Der Geisterjäger 2 – Gruselroman - Andrew Hathaway - E-Book

Der Geisterjäger 2 – Gruselroman E-Book

Andrew Hathaway

0,0

Beschreibung

Sie sind die Besten, und sie wissen genau, was sie tun und vor allem, mit welchen Horrorgestalten sie es zu tun haben: Geisterjäger nehmen im Kampf gegen das Böse die größten Gefahren und Herausforderungen auf sich. Der dramatische Streit zwischen Gut und Böse wird in diesen Gruselromanen von exzellenten Autoren mit Spannung zur Entscheidung geführt. Die Reiter ließen ihre Pferde langsam gehen. Sie hatten einen harten Tag hinter sich, sowohl die Menschen als auch die Tiere. Beide brauchten Schonung. Deshalb kam es Rick Masters und Hazel Kent nicht ungelegen, als der Anführer des Zuges, Harriman F. Cassidy, sich in den Steigbügeln aufrichtete und den Arm hob. "In wenigen Minuten erreichen wir unseren Lagerplatz!" rief Cassidy, der exzentrische amerikanische Millionär. "Heute nacht bleiben wir in einer richtigen Geisterstadt." Den übrigen Teilnehmern der Expedition fiel nicht auf, daß über Ricks Gesicht ein Schatten flog, allerdings nur für einen Moment. Dann lächelte er Hazel Kent, seiner Freundin und Begleiterin, erleichtert zu. Er wußte, was Harriman F. Cassidy mit "Geisterstadt" meinte

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 150

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Der Geisterjäger –2–

Die Posse des Satans

Roman von Andrew Hathaway

Die Reiter ließen ihre Pferde langsam gehen. Sie hatten einen harten Tag hinter sich, sowohl die Menschen als auch die Tiere. Beide brauchten Schonung. Deshalb kam es Rick Masters und Hazel Kent nicht ungelegen, als der Anführer des Zuges, Harriman F. Cassidy, sich in den Steigbügeln aufrichtete und den Arm hob.

»In wenigen Minuten erreichen wir unseren Lagerplatz!« rief Cassidy, der exzentrische amerikanische Millionär. »Heute nacht bleiben wir in einer richtigen Geisterstadt.«

Den übrigen Teilnehmern der Expedition fiel nicht auf, daß über Ricks Gesicht ein Schatten flog, allerdings nur für einen Moment. Dann lächelte er Hazel Kent, seiner Freundin und Begleiterin, erleichtert zu. Er wußte, was Harriman F. Cassidy mit »Geisterstadt« meinte. Keine jener Stätten wie zum Beispiel in Schottland, an denen wirklich Geister und Dämonen ihr Unwesen trieben. Gemeint war vielmehr eine jener verlassenen Städte des ehemaligen Wilden Westens, die heute nur mehr eine bizarre Kulisse für die wenigen Touristen bildeten, die sich in dieses abgelegene Gebiet Montanas verirrten.

Es gab keinen Grund, nicht in dieser Geisterstadt zu lagern. Das meinte Rick Masters wenigstens in diesem Moment. Trotzdem war er für einen Moment erschrocken. Offiziell galt er als einer der fähigsten Privatdetektive Londons. Eingeweihte jedoch wußten, daß er ein Spezialgebiet besaß.

Er war in Wirklichkeit Geisterdetektiv, ein Mann, der sich die Bekämpfung des Bösen, des Übersinnlichen zur Lebensaufgabe gemacht hatte. An diesen Beruf hatte ihn die Bemerkung ihres Gastgebers erinnert, und während dieses Rittes wollte er nicht daran denken. Er und Hazel Kent machten Urlaub. Harriman F. Cassidy war einer von Hazels wichtigsten Geschäftspartnern. Er hatte sie nach Amerika eingeladen, damit sie ihn auf diesem Ritt durch den historischen Wilden Westen begleiteten. Die Kosten trug Cassidy, die Strapazen mußten sich alle teilen. Außer seinen beiden Gästen aus Großbritannien nahmen noch einige von Cassidys Freunden an dem Ritt teil. Abseits der zivilisierten Gebiete erforschten sie ein Stock amerikanischer Geschichte.

Zumindest war es bisher so gewesen. Noch wußte keiner der Teilnehmer der Expedition, daß sich an diesem Abend alles schlagartig verändern würde.

»Wie heißt denn diese Geisterstadt?« erkundigte sich Hazel Kent und wandte sich zu ihrem Gastgeber um.

»Blodge City am Milk River«, erwiderte Harriman F. Cassidy mit einem breiten Grinsen. »Vielleicht erzähle ich Ihnen heute abend am Lagerfeuer, welche Bewandtnis es mit dieser Stadt hat. Ich besitze sozusagen persönliche Beziehungen zu diesem Ort.«

Rick Masters zügelte sein Pferd. Sie ritten seit ungefähr einer Stunde durch ein tief eingeschnittenes Tal zwischen mächtigen Bergen, so daß sie nie weiten Ausblick hatten. Nun öffnete sich die Schlucht zu einem Talkessel, in dessen Mitte sich die Ru­inen von Blodge City in den abendlichen Himmel erhoben.

Viel stand nicht mehr von dieser Stadt. Trotzdem war es ein gespenstischer Anblick. Die rote Abendsonne übergoß die zerstörten Gebäude mit einem blutigen Schein. Der kleine Fluß, der sich an den Ruinen entlangschlängelte, sah aus, als wäre er tatsächlich mit Blut gefüllt.

Rick fühlte ein unangenehmes Prickeln zwischen den Schulterblättern, als würde er von jemandem intensiv angestarrt. Außerdem schlug in seinem Kopf eine Alarmklingel an. Irgend etwas stimmte mit den scheinbar so harmlosen Ruinen nicht.

Er hatte jedoch keine Zeit, sich näher damit zu beschäftigen, sonst wäre er vielleicht noch dahintergekommen, bevor etwas passierte. Hazel Kent stieß nämlich einen erschrockenen Ruf aus.

»Wo ist Dracula?«

Mit »Dracula« war in diesem Fall nicht der legendäre Blutsauger und Vampir aus Transsylvanien gemeint, sondern Ricks kleiner Mischlingshund. Der Geisterdetektiv hatte den winzigen weißen Hund mit den großen, fledermausähnlichen Ohren in einem Anfall von Galgenhumor Dracula genannt. Dracula machte die Reise von Anfang an mit, die meiste Zeit allerdings vor Rick im Sattel. Manchmal lief er neben dem Zug einher, so auch während der letzten halben Stunde.

Als Rick Masters sich nun umsah, konnte er seinen Hund nirgends entdecken. Das alarmierte ihn, weil Dracula nicht nur anhänglich, sondern auch sehr klug war und sich nie außer Sichtweite entfernte.

»Ich reite sofort zurück und suche ihn!« rief er Hazel Kent zu und zog sein Pferd herum.

»Wir schlagen inzwischen das Lager auf«, erwiderte Harriman F. Cassidy.

Hazel warf Rick einen fragenden Blick zu, ob sie sich an der Suche beteiligen sollte, doch der Geisterdetektiv winkte ab. Er war noch überzeugt, daß Dracula ganz einfach eine interessante Spur gefunden und sich verspätet hatte.

Trotzdem beeilte er sich so sehr, daß er sich nicht weiter mit dem alarmierenden Gefühl beschäftigte, das ihn beim Anblick der Ruinen von Blodge City beschlichen hatte. Er trieb das Pferd an und ritt auf dem schmalen, fast zugewachsenen Pfad zurück, auf dem sie gekommen waren.

Bereits fünf Minuten später fand er Dracula. Dem Hund war nichts passiert. Trotzdem erkannte Rick Masters wirklich auf den ersten Blick, daß etwas ganz Schreckliches vorgefallen war.

Offenbar war es aber schon zu spät, um etwas dagegen zu unternehmen. Entsetzt wirbelte er herum, konnte seine Gefährten jedoch nicht sehen. Sie waren hinter einer Wegbiegung verborgen.

Mit einem Satz war Rick aus dem Sattel. Winselnd kam Dracula zu ihm.

Der Hund zitterte am ganzen Körper. Er hatte das Wirken einer gefährlichen, dämonischen Macht gefühlt.

Die Ruinen von Blodge City waren alles andere als harmlos. Nun wußte es Rick Masters, aber es war bereits zu spät.

*

Mehr als einmal hatte Dracula schon seinem Herrn und anderen durch seine besonders feinen Instinkte das Leben gerettet. Früher als andere Lebewesen erkannte er das Wirken übersinnlicher Mächte und zeigte es durch sein Verhalten an.

Jetzt begriff Rick Masters, wieso der kleine Hund zurückgeblieben war. Er hatte keine besonders interessante Spur gefunden, sondern war vor etwas ganz Bedrohlichem zurückgeschreckt. Leider hatte niemand darauf geachtet.

Rick Masters beeilte sich, um zu retten, was noch zu retten war. Freiwillig wäre Dracula niemals mitgekommen. Deshalb nahm ihn der Geisterdetektiv vor sich in den Sattel und trieb das Pferd wieder an, zurück zu den Ruinen von Blodge City.

Rick hatte den Talkessel noch nicht erreicht, als er klar und deutlich eine Glocke hörte. Dreimal. Der helle Klang brach sich an den Bergwänden. In scharfem Trab nahm Rick die letzte Biegung und hatte freie Sicht auf die Geisterstadt.

Dort hatte sich rein äußerlich nichts verändert. Dracula winselte allerdings lauter. Das Zentrum der dämonischen Macht mußte in den Ru­inen von Blodge City liegen!

Die Reiter hatten die Stadt bereits erreicht und waren abgestiegen. Auch sie hatten offenbar das Geläute gehört, da sie still dastanden und sich erstaunt umsahen.

Plötzlich erkannte Rick Masters auch, was ihn von Anfang an gestört hatte. In weitem Umkreis wohnte kein Mensch. Trotzdem wuchs innerhalb der Ruinen kein Grashalm, kein Strauch. Die wenigen verkrüppelten Bäume sahen wie versteinert aus.

Obwohl niemand da war, der die Stadt frei von Unkraut und anderen Pflanzen gehalten hätte, gab es keine Vegetation! Überhaupt kein Leben! Rick hörte keine Vogelstimmen. Außer dem Wiehern der Pferde war es totenstill. Sogar das Plätschern des Milk Rivers hörte sich nur wie ein Murmeln an, das aus einer Gruft an die Oberfläche drang.

Seinen Gefährten schien keine unmittelbare Gefahr zu drohen. Deshalb ritt Rick Masters langsam auf die Stadt zu. Er hatte seine Augen überall, um die geringsten Anzeichen zu erkennen. Scheinbar war alles in bester Ordnung.

Aber eben nur scheinbar!

Im nächsten Moment erschütterte eine dumpfe Explosion die Stadt. Flammen schlugen aus dem halb eingestürzten Gebäude des ehemaligen Mietstalls.

Die Pferde der kleinen Expedition bäumten sich auf und wieherten schrill. Das Chaos war perfekt.

Aber das war nur der Anfang. Es kam noch viel schlimmer!

*

Inzwischen hatte auch Rick Masters die Ruinenstadt erreicht. Daher sah er aus nächster Nähe, was sich vor den Augen seiner vor Schreck erstarrten Gefährten abspielte.

Aus allen Häusern stürmten Gestalten, altmodisch gekleidete Männer und Frauen. Sie waren nur schemenhaft zu erkennen. Ihre wirren Rufe übertönten das Prasseln und Knistern der Flammen.

Das ausgetrocknete Holz des Mietstalls brannte wie Zunder. Trotzdem sank das Gebäude nicht in sich zusammen. Das Feuer schien den morschen Holzwänden nichts anhaben zu können!

Einige der Geistergestalten griffen nach Heugabeln und stießen brennende Heuballen in die Flammen. Sie waren vorher nicht dagewesen, aber Rick war klar, daß sie in früheren Zeiten den Pferden als Futter gedient hatten. Sie waren nicht mehr zu retten, und es war besser, das Heu verbrannte im Stall, als daß es der Wind brennend durch die Straßen trieb!

Das Verrückte war nur, daß hier gar nichts brannte, obwohl sie alle die Flammen sahen!

Frauen besorgten hastig Wassereimer. Männer schlugen mit allen möglichen Werkzeugen auf die geborstenen Außenwände des Gebäudes ein.

Eben als der Stall in sich zusammenbrach, ertönten schrille Schreie vom jenseitigen Stadtrand her. Die Wasserkette stob auseinander, als eine Reiterhorde herandonnerte.

Verwegene Gestalten auf dampfenden Pferden jagten über die Main Street, die Hauptstraße von Blodge City, ritten einige Männer um und schossen wild um sich.

Schreiend warfen sich die geisterhaften Einwohner der Ruinenstadt in Deckung. Die Kugeln schlugen in Fenster, zerschmetterten Scheiben und rissen Schilder aus ihrer Verankerung.

Rick Masters saß wie gebannt im Sattel. Er kam gar nicht auf die Idee, sich in Sicherheit zu bringen. Seinen Gefährten erging es ebenso. Sie alle standen unter einem unerklärlichen Bann.

Obwohl rings um sie das Inferno tobte, wurden sie selbst davon nicht erfaßt, als liefe alles auf einer Leinwand ab. Dabei befanden sie sich mitten in dem Geschehen.

Als Sekunden später die Bewaffneten die Stadt wieder verlassen hatten, sanken die Flammen in sich zusammen. Die Bewohner der Ruinen lösten sich in nebelhafte Fetzen auf, die von einem leichten Wind vertrieben wurden.

Tiefe Stille senkte sich über den Talkessel. Verstört sahen einander die Teilnehmer an Harriman F. Cassidys Expedition an.

»Das darf doch nicht wahr sein!« rief der Millionär. »Leute, ich schwöre euch, damit habe ich nichts zu tun! Ich wollte, ich hätte es als besonderen Gag inszeniert, aber ich weiß nicht, was das war.«

»Ich weiß es!« rief Rick Masters in die anschließende Stille hinein. Alle Augen richteten sich auf ihn. »Ich bin überzeugt, daß wir soeben ein Ereignis aus der Geschichte von Blodge City erlebt haben. Irgendwann gab es in dieser Stadt eine Explosion im Mietstall und anschließend einen Überfall durch Banditen!«

»Und wer waren die Darsteller dieses eindrucksvollen Spektakels?« erkundigte sich ein schmaler schwarzhaariger Mann mit eng zusammenstehenden Augen und stechendem Blick.

»Es waren die Geister der damals lebenden Menschen«, erwiderte Rick Masters ruhig. Er ließ sich nicht provozieren. Er kannte diesen Mann, einen Neffen seines Gastgebers. Parry Shield sorgte stets für unangenehme Stimmung. »Ich weiß nicht, wann der Überfall stattfand…«

»Aber ich weiß es!« fiel Harriman F. Cassidy ein. Erst jetzt merkte Rick, daß der Millionär bleich geworden war. »Ich habe vorhin davon gesprochen, daß ich eine besondere Beziehung zu Blodge City habe. Und damit habe ich genau diesen Überfall gemeint. Ich schlage vor, daß wir lagern, damit ich Ihnen alles erzählen kann, was damals passierte.«

Rick war dafür, daß sie weiterritten, doch niemand außer Hazel Kent wollte auf ihn hören. Da sich Dracula inzwischen beruhigt hatte und keine Gefahr mehr anzeigte, ließ sich der Geisterdetektiv umstimmen.

»Trotzdem wäre es besser, wir würden weiterreiten«, meinte er, als sie absaßen.

»Sie sind ein berufsmäßiger Schwarzseher, Masters!« rief Parry Shield mit einem spöttischen Lächeln. »Sie sind ganz einfach zu mißtrauisch. Ich bin sicher, daß alles eine harmlose Erklärung finden wird.«

Die übrigen Teilnehmer an der Expedition waren alle der gleichen Meinung, so daß Rick und Hazel zuletzt zwei gegenüber acht überstimmt wurden.

Sie schlugen ihr Lager auf und zündeten ein Feuer an.

Für einen von ihnen sollte es das letzte Lagerfeuer seines Lebens werden.

*

»Ich habe unter meinen Vorfahren einen Pelztierjäger«, berichtete Harriman F. Cassidy eine knappe Stunde später. Die Sonne war untergegangen. Über den gewaltigen Bergmassiven lag noch der letzte rötliche Schein. Im Talkessel war das Feuer die einzige Lichtquelle. Es warf zuckende gelbliche Blitze auf das Gesicht des bereits ergrauten Millionärs. »Dieser Pelztierjäger hieß Jack Cassidy. Er kam einen Tag nach dem Überfall auf Blodge City in diese Stadt. Das war vor ungefähr hundert Jahren.« Er stutzte. »Vor genau hundert Jahren.«

Rick Masters und Hazel Kent wechselten einen vielsagenden Blick. Beide wußten, daß Geister Verstorbener oft nach einem vollen Jahrhundert wieder aktiv wurden. Hier schien ein solcher Fall vorzuliegen.

»Die Stadt war von den Montana-Wolves überfallen worden«, fuhr der Millionär fort. »Den Montana-Wölfen. Sie waren damals die schlimmste Verbrecherbande im Staat und terrorisierten die Menschen. Die Explosion des Mietstalls und der Überfall durch die Berittenen sollte die Einwohner von Blodge City vom eigentlichen Ereignis ablenken, nämlich von dem Überfall auf die Bank. Sie wurde zur gleichen Zeit von drei Maskierten ausgeräumt, und niemand merkte etwas. Der Safe wurde ebenso wie der Mietstall gesprengt.«

Er machte eine Pause und nahm einen Schluck Bier aus der Dose, ein kleines Zugeständnis an die Zivilisation. Danach fuhr er fort.

»Als Jack Cassidy, mein Vorfahre, in der Stadt seine Felle verkaufen wollte, gab es kein Geld mehr. Er machte sich sofort auf die Suche nach den Montana-Wolves, aber nicht nur des Geldes wegen. Es gab noch einen wichtigeren Grund, den ich jedoch nicht kenne. Ich habe einmal in einer alten Familienchronik nachgelesen. Der Verfasser kannte den Grund auch nicht. Ich weiß nur, daß Jack Cassidy die Outlaws fand und wenig später starb.«

»Wie?« fragte Rick Masters, der Geisterdetektiv, knapp.

Harriman F. Cassidy zuckte die Schultern. »Ich habe alles gesagt, was ich weiß.«

»Das ist schade.« Rick schüttelte sorgenvoll den Kopf. »Ich fürchte, wir werden uns in der nächsten Zeit noch öfter mit dem Geist Ihres Vorfahren herumschlagen müssen.«

»Der ewige Schwarzseher!« rief Parry Shield mit einem meckernden Lachen.

Rick blickte von einem zum anderen. Auf Hazel Kent konnte er sich natürlich wie immer verlassen. In London führte zwar jeder von ihnen ein selbständiges Leben, Rick als ­Geisterdetektiv, Hazel als Managerin und Besitzerin der Kent-Werke, sie hielten jedoch in jeder Situation zusammen.

Mit den übrigen Teilnehmern an der Expedition sah es schon anders aus. Hazel kannte Harriman F. Cassidy nur von geschäftlichen Verhandlungen her. Rick hatte ihn überhaupt erst durch Hazel kurz vor Antritt des Ritts kennengelernt.

Die übrigen Teilnehmer waren sowohl für Rick Masters als auch für Hazel Kent fremd. Da sie erst zwei Tage unterwegs waren, wußten sie nicht viel über diese sieben Personen.

Unangenehm aufgefallen war Parry Shield, Harriman F. Cassidys Neffe. Der Mann war Ende dreißig oder Anfang vierzig, zynisch und zu allen unfreundlich. Warum der Millionär seinen Neffen mitgenommen hatte, war Rick und Hazel ein Rätsel.

Drei mit Cassidy befreundete Ehepaare bildeten die restliche Mannschaft. Rick stellte jetzt die entscheidende Frage.

»Ist außer Mr. Shield noch jemand mit Mr. Cassidy verwandt?«

Er blickte zuerst Frank und Shirley Blocker an, die jüngsten. Frank Blocker wirkte wie ein Holzfäller, ein Schrank von einem Mann, dabei gutmütig und stets freundlich. Er schüttelte ebenso wie seine schmale, zarte und schüchtern wirkende Frau den Kopf.

Auch das Ehepaar LeMalo verneinte. Sie stammten aus New Orleans, Leroy LeMalo ein südländischer Mann mit flinken Augen und den geschickten Fingern eines professionellen Kartenspielers. Seine Frau Patty wäre überall als Kopie von Marilyn Monroe durchgegangen, üppig, kurvenreich und blond.

Blieb noch das Ehepaar Aldous und Marge Santer, die jeder für Geschwister gehalten hätte. Sie sahen einander auf verblüffende Weise ähnlich, beide groß, farblos, mit braunen Haaren und ausdruckslosen Gesichtern. Sie behaupteten ebenfalls, mit Harriman F. Cassidy nicht verwandt zu sein.

»Warum wollen Sie das überhaupt wissen?« Parry Shield beugte sich vor. In dem flackernden Feuerschein wirkten seine Augen noch kälter als sonst. »Wollen Sie uns aushorchen? Sammeln Sie für jemanden Informationen?«

Rick ging dieser Mann schwer auf die Nerven. Trotzdem wollte er einen Streit vermeiden. »Allerdings, Mr. Shield, ich sammle Informationen«, erklärte er scharf. »Und zwar für mich, zu Ihrer aller Wohl! In nicht allzu ferner Zukunft werden wir uns wahrscheinlich unserer Haut wehren müssen, und dann muß ich genau im Bilde sein.«

»Verstehe ich nicht«, behauptete Shield. »Gegen wen sollten wir uns denn wehren?«

Rick Masters setzte zu einer Antwort an, als er Hazels Hand auf seinem Arm fühlte. Gleichzeitig drängte sich Dracula ängstlich zwischen seine Beine.

Sie lagerten auf der Hauptstraße im Windschatten einer noch weitgehend erhaltenen Wand. Jeder hatte sich aus seinem Sattel und Decken einen einigermaßen bequemen Sitz gebaut. In ihrer Mitte brannte ein Feuer. Holz genug gab es in der Umgebung.

Im unsicheren, flackernden Feuerschein sahen sie, wie Harriman F. Cassidy langsam aufstand. Sein Blick ging über seine Begleiter hinweg in die Nacht hinaus. Sein Gesicht nahm einen entrückten Ausdruck an, als wäre er nicht bei sich.

»He, Onkel Harriman!« Parry Shield sprang auf und wollte sich seinem Onkel in den Weg stellen. Der Millionär fegte ihn jedoch mit einem einzigen Schlag zur Seite.

Mit unsicheren Schritten ging Harriman F. Cassidy auf das Gebäude zu, vor dem sie lagerten, schwang sich auf den teilweise verfaulten Bordwalk hinauf und betrat den ehemaligen Saloon. Ein verwaschenes Schild über dem Eingang wies darauf hin, daß hier früher Whisky ausgeschenkt worden war. Es fiel Rick Masters erst jetzt auf.

»Sitzenbleiben«, zischte er den anderen zu, erhob sich und lief geduckt hinter ihrem Gastgeber her. Er blieb vor einem zerbrochenen Saloonfenster stehen und beobachtete dadurch richtig fasziniert, was sich drinnen abspielte.

Harriman F. Cassidy trat an die Theke heran. Langsam entstand vor Ricks Augen die ursprüngliche Einrichtung. Von Sekunde zu Sekunde erkannte er die Details klarer. Petroleumlampen flackerten an den Wänden. Neben Harriman standen noch andere Männer an der Theke, Gläser in den Händen, die Waffen in den Halftern.

Ein junger, sehniger Mann mit einem harten Gesicht winkte Harriman F. Cassidy näher zu sich. Er sprach auf den Millionär ein, ohne daß Rick etwas hören konnte. Harriman F. Cassidy hörte jedoch fasziniert zu. Er verstand offenbar jedes Wort.

Der Unbekannte streckte dem Millionär die Hand entgegen. Cassidy folgte ihm zum Ausgang.

Rick beugte sich vor, sah jedoch nicht, worauf die beiden Männer starrten. Ihre Gesichter zeigten jetzt einen völlig identischen Ausdruck. In ihnen malte sich ungläubiges Erstaunen, auch Erschrecken ab. Ihre Augen weiteten sich. Im nächsten Moment hatten sie sich in der Gewalt und ließen nicht mehr erkennen, was sie fühlten und dachten.

Rick wollte unbedingt herausfinden, worüber sie so erschrocken waren. Er beugte sich weiter vor.