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Andrew Hathaway

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Beschreibung

Sie sind die Besten, und sie wissen genau, was sie tun und vor allem, mit wem und mit welchen Horrorgestalten sie es zu tun haben: Geisterjäger nehmen die größten Gefahren und Herausforderungen auf sich im gespenstischen Kampf gegen das Böse. Der dramatische Streit zwischen Gut und Böse wird in diesen Gruselromanen von exzellenten Autoren mit ungeheurer Spannung zur Entscheidung geführt. E-Book 9: Die Eisdämonen E-Book 10: Rick hat was gegen Alpträume E-Book 11: Rick Masters wird verraten E-Book 12: Die Stadt der Verfluchten E-Book 13: In den Fesseln des Schreckens E-Book 14: Geisterfalle für Chefinspektor Hempshaw E-Book 15: Invasion der Geister E-Book 16: Sklave der Leiche E-Book 1: Die Eisdämonen E-Book 2: Rick hat was gegen Alpträume E-Book 3: Rick Masters wird verraten E-Book 4: Die Stadt der Verfluchten E-Book 5: In den Fesseln des Schreckens E-Book 6: Geisterfalle für Chefinspektor Hempshaw E-Book 7: Invasion der Geister E-Book 8: Sklave der Leiche

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Inhalt

Die Eisdämonen

Rick hat was gegen Alpträume

Rick Masters wird verraten

Die Stadt der Verfluchten

In den Fesseln des Schreckens

Geisterfalle für Chefinspektor Hempshaw

Invasion der Geister

Sklave der Leiche

Der Geisterjäger – 2–

Staffel 2

E-Book 9 - 16

Andrew Hathaway

Die Eisdämonen

Roman von Hathaway, Andrew

Die Männer standen im heulenden Schneesturm. Gebannt sahen sie der mächtigen Gestalt entgegen, die auf sie zutorkelte.

In dicke Pelze eingehüllt, näherte sich ein Fremder der Forschungsstation. Seine Schritte waren unsicher, als wäre er am Ende seiner Kräfte.

Die Männer kämpften sich durch den Sturm vor. Sie wollten dem Unbekannten helfen.

Noch ehe sie ihn erreichten, stürzte er und rührte sich nicht mehr.

Erschrocken beugten sie sich über den Unbekannten und prallten zurück.

Vor ihnen lag ein kompletter Fellanzug mit Kapuze und Stiefeln. Aber dieser Fellanzug war leer… Vollkommen leer.

*

»Manchmal fällt mir dieses Londoner Wetter ganz schön auf die Nerven«, sagte Rick Masters gereizt. »Regen, Regen und noch einmal Regen. Ein wenig Abwechslung wäre nicht schlecht.«

»Was wollen Sie, Rick?« Chefinspektor Hempshaw runzelte die Stirn. »Sie leben nun einmal in London. Der englische Winter bringt Regen mit sich.«

»Und der englische Frühling und der englische Sommer und der englische Herbst, das wollten Sie doch sagen, nicht wahr?« Der Geisterdetektiv Rick Masters musterte seinen Freund von Scotland Yard mit einem ungeduldigen Blick. »Am liebsten würde ich meine Sachen packen und irgendwo in der Südsee ein paar Monate Urlaub machen.«

»Was hindert Sie daran?« erkundigte sich der Chefinspektor.

»Mein Bankkonto.« Rick grinste. »Es erlebt wieder einmal eine ganz große Ebbe. Wovon soll ich einen Urlaub bezahlen?«

»Lassen Sie sich von Rick nichts vormachen«, warf Hazel Kent ein, Ricks Freundin. »Es ist gar nicht das Wetter!«

Rick sah sie überrascht an. »Ach nein?« fragte er. »Was denn? Ich sage nur, was ich mir denke, und ich mag dieses Wetter nicht.«

Hazel lächelte dem Chefinspektor zu. »In Wirklichkeit kommt Ricks schlechte Laune daher, daß er schon lange keinen seiner speziellen Fälle mehr bekommen hat. Sie wissen schon, Fälle mit übersinnlichen Phänomenen. Er platzt vor Langeweile. Das ist es.«

»Ich gebe mich geschlagen«, seufzte der Geisterdetektiv.

Mehr brauchte er im Moment nicht zu sagen. Die Kellner brachten die Vorspeise, so daß sich Rick und seine Freunde dem Essen widmen konnten. Hazel Kent hatte in eines der besten Restaurants von London eingeladen, weil sie sich davon eine Aufmunterung ihres Freundes erhoffte. Chefinspektor Hempshaw nahm daran teil, weil er seit Jahren mit Rick zusammenarbeitete und sie einander immer halfen.

»Warum wollen Sie sich nicht um ein paar normale Kriminalfälle kümmern?« nahm der Chefinspektor nach einiger Zeit den Faden wieder auf. »Ich hätte eine Menge Arbeit.«

»Und er zahlt?« Rick prostete Hempshaw zu. »Ich bin Privatdetektiv. Ich brauche einen zahlenden Auftraggeber, sonst komme ich nie zu meinem Urlaub in der Südsee.«

»Fälle mit magischen Einflüssen übernimmst du auch ohne Bezahlung«, erinnerte ihn Hazel Kent.

»Das ist richtig«, räumte er ein. »Aber diese Fälle muß ich einfach übernehmen. Wer sollte es außer mir sonst tun?«

»Sie sind berechnend und geldgierig«, behauptete Chefinspektor Hempshaw.

Er meinte den Vorwurf nicht ernst, und sie unterhielten sich gut. Das Essen war ausgezeichnet, und Hazel erreichte ihren Zweck. Ihr Freund war blendender Laune, als sie das Restaurant verließen.

»Kommt doch noch zu mir«, schlug Rick vor und nahm Dracula auf den Arm.

Dracula, sein kleiner Hund, wollte nämlich Hempshaws Hose zerreißen. Zwischen dem Hund und dem Chefinspektor herrschte eine Abneigung, für die niemand einen Grund angeben konnte. Um Unheil vorzubeugen, trennte Rick die beiden lieber.

Hazel Kent war mit Ricks Vorschlag einverstanden, und auch Hempshaw hatte nichts dagegen einzuwenden.

Eine Viertelstunde später war Hazel auf sich selbst wütend. »Hätte ich nur nicht ja gesagt!« rief sie, als Rick in seinem Wohnbüro in der Londoner City ein Telegramm vorfand. »Der Abend ist geplatzt.«

»Das nicht«, antwortete Rick und überflog den Text des Telegramms noch einmal.

»Aber gleich morgen früh mache ich mich auf den Weg.«

»Und wohin?« erkundigte sich Chefinspektor Hempshaw.

Rick sah ihn erstaunt an. »In die Antarktis, wohin denn sonst?«

Hazel starrte ihren Freund verblüfft an. Dann brach sie in schallendes Lachen aus. »Na bitte, das ist dein Urlaub in der Südsee. Ein wenig weit südlich, findest du nicht? Aber auf jeden Fall hast du dort anderes Wetter als in London.«

»Stimmt«, murmelte Rick.

Er hatte sich seinen Urlaub etwas anders vorgestellt. Aber schließlich ging es nicht um Urlaub, sondern um einen wichtigen Fall, um übersinnliche Phänomene und Geister und Dämonen. Da gab es für Rick Masters kein Zögern. Auch nicht, wenn er zum Südpol reisen mußte.

*

Zwei Personen waren für ›Charly‹ verantwortlich. Sie hießen Mervin Sanders und Lilian Harper. ›Charly‹ hieß in Wirklichkeit sehr nüchtern CXM 304, und war eine wissenschaftliche Forschungsstation in der Antarktis. Da die insgesamt neunundzwanzig Köpfe zählende Besatzung diese Buchstaben-Zahlen-Kombination nicht mochte, hatten die Wissenschaftler ihre Station auf den klingenden Namen ›Charly‹ getauft.

In der Besprechung zwischen Mervin Sanders und Lilian Harper ging es nun um die Sicherheit von Charly.

»Sie glauben wirklich, Mervin, daß Sie das Richtige tun?« fragte Lilian Harper.

Sie war Anfang dreißig und eine kühle, blonde Schönheit mit dunklen Augen und einer Figur, die ihr bei einem Berufswechsel sofort eine Stelle als Mannequin eingetragen hätte. Sie war Biologin und die stellvertretende Leiterin der Station ›Charly‹ CXM 304.

»Ich bin davon überzeugt, Lilian«, erwiderte Mervin Sanders. Er paßte zu seiner stets beherrschten Stellvertreterin wie die Faust aufs Auge, temperamentvoll, leicht aufbrausend. Auf seinem Kopf und an seinem Kinn wucherten ungezügelt rote Haare. »Ich habe unsere vorgesetzte Dienststelle benachrichtigt«, erklärte der Meteorologe. »Sie haben versprochen, sofort einen geeigneten Mann zu schicken.«

»Das meine ich nicht, Mervin, und das wissen Sie auch ganz genau.« Lilian Harper hob unwillig die Augenbrauen. »Warum weichen Sie mir aus? Ich interessiere mich für diesen Rick Masters. Sie wissen, daß unsere Arbeit hier sehr wichtig und teilweise geheim ist.«

»Ich habe das Ministerium um Erlaubnis gebeten, und niemand hat etwas gegen Rick Masters einzuwenden.« Sanders lachte zufrieden. »Was sagen Sie jetzt?«

»Alles in Ordnung.« Lilian Harper ließ sich nicht anmerken, was sie dachte. »Andererseits halte ich nichts davon. Was soll ein Privatdetektiv in unserer Station? Und was sollen diese düsteren Andeutungen, er sei Experte für übersinnliche Phänomene? Welche übersinnlichen Phänomene, wenn ich fragen darf?«

Mervin Sanders starrte sie verblüfft an. »Das Auftauchen dieses merkwürdigen Fellanzugs, der von allein gehen konnte. Ist das kein übersinnliches Phänomen?«

Seine Stellvertreterin machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ich war nicht dabei, ich habe es nicht mit eigenen Augen gesehen«, erklärte sie eisig. »Wer weiß, was wirklich passiert ist. Vielleicht hat der Sturm diesen leeren Fellanzug vor sich hergetrieben. Ich weiß doch, wie schlecht die Sicht an diesem Tag war.«

Mervin Sanders bemühte sich, den aufkeimenden Ärger zu unterdrücken. »Ich wünschte, Sie hätten es gesehen!« rief er temperamentvoll.

Lilian Harper stand auf und deutete damit an, daß sie das Thema nicht weiter verfolgen wollten.

»Der Anzug liegt noch im Depot«, erklärte Sanders. »Ich habe ihn für Rick Masters aufgehoben. Wollen Sie ihn prüfen?«

Lilian warf ihm einen forschenden Blick zu. Sie merkte, daß sie in ihrem Unglauben einen Schritt zu weit gegangen war. Um wieder einzulenken, nickte sie.

Fünf Minuten später betrat sie mit dem Leiter der Station einen der Lagerräume von ›Charly‹. Sanders schaltete das Licht ein und sah sich um.

»Der Anzug ist weg«, murmelte er verblüfft.

In diesem Moment heulte eine Alarmsirene auf. Durchdringend jaulte der auf- und abschwellende Ton durch die kahlen Gänge der Station.

Mit zwei Sprüngen war Mervin Sanders am nächsten Wandtelefon und riß den Hörer ans Ohr. Mit bebenden Fingern wählte er die Nummer der Zentrale.

»Was ist los?« schrie er, als er den Wachhabenden an den Apparat bekam.

»Keine Ahnung«, antwortete der Kollege. »Ich weiß nur, daß Sandra halb erwürgt in ihrer Unterkunft liegt und daß dieser verhexte Fellanzug aus ihrem Zimmer gekommen ist.«

Mervin Sanders ließ entgeistert den Hörer sinken und starrte seine Stellvertreterin an.

Sie nahm ihm den Hörer aus der Hand und ließ sich ebenfalls von dem wachhabenden Wissenschaftler schildern, was geschehen war.

Wortlos legte sie auf. Als sie sich zu Mervin Sanders umdrehte, war in ihrem Gesicht deutlich geschrieben, was sie dachte.

Hier sind alle übergeschnappt!

Sie sollte sich bitter täuschen…

*

Rick Masters schob Entscheidungen nie auf die lange Bank. Nachdem er das Telegramm seines alten Freundes Mervin Sanders aus der Antarktis erhalten hatte, stand für ihn fest, daß er diesen Auftrag übernahm.

Bereits am nächsten Morgen nahm er Kontakt zu der vorgesetzten Dienststelle seines Freundes auf und erfuhr zu seiner Überraschung, daß ihn die Behörden mit aller Kraft unterstützten.

»Sie brauchen nur einen Wunsch zu äußern, und er ist schon erfüllt«, versprach ihm der zuständige Mann.

»Gut«, sagte Rick zufrieden. »Dann möchte ich so schnell wie möglich reisen. Am besten schon gestern.«

Der Wunsch wurde erfüllt. Rick wurde streckenweise sogar mit Sondermaschinen der Luftwaffe befördert. Darüber wunderte er sich zwar, stellte jedoch keine Fragen. Er würde schon noch früh genug in der Forschungsstation alles Nötige erfahren.

Er kam um zwölf Uhr Ortszeit mit einem Hubschrauber an, der wegen des ununterbrochen tobenden Schneesturms kaum landen konnte. Der Pilot vollbrachte eine Meisterleistung, indem er eine nur wenige Minuten dauernde Pause des Sturms abwartete und den riesigen Vogel auf das Eis setzte.

Rick Masters war ja nicht gerade auf sommerliche Temperaturen vorbereitet, obwohl auf der südlichen Halbkugel Sommer herrschte, aber dieser eisige Sturm ließ doch seinen Atem stocken. Sobald er ins Freie sprang, glaubte er auf der Stelle zu erstarren. Er packte seinen Koffer, den ihm der Pilot aus der Maschine reichte und stolperte zum Eingang von CXM 304. Zu seiner Erleichterung öffnete sich die Tür, noch ehe er sich nach einer Klingel oder etwas Ähnlichem umsehen mußte.

Keuchend taumelte er in den Vorraum und holte tief Luft, als ihm Wärme entgegenschlug.

Eine hübsche junge Frau tauchte vor ihm auf. Sie mußte offensichtlich ein lautes Lachen unterdrücken.

»Willkommen in ›Charly‹, Mr. Masters«, sagte sie freundlich. »Kommen Sie mit dem Wetter nicht zurecht?«

Der Geisterdetektiv musterte sie, als käme sie von einem anderen Stern. »Da fragen Sie noch?« rief er. »Wer ist Charly?«

»Diese Station«, erklärte ihm die Wissenschaftlerin. Er wußte bereits, daß sich hier nur Fachleute aufhielten. Hilfspersonal gab es keines. Jeder mußte zupacken. »Sie haben übrigens Glück, Mr. Masters. Sie haben eine Hitzewelle erwischt.«

Rick grinste gequält, schüttelte den Schnee von dem dicken Pelz, den sie ihm bereits in London gegeben hatten, und er wollte noch etwas fragen, als ihn ein schrill jaulender Ton unterbrach.

»Alarm?« fragte er hastig.

Die junge Frau nickte und stürzte ans Telefon. Rick wartete ungeduldig, bis sie mit der Zentrale gesprochen hatte.

»Eine Kollegin ist fast erwürgt worden!« rief die Wissenschaftlerin. »Von dem leeren Fellmantel!«

Rick starrte sie schon wieder völlig entgeistert an. Er hatte keine Ahnung, was sich bisher in der Station abgespielt hatte.

»Wo ist die Zentrale?« rief er nur.

Sie zeigte ihm die Richtung.

Der Geisterdetektiv hetzte los. Seinen Koffer ließ er stehen. Jetzt ging es um Sekunden.

*

Rick Masters fand die Zentrale der Forschungsstation ohne Schwierigkeiten. Er brauchte nicht einmal jemanden von der Besatzung zu fragen.

Die Leute liefen aufgeregt durcheinander, schienen jedoch nicht zu wissen, was sie tun sollten.

Schon beim Anflug hatte Rick gesehen, daß die Station in Form einer riesigen Kuppel gebaut war. Die nach innen führenden Gänge endeten alle bei der Zentrale von ›Charly‹. Das war einfach.

Er erreichte eine rot gestrichene Tür und stieß sie auf, ohne vorher anzuklopfen. Ungefähr ein Dutzend Personen waren versammelt. Sie fuhren herum, als die Eisentür hart gegen die Wand schlug.

»Rick!« Mervin Sanders drängte sich zwischen den anderen durch und kam mit ausgestreckten Armen auf den Geisterdetektiv zu. »Genau im richtigen Moment! Leute, das ist Rick Masters aus London!«

Rick nickte nur flüchtig in die Runde. »Was ist passiert?« Er verzichtete auf eine lange Begrüßung.

»Wir haben ein Problem.« Mervin Sanders sprach gehetzt. »Ein Fremder kam auf unsere Station zu. Sah so aus, als wäre er verletzt oder erschöpft. Wir wollten ihm helfen, doch dann fanden wir nur einen leeren Fellanzug, so ein Ding, wie du selbst anhast. Wir haben den Anzug in unser Lager gebracht. Jetzt ist er verschwunden. Sandra wurde überfallen und gewürgt. Sie behauptet, daß es dieser leere Fellanzug gewesen sei. Zwei andere behaupten, sie hätten den Overall durch die Station gehen sehen. Klingt verrückt, nicht wahr?«

Ehe Rick antworten konnte, drängte sich eine blonde, kühl wirkende Frau vor. »Ich bin Lilian Harper, Mervins Stellvertreterin«, stellte sie sich vor. »Meiner Meinung nach klingt es nicht nur verrückt, es ist auch verrückt! Vielleicht haben wir einen Mann unter uns, der sich den Overall angezogen hat und uns damit erschrecken will.«

»Ein schlechter Scherz, wenn dabei jemand gewürgt wird, meinen Sie nicht auch?« konterte Rick. »Ganz gleich, was dahintersteckt, wir müssen den Overall und seinen Inhalt finden.«

»Ich glaube nicht an übersinnliche Phänomene«, sagte Lilian Harper scharf. Sie wollte die Fronten von Anfang an klären.

Rick lächelte kühl zurück. »Das hätten Sie nicht sagen müssen, Madam. Ich habe es bereits an Ihrem Gesicht gesehen. Aber ich mache Ihnen einen Vorschlag. Sie begleiten mich. Dann werden wir ja sehen, wer oder was in dem Overall steckt. Einverstanden?«

Jetzt konnte Lilian Harper keinen Rückzieher mehr machen. Sie nickte und schloß sich dem Geisterdetektiv und Mervin Sanders an, die sich sofort auf einen Rundgang machten.

*

Solange Rick Masters nicht mit eigenen Augen festgestellt hatte, daß magische Kräfte am Werk waren, blieb er mißtrauisch. Schon mehrmals hatte man versucht, ihm einen Streich zu spielen. Angeblich magische Einflüsse hatten sich später als harmlos erwiesen.

Deshalb blieb Rick auch jetzt skeptisch, obwohl vieles dafür sprach, daß es sich um Übersinnliches handelte. Er konnte sich nicht vorstellen, daß der Regierungsapparat so viel Geld für ihn ausgegeben hatte, wenn es nicht wirklich ernst wäre. In London lag bereits ein Scheck in seinem Wohnbüro, den er nach seiner Rückkehr und dem erfolgreichen Abschluß des Falles einlösen konnte. Und dieser Scheck war auch ganz beachtlich.

Übersinnlich oder nicht, auf alle Fälle war eine Frau gewürgt worden. Selbst wenn es sich um eine rein kriminalistische Angelegenheit handelte, war sie ernst genug. Und wenn Rick schon da war, wollte er sich auch darum kümmern.

»Ist jemand bewaffnet?« erkundigte er sich.

Von den begleitenden Personen nickte niemand. Es waren allerdings nicht sämtliche Mitglieder der Station anwesend. Deshalb warf Rick seinem Freund Mervin Sanders einen fragenden Blick zu.

Der Meteorologe und Leiter der Station schüttelte den Kopf. »Soviel ich weiß, sind keine Waffen in der Station, außer du zählst die Küchenmesser dazu.« Er versuchte einen Scherz, der jedoch mißlang.

Das Heulen der Alarmsirene war zwar inzwischen verstummt, doch die Stimmung blieb angespannt.

Während sie nach dem Attentäter suchten, erklärte Sanders die Anlage der Station. Sie war sehr einfach.

»Charly ist rund, Rick. Eine Scheibe. Genau in der Mitte liegt die Zentrale. Dort finden auch die Besprechungen statt. Vom Mittelpunkt laufen sternförmige Gänge nach außen. Und dann haben wir noch auf halbem Weg zwischen Mitte und Außenwand einen kreisrunden Korridor. Das wäre alles.«

»Es gibt zwei Ausgänge«, fuhr Lilian Harper an seiner Stelle fort. »Den normalen Ausgang, durch den Sie hereingekommen sind, Mr. Masters. Er ist gleichzeitig die Kälteschleuse. Und dann haben wir noch einen Notausgang, der jedoch von innen verriegelt ist. Wird er geöffnet, wird automatisch Alarm ausgelöst.«

»Der Haupteingang ist ständig bewacht?« erkundigte sich der Geisterdetektiv.

Sanders nickte. »Rund um die Uhr, außer er wird ebenfalls elektronisch gesichert. Das ist der Fall, wenn keiner von uns draußen ist und alle schlafen.«

Der Geisterdetektiv blieb stehen und wandte sich an Mervin und seine Stellvertreterin. »Ich möchte gerne wissen, wieso hier ein solcher Aufwand getrieben wird«, verlangte er. »Sogar das Militär hat mir geholfen, so schnell wie möglich zu ›Charly‹ zu kommen. Ist es eine militärische Basis?«

Mervin Sanders schüttelte den Kopf. »Ich kann es dir sagen, ohne ein Geheimnis zu lüften. Die Antarktis ist das Land der Zukunft. Unter der Eisschicht liegen unermeßliche Rohstoffschätze. Jeder möchte sich ein Stück vom Kuchen abschneiden. Das ist aber nicht möglich, wenn nicht vorher umfangreiche Forschungen betrieben werden. Wir sind hier, um diese Forschungen durchzuführen. Weil unser Wissen so wertvoll ist, legt die Regierung so großes Gewicht auf unsere Arbeit. So einfach ist das.«

Rick atmete erleichtert auf. »Das ist etwas anderes«, sagte er und stutzte. »Aber wenn ›Charly‹ so wichtig ist, wird sich eure vorgesetzte Dienststelle kaum mit mir begnügen.«

»Da haben Sie recht, Mr. Masters.« Lilian Harper konnte ihre Genugtuung nicht verbergen, wollte es wahrscheinlich auch gar nicht. »Es würde uns noch en richtiger Spezialist angekündigt, der diesem sogenannten Spuk sehr schnell ein Ende bereiten wird.«

Rick war nicht beleidigt. Amüsiert stellte er fest, daß Mervin Sanders seiner Stellvertreterin einen wütenden und strafenden Blick zuschickte und daß diese sich nicht darum kümmerte. Zwischen den beiden schien ein ständiger Krieg zu herrschen. Rick konnte sich aber auch kaum zwei Menschen vorstellen, die weniger zueinander paßten als Sanders und Miss Harper.

»Ich bin daran gewöhnt, daß die Leute meine Arbeit mit Mißtrauen betrachten«, sagte er. »Es stört mich nicht, so lange ich nicht behindert werde. Sollte ich jedoch…«

Weiter kam er nicht. Ein schriller Schrei unterbrach ihn.

*

»Das war im Seitengang!« rief Mervin Sanders und lief los.

Rick überholte ihn mühelos. Er prallte gegen die Wand des Querganges und wirbelte herum. Am Ende des gekrümmten Korridors sah er für einen Moment eine schaurige Szene.

Eine Frau rannte schreiend vor einem wahren Ungetüm davon. Rick sah die Gestalt nur von hinten.

Es mußte der Fellanzug sein, dieser Overall, in den sich die Wissenschaftler hüllten, um sich vor der eisigen Kälte zu schützen. In diesem Anzug mußte ein Riese stecken, auf jeden Fall zwei Meter groß oder sogar mehr.

Der Mann bewegte sich mit ungelenken Bewegungen, als wäre er nicht an schnelles Laufen gewöhnt oder so erschöpft, daß er sich kaum auf den Beinen halten konnte.

Nur dadurch wurde es der Frau möglich, vor diesem Ungetüm zu fliehen.

Rick hetzte hinter den beiden her. In seinem Rücken hörte er aufgeregte Rufe. Auch die anderen hatten den Unheimlichen entdeckt.

Sie waren hier in dem runden Mittelgang, der keinen Anfang und kein Ende besaß. Er hatte den Nachteil, daß er in sich gekrümmt war. Daher konnte Rick nicht bis zu einem Ende sehen. Sein Blickfeld war begrenzt. Die beiden waren verschwunden.

Als er ein Stück gelaufen war, merkte er, daß etwas nicht stimmte. Er hätte die fliehende Frau und ihren Verfolger längst einholen müssen.

»Rick, der Seitengang!« schrie Mervin.

Der Geisterdetektiv wirbelte herum. Aufgeregt deutete Mervin Sanders zum Mittelpunkt der Station. In der Schnelligkeit hatte der Geisterdetektiv die Abzweigung eines der strahlenförmig verlaufenden Gänge übersehen.

Er rannte zurück, preschte um die Ecke und sah eben noch, wie sich die Tür zur Zentrale schloß.

Der Verfolger mußte mit der Frau im Mittelpunkt der Station verschwunden sein. Rick hatte mit eigenen Augen gesehen, daß die Zentrale zwei Zugänge hatte.

Diesmal wollte er kein Risiko mehr eingehen. Die Frau schwebte in großer Gefahr.

»Besetzt die Tür!« schrie er den anderen zu, während er sich gegen die Metalltür warf.

Mit einem Schmerzensschrei taumelte er zurück. Er hatte sich die Schulter gestoßen. Die Tür ließ sich nicht öffnen. Sie war von innen verschlossen.

»Bleibt hier!« schrie Rick und lief den innersten ringförmigen Korridor entlang.

Hier konnte er noch weniger überblicke, was gleich vor ihm auftauchen würde, weil die Krümmung der Wände stärker als im Mittelgang war.

Daher war er völlig unvorbereitet, als er sich plötzlich dem Riesen gegenübersah.

Das Ungetüm wandte ihm den Rücken zu. Drohend stand es vor der Wissenschaftlerin. Sie war zusammengebrochen und kauerte auf dem Boden, drückte sich gegen die Wand und starrte mit flackernden Blicken dem Angreifer entgegen.

Rick Masters überlegte nicht lange. Aus vollem Lauf heraus sprang er den Mann an und prallte gegen seinen Rücken.

Der Geisterdetektiv schrie auf. Er hatte zum zweiten Mal das Gefühl, gegen eine Betonmauer gerannt zu sein. Vorhin an der verschlossenen Metalltür hatte er sich die Schulter gestoßen. Jetzt knallte er zum zweiten Male mit derselben Stelle gegen ein hartes Hindernis. Sein rechter Arm fühlte sich wie gebrochen an. Schlaff hing er herunter, als der Geisterdetektiv ächzend zurücktaumelte.

Dem riesigen Mann hatte der Angriff überhaupt nicht zugesetzt. Er schien ihn nicht einmal bemerkt zu haben. Mit drohend erhobenen Armen beugte er sich über die Wissenschaftlerin, die schreiend vor ihm zurückwich.

Rick Masters war doppelt bewaffnet. Auf jedem Einsatz trug er eine geladene Pistole bei sich. An sie kam er jedoch nicht heran, weil er den rechten Arm nicht bewegen konnte. Und mit dem linken Arm konnte er nicht an sein Schulterhalfter unter der linken Achsel greifen.

Also versuchte er es noch einmal so. Er rammte die linke Faust von hinten gegen die Kapuze des Mannes. Der Schlag hätte jeden normalen Menschen zumindest taumeln lassen.

Dieser Kerl hier zeigte noch immer keine Wirkung, aber jetzt ließ er von der Frau ab und drehte sich mit einem drohenden, grollenden Knurren zu Rick Masters um.

Dem Geisterdetektiv gefror das Blut in den Adern. Die Fellkapuze ließ sein Gesicht frei – aber da war kein Gesicht. Der Geisterdetektiv konnte das Innere der Kapuze sehen.

Er war allein mit dem Ungeheuer. Die anderen waren auf seinen ausdrücklichen Wunsch bei der zweiten Tür zurückgeblieben. Trotzdem wich Rick nicht. Er mußte der Frau helfen.

Er schob sich an die Wand, um wenigstens den Rücken frei zu haben, und starrte abschätzend auf dieses Wesen.

Vielleicht versteckte sich in dem Overall ein Mensch. Wenn er nicht allzu groß war, reichte sein Kopf nicht bis zu der Kapuze.

Rick glaubte es jedoch nicht. Er tippte auf einen Geist, der in die Station eingedrungen war.

Er ließ den Unheimlichen keine Sekunde aus den Augen. Das Wesen hob die Arme.

Rick starrte auf die Enden der Ärmel. Dort waren keine Hände zu sehen. Er konnte tief in den Overall hineinblicken.

Ein Geist! Das war die letzte Bestätigung.

Rick beging nicht den Fehler, sich zu einer Panikhandlung hinreißen zu lassen. Gab er sich auch nur die kleinste Blöße, würde sein Gegner sie sofort ausnutzen.

Er rührte sich nicht von der Stelle, als sich der Geist näher an ihn heranschob. Aus der scheinbar leeren Kapuze erscholl wieder dieses drohende Knurren, das Rick schon einmal einen kalter Schauer über den Rücken gejagt hatte.

Seine linke Hand glitt unauffällig in die Jackentasche. Er hatte noch keine Zeit gehabt, seinen dicken Pelz auszuziehen. Deshalb bereitete es ihm einige Schwierigkeiten, nach der Silberkugel zu tasten.

Gerade noch rechtzeitig bekam er sie zu fassen. Das Monster wuchtete bereits vor ihm auf und überragte ihn um Kopflänge. Obwohl außer dem Fellumhang nichts zu sehen war, fühlte Rick Masters die tödliche Bedrohung, die von dieser Erscheinung ausging. Er verkrampfte sich.

Es kostete ihn Nerven, nicht schreiend zu fliehen, aber nur so konnte er gegen das Ungeheuer kämpfen. Erst aus nächster Nähe war seine Waffe wirksam.

Und dann schlug der Geist zu.

*

Rick Masters duckte sich blitzschnell, aber er hatte nicht mit den Schmerzen in seiner rechten Schulter gerechnet. Er war um eine Spur zu langsam.

Die unsichtbaren Pranken des Geistes verfehlten seinen Hals, packten ihn jedoch an der verletzten Schulter. Der Geisterdetektiv schrie auf und brach zusammen. Stöhnend lag er auf dem Boden.

Ohne Hast beugte sich der leere Overall zu Rick herunter. Die tödliche Ausstrahlung wurde stärker. Es war nicht Todesangst, die der Detektiv fühlte, sondern eine Welle böser Gedanken, die von dem unsichtbaren Geist auf ihn überströmte. Wenn er sich nicht schnellstens verteidigte, war er ein toter Mann.

Rick biß die Zähne zusammen. Er ignorierte den stechenden Schmerz in der Schulter und schlug mit der linken Hand zu. Die Silberkugel traf den Fellanzug.

Ein schriller, markerschütternder Schrei erscholl aus dem leeren Kleidungsstück. Im nächsten Moment sank der Overall in sich zusammen und bildete nur mehr einen harmlosen Knäuel auf dem Boden des Korridors. Die Ausstrahlung des Bösen war verschwunden.

Seufzend richtete sich Rick Masters in sitzende Haltung auf und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand. Langsam drehte er den Kopf zu der Frau, die der Geist zuerst angegriffen hatte. Sie stand bereits wieder auf den Beinen. In ihrem Gesicht zeichnete sich der Schock ab, aber ansonsten schien sie unverletzt zu sein.

Als Rick in die andere Richtung blickte, sah er die Leute, die er bei der zweiten Tür der Zentrale zurückgelassen hatte. Offenbar waren sie durch den Kampflärm angelockt worden.

Sie bildeten eine schweigende Mauer. Keiner der Wissenschaftler konnte sich dem Schrecken entziehen, den sie alle soeben miterlebt hatten.

Ricks Augen suchten und fanden Lilian Harper. Auch sie war weiß wie eine frisch gekalkte Wand. Der Geisterdetektiv verzog den Mund zu einem schmerzlichen Lächeln.

»Wie war das doch, Miss Harper?« fragte er heiser. »Alles nur Einbildung? Da haben Sie Ihre Einbildung.«

Sie faßte sich als erste und kam auf Rick zu, half ihm auf die Beine und stützte ihn.

»Was ist mit Ihrer Schulter?« fragte sie besorgt. »Etwas gebrochen?«

Er versuchte, den Arm zu bewegen. Es ging, wenn auch nur unter Schmerzen.

»Unkraut vergeht nicht«, sagte Rick mit zusammengebissenen Zähnen. »Kümmern Sie sich lieber um Ihre Kollegin.«

Lilian Harper betrachtete erst den nunmehr wirklich leeren Overall, dann den Geisterdetektiv. In ihren Augen stand ein rätselhaftes Glitzern.

»Tut mir leid, Mr. Masters«, sagte sie schließlich so laut, daß es alle hörten. »Aber das hätte ich nicht für möglich gehalten. Sie hatten in allen Punkten recht. Das hier geht nicht mit rechten Dingen vor sich.«

Rick nickte lächelnd. »Sie sind fair«, gab er zu. »Gemeinsam werden wir es schon schaffen.«

»Mr. Sanders! Mervin!« Einer der Wissenschaftler kam den Gang entlanggelaufen und blieb vor dem Leiter der Station stehen. »Der Spezialist der Regierung ist eingetroffen. Er wartet an der Schleuse auf Sie.«

Mervin Sanders konnte sich nur schwer losreißen. Am liebsten hätte er auf der Stelle mit Rick Masters den ganzen Fall durchgesprochen. Seine Pflicht jedoch war es, den Spezialisten zu begrüßen und von den Vorfällen zu unterrichten.

»Gehen wir«, sagte er knapp.

Rick Masters schloß sich unaufgefordert an, während sich Lilian Harper und zwei andere Wissenschaftler um die Überfallene kümmerten.

»Lassen Sie den Overall in die Zentrale bringen!« rief Rick noch der stellvertretenden Leiterin zu.

Dann beeilte er sich, damit er den Anschluß zu Mervin nicht verlor.

Fünf Minuten später trafen sie bei der Schleuse ein. Als Rick den untersetzten rothaarigen Mann mit dem Durchschnittsgesicht und den kalten Augen erblickte, holte er tief Luft.

»Das darf doch nicht wahr sein!« rief Rick, ehe der Leiter der Station zu Wort kam. »Red! Was machen Sie denn hier?«

Das Erstaunen war gegenseitig, aber nicht nur das Erstaunen sondern auch die unangenehme Überraschung. Denn die beiden schätzten einander nicht besonders.

Genauer gesagt, sie konnten einander nicht ausstehen.

*

»Rick Masters!« Red, dessen wirklichen Namen niemand kannte, lächelte gekünstelt. »Das kann ja ein heiterer Aufenthalt in der Antarktis werden.«

Rick maß den Agenten des Secret Service mit einem reservierten Blick. »Sie nehmen mir das Wort aus dem Mund, Red.«

Mervin Sanders rettete die Situation. »Die Gentlemen kennen sich offenbar schon, also brauche ich Sie nicht vorzustellen.« Er sah den Spezialisten erwartungsvoll an. »Aber ich kenne Sie noch nicht.«

Red wies sich aus. Sanders war sichtlich beeindruckt, einen Agenten des Secret Service vor sich zu sehen. Er ließ Red in sein Quartier führen und zog Rick ein Stück auf die Seite.

»Ihr kennt euch, mögt euch aber nicht?« erkundigte er sich.

Der Geisterdetektiv lachte leise. »Das hast du sehr vorsichtig ausgedrückt«, antwortete er. »Früher haben wir ein paarmal zusammengearbeitet, aber er hat andere Vorstellungen von Ermittlungen als ich. Ihm geht es immer um die Sache, mir geht es um die Menschen.«

»Ihr zieht doch am selben Strang«, wandte der Meteorologe ein.

»Richtig, Mervin. Deshalb duldet der eine den anderen, mehr aber auch nicht.«

Der Leiter der wissenschaftlichen Station runzelte besorgt die Stirn. »Es wird doch keine Reibereien geben?«

Der Geisterdetektiv klopfte seinem Freund beruhigend auf die Schulter. »Das kommt nur auf Red an. Ich gehe nach meinen eigenen Methoden vor. Pfuscht er mir ins Handwerk, gibt es einen großen Knall. Läßt er mich in Ruhe, ist es gut. Wenn du Red darauf ansprichst, wird er dir übrigens dasselbe sagen.«

»Dann ist ja alles in Ordnung!« rief Sanders strahlend.

»Nichts ist in Ordnung.« Rick grinste breit. »Wir haben nämlich verschiedene Vorstellungen davon, was man unter ›in Ruhe lassen‹ verstehen soll. Und jetzt zeigst du mir mein Quartier. Ich möchte nämlich endlich diesen Pelz ausziehen. Ich beginne zu schwitzen.«

*

Eine Stunde später war Rick Masters bereit, sich mit dem geheimnisvollen Overall zu beschäftigen.

»Ein merkwürdiges Ding«, stellte Mervin Sanders fest. »So etwas wird heute gar nicht mehr angefertigt.«

Rick horchte auf. »Das verstehe ich nicht ganz«, sagte er und vermied es, Red vom Secret Service anzusehen.

Er wollte keinen Zweifel aufkommen lassen, daß er der eigentliche Experte war. Das tat er nicht aus Überheblichkeit. Er wußte, daß Red auf seinem Gebiet gut war. Aber hier handelte es sich um nichts, das den Geheimdienst anging, sondern es betraf Rick Masters in seiner Eigenschaft als Geisterdetektiv. Hier waren übersinnliche, dämonische Kräfte am Werk.

Rick wollte keine Verzögerung in Kauf nahmen, weil sie unter Umständen Leben gefährdet hätte.

Mervin Sanders war in seinem Element. Er erklärte Rick, wie modernere Anzüge gegen die Kälte geschneidert wurden. Dann wies er auf die Unterschiede zu diesem geheimnisvollen Overall hin.

»Ich habe mich schon lange, bevor mein Dienst in der Antarktis begann, mit historischen Expeditionen beschäftigt«, schloß er. »Dabei bin ich auf diesen Schnitt gestoßen.«

»Mit anderen Worten«, warf Red ein, »es handelt sich um einen alten Overall.«

Der Leiter der Station nickte. »Vor hundert Jahren hat man solche Kleidungsstücke für Antarktisexpeditionen gefertigt.«

»Was für uns völlig unwichtig ist«, tat Red geringschätzig diese Informationen ab.

»Im Gegenteil, es ist sehr wichtig«, widersprach Rick. »Ich kann daraus…«

»Halten Sie mich nicht mit solchen Kleinigkeiten auf!« fuhr Red dazwischen. Er wirkte nervös und gereizt. »Wir müssen herausfinden, wer hinter der Sabotage steckt. Das kann ein Angehöriger dieser Station sein, das kann aber auch ein Agent sein, der von außen diese Dinge steuert.«

Rick Masters setzte zu einer scharfen Antwort an. Lilian Harper kam ihm zuvor.

»Ich schlage vor, daß wir die Sicherheitsbestimmungen durchgehen, Mr. Red«, sagte sie hastig und hakte sich bei dem Geheimdienstmann unter. »Das tun wir am besten bei einem Rundgang durch die Station. Sie mit Ihren Fachkenntnissen werden sofort die schwachen Stellen entdecken.«

Energisch drängte sie Red aus der Zentrale und vermied auf diese Weise einen Streit zwischen dem Secret Service Agenten und Rick Masters.

»Aufgeschoben ist nicht aufgehoben«, sagte Rick verbissen, sobald sich die Tür hinter den beiden schloß. »Vielleicht wäre es besser gewesen, wir hätten gleich von Anfang an die Fronten geklärt.«

Mervin Sanders verdrehte seufzend die Augen zur Decke. »Und ich hatte gehofft, daß es friedlich abgeht. Also gut, Rick, was ist nun mit diesem Overall? Ich verstehe zwar nicht, wieso dieser Anzug zu Leben erwacht ist und euch angegriffen hat, aber kann es noch einmal passieren?«

Der Geisterdetektiv nickte. »Leider ja. Ich will dir nicht versprechen, daß ich ihn unschädlich machen kann. Dazu müßte ich die Wurzel allen Übels kennen.«

Mervin versetzte dem nunmehr harlosen Anzug einen wütenden Fußtritt. »Mich würde etwas interessieren.« Er warf Rick einen bedeutungsvollen Blick zu. »Du hast vorhin eine glänzende Kugel in der Hand gehalten. Was war das? Für mich hat es so ausgesehen, als hättest du dich nur dadurch gerettet, daß du die Kugel gegen den Anzug gedrückt hast.«

Grinsend holte der Geisterdetektiv die ungefähr walnußgroße Silberkugel aus seiner Tasche und zeigte sie seinem Freund. Sie wirkte völlig normal. Niemand konnte ihr ansehen, welche Kräfte in ihr steckten.

»Ich habe sie vor einiger Zeit bei einem Trödler entdeckt«, erklärte der Geisterdetektiv. »Zuerst dachte ich, ich hätte einen hübschen Ziergegenstand gekauft. Dann habe ich gemerkt, daß sie starke Kräfte der Weißen Magie enthält. Frag mich nicht, woher sie stammt. Ich weiß es nicht.«

Mervin Sanders betrachtete die Kugel plötzlich mit ganz anderen Augen. »Warum hast du das vorhin nicht gesagt?« fragte er.

Rick ließ seine Waffe gegen das Böse wieder in der Tasche verschwinden und hielt sich die immer noch schmerzende Schulter. Er konnte den Arm jetzt schon wieder gebrauchen.

»Mervin, ihr hättet mich doch nur ausgelacht«, erwiderte er. »Deine Stellvertreterin wollte auch nicht an diesen gefährlichen Anzug glauben. Erst als sie es mit eigenen Augen sah, ließ sie sich bekehren.«

Mervin Sanders öffnete den Mund. Rick hörte jedoch nicht mehr, was ihr Freund sagen wollte.

Durch die ganze Station drang nämlich ein ohrenbetäubender Gong, der die Wände zum Beben brachte und die Menschen zu Boden fegte.

*

Verzweifelt hielt sich der Geisterdetektiv die Ohren zu. Er glaubte, dieses unmenschliche Dröhnen nicht auszuhalten. Es klang, als schlüge jemand von außen mit einem gewaltigen Hammer gegen die Forschungsstation.

Die Schallwellen waren körperlich zu spüren. Rick stemmte sich auf die Knie hoch, wurde jedoch von dem nächsten Ansturm umgeworfen. Mit ausgebreiteten Armen und Beinen lag er da und hielt sich mit aller Kraft fest. Es nützte nichts. Er wurde gegen die Wand geschleudert und blieb benommen liegen.

Ihm war, als würden sich die Wände der Station auflösen, als würden sie sich verformen und auseinanderfließen, als wären sie aus Butter geformt. Der Boden hob und senkte sich, formte Blasen, die zur Decke stiegen und dort zerplatzten. Für Momente glaubte der Geisterdetektiv, blauen Himmel über sich zu sehen. Doch das konnte nur eine Sinnestäuschung sein.

Schlagartig war alles vorbei. Die wissenschaftliche Station lag genauso still da wie zuvor. Nichts schien sich verändert zu haben.

Keuchend richteten sich Rick und Mervin Sanders auf. Beiden stand der Schweiß auf der Stirn.

»Was – was – war – das…?« fragte Sanders stöhnend. »So etwas habe ich noch – nie erlebt.«

Rick stand noch unsicher auf den Beinen. Er gab keine Antwort, da er auch nicht wußte, was dieses Phänomen zu bedeuten hatte. Sein erster Blick galt dem Fellanzug. Er fürchtete, der Ansturm magischer Mächte hätte das Kleidungsstück erneut mit einem bösen Geist beseelt.

Er hatte sich zum Glück getäuscht. Mervin Sanders stieß einen erstaunten Ruf aus. Wo vorhin noch der Anzug gelegen hatte, sahen sie jetzt nur mehr einen formlosen Haufen von Haaren. Der Anzug hatte sich in seine Bestandteile aufgelöst.

»Das kann nur eine Nebenwirkung sein«, stellte der Geisterdetektiv fest. »Sehen wir nach, was noch alles passiert ist.«

Sie erholten sich rasch und überprüften die Zentrale. Hier hatte sich nichts verändert.

Draußen auf den Korridoren bot sich ebenfalls das übliche Bild. Aus allen Räumen kamen Mitarbeiter. Sie wirkten genauso mitgenommen wie Rick und Mervin.

Eine drückende Stille lastete über allem. Rick fragte sich, woher sie wohl kam. Bei seiner Ankunft war die ganze Station von verschiedenen Geräuschen erfüllt gewesen, die nichts mit dem Alarm zu tun hatten. Generatoren summten. Die Neonröhren an der Decke gaben ein sirrendes Brummen von sich. Maschinen stampften.

Nun aber war gar nichts zu hören. Vielleicht war das nur eine Nachwirkung der unerträglichen Schallwellen, denen sie ausgesetzt gewesen waren.

Erst als auch Mervin den Kopf hob und eine Bemerkung über die Stille machte, wurde der Geisterdetektiv stutzig.

»Wir müßten zumindest das Heulen des Sturms hören«, meinte auch Lilian Harper, die inzwischen zu ihnen gestoßen war. Die blonden Haare hingen ihr wirr in die Stirn. Ihre Augen wirkten müde.

Rick lief auf die Schleuse zu, öffnete die innere Tür und trat an die äußere heran. Mervin rief ihm eine Warnung zu, er sollte sich einen Pelzmantel anziehen. Rick achtete nicht darauf, er wollte sich Gewißheit verschaffen.

Red tauchte neben ihm auf, als er die Hände nach dem Verschluß der äußeren Tür ausstreckte.

»Lassen Sie das!« rief der Geheimdienstmann. »Ohne meine ausdrückliche Erlaubnis darf niemand mehr die Station verlassen.«

»Dann haben Sie soeben Ihre Erlaubnis gegeben!« rief Rick zurück und öffnete die Tür.

Niemand sprach ein Wort. Alle starrten entgeistert ins Freie. Was sie sahen, war so unglaublich, daß sie nicht sofort begriffen, was sich vor ihren Augen abspielte.

*

Am auffallendsten war die Veränderung des Wetters. Strahlender Sonnenschein leuchtete ihnen entgegen, so daß sie die Augen zusammenkneifen mußten. Rick konnte fast nichts erkennen, weil der Schnee die Sonnenstrahlen reflektierte.

Er griff hastig in seine Tasche und holte die Schneebrille hervor, die er vorsichtshalber bei sich trug. Als er sie aufsetzte, sah er, daß sie nicht mehr allein in der Eiswüste waren.

Zwischen der Station und dem Meer lagerte eine Gruppe von Männern mit Schlitten und den zugehörigen Hunden. Das war aber noch nicht alles. Das Meer befand sich nicht an derselben Stelle wie bei seiner Ankunft. Es war weiter zurückgewichen. Auch die Küstenlinie verlief jetzt anders.

Auf den sanften Wellen schaukelte ein Schiff. Rick sah es nur für einen kurzen Moment, da sich sofort undurchdringlicher Nebel über das Land legte. Dieser Augenblick genügte jedoch, um ihn ahnen zu lassen, was hier vor sich ging.

Es war ein altes Dampfschiff. Aus den Schloten quollen dichte schwarze Rauchwolken.

Danach sah er gar nichts mehr. Auch die lagernden Männer wurden von dem Nebel verschluckt.

Ehe Rick sich nach den anderen umdrehte und sie nach ihrer Meinung fragte, erklang ein hohles Heulen. Diesmal unterschied es sich in nichts von dem Sturmheulen bei seiner Ankunft. Mit dem Dröhnen vorhin hatte es nichts zu tun.

Es war klar. Ein schwerer Schneesturm zog auf. Trotzdem blieb Rick Masters in der geöffneten Schleusentür stehen.

Er fror nicht. Er spürte nicht einmal die tiefen Temperaturen. Erst jetzt wurde er darauf aufmerksam und erkannte erstaunt, daß um ihn herum angenehme Wärme herrschte, als hätte er die Station gar nicht geöffnet.

Er konnte nicht länger über dieses Phänomen nachdenken, weil der Sturm da war. Rick sah die gewaltigen Schneewolken, die er vor sich hertrieb. Schon wollte er zurückweichen, als der Schnee unmittelbar vor der Station zu einem unsichtbaren Hindernis abprallte. Nicht eine einzige Flocke erreichte den Geisterdetektiv.

Die rätselhaften Vorfälle gingen noch weiter. Über dem Heulen und Pfeifen des Sturm hörte Rick Hundegebell und Schreie. Gleich darauf tauchten aus dem dichten Schneegestöber abenteuerliche Gestalten auf.

Auf den ersten Blick wirkten sie wie Eisbären. Erst auf den zweiten Blick erkannte der Geisterdetektiv, daß es die Mitglieder einer Expedition waren, die sich verzweifelt durch dieses Unwetter vorankämpften.

Er rührte sich nicht von der Stelle. Diesen Leuten konnte er nicht helfen, brauchte es auch nicht zu tun. Sie existierten nicht wirklich, genausowenig wie vorhin der Sonnenschein, das Dampfschiff oder dieser Schneesturm. Alles war nur Blendwerk von Geistern und Dämonen, magische Vorspiegelungen, deren Sinn er nicht durchschaute.

Zuerst sah es aus, als würden die erschöpft wankenden Gestalten in die Schleuse kommen. Sobald sie jedoch die unsichtbare Barriere erreichten, lösten sie sich auf, zerfaserten zu formlosen, nebelhaften Gebilden und wurden vom Wind weggerissen.

Das geschah mit den Männern ebenso wie mit den Hunden und den Schlitten.

Noch einmal wechselte das Bild. Schneesturm und Schneegestöber hörten auf, als sähe Rick einen Film, in dem ein abrupter Szenenwechsel stattgefunden hatte. Im selben Moment wurde es dunkel. Nur ein fahler Lichtschein lag auf der Landschaft.

Im Schnee erkannte er kleine Hügel, aus denen dunkle Gegenstände ragten. Er kniff die Augen zusammen. Es gelang ihm vorerst nicht zu erkennen, was das war, bis er einen charakteristisch geformten Schneehügel entdeckte.

Er hatte die Gestalt eines liegenden Mannes, und tatsächlich ragte das Bein eines Menschen aus dem eisigen Grab.

Da draußen lagen Tote. Menschen, Hunde und Schlitten waren unter Schnee begraben. Rick sah einen riesigen Friedhof vor sich.

Ein eisiger Windstoß warf ihn zurück und ließ ihn taumeln. Er bekam kaum Luft, als sich ein Schwall kalter Luft auf sein Gesicht legte und Schneeflocken in seinen Mund und seine Nase trieben.

Mit aller Kraft stemmte er sich gegen die Schleusentür und schlug sie zu. Sobald er sie verriegelt hatte, lehnte er sich aufatmend dagegen.

Die grausige Vision war zu Ende. Die Wirklichkeit war an ihre Stelle getreten.

*

Der Geisterdetektiv wandte sich um und musterte die Mannschaft. Alle hatten sich versammelt. Er zählte durch und fand, daß kein einziges Mitglied der Besatzung fehlte.

Niemand sprach ein Wort. Alle Blicke waren auf ihn gerichtet, als erwarteten die Leute von ihm eine Erklärung. Er dachte jedoch nicht daran, über das Phänomen zu sprechen.

»Es soll sich jeder seinen Reim darauf machen«, sagte er leise. »Die einem, die meine Erklärungen glauben würden, wissen ohnedies, was das war. Die anderen, die nur über mich die Nase rümpfen, werden auch hinterher nicht überzeugt sein.«

Er wandte sich ab und verließ die Schlese. In der Zentrale stießen Mervin Sanders und Lilian Harper zu ihm. Sie sahen mitgenommen aus, diesmal nicht nur von den magischen Schallwellen, sondern auch von der Vision selbst.

»Uns kannst du schon sagen, was wir davon halten sollen«, forderte ihn sein Freund auf. »Ich muß ehrlich gestehen, ich zweifle an meinem Verstand.«

»Warum?« Rick sah sich nervös um. Er fühlte sich in der Station gefangen. »Einunddreißig Personen haben dasselbe gesehen. Einunddreißig Personen können bezeugen, was sich da draußen abgespielt hat. Weshalb also zweifelst du an deinem Verstand?«

Mervin Sanders suchte vergeblich nach Worten. Seine Stellvertreterin kam ihm zu Hilfe.

»Es war alles so unwirklich, Mr. Masters. Wir stammen aus einer hochtechnisierten Welt. Da haben Erscheinungen wie die von vorhin nichts zu suchen.«

»Sie hat aber stattgefunden.« Rick entschloß sich, seine Gedanken auszusprechen. »Wir haben soeben die Ursache für die rätselhaften Vorfälle gesehen. Aus welcher Zeit stammte das Dampfschiff?«

Mervin Sanders zögerte nicht mit der Antwort. »Hundert Jahre alt, mindestens«, antwortete er prompt. »Ich wüßte jetzt nicht, welche Expedition damals in dieser Gegend gelandet ist, aber es wirkte alles sehr echt.«

»Richtig«, bestätigte der Geisterdetektiv. »Wir haben gesehen, was sich vor etwa hundert Jahren in dieser Gegend abgespielt hat. Damals verlief die Küstenlinie noch anders als heute. Eine Expedition ging bei bestem Wetter an Land und kam bei der Rückkehr im Schneesturm ums Leben. Die Geister der damals Erfrorenen versuchen heute, uns das Leben schwerzumachen.«

Mervin äußerte sich nicht dazu, doch Lilian blickte den Geisterdetektiv verblüfft an.

»Sie wollen doch nicht behaupten, daß es bei uns richtig spukt?« rief sie. »Was haben wir mit den Leuten zu tun, die vor hundert Jahren umgekommen sind?«

Rick hob abwehrend die Hände. »Hören Sie auf, Miss Harper«, sagte er hastig. »Ich habe genug Probleme am Hals. Ich will mich mit niemandem streiten. Lassen Sie mir meine Meinung, ich lasse Ihnen die Ihre.«

Mervin Sanders riß sich zusammen. »Ich muß meine Dienststelle verständigen«, entschied er. »Und zwar sofort. Ich kann nicht mehr allein die Verantwortung für die Ereignisse tragen.«

Er ging in den angrenzenden Raum. Dort stand das Funkgerät, über das ›Charly‹ mit der Außenwelt Kontakt hielt.

Rick folgte ihm nicht. Es ging ihn nichts an, was Mervin durchgab. Berichtete er die Wahrheit, wurde er nicht für voll genommen. Erfand er eine Ausrede, war sie für Ricks Arbeit unwichtig.

Sehr wichtig war jedoch, was Mervin Sanders wenige Minuten später meldete.

»Wir sind abgeschnitten. Ich bekomme keinen Funkkontakt mehr.«

Lilian Harper überprüfte das Funkgerät und holte einen Spezialisten zu Hilfe. Auch Red ließ es sich nicht nehmen, die Anlage zu kontrollieren.

Er konnte nichts anderes feststellen, als die übrigen Mitglieder der Besatzung.

Ab sofort waren sie ganz auf sich selbst angewiesen.

*

Rick Masters war keineswegs davon überrascht, daß die Funkverbindung gestört war. Er hatte es schon erwartet, als der Sturm an Stärke zunahm.

Wenn Geister und Dämonen zuschlugen, sorgten sie dafür, daß die Betroffenen von außen keine Hilfe holen konnten. Diesmal war die Hilfe jedoch schon da. Rick Masters, der Geisterdetektiv aus London.

Allerdings hatte auch Rick keine Garantie darauf, daß er jeden seiner Fälle lebend und heil überstand. Bisher hatte er alle Probleme gelöst, aber manchmal war er nur haarscharf an einer Katastrophe vorbeigekommen. Und in einigen Fällen hatte er einiges abbekommen.

Dazu zeichnete sich noch ein weiteres Problem ab. Die Geister hatten ihm offen gezeigt, wer sie waren und weshalb sie diese Station angriffen. Normalerweise versuchten Wesen aus einer anderen Dimension, ihre Herkunft zu verschleiern. Solange Rick nämlich nicht genau wußte, gegen wen er kämpfte, war es für ihn schwieriger.

Daß sich die Geister so offen identifizierten, konnte zwei Gründe haben. Entweder waren sie aufgrund ihrer Herkunft nicht angreifbar. Oder sie waren so stark, daß sie Rick ruhig ihr Entstehen offenbaren konnten.

In beiden Fällen mußte Rick Masters mit dem Schlimmsten rechnen. Daher verlor er keine Zeit und wandte sich an den Leiter der Station.

»Du solltest dafür sorgen, Mervin, daß ständig jemand am Funkgerät sitzt. Außerdem solltest du Wachen an die beiden Eingänge stellen, also an die Schleuse und an den Notausgang.«

»Wird gemacht«, versprach der Meteorologe.

»Außerdem solltest du diesen Leuten eine Alarmanlage mitgeben«, schlug Rick vor. »Ich meine, damit sie im Falle einer Gefahr sofort allgemeinen Alarm auslösen können und nicht erst zum nächsten Telefon laufen müssen. Dafür haben sie vielleicht keine Zeit mehr.«

Mervin Sanders runzelte die Stirn. »Du glaubst wirklich, daß wir so massiv angegriffen werden?«

»Sehr leicht möglich«, gab der Geisterdetektiv zu. »Übrigens gib dich keinen falschen Hoffnungen hin. Die Geister und Dämonen müssen nicht von außen in die Station eindringen. Sie können mitten in der Zentrale oder in jedem anderen Raum erscheinen.«

Mervin machte ein betroffenes Gesicht. »Weshalb läßt du dann die Eingänge bewachen?« fragte er verständnislos.

Rick zuckte die Schultern. »Man kann nie vorsichtig genug sein. Du wirst das noch erleben, wenn dieser Spuk lange dauert. Ich sehe mich jetzt draußen um.«

Der Leiter von ›Charly‹ zog ein ratloses Gesicht. »Na ja, und was ist mit diesem Red? Er hat doch angeordnet, daß ohne seine ausdrückliche Erlaubnis…«

Rick winkte ab. »Die Anordnungen dieses Wichtigtuers interessieren mich nicht. Ich gehe jetzt.«

Der Geisterdetektiv zog in seiner Unterkunft die dicke Fellkombination und die schweren Stiefel an, steckte Schneebrille, Pistole und Silberkugel in die Taschen und stapfte zur Schleuse.

Red zeigte sich nicht, und die Wissenschaftler, die am Eingang Wache hielten, öffneten sofort für ihn die Tür. Sie stellten keine Fragen.

Der Geisterdetektiv trat ins Freie. Er mußte sich gegen den Sturm stemmen, der ihn gegen die Außenwand von ›Charly‹ drückte. Nur nach und nach gewöhnte er sich an die extremen Bedingungen. Das hier war schon etwas anderes als der Winterregen in London. Das war ein sommerlicher Schneesturm auf der südlichen Halbkugel der Erde. Er hatte ja nach Süden fliegen wollen, sich aber wahrscheinlich in seinem Ziel verspekuliert. ›Charly‹ lag zu weit sündlich, dachte der Geisterdetektiv mit Galgenhumor und machte sich auf den Weg.

Er hatte keine genaue Vorstellung, was er hier draußen suchen sollte. Er mußte aber die Station verlassen, so lange er drinnen keinen Anhaltspunkt entdeckte.

Die Expedition, die vor ungefähr hundert Jahren ums Leben gekommen war, hatte in dieser Gegend das Ende gefunden. Deshalb setzte Rick im Freien den Hebel an.

Er umrundete ›Charly‹. Von außen wirkte die Station wie ein riesiger Maulwurfshügel. ›Charly‹ verschwand fast vollständig unter einer Schneekuppel. Ein gewaltiger Iglu, dachte der Geisterdetektiv.

Er fand den Noteingang. Dieser bestand aus einer langen Röhre, in der ein Erwachsener gebückt gehen konnte. Die Röhre war so angelegt, daß sie nicht so leicht zugeweht wurde. Rick überprüfte den Zugang, fand ihn frei und völlig unverdächtig.

Er wandte sich der Umgebung zu. Nun wurde es gefährlich, aber nicht wegen der Geister, sondern wegen des Wetters. Wenn er sich zu weit von ›Charly‹ entfernte, fand er den Weg nicht mehr zurück.

Rick kämpfte sich vorsichtig durch den tiefen Schnee. Und das nannte sich Sommer, dachte er noch, dann erstarrte er.

*

Nur wenige Schritte neben ›Charly‹ erhob sich ein haushoher Eisblock. Er war Rick schon bei seiner Ankunft aufgefallen, aber nur, weil er so schön und imposant wirkte.

Doch nun ging eine grauenhafte Veränderung mit dem Gebirge aus Eis vor sich.

Der Block spaltete sich in der Mitte. Der Riß wurde breiter und breiter. Dahinter war eine dunkle Masse zu erkennen.

Ehe Rick handeln konnte, zeichnete sich durch das Eis hindurch eine Bewegung ab. Es sah aus, als wäre da drinnen ein Mann eingeschlossen, der dem Geisterdetektiv zuwinkte.

Mit ohrenbetäubendem Krachen brach der Eisblock vollständig in zwei Teile.

Der erste Eindruck hatte nicht getäuscht. Es war tatsächlich ein Mann im Eis eingeschlossen gewesen. Aber es handelte sich jedoch nicht um einen lebenden Menschen.

Es war ein Dämon!

Die Fellkleidung hing ihm in Fetzen um den hageren Körper. Aus den Ärmeln ragten lange, knochige Finger, über die sich braune, lederartige Haut spannte. Das Gesicht wirkte wie ein Totenschädel, über den jemand gelblich verfärbtes Pergament gezogen hatte.

Eine lebende Mumie. Ein Untoter.

Rick Masters wich zurück. Er kannte die unheimlichen Kräfte, die in lebenden Leichen steckte. Ein gewöhnlicher Mensch konnte ihnen nichts entgegensetzen.

Seine Pistole war völlig wertlos. Seine Silberkugel hätte ihn vielleicht gegen den Untoten geschützt, doch Rick wollte es auf keinen Kampf ankommen lassen.

Er zog sich weiter zum Eingang der Station zurück. Noch stand nicht fest, ob der lebende Tote in ›Charly‹ eindringen konnte. Außer der Station gab es jedoch keinen anderen Ort, an dem sich der Geisterdetektiv vorläufig verbergen konnte.

Noch rührte sich die lebende Leiche nicht von der Stelle, als müßte sie sich erst an ihre neuen Kräfte gewöhnen. Mit Schaudern sah Rick, wie sich der eingetrocknete Totenkopf wandte, wie tief in den Höhlen rote Augen aufglühten und ihn erfaßten.

Er warf sich herum und rannte. Manchmal war Flucht besser als ein aussichtsloser Kampf.

Der Geisterdetektiv erreichte die Schleuse, doch er sah ein, daß er es nicht schaffen würde. Ehe er die Station betrat und hinter sich wieder abschloß, mußte der wandelnde Tote bei ihm sein. Dann stand ihm der Zugang zu ›Charly‹ offen, und das durfte unter keinen Umständen geschehen.

Der Geisterdetektiv lief an der Schleuse vorbei und hoffte, der Untote würde den Eingang nicht entdecken. Als er einmal den Kopf wandte, sah er den Unheimlichen auf seiner Spur. Er atmete auf, als die Schauergestalt mit unsicheren, weit ausgreifenden Schritten an der Schleuse vorbeiwankte.

Rick hatte keine große Auswahl, wohin er fliehen konnte. Entfernte er sich von ›Charly‹, brauchte ihn gar nicht erst die Mumie zu töten. Dann kam er schon im Schneesturm auf sehr natürliche Weise um. Also lief er um die kreisrunde Station herum.

Verzweifelt erkannte der Geisterdetektiv, daß der Untote immer schneller wurde. Nachdem er, wer weiß wie lange, in dem Eisblock eingeschlossen gewesen war, gewöhnte er sich an die neuen Verhältnisse.

Schon nach einer Umkreisung der Station wußte der Geisterdetektiv, daß ihn der Untote einholen würde. Trotz der beißenden Kälte zog er mitten im Lauf seinen dicken Handschuh aus.

Sofort begannen die Finger zu erstarren. Er schaffte es jedoch, die Silberkugel aus seiner Tasche zu ziehen, im Handschuh verschwinden zu lassen und diesen überzuziehen.

Dabei verlor er allerdings wertvolle Sekunden, und als er sich wieder umdrehte, setzte der Untote soeben zum Sprung an.

Die Mumie schnellte sich durch die Luft. Im nächsten Moment lag der Geisterdetektiv am Boden. Die Arme des Knochenmannes schlangen sich wie stählerne Klammern um seinen Körper und preßten seine Brust zusammen, daß er meinte, die Rippen würden brechen.

Mit aller Kraft versuchte er, sich aus der tödlichen Umschlingung zu befreien, doch es half nichts. Er konnte sich nicht mehr bewegen.

*

Rote Sterne tanzten vor Ricks Augen. Dicht vor seinem Gesicht sah er die blasse Haut der Mumie und das unheimliche Funkeln der roten Augen.

Er riß den Mund weit auf. Trotzdem bekam er keine Luft. Das Ungeheuer schnürte ihm den Atem ab.

Noch einige Sekunden, dann mußte er das Bewußtsein verlieren. In Todesangst zog er die Beine an. Er begriff gar nicht mehr, was er tat, sondern schlug und trat wild um sich.

Schon griff die Ohnmacht nach ihm, als er für einen Moment Luft bekam. Röchelnd saugte er die Lungen voll.

Zwar legte sich sofort wieder der mörderische Klammergriff um seinen Körper, doch nun hatte er Kraft, um mit der Hand zuzuschlagen.

Er spürte den Aufschlag seiner Handfläche mit der Silberkugel auf dem Kopf des Untoten. Inständig hoffte er, die Wirkung der Silberkugel möchte nicht durch den Fellhandschuh gemindert werden. Vielleicht wirkte sie nur bei direktem Kontakt. Er hatte es noch nicht ausprobiert.

Schon im nächsten Augenblick fühlte der Geisterdetektiv eine Erleichterung. Immer wieder hämmerte er mit dem Handschuh gegen den Kopf des Untoten, und bei jedem Treffer lockerte sich die Umschlingung ein wenig.

Erst nach einigen Sekunden kam er frei und rollte sich durch den Schnee. Ächzend kam er auf die Beine. Sein Brustkasten fühlte sich an, als wäre er in einen Schraubstock geraten. Jeder Atemzug brachte Tausende von Nadeln in seinen Lungen zum Glühen.

Unkontrolliert taumelte der Geisterdetektiv rückwärts.

Aber er war nicht allein angeschlagen. Auch der Untote stand unsicher auf den Beinen, drehte sich im Kreis und schlug ziellos mit den braun verfärbten Händen durch die eisige Luft.

Fasziniert beobachtete der Geisterdetektiv seinen Gegner. Alles deutete darauf hin, daß der lebende Leichnam die Orientierung verloren hatte, als wäre er von der Silberkugel geblendet worden.

Rick witterte eine Gelegenheit, den Untoten endgültig auszuschalten. Er riß sich zusammen, zog den Handschuh aus und hielt die schimmernde Silberkugel zwischen den Fingern.

Der Geisterdetektiv ging direkt auf den Untoten zu. Doch sobald sich die roten Augen der Mumie auf die Kugel richteten, warf sie sich herum und ergriff die Flucht.

Rick konnte das Ungeheuer nicht verfolgen, da ihm Schneesturm und rasch aufkommender Nebel die Sicht versperrten. Er vermochte gerade noch den Eingang zu ›Charly‹ zu erkennen.

Mit letzter Kraft schleppte er sich zu der Schleuse und hämmerte mit der Faust dagegen. Im nächsten Moment flog das Tor auf. Er taumelte in den Raum, der ein Entweichen der Wärme aus der Station verhindern sollte, und brach in die Knie.

Vom Schließen des äußeren Schleusentors und dem Öffnen des inneren bekam er nichts mehr mit.

*

Ricks erster Gedanke, als er die Augen aufschlug, galt dem Untoten.

»Niemanden in die Station lassen!« rief er heiser. »Auf keinen Fall die Eingänge öffnen!«

Er lag auf einem weichen Bett und starrte zur Decke. Jetzt erschienen in seinem Gesichtskreis zwei besorgte Gesichter.

Mervin Sanders und seine Stellvertreterin.

»Was ist denn da draußen passiert?« fragte Mervin und fuhr sich nervös mit beiden Händen durch seine ungezügelten Haare. »Du hast dich mit letzter Kraft in die Station gerettet und…«

»Mr. Masters!« Lilian Harper unterbrach ihren Chef. »Hat es nur an den extremen Wetterbedingungen gelegen? Oder haben Sie vor ›Charly‹ etwas erlebt, das wir wissen müßten?«

Rick wollte sich hochstemmen, doch die beiden drückten ihn wieder auf sein Bett zurück. Sie hatten ihn in seine Unterkunft getragen und ihn aus dem dicken Overall geschält.

Stockend, mit leiser Stimme und langen Pausen berichtete der Geisterdetektiv, was er erlebt hatte. An den Gesichtern der beiden Verantwortlichen konnte er deutlich ablesen, was sie von seiner Schilderung hielten.

Mervin Sanders glaubte ihm wieder jedes Wort. Lilian Harper schwankte zwischen Unglauben und Entsetzen. Sie war noch nicht soweit, daß sie dem Geisterdetektiv bedingungslos vertraute, aber sie hatte bereits zuviel erlebt, als daß sie seine Berichte als blanken Unsinn abtat.

»Um Himmels willen«, murmelte Mervin Sanders, als Rick geendet hatte. »Der Geheimdienstmann!«

Rick richtete sich auf die Ellbogen auf. »Was ist mit ihm?« fragte er alarmiert.

»Red hat die Station verlassen«, erwiderte Lilian Harper, die ihre gewohnte Kühle sehr rasch verlor. »Er wollte herausfinden, was mit Ihnen da draußen passiert ist.«

»Ich habe ihn extra gewarnt«, rief Sanders verzweifelt. »Er hat nicht auf mich gehört.«

»Das ist typisch, Red!« Rick schwang die Beine vom Bett.

Alles drehte sich um ihn herum, aber als er tief durchatmete, erholte er sich schnell wieder.

»Was willst du tun?« Sanders legte ihm die Hand auf die Schulter, zum Glück auf die nicht geprellte. »Du willst doch nicht etwa auch in diese Schneehölle hinaus…«

»Natürlich, was sonst?« Rick Masters stemmte sich hoch. »Oder glaubst du, ich warte, bis der Untote Red umbringt?«

»Sie sind zu schwach, Mr. Masters«, redete ihm Lilian zu. »Außerdem ist Ihre Sorge überflüssig. Red ist bewaffnet. Und er kann bestimmt gut mit einer Pistole umgehen.«

Rick lachte wütend auf und bückte sich nach seiner Kombination. »Schußwaffen sind völlig wirkungslos«, sagte er und zog sich wieder an. »Ich habe es nicht einmal mit meiner Spezialwaffe geschafft, dieses Ungeheuer zu vernichten.«

»Bleib hier!« flehte Mervin.

Er schien zu fürchten, Rick zu verlieren und damit schutzlos den dämonischen Gewalten ausgeliefert zu sein.

Aber Rick blieb hart. Er betrachtete es als seine Pflicht, dem Geheimdienstmann zu helfen, ob er Red nun mochte oder nicht. Hier ging es um ein Menschenleben. Da hatten persönliche Differenzen zurückzutreten.

*

Als er die äußere Schleusentür öffnete, verstand er, was Lilien gemeint hatte, er sei zu schwach, und weshalb Mervin von einer Schneehölle gesprochen hatte.

Der Schneesturm hatte sich verstärkt. Die Naturgewalten rissen an dem geschwächten Mann und preßten ihn für einige Minuten hilflos gegen die Außenwand von ›Charly‹. Um ein Haar hätte der Geisterdetektiv aufgegeben und wäre in die sichere Station zurückgekehrt, hätte er nicht gewußt, daß irgendwo da draußen Red womöglich um sein Leben kämpfte.

Rick biß die Zähne zusammen. Sehen konnte er fast nichts, als er sich abstieß und einen Rundgang begann. Auf diese Weise konnte er am ehesten den Geheimdienstmann finden.

Er mußte sich jeden Schritt erkämpfen. Ring um ›Charly‹ lag der Schnee bereits hüfttief. Ständig blies der Sturm neue Schneemassen gegen die wissenschaftliche Station.

Nicht genug damit, die Sicht war fast auf Null abgesunken. Zwar hatte sich der Nebel wieder verzogen, das Schneegestöber war jedoch noch schlimmer geworden.

Rick schauderte bei dem Gedanken, er könnte unvermittelt dem Untoten gegenüberstehen. Diesem Wesen aus einer anderen Welt machte das Wetter nichts aus. Rick vermutete, daß die rotglühenden Augen des lebenden Toten dieses Schneechaos mühelos durchdrangen.

Endlich hatte er die Seite der Station erreicht, die den Sturm abhielt. Hier war der Schnee nicht so tief. Von Red hatte er bisher jedoch nicht die kleinste Spur entdeckt.

Die Silberkugel steckte vorsichtshalber bereits in seinem Handschuh, so daß er im Falle von Gefahr nicht lange suchen mußte. Vorläufig war seine Vorsichtsmaßnahme überflüssig.

Er legte eine kleine Verschnaufpause ein. Trotz der beißenden Kälte war ihm heiß geworden.

Da hörte er einen Schuß. Über dem Heulen des Sturms war der Knall deutlich von dem Pfeifen und Orgeln zu unterscheiden.

Gleich darauf noch ein Schuß – und noch einer!

Rick lief weiter. Seine Arme ruderten durch die Luft, als er sich durch den Schnee schob. Es kostete ungeheuer viel Kraft, die Beine jeweils ganz aus dem lockeren Schnee zu ziehen. Sobald er den Fuß auf die blendend weiße Oberfläche setzte, versank er wieder bis zu den Knien oder sogar bis zur Hüfte.

Für einen Moment setzte der Sturm aus. Rick atmete auf. Dicht vor sich erkannte er eine Gestalt.

Die lebende Mumie?

Er sah nur den Rücken. Doch dann wandte sich die Gestalt um.

Es war Red. Und er hielt seine Pistole in der Hand.

Gedankenschnell legte er auf Rick Masters an. Der Geisterdetektiv war so verblüfft, daß er nichts dagegen unternehmen konnte.

Er sah das schwarze Loch der Mündung, stand starr und erwartete den Schuß. Für einen Moment glaubte er, Red wäre von den bösen Geistern beeinflußt worden, ihn, Rick, aus dem Weg zu räumen.

Doch der Agent des Secret Service ließ die Pistole sinken. Im nächsten Moment setzte der Sturm wieder ein. Red war nicht mehr zu sehen.

Rick hatte sich die Richtung gemerkt und ging weiter. Endlich tauchte der Geheimdienstmann vor ihm auf.

Rick packte ihn am Arm und zog ihn in den Windschatten der Station.

»Sind Sie lebensmüde?« schrie er Red an. »Was suchen Sie hier draußen? Kommen Sie sofort zurück in die Station!«

Red schüttelte den Kopf. »Ich hätte den Saboteur beinahe erwischt.«

»Haben Sie geschossen?«

Red nickte. »Ich bin sicher, daß ich auch getroffen habe. Lassen Sie mich los, Masters! Ich muß den Kerl suchen.«

Rick dachte gar nicht daran, den Arm des Agenten freizugeben. »Wie hat er ausgesehen?«

Red runzelte unwillig die Stirn. »Sie halten mich auf, Masters. Wie soll er schon ausgesehen haben? Wie alle Leute, die so verrückt sind, in die Antarktis zu fahren. Einen dichten Pelz und…«

»Das meine ich nicht«, wehrte der Geisterdetektiv ab. »Haben Sie das Gesicht gesehen?«

»Ja, das war merkwürdig. Eingefallene, tief in den Höhlen liegende Augen…«

Red zögerte. Rick wußte sofort, woran er war. Nur der Geheimdienstmann konnte sich keinen Reim auf das Aussehen des vermeintlichen Saboteurs machen.

»Rotglühende Augen, nicht wahr?« fragte Rick Masters. »Aber Sie wollen mir nicht glauben, daß es hier nicht mit rechten Dingen zugeht. Das war eine Mumie, ein wiedererweckter Toter. Red, ich habe gesehen, wie der lebende Leichnam aus dem Eisblock neben dem Eingang gekommen ist. Er hat den Block einfach gesprengt, eine solche Kraft steckt in diesem Untoten.«

Red machte eine wegwerfende Handbewegung. »Sie spinnen, Masters«, schrie er wütend. »Und jetzt lassen Sie mich los! Ich habe eine Aufgabe zu erfüllen, und Sie werden mich nicht daran hindern.«