Der große Raubzug - Alexander Dill - E-Book

Der große Raubzug E-Book

Alexander Dill

0,0
15,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Wer ist eigentlich für die deutschen Verluste in der sogenannten Weltfinanzkrise verantwortlich? Und wer sind die Gewinner? Mit kriminalistischem Spürsinn geht Alexander Dill diesen Fragen nach. Er stößt auf verschwiegene Zirkel von Politikern und Bankern, die bereits seit Jahren die Sanierung des deutschen Staatshaushaltes verhindern und stattdessen immer tiefer in die Staatskasse greifen. Als »Marktfreie«, so Dill, können sie dies unbeschwert tun, da sie keinerlei persönliche Risiken für die Milliardenverluste tragen. Am Ende sind die Geldempfänger jene, die seit 1999 verlangt haben, dass sich staatliche Banken als internationale Spekulanten das Geld verdienen sollen, das eigentlich zur Förderung des deutschen Mittelstandes vorgesehen war.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 224

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Alexander Dill

Der große Raubzug

Alexander Dill

Der große Raubzug

Wie im Windschatten der Weltfinanzkrise die deutsche Staatskasse geplündert wird

FinanzBuch Verlag

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Lektorat und Korrektorat: Marion Reuter Layout, Satz und Druck: Druckerei Joh. Walch, Augsburg

Alexander Dill · Der große Raubzug 1. Auflage 2009 © 2009 FinanzBuch Verlag GmbH Nymphenburger Straße 86 80636 München Tel.: 089 651285-0 Fax: 089 652096

Alle Rechte vorbehalten, einschließlich derjenigen des auszugsweisen Abdrucks sowie der fotomechanischen und elektronischen Wiedergabe. Dieses Buch will keine spezifischen Anlageempfehlungen geben und enthält lediglich allgemeine Hinweise. Autor, Herausgeber und die zitierten Quellen haften nicht für etwaige Verluste, die aufgrund der Umsetzung ihrer Gedanken und Ideen entstehen.

Den Autor errreichen Sie unter:[email protected]

ISBN 978-3-89879-489-3

Weitere Infos zum Thema:www.finanzbuchverlag.de Gerne übersenden wir Ihnen unser aktuelles Verlagsprogramm

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

480 Milliarden in fünf Tagen – Das größte Geldwunder der deutschen Geschichte

Geldempfänger I: Die Hypo Real Estate

Geldempfänger II: Das bayerische Desaster

Geldempfänger III: Die IKB und Jörg Asmussen

Geldempfänger IV: Die WestLB

Geldempfänger V: Initiative Finanzstandort Deutschland

Geldempfänger VI: Deutsche Bank

Geldempfänger VII: Commerzbank und Dresdner Bank

Warum es in Deutschland keine Finanzaufsicht mehr gibt

Die Gewinner der Weltfinanzkrise

Wer die Anleihen bekommt

Der Staatshaushalt als Ponzi-System

Das Märchen von der Mittelstandsförderung

Die Lügen des Finanzministeriums

Nur einer wusste es

Das Versagen der deutschen Volkswirtschaftler

Marktwirtschaft – aber bitte nur für die anderen

Wann ist eine Regierung korrupt?

Warum gerade unter Rot-Grün?

Liste der Hauptverantwortlichen

Vergib ihnen, denn sie wussten nicht, was sie tun

Die fünf Irrlehren der Volkswirtschaft

Die Irrlehre vom »Wirtschaftssystem«

Die Irrlehre vom Wachstum

Die Irrlehre vom Markt

Die Irrlehre von Angebot und Nachfrage

Die Irrlehre vom globalen Wettbewerb

Wie eine einzige Reform den Staatshaushalt sanieren könnte

Literaturverzeichnis

Anmerkungen

Sach- und Personenregister

Danksagung

Über den Autor

Vorwort

Hubertus Heil, Generalsekretär der SPD und studierter Politikwissenschaftler sah mich entgeistert an: »Das ist ein schwerwiegender Vorwurf«, sagte er, als ich ihm kürzlich in Frankfurt meine Thesen vortrug.

In der Tat, die hier aufgestellten Thesen sind starker Tobak für all jene, die bisher glaubten, Deutschland sei nur ein Opfer einer Bande von gewissenlosen internationalen Heuschrecken-Bankern, den Verursachern der sogenannten Weltfinanzkrise. Was wird dagegen hier behauptet?

Die Verluste der deutschen Banken sind völlig hausgemacht und das Resultat eines strukturellen Misstrauens des deutschen Beamtenstaates gegen den eigenen Mittelstand. Fast alle Verantwortlichen für die Milliardenverluste sind Funktionäre der drei Regierungsparteien SPD, CDU und CSU. Die Zahlung von 480 Milliarden Euro aus Steuermitteln zur Deckung der Spekulationsverluste ist der Höhepunkt eines jahrzehntelang währenden Raubzuges, der der deutschen Staatskasse gilt. Diese ist nur deshalb notleidend, weil ein Großteil der öffentlichen Mittel dazu verwendet wird, eine große Gruppe von Marktfreien (Bürger, die weder Sozialabgaben leisten müssen noch den Widrigkeiten des Marktes ausgeliefert sind, insbesondere Beamte und Erben) auf Kosten der Marktteilnehmer abzusichern und von Steuern und Sozialabgaben freizustellen. Damit hat sich die soziale Marktwirtschaft in eine Feudalgesellschaft verwandelt, in der der Großteil der Arbeitenden für die Marktfreien und deren Altersversorgung sowie für die daraus resultierenden Staatsschulden arbeiten muss. Diese Form der dauerhaften Umverteilung von unten nach oben unter dem Schutz des Gesetzes verdient die Bezeichnung korrupt.

Zum Beleg dieser Thesen werden zahlreiche Äußerungen und Dokumente der Beteiligten zitiert. Damit sich der Leser und Kritiker ein eigenes Bild von den Hintergründen der deutschen Finanzkrise machen kann, werden alle Dokumente als PDF im Internet zum Download bereitgestellt (www.finanzbuchverlag.de/dill). So wird es möglich, sich ein umfassendes eigenes Bild davon zu machen, wie deutsche Beamtenbanker als Big Player auf den internationalen Finanzmärkten mitspielen wollten und als die Lachnummer Stupid German Money endeten.

Man mag meine kritischen Interpretationen vielleicht nicht immer teilen, aber das Archiv gibt die Möglichkeit, sich selbst ein Bild von den Quellen zu machen.

Schließlich geht es mir nicht nur um die Aufdeckung der Missstände und die Benennung der Verantwortlichen, sondern darum, deutlich zu machen, dass nur eine grundlegende Änderung unseres Steuer- und Sozialsystems wieder eine Rückkehr zu den Wurzeln des demokratischen Bürgerstaates ermöglicht.

Einen solchen Vorschlag unterbreite ich hier.

Nur wenn alle Bürger, Arme wie Reiche, wieder Vertrauen in den Staat haben können, wird Deutschland den Staatsbankrott vermeiden können und mit der Besinnung auf die bescheidenen Tugenden des Mittelstandes auch größere Finanz- und Exportkrisen meistern können.

Dr. Alexander Dill im Februar 2009

480 Milliarden in fünf Tagen – das größte Geldwunder der deutschen Geschichte

Wie das Finanzmarktstabilisierungsgesetz unter Umgehung von Haushaltsordnung und Grundgesetz verabschiedet wurde

Haben Sie oder Ihnen bekannte Unternehmer schon einmal Kredite, Fördermittel oder Bürgschaften bei einer der Landesbanken oder bei der Staatsbank Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) beantragt?

Oder bei einer normalen Geschäftsbank? In der Regel werden dafür umfangreiche Unterlagen verlangt, insbesondere ein Geschäftsplan für die nächsten drei bis fünf Jahre, aus dem hervorgeht, wie man gedenkt, das Geld zurückzuzahlen. Die Bearbeitung dieser Unterlagen bis zur Auszahlung dauert mindestens sechs Monate. Die Förderbeamten der KfW mit ihrem Programm »Unternehmerkapital«1 gehen sogar von einem Jahr aus, wenn man die wertvollste Kapitalform, nämlich Eigenkapital bekommen möchte, für das der Kapitalgeber haftet.

Nur mit Eigenkapital lassen sich weitere Kredite beantragen oder Anleihen und Aktien ausgeben, die weiteres Geld ins Unternehmen bringen.

Eigenkapital wird in der Bilanz ausgewiesen und ist der wichtigste Faktor bei der Bewertung eines Unternehmens.

In den Trainings für angehende Selbstständige steht deshalb das Aufstellen eines kaufmännisch qualifizierten Geschäfts- oder Businessplans im Mittelpunkt.

Selbst die kleinsten Selbstständigen werden pädagogisch betreut und sollen einfache Grundfragen beantworten wie:

Wozu brauche ich das Geld eigentlich? (Geschäftskonzept)

Brauche ich überhaupt das ganze Geld? (Ausgabenplan)

Wann brauche ich das Geld? (verschiedene Szenarien)

Wann und wie zahle ich das Geld zurück? (Einnahmeplan und Tilgung)

Wer nun diesen Satz »Ein Haushalts- oder Wirtschaftsplan wird nicht aufgestellt« liest2, wird sich fragen, ob es so günstig ist, mit dieser Maxime gleich 480 Milliarden Euro zu beantragen. Überraschung: Es geht nicht nur, sondern der Satz ist Absatz 3 in § 11 des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes vom 17. Oktober 2008. Dieser Satz steht nicht etwa im Brief eines autonomen Kulturhauses an einen Kultursenator, sondern im Bundesgesetzblatt!

Und das Gesetz wurde nicht von hausbesetzenden Anarchisten unterschrieben, die sich 50.000 Euro für die Renovierung ihres besetzten Hauses wünschen, nicht von einem Hartz-IV-Empfänger, der für die Anschaffung einer Waschmaschine nachweisen muss, dass er diese auch außerhalb des Ladens gebraucht für 100 Euro bekommt und dafür einen schriftlichen Voranschlag einreichen muss, sondern von Justizministerin Zypries, Bundeskanzlerin Merkel, Finanzminister Steinbrück und dem wohl gestandensten und seriösesten Banker, den Deutschland aufzuweisen hat: Horst Köhler, ehemals Präsident des Deutschen Sparkassenverbandes, ehemals Präsident des Internationalen Währungsfonds, heute Bundespräsident.

Wie konnte es so weit kommen?

Wie kann eine Regierung, die für Kleinstbeträge Polizei und Zoll, Gerichtsvollzieher und Vollstreckungsstellen auf die Jagd schickt, bei der Vergabe von 480 Milliarden Euro ein solches Gesetz verabschieden? Und wie kann sie dabei alle Regeln kaufmännischen oder gar treuhänderischen Wirtschaftens – das Geld, das die Regierung hier vergibt, gehört ja den deutschen Steuerzahlern beziehungsweise deren Kindern, die es zurückzahlen müssen! – außer Kraft setzen?

Die bisherigen Antworten auf diese Frage waren folgende:

Die Regierung musste so handeln, um einen Zusammenbruch des deutschen Bankensystems zu verhindern. Der Zusammenbruch drohte, weil Fehlspekulationen mit Hypothekendarlehen Verluste verursachten, die die Banken in die Insolvenz getrieben hätten.

Man könnte nun sagen: Toll, die Regierung handelt in einer sogenannten Finanzkrise genauso unbürokratisch und schnell wie hoffentlich bei einer Flutkatastrophe oder bei einem Erdbeben. Peer Steinbrück steht sozusagen in der Flut maroder Finanztitel wie weiland Helmut Schmidt 1962 an der Außenalster, als die Hansestadt überflutet war.

Die »Weltfinanzkrise« als Naturkatastrophe? So zumindest wird sie von Politikern und Wirtschaftsführern, aber auch von Medien gerne bezeichnet.

Da gibt es dann darwinistische Interpretationen, wie »Der Markt wird durch die Krise bereinigt« und geht daraus »gestärkt« hervor. Dann gibt es die zyklische Betrachtung, die Krise sei ein Tsunami, der dann eben vorbeigehe. Es habe schon immer Krisen gegeben, 1929 zum Beispiel. Oder, so die allerklügsten Kommentatoren, die Krise zeige nur, dass wir bessere Gesetze, mehr Aufsicht und neue Behörden brauchen, die neue Finanzgesetze verabschieden und überwachen. So wird die Finanzkrise zur Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für etwa 50.000 deutsche Finanzbeamte im Bundesfinanzministerium, in der Bundesbank und in den Landesbanken sowie für die Mitglieder des gerne als »Fünf Wirtschaftsweise« bezeichneten Sachverständigenrates zur Begutachtung der Gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die offensichtlich seit 1971 alle geschlafen haben.

In diesem Jahr nämlich wurde mit dem sogenannten BrettonWoods-Abkommen die Goldparität des Dollars abgeschafft.

Ob dies, wie einige Fachleute sagen, zur Finanzierung des Vietnamkriegs geschah, oder – was eigentlich gleichbedeutend ist – als Freibrief für das Gelddrucken in New York dienen sollte, sei dahingestellt.

Die Bundesrepublik Deutschland begann erst im Jahr 1960, die Grundsätze kameralistischer Haushaltsführung zu verlassen und – wenn auch im bescheidenen Ausmaß – Schulden aufzunehmen. Die »harte D-Mark« war bis zu ihrer Abschaffung im Jahr 2002 selbst dann noch ein Symbol für eine gesunde Währung, als die deutsche Staatsschuld bereits die magische Marke von 1 Billion Mark überschritten hatte.

Aber keine der Schuldenaufnahmen bewegte sich außerhalb des Haushaltsplans des Bundes, und selbst die Mindereinnahmen aus Steuervergünstigungen seit 1964 werden vom Bundesfinanzministerium in einem 163 Seiten langen Bericht auf den Euro genau aufgelistet.3 Zwar lässt sich aus diesen Vergünstigungen nur ein kleiner Teil der Bundesschuld ableiten (worauf wir später noch kommen werden), aber zumindest gibt es noch einen Zusammenhang zwischen Bundeshaushalt und Bundesschuld.

Was aber, wenn die sogenannte Finanzkrise keine unvorhersehbare Naturkatastrophe war? Wenn Beamte und Wirtschaftsforscher systematisch Falschinformationen über das Wirtschafts- und Finanzsystem verbreitet haben, wenn in Jahrzehnten in Zusammenspiel von Regierung und Finanzwelt ein System von Korruption geschaffen wurde, das sich gerade in dieser Krise am besten bewährt und dem die Finanzkrise höchst gelegen kommt?

Oder, ganz anders gefragt: Qui bono? An wen gehen eigentlich die 480 Milliarden?

Wie mir Susanne Mehldorn, die aus der Bundesbank abgestellte Beamtin und Pressesprecherin des SoFFin (Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung) mitteilte, wurden die 80 Milliarden, die der SoFFin noch für »Risikoübernahme durch Erwerb von Problemaktiva«4 in petto hat, bisher nicht beantragt (Stand 12.02.2008).

Den Antragstellern erscheint es begreiflicherweise viel interessanter, zunächst die Garantien für das Eigenkapital zu bekommen, als unter hohem Verlust einen Problemkreditnehmer an den deutschen Steuerzahler zu schicken.

Der SoFFin hat ein fast unwiderstehliches Angebot gemacht, sodass selbst gesunde Geschäftsbanken – wie etwa die Deutsche Bank – unter dem Druck der eigenen Aktionäre stehen, es anzunehmen.

»Her mit der Staatsknete!«, rufen nun all jene, die über Jahrzehnte die Privatisierung aller staatlichen Unternehmen und die Deregulierung der Finanzmärkte forderten, die über die hohe Steuerbelastung klagten, verursacht durch einen gierigen und verschwenderischen Staat. Nun stehen sie alle in der ersten Reihe bei »Hartz V«, wo jeder Empfänger – wie erwähnt ohne Wirtschafts- oder Haushaltsplan – gleich mehr als eine Milliarde abrufen kann.

Noch nie hat ein Staat einigen Bürgern ein derartiges Angebot gemacht und über jede demokratische Kontrolle hinweg in einem Sondergesetz – man könnte auch sagen: Ermächtigungsgesetz – die Bereitstellung dieser unvorstellbaren Summe verfügt. Die Worte zur Verabschiedung dieses Gesetzes des ursprünglich einmal von den deutschen Bürgern gewählten Bundestages sollen hier durchaus in voller Länge zitiert werden, denn sie kennzeichnen wie die deutsche Wiedervereinigung eine historische Zäsur: Erstmals spielen die bisherigen Gesetze der Bundesrepublik Deutschland keine Rolle mehr. Sie sind nur noch lästiges, zu beseitigendes Beiwerk, wie man der hier veröffentlichten Mitteilung des Deutschen Bundestages5 entnehmen kann (Achtung, das ist keine Satire!).

Kurzer Verfahrensweg beim Finanzmarktstabilisierungsgesetz – Wie der Bundestag ein Gesetz schnell auf den Weg bringen kann

Ist ein schnelles Handeln des Bundestages gefragt, wie in der derzeitigen Finanzmarktkrise, kann der Gesetzgeber ein eilbedürftiges Gesetz auch in kürzester Zeit auf den Weg bringen. Das gehört zur parlamentarischen Praxis und ist von der Verfassung so gewollt. So hat der Bundestag am Mittwoch, dem 15. Oktober 2008, erstmals das zwei Tage zuvor von der Bundesregierung angekündigte Maßnahmenpaket zur Stabilisierung des Finanzmarktes beraten. Bereits am Freitag, dem 10. Oktober, ist das Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FMStG) (16/10600) in namentlicher Abstimmung verabschiedet worden und konnte – nach Zustimmung des Bundesrates – sofort in Kraft treten.

Der Gesetzentwurf hat dabei von der ersten bis zur dritten Lesung die in der Geschäftsordnung des Bundestages vorgeschriebenen Stationen der Gesetzgebung eingehalten.

Verzicht auf Fristen

Anders als im Grundgesetz sind in der Geschäftsordnung des Bundestages Fristen für die Beratung von Gesetzentwürfen vorgesehen. Wenn es die Lage erfordert – wie im aktuellen Fall – können Gesetzentwürfe schneller beraten werden, sofern mindestens zwei Drittel der Abgeordneten einem Fristverzicht zustimmen. In der Praxis werden Absprachen über Fristen fast immer einvernehmlich zwischen allen Fraktionen beschlossen. Dabei gehört dann auch der Verzicht auf Fristen zur parlamentarischen Praxis.

Minderheitenrechte

Selbstverständlich muss der Bundestag auch bei schnellen Gesetzgebungsverfahren die Mitwirkungsrechte aller Beteiligten beachten. Die Abgeordneten haben dabei nicht nur im Plenum und den Fachausschüssen, sondern auch durch ihre Arbeit in den Fraktionen Gelegenheit, auf Gesetze einzuwirken. Die Oppositionsfraktionen werden an allen Verfahrensentscheidungen beteiligt. Die Geschäftsordnung des Bundestages sieht zum Schutz der Opposition Minderheitenrechte vor, mit denen diese auf ein Verfahren einwirken kann. So kann bei Ausschussberatungen ein Viertel der Ausschussmitglieder verlangen, dass eine öffentliche Anhörung angesetzt wird.

Im Bundestag darf auch jeder Abgeordnete in der zweiten Lesung eigene Änderungsanträge stellen. Im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit in der jetzigen Situation waren sich alle Fraktionen darüber einig, auch nach Annahme von Änderungsanträgen, wie hier von Bündnis 90/Die Grünen, in der zweiten Lesung noch am Freitag in die dritte und abschließende Beratung des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes einzutreten.

Zeitplan des Gesetzesvorhabens zur Stabilisierung des Finanzmarktes

Der aktuelle Gesetzentwurf (16/10600) wurde am Mittwoch in erster Lesung beraten und in den federführenden Haushaltsausschuss überwiesen, der ihn zusammen mit dem Rechts-, Finanz- und Wirtschaftsausschuss im Anschluss an die Plenarsitzung beriet. Der Haushaltsausschuss formulierte am selben Tag eine Beschlussempfehlung (16/10651). Nach intensiven Gesprächen und bei einvernehmlichem Wunsch aller Fraktionen nach einem zügigen Gesetzesbeschluss wurde auf eine Anhörung verzichtet. Am Freitag erfolgte die abschließende Beratung des Gesetzes im Plenum des Bundestages und die Verabschiedung.

Zustimmung des Bundesrates

Dem Bundesrat wurde das Gesetz unverzüglich zugestellt, denn auch er musste dem Gesetz zustimmen. Der Bundesrat kam am Freitag zu einer Sondersitzung zusammen, um über das vom Bundestag angenommene Gesetz zu beraten, allerdings nur deshalb, weil kein Bundesland dem eilbedürftigen Verfahren widersprochen hatte. In die aktuellen Beratungen war der Bundesrat eingebunden, die Verhandlungen mit den Ländern liefen parallel.

Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten

Nach der Gegenzeichnung wurde am Freitagnachmittag das Gesetz von Bundespräsident Horst Köhler unterzeichnet. Am Samstag konnte so das Finanzmarktstabilisierungsgesetz in Kraft treten.

Hier stellen sich uns folgende Fragen: Welche Voraussetzungen mussten geschaffen werden, damit es so weit kommen konnte? Wer sind die Hauptprotagonisten der Geber und Empfänger dieser Beträge?

Die hier aufgestellte These ist die, dass die Bereitstellung dieser 480 Milliarden der vorerst letzte Schritt eines gigantischen Raubzuges ist.

Dieser gilt bereits seit Jahrzehnten der deutschen Staatskasse, die sich längst nur noch aus den Steuern und Abgaben der Niedrigverdiener refinanziert und all jene von Steuern und Abgaben befreit, die den Mechanismen der Märkte von vorneherein nie ausgeliefert sind: Sie sind zu 100 % identisch mit den Gebern und Empfängern der 480 Milliarden.

Lohnabhängige, Kleinaktionäre und Mittelstand sind Opfer dieses Raubzuges, indem ihre Aktien um oft 90 % (so die »Volksaktie« Telekom) abgewertet wurden, sie als Sozialhilfeempfänger 18,25 %6 Zinsen für ihren Dispo bei der noch immer zu 30 % staatlichen (KfW) Postbank bezahlen müssen oder sie als Betrüger behandelt werden, wenn sie ein Geschäftsdarlehen über 100.000 Euro beantragen.

Am Ende werden wir zumindest wissen, wie es zu dieser jeden Rahmen sprengenden Geldvergabe kam, wer sie warum herbeigeführt hat und wer die Geldempfänger sind.

Geldempfänger I: Die Hypo Real Estate

2, äh, 5,5, äh 35, nein, 102 Milliarden bitte …

Verfolgt man die ersten Meldungen zur Inanspruchnahme des neuen Staatsgeldes, dann ist die Hypo Real Estate als erste und bisher auch größte Empfängerin zu nennen.

Zuerst waren es 2, dann 5,5, dann 35 Milliarden; nun sind es gleich 1021 Milliarden, die der Bund der Münchner Holding geben möchte.

Einen Grund dafür gibt es auch, den aufmerksame Leser in der Selbstdarstellung der Tochter DEPFA, die nur auf Englisch verfügbar ist, aus folgenden Sätzen ablesen können:

»Die DEPFA Bank wird weiterhin ihr klares Geschäftsmodell optimieren, mit dem Ziel, der wichtigste Finanzpartner für öffentliche Verwaltungen weltweit zu werden.«2

Oder, einfacher formuliert: Anstatt an Unternehmen oder gar den Mittelstand, die Erfindungen machen, Produktion einrichten und Arbeitnehmer schulen müssen, Kredite zu vergeben, gibt Hypo Real Estate diese lieber an todsichere Schuldner wie Staaten mit einem AAA-Rating, Deutschland zum Beispiel. Das gefällt den Herrschaften von der Großen Koalition: Sie geben der Hypo Real Estate 102 Milliarden Garantie, die sie laut Bundesgesetzblatt über die Ausgabe von Schuldbriefen finanzieren, die wiederum von der Hypo Real Estate vertrieben werden.

»Too big to fail«, heißt dies im Investorenjargon.

Dass die gesamten Verluste der Hypo Real Estate alle von der in Dublin beheimateten DEPFA kommen und bis vor ein paar Monaten auch die amerikanischen Hypothekendarlehen als sicheres Business angesehen wurden, scheint dieses Geschäftsmodell nicht zu trüben.

Auch die Standorte der DEPFA klingen nicht alle so sehr nach deutscher Staatsfinanzierung. Neben dem Hauptsitz im aufsichtsbefreiten Offshore-Finanzplatz Dublin (der irische Staat verteilt dort gerade unvorstellbare 400 Milliarden Euro Garantien) finden sich DEPFA- und Hypo-Real-Estate-Niederlassungen auch in den Geldwäschezentren Nikosia auf Zypern und in Luxemburg

Depfa Bank plc 10 Diomidous Street, 3rd Floor 2024 Nicosia, Cyprus

Hypo Pfandbrief Bank International S.A. 4, rue Alphonse Weicker L – 2099 Luxembourg

sowie in den eher weniger bekannten Weltfinanzzentren Athen, Mailand, Istanbul, Madrid, São Paulo und Warschau.

Dass die Hypo Real Estate möglicherweise Weltmarktführer in der Finanzierung »öffentlicher« Verwaltungen, also von mehr oder weniger korrupten Staaten, ist und das als Geschäftsmodell ansieht, lässt noch einiges erwarten. Immerhin sind die Staaten, deren Hauptstädte die Hypo-Finanzierer hier belagern, noch weitaus insolvenzgefährdeter als die Bundesrepublik Deutschland.

Dort sichert nämlich kein genossenschaftliches (Raiffeisen) und kommunales (Sparkassen) Bankensystem mit 75 % Marktanteil die Guthaben der Sparer und die Kredite an den Mittelstand, sondern es ringen nur noch Geschäftsbanken um die besten Risiken. Die Menschen haben dort den Status von Billigarbeitskräften und Konsumenten und sind längst nicht mehr Bürger eines demokratischen Staates.

Welches Interesse hat nun die Bundesrepublik Deutschland daran, maroden Staaten Kredite zur Verfügung zu stellen? Sogar in Dallas, Houston und Sacramento hat die Hypo Filialen – finanzieren wir am Ende noch Gefängnisse in den USA?

Auch hier gibt es einige Erklärungen. Im Aufsichtsrat der Hypo Real Estate finden sich nämlich bemerkenswerte Karrieren. Dr. h.c. Edgar Meister etwa war Finanzminister in Rheinland-Pfalz und 14 Jahre Mitglied des Direktoriums der Deutschen Bundesbank mit dem Zuständigkeitsbereich »Banken und Finanzaufsicht«. Von 1998 bis 2007 diente er gar als Vorsitzender der Bankenüberwachungskommission des Europäischen Systems der Zentralbanken.

Er war also der Mann, der alle europäischen Regierungen und Banken vor dem hätte warnen können oder müssen, was nun Finanzkrise genannt wird. Ach ja: SPD-Mitglied und Schulkamerad von Hans Eichel ist er auch noch. In der Begründung für die Vergabe der Ehrendoktorwürde an ihn durch die Universität Lüneburg heißt es, dass er »sich bei der Entstehung des >Basel II-Konzeptes< vehement dafür eingesetzt hatte, die Interessen des deutschen Mittelstands und der Kreditwirtschaft zu wahren.«3

Am 9. Juni 2001 hielt Meister in New York eine Rede auf einem internationalen Bankenseminar. Titel: »Wie sollen Verantwortlichkeiten für Regulierung und Überwachung unter nationalen Institutionen aufgeteilt werden?«4 Darin betonte er, dass die Deutsche Bundesbank als Überwachungseinrichtung der Finanzmärkte völlig ausreiche, und sagte: »Die Überwacher sollten in größter Nähe zu den Überwachten stehen und sich nicht zu viel politischem Einfluss aussetzen.«

Als positives Beispiel für das Handeln von Zentralbanken in der Krise erwähnte Meister die Rettungsaktion, die die Federal Reserve für den Hedge-Fonds LTCM aus Steuergeldern finanziert hatte.

Die angebliche Selbstregulierung und Selbstüberwachung der Märkte ist eine Grundphilosophie neoliberaler Ideologen. Wenn selbst ein Beamter des deutschen Staates und verantwortlicher Direktor der Finanzmarktaufsicht der Deutschen Bundesbank solche Thesen vertritt, dann ist der Weg in den Aufsichtsrat der Hypo Real Estate nicht weit.

Neben ihm im Aufsichtsrat sitzt Siegmar Mosdorf, einst MdB und Staatssekretär. Er war von 1995 bis 1998 im »Regierungsbeirat für Telekommunikation« und ist seit 2002, also seit sieben Jahren, Partner der »Communications and Network Consulting AG« (CNC), die Niederlassung in München, Berlin, London, New York, Moskau und Tokio hat. Auch ist er Mitglied im Kuratorium des ifo Institutes für Wirtschaftsforschung in München, dessen Direktor Hans-Werner Sinn seit Jahrzehnten für freie Finanzmärkte und Niedriglöhne eintritt, immer wieder mit der uralten Begründung, Deutschland sei anders nicht mehr wettbewerbsfähig.

1998 veröffentlichte Mosdorf zusammen mit Hubert Kleinert ein anbiederndes Buch, in dem sie forderten, linke Politik dürfe neue Technologien und Globalisierung nicht aufhalten. In den immerhin sieben Jahren bei CNC trat er nur einmal als Lobbyist für den Wettanbieter Oddset öffentlich in Erscheinung. Ein unglücklicher Auftritt, der das Handelsblatt zu dem drastischen Kommentar »Die verlorene Ehre des Siegmar Mosdorf«5 veranlasste.

Wie nun kommt Herr Mosdorf aus dem Nichts in den Aufsichtsrat eines der weltgrößten Staats-Finanzierer? Welche Leistung wurde und wird von ihm erwartet? Der ehemalige Bundesbankpräsident Prof. Dr. Hans Tietmeyer jedenfalls musste den Aufsichtsrat verlassen. »Die neuen Mitglieder des Aufsichtsrates«, so heißt es in der Pressemitteilung, »präsentieren die Breite der Institutionen, die sich dazu bereiterklärt haben, den Fortbestand und die Sanierung der Hypo Real Estate Group zu unterstützen.«6

Ist Mosdorf also ein Vertreter der Bundesbank, der SPD oder von Peer Steinbrück? Seine Firma ist für die inaktive Domain www.finanzstandort.com eingetragen. Die CNC, die auf ihrer Website gleich ein Dutzend Seniorpartner aufführt, ist derart verschwiegen, dass sie im Internet fast überhaupt nicht auftaucht. Nur eine Pressemitteilung blieb in den Weiten des Internets erhalten: Am 1. Juli 2007 half die CNC beim Verkauf eines maroden Immobilienportfolios der Union Investment an eine luxemburgische Fondsgesellschaft. »Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart« heißt es darin.7 Ist das die Spur, die erklärt, wie Mosdorf zur Hypo Real Estate kam?

Die CNC selbst hat in den sieben Jahren ihrer Tätigkeit nur eine einzige Pressemitteilung veröffentlicht.

Ganz besondere Qualifikationen im Bankwesen bringt auch Herr Hans-Jörg Vetter in den Aufsichtsrat ein: Er ist seit 2001 Vorstandsvorsitzender der Landesbank Berlin, die vor Hypo Real Estate Rekordhalter im Verursachen von steuerfinanzierten Verlusten in Höhe von rund 20 Milliarden Euro war.

Ausgerechnet jetzt, da Vetter 102 Milliarden Staatsknete für die Hypo Real Estate erbetteln soll, wirbt seine LBB auf ihrer Website mit folgendem Inserat8:

Einkommensteueraspekte rücken für den Anleger zunehmend in den Fokus des Interesses. Eine sicherheitsorientierte Anlage mit Steueroptimierung und hoher Rendite zu verbinden, ist Aufgabe und Ziel der LUXconcept Investmentfonds

•  LUXconcept -harmonie- A•  LUXconcept -harmonie- B•  LUXconcept -harmonie kurz- A•  LUXconcept -harmonie kurz- B•  LUXconcept -balance- A

Wie gut, dass auch die Hypo Real Estate in Luxemburg sitzt und dass Mosdorfs CNC auch gleich Verkäufe an luxemburgische Fonds vermitteln kann.

Wie kann, möchte man fragen, eine deutsche Landesbank, die Milliardenverluste für den deutschen Steuerzahler gemacht hat, für Steuervermeidung mit Fonds in Steueroasen werben?

Wir werden auf diese Frage noch Antworten finden. Der Vorsitzende des Hypo-Real-Estate-Aufsichtsrates, Herr Dr. Michael Endres, ist der Übersichtlichkeit halber auch gleich Aufsichtsrat der »Landesbank Berlin Investment GmbH«.

Da der Aufsichtsrat nur zehn Mitglieder hat, von denen mit Bernhard Walter und Manfred Zaß zumindest zwei über respektable Fachkenntnisse verfügen, bleiben noch zwei Mandate zu besetzen: Sie werden vom neuen 24,9 %-Anteilseigner, Herrn J. Christopher Flowers, und seiner deutschen Statthalterin, der Ex-Bertelsmann-Managerin Dr. Renate Krümmer wahrgenommen.

Auf der Forbes-Liste der 500 reichsten Amerikaner wird der Mann mit dem blumigen Namen mit einem Vermögen von 1,2 Milliarden Dollar auf Platz 322 geführt. Als Quelle dieser Information führt Forbes9 die Enstar Group an, die Flowers gehört. Die Enstar Group sitzt allerdings nicht in den USA, die keineswegs für ihre kapitalfeindliche, sozialistische Politik bekannt sind, sondern im britischen Bermuda. Die Bermudas mit ihren 66.000 Einwohnern können von sich sagen, mit der Beherbergung von XL Capital, Everest Re und Partner Re weltweit der drittgrößte Standort für Rückversicherer zu sein. Da die Subprime-Krise ganz wesentlich eine Rückversicherungskrise ist, also eben gerade die Rückversicherer der US-Immobilienkredite betroffen sind, ist die Bermuda-Connection kein Zufall. Bereits 2006 hatte Flowers von der WestLB deren Beteiligung an der HSH Nordbank – ein weiterer Empfänger für die SoFFin-Milliarden – in Höhe von 26,6 % für 1,25 Milliarden Euro übernommen.

Etwas weniger, 1,1 Milliarden, hat Flowers für seinen Anteil an der Hypo Real Estate bezahlt – ein Schnäppchenpreis. Wenn nun die deutsche Regierung tatsächlich 102 Milliarden Euro an die Hypo Real Estate gibt und diese ihr Grundkapital nur mit einem Zehntel des Betrages, also mit 10,2 Milliarden Euro, aufstockt, dann könnte sich Herrn Flowers Anteil im Wert schon verzehnfachen, wenn er durch diese »Verstaatlichung« auf eine Abfindung spekuliert. Auch die 30 Milliarden, die die HSH Nordbank bekommen soll, dürften Herrn Flowers freuen. Der ehemalige Bundesbanker Edgar Meister, Ex-SPD-Staatssekretär Siegmar Mosdorf und der Berliner Landesbanker Vetter haben ihre Jobs gut gemacht, indem sie die Bermuda-Flowers-Beteiligungen in die erste Reihe der Hilfsempfänger setzten.

Wie aber konnte Flowers im Juni 2008 wissen, dass die Hypo Real Estate von der Großen Koalition gerettet würde?

Das wird das Geschäftsgeheimnis zumindest einiger seiner jetzigen Aufsichtsräte sein. Durch den schlechten Börsenkurs ist Flowers aber dennoch verärgert und möchte nun seine Deutschland-Chefin loswerden. Sie kann ihm zwar Staatsknete und Aufsichtsräte besorgen, nicht aber Aktionäre zwingen, ihr Geld nach Bermuda zu schicken. Es ist zu vermuten, dass Flowers sich selbst den Kaufpreis nur irgendwo in Bermuda geliehen hat und seine Gläubiger jetzt ungeduldig werden. Inzwischen ist von einer Verstaatlichung der Hypo Real Estate die Rede, als ob Finanzhilfen von bis zu 102 Milliarden Euro nicht bereits eine Verstaatlichung darstellten. Herr Flowers wird bei einer etwaigen Verstaatlichung sicher angemessen entschädigt werden, damit er nicht unnötigerweise die deutsche Bundesregierung in den USA auf 20 Milliarden Dollar Schadenersatz verklagt. Von der Summe her bietet sich die Hypo Real Estate nun als ideale Bad Bank an.

Geldempfänger II: Das bayerische Desaster

Auf Platz zwei der Empfänger des überquellenden Reichtums der Bundesregierung steht zur Überraschung vieler ausgerechnet die Bayerische Landesbank. Überraschend, weil der Freistaat Bayern seit Jahrzehnten stolz darauf war, nach Ansicht seiner Regierung im Gegensatz zu anderen, »kommunistischen« Bundesländern, etwa dem von Peer Steinbrück regierten Nordrhein-Westfalen, eine solide Finanzpolitik zu betreiben.

In der Tat hat sich Bayern, das noch bis in die 70er-Jahre ein Empfänger von Bundesfinanzausgleichsleistungen war, zum weltweit gerühmten Hightech-Land entwickelt. Im Jahre 1979 hielt Franz-Josef Strauß eine Rede im Deutschen Bundestag, in der er die seiner Ansicht nach viel zu hohe Neuverschuldung von damals 35 Milliarden Deutsche Mark plastisch als kilometerhohen Berg darstellte.1

Auch sein Nachfolger, Dr. Edmund Stoiber, betonte bei jeder Rede, wie gut Bayern, das Bundesland mit der geringsten Pro-Kopf-Verschuldung aller Bundesländer, wirtschafte. So in seiner Rede zum bayerischen Staatshaushalt 2005:

»In Bayern ist Verlass auf Staat und Politik!

Entscheidend ist: Wir wollen nicht nur 2006 einen ausgeglichenen Haushalt. Der Freistaat soll dauerhaft ohne neue Schulden auskommen. Der Gewinn sind niedrige Zinslasten und auf Dauer mehr Kraft zum politischen Gestalten. Deshalb sparen, reformieren und investieren wir.

Neuverschuldung Null! – Damit öffnen wir kommenden Generationen die Tür zur Zukunft weit. Das ist christlich-soziale Politik für unsere Kinder und Enkel. Wir schaffen Zukunftsvertrauen und Zuversicht.«2

Seit 1994 hat die von ihm betriebene Privatisierung 4,9 Milliarden Euro in die bayerische Staatskasse gespült. Veräußert wurden Anteile an blühenden und sicheren Unternehmen, etwa der Bayerischen Versicherungskammer, der Bayernwerk AG, Anteile an E.ON, aber auch an Schulbuchverlagen (man erinnere sich dabei an die Einführung des Büchergeldes im Freistaat) und an der Molkerei Weihenstephan.

Der Großteil des Geldes floss in alle möglichen neuen Institutionen, die wiederum unter der Aufsicht und Verwaltung des Freistaates Bayern standen. Dort wurden Tausende von Geschäftsführer- und Abteilungsleiterjobs für CSU-Funktionäre geschaffen, die nicht bierzelttauglich waren.

Bereits im Mai 2002, weit vor jeder Finanzkrise und mitten in der Ära Stoiber, stellten die bayerischen Grünen in einem Bericht dem gerühmten Einserschüler ein vernichtendes Zeugnis aus:

»Das Ergebnis der Privatisierungspolitik sind damit ein Verlust an Vermögen und eine Ausweitung der Staatstätigkeit.«3

Edmund Stoiber wurde nach seinem Ausscheiden als Ministerpräsident ausgerechnet als »Entbürokratisierungsbeauftragter« in die EU entsandt. Seitdem hat man von ihm nichts mehr gehört.

Wenn ein Unternehmen aus 4,9 Milliarden außerordentlichen Einnahmen einen Verlust von 31 Milliarden macht – so hoch wird inzwischen der Kapitalbedarf der Bayerischen Landesbank beziffert – dann ist dies eigentlich ein Insolvenzfall. Blicken wir auf die Bilanz der Wirtschaftspartei CSU:

Tabelle 1: Bilanz Bayern 1994–2009 in Euro

Der für die Verluste der Bayern LB als Finanzminister und Vorsitzender von deren Verwaltungsrat verantwortliche Prof. Dr. Kurt Faltlhauser – der stolz vermerkt4, er sei neben Ludwig Erhard der Einzige, den die Münchner Ludwig-Maximilians-Universität je zum Honorarprofessor für Volkswirtschaft auf Lebenszeit ernannt habe – schreibt noch nach dem Desaster Ende 2008:

»Unter der Ägide von Kurt Faltlhauser wurde der bayerische Stabilitätskurs konsequent fortgesetzt. Während einem Kapitel der deutschen Finanzpolitik, in dem der Schuldenberg immerwährend mit der Begründung der Herstellung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts vergrößert wurde, steuerte er zielstrebig auf das Ziel ausgeglichener Haushalt zu.«5

Noch im Jahr 2007 verlieh ihm der Bund der Steuerzahler den Goldenen Sparlöwen und bestätigte ihm eine »bundesweite Signalwirkung« für ein »neues Denken«.