Der Fluss des Vergessens - Sandy Curtis - E-Book
SONDERANGEBOT

Der Fluss des Vergessens E-Book

Sandy Curtis

0,0
5,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 3,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Liebe, die zur tödlichen Gefahr wird, im temporeichen Australien-Thriller »Der Fluss des Vergessens« von Sandy Curtis – jetzt als eBook bei dotbooks. Wenn Erinnerungen trügerisch sind … Wie vom Donner gerührt steht Daniel Brand, der Erbe eines australischen Konzerns, in einer Galerie – und kann nicht fassen, was er sieht: Vor ihm steht die Frau, in die er sich vor zwei Jahren am anderen Ende der Welt Hals über Kopf verliebt hat … und die ihn nach einer Nacht voller Leidenschaft ohne ein Wort verließ. Aber warum beteuert Kirri nun, ihm noch nie zuvor begegnet zu sein? Daniel ist wild entschlossen, dieses Geheimnis zu lüften – doch jedes Mal, wenn er Kirris Nähe sucht, gerät er in tödliche Gefahr. Wer hat die Jagd auf ihn eröffnet … oder sollte es der unbekannte Attentäter gar nicht auf ihn abgesehen haben? »Das hohe Tempo erinnert an einen Actionfilm, viele überraschende Wendungen sorgen für Spannung bis zum Ende – und dann gibt es da noch die leidenschaftliche Liebesgeschichte …« A Romance Review Jetzt als eBook kaufen und genießen: der temporeiche Australien-Thriller »Der Fluss des Vergessens« von Sandy Curtis wird Leserinnen und Leser von Karen Rose und Lisa Jackson begeistern! Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 397

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Über dieses Buch:

Wenn Erinnerungen trügerisch sind … Wie vom Donner gerührt steht Daniel Brand, der Erbe eines australischen Konzerns, in einer Galerie – und kann nicht fassen, was er sieht: Vor ihm steht die Frau, in die er sich vor zwei Jahren am anderen Ende der Welt Hals über Kopf verliebt hat… und die ihn nach einer Nacht voller Leidenschaft ohne ein Wort verließ. Aber warum beteuert Kirri nun, ihm noch nie zuvor begegnet zu sein? Daniel ist wild entschlossen, dieses Geheimnis zu lüften – doch jedes Mal, wenn er Kirris Nähe sucht, gerät er in tödliche Gefahr. Wer hat die Jagd auf ihn eröffnet … oder sollte es der unbekannte Attentäter gar nicht auf ihn abgesehen haben?

»Das hohe Tempo erinnert an einen Actionfilm, viele überraschende Wendungen sorgen für Spannung bis zum Ende – und dann gibt es da noch die leidenschaftliche Liebesgeschichte…« A Romance Review

Über die Autorin:

Sandy Curtis lebt an der Küste des australischen Bundesstaates Queensland. Die Mutter von drei erwachsenen Kindern hat in den verschiedensten Bereichen gearbeitet – doch seit sie als junges Mädchen ihre erste Geschichte geschrieben hat und es ihr sogar gelang, für die Recherche dazu von der örtlichen Polizei eingeladen zu werden, stand ihr Herzenswunsch fest, als Spannungsautorin erfolgreich zu werden.

Mehr Informationen über die Autorin und ihre Thriller finden sich auf ihrer Website: www.sandycurtis.com

Bei dotbooks erschienen Sandy Curtis‘ Thriller der locker zusammenhängenden Spannungsserie »Australian Heat« mit den unabhängig voneinander lesbaren Bänden »Das Tal der Angst«, »Im Meer der Furcht«, »Am Abgrund der Vergeltung« und »Im Sog der Täuschung« sowie der Einzelband »Der Sturm der Rache«.

***

eBook-Neuausgabe April 2021

Die australische Originalausgabe erschien erstmals 2002 unter dem Originaltitel »Black Ice«

Copyright © der australischen Originalausgabe 2002 by Sandy Curtis

Copyright © der deutschen Erstausgabe © 2004 by Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, Bergisch Gladbach

Copyright © der Neuausgabe 2021 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von Bildmotiven von shutterstock/Lev Kropotev, Nature Style, Vitaly Ilyasov und AdobeStock/Kwest

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ts)

ISBN 978-3-96655-361-2

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

***

Sind Sie auf der Suche nach attraktiven Preisschnäppchen, spannenden Neuerscheinungen und Gewinnspielen, bei denen Sie sich auf kostenlose eBooks freuen können? Dann melden Sie sich jetzt für unseren Newsletter an: www.dotbooks.de/newsletter.html (Versand zweimal im Monat – unkomplizierte Kündigung-per-Klick jederzeit möglich.)

***

Wenn Ihnen dieser Roman gefallen hat, empfehlen wir Ihnen gerne weitere Bücher aus unserem Programm. Schicken Sie einfach eine eMail mit dem Stichwort »Fluss des Vergessens« an: [email protected] (Wir nutzen Ihre an uns übermittelten Daten nur, um Ihre Anfrage beantworten zu können – danach werden sie ohne Auswertung, Weitergabe an Dritte oder zeitliche Verzögerung gelöscht.)

***

Besuchen Sie uns im Internet:

www.dotbooks.de

www.facebook.com/dotbooks

www.instagram.com/dotbooks

blog.dotbooks.de/

Sandy Curtis

Der Fluss des Vergessens

Thriller

Aus dem Englischen von Cécile G. Lecaux

dotbooks.

Prolog

Schwarzes Eis. Hart. Glatt. Ein unsichtbarer Film auf dem Asphalt.

Der Volvo schoss durch die hereinbrechende Dämmerung. Die Fahrerin konzentrierte sich ganz darauf, ihre Panik in Schach zu halten. Nach zwei Monaten war ihr die Strecke durch die Blue Mountains von New South Wales zwar vertraut, verlangte ihr aber immer noch ihr ganzes Können ab.

Die Scheibenwischer kämpften tapfer gegen den Schnee an, der unablässig gegen die Windschutzscheibe klatschte, und verschafften ihr einigermaßen freie Sicht auf die kurvenreiche Straße, die von Eukalyptusbäumen gesäumt war. Zum ersten Mal, seit sie ihr vorübergehendes Heim in den Bergen bezogen hatte, empfand sie den Wald als bedrohlich und verspürte die Furcht, die Isolation in einer abgelegenen Gegend erzeugen kann. Bislang hatte sie eben diese Einsamkeit als willkommene Abwechslung von der Hektik Sydneys und ihre Unterkunft als friedliche und stille Zuflucht empfunden, in der sie endlich zur Ruhe kommen und neue Kräfte sammeln konnte.

Nun war die Natur zum Feind geworden.

Vor ein paar Stunden hatte der Kälteeinbruch eingesetzt, und der unerwartete Wetterumschwung hatte Schnee bis in Regionen getragen, die für gewöhnlich vom eisigen Hauch der Antarktis verschont blieben.

Sie stellte die Heizung höher.

Ein Schmerzensschrei entrang sich ihrer Kehle, und ihr Fuß rutschte vom Gaspedal. Sie biss die Zähne zusammen, als ihr Bauch sich zu einer steinharten Kugel verkrampfte. Sie keuchte, versuchte mit dem Schmerz mitzugehen, die Finger so fest um das Lenkrad gekrallt, dass die Knöchel weiß hervortraten. Der Wagen schlingerte, schleuderte zur Seite, und Schotter flog auf. Langsam und kontrolliert steuerte sie gegen und lenkte den Volvo zurück auf die Fahrbahn.

Als die Wehe nachließ, atmete sie tief durch und zwang sich zu entspannen. Sie kurbelte das Fenster einen Spalt breit herunter in der Hoffnung, die kalte Luft auf ihrem Gesicht würde sie von den Schmerzen ablenken. Sofort stieg ihr durchdringender Eukalyptusgeruch in die Nase; er überlagerte sogar den Duft des Regens, der vor dem Schnee niedergegangen war.

Sie atmete zittrig aus. Die Wehen folgten jetzt dicht aufeinander.

Kurz strich sie mit der Hand über den gewölbten Bauch und sprach leise und beruhigend zu ihrem Baby. Das Kleine hatte es offenbar eilig, auf die Welt zu kommen; sie konnte den Druck deutlich zwischen den Schenkeln spüren.

Die Dunkelheit brach ganz plötzlich herein. Im Licht ihrer Scheinwerfer huschten Schatten durch die Bäume, und die Schneeflocken tanzten gespenstisch in gelb-weißen Kegeln.

Um die Zeit zwischen zwei Wehen möglichst zu nutzen, gab sie Gas und achtete dabei darauf, sich dicht an die Straßenmitte zu halten. Ein dünner Schneeteppich bedeckte den Grasstreifen am Fahrbahnrand, und der nasse Asphalt glänzte im grellen Licht der Autoscheinwerfer. Sie rechnete auf der einsamen Straße nicht mit Gegenverkehr; jetzt war es nicht mehr weit bis zur Hauptstraße, und die innere Anspannung ließ etwas nach bei dem Gedanken an die Menschen dort, die ihr ganz sicher helfen würden. Als sie sich der Kurve näherte, konzentrierte sie sich wieder auf das Fahren.

Plötzlich lag das Lenkrad ganz leicht in ihren Händen; die Reifen verloren die Bodenhaftung. Sie trat auf die Bremse, in der Hoffnung, dadurch den Kontakt zum vereisten Untergrund wiederherstellen zu können. Vergeblich.

Die Erkenntnis traf sie wie ein Blitz.

Schwarzes Eis.

Abwechselnd betend und fluchend starrte sie auf die nur noch wenige Meter entfernte Kurve. Panik übermannte sie, und sie riss das Steuer herum, obwohl sie noch während des Manövers wusste, dass es sinnlos war.

Sie trat das Gaspedal durch.

Nichts.

Wie erstarrt vor Entsetzen fühlte sie, wie der Wagen unaufhaltsam weiterschlitterte. Die Vorderreifen rutschten über den Fahrbahnrand hinaus, gerieten in eine tiefe Furche, und der Wagen wurde herumgeschleudert. Dann überschlug er sich. Verzweifelt versuchte sie, bei der Drehung ihren Bauch zu schützen.

Der Volvo krachte gegen einen ausladenden Eukalyptusbaum. Das Knirschen sich verbiegenden Metalls und das Splittern von Glas übertönten ihren Schmerzensschrei, als ihr Bauch mit voller Wucht gegen die Seitentür prallte.

Die Räder drehten sich surrend weiter, das einzige Geräusch in dem ansonsten völlig stillen Wald.

Entschlossen kämpfte sie den sengenden Schmerz nieder, der ihren ganzen Körper in Wellen durchzog, und konzentrierte sich ganz darauf, sich zu orientieren. Die Fahrertür war aufgesprungen, und die Innenbeleuchtung tauchte das Wageninnere in einen schwachen gelblichen Lichtschimmer. Der Wagen lag auf dem Dach und sie auf dem mit Stoff bespannten Himmel.

Wieder durchbohrte der Schmerz sie wie ein glühender Dolch, so intensiv, dass es ihr die Kehle zuschnürte und sie keinen Ton hervorbrachte. Sie krümmte sich, der Krampf in ihrem Bauch war beinahe unerträglich. Nachdem die Wehe nachgelassen hatte, blieb sie eine Weile völlig erschöpft und reglos liegen. Dann griff sie sich, bevor die nächste Wehe kam, zwischen die Beine und betete, dass das, was sie im Grunde bereits wusste, nicht eingetreten war. Ein verzweifeltes Schluchzen entfuhr ihr, als sie die Hand zurückzog und das helle Blut sah.

Sie betete stumm um Kraft, rollte sich auf die Seite und setzte sich zähneknirschend auf. Ihr Kind. Sie musste Hilfe holen. Gegen das unerträgliche Ziehen tief in ihrem Innersten ankämpfend, das die nächste Wehe ankündigte, kroch sie aus dem Wagen. Ihre Hände glitten über das nasskalte Gras, und sie blieb auf dem Bauch liegen, das Gesicht von ihrem langen dunklen Haar bedeckt. Die Gesichter ihres Mannes und ihres Kindes tauchten vor ihrem geistigen Auge auf, und sie kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen.

Eisiger Wind stach in ihre Lungen. Sie erkannte, dass die Kälte noch weitaus größere Gefahren barg als der Marsch zur Hauptstraße. Nackte Angst stieg bitter wie Galle in ihr auf, um gleich darauf von unerträglicher Pein verdrängt zu werden, als ihr Körper von einer weiteren Wehe erfasst wurde, die ihr Kraft und Atem raubte. Der Druck zwischen ihren Beinen nahm zu, Blut strömte wie flüssiges Feuer über ihre unterkühlten Schenkel, und da wusste sie, dass sie nirgendwo hingehen würde.

Sie schleppte sich zurück in das Autowrack.

Kapitel 1

Noch konnte er umkehren. Weggehen. Sein Herz stählen und nie wieder riskieren, den unerträglichen Schmerz zu spüren, der ihm in den vergangenen zwei Jahren beinahe den Verstand geraubt hatte.

Der gehetzte Ausdruck in seinen Augen spiegelte sich in der Scheibe, als er durch das Schaufenster das angestrahlte Gemälde in der kleinen Kunstgalerie betrachtete. Er vergrub die Hände tief in den Taschen seiner Jeans, und die Sohlen seiner Stiefel schabten über Sandkörner auf dem Bürgersteig, als er sich zum Gehen wandte.

Aber das Bild ließ ihn nicht los - wie die Künstlerin, die ihn in ihren Bann gezogen und in eine Traumwelt entführt hatte, von der er glaubte, sie würde ewig währen. Es war ein Schock gewesen, ihre Signatur auf der Leinwand zu sehen. Hier auf sie zu stoßen ... Sein Blick folgte dem blühenden Geißblatt, dessen Ranken über das Dach eines alten Hauses wucherten, zur halb offenen Tür und dem dunklen Hausinneren. Die Szene vor pergamentfarbenem Hintergrund zeigte nur einen kleinen Ausschnitt des Gebäudes. Die Dunkelheit hinter der halb offenen Tür lockte ihn, neckte ihn, weckte Erinnerungen, die einst kostbar waren, jedoch heute unerträglich schmerzten.

Er versuchte, sie auf Abstand zu halten, aber sie überfluteten sein Gedächtnis auch gegen seinen Willen.

Hintergrundgeräusche wie Verkehr und lachende Touristen nahm er kaum noch wahr. Er war wieder dort, roch den süßen Duft des Geißblattes, berührte die raue Bruchsteinwand und das verwitterte Holz der Tür.

Er erinnerte sich an das leuchtende Kastanienrot ihrer Haare und daran, wie ihre Augen sich staunend geweitet hatten, als er sie hineinführte. Ehe ihre Augen sich an das Dunkel gewöhnen konnten, hatten seine Lippen ihr Lächeln geküsst, und er hatte eine Süße und Leidenschaft geschmeckt, die ihn bis heute nicht mehr losgelassen hatten.

Nur dass die Erinnerung heute bittersüß war und die Leidenschaft sich in Zorn verwandelt hatte, der gelegentlich in Verzweiflung umschlug.

Gefangen zwischen dem Bedürfnis, vor ihr zu fliehen, und dem überwältigenden Wunsch, sie wieder zu sehen, zögerte er. Schließlich siegte die Sehnsucht. Vielleicht würde er wenigstens in Erfahrung bringen können, warum sie ihn ohne ein Wort verlassen hatte und der Privatdetektiv, den er engagiert hatte, sie nur vier Monate später in den Armen eines anderen abgelichtet hatte, mit dem sie offenbar auch zusammenlebte. Nach allem, was zwischen ihnen gewesen war, war sie ihm eine Erklärung schuldig.

Der Eingang zur Galerie in Noosas berühmter Hastings Street war eingerahmt von einem kleinen Fenster, in dem das Gemälde hing, und einer schweizerischen Bäckerei. Die beiden Glastüren glitzerten in der Nachmittagssonne, als sie auf seinen Druck hin aufschwangen. Er trat ein. Der Teppich verschluckte das Geräusch seiner Absätze.

Er hatte früher schon Skizzen von ihr gesehen, aber noch nie ein fertiges Bild. Als er nun die Gemälde an den blassen Außen- und Trennwänden betrachtete, war er überrascht, wie talentiert sie tatsächlich war. Bei einigen Werken handelte es sich um blasse Pastellarbeiten, und er brauchte gar nicht erst auf die Signatur zu schauen, um zu wissen, dass sie nicht von ihr waren. Aber die anderen, jene in leuchtenden, vibrierenden Farben, die atemberaubenden Bilder von Meer und Natur, den exotischen Tieren, Bewohnern des Regenwaldes mit beinahe lebendigen Augen, kündeten ebenso von ihr wie die Signatur Kirri in der unteren rechten Ecke.

Langsam ging er zwischen den Raumteilern hindurch, die die Galerie in zwei Hälften trennten. Die Werke hier zogen ihn ebenso unwiderstehlich an wie das Bild des alten Cottages mit der offenen Tür. Er wollte die Hand ausstrecken und ins Wasser tauchen, mit den Fingern über die tiefgrünen Blätter der üppigen Urwaldflora streichen.

Dann sah er sie. Sie unterhielt sich mit einem Pärchen mittleren Alters, deren Kleidung und Kameras verrieten, dass es sich um Touristen handelte. Er beobachtete ihr lebendiges Mienenspiel, das Lächeln, das früher einmal seinen Puls beschleunigt hatte, und fluchte, als er spürte, dass der Mechanismus nach all der Zeit immer noch ausgelöst wurde. Sie war etwas schmaler als in seiner Erinnerung, und sie strahlte eine Reife aus, die die Lebendigkeit ihrer Gestik gedämpft, aber nicht ihre Ausstrahlung gemindert hatte.

Er spürte ein vertrautes Ziehen in der Brust, als er sie beobachtete, und fragte sich, ob die Antwort auf seine Frage das Risiko wert war, die alte Wunde der Zurückweisung wieder aufzureißen. Als das Paar sich zum Gehen wandte, blickte sie in seine Richtung und ertappte ihn dabei, wie er sie beobachtete. Lächelnd kam sie auf ihn zu. Mit unveränderter Miene blieb sie vor ihm stehen.

»Kann ich Ihnen helfen?«

Ungläubiger Schock bohrte sich in sein Herz wie eine glühende Klinge. Sie hatte ihn nicht erkannt, sondern sprach ihn an, als wäre er nur einer von vielen Fremden, die tagtäglich ihre Galerie besuchten. Ein paar Sekunden lang starrte er sie nur sprachlos an, dann wich der Schock grenzenloser Wut. Er sah, dass sie ein wenig aus dem Konzept geriet, aber sie fing sich rasch wieder.

»Wir haben nebenan noch mehr Bilder. Soll ich sie Ihnen zeigen?«

Er wusste, dass sein Zorn sich Luft machen würde, wenn er auch nur ein Wort sagte, und so begnügte er sich mit einem stummen Nicken. Sie drehte sich um und steuerte das andere Ende des Raumes an. Er registrierte ihren leichten Hüftschwung, die Art, wie ihr Kleid die Kurven betonte, die er einst liebkost hatte. Blaue Schmetterlinge flatterten über den leuchtend weißen Stoff, und er fragte sich flüchtig, ob sie das Muster entworfen und den Stoff selbst bemalt hatte. Er wusste noch gut, wie fasziniert er von der handbemalten Weste gewesen war, die sie bei ihrer ersten Begegnung getragen hatte.

Sie blieb stehen und schaute zurück, um zu sehen, ob er ihr folgte. Bei der Drehung spannte der fließende Stoff über ihren Brüsten. Er beschleunigte den Schritt und hoffte im Stillen, dass man ihm die unwillkürliche Reaktion auf ihre weiblichen Rundungen nicht anmerkte.

Wie war das möglich? Wie konnte sie ihn vergessen haben? Verdammt! Sie hatten fast drei Wochen miteinander verbracht. Drei Wochen, in denen sie sich verliebt und geliebt hatten, mit einer für ihn völlig neuen leidenschaftlichen Intensität. Drei Wochen, in denen sie gelacht und geredet, sich Geheimnisse, Hoffnungen und Träume anvertraut hatten. Und am Ende dieser Zeit hatte er ihr einen Antrag gemacht, nachdem er mit seinen 29 Jahren noch nie an Heirat gedacht hatte. Bis er Kirrily Smith begegnet war und sich unsterblich verliebt hatte.

»Haben Sie schon irgendetwas gesehen, das Ihnen gefällt?« Ihre Frage holte ihn zurück in die Gegenwart. Etwas stimmte nicht. Ihr Lächeln war zu strahlend, zu starr. Sie war nervös. Aber sie war nicht schockiert gewesen, ihn zu sehen. Nicht der leiseste Hauch von Erkennen war in ihren Augen zu sehen gewesen, und er wusste, dass ihre Augen die Fenster ihrer Seele waren. Zumindest war es damals so gewesen. Vielleicht hatte sie ja inzwischen gelernt, sich zu verstellen.

»Das Cottage, das im Fenster. Ich würde das Bild gerne kaufen.« Kaum waren die Worte heraus, da fragte er sich bereits, was um alles in der Welt er sich dabei gedacht hatte. Er wollte nichts haben, das ihn an diese Zeit erinnerte, nachdem der Schmerz heute kaum erträglicher war als vor zwei Jahren. Ein seltsamer Ausdruck huschte über ihr Gesicht, war aber so schnell wieder fort, dass er sich fragte, ob es vielleicht nur Einbildung gewesen war.

»Bedaure, aber das Gemälde ist unverkäuflich.«

Plötzlich war ihm nichts wichtiger, als dieses Bild zu besitzen. »Ich zahle jeden Preis.«

Der Ausdruck kehrte zurück, diesmal lange genug, dass er ihn deuten konnte. Verletztheit und unverständlicherweise Furcht. Was um alles in der Welt war nur los mit ihr? Er wollte sie eben danach fragen, aber sie kam ihm zuvor.

»Wie ich schon sagte, es ist unverkäuflich.« Diesmal entschiedener und mit einem leicht panischen Unterton. Dann blitzten ihre blauen Augen, sie straffte kaum merklich die Schultern und zeigte um sich. »Vielleicht finden Sie ja etwas anderes, das Ihnen gefällt.«

Ehe er etwas erwidern konnte, verschwand sie im Nebenraum. Als er ihr folgte, wehte ihm ein dezenter Hauch ihres Parfums in die Nase, ein Duft, der ihn in der Zeit zurückversetzte und Erinnerungen heraufbeschwor an heiße Nächte, kühle Brisen und ihren unwiderstehlichen Geschmack auf seinen Lippen. Unwillkürlich entfuhr ihm ein frustriertes Stöhnen, und sie wandte sich ihm zu. Er las Sorge in ihren himmelblauen Augen, die sich prompt dunkler färbten. Wenn sie sich geliebt hatten, war die Farbe noch intensiver geworden, und ihre Stimme hatte leicht heiser geklungen.

Himmel! Was machte sie nur mit ihm! Er hatte zwei Jahre Zeit gehabt, über sie hinwegzukommen, und seine Gefühle waren heute noch so unkontrollierbar wie bei ihrer ersten Begegnung. Und sie schien ihn immer noch nicht zu erkennen!

Er wandte sich abrupt ab und konzentrierte sich auf die Bilderwand. Wieder sah er eine Mischung aus hübschen blassen Aquarellen und Kirris farbintensiven Ölgemälden. Er ging bedächtig von einem Bild zum anderen und tat so, als würde er jedes einzelne eingehend betrachten, während sich tatsächlich seine Gedanken überschlugen. Sie zögerte; er spürte es mehr, als dass er es sah. Es war, als würde sie lieber flüchten, als sich noch länger in seiner Gegenwart aufzuhalten.

»Ihr Akzent ...« Auch ihre Stimme klang unsicher. »Sie sind Amerikaner?«

Er warf einen Blick zurück. Registrierte die uncharakteristische Nervosität, als sie sich den Halsansatz rieb. Er hatte sie das erst einmal tun sehen, und damals hatte sein Herz sich schmerzhaft zusammengezogen, als sie ihm den Grund gestanden hatte.

»Aus Seattle in Washington an der Westküste.« Er musterte sie sehr genau, um zu sehen, wie sie reagierte. Keine Reaktion. Er fluchte innerlich. Was genug war, war genug! Er konnte das Gefühlschaos nicht länger ertragen! Mit zwei Schritten war er bei ihr und hielt ihr die rechte Hand hin. »Daniel Brand.«

Nach kurzem Zögern schob sie ihre kleine blasse Hand in seine. »Kirrily Smith.«

Beinahe wäre ihm herausgerutscht »Ich weiß«, aber in ihren Augen stand wieder diese seltsame Mischung aus Furcht und Argwohn.

»Machen Sie hier Urlaub?«, fragte sie. »Mit der ... Familie?«

»Nein. Ich bin allein.«

Er blickte auf ihre verschränkten Hände, ihr Händedruck trotz aller Zartheit der Gliedmaßen kräftig. Als er den Kopf wieder hob, fiel sein Blick auf ein kleines Bild hinter ihr, und von einer Sekunde auf die andere schlug ihm das Herz bis zum Hals.

Das Kind war etwa 12 Monate alt und hielt mit einer kleinen speckigen Faust das Ohr eines sichtlich gealterten grau gesprenkelten Hundes umklammert. Lockiges schwarzes Haar umrahmte ein dunkles Gesicht mit breiten hohen Wangenknochen und einem breiten Mund. Das kleine Mädchen trug lange weiße Hosen und ein weißes Hemdchen, beides mit Fransen besetzt.

»Wer ...«, krächzte er, und als er sich räusperte, fühlte er, wie Kirri ihm ihre Hand entzog. Er schaute in ihr Gesicht. »Wer ist das kleine Mädchen?«

Sie zuckte zusammen, und er fühlte, wie sie in Sekundenschnelle eine Mauer um sich herum errichtete. »Meine Tochter. Ich habe sie vor ein paar Monaten gemalt.«

Daniel trat vor und studierte das Gemälde sehr genau. Kirri rückte ein paar Schritte von ihm ab, als rechne sie sich ihre Chancen aus, vor diesem Irren zu flüchten. »Und es ist ebenfalls unverkäuflich. Jedes andere Bild hier können Sie haben.«

»Kirri«, unterbrach sie eine Stimme von der Tür her. »Entschuldige die Störung, aber hier ist eine Dame, die zwei deiner Bilder kaufen möchte, aber einen Preisnachlass wünscht. Könntest du ...«

»Ich komme sofort, Jenny.« Kirri richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf Daniel. »Wenn Sie mich entschuldigen würden?«

Daniel wollte sie nicht gehen lassen. Am liebsten hätte er sie bei den Schultern gepackt und geschüttelt. Kräftig. Er wollte zum Teufel wissen, was vor zwei Jahren passiert war, das so viel wichtiger war als ihre Liebe zu ihm. Warum sie davongelaufen war, als er sie am meisten gebraucht hatte. Und wie es möglich war, dass sie offenbar den Mann, den sie zu heiraten versprochen hatte, schlichtweg vergessen hatte. Aber er nickte nur.

Als sie davoneilte, richtete Daniel seine Aufmerksamkeit wieder auf das Bild. Ein feiner Schweißfilm bedeckte seine Stirn, als er in die Gesäßtasche seiner Jeans griff und seine Brieftasche hervorholte. Er klappte sie auf und blickte auf die kleinen Fotos, die er hinter dem mit einer durchsichtigen Plastikfolie versehenen Fach herauszog. Das erste zeigte einen Mann Mitte fünfzig, dem er kaum einen Blick gönnte, aber das zweite betrachtete er sehr, sehr lange. Schließlich schaute er wieder das Gemälde an.

Nachdem er es eine Minute studiert hatte, schüttelte er den Kopf, wie um ihn zu klären. Er hatte gehofft, Kirri würde ihm ein paar Fragen beantworten, aber nun hatten sich weitere Rätsel aufgetan.

Er brauchte Zeit zum Nachdenken, um sich ein Bild der Situation zu machen und seine Gefühle zu analysieren. Als er in den Hauptraum zurückkehrte, war Kirri am Verkaufstresen beschäftigt und füllte gerade für eine Kundin irgendwelche Dokumente aus. Sie schaute auf, als sie ihn bemerkte, und er glaubte eine Spur von Neugier in ihrem Blick zu erkennen, aber sie lächelte nur und wandte sich dann wieder ihrer Kundin zu.

Daniel zögerte. Sollte er das Risiko eingehen, dass sie möglicherweise nicht mehr da war, wenn er zurückkam? Sofern er zurückkam? Verdammt! Natürlich würde er zurückkommen. Jetzt musste er erst recht wissen, was vor zwei Jahren geschehen war. Langsam verließ er den Laden. Kirri blickte dem groß gewachsenen Amerikaner nach, als er durch die Tür ins Freie trat. Die sonderbare Mischung von Erleichterung und Enttäuschung, die sie durchströmte, überraschte sie. Der beinahe greifbare Zorn, den seine breitschultrige Erscheinung ausstrahlte, hatte ihr ein wenig Angst gemacht, aber der Schmerz in seinen goldbraunen Augen hatte sie bewogen, mit ihm zu sprechen, obgleich ihr Instinkt sie gewarnt und ihr geraten hatte, ihn in Ruhe zu lassen.

Was war es, das etwas in ihr entzündet hatte? Schmerz oder Zorn? Er war attraktiv, aber nicht im klassischen Sinne gut aussehend, mit dichtem hellbraunen Haar und markanten, angenehm symmetrischen Gesichtszügen. Ein Gesicht, das auch im Alter noch attraktiv sein würde, weil es Charakterstärke ausdrückte. Und genau diese Stärke hatte sie angezogen. Außerdem hatte etwas in seinen Augen ihr verraten, dass er ein gütiger, zur Selbstlosigkeit fähiger Mensch war.

Sein Händedruck war elektrisierend gewesen. Haut auf Haut mit verblüffender ... ja, sie konnte es nicht anders formulieren ... Vertrautheit. Sein Akzent hatte ihr Interesse geweckt, und sie hatte sich im Stillen gescholten für ihre Enttäuschung, als sie sein Gesicht studiert hatte. Seine Züge waren ihr fremd, ja sogar die Augenfarbe war eine andere. Würde sie endlich dieses quälende Bedürfnis loswerden zu wissen? Himmel, es war zwei Jahre her. Es musste doch ...

Sie schüttelte den Kopf und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Verkaufsunterlagen, die sie gerade ausfüllte. Aber ihre Gedanken kreisten weiter um den Fremden. Wieder einmal fragte sie sich, warum sie diese zweite Galerie in einem weiteren touristischen Zentrum von Queensland eröffnet hatte. Eigentlich war es darum gegangen, ihren und Trishs Namen auf dem Markt bekannter zu machen ... oder hatte sie sich bewusst einem Umfeld ausgesetzt, in dem ihr jemand begegnen könnte, der sie wieder erkannte?

Mit einem Lächeln, von dem sie wusste, dass es ihre Augen nicht erreichte, übergab Kirri der Kundin die Kaufquittung, während Jenny die Bilder in Noppenfolie verpackte.

Weiter unten, auf der gegenüberliegenden Seite der Hastings Street, hielt in einem Straßencafé ein Surfer, der eben eine Bierdose an die Lippen hob, mitten in der Bewegung inne. Er sah Daniel Brand die Kunstgalerie verlassen. Als der Amerikaner den Bürgersteig betrat, fuhr ein Pajero-Geländewagen, der unmittelbar vor seinem Tisch im Halteverbot abgestellt wurde, vor und nahm ihm die Sicht. Der Surfer sprang auf und prallte beinahe mit dem Pajero-Fahrer zusammen, der eilig aus seinem Wagen stieg.

Brand hatte beinahe den Rand des Bürgersteiges erreicht, und der Surfer entspannte sich wieder, als er ihn entdeckte. Dann erregte das Geräusch des noch laufenden Geländewagen-Motors seine Aufmerksamkeit, und ein kaltes Lächeln umspielte seine Lippen. Er lief um den Wagen herum zur Fahrertür und warf die Bierdose in den Rinnstein. Innerhalb von Sekunden saß er hinter dem Steuer, trat das Gaspedal durch und riss das Lenkrad herum.

Kirri beobachtete, wie Daniel Brand den Bürgersteig verließ und zwischen zwei parkende Fahrzeuge trat. Er blickte flüchtig nach rechts und links und begann, die Straße zu überqueren. In der Mitte der Fahrbahn zögerte er, machte auf dem Absatz kehrt und blickte zurück zur Galerie. Sein weißes T-Shirt warf Falten, als seine Muskeln sich spannten und er wieder die Tür der Galerie ansteuerte.

Kirri sah den Geländewagen, sah, wie er mit quietschenden Reifen losfuhr und wendete, sah, wie der Stoßdämpfer den Amerikaner erwischte, obwohl der noch versuchte, sich mit einem Satz in Sicherheit zu bringen. Sie sah, wie er nach vorn und zur Seite geschleudert wurde, hörte den dumpfen Aufprall, als sein Kopf auf der Windschutzscheibe eines geparkten BMW aufschlug.

Bewusstlos glitt er von der Motorhaube auf den Asphalt.

Kapitel 2

Daniel kam wieder zu sich und schlug die Augen auf. Das grelle Licht blendete ihn, ein stechender Schmerz durchzuckte seinen Kopf, und eine Welle der Übelkeit stieg in ihm auf. Schnell senkte er die Lider wieder.

»Doktor, er hat gerade die Augen geöffnet.«

Die weiche Stimme weckte seine Lebensgeister. Kirri! Was machte sie denn hier? Der durchdringende Geruch nach Desinfektionsmittel und das Quietschen von Gummisohlen auf Linoleum verrieten ihm, dass er sich in einem Krankenhaus befand. Er bewegte sich gerade so weit, um sich zu vergewissern, dass alle Gliedmaßen noch funktionstüchtig waren und man ihm keinen Gips angelegt hatte. Außerdem stellte er bei dieser Gelegenheit fest, dass er starke Prellungen an der rechten Körperseite davongetragen hatte und so heftige Kopfschmerzen, dass er sie vermutlich eine ganze Woche nicht loswerden würde. Kirri zu fragen, was sie bei ihm im Krankenhaus machte, sollte er besser hinausschieben, bis er wieder klar denken konnte.

Finger zogen erst sein rechtes, dann sein linkes Augenlid in die Höhe, und jemand leuchtete ihn mit einer Taschenlampe an. Es folgte eine Reihe von Tests und Fragen, ehe der Arzt zufrieden grunzte. »Sie müssen einen bemerkenswert harten Schädel haben, Mr. Brand.«

Der Doktor griff nach einem Klemmbrett und trug etwas auf einem Patientenblatt ein. »Sie zeigen keinerlei Symptome eines schweren Schädeltraumas, auch wenn Sie eine Gehirnerschütterung davongetragen haben. Wir werden trotzdem sicherheitshalber röntgen. Das wäre längst erledigt, aber da Party-Woche ist, sind Notaufnahme und Röntgengeräte zugedröhnt. Und abgesehen von Prellungen und Abschürfungen scheinen Sie einigermaßen heil davongekommen zu sein. Ein Pfleger bringt sie gleich rüber auf die Röntgenstation.« Er legte das Klemmbrett auf das Fußende des Bettes und verschwand zwischen den Vorhängen, die der Privatsphäre halber um sein Bett zugezogen worden waren.

»Zugedröhnt?«, fragte Daniel, nicht sicher, ob er richtig gehört hatte.

Kirri lachte leise. »Es geht eben hoch her.«

Die typisch australischen Redewendungen hatten Daniel schon damals amüsiert, als Kirri sie ihm das erste Mal erklärt hatte, aber offenbar hatte sie seinerzeit einige ausgelassen. Oder er hatte sie in den zwei Jahren, in denen sie sich nicht gesehen hatten, vergessen. Vorsichtig drehte er den Kopf, um sie anzusehen. Sie saß neben dem Bett, dicht genug bei seinem Kopf, dass er die dunklen Sprenkel im hellen Blau ihrer Augen sehen konnte und die blassen Sommersprossen auf ihrer Nase. »Party-Woche?«

»Die Polizei glaubt, dass Sie auch ein Opfer der Jugendlichen geworden sind, die jedes Jahr in Noosa eine Woche lang den Highschool-Abschluss feiern«, erklärte sie. »Der Pajero, der Sie angefahren hat, wurde gestohlen. Der Besitzer hatte ihn mit laufendem Motor abgestellt, um nur schnell eine Zeitung zu holen, und als er zurückkam, war der Wagen weg. Er sah ihn noch die Straße herunterrasen und Sie anfahren. Die Polizei denkt, es waren übermütige Halbstarke, die hier, wie schon erwähnt, Party machen.« Sie lächelte. »Eine Art Ausnahmezustand, noch mal richtig einen draufmachen, bevor der Ernst des Lebens beginnt.«

»Und Autos zu stehlen gehört beim ›Draufmachen‹ dazu, ja?«

»Nein. Aber es gibt immer einen Idioten, der einen über den Durst trinkt und zu weit geht. Und das gilt nicht nur für die Schoolies, wie wir die Schulabgänger nennen. Viele ältere Chaoten mischen sich unter die Teenager und benehmen sich noch viel schlimmer als sie.«

Daniel strich mit der Hand über die blaue Webdecke, die über ihn gebreitet war, und verzog schmerzlich das Gesicht, als seine Finger zu derb an Hüfte und Oberschenkel tasteten. »Und was ist mit Ihnen? Waren Sie auch mal ein Schoolie?«

»Ich habe mit meiner Mutter in Cairns gelebt, aber mein Vater wohnte hier in Sydney. Gleich nach der Schulzeit bin ich hergeflogen.«

Daniels Kopf begann zu hämmern, aber er war verblüfft von Kirris sichtlicher Entspanntheit und ihrer Bereitwilligkeit, mit ihm zu reden. Ihr Verhalten war völlig anders als in der Galerie. »Waren Sie denn zu Hause nicht glücklich?«

Kirri zögerte, hin und her gerissen zwischen dem natürlichen Widerstreben, so private Erinnerungen preiszugeben, und dem überraschenden Bedürfnis, sich diesem Mann mitzuteilen. »O doch, aber Daddy hatte mir angeboten, mich in die Künstlerkreise Sydneys einzuführen. Er ist Künstler, und das wollte ich auch werden, seit ich denken kann. Mum war nicht so glücklich darüber.« Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, und ihre Augen blitzten bei der Erinnerung. »Sie besorgte mir gleich auch ein Rückflugticket. Schließlich bekam ich einen Studienplatz an der Kunsthochschule von Cairns, und so blieb ich letztlich nur zwei Monate.«

»Wollte sie Sie von Ihrem Vater fern halten?« Daniel hörte den Zorn in seiner eigenen Stimme und spürte, wie sie sich von ihm zurückzog.

»Nein«, entgegnete Kirri scharf. Sie war überrascht von seiner sehr persönlichen Frage. Sie musterte Daniel forschend. Der Schmerz in seinen Augen schien jetzt mehr emotionaler als physischer Art zu sein, und sie fragte sich, ob sein Zorn nicht vielleicht seinen Ursprung in der Kindheit hatte. Trotzdem verspürte sie das Bedürfnis, das Verhalten ihrer Mutter zu rechtfertigen. »Mein Vater hatte meine Mutter in der Ehe unglücklich gemacht, und sie wollte nicht, dass ich mir seinen Lebensstil aneignete.«

»Trotzdem sollte man ein Kind nicht von seinem Vater fern halten«, beharrte Daniel und sah, wie ihre Züge sich verdüsterten.

»Manchmal ...«, murmelte sie, wurde jedoch unterbrochen, als der Vorhang schwungvoll zurückgezogen und eine Trage hereingerollt wurde.

Als eine Schwester sich dem Bett näherte, brummte Daniel: »Ich kann zum Röntgen laufen.«

»Nein, können Sie nicht, Kumpel«, erwiderte ein stämmiger Pfleger, der der Schwester auf dem Fuße folgte, grinsend. »Vorschrift. Aber wenn Sie gerne eigenständig vom Bett auf die Trage rutschen wollen, wissen wir das zu schätzen. Sie sehen aus, als wären Sie nicht gerade ein Fliegengewicht.«

Daniel warf einen Blick auf Kirri und sah, wie sie vergeblich versuchte, ein Grinsen zu unterdrücken. Seufzend resignierte er.

»Wird nicht lange dauern«, sagte der Pfleger zu Kirri, als Daniel vorsichtig vom Bett auf die Trage wechselte. »Im Wartezimmer liegen Zeitschriften aus, wenn Sie etwas lesen möchten. Sind zwar schon ziemlich alt, aber mit etwas Glück finden Sie noch etwas Interessantes.«

Auf dem Weg zur Station bemerkte der Pfleger beiläufig, wie attraktiv Daniels Freundin sei, und als er auch noch Anzüglichkeiten von sich gab, knirschte Daniel mit den Zähnen. Er war erleichtert, als sie endlich auf die Röntgenstation gelangten und ein sachlicher Radiologe den mitteilsamen Pfleger ablöste.

Kirri hatte Daniels Gesicht studiert, als sie auf der Intensivstation an seinem Bett saß. In seiner Bewusstlosigkeit wirkte er nicht mehr gereizt und für einen Mann seiner Statur sogar seltsam verletzlich. Und da hatte sie begonnen, sich zu entspannen.

Als die Trage jedoch zurück auf die Station gerollt wurde, sah sie gleich, dass der Amerikaner wütend war. Er wechselte wieder von der Trage ins Bett, und sie erkannte, was der Grund für seine schlechte Laune war, da der Pfleger immer noch ohne Unterbrechung auf ihn einredete, was bei Daniels Gehirnerschütterung schwer zu ertragen sein musste.

Der Pfleger verschwand, und Daniel seufzte erleichtert. Kirri gab sich alle Mühe, nicht zu grinsen, als Daniel sie jedoch ansah, verzog er den Mund zu einem schiefen Lächeln, das ihr die Kehle zuschnürte. Es war das Lächeln eines Mannes, der selten Belustigung zeigte, und in ihr stieg der Wunsch auf, ihn zum Lachen zu bringen.

»Ein Wunder, dass sie die Patienten nicht gegen den Mann impfen«, bemerkte sie und nickte dabei in Richtung des davonschlendernden Pflegers. Wieder zuckten seine Mundwinkel, und Kirri verspürte zu ihrer Überraschung eine Woge der Lust. Daniels Augen verengten sich, als hätte er ihre Reaktion wahrgenommen. Brennende Hitze stieg ihr in die Wangen, als sie sah, dass ihr eigenes Verlangen sich in seinem Blick spiegelte. Dann runzelte er vor Schmerzen das Gesicht und ließ sich kraftlos auf das Kissen zurücksinken.

»Alles in Ordnung?« Der Arzt war an sein Bett getreten.

Daniel wollte nicken, überlegte es sich dann aber anders. »Ja. Ich brauche nur etwas gegen meine Kopfschmerzen, dann sehe ich zu, dass ich von hier verschwinde.«

»Morgen vielleicht, Mr. Brand. Ich habe mir gerade Ihre Röntgenbilder angesehen, und es scheint nichts gebrochen zu sein. Trotzdem waren sie mindestens 20 Minuten lang ohne Bewusstsein, und wir würden Sie gerne über Nacht zur Beobachtung dabehalten.«

»Ich bin sicher, Sie können das Bett für dringendere Fälle brauchen, Doktor. Wenn Sie mir nur ein paar Schmerztabletten geben, kann meine Bekannte mich nach Hause fahren.« Er warf Kirri einen fragenden Blick zu. »Wie sind Sie eigentlich hergekommen?«

»Mit dem Auto.«

»Gut. Ich wohne ganz in der Nähe der Galerie. Würde es Ihnen sehr viel ausmachen, mich auf dem Rückweg abzusetzen?«

»Aber die Polizei wollte Sie verhören, sobald Sie wieder zu sich gekommen sind.«

Bockig runzelte er die Stirn. »Ich rufe sie an und gebe ihnen durch, wo ich wohne. Sie können dorthin kommen. Oder ich gehe auf die Wache.«

»Danke fürs Mitnehmen, Kirri.«

Daniel rutschte nervös auf dem harten Sitz des Vans hin und her und versuchte, beiläufig zu klingen, beobachtete jedoch sehr genau das Gesicht seiner Fahrerin, die konzentriert durch den dichten Verkehr manövrierte. »Warum sind Sie ins Krankenhaus gekommen?«

Auch wenn ihm das zornige Aufflackern in ihren Augen entgangen wäre, brachte ihr Tonfall deutlich zum Ausdruck, dass er sie mit seiner Frage beleidigt hatte.

»Hätten Sie für mich nicht dasselbe getan?«

Früher wäre er ihr bis ans Ende der Welt gefolgt, so sehr hatte er sie geliebt, aber ihr Verrat hatte ihn tief getroffen. Sie warf ihm einen Seitenblick zu, die Stirn leicht gerunzelt. Wieder fragte er sich, ob sie ihn tatsächlich vergessen hatte. Wenn ja, war es eine bemerkenswert menschenfreundliche Geste ihrerseits gewesen, ihn in die Klinik zu begleiten. Der Gedanke wärmte ihm das Herz und wirkte sich entsprechend auf seine Antwort aus.

»Wenn Sie meine Hilfe brauchten, ja, sicher.«

Die Betonung in seiner Stimme ließ Kirri leicht zögern, ehe sie ihre Beweggründe erklärte. »Sie sagten, Sie wären alleine hier. Und ich wusste nicht, wie schwer Sie verletzt waren.« Sie zuckte die Achseln, als wollte sie ihr Interesse an ihm relativieren. »Ich konnte doch einen ausländischen Gast in einer solchen Situation nicht sich selbst überlassen. Das hätte doch unser Image als gastfreundliches Urlaubsland ruiniert.«

Ihre ironische Bemerkung ärgerte ihn. Sein Kopf fühlte sich an, als steckte sein Schädel in einer Schraubzwinge, was auch nicht dazu beitrug, seine Laune zu heben. Misstrauen nagte an ihm. Er war von Natur aus ein ruhiger, ausgeglichener Typ, aber die vergangenen beiden Jahre hatten seine Geduld auf eine harte Probe gestellt.

»War das der einzige Grund?«

Sie ließ sich so lange Zeit, dass er schon glaubte, sie würde gar nicht mehr antworten. Als sie es schließlich doch tat, war er überrascht, wie ernst ihre Stimme klang. »Ich weiß, was es heißt, allein in einer fremden Stadt auf Hilfe angewiesen zu sein.«

Er horchte auf. »Inwiefern auf Hilfe angewiesen?«

»Das ist jetzt unwichtig. Das ist lange her.« Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln, und die Fröhlichkeit, die ihn damals schon so angezogen hatte, war wieder voll da. »Wir sind gleich in Noosa. Wo genau müssen Sie hin?«

»Ich wette, von hier hat man eine wunderschöne Aussicht.« Kirri bog in die Zufahrt ein, die Daniel ihr gezeigt hatte, und schaltete den Motor aus. Sie blickte auf das Holzhaus an dem Steilhang oberhalb der Laguna Bay. »Gemietet?«

»Nein. Das Haus gehört einem Geschäftspartner. Er kommt in ein paar Tagen nach.« Langsam drehte er den Kopf, froh, dass die Übelkeit nachgelassen hatte. Kirris alter Van war sicher nicht der schnellste, aber er wusste, dass sie bewusst vorsichtig gefahren war, um ihm Erschütterungen und heftige Bewegungen möglichst zu ersparen. »Kommen Sie doch mit rein und machen sich selbst ein Bild von der Aussicht.«

Müdigkeit spiegelte sich in ihren hellen Augen. Einen Moment glaubte er schon, sie würde ablehnen, aber dann erhellten sich ihre Züge. »Ich könnte einen Kaffee kochen und mich davon überzeugen, dass Sie allein zurechtkommen.«

Er öffnete die Beifahrertür. »Das wäre sehr nett.«

Und das stimmte. Das würde ihm den Weg zur Galerie am nächsten Tag ersparen. Er hatte am Flughafen bereits einen Wagen gemietet, aber in der beliebtesten Straße der Sunshine Coast einen freien Parkplatz zu finden war zum Scheitern verurteilt; Frust hatte er an diesem Tag schon genug gehabt. Und wenn es seinem Kopf morgen nicht besser ging, wäre er auch nicht in der Lage, sich darauf zu konzentrieren, auf der »falschen« Straßenseite zu fahren.

Als sie das Wohnzimmer betrat, pfiff Kirri bewundernd. Bunte Kissen mit Seemotiven lagen auf einem weißen Ledersofa verteilt und bildeten einen hübschen Kontrast zum Parkettboden und der Holzwand, die die Küche vom Wohnraum trennte. Sie fuhr mit der Hand über eine große Holzplastik, die drei durch Korallen schwimmende Riff-Fische darstellte. Sie waren aus einem Stück geschnitzt, und die Detailtreue war beeindruckend.

»Ein Nobby Clark«, sagte sie beinahe ehrfürchtig. »Der Mann ist ein Genie im Umgang mit Holz.« Und dieses kleine Prachtstück dürfte ein paar Tausend Dollar gekostet haben, fügte sie in Gedanken hinzu. Sie sah sich um. »Wo ist die Küche?«

Das Haus hatte einen rechteckigen Grundriss mit einer offenen Wohnfläche und einer breiten Fensterfront zu einer breiten überdachten Veranda mit Blick auf die Bucht. Daniel ging voran in die Küche, und Kirri sah, dass dieser Raum ebenfalls mit einer Fensterfront zum Meer und zur Veranda hin versehen war. Obgleich im etwas tiefer am Hang liegenden Garten Eukalyptusbäume standen, verdeckten diese nicht den Blick über das türkisfarbene Wasser.

»Der Kaffee steht im Schrank.«

Daniels Stimme war ganz dicht an ihrem Ohr und jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Zum Teufel mit dem Kerl, er machte sie ganz nervös, und dabei war sie sich immer noch nicht im Klaren darüber, warum sie ihn überhaupt so anziehend fand. Er füllte den elektrischen Wasserkocher, nahm zwei Tassen aus einem Schrank und stellte diese auf die Arbeitsplatte. Kirri nahm die Kaffeedose aus dem Vorratsschrank und häufte ein paar Löffel in den Filteraufsatz, den sie auf die eine Tasse stellte. Anschließend gab sie einen Teebeutel in die andere. Wenige Minuten später erfüllte das Aroma frisch gebrühten Kaffees die Küche. Kirri goss heißes Wasser in die Tasse mit dem Teebeutel, nahm Milch aus dem Kühlschrank, schenkte sich etwas davon ein und blickte dann fragend auf Daniel. Er nickte, und sie gab etwas Milch in seinen Kaffee. Daniel häufte einen Löffel Zucker in ihre Tasse und anderthalb in seine.

»Woher wissen Sie, wie viel Zucker ich in den Tee nehme?«

Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, das seine Augen nicht erreichte. »Ich habe geraten.«

Sie lächelte zurück, aber eine undefinierbare Unruhe verursachte ihr ein flaues Gefühl in der Magengegend.

Sie setzten sich auf die Veranda und blickten über das ruhige Wasser der Bucht. Die Hitze des Kaffees löste die Anspannung in Daniels Bauch, änderte jedoch nur wenig an den hämmernden Kopfschmerzen. Er hoffte, dass die Wirkung der Schmerztabletten, die der Arzt im Krankenhaus ihm gegeben hatte, bald einsetzte; sonst würde er sich schwer tun, die Fragen zu formulieren, die er Kirri stellen wollte. Schließlich fasste er sich ein Herz.

»Erzählen Sie mir von Ihrer Tochter.« Sein Blick ruhte auf ihr, und so registrierte er den Schauer, der sie durchlief. Sie steckte sich die widerspenstigen Locken hinter das Ohr, ehe sie antwortete.

»Catelyn? Sie ist ein kleines Ungeheuer.« Kirri musste wider Willen lächeln. »Sie ist ungeduldig und unglaublich neugierig. Und sie ist das niedlichste kleine Mädchen, das man sich nur vorstellen kann. Niemand kann ihrem Charme widerstehen, und ihre Großeltern hat sie längst um den kleinen Finger gewickelt.«

»Wie alt ist sie?«

»Fünfzehn Monate.«

Daniels Finger schlossen sich fester um die Tasse, aber nach außen hin blieb er auf dem Terrassenstuhl völlig gelassen. Seine Gedanken überschlugen sich, und er rechnete hastig. Beinahe hätte er laut aufgestöhnt, als bei seinen Berechnungen herauskam, was er bereits vermutet hatte. Wenn er sich schon gewundert hatte, wie Kirri ihn vergessen haben konnte, war dies nichts verglichen mit dem furchtbaren Gefühl, verraten worden zu sein, das sich jetzt seiner bemächtigte. Aber sie schien sich ehrlich nicht an ihn zu erinnern. War das alles nur Theater? Wollte sie ihn für dumm verkaufen?

Es kostete ihn große Willenskraft, beiläufig zu klingen. »Ist ihr Vater auch so vernarrt in sie?«

Sie zuckte zusammen, als hätte er sie geschlagen. Ihre Hände zitterten, als sie abrupt aufstand. Als sie sich ihm zuwandte, lag ein strahlendes Lächeln auf ihrem Gesicht. Zu strahlend.

»Ich fahre jetzt besser zurück zur Galerie. Jenny ist ganz alleine.«

Daniel hatte das Gefühl, dass sie sehr darauf achtete, ihm bloß nicht zu nahe zu kommen, als sie an ihm vorbeiging. Er hasste ihre steife Haltung, als würde sie innerlich gegen irgendwelche Dämonen ankämpfen. Die kantigen Bewegungen wirkten völlig anders als die geschmeidige sinnliche Anmut, an die er sich von damals erinnerte.

Ganz langsam hievte er seinen schmerzenden Körper aus dem Stuhl. Schwindel überkam ihn, und er griff nach dem Verandageländer. Als seine linke Hand sich eben um die Brüstung legte, schlang Kirri ihm den Arm um die Taille und stützte ihn. Er schloss die Augen. Ihre Wärme und ihr Duft hüllten ihn ein. Für einen Moment fühlte er sich zurückversetzt an einen lauen Herbsttag, spürte das Vibrieren von Bootsmotoren durch das Deck unter seinen Füßen, und Kirri ... die frische New-Orleans-Brise spielte mit ihrem langen roten Haar, und ihre hellblauen Augen waren wie verschleiert von Liebe und Verlangen, als sie sich an ihn schmiegte ...

»Daniel, sind Sie in Ordnung?« Sie schüttelte leicht seinen Arm. Er schlug die Augen auf, und erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er sie an sich gezogen und den Kopf geneigt hatte, um sie zu küssen, endlich wieder die Süße ihrer Lippen zu schmecken ...

Er ließ die Hand sinken, packte mit der anderen das Geländer fester und tat einen zittrigen Atemzug. Er hätte nie für möglich gehalten, bei den höllischen Kopf- und Gliederschmerzen Lust verspüren zu können, aber die Hitze in seinen Lenden belehrte ihn eines Besseren.

»Nur etwas schwindlig«, brummte er und wandte sich von ihr ab. Himmel, seine Gefühle waren in hellem Aufruhr. Dass er wütend auf sie war, weil sie ihn seinerzeit so schäbig behandelt hatte, tat seinem Verlangen nach ihr offenbar keinen Abbruch, es war ebenso unkontrollierbar wie der Schmerz, der an seinem Herzen nagte. Und im Augenblick fühlte er sich weder dem einen noch dem anderen gewachsen.

»Ich lege mich jetzt besser hin.« Er warf ihr einen Blick zu, und der besorgte Ausdruck in ihren Augen verwirrte ihn. Wie konnte sie sich so um sein Wohlergehen sorgen, nachdem sie ihn vor zwei Jahren so eiskalt abserviert hatte? Irgendetwas stimmte hier nicht, ganz und gar nicht, aber er war einfach nicht in der Verfassung für ein ernstes Gespräch.

»Kommen Sie allein zurecht?« Sie hob halb die Hand und ließ sie dann wieder fallen.

Er nickte. »Ich habe noch ein paar von den Schmerztabletten.«

»Und wenn Ihr Zustand sich im Laufe der Nacht verschlechtert?«

»Dann muss ich eben den Notruf wählen. Dreimal die Null, richtig?«

Kirri nickte und kehrte zurück in die Küche. »Ich schreibe Ihnen für alle Fälle meine Handynummer auf den Block neben dem Telefon in der Küche«, sagte sie über die Schulter. »Falls Sie etwas brauchen, rufen Sie mich an.«

Daniel sah, wie sie in der Küche verschwand und Sekunden später das Wohnzimmer betrat. »Ich finde alleine raus. Ich rufe morgen an, um zu hören, wie es Ihnen geht.«

Die Haustür fiel ins Schloss, und er war allein. Er war seit vielen Monaten allein, aber in diesem Moment spürte er die Einsamkeit besonders schmerzlich. Und nach all der Zeit erkannte er endlich, dass es ihm wie zuvor schon seinem Vater bestimmt war, in seinem Leben nur eine einzige Frau zu lieben.

Und diese Frau schien sich nicht einmal mehr an ihn zu erinnern.

Kapitel 3

Kirri versuchte, das Unbehagen abzuschütteln, das sie nicht mehr losließ, seit Daniel Brand am Nachmittag ihre Galerie betreten hatte. Der Mann war verdammt attraktiv, daran war nicht zu rütteln, aber die Gefühle, die sie in seinen Augen gelesen hatte, waren beinahe Furcht einflößend gewesen in ihrer Intensität.

Sie schloss die Hintertür der Galerie ab und ließ den Schlüssel in ihre Umhängetasche gleiten. Minuten später war sie bei ihrem Van. Der Betrieb in den Straßen von Noosa schien nie abzunehmen; jetzt am vergleichsweise kühlen Abend war sogar noch mehr los als während der regulären Ladenöffnungszeiten. Tief gebräunte Surfer mit Gummisandalen an den Füßen teilten sich die Bürgersteige mit Frauen mittleren Alters in topmodischen Designer-Outfits.

Fußgänger liefen über die Straße und behinderten den Verkehr im Umkreis der Parkplätze, sodass das Weiterkommen das reinste Geduldsspiel war. Kirri lächelte. In Cairns herrschte die gleiche Urlaubsatmosphäre. Eile grenzte an ein Verbrechen.

Vor dem Haupteinkaufszentrum stellte sie den Wagen in einer Kurzparkzone vor einer Bank ab. Sie ging zum Nachttresor und warf die Tageseinnahmen ein. Die Einnahmen waren in dieser Woche gestiegen, aber wenn sie die teure Miete und Jennys Gehalt abzog, würde es immer noch nicht genügen, um ihren Entschluss zu rechtfertigen, diese zweite Galerie zu eröffnen.

Sie nahm ihre Malerei sehr ernst, aber von der wahren Kunst allein konnten sie und ihre Tochter nicht leben, dazu waren die kommerziellen Bilder nötig, die sie in den Galerien an Touristen verkaufte, bis sie sich als Künstlerin einen Namen gemacht hatte. Und doch fragte sie sich insgeheim, ob das tatsächlich ihre einzige Motivation war.

Auf der Fahrt zu ihrer Wohnung hatte sie Gelegenheit, weiter über ihre Gründe nachzudenken, kam aber dennoch zu keinem Ergebnis. Ihr Van bog im Schneckentempo um die Ecke, und sie biss sich auf die Lippen. Die Fahrt von Cairns hierher hatte den alten Motor doch sehr strapaziert, und so langsam regten sich in ihr Zweifel, ob die Maschine dem Rückweg gewachsen sein würde.

Sie wohnte in einer Nebenstraße der Weyba Road am Rande von Noosa. Die Wohnung war nicht so exklusiv, aber Kirri war dankbar für die entsprechend niedrigere Miete. Nachdem sie Türen und Fenster geöffnet hatte, um frische Luft hereinzulassen, schlüpfte sie aus den Sandalen, fischte ihr Handy aus der Tasche und wählte eine gespeicherte Nummer aus dem Register.