Der goldene Käfig - Claudia Krause - E-Book

Der goldene Käfig E-Book

Claudia Krause

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Beschreibung

Nach der Hochzeit holt der Alltag die Familie schnell ein und die Euphorie verblasst. Schafft es William, sein Einzelkämpferimage abzulegen und gelingt es Jessica die dunklen Seiten zu überstehen? Das Leben an der Seite eines Stars verlangt ihr einiges ab, doch sie kämpft.

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Seitenzahl: 172

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhaltsverzeichnis

Alltag

Schwierigkeiten

Machtspiele

Neue Pläne

Familienerweiterung

Kommunion

Ausgeknockt

Rücktritt

Flitterwochen

Neuigkeiten

Geheimnisse

Bitte nicht

Normalität

Offiziell

Dunkle Wolken

Der Überfall

Rekonvaleszenz

Rückkehr fraglich

Zurück

Neuer Lebensabschnitt

Dank

Familienerweiterung

Frau, Mutter, Geliebte

Zurück in der Mannschaft

Was ist nur los?

Viktoria

Schulkind

Unschlagbar

Alles in Ordnung?

Das neue Haus

Alltag

-J-

Ein halbes Jahr nach der Traumhochzeit hat uns der Alltag eingeholt. Ich bin vollends mit der Erziehung unserer vier Kinder beschäftigt und stelle mein eigenes ich immer mehr in den Hintergrund. Will hat William nahezu auf Eis gelegt, er trainiert wie ein Besessener, da es in der Liga nicht so läuft, so bleibt für die Kinder und für Zweisamkeit nichts übrig. Wenn ich ehrlich zu mir selber wäre, müsste ich zugeben, dass alles, was unsere Beziehung vor der Hochzeit ausgemacht hat, nahezu verschwindet. Wenn ich William darauf anspreche, weicht er aus oder vertröstet mich auf die Zeit nach den Länderspielen. Die anstehenden Spiele der Nationalmannschaft stellen einen weiteren Schritt zu Will dar. Dank Raphaela kommt keines der Kinder zu kurz, wobei die Größeren schon merken, das Etwas anders ist. Ich beschließe, mit den Kleinen zu meinen Eltern zu fahren und dort die Osterferien zu verbringen. Als ich William davon in Kenntnis setze, nickt er die Entscheidung nahezu unbeteiligt ab, was mich furchtbar wütend macht. Um einem Streit aus dem Weg zu gehen, entziehe ich mich der Situation und bereite das Mittagessen, während mein Mann im Wohnzimmer auf und ab tigert und nur darauf wartet, ins Training zu fahren.

Beim Essen ist die Situation doch eskaliert. Leon fragt seinen Vater, ob er mit uns zu Oma und Opa fährt, was dieser verneint. Unser Sohn sieht ihn entsetzt, aber mit Tränen in den Augen an, bevor es aus ihm herausbricht. „Dann fahren wir halt mit Mama alleine, wir brauchen dich nicht.“ Er stürzt sich in meine Arme und ich ziehe ihn aus dem Raum, bevor ich ihm erkläre, dass sein Papa es nicht böse meint. Danach packe ich die Koffer und versuche, meine Wut unter Kontrolle zu bekommen.

-W-

Das harte Training scheint sich doch auszuzahlen. Wir sind dem Tabellenführer dicht auf den Fersen. Ich zünde mir eine Zigarette an und denke an den Wutausbruch meines Sohnes. Ich würde gerne mit ihnen fahren, jedoch die Spiele der Nationalmannschaft, die ich zwar, während der Saison für unnütz halte, aber für meine Karriere wichtig sind, stehen an und Länderspiele lassen meist keine Zeit für Privates. Mir kommt Jessicas Blick in den Sinn und muss mir eingestehen, dass unsere Beziehung etwas vermissen lässt. Jessica wirkt abends oft müde, aber sie beschwert sich nicht und ich, der Egoist, komme nicht auf die Idee, dass ich etwas ändern sollte. Es ist ja bequem, wenn man nach dem Training in eine funktionierende Familie kommt, die von einer toughen Frau zusammengehalten wird. Ich stehe an der Terrassentür und rauche, als ich Jess zurückkommen höre. Unfähig, sie anzusehen, wappne ich mich den Vorwürfen. Von ihr kommt nur ein leises „William“ und ich drehe mich doch um.

-J-

„Ist es jetzt angekommen?“, frage ich ihn, „oder brauchst du noch mehr?“ Er zuckt zusammen, reagiert aber weiterhin nicht. „Du sonderst dich immer mehr von uns ab und wenn du zuhause bist, siehst du ständig auf die Uhr, als könntest du es nicht erwarten, von hier wegzukommen. Die Fortschritte der Zwillinge bekommst du nur über sms mit- wenn du die überhaupt liest. Ich dachte, wir wären wichtig für dich“, meine Stimme bricht. Er sieht weiterhin in die andere Richtung, antwortet aber kurz darauf. Natürlich seid ihr wichtig für mich, doch meine Karriere...“ „Na klar, die geht natürlich vor“, presse ich hervor und wende mich ab. Autsch, das hat gesessen, aber mehr schmerzt es, dass er weiter regungslos stehen bleibt. Das Läuten seines Handys reißt ihn aus der Erstarrung und lässt mich innehalten. „Nein, ich fahre am Freitag mit meiner Familie zu meinen Schwiegereltern und stoße am Samstagabend zu euch. Darüber diskutiere ich nicht.“ Er dreht sich doch zu mir und meint: „Zufrieden?“ Ich zucke mit den Schultern und verlasse den Raum. Abend liegen wir wie Fremde in unserem Ehebett und die Fahrt zu meinen Eltern verläuft in eisiger Stille. Mum sieht mich fragend an, doch ich schüttle den Kopf und sie fragt nicht nach.

-W-

Die Wut in den Augen meines Sohnes hat etwas in mir ausgelöst. Und Jessicas Worte haben mich getroffen. Toll gemacht, Will. Das ist neuer Rekord, in nur sechs Monaten hast du deine Beziehung an die Wand gefahren. Ich versuche, die Zeit, die mir bleibt mit den Kindern zu verbringen und sauge jeden Ansatz von Lächeln meiner Frau auf. Leider vergeht der Samstag zu schnell und als ich mich auf den Weg ins Hotel machen will, treten Leon erneut Tränen in die Augen. „Nicht weggehen Papa“, fleht er und ich sende einen hilfesuchenden Blick in Richtung von Jess. „Wir besuchen Papa im Training“, verspricht diese, doch mein Sohn stürzt sich in die Arme seiner Großmutter, die mich mit einem undurchdringlichen Blick mustert und dann den Kleinen davonzieht. Ich fahre mit schlechtem Gewissen ins Hotel, wo ich vom Trainer in der Halle erwartet werde. Sein Blick, kalt und wütend, verheißt nichts Gutes, aber ich bin zu aufgebracht, um diplomatisch zu sein. Als er mich anspricht, gehe ich sofort in Konfrontation. „Ich bin doch jetzt da, also nur kein Streß“, presse ich hervor und dränge mich an ihm vorbei, doch er hält mich fest.

Schwierigkeiten

-J-

Das Läuten meines Handys reißt mich aus dem Grübeln. „Jessy, du solltest herkommen, Will wirft hier gerade seine Karriere weg. Bitte“, höre ich Martin verzweifelt. Mein Vater erklärt sich sofort bereit zu fahren und ich stürze zehn Minuten später in die Lobby, wo ich laute Stimmen höre. Eine davon ist definitiv Williams und ich stehe kurz darauf vor den beiden Männern. „Ich habe eine gemeinsame Anreise angeordnet, ich dulde keine Ausnahmen“, vernehme ich vom Trainer und er antwortet nur mit einem „Ach, l... mich doch.“ Ich wende mich an meinen Mann: „William, beruhige dich doch. Was ist denn los?“ Er reagiert nicht und mir wird plötzlich bewusst, dass nicht William vor mir steht. So hole ich tief Luft und lege meine Hand auf seinen Oberkörper. „Will,sieh mich an, mach dir nicht alles kaputt. Bitte beruhige dich doch.“ Jetzt reagiert er, atmet tief ein und stößt hervor: „Jess, Liebling, du bist hier.“ „Natürlich bin ich hier. Atme ruhig durch“, ich stehe zwischen den Männern und sehe in Richtung des Trainers. „Geben sie mir bitte etwas Zeit, ich fürchte, das ist meine Schuld.“ Er schnaubt, lässt uns aber allein. Ich ziehe William in sein Zimmer und fange ein weiteres Mal an. „Alles o.k.? Was zum Teufel ist denn in dich gefahren? Willst du dir alles kaputt machen?“ Er steht mit verschränkten Armen vor mir und wirkt auf einem Schlag wie Leon. „Das habe ich doch längst- ich stoße dich und die Kinder von mir, nur wegen...“ Ich lächle ihn an. „William, die Kinder und ich wir lieben und brauchen dich. Aber deshalb musst du nicht alles um dich werfen. Du solltest dich vielleicht entschuldigen.“ „NEIN! Ich habe mir nichts vorzuwerfen. Nur weil ich nicht mit der Mannschaft angereist bin“, jetzt klingt er wie unser fünfjähriger Sohn. Ich hole tief Luft: „Aber dir fällt doch kein Zacken aus der Krone. Oder meinst du es ernst, dass du nicht mehr in der Nationalmannschaft spielen willst?“ „Ich weiß es nicht, zumindest nicht um jeden Preis. Ich will nicht, dass mein Sohn weint---und du, warum hast du nicht etwas gesagt?“ „Wozu? Du weißt, ich halte dir den Rücken frei.“ Er zieht mich so schnell in seine durchtrainierten Arme, dass ich ins Straucheln gerate, und er greift fester zu. Sein Kuss ist stürmisch und ich erwidere diesen mit derselben Leidenschaft. „Wartest du hier? Bin gleich wieder da“, presst er hervor und verlässt den Raum. In den fünf Minuten bis er wieder kommt, versuche ich zu Atem zu kommen und schreibe Dad eine kurze sms. „Ich bleibe hier.“ Kaum ist er zurück, zieht er mich erneut in seine Arme und fährt mit den Händen unter mein Kleid. Im Nu stehe ich in Dessous vor ihm, William schmunzelt und greift nach dem Verschluss des BHs. Die Nacht ist phantastisch. Am Morgen finde ich ein Frühstück neben mir stehen und eine kleine Notiz „Danke ich liebe dich- W.“ Ich schlüpfe aus dem Bett, verschwinde unter der Dusche und esse in Höchstgeschwindigkeit. Danach versuche ich, unbemerkt aus dem Hotel zu kommen, was mir vermeintlich gelingt, doch kurz bevor ich ins Taxi schlüpfe, spüre ich Williams Arme um mich. Sein Kuss ist ein einziges Versprechen. „Ich versuch hier wegzukommen oder du kommst wieder zu mir.“

-W-

Ich helfe ihr ins Auto und wende mich um. Martin steht hinter der Tür und grinst. „Danke“, grinse ich zurück. „Ich dachte, sie ist die Einzige, die dich wieder zur Vernunft bringen kann“,meint mein Freund, „und offensichtlich hatte ich Recht.“ Feixend betreten wir den Teamraum, wo mich der Trainer kurz mustert, bevor er uns den Terminplan in die Hand drückt. „Puh, nicht sehr familienfreundlich. Meine Freundin ist sicher begeistert“, stöhnt Martin auf. „Die Familie bestimmt auch“, murmle ich und stelle mir Leons Blick vor, „da muss mir etwas einfallen.“Bevor das Training startet, haben wir zehn Minuten Zeit zum Telefonieren und wie vorhergesehen, ist meine Familie nicht begeistert, aber Jessica kommt am Abend „verbotenerweise“ ins Hotel. Ihre Eltern und Raphaela kümmern sich rührend um ihre Enkelkinder, was das schlechte Gewissen etwas mildert. Gegen 21.30 Uhr verschwinde ich aus dem Teamraum. Martin folgt mir. „Auch ein Date?“, fragt er leise und ich nicke. Beide Frauen erwarten uns, versteckt in einer Nische und kichernd wie Teenager schleichen wir in unsere Zimmer. Jessica verschwindet im Bad und erscheint kurz darauf in einem sündhaften Neglige, das mir den Atem nimmt. „Neu?“, frage ich atemlos und sie grinst. Langsam schlendert sie auf mich zu und greift nach dem Reißverschluss meiner Trainingsjacke. Es fällt mir schwer, die Hände von ihr zu lassen, aber ich reiße mich zusammen und überlasse ihr die Führung. Und sie lässt sich Zeit, verdammt lange Zeit. Ich lächle, die Frau vor mir hat Ähnlichkeit mit der, die ich geheiratet habe. Ich kann nicht mehr und werfe sie auf das Bett. Jess entfährt ein leises Quieken, das ich sofort mit einem stürmischen Kuss unterbinde. „Gibt es Ärger, wenn man mich hier erwischt?“, fragt sie gepresst. „Und wenn?“, meine Karriere ist mir im Moment so etwas von egal, „soll er mich doch rauswerfen, wenn er sich das leisten kann.“ Ich will sie erneut an mich ziehen, aber sie weicht zurück. Ich sehe sie erstaunt an.

-J-

„Will“, ich versuche soviel Ernsthaftigkeit, wie es im Moment möglich ist, in meine Stimme zu legen. Er sieht mich fragend an. „Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder? So kurz vor der WM alles hinzuwerfen.“ „Wenn meine Familie darunter leidet, schon. Aber mehr als eine Geldstrafe wird es nicht werden. Er kann es sich nicht leisten, mich nicht aufzustellen.“ „Ganz schön eingebildet. Aber mal im Ernst, er sieht nicht so aus, als würde er sich die Insubordination gefallen lassen. Wir sollten vorsichtig sein.“ „Jess?“, ich sehe ihn an und rutsche ein Stück näher, „Du hast mir den Arsch gerettet. Ich habe viel zu spät gemerkt, dass Will die Überhand bekommen hat. Kannst du mir das nächste Mal bitte früher Bescheid geben?“ Ich denke an die vielen, vergeblichen Versuche, murmle ein „Mmh“, an seiner Brust und schicke meine Lippen auf Wanderschaft. Er stöhnt qualvoll auf, wirft mich dann auf den Rücken und dringt in mich ein. Langsam bewegt er sich in mir, bis ich meine, es keine Minute mehr aushalten zu können und wir erreichen gemeinsamen einen explosiven Höhepunkt. Erschöpft liege ich in seinen Armen. „Kommst du morgen zum Spiel?“, fragt er und seine raue Stimme sorgt erneut für Verlangen. „Ja, Dad, ein paar Freunde und ich kommen. Dad kann so endlich seinen Schwiegersohn anfeuern, ohne Verrat an seinem Verein zu betreiben.“ Es wird eine lange Nacht in der Gespräche und das Stillen körperlichen Verlangens sich abwechseln. Um 6:30 klingelt der Wecker und William verschwindet im Bad. Ich würde gerne liegen bleiben, doch das Risiko entdeckt zu werden ist zu groß. Missmutig angle ich nach meiner Kleidung und schleiche nach einem kurzen Kuss aus dem Zimmer. Vor dem Aufzug stoße ich auf Martins Freundin Beatrice. Verschwörerisch lächeln wir beide und gelangen unbemerkt aus dem Hotel.

-W-

Unter der Dusche denke ich an das Gespräch von letzter Nacht zurück. Bin ich allen Ernstes bereit, die Nationalmannschaft aufzugeben? Bis vor einem Jahr schien das undenkbar. Aber die Situation hat sich völlig geändert. Die Kinder werden größer und Jessica? Sie verzichtet für meine Karriere auf eine Menge - die versprochene Hochzeitsreise zum Beispiel. Wenn ich die WM sausen lasse, könnten wir endlich nach Venedig reisen. Aber meine Frau hat deutlich gemacht, dass sie nicht möchte, dass ich die Karriere aus diesem Grund beende. Ich schlüpfe in die Trainingsklamotten, die sich fremd anfühlen, und will das Zimmer verlassen, als es klopft. Ich öffne die Tür und sehe in Martins grinsendes Gesicht. „Schon allein?“, flüstert er. Ich knuffe ihn spielerisch und grinse zurück: „Schon, und du?“ Blödelnd kommen wir in den Frühstücksraum, wo unsere Mannschaftskollegen vollständig versammelt sind. Die Laune ist etwas angespannt, was an dem anstehenden Spiel liegen kann. Martin und ich, mit die Ältesten, bemühen uns darum, nicht zu gut aufgelegt zu erscheinen. Der Tag schleicht dahin und als es nach der letzten Teambesprechung um die Aufstellung geht, vergeht mir das Lachen ebenfalls.

Machtspiele

-J-

„Sag mal, der tickt doch nicht mehr ganz sauber“, höre ich meinen Vater ausrufen, als die Aufstellung bekannt gegeben wird. „Seine Art von Macht“, murmle ich und versuche ein Lächeln, „ist ja nur ein Freundschaftsspiel.“ Doch ein Großteil der anderen Zuschauer ist mit der Auswechslung von Will nicht zufrieden. Ein, etwas unsportliches Pfeifkonzert ertönt, als der junge Torwart ins deutsche Tor geht. „Der nimmt die Österreicher nicht ernst“, höre ich, „wenn er das verliert, wird es Zeit zu gehen, wie kann man den Routinier Karl auf die Bank setzen?“ Ich bin froh, dass ich mich hinter der Sonnenbrille verstecken kann, aber leider besitze ich dabei nicht soviel Routine und mein Trikot, trägt nicht unbedingt dazu bei, anonym zu bleiben. Plötzlich umringt uns eine Traube von Reportern. „Was halten sie von der Auswechslung ihres Mannes? Haben sie davon gewusst?“ Jetzt nur nichts Falsches antworten: „Man hat sich sicher etwas dabei gedacht. Auch wenn es mir lieber gewesen wäre, wenn mein Mann spielen würde. Vielleicht gönnt er dem Jungen etwas Spielpraxis.“ Für den Moment scheinen sie sich damit zufrieden zugeben, und wir können das Spiel betrachten. Das Pfeifkonzert begleitet jede Aktion des Torwartes und er wird zunehmend nervöser. So steht es relativ schnell 0:2. Martin wirkt ebenfalls nicht so souverän wie gewohnt. In der Halbzeit hört man dann, zuerst einzelne, später vermehrte „Will-Karl- Rufe“, doch der Bundestrainer macht nicht den Anschein, seine Meinung zu ändern. Im Gegenteil er wechselt Martin aus. Nach dem 0:4 verlassen viele Zuschauer erbost das Stadion. Die Verbliebenen schwenken jetzt auf „Trainer raus-Rufe“ um und zu meinem Erstaunen ist Dad einer von ihnen. Kurz vor Spielende bemerke ich eine Bewegung auf der Bank. William streift seine Stutzen ab und verlässt den Innenraum. Ich erhebe mich ebenfalls. Was hat er vor? Der Ordner lässt mich lächelnd zum Spielertrakt durch und ich erreiche meinen Mann, kurz bevor er die Kabine betritt. Sein Gesichtsausdruck spricht Bände, doch als er mich an sich zieht, lächelt er. „Wir haben zehn Minuten. Lust auf einen Quicky?“ Ich steige darauf ein und wir fügen der Liste „Sex an ungewohnten Orten“ einen Ort hinzu. Kurz vor Spielende verschwinde ich aus der Kabine und schleiche schüchtern lächelnd mit einem Trikot von Will samt Autogramm zum Ordner. „Danke“, flüstere ich ihm zu und drücke ihm das Präsent in die Hand. Er lässt es blitzschnell verschwinden und meint laut: „Auch wenn sie seine Frau sind, ich darf sie nicht durchlassen.“ Ich drehe mich um und stehe dem Bundestrainer gegenüber. „War ja nur ein Versuch- danke“, murmle ich und entferne mich. Mein Vater wartet: „Und, was hat er gesagt?“ „Naja, geredet haben wir nicht viel, aber er ist o.k.“

-W-

Als die Mannschaftskollegen eintreffen, stehe ich schon lächelnd unter der Dusche. Es gelingt mir sogar, über meinen Schatten zu springen und zu dem Torwartkollegen zu treten. „Mach dir nichts draus, da mussten wir alle durch.“ „Ach ja?“,murmelt er, „so wenig Unterstützung vom Publikum hatte ich noch nie. Den Liebling Will Karl zu ersetzen ist wohl nicht so einfach.“ „Quatsch, Nürnberg ist nur die Heimat meiner Frau, deshalb haben sie wahrscheinlich mich gefordert“, wow, wie einfach die Lüge über die Lippen geht. „Mal sehen, ob ich die Freunde meines Schwiegervaters noch erreiche“, lächle ich in Richtung des Trainers und verlasse den Kabinentrakt. Rolf, Ben, Jess und ein paar Freunde warten tatsächlich auf mich. Die Herzlichkeit, die mir entgegenschlägt, verblüfft mich ein wenig. Als der Trainerstab uns entgegenkommt, löst sich die Gruppe kurz von mir, um dem Trainer Unverstand und Ähnliches entgegenzuschleudern. Ich weiß, ich sollte intervenieren, doch in dem Moment küsst mich meine Frau und ich blende das Umfeld aus. Der der heutige Tag hat das Standing nicht verbessert, doch es ist mir egal. Auf dem Weg ins Hotel ruft unser Trainer an, angeblich nur, um sich zu vergewissern, dass ich nicht verletzt bin. „Nein, mir geht es gut. Ich erzähle es dir, wenn wir wieder zurück sind“,versuche ich ihn zu beruhigen, wissend, dass der Auswechselgrund im Verein für Diskussionen führen wird. Unser Trainer ist ein Gegner von Länderspielpausen und stellt uns Spieler nur widerwillig an. Und für Strafversetzungen hat er ebenso wenig übrig, wie für unprofessionelles Verhalten von uns Aktiven. Doch ich bin wie berauscht von unserem Quicky, so dass mir das relativ wenig ausmacht. Martin sieht mich fragend an: „Alles o.k.? Ich dachte, das würde dich wütend machen. Also mich hat die Auswechslung schon angefasst, aber gar nicht spielen...?“ Ich lächle in seine Richtung: „Nun ja, ich glaube einfach, meine Prio liegt nicht mehr in dieser Mannschaft. Ist doch alles relativ sinnfrei- mitten unter der Saison zwei Wochen Länderspielpause, um Freundschaftsspiele zu bestreiten. Nach der WM ist für mich Schluss, wenn nicht schon vorher.“ Ich bin mir durchaus bewusst, dass der Torwarttrainer in der Reihe vor mir sitzt, und so rede ich genauso laut, dass er es mitbekommen kann. Jetzt ist es raus, der Trainer weiß es sicher bald. Zuerst einmal bekommen wir am nächsten Nachmittag frei. Ich tippe Jess eine sms „Bin morgen mittag bei euch-HDL- W.“ Den Abend verbringen Martin und ich mit den zwei weiteren älteren Kollegen an der Bar. Meine Rücktrittsgedanken machen schnell die Runde und stoßen oft auf Unverständnis.

-J-

Die Kinder sind begeistert, dass ihr Vater den Nachmittag mit ihnen verbringen wird, so dass sie schnell in ihren Betten verschwinden. Ich liege in meinem Zimmer und lausche auf die Atemgeräusche der Zwillinge, die am Fußende in ihren Kinderbetten schlafen. Raphaela schläft im ehemaligen Spielzimmer, das durch Verbindungstüren von unseren Zimmern erreichbar ist. Ich spüre die Wunde auf meiner Wirbelsäule, die durch den Verschluss des Spindes entstanden ist. Außerdem habe ich unter der Dusche etliche blaue Flecken entdeckt, die die Heftigkeit unseres Sexlebens beweisen. Meine Gedanken kehren zur Kabine zurück. Der Sex hatte nichts Erotisches, sondern zeigte seine Verzweiflung deutlich, dennoch habe ich es genossen. Das Ziehen im Unterleib verstärkt sich und ich zwinge meine Gedanken in eine andere Richtung, um einschlafen zu können. Im Traum steht Will vor mir und wirft mir vor, seine Karriere zerstört zu haben. Mit einem Schrei erwache ich und mein erster Blick geht zu den Zwillingen. Die schlafen ungerührt weiter, nur Raphaela klopft kurz darauf an die Tür. „Sind sie in Ordnung, Jessica?“, fragt sie. Ich versuche, meinen stoßweisen Atem zu beruhigen, bevor eine Antwort möglich ist: „Ja, danke, alles gut. Ich habe nur schlecht geträumt.“ „Soll ich die Zwillinge zu mir nehmen? Sie wissen, es macht mir nichts aus,“ bietet sie an, doch ich schüttle