Der Fuchs - Frederick Forsyth - E-Book
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Der Fuchs E-Book

Frederick Forsyth

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Beschreibung

»Einer der besten Thrillerautoren der Welt!« Wall Street Journal

Was, wenn die gefährlichste Waffe der Welt keine Rakete, kein Tarnkappen-U-Boot und kein Computerprogramm ist? In einer Nacht- und Nebelaktion wird in der Nähe von London ein Hacker festgesetzt, weil er das Sicherheitssystem des Pentagon geknackt hat. Doch schnell ist der amerikanischen Regierung klar, dass der junge Mann nicht nur eine Bedrohung ist – sondern ein tödliches Instrument im Kampf gegen die östliche Welt, wenn man seine Fähigkeiten richtig einsetzt. Denn er allein ist in der Lage, die internationale Vorherrschaft für immer aus dem Gleichgewicht zu bringen. Im Fadenkreuz der Großmächte beginnt für den jungen Hacker ein Wettlauf gegen die Zeit – und ohne Entkommen ...

Frederick Forsyth, der Großmeister des Spionage-Thrillers, trifft mit »Der Fuchs« den Nerv unserer Zeit.

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Seitenzahl: 361

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Buch

Die meisten Waffen tun, was man ihnen befiehlt. Die meisten Waffen hat man unter Kontrolle. Aber was ist, wenn die gefährlichste Waffe der Welt keine intelligente Rakete oder ein Tarnkappen-U-Boot oder gar ein Computerprogramm ist? Was ist, wenn es ein Siebzehnjähriger ist, der die Sicherheitssysteme von Staaten knackt, der Verteidigungssysteme manipulieren kann, so dass sie sich gegen die Supermächte selbst richten? Und was würde man unternehmen, um seiner habhaft zu werden? Eines ist klar: Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit, denn er darf nicht in die falschen Hände gelangen.

Frederick Forsyth, der Großmeister des Spionage-Thrillers, trifft mit »Der Fuchs« den Nerv unserer Zeit.

»Der Fuchs ist Pflichtlektüre für alle, die sich für die geopolitischer Entwicklungen der heutigen Welt interessieren.« BBC

»Dieser aktuelle Thriller hat alles, was es braucht: einen großartigen Plot mit vielen überraschenden Wendungen, interessante Charaktere und packende Spannung. Eine rasante, unerhört unterhaltsame Lektüre.« ­Washington Post

Autor

Frederick Forsyth, geboren 1938 in Ashford/Kent, war mit 19 Jahren jüngster Pilot der Royal Air Force, arbeitete danach als Reporter und wurde Korrespondent der Agentur Reuters. Er berichtete u.a. aus der DDR. 1965 ging Forsyth als Reporter zur BBC. Mit »Der Schakal« gelang ihm als Romanautor der internationale Durchbruch. Bis heute wurden seine Titel weltweit mehr als 70 Millionen Mal verkauft. Zuletzt erschienen »Die Todesliste« und seine Autobiografie »Outsider«. Er lebt in Buckinghamshire, England.

Frederick Forsyth

DER FUCHS

Thriller

Aus dem Englischen vonRainer Schmidt

C. Bertelsmann

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Copyright © 2018 Frederick Forsyth

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe 2019

beim C. Bertelsmann Verlag,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,Neumarkter Str. 28, 81673 München

Covergestaltung: Bürosüd nach einem Entwurf von www.mulcaheydesign.com

Covermotiv: Shutterstock Images/iPostnikov, piyaphong, Vandathai; Alamy/Jochen Tack, Mint Images Limited

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-24696-9V004

www.cbertelsmann.de

EINS

Niemand sah sie. Niemand hörte sie. So sollte es auch sein. Die schwarz gekleideten Special-Forces-Soldaten schlichen unbemerkt durch die pechschwarze Nacht auf das Zielobjekt zu.

Im Zentrum der meisten Klein- und Großstädte bleibt selbst in tiefster Nacht immer ein Lichtschimmer, aber dies war der äußere Rand eines englischen Provinzstädtchens, und um ein Uhr morgens war die gesamte öffentliche Beleuchtung abgeschaltet worden. Jetzt, um zwei Uhr, war es am dunkelsten. Ein einsamer Fuchs beobachtete, wie sie vorbeigingen, doch sein Instinkt riet ihm, anderen Jägern aus dem Weg zu gehen. Aus keinem Fenster fiel Licht ins Dunkel.

Sie begegneten zwei einzelnen Menschen, beide zu Fuß, beide betrunken nach langen Partys mit Freunden. Die Soldaten verschmolzen schwarz in schwarz mit dem Gebüsch der Gärten, bis die Wanderer auf ihrem Heimweg vorübergestolpert waren.

Sie wussten genau, wo sie waren, denn sie hatten die Straßen und das Zielobjekt viele Stunden lang bis ins kleinste Detail studiert. Die Fotos waren aus vorbeifahrenden Autos und von hoch fliegenden Drohnen aufgenommen worden. Stark vergrößert hingen sie an der Wand des Besprechungsraums in Stirling Lines, der SAS-Zentrale am Rande von Hereford, und sie hatten sich die Aufnahmen bis auf den letzten Randstein eingeprägt. Die Männer mit den weichen Stiefeln stockten und stolperten nicht.

Sie waren ein Dutzend, und unter ihnen waren zwei Amerikaner, auf Drängen des US-Teams dabei, das sich in der Botschaft in London einquartiert hatte. Und zwei kamen vom britischen SRR, dem Special Reconnaissance Regiment, einer noch geheimeren Einheit als SAS und SBS, des Special Air Service und des Special Boat Service. Die Leitung hatte entschieden, das schlicht »Regiment« genannte SRR einzusetzen.

Eines der beiden SRR-Mitglieder war eine Frau. Die Amerikaner nahmen an, dies diene der Gendergerechtigkeit. Aber es war das Gegenteil. Bei der Observation hatte sich gezeigt, dass sich unter den Bewohnern des Zielhauses eine Frau befand, und selbst die harten britischen Einsatztrupps bemühten sich um ein bisschen Ritterlichkeit. Sinn der Anwesenheit des SRR, im Club mitunter auch als »Einbrecher Ihrer Majestät« bezeichnet, war die Ausübung eines seiner zahlreichen Talente – nämlich des verdeckten Eindringens.

Die Mission bestand nicht nur darin, in das Zielobjekt einzudringen und die Bewohner zu überwältigen; sie mussten auch dafür sorgen, dass sie drinnen von niemandem beobachtet wurden und dass keiner entkam. Sie näherten sich von allen Seiten, tauchten gleichzeitig rings um den Gartenzaun auf, vorn, hinten und zu beiden Seiten, durchquerten den Garten und umzingelten das Haus, immer noch unbemerkt von Nachbarn und Bewohnern.

Niemand hörte das leise Kreischen der Diamantspitze, die einen säuberlichen Kreis in die Scheibe des Küchenfensters ritzte, oder das leise Knacken, als das runde Glasstück mit einem Saugnapf herausgebrochen wurde. Eine Hand im Handschuh langte durch das Loch und entriegelte das Fenster. Eine schwarze Gestalt kletterte über den Fenstersims ins Spülbecken, sprang lautlos zu Boden und öffnete die Hintertür. Das Team schlüpfte herein.

Zwar hatten sie alle den Bauplan studiert, der beim Katasteramt eingereicht worden war, als das Haus gebaut wurde, aber sie benutzten trotzdem kleine Stirnlampen für den Fall, dass der Eigentümer Hindernisse oder gar Sprengfallen eingebaut hatte. Mit dem Erdgeschoss fingen sie an; sie bewegten sich von Zimmer zu Zimmer und vergewisserten sich, dass weder Wachtposten noch schlafende Bewohner, Stolperdrähte oder lautlose Alarmanlagen vorhanden waren.

Nach zehn Minuten nickte der Teamführer zufrieden und führte eine fünfköpfige Kolonne im Gänsemarsch die schmale Treppe hinauf in den ersten Stock dieses anscheinend völlig alltäglichen Eigenheims mit vier Schlafzimmern. Die beiden Amerikaner blieben unten. Sie waren zunehmend ratloser: Das hier war nicht die Art und Weise, wie sie ein hochgefährliches Terroristennest ausgeschaltet hätten. Zu Hause wären beim Eindringen in ein solches Haus bereits mehrere Magazine Munition verbraucht worden. Die Tommys waren eindeutig ziemlich verrückt.

Von oben hörte man erschrockene Rufe, die aber rasch aufhörten. Dann ein paar gemurmelte Befehle, und nach zehn Minuten erstattete der Teamführer seinen ersten Bericht. Er benutzte kein Internet und kein Handy – beides war nicht abhörsicher –, sondern ein altmodisches, verschlüsseltes Funkgerät. »Ziel unter Kontrolle«, sagte er leise. »Anwesende Personen: vier. Warten auf Sonnenaufgang.« Wer ihn hörte, wusste, was als Nächstes passieren würde. Alles war geplant und geprobt.

Die beiden Amerikaner, zwei U.S. Navy SEALs, berichteten ebenfalls an ihre Botschaft in London, am Südufer der Themse.

Für die »harte« Übernahme des Gebäudes gab es einen einfachen Grund. Auch nach einer Woche verdeckter Beobachtung war es in Anbetracht des Schadens an den Abwehreinrichtungen der ganzen westlichen Welt, der seinen Ursprung in diesem harmlos aussehenden Vororthaus hatte, noch nicht auszuschließen, dass sich hier Bewaffnete aufhielten. Möglicherweise versteckten sich Terroristen, Fanatiker oder Söldner hinter der unschuldigen Fassade. Darum hatte man dem »Regiment« erklärt, es gebe keine Alternative zu einem »Worst-Case«-Einsatz.

Aber eine Stunde später war der Teamführer wieder am Funkgerät.

»Sie werden nicht glauben, was wir hier gefunden haben.«

Sehr früh am Morgen des 3. April 2019 klingelte das Telefon in einem bescheidenen Schlafzimmer unter dem Dach des Special Forces Club in einem anonymen Townhouse in Knightsbridge, einem reichen Stadtteil im Londoner West End. Beim dritten Klingeln ging die Nachttischlampe an. Der Schläfer war jetzt hellwach und einsatzfähig – die Folge eines lebenslangen Trainings. Er schwenkte die Füße auf den Boden und warf einen Blick auf das leuchtende Display, bevor er das Gerät ans Ohr hielt. Dann schaute er auf die Uhr neben der Lampe. Vier Uhr früh. Schlief diese Frau denn nie?

»Ja, Prime Minister?«

Die Person am anderen Ende war anscheinend gar nicht im Bett gewesen.

»Adrian, tut mir leid, dass ich Sie um diese Zeit wecke. Könnten Sie um neun bei mir sein? Ich muss die Amerikaner begrüßen. Vermutlich werden sie auf dem Kriegspfad sein, und da brauche ich Ihre Einschätzung und Ihren Rat. Sie kommen um zehn.«

Immer diese altmodische Höflichkeit. Es war ein Befehl, keine Bitte. Aus alter Freundschaft nannte sie ihn beim Vornamen, aber er würde sie immer mit ihrem Titel anreden.

»Selbstverständlich, Prime Minister.«

Weiter gab es nichts zu sagen. Die Verbindung wurde getrennt. Sir Adrian Weston stand auf und ging in das kleine, aber ausreichende Badezimmer, um zu duschen und sich zu rasieren. Um halb fünf schritt er die Treppe hinunter, vorbei an den schwarz gerahmten Porträts aller Agenten, die sich vor so langer Zeit in das von den Nazis besetzte Europa aufgemacht hatten und nie zurückgekommen waren. Er nickte dem Nachtportier hinter der Rezeptionstheke im Foyer zu und trat ins Freie. Er kannte ein Hotel in der Sloane Street mit einem Café, das die ganze Nacht geöffnet war.

Kurz vor neun an einem strahlenden Herbstmorgen, am 11. September 2001, kurvte ein zweistrahliges amerikanisches Passagierflugzeug mit der Flugnummer American Airlines 011 auf dem Flug von Boston nach Los Angeles aus dem Himmel über Manhattan und raste in den Nordturm des World Trade Centers. Es war in der Luft von fünf Arabern im Dienst der Terrorgruppe al-Qaida gekapert worden. Der Mann am Steuerknüppel war ein Ägypter. Seine Helfer waren vier Saudis, die, bewaffnet mit Teppichmessern, das Kabinenpersonal überwältigt und den Ägypter ins Cockpit gebracht hatten.

Minuten später erschien eine weitere Linienmaschine viel zu tief über New York. Es war der United-Airlines-Flug Nummer 175, ebenfalls unterwegs von Boston nach Los Angeles, ebenfalls gekapert von fünf Al-Qaida-Terroristen.

Amerika, und wenige Augenblicke später die ganze Welt, sah voller Entsetzen zu, als sich das, was wie ein tragischer Unfall ausgesehen hatte, als etwas ganz anderes entpuppte. Die zweite Boeing 767 flog zielstrebig in den Südturm des World Trade Centers. Beide Wolkenkratzer wurden im mittleren Bereich massiv beschädigt. Unterstützt durch den Treibstoff aus den vollen Tanks der Maschinen brachen rasende Feuer aus und ließen die Stahlträger in den Gebäuden schmelzen. Eine Minute vor zehn sackte der Südturm zu einem Berg von rot glühendem Schutt zusammen, eine halbe Stunde später folgte der Nordturm.

Um 9:37 Uhr bohrte sich der American-Airlines-Flug Nummer 77, mit vollen Tanks unterwegs vom Dulles International Airport in Washington nach Los Angeles, in Virginia ins Pentagon. Auch dieses Flugzeug war von fünf Arabern entführt worden.

Die vierte Maschine, United Airlines 93, auf dem Weg von Newark nach San Francisco und ebenfalls in der Luft gekapert, wurde durch eine Passagierrevolte zurückerobert, aber zu spät, um das Flugzeug noch zu retten. Der fanatische Entführer saß immer noch am Steuer und ließ die Maschine auf den Feldern von Pennsylvania abstürzen.

Vor Sonnenuntergang dieses Tages, der heute schlicht als 9/11 bekannt ist, waren knapp dreitausend Menschen amerikanischer und anderer Nationalität tot, darunter die Besatzungen und Passagiere aller vier Flugzeuge, fast alle, die sich in den beiden Türmen des World Trade Centers aufgehalten hatten, sowie hundertfünfundzwanzig Personen im Pentagon. Nach diesem einen Tag war Amerika nicht nur geschockt, sondern tatsächlich traumatisiert, und das ist es bis heute.

Wenn eine amerikanische Regierung derart schwer verwundet wird, tut sie zweierlei: Sie fordert und nimmt Rache. Und sie gibt Geld aus.

In den acht Präsidentschaftsjahren George W. Bushs und den ersten vier Jahren Barack Obamas verwandten die USA eine Billion Dollar für den Aufbau der größten, schwerfälligsten, der redundantesten und möglicherweise ineffizientesten staatlichen Sicherheitsarchitektur, die die Welt je gesehen hat.

Wenn die neun Inlands- und die sieben Auslandsnachrichtendienste der USA 2001 ihre Arbeit gemacht hätten, wäre es niemals zu 9/11 gekommen. Es gab Anzeichen, Hinweise, Berichte, Tipps, Andeutungen und Merkwürdigkeiten, die zur Kenntnis genommen, gemeldet, gespeichert und ignoriert worden waren.

Was auf 9/11 folgte, war eine Ausgabenexplosion von buchstäblich atemberaubendem Ausmaß. Etwas musste getan werden, und die breite amerikanische Öffentlichkeit musste sehen, dass es getan wurde. Also geschah es. Eine Fülle von neuen Diensten wurde gegründet, die nichts anderes taten, als die Arbeit der existierenden zu wiederholen und zu spiegeln. Tausende neuer Wolkenkratzer schossen in die Höhe, ganze Städte, überwiegend im Besitz privater Unternehmen, die darauf aus waren, an dem unerschöpflichen Dollarsegen teilzuhaben.

Die staatlichen Ausgaben für das eine pandemische Wort »Sicherheit« explodierten wie eine Atombombe über dem Bikini-Atoll, klaglos bezahlt durch den stets vertrauensvollen, immer hoffnungsvollen und allezeit leichtgläubigen amerikanischen Steuerzahler. Das Unterfangen generierte eine Woge von Berichten auf Papier und online, so gewaltig, dass nur zehn Prozent davon jemals gelesen wurden. Man hatte einfach nicht die Zeit und trotz der fetten Gehälter auch nicht das Personal, um all diese Informationen zu bewältigen. Und in diesen zwölf Jahren geschah noch etwas anderes: Der Computer und sein Archiv, die Datenbank, wurden zu den Beherrschern der Welt.

Während der Engländer, der jetzt im Morgengrauen auf der Suche nach einem Frühstück in Richtung Sloane Street unterwegs war, als junger Offizier bei den Fallschirmjägern und dann beim MI6 diente, wurden Unterlagen auf Papier verfasst und in Papierform aufbewahrt. Das kostete Zeit, und Archive benötigten Platz, aber dort einzudringen und Geheimakten zu entnehmen, zu kopieren und zu stehlen – mit anderen Worten, Spionage zu treiben –, war schwierig, und die Menge des Materials, das zu einem bestimmten Zeitpunkt oder von einem bestimmten Ort entwendet werden konnte, war bescheiden.

Zur Zeit des Kalten Krieges, der mutmaßlich 1991 durch den sowjetischen Reformer Michail Gorbatschow beendet wurde, konnten große Spione wie Oleg Penkowski nur so viele Dokumente entführen, wie sie bei sich tragen konnten. Dann ermöglichte es die Minox-Kamera mit ihrem Mikrofilm, bis zu hundert Dokumente in einem kleinen Behälter zu verbergen. Der Mikropunkt machte kopierte Dokumente noch kleiner und leichter zu transportieren. Aber der Computer revolutionierte alles.

Als der Überläufer und Verräter Edward Snowden nach Moskau flüchtete, trug er vermutlich anderthalb Millionen Dokumente auf einem Speicherstick bei sich, der so klein war, dass man ihn vor der Grenzkontrolle in den After einführen konnte. »In alten Zeiten«, wie die Veteranen es formulierten, hätte man für diese Menge eine Lastwagenkolonne gebraucht. Aber wenn ein solcher Konvoi durch das Tor rollt, ist das ziemlich auffällig.

Nachdem also der Computer die Arbeit des Menschen übernahm, wurden die Archive mit ihren Billionen Geheimnissen in Datenbanken gespeichert. Die geheimnisvolle Dimension namens Cyberspace wurde in ihrer ganzen Komplexität immer unheimlicher, und immer weniger menschliche Gehirne verstanden noch, wie das alles funktionierte. Im gleichen Tempo veränderte sich auch die Kriminalität und wanderte vom Ladendiebstahl über Unterschlagungen bis hin zum täglichen Computerbetrug von heute, mit dessen Hilfe größere Reichtümer gestohlen werden als jemals zuvor in der Geschichte des Finanzwesens. So hat die moderne Welt nicht nur das Konzept des computerisierten verborgenen Reichtums hervorgebracht, sondern auch den Computerhacker. Den Einbrecher in den Cyberspace.

Aber manche Hacker stehlen kein Geld. Sie stehlen Geheimnisse. Das ist der Grund, weshalb ein harmlos aussehendes Vorstadthaus in einer englischen Provinzstadt mitten in der Nacht von einem anglo-amerikanischen Team von Special-Forces-Soldaten überfallen wurde und die Bewohner festgenommen wurden. Und weshalb einer der Soldaten in das Mikro seines Funkgeräts murmelte: »Sie werden nicht glauben, was wir hier gefunden haben.«

Drei Monate vor dem Überfall entdeckte ein Team amerikanischer Computerspezialisten bei der National Security Agency in Fort Meade, Maryland, etwas, das sie ebenfalls nicht glauben konnten: Die geheimste Datenbank der USA und wahrscheinlich der ganzen Welt war gehackt worden.

Fort Meade ist, wie die Bezeichnung »Fort« schon erkennen lässt, ein Stützpunkt der Army. Aber es ist viel mehr als das. Hier hat die furchterregende National Security ihren Sitz, die NSA. Vor unerwünschten Blicken stark abgeschirmt durch Wälder und gesperrte Zufahrtsstraßen, ist Fort Meade so groß wie eine ganze Stadt. Aber anstelle eines Bürgermeisters steht hier ein Vier-Sterne-General an der Spitze.

Es ist der Sitz des elektronischen Nachrichtendienstes, kurz ELINT oder Electronic Intelligence genannt. Endlose Batterien von Computern auf dem Gelände belauschen die ganze Welt. ELINT fängt ab, hört zu, zeichnet auf und speichert. Und wenn sie etwas Gefährliches abfängt, warnt sie.

Weil nicht jeder Englisch spricht, übersetzt sie aus jeder Sprache, jedem Dialekt, jeder Mundart, die auf dem Planeten Erde gesprochen wird. Sie verschlüsselt und dekodiert. Sie hütet die Geheimnisse der USA, und das tut sie innerhalb einer Vielzahl von Supercomputern mit den geheimsten Datenbanken des ganzen Landes.

Diese Datenbanken werden nicht durch ein paar Fallgruben und Fußangeln geschützt, sondern durch Firewalls, die so kompliziert sind, dass diejenigen, die sie konstruiert haben und sie tagtäglich überwachen, davon überzeugt sind, sie seien unüberwindlich. Und eines Tages starrten diese Bewacher der amerikanischen Cyberseele fassungslos auf die Befunde, die vor ihnen lagen.

Sie prüften alles und prüften es noch einmal. Es war unmöglich. Aber schließlich sahen drei von ihnen sich gezwungen, um eine Unterredung mit dem General zu bitten und ihm den Tag zu verderben. Die zentrale Datenbank war gehackt worden. Theoretisch waren die Zugangscodes so undurchsichtig, dass ohne sie niemand ins Herzland des Supercomputers vordringen konnte. Niemand kam einfach durch die Schutzvorrichtung mit dem schlichten Namen »das Luftloch«. Aber jemandem war es gelungen.

Weltweit finden täglich Tausende von Hackerangriffen statt. Zum größten Teil handelt es sich dabei um Versuche, Geld zu stehlen. Es sind Versuche, zu den Bankkonten von Bürgern vorzudringen, die ihre Ersparnisse dort deponiert haben, wo sie ihrer Überzeugung nach sicher sein würden. Wenn ein solcher Hack erfolgreich ist, kann der Betrüger sich als Kontoinhaber ausgeben und den Computer der Bank anweisen, beliebige Beträge auf sein Konto zu übertragen, das meilenweit entfernt und oft in ganz anderen Regionen der Welt geführt wird.

Alle Banken, alle Finanzinstitute sind inzwischen gezwungen, die Konten ihrer Kunden mit Schutzmauern zu umgeben, üblicherweise ihn Form von persönlichen Identifikationscodes, die der Hacker nicht kennen kann und ohne die der Bankcomputer nicht einen Cent herausrücken wird. Das ist ein Preis, den die entwickelte Welt für ihre totale Abhängigkeit von Computern zu zahlen hat. Es ist äußerst lästig, aber besser als Armut, und heute ist es ein unumgängliches Charakteristikum des modernen Lebens.

Andere Angriffe sind Sabotageversuche aus purer Bosheit. Eine gehackte Datenbank kann dazu verwendet werden, Chaos und einen funktionalen Zusammenbruch herbeizuführen. In den meisten Fällen geschieht das durch das Einschleusen einer Sabotageanweisung, die man als »Malware« oder »Trojaner« bezeichnet. Auch hier müssen ausgeklügelte Schutzmaßnahmen in Form von Firewalls vor die Datenbank gelegt werden, um den Hacker abzuwehren und das Computersystem vor jedem Angriff zu schützen.

Manche Datenbanken sind so geheim und so wichtig, dass die Sicherheit eines ganzen Landes davon abhängt, wie gut sie vor Cyberattacken geschützt werden. Die Firewalls sind so kompliziert, dass ihre Entwickler sie für undurchdringlich halten. Sie bestehen nicht nur aus einem Gewirr von Buchstaben und Ziffern, sondern auch aus Hieroglyphen und Symbolen, die, wenn sie nicht exakt in der richtigen Reihenfolge erscheinen, jedem den Zugriff verwehren, der nicht als offiziell dazu berechtigter Administrator über die präzisen Zugangscodes verfügt.

Eine solche Datenbank befand sich im Herzen der National Security in Fort Meade, und sie enthielt Billionen von Geheimnissen, die für die Sicherheit der gesamten USA von entscheidender Bedeutung waren.

Natürlich wurde dieser Einbruch vertuscht. Das musste so sein. Ein Skandal dieser Größenordnung kann Karrieren zerstören – und das ist die gute Nachricht. Er kann Minister stürzen, Ministerien aushöhlen, ganze Regierungen ins Wanken bringen. Aber auch wenn er vor der Öffentlichkeit und vor allem vor den Medien und den Halunken der Investigativpresse geheim gehalten wurde, musste doch das Oval Office informiert werden …

Und als der Mann im Oval Office endlich die Ungeheuerlichkeit dessen begriff, was man seinem Land angetan hatte, wurde er wütend. Stinkwütend. Er erließ eine Präsidentialverfügung. Findet ihn. Sperrt ihn ein. In einem Hochsicherheitsgefängnis, tief unter den Felsen von Arizona. Für immer.

Es folgte eine dreimonatige Hacker-Jagd. Man war sich dessen bewusst, dass das britische Gegenstück zu Fort Meade, bekannt als Government Communications Headquarters, ebenfalls von Weltrang war, und schließlich war man mit den Briten verbündet: Daher wurde das GCHQ schon früh um Unterstützung gebeten. Die Briten stellten ein spezielles Team für diese eine Aufgabe zusammen, und die Leitung hatte Dr. Jeremy Hendricks, einer der besten Cybertracker, die sie hatten.

Dr. Hendricks gehörte zu den Mitarbeitern des British National Cyber Security Centre, kurz NCSC, in Victoria mitten in London, eines Ablegers des Government Communications HQ in Cheltenham. Wie der Name schon sagt, ist es auf die Bekämpfung von Hackern spezialisiert, und wie jeder Wächter muss es den Feind studieren. Deshalb suchte Sir Adrian Rat bei Mr. Ciaran Martin, dem Direktor des NCSC. Widerstrebend, aber großherzig gestattete dieser, dass Dr. Hendricks aus seinem Team entführt wurde, nachdem Sir Adrian ihm zugesichert hatte, es handle sich um eine befristete Leihgabe.

In einer Welt, in der Teenager zu Leitbildern wurden, war Jeremy Hendricks ein reifer Mann. Er war über vierzig, schlank, adrett und reserviert. Selbst seine Kollegen wussten wenig über sein Privatleben, und so war es ihm auch lieber. Dass er schwul war, darüber sprach er nicht; er bevorzugte ein zurückgezogenes Leben in der Stille des Zölibats. Auf diese Weise konnte er seinen beiden Leidenschaften frönen: seinen Computern, die zugleich den Gegenstand seines Berufs bildeten, und seinen tropischen Fischen, die er in ihren Aquarien in seiner Wohnung in Victoria hegte und pflegte, in fußläufiger Entfernung von seinem Arbeitsplatz.

Er hatte an der York University studiert. Sein Hauptfach war Computerwissenschaften gewesen. Nach der Promotion hatte er am Massachusetts Institute of Technology seinen zweiten Doktorgrad erworben und dann sofort eine Stellung beim GCHQ in Großbritannien bekommen. Sein Spezialfach war das Aufspüren der winzigen Spuren, die Hacker oft hinterlassen und die irgendwann unausweichlich ihre Identität offenbaren. Aber der Cyberterrorist, der in die Computer von Fort Meade eingedrungen war, hätte ihn beinahe besiegt. Nach der Razzia in dem Haus im Nordlondoner Vorort war er einer der Ersten, die Zugang bekamen, denn er war maßgeblich daran beteiligt, die Quelle des Hacks zu entdecken.

Das Problem war, es hatte so wenige Anhaltspunkte gegeben. Hacker hatte es schon vorher gegeben, aber die hatte man leicht aufgespürt. Allerdings war das, bevor verbesserte und verstärkte Firewalls ein Eindringen praktisch unmöglich gemacht hatten.

Dieser neue Hacker hatte keine Spur hinterlassen. Er hatte nichts gestohlen, nichts sabotiert, nichts zerstört. Es sah aus, als wäre er eingedrungen, habe sich umgeschaut und wieder zurückgezogen. Es gab keine IP-Adresse, keine Ursprungsadresse, die als Identifikationsnummer im Internet dient.

Sie überprüften alle bekannten Präzedenzfälle. Waren schon andere Datenbanken auf diese Weise kompromittiert worden? Sie bezogen höchst raffinierte analytische Daten mit ein, und sie fingen an, bekannte Hackerfabriken auf der ganzen Welt nacheinander auszuschließen. Die Russen in dem Hochhaus am Rand von Sankt Petersburg. Die Iraner, die Israelis, sogar die Nordkoreaner. Sie alle waren aktiv in der Hackerwelt, aber alle hatten ihr Markenzeichen, vergleichbar mit der individuellen Handschrift eines Morsefunkers.

Endlich glaubten sie, in einer verknüpften Datenbank eine halbe IP gefunden zu haben, wie ein Kriminalpolizist einen verwischten Daumenabdruck entdeckte. Nicht genug, um jemanden zu identifizieren, aber genug für einen Abgleich, wenn so etwas noch einmal passieren sollte. Im dritten Monat lehnten sie sich zurück und warteten. Dann fand sich der Daumenabdruck wieder, diesmal in der gehackten Datenbank einer großen internationalen Bank.

Dieser Einbruch stellte sie vor ein weiteres Rätsel. Wer immer dahintersteckte, hatte für die Dauer seines Aufenthalts im System der Bank die Möglichkeit gehabt, Hunderte Millionen auf sein weit entferntes Konto zu überweisen und sie für alle Zeit verschwinden zu lassen. Aber er hatte nichts dergleichen getan. Genau wie in Fort Meade hatte er nichts getan, nichts zerstört, nichts gestohlen.

Dr. Hendricks fühlte sich an ein neugieriges Kind erinnert, das durch einen Spielzeugladen wandert, sich alles anschaut und dann wieder geht. Aber anders als bei Fort Meade hatte er hier eine winzige Spur hinterlassen, die Hendricks entdeckt hatte. Inzwischen hatte das Tracker-Team seinem Wild einen Spitznamen verpasst. Der Hacker war nicht zu greifen, und deshalb nannten sie ihn »den Fuchs«. Doch ein Abdruck war ein Abdruck.

Sogar ein Fuchs macht manchmal einen Fehler. Nicht oft, nur hin und wieder. Was Hendricks gefunden hatte, war Teil einer IP-Adresse, die zu dem halben Daumenabdruck in der verknüpften Datenbank passte und ein Ganzes bildete. Im Reverse-Engineering-Verfahren verfolgten sie die Spur zurück, und zur nicht unbeträchtlichen Verlegenheit des britischen Kontingents führte sie nach England.

Für die Amerikaner war dies der Beweis dafür, dass Großbritannien einer Art Invasion zum Opfer gefallen war. Ausländische Saboteure mit unvorstellbaren Fähigkeiten hatten ein Gebäude übernommen, möglicherweise Söldner im Auftrag einer ausländischen Regierung, höchstwahrscheinlich bewaffnet. Die Amerikaner verlangten einen harten Einsatz.

Da der Hacker sich anscheinend in einem Einfamilienhaus in einem friedlichen Vorort der Provinzstadt Luton in der Grafschaft Bedfordshire, nördlich von London, aufhielt, bevorzugten die Briten einen lautlosen, unsichtbaren nächtlichen Angriff, ohne Alarm, ohne Publicity. Sie setzten ihren Willen durch.

Die Amerikaner schickten ein Team von sechs SEALs herüber, quartierten sie unter der Ägide des Militärattachés (selbst ein US-Marine) in der amerikanischen Botschaft ein und bestanden darauf, dass mindestens zwei von ihnen die SAS-Soldaten begleiteten. So fand der Einsatz statt, und keiner der Nachbarn ahnte etwas davon.

Sie fanden weder Ausländer noch Söldner, noch Bewaffnete. Nur eine schlafende vierköpfige Familie – einen völlig verdatterten Steuerberater, der bereits als Mr. Harold Jennings identifiziert worden war, seine Frau Sue und ihre beiden Söhne, Luke, (achtzehn), und Marcus, (dreizehn).

Und das war es, was der SAS-Staff-Sergeant gemeint hatte, als er um drei Uhr morgens in sein Funkgerät sprach. »Sie werden nicht glauben …«

ZWEI

Alle Vorhänge im Erdgeschoss waren zugezogen. Der Morgen würde heraufdämmern, und Nachbarn wohnten vor und hinter dem Haus. Aber ein Haus mit geschlossenen Vorhängen vor den Fenstern würde in der Straße keinen Verdacht erregen. Langschläfer werden einfach nur beneidet. Das Team im Parterre duckte sich unter die Fenster – für den Fall, dass doch jemand hineinspähen sollte.

Oben wies man die festgenommene Familie an, sich normal anzuziehen. Jeder sollte einen Koffer packen, und dann sollten sie warten. Die Sonne ging auf, und mit dem strahlenden Aprilmorgen erwachte auch die Straße zum Leben. Zwei Frühaufsteher fuhren davon. Ein Junge brachte die Zeitungen zu den Häusern. Drei Stück landeten mit dumpfem Schlag auf der Fußmatte, und der Teenager wandte sich ab und radelte weiter die Straße hinunter.

Um zehn vor acht wurde die Familie die Treppe hinunterbegleitet. Die Leute sahen blass und verstört aus – vor allem der ältere Sohn –, aber sie leisteten keinen Widerstand. Die beiden Amerikaner trugen immer noch ihre schwarzen Masken und funkelten sie feindselig an. Das also waren die Agenten/Terroristen, die ihrem Land so viel Schaden zugefügt hatten. Sicher erwartete sie eine lebenslange Gefängnisstrafe. Das Team aus dem Obergeschoss, darunter die Frau vom SRR, kam mit ihnen herunter. Alle warteten schweigend im Wohnzimmer. Die Vorhänge blieben geschlossen.

Um acht hielt ein klar als Taxi erkennbarer Personenwagen vor dem Haus. Zwei der SAS-Männer hatten ihre schwarzen Overalls gegen förmliche dunkle Anzüge mit Oberhemd und Krawatte ausgewechselt. Beide trugen Pistolen unter der linken Achsel. Sie eskortierten die Familie mit ihrem Gepäck zum Taxi. Noch immer gab es keinen Versuch, Widerstand zu leisten oder zu fliehen. Wenn sich irgendein Nachbar dafür interessieren sollte, war die Familie auf dem Weg in den Urlaub. Der Wagen fuhr ab. Das Team im Haus entspannte sich. Sie wussten, sie würden reglos und stumm warten müssen, bis es wieder dunkel wurde, um dann in die Nacht zu verschwinden, wie sie gekommen waren. Im leeren Haus würden sämtliche Systeme abgeschaltet werden, und es würde eine ganze Weile verschlossen bleiben.

Eine kurze Nachricht informierte den Teamleiter, dass die festgenommene Familie in sicherem Gewahrsam war, und er bestätigte. Er war Stabsfeldwebel, ein hochrangiger Unteroffizier und ein Veteran mehrerer Einsätze im In- und Ausland. Er hatte hier das Kommando, weil das Regiment bei Inlandsaktioen nur Unteroffiziere einsetzte. Die Offiziere, die spöttisch als »Ruperts« bezeichnet wurden, übernahmen Planung und Aufsicht, aber innerhalb Großbritanniens wurden sie nicht aktiv.

Um zehn erschien ein großer Lieferwagen, beschriftet wie das Fahrzeug einer Inneneinrichtungsfirma. Sechs Männer in weißen Overalls stiegen aus und trugen Abdeckplanen und Trittleitern ins Haus. Nachbarn sahen es, ohne weiter Notiz davon zu nehmen. Anscheinend ließen die Jennings ein paar Renovierungsarbeiten machen, während sie im Urlaub waren.

Die mitgebrachten Sachen blieben drinnen im Flur liegen, und die Männer, geführt von Dr. Hendricks, stiegen die Treppe hinauf, um ihre eigentliche Aufgabe zu erledigen, die darin bestand, das Haus nach elektronischen Anlagen und Geräten abzusuchen und davon zu säubern. Schnell konzentrierten sie sich auf den Dachboden, wo sie Aladins Schatzhöhle entdeckten, vollgestopft mit Computern und Peripheriegeräten. Jemand hatte den Dachboden in seinen privaten Adlerhorst verwandelt.

Unter den Dachbalken hatte sich jemand einen Rückzugsort geschaffen. Da war ein Schreibtisch, da waren Tische und Stühle, allesamt billig in Trödelläden erstanden, Nippes, Schnickschnack von persönlichem Wert, aber keine Bilder. Den Ehrenplatz hatten der Schreibtisch, der Stuhl davor und der Computer, der darauf stand. Dr. Hendricks betrachtete den Rechner aufmerksam und war erstaunt.

Er war die besten und komplexesten Maschinen auf dem Markt gewöhnt, aber das alles hier war absolut alltäglich, von der Stange, erhältlich in den Stadtrand-Superstores der einschlägigen Ketten. Es sah aus, als hätte ein Vater seinem Sohn das spendiert, was er sich leisten konnte. Aber wie um alles in der Welt hatte jemand die besten Computerspezialisten der westlichen Welt mit dieser Ausstattung an der Nase herumführen können? Und welcher der beiden Jungen war es gewesen?

Der von der Regierung beauftragte Wissenschaftler hoffte, er werde die Zeit und die Gelegenheit haben herauszufinden, wer in die Datenbank in Fort Meade eingedrungen war, und diesen Computerfreak zu befragen. Diesen Wunsch sollte Sir Adrian ihm bald erfüllen.

Sie hatten sofort gesehen, dass es sich hier nicht um einen Supercomputer von der Sorte handelte, wie sie draußen im GCHQ eingesetzt wurden, in der riesigen donutförmigen Mini-Stadt am Rand von Cheltenham in der Grafschaft Gloucestershire. Aber auch wenn es im Fachhandel für jedermann zu kaufen war – was sie da entdeckten, untersuchten und abtransportierten, war in genialer Weise verändert und erweitert worden, vermutlich vom Eigentümer.

Am späten Vormittag waren sie fertig. Der Dachboden war wieder das, was er früher gewesen war, ein Hohlraum unter den Dachbalken. Das Cyberteam zog mit seiner Beute ab. Hinter den immer noch geschlossenen Vorhängen warteten die Soldaten des Sturmtrupps bis gegen zwei Uhr morgens. Dann verschwanden auch sie in der Dunkelheit. Kein Nachbar hatte sie kommen sehen, und niemand sah sie gehen.

Als Kind hatte Adrian Weston nie vorgehabt, Spion zu werden, geschweige denn Chef einer Spionageorganisation. Der Sohn eines Tierarztes war auf dem Land groß geworden, und er hatte Soldat werden wollen. Nach Abschluss seiner Schulausbildung an einem kleinen Internat und sobald sein Alter es gestattete, hatte er sich zum Militärdienst gemeldet. Er wurde als »Offiziersmaterial« angenommen und gelangte so auf die Royal Military Academy in Sandhurst.

Er beendete seine Ausbildung dort nicht mit dem Sword of Honour, aber doch mit ziemlich guten Noten, und als man ihm erlaubte, das Regiment seiner Wahl zu nennen, entschied er sich für die Fallschirmjäger, weil er hoffte, hier die besten Chancen für einen Kampfeinsatz zu haben. Nachdem er zwei Jahre in Nordirland gegen die IRA gekämpft hatte, beantragte er ein Armeestipendium und legte ein durchschnittliches Examen in Geschichte ab. Nach der Prüfung sprach ihn einer der Professoren an. Ein Abendessen im privaten Kreis? Anwesend waren zwei andere Männer, sonst niemand.

Nach der Melonenvorspeise wusste er, dass sie aus London gekommen waren, vom Secret Intellicence Service, auch als MI6 bekannt, und der Geschichtsprofessor war ein Spotter, ein Talentscout. Weston erfüllte sämtliche Kriterien. Gute Familie, gute Schule, gute Examensnoten, Fallschirmjäger, einer von uns. Eine Woche später trat er in die »Firma« ein, erhielt eine Ausbildung und wurde eingesetzt. Seine Schulferien hatte er als Austauschschüler bei einer deutschen Familie verbracht und sprach daher fließend und zügig Deutsch. In einem dreimonatigen Intensivkurs an der Sprachenschule der Army erlernte er außerdem Russisch und kam dann in die Osteuropa-Abteilung. Es war der Höhepunkt des Kalten Krieges, die Jahre mit Breschnew und Andropow. Michail Gorbatschow und die Auflösung der Sowjetunion sollten erst später kommen.

Formal gesehen stand Sir Adrian nicht mehr auf der Gehaltsliste der Regierung, und das hatte gewisse Vorteile. Einer davon war die Unsichtbarkeit. Einen zweiten brachte seine Position als persönlicher Berater des Premierministers in Fragen der nationalen Sicherheit mit sich: Er hatte Zugang zur Macht. Seine Anrufe wurden angenommen, sein Rat wurde gehört. Vor seiner Pensionierung war er unter Richard Dearlove stellvertretender Leiter des Secret Intelligence Service in Vauxhall Cross gewesen.

Als Sir Richard sich 2004 pensionieren ließ, bewarb Adrian Weston sich nicht um den Posten als sein Nachfolger, weil er nicht unter einem Premierminister Tony Blair dienen wollte. Es widerte ihn an, wie dem Parlament ein Dokument untergejubelt worden war, das später als »windiges Dossier« bekannt werden sollte.

Mit diesem Dokument sollte »bewiesen« werden, dass Saddam Hussein, der brutale Diktator des Irak, über Massenvernichtungswaffen verfügte und bereit war, sie einzusetzen, was eine Invasion in sein Land rechtfertigen würde. Es gebe, versicherte Tony Blair dem Parlament, Beweise, die über jeden Zweifel erhaben seien. Das Parlament stimmte dafür, dass Großbritannien sich an der amerikanischen Irak-Invasion im März 2003 beteiligte. Die Katastrophe, die sich daraus entwickelte, stürzte den gesamten Nahen Osten ins Chaos und führte zur Geburt der Terrormaschine IS, die fünfzehn Jahre danach immer noch international aktiv ist.

Um seine Behauptung zu unterfüttern, zitierte Mr. Blair den allseits geachteten Secret Intelligence Service, und diese Behauptung bildete die Grundlage für das »windige Dossier«. Es war nichts als heiße Luft. Alle Informationen, die der SIS aus dem Irak hatte, waren Behauptungen aus »einzelnen Quellen«, und in der Welt der Nachrichtendienste bieten solche Informationen niemals einen Grund, tätig zu werden, wenn sie nicht durch dokumentarisches Material von großer Überzeugungskraft belegt werden können. Aber solches Material gab es nicht.

Es gab auch keine derartigen Waffen, wie sich bei der nachfolgenden Invasion und Besetzung des Irak erwies. Die Quelle war ein einzelner lügender Iraki mit dem Codenamen Curveball, der nach Deutschland geflohen war, wo man ihm ebenfalls glaubte. Als das Lügengebäude zusammenbrach, warf die britische Regierung dem MI6 vor, sie falsch informiert zu haben, obwohl der Dienst Downing Street mehrmals gewarnt hatte, dass die Behauptungen höchst unzuverlässig wären.

In übertriebener Loyalität und der Tradition des Dienstes entsprechend schwieg Sir Richard Dearlove dazu bis zu seiner Pensionierung und weit darüber hinaus. Nach seinem Weggang beschloss auch Adrian Weston, sich zur Ruhe zu setzen. Als Nummer zwei zu bleiben, kam nicht infrage; er wusste, die Nachfolge würde an einen Busenfreund Tony Blairs gehen.

Während Sir Richard zum Master des Pembroke College, Cambridge, ernannt wurde, nahm Adrian Weston von einer dankbaren Königin den Ritterschlag entgegen und zog sich in sein Cottage im ländlichen Dorset zurück. Er las, schrieb und machte gelegentlich einen Besuch in London. Dort konnte er jederzeit im Special Forces Club zu einem bescheidenen Preis in einem der kleinen, aber behaglichen Gästezimmer übernachten.

Zeit seines Berufslebens war er als Kreml-Experte auf Moskaus eiserne Herrschaft über seine europäischen Satellitenstaaten spezialisiert gewesen und hatte mehrere riskante Missionen jenseits des Eisernen Vorhangs durchgeführt, und 2012 schrieb er einen Aufsatz, der auch der derzeit neu ernannten Innenministerin der Cameron-Regierung zur Kenntnis gebracht wurde. Aus heiterem Himmel erreichte ihn ein handschriftlicher Brief in seinem ländlichen Refugium, in dem sie ihn zu einem privaten Lunch außerhalb ihres Ministeriums bat.

Mrs. Marjorie Graham war neu im Kabinettsrang, aber sie war scharfsinnig. Im Carlton Club – in dem traditionell nur Männer zugelassen waren, Damen aber als assoziierte Mitglieder Zugang hatten – erklärte sie ihm, dass zu ihrem neuen Zuständigkeitsbereich auch der Security Service MI5 gehörte. Ihr sei aber daran gelegen, außerdem Zugang zu einer zweiten Meinung aus einer anderen Abteilung der nachrichtendienstlichen Welt zu haben, und sein Aufsatz über das zunehmend aggressivere russische Hegemoniestreben habe sie beeindruckt. Ob sie ihn vielleicht auf einer sehr privaten Basis konsultieren dürfe. Drei Jahre vor der Razzia in dem Haus in Luton trat David Cameron zurück, und sie wurde Premierministerin.

Der inoffiziell publizierte Aufsatz, der ihre Aufmerksamkeit erregt hatte, trug den schlichten Titel »Vorsicht vor dem Bären«. Adrian Weston hatte sein ganzes Berufsleben damit verbracht, den Kreml und seine aufeinander folgenden Herren zu studieren. Beifällig hatte er den Aufstieg Michail Gorbatschows und seine Reformen verfolgt, bis hin zur Abschaffung des Weltkommunismus und der Sowjetunion, aber mit Bestürzung hatte er beobachtet, wie das gedemütigte Land unter dem alkoholkranken Boris Jelzin ausgeplündert wurde.

Er verabscheute die Lügner, Betrüger, Diebe, Gauner und schlecht getarnten Verbrecher, die ihre Heimat aller Schätze beraubt und sich zu Milliardären gemacht hatten und ihren zusammengestohlenen Reichtum jetzt in Form von Megayachten und Villen zur Schau trugen, nicht selten innerhalb von Großbritannien.

Aber während Jelzin immer tiefer in seinem wodkagetränkten Dämmer versank, sah Weston in seinem Schatten einen kaltäugigen, kleinen, ehemaligen Geheimpolizisten mit einer Vorliebe für homoerotische Fotos von sich selbst, auf denen er mit blanker Brust und einem Gewehr in den Händen durch Sibirien ritt. In seinem Aufsatz warnte Winston davor, dass der Kommunismus durch eine neue, stramm rechte Aggressivität ersetzt werden könne, die sich als Patriotismus verkleidete und anscheinend den Kreml übernahm, als die ehemaligen Tschekisten den Trinker abservierten, und er wies auf die engen Beziehungen zwischen dem Woschd – dieses russische Wort bezeichnet den »Boss« oder in der Welt des Verbrechens den »Paten« – und der professionellen kriminellen Unterwelt hin.

Der Mann, der zum Herrscher über Russland geworden war, hatte als eingefleischter Kommunist angefangen und das Privileg genossen, in der Auslandsabteilung des KGB zu arbeiten – in Dresden. Aber nach dem Untergang des Kommunismus kehrte er in seine Heimatstadt Leningrad zurück, die jetzt wieder Sankt Petersburg hieß, und arbeitete dort im Stab des Bürgermeisters. Von dort stieg er nach Moskau auf und wurde Mitarbeiter im Stab von Boris Jelzin. Er war ständig an der Seite des betrunkenen Riesen aus Sibirien, der nach dem Sturz Gorbatschows das Präsidentenamt übernahm, und wurde zunehmend unentbehrlicher.

Dabei veränderte er sich. Er war enttäuscht vom Kommunismus, aber sein Fanatismus blieb ihm erhalten. Er schwenkte zu einer stramm rechten Politik um, maskiert durch Religiosität, die Hingabe an die orthodoxe Kirche und eine ultrapatriotische Haltung. Und ihm fiel etwas auf.

Er sah, dass Russland von drei Machtzentren beherrscht wurde. Das erste war die Regierung mit ihrem Zugang zu Geheimpolizei, Spezialeinheiten und Militär. Das zweite war nach der Vergewaltigung Russlands und seiner Schätze unter Jelzin entstanden: die Reihen der Opportunisten, die korrupten Bürokraten sämtliche Bodenschätze ihrer russischen Heimat zu Schleuderpreisen abgekauft hatten. Das waren die neuen Plutokraten, die Oligarchen, Leute, die über Nacht zu Milliardären und Multimillionären geworden waren. Ohne Unmassen von Geld konnte man im modernen Russland nichts werden. Das dritte war das organisierte Verbrechen, bekannt als »Diebe im Gesetz« oder »Wory w Sakone«. Diese drei bildeten eine miteinander verbundene Bruderschaft. Nachdem der tattrige Jelzin zurückgetreten war und die Zügel an den Mann an seiner Seite übergeben hatte, ohne dass jemand Einspruch dagegen erhoben hätte, wurde der jetzt als »Woschd« bekannte Mann zum Herrn über alle drei, und er benutzte, belohnte und kommandierte sie. Mit ihrer Hilfe wurde er zu einem der reichsten Männer der Welt.

Sir Adrian stellte fest, dass jeder, der mit dem neuen Woschd in Streit geraten war, eine kurze Lebenserwartung hatte, wenn er in Russland blieb, und bei denen, die sich im Ausland niederließen, aber weiterhin Kritik übten, kam es nicht selten zu tödlichen Unfällen. Sir Adrians Warnungen waren damals prophetisch und nicht überall beliebt, aber Mrs. Graham hatten sie anscheinend beeindruckt. Beim Kaffee akzeptierte er ihren Vorschlag.

Um fünf vor neun stand er vor der bekannten schwarzen Tür des Hauses Downing Street Nummer zehn, und sie öffnete sich, bevor er auch nur den verzierten Messingtürklopfer betätigt hatte. Die Tür wurde von innen bewacht. Er kannte den Pförtner, der ihn mit Namen begrüßte, und man führte ihn die geschwungene Treppe hinauf, die von den Porträts früherer Bewohner flankiert ist. Oben betrat er ein kleines Konferenzzimmer, nur wenige Schritte vom Büro der Premierministerin entfernt. Um Punkt neun erschien sie. Sie war seit sechs Uhr bei der Arbeit.

Marjory Graham verschwendete keine Zeit: Der amerikanische Botschafter, sagte sie, werde um zehn erwartet, und Sir Adrian müsse »auf den neuesten Stand« gebracht werden. Er wusste bereits von dem Einbruch in die amerikanische Cybersecurity, der drei Monate zuvor stattgefunden hatte, jedoch noch nichts über die jüngsten Ereignisse in seiner Heimat. Sie gab ihm einen kurzen, aber umfassenden Bericht über das, was sich in Luton abgespielt hatte.

»Diese Familie, wo ist sie jetzt?«, fragte er.

»In Latimer.«

Er kannte das kleine, malerische Dorf auf der Grenze zwischen Buckinghamshire und Hertfordshire. Am Dorfrand steht ein altes Landhaus, das die Regierung während des Zweiten Weltkriegs als Unterkunft für gefangene hochrangige deutsche Offiziere verwendet hatte. Dort hatten sie in einer vornehmen Umgebung gewohnt und aus lauter Langeweile miteinander geplaudert. Jedes ihrer Worte war aufgezeichnet worden, und diese Informationen waren sehr nützlich gewesen. Nach 1945 hatte man das Landhaus unter der Leitung des MI5 als Safe House für wichtige Überläufer aus dem Ostblock benutzt. In jener Welt sagte das Wort »Latimer« genug.

Sir Adrian fragte sich, ob der Chef des MI5 erfreut war, wenn man ihm kurzfristig eine Problemfamilie ohne Sicherheitsfreigabe vor die Füße kippte. Wahrscheinlich nicht.

»Wie lange werden sie dort sein?«, fragte er.

»So kurz wie möglich. Es gibt ein zweifaches Problem. Was um alles in der Welt können wir mit ihnen anfangen? Und dann: Wie verfahren wir gegenüber den Amerikanern? Fangen wir mit dem ersten an. Nach den Berichten aus dem Haus waren vier Bewohner dort. Angesichts der Einrichtung des Computerzimmers auf dem Dachboden und nach dem ersten Eindruck, den der ältere der beiden Söhne gemacht hat, ist zu vermuten, dass er der Verantwortliche ist. Er ist, sagen wir, psychisch labil. Anscheinend hat er sich in einen beinahe katatonischen Zustand zurückgezogen, und wir werden ihn einer klinischen Untersuchung unterziehen müssen. Dann stellt sich eine juristische Frage. Wie können wir ihn – wenn überhaupt – vor Gericht bringen und auf eine Verurteilung hoffen? Bisher wissen wir das einfach noch nicht.

Aber die Amerikaner sind nicht nachsichtig gestimmt. Wenn Präzedenzfälle etwas bedeuten, werden sie eine sofortige Auslieferung verlangen, der Fall wird vor einem amerikanischen Gericht verhandelt werden und mit einer sehr langen Haftstrafe enden.«

»Und Sie, Prime Minister, was wollen Sie?«

»Ich will einen Krieg mit Washington vermeiden, zumal angesichts des Mannes, der jetzt im Oval Office sitzt, und ich möchte zu Hause einen Skandal vermeiden, bei dem Öffentlichkeit und Medien die Partei eines verwundbaren Teenagers ergreift. Was ist Ihre Meinung? Bis zu diesem Punkt?«

»Bisher, Prime Minister, weiß ich es noch nicht. Formal gesehen ist der Junge mit achtzehn erwachsen, aber in Anbetracht seines Zustands müssen wir uns vielleicht mit seinem Vater oder mit beiden Eltern unterhalten. Ich hätte gern Gelegenheit, mit allen zu sprechen und mir auch anzuhören, was der Psychiater sagt. Vorerst werden wir die Amerikaner bitten müssen, uns ein paar Tage Zeit zu geben, bevor wir an die Öffentlichkeit gehen.«

Es klopfte, und ein Privatsekretär schob den Kopf herein.

»Der amerikanische Botschafter ist hier, Prime Minister.«

»Kabinettszimmer. In fünf Minuten.«

Drei Amerikaner saßen am Tisch. Sie erhoben sich, als die Premierministerin und ihr kleines, vierköpfiges Team hereinkamen. Sir Adrian war der Letzte, und er setzte sich nach hinten. Er sollte hier nur zuhören und seinen Rat später geben.

Wie viele US-Botschafter auf begehrten Posten war auch Wesley Carter III. kein Berufsdiplomat. Er war ein bedeutender Spender der Republikaner und Spross einer Familie, die ein Handelsimperium für Rinderfutter mit Sitz in Kansas besaß. Er war groß, raubeinig, leutselig und von altväterlicher Höflichkeit. Er wusste, die eigentlichen Verhandlungen würden seinen beiden Begleitern überlassen bleiben. Dabei handelte es sich um seinen zweiten Mann, den Gesandten-Botschaftsrat des Außenministeriums, und seinen Justizattaché, der immer vom FBI gestellt wurde. Das Begrüßen und Händeschütteln dauerte mehrere Minuten. Kaffee wurde gebracht, und die Kellner in ihren weißen Jacken zogen sich zurück.

»Danke, dass Sie uns so kurzfristig empfangen, Prime Minister.«

»Ach, ich bitte Sie, Wesley, Sie wissen doch, Sie sind hier immer willkommen. Aber jetzt zu den bizarren Ereignissen in Luton. Sie haben einen Bericht bekommen?«