piloten

 

Roman

 

 

 

 

Apex Crime, Band 130

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

DER FEHLER DES PILOTEN 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

 

 

Das Buch

 

Der Absturz eines Kleinflugzeugs löst eine Polizei-Aktion aus, bei der weitere ungeklärte Todesfälle ans Tageslicht kommen. Und für Chefinspektor Thane und Inspektor Moss von der Kriminalpolizei in Glasgow beginnt ein Wettlauf mit der Zeit. Denn es ist so gut wie sicher, dass noch weitere Opfer auf der Liste des Mörders stehen...

 

Der Roman Der Fehler des Piloten von Bill Knox (* 1928 in Glasgow; † März 1999) erschien erstmals im Jahr 1977; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte im gleichen Jahr.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

   DER FEHLER DES PILOTEN

 

 

 

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

Es war an einem Montagmorgen um zwei Uhr, als das Sportflugzeug im fahlen Mondlicht über der schlafenden Stadt abstürzte. Nur ein Fluglotse im Kontrollturm des ungefähr drei Kilometer entfernten Flugplatzes von Glasgow, sah, wie es passierte. Das Flugzeug war kurz zuvor als kleiner leuchtender Punkt auf seinem Radarschirm erschienen und plötzlich verschwunden. Er wusste, was das bedeutete, und hatte sofort Alarm gegeben.

Bei der verunglückten Maschine handelte es sich um eine einmotorige Beagle Pup, die erst vierundzwanzig Stunden zuvor generalüberholt worden war. Das Flugzeug stürzte aus fünfhundert Meter Höhe ab.

Kurz vor dem Aufprall streifte die linke Tragfläche die Dachumrandung eines zwanzigstöckigen Wohnblocks. Dabei wurde ein fast drei Meter langes Stück des Flügels abgerissen, es blieb auf dem Dach des Wohnhauses liegen.

Sekunden später bohrte sich die Sportmaschine mit der Nase zuerst in den weichen Boden einer nahe gelegenen Wiese. Das Leitwerk brach ab, und das Bugrad wurde zwanzig Meter weit in ein parkendes Auto geschleudert. Der Rumpf barst krachend auseinander.

Nach dem ohrenbetäubenden Aufprall herrschte eine unheimliche Stille. In mehreren Wohnungen flammten die Lichter auf. Eine Frau mit Lockenwicklern im Haar sah aus dem Fenster und begann laut zu schreien. Sie schrie noch immer, als mehrere Hausbewohner, die nur Regenmäntel über ihren Pyjamas trugen, aus dem Haus liefen.

Einer von ihnen hatte eine Taschenlampe, leuchtete damit in das Cockpit des verunglückten Flugzeugs, torkelte zum nächsten Gully am Straßenrand und übergab sich.

Andere Hausbewohner, die in ihren Wohnungen geblieben waren, hatten inzwischen die Polizei verständigt. Es dauerte nur fünf Minuten, bis nacheinander zwei Streifenwagen, die Ambulanz und zwei Feuerwehrautos eintrafen.

Der Pilot war bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt, lebte jedoch noch, als ihn die Feuerwehrleute mit Blechscheren aus den Trümmern seiner Maschine schnitten. Seine Begleiterin war tot.

Die Frau schien noch sehr jung gewesen zu sein. Wie sie ausgesehen hatte, ließ sich nicht mehr feststellen.

Der Fahrer des ersten Streifenwagens zog die Leiche des Mädchens aus dem Cockpit und legte sie ein Stück weiter entfernt ins Gras. Dann ging er zögernd zum Flugzeug zurück, griff in das blutverschmierte Innere und holte die leere Whiskyflasche heraus, die ihm schon vorher aufgefallen war. Der Polizist betrachtete sie seufzend.

Sein Blick schweifte zu der Toten, die man inzwischen mit einer schwarzen Plastikfolie bedeckt hatte. Er fluchte traurig, lief zu seinem Streifenwagen und schaltete das Funkgerät ein. Gerade als er nach dem Mikrofon griff, raste die Ambulanz mit dem Piloten unter Blaulicht und heulenden Sirenen davon.

Der Polizist wartete, bis der Wagen um die nächste Ecke verschwunden war. Es hatte nicht so ausgesehen, als würde der Schwerverletzte den Transport ins nächste Krankenhaus überleben.

Aber diesmal, sagte sich der Beamte insgeheim, war ihm das vollkommen gleichgültig.

 

Ein fröhlicher Wochenbeginn, dachte Chefinspektor Colin Thane unlustig. Er stand vor dem Eingang des neuen roten Backsteingebäudes, in dem das Strathclyde-Polizeipräsidium untergebracht war. Die Innenstadt von Glasgow wirkte im ersten Frühlingssonnenschein beinahe schön und sauber. Aber Colins Kehle war rau, seine Augen fühlten sich wie Sandpapier an, und er wünschte sich, er wäre im Bett geblieben. In wenigen Tagen wurde Colin zweiundvierzig Jahre alt, und das stimmte ihn auch nicht fröhlicher.

Der Streifenwagen der Millside Division, der ihn zu Hause abgeholt hatte, fuhr zum Parkplatz. In Glasgow ging die Grippe um, und Thane war auf dem besten Weg eines ihrer Opfer zu werden.

Fröhlicher Wochenanfang, dachte Thane erneut, straffte die Schultern und ging in das Polizeipräsidium. Die jungen Polizeianwärter, die sich in der Eingangshalle laut über Football unterhielten, ignorierten die hochgewachsene Gestalt im grauen Straßenanzug. Sie interessierten sich nur für Leute, die zum Präsidium gehörten.

Thane fuhr mit dem Lift in den zweiten Stock. Die übrigen Fahrgäste waren drei kichernde Sekretärinnen und ein Angestellter aus der Computerabteilung, der ständig Bye-Bye Blackbird vor sich hin pfiff. Thane war froh, als er aussteigen konnte.

»Mann, oh Mann«, sagte eine Stimme hinter ihm, als sich die Lifttüren geschlossen hatten, und Thane drehte sich um. »Haben Sie sich die Typen angesehen, die mit Ihnen im Lift heraufgekommen sind? Langsam findet man im Präsidium alle möglichen Leute, nur keine richtigen Polizisten mehr.«

Thane nickte dem älteren Sergeant mit den Auszeichnungen an der Uniformjacke grinsend zu. Er erinnerte sich, dass der Mann schon Sergeant gewesen war, als er gerade bei der Polizei angefangen hatte.

»Was machen Sie denn zur Zeit, Charlie?«, erkundigte sich Thane.

Der Sergeant zuckte müde mit den Schultern. »Ich bin leider von meinem bequemen Posten bei der Lagerverwaltung zur Fremdenpolizei versetzt worden«, seufzte er. »Ich muss mich jetzt um Ausländer kümmern, deren Visa abgelaufen sind. Das ist keine sehr erfreuliche Aufgabe, Sir.«

Thane sah dem Sergeant nach, als er um die nächste Ecke verschwand. Nicht nur die älteren Angehörigen der Glasgower Polizei fanden sich schwer mit den Neuerungen in der Verwaltung ab. Eine dieser Änderungen betraf die Modernisierung der Personalpolitik, die in Zukunft darauf abzielte, die Polizisten in den Büros nach und nach durch geschulte zivile Kräfte zu ersetzen, damit mehr Leute für den aktiven Polizeidienst herangezogen werden konnten.

Das brachte für jeden mehr oder weniger große Probleme mit sich. Auch Thane musste sich erst daran gewöhnen, dass es die Stadtpolizei von Glasgow nicht mehr gab, und sie alle zu einer monströsen Neubildung, nämlich der Strathclyde-Polizei, gehörten.

Colin Thane war der jüngste Chefinspektor Glasgows, ungefähr einen Meter achtzig groß, muskulös und schlank. Er hatte männliche Gesichtszüge, braune Augen und lachte gern.

Thane trug sein dunkles Haar länger als das im Polizeidienst üblich war, aber seine Frau mochte es so. Thane hatte zwei Kinder, eine Hypothek auf dem Einfamilienhaus und einen alten, langsam vor sich hin rostenden Wagen, den er abwechselnd mit seiner Frau teilte.

Seine Ansichten und seine Handlungsweise als Polizeibeamter waren eher undogmatisch, was manchmal den Unwillen seiner Vorgesetzten erregte. Ah jenem Montagmorgen fragte er sich, was wohl diesmal auf ihn zukam. Als Thane vor einer halben Stunde in seinem Büro im Polizeirevier seines Bezirks, der Millside Division, eintraf, hatte er die knappe Nachricht vorgefunden, sich sofort im Polizeipräsidium zu melden.

Thane zuckte mit den Schultern und räusperte sich. Sein Hals schmerzte nach wie vor. Schließlich ging er den langen Korridor entlang. Rechts und links befanden sich die Büros der stellvertretenden Polizeichefs.

Die Fülle von neuen Ämtern hatte die Schaffung des Strathclyde-Distrikts mit sich gebracht, zu dem jetzt auch das Stadtgebiet Glasgows und ein großer Teil Nordwestschottlands gehörte. Die ländlichen Bezirke waren über diese Neuordnung gar nicht glücklich und beklagten bereits ihre verlorene Selbständigkeit.

Vor der letzten Tür mit der Aufschrift Assistant Chief Constable Ilford blieb Thane stehen und drückte auf den Klingelknopf. Im nächsten Augenblick leuchtete das grüne Schild Bitte eintreten auf.

»Guten Morgen, Sir«, sagte Thane und sah den dickeren der beiden Männer an, die im Zimmer saßen.

»Machen Sie gefälligst die Tür zu, Thane!«, schimpfte Ilford, der ebenso heiser zu sein schien wie Thane. »Soll ich mir vielleicht noch eine Lungenentzündung holen, oder haben Sie zu Hause Säcke vor den Türen?«

Thane schloss die Tür und betrachtete Ilford teilnahmsvoll. Schon als Chefsuperintendent der Glasgower Kriminalpolizei war William Buddha Ilford für seine schroffen Umgangsformen berüchtigt gewesen, und die Beförderung zum stellvertretenden Polizeichef hatte daran nichts geändert. Ilford war ein korpulenter Mann, mit Doppelkinn und einer angehenden Glatze. Er trug einen alten grauen Tweedanzug.

Ilfords Gegenüber war wesentlich schlanker und jünger und hatte ein freundliches, kantiges Gesicht. Sein eleganter dunkler Anzug musste ziemlich teuer gewesen sein. Thane kannte den Mann nicht, aber er sah aus wie ein hoher Regierungsbeamter auf Geschäftsreise.

»Okay«, brummte Ilford, zog sein Taschentuch aus der Jackentasche und begann zu husten. Schließlich rang er mit hochrotem Gesicht nach Luft. »Thane, das ist Captain Leslie vom Handels- und Industrieministerium...«

»Von der Abteilung für Unfallforschung«, ergänzte Leslie. »Ich brauche Ihre Hilfe.«

»Also setzen Sie sich und hören Sie zu!«, forderte Ilford Thane auf und deutete ärgerlich auf einen freien Sessel. »Aber kommen Sie mir lieber nicht zu nah! Ich scheine die Pest oder Ähnliches zu haben... Von Ihnen erwarte ich allerdings kein Mitgefühl, Thane.«

Thane war sich sofort klar, dass seine eigene Heiserkeit keinen Eindruck auf Ilford machen würde, und setzte sich in den Sessel neben Captain Leslie. Ilford begann seine Pfeife zu stopfen. Thane ahnte inzwischen, worum es bei dieser Unterredung ging, und fand seine Vermutung bald bestätigt.

»Captain Leslie befasst sich hauptsächlich mit Flugzeugkatastrophen«, erklärte Ilford. »Ich nehme an, dass Sie schon von der Sportmaschine gehört haben, die vergangene Nacht am äußersten Ende Ihres Reviers abgestürzt ist.«

Thane nickte. Der Sergeant von der Millside Kriminalpolizei, hatte ihn deshalb zweimal angerufen.

Das Beagle-Sportflugzeug war über Fortrose abgestürzt; und Fortrose, das Asozialen-Viertel, gehörte zum Millside Bezirk und war eines der Problemkinder der dortigen Polizei. Die meisten jungen Kriminalbeamten wurden in dieses Revier versetzt, um im Umgang mit den dort wohnenden Kriminellen die ersten Erfahrungen zu sammeln.

»Sind Sie an der Unfallstelle gewesen, Chefinspektor?«, fragte Captain Leslie.

»Nein.« Thane schüttelte nachdenklich den Kopf. »Die uniformierten Beamten haben den Unfall auf genommen und alles weitere veranlasst. Das ist die übliche Routine. Nur bei Katastrophen größeren Ausmaßes mischen sich gern andere Stellen ein.«

Ilford grunzte zustimmend vor sich hin. »Haben Sie den Bericht schon gelesen?«

»Dazu habe ich noch keine Zeit gehabt«, entgegnete Thane. Er fröstelte plötzlich und beschloss, sich ein Fieberthermometer zu besorgen.

»Sagen Sie ihm, worum es geht, Leslie!«, krächzte Ilford müde. »Auf diese Weise sparen wir Zeit.«

»Gut, ich will es kurz machen!« Leslie klappte seinen Aktenkoffer auf und holte einen Stoß Fotos heraus. »Hier, das sind die Aufnahmen von der Unfallstelle.«

Thane nahm die Bilder. Das erste war eine Archivaufnahme einer Beagle Pup, und die weiteren zeigten das Flugzeugwrack nach dem Absturz. Im Hintergrund erkannte Thane einen der hohen Wohnblöcke von Fortrose.

»Wie Sie sicher wissen, konnten wir den Piloten noch lebend bergen, während seine Begleiterin sofort tot gewesen sein muss«, erklärte Leslie sachlich. »Die Tatsache, dass das Wrack nach dem Absturz kein Feuer gefangen hat und ausgebrannt ist, war für uns sehr vorteilhaft. Wir haben die Trümmer sofort untersucht. Danach«, Leslie machte eine Pause und zuckte mit den Schultern, »...nun sind wir auf Anraten der Polizei ausnahmsweise von unserer Arbeitsroutine abgewichen und haben das Wrack mit einem Spezialtransporter zum Flughafen von Glasgow bringen lassen. Das ist in solchen Fällen nicht üblich...«

»Nichts, was in Fortrose passiert, ist üblich«, unterbrach ihn Ilford abwehrend. »Die Bewohner von Fortrose hätten innerhalb einer Stunde sämtliche Einzelteile des Flugzeugwracks gestohlen.« Als Ilford Leslies ungläubigen Gesichtsausdruck sah, deutete er mit seiner Pfeife auf ihn und fuhr fort: »Ich mache hier keine Witze, Leslie. Fragen Sie Thane! Um das Flugzeug zu schützen, hätten wir einen doppelten Polizeicordon gebraucht.«

»Das stimmt«, versicherte Thane.

Erst vor einer Woche war von einer Baustelle in Fortrose am helllichten Tag ein riesiger Bulldozer spurlos verschwunden. Als die beiden Kriminalbeamten später, nachdem sie Nachforschungen angestellt hatten, zu ihrem Wagen zurückgekommen waren, hatten sie entdeckt, dass alle vier Reifen fehlten. Sie vermuteten, dass das eine Bande Zwölfjähriger gewesen war, die in der Nähe herumgelungert hatten.

»Okay, vermutlich haben Sie recht«, seufzte Leslie. »Der Flugplatz war vielleicht doch sicherer... wenigstens vorläufig.«

Ilford zuckte mit den Schultern und schwieg mit undurchsichtiger Miene.

»Soll das heißen, dass auf dem Flugplatz irgendwas passiert ist?«, fragte Thane verwirrt.

»Ja, aber darauf komme ich später zu sprechen.« Leslie lächelte entschuldigend und deutete auf die Fotografien. »Die Beagle Pup ist nicht gerade das schnellste und modernste Sportflugzeug, aber immerhin eine sichere, robuste Maschine mit einer sehr niederen Unfallstatistik. Meine Aufgabe ist es, herauszufinden, warum das Flugzeug abgestürzt ist.«

»Das bedeutet, dass Sie das Wrack in seine Einzelteile zerlegen und es dann wieder zusammensetzen«, seufzte Thane. »Eine mühsame Arbeit.«

»Ja, das geschieht nach jedem Flugzeugabsturz, um die Ursache des Unglücks festzustellen.« Leslie knackte mit seinen Fingerknochen. »Dadurch können wir möglicherweise einen ähnlichen Unfall verhindern, Thane. Diesmal liegt der Fall jedoch etwas anders. Der Absturz ist vermutlich nicht auf technische Mängel zurückzuführen. Es sieht so aus, als sei der Pilot betrunken gewesen.«

»Er ist vor einigen Stunden gestorben, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben«, warf Ilford schroff ein.

»Außerdem gibt es Komplikationen«, fügte Leslie hinzu.

Thanes fragender Blick schweifte zu Ilford. Der stellvertretende Polizeichef nickte langsam.

»Das ist der Grund, warum Sie hier sind, Thane«, erklärte er. »Captain Leslie und sein Team haben den Flugplatz gegen vier Uhr morgens, nachdem das Wrack in einem Hangar untergebracht worden war, verlassen, um noch ein paar Stunden zu schlafen. Um sechs Uhr hörte ein Beamter der Flughafenpolizei auf seiner Kontrollrunde merkwürdige Geräusche in dieser Halle. Dem Idiot ist nichts Besseres eingefallen, als hineinzugehen und selbst nach dem Rechten zu sehen.«

»Als er wieder aufwachte, lag er mit einer Platzwunde am Hinterkopf auf dem Betonboden des Hangars und hörte gerade noch, wie draußen ein Wagen abfuhr«, ergänzte Leslie. »Er muss mehrere Minuten lang bewusstlos gewesen sein.«

»Jemand ist durch ein Fenster in die Flugzeughalle eingebrochen«, fuhr Ilford scharf fort. Ein Hustenanfall unterbrach ihn. »Natürlich hat keiner etwas gesehen oder gehört«, keuchte er schließlich. »Um diese Zeit ist der Flugplatz völlig leer und verlassen.«

Thane nickte schweigend und starrte nachdenklich zur Decke. Sie war mit Isolierplatten verschalt. Eine dieser Platten hatte sich gelöst und hing nur noch an zwei Ecken fest. Kein Neubau ist perfekt, dachte Thane, und entdeckte, dass die lose Platte, wenn sie von der Decke fallen sollte, genau Ilfords Kopf treffen musste.

»Ist irgendwas gestohlen worden?«, fragte Thane.

»Keine Ahnung«, seufzte Leslie unglücklich. »Aber es sieht ganz so aus, als wäre das Cockpit der Beagle sorgfältig durchsucht worden. Falls das an Bord gewesen ist, was der Dieb gesucht hat, dann muss er es mitgenommen haben, denn ich habe mir das Cockpit nochmal gründlich angesehen, bevor ich hierhergekommen bin.«

»Vielleicht war der Unbekannte gar nicht am Flugzeug selbst interessiert?«

»Sie meinen, es könnte sich um einen ganz normalen Diebstahl gehandelt haben?« Leslie schüttelte den Kopf. »Das halte ich für unwahrscheinlich.« Der Mann vom Ministerium sah auf seine Uhr und machte seinen Aktenkoffer zu. »Ich muss jetzt leider zurück zum Flugplatz, Chefinspektor. Falls Sie noch Fragen haben, stehe ich Ihnen jederzeit gern zur Verfügung. Im Augenblick kann ich Ihnen allerdings nicht viel weiterhelfen.«

Leslie nickte Thane kurz zu und verabschiedete sich von Ilford. Nachdem sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, saß Ilford eine Weile schweigend in seinem Stuhl und betrachtete grimmig seinen Kugelbauch. Das war eine für ihn typische Haltung, die ihm den Spitznamen Buddha eingebracht hatte.

Thane sagte ebenfalls nichts. Im grellen Licht der Frühlingssonne, die hinter Ilford durchs Fenster schien, fiel Thane plötzlich das dünngewordene Haar seines Chefs und das faltige Gesicht auf. Ilford schien in letzter Zeit um Jahre gealtert zu sein. Die Nervenanspannung, die ein so riesiger Verwaltungsapparat wie die Strathclyde-Division mit sich brachte, hatte auch bei den Beamten in den höchsten Rängen bereits seine Spuren hinterlassen.

Als hätte er Thanes Gedanken erraten, sah Buddha Ilford plötzlich auf. Seine Züge wurden hart.

»Ich muss in ein paar Minuten zu einer Besprechung, Colin«, begann er in scharfem Ton. »Aber zuvor möchte ich noch einiges klarstellen.«

»Sir?« Thane wusste, dass es ernst wurde, wenn Ilford jemanden beim Vornamen nannte.

»Die Tatsache, dass diese Sportmaschine über Ihrem Revier abgestürzt ist, war nicht der Hauptgrund dafür, dass ich Ihnen den Fall übertragen habe.« Ilford lächelte nachsichtig.

Thane sah ihn abwartend an.

»Um die Ursache des Absturzes und alles Drum und Dran zu klären, sind Ermittlungen notwendig, die sich vermutlich über den gesamten Strathclyde-Distrikt erstrecken. Sie müssen also bei Ihrer Arbeit ’ne Menge alter Reviergrenzen überschreiten und werden auch auf Polizeibeamte treffen, die gegen den neuen Verwaltungsapparat auf die Barrikaden gestiegen sind.«

Thane begann langsam zu verstehen. »Und was soll ich gegen die Barrikaden tun?«, erkundigte er sich. »Sie niederreißen?«

Die Aussicht, dass er bei einigen hitzigen Dickköpfen auf dem Land die Idee von Strathclyde durchsetzen sollte, begeisterte ihn wenig.

»Machen Sie einen Strathclyde-Fall daraus... zeigen Sie diesen Herren, wie das System funktioniert... oder tun Sie wenigstens so. Ich verlasse mich auf Ihre schon sprichwörtliche dickfellige und undiplomatische Art. Mehr sage ich nicht.« Ilford schob einen dicken braunen Briefumschlag über den Schreibtisch. »Hier, das ist das Material, das wir bisher über den Flugzeugabsturz gesammelt haben. Ich möchte, dass Sie den Fall schnell und sauber lösen.«

Thane nahm den Umschlag und stand auf. Er starrte auf die losehängende Platte an der Decke und wünschte plötzlich, sie würde Ilford endlich auf den Kopf fallen.

»Ich habe die Platte auch schon gesehen, aber keine Angst, es wird nichts passieren«, erklärte Ilford und grinste humorlos. »Dieser verdammte Grippevirus bringt mich eher um. Colin, da ist noch was.«

»Sir?«

»Ich gebe Ihnen ganz privat den Rat, bei dieser Sache eine weiße Weste zu behalten«, sagte Ilford mit ausdrucksloser Miene und blätterte flüchtig in seinem Terminkalender. »Am Monatsende findet wieder eine Konferenz der Beförderungskommission statt. Das Leben ist voller Überraschungen, Thane, stimmt’s?«

Thane wich Ilfords Blick nicht aus.

»Wir bleiben in Verbindung«, murmelte Ilford.

Dann nickte er kurz zum Zeichen, dass die Unterredung beendet war und drückte eine Taste auf seinem Sprechgerät.

 

Aus der Akte über den Absturz der Beagle ging hervor, dass ihr Pilot, der zweiunddreißigjährige Manuel Francis, ein erfahrener Privatpilot gewesen war. Francis war Junggeselle und Leiter eines Reisebüros in der Glasgower Innenstadt. Seine Wohnung lag über den Büroräumen der Agentur, für die er gearbeitet hatte. Francis’ Begleiterin, eine gewisse Anna Harris, war bei derselben Firma der Eurobreak Vacations als Sekretärin und Reiseführerin angestellt gewesen. Anna Harris war achtundzwanzig Jahre alt und geschieden und hatte ein Apartment am Rande der Millside Division bewohnt.

Die Sportmaschine war am Sonntagmorgen am Glasgower Flugplatz gemietet worden. Von dort waren Francis und sein Fluggast zu dem nördlich gelegenen Sportflugplatz Glenfinn im Hügelland von North Argyll geflogen, der von einem örtlichen Fliegerclub unterhalten wurde.

Glenfinn lag ungefähr vierzig Flugminuten von Glasgow entfernt. Die Beagle war dort gegen zwölf Uhr mittags gelandet und hatte den ganzen Nachmittag und Abend auf dem Rollfeld von Glenfinn gestanden. Erst kurz nach ein Uhr morgens hatten zwei Mitglieder des Fliegerclubs gesehen, wie Francis und das Mädchen wieder abgeflogen waren.

Francis war einwandfrei gestartet. Er hatte sich später pflichtgemäß über Funk beim Kontrollturm von Glasgow gemeldet und war auf die für ihn vorgeschriebene Anflugroute eingeschwenkt, um auf der Landebahn vierundzwanzig aufsetzen zu können.

Kurz nachdem Francis die letzten Anweisungen des Kontrollturms bestätigt hatte, war die Funkverbindung zu der Beagle plötzlich abgebrochen.

Schließlich legte Colin Thane die Akte beiseite und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Nach Verlassen von Buddha Ilfords Büro, hatte er sein Büro in der Millside Division angerufen und weitere Ermittlungen veranlasst. Danach war er sofort in das wissenschaftliche Labor des Polizeipräsidiums gefahren.

Der Grund für seinen Besuch im Labor war eine Anmerkung in der Akte über den Absturz der Beagle gewesen, die besagte, dass man Manuel Francis noch vor seinem Tod im Krankenhaus eine Blutprobe abgenommen hatte.

Im Augenblick war das Reagenzglas mit Francis’ Blut die Nummer zwölf in der langen Reihe von Blutproben auf dem Fließband, das zu dem Gas-Chromatograph führte, mit dem der Alkoholgehalt im Blut festgestellt werden konnte. Thane wartete geduldig auf das Ergebnis der Untersuchung.

Plötzlich öffnete sich hinter Thane eine Tür, und ein Mann im weißen Labormantel kam herein. Er trug eine auffällig gemusterte Krawatte und hatte ein dünnes Oberlippenbärtchen.

»Kaffeepause«, erklärte er bestimmt und setzte eine der beiden Tassen, die er auf dem Tablett hereingetragen hatte, vor Thane auf den Tisch. Dann sah er flüchtig zu der langen Reihe der Reagenzgläser hinüber. »Na, jetzt sind Sie ja bald dran, Chefinspektor.«

Thane trank einen Schluck heißen Kaffee und nickte. Matthew Arnos war der stellvertretende Direktor des wissenschaftlichen Labors und gehörte wie die meisten technischen Mitarbeiter zum Stab der zivilen Angestellten bei der Polizei.

Amos war kein bequemer Mann, aber ein ausgezeichneter, unparteiischer Wissenschaftler, auf dessen Urteil man sich verlassen konnte.

In diesem Augenblick wurde das Reagenzglas Nummer elf über das Fließband in den Chromatograph transportiert. Das Gerät war an einen Computer und ein Datensichtgerät angeschlossen, an dem man sofort die Ergebnisse der einzelnen Analysen ablesen konnte.

»Dieser Kandidat war volltrunken«, erklärte Arnos, als er die Daten von Nukker elf kontrollierte. »Aber vermutlich wird er behaupten, er hätte nur einige Gläser Bier getrunken.«

»Mir hat einer mal vormachen wollen, der Alkoholspiegel in seinem Blut käme von seiner neuen Zahnpasta«, erwiderte Thane geistesabwesend. »Matt, was halten Sie von Piloten, die zu viel trinken?«

»Gar nichts. Ich meide sie, wo ich nur kann«, antwortete Arnos. »Schon bei den nüchternen stehe ich Todesängste aus.« Der Wissenschaftler wurde ernst. »Die meisten Fluggesellschaften verbieten ihren Piloten bis zu zwölf Stunden vor dem Start jeden Alkoholgenuss. Wenn jemand dagegen verstößt, ist er seine Fluglizenz sofort los.«

Das Fließband machte erneut einen Ruck nach vorn, und das Reagenzglas Nummer zwölf mit dem Blut des verstorbenen Manuel Francis war an der Reihe.