Der Heilsbringer: Thriller - Wilhelm J. Krefting - E-Book
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Wilhelm J. Krefting

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Beschreibung

Niemand entkommt den Schatten der Vergangenheit: Ein Täter ohne Gesicht, ein Kommissar im Visier – nur einer kann das tödliche Spiel gewinnen. Die Leiche einer jungen Frau wird aus dem Dortmund-Ems-Kanal gezogen. Nur wenige Stunden später verschwindet eine weitere Frau spurlos. Sie erwacht in einem dunklen Kellerverlies – nicht ahnend, dass sie nicht die Einzige ist. Immer mehr Menschen verschwinden. Gefangen im Verlies, ohne zu wissen, was ihr Entführer vorhat. Kriminalkommissar Thomas Herold steht vor einem Albtraum. Der Täter entführt scheinbar wahllos, ohne erkennbares Motiv. Die einzige Gemeinsamkeit der Opfer: Sie stammen alle aus schwierigen sozialen Verhältnissen. Doch durch einen Zufall entdeckt Herold eine weitere Verbindung zwischen den Entführten – ein schrecklicher Vorfall, der Jahrzehnte zurückliegt. Die Spur führt direkt zu seinem allerersten Fall. Der Täter und Herold sind sich schon einmal begegnet. Und nun wird alles persönlich. Die Zeit rennt. Es geht nicht nur darum, die Opfer zu retten. Herold selbst wird vom Täter in ein perfides Spiel verwickelt. Was hat der Täter wirklich vor? Will er Rache für die Vergangenheit? Oder geht es ihm nur darum, Herold zu brechen? Ein packender Wettlauf gegen die Zeit hat begonnen – und das Leben der Entführten hängt an einem seidenen Faden.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Wilhelm J. Krefting

Der Heilsbringer: Thriller

Niemand entkommt den Schatten der Vergangenheit: Ein Täter ohne Gesicht, ein Kommissar im Visier – nur einer kann das tödliche Spiel gewinnen.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Impressum

Kapitel 1

Die Wirkung des letzten Schusses Heroin begann nachzulassen und ihr Körper war dabei, sich in einen einzigen großen Schmerz zu verwandeln. Jede Bodenwelle, die der Wagen ihres „Kunden“ mitnahm, tat enorm weh. Jetzt Augen zu und durch. Wenn er mich bezahlt hat, gibt er mir genug Kohle für einen neuen Schuss, dann ist alles wieder in Ordnung und mein Körper bleibt für die nächsten paar Stunden ruhig, dachte sie. So ließ es sich besser aushalten.

Wie war sie nur hier gelandet? Früher hätte sie sich nie vorstellen wollen, mal so zu enden. Jeden Tag nur damit zu verbringen, dem Geld für den nächsten Schuss hinterherzurennen und dabei sogar ihren Körper zu verkaufen. Es machte sie traurig, wenn sie darüber nachdachte. Wenn sie high war, plagten sie wenigstens nicht diese ständigen Gedanken über ihr Leben. Das war vielleicht der einzige Vorteil der Droge.

Ihre Lider wogen schwer und sie versuchte sich beim Blick aus dem Autofenster zu orientieren. Doch die Lichter da draußen, die dazu noch von den Regentropfen auf der Scheibe gebrochen wurden, waren so hell und blendeten sie. Kraft, um die Augen zusammenzukneifen, hatte sie nicht und so richtete sie ihren Blick nach unten. Der Turkey hatte sie eingeholt.

„Wo sind wir?“, lallte sie. Der Mann auf dem Fahrersitz antwortete nicht. Wer er war? Egal. Sie konnte nicht mal sagen, ober er gut aussah oder nicht. Sein Gesicht war die ganze Zeit im Dunkeln gewesen und er trug ein Cappy. Er hatte sie im Voraus bezahlt und das war es, worauf es ihr hauptsächlich ankam.

„Wo fahren wir hin?“, wiederholte sie.

„Wir fahren zu mir. Habe ich doch gesagt. Da machen wir es uns gemütlich und dann bringe ich dich zurück“, antwortete er.

Bei einem Blick aus dem Fenster sah sie die Streben eines Brückenbogens vorbeisausen. Selbst in ihrem benebelten Zustand bemerkte sie, dass etwas nicht stimmte. Er hatte gesagt, dass seine Wohnung in der Innenstadt läge. Aber sie waren gerade auf dem Weg in die entgegengesetzte Richtung. Aus der Stadt raus, und zwar über den Kanal. Er hat bestimmt nichts Gutes vor. Wenn er mich schon anlügt, verrät das viel über ihn. Ich muss hier raus.

„Halt an, ich muss kotzen“, sagte sie plötzlich. Das war ihr Notfallplan, der bisher immer funktioniert hatte. Niemand wollte, dass eine Drogensüchtige ihm in sein Auto brach. Tatsächlich schien ihr Plan auch diesmal aufzugehen.

Verärgert seufzte er und setzte den Blinker. „Da vorne ist die Feuerwache. Da halten wir kurz an“, sagte er.

Er steuerte den Wagen in eine dunkle Ecke des Parkplatzes vor der Wache. Sie ging im Kopf noch mal ihren Fluchtplan durch. Dass die Feuerwehr direkt um die Ecke war, beruhigte sie. Irgendjemand wird mich dort hören. Ein Adrenalinstoß durchfuhr ihren Körper. Fast vergessen waren ihre Entzugserscheinungen. Der Wagen stoppte. Die Räder waren noch nicht ganz zum Stehen gekommen, da stieß sie die Tür auf und rannte los.

„Hilfe! Helft mir!“, schrie sie. Die Feuerwache schien unendlich weit weg und nicht näher zu kommen. Oben brannte Licht, die Wache war also schon mal besetzt. „Hilfe, er ist hinter mir her!“

Hastig drehte sie sich um. Der Mann hatte die Verfolgung aufgenommen. Und er war schneller. Verzweifelt versuchte sie, noch mehr aus ihren sich taub anfühlenden Beinen herauszuholen. Vergeblich. Ihre einzige Hoffnung bestand darin, dass jemand aus der Wache sie hören und ihr beistehen würde. Doch danach sah es im Moment nicht aus.

Sie hörte, wie der Mann hinter ihr laut fluchte, und drehte sich um. Er lag auf dem Boden, war auf dem nassen Asphalt ausgerutscht. Das verschafft mir einige Sekunden.

Sie erreichte die Eingangstür der Feuerwache und schlug mit aller Kraft gegen die Scheibe.

„Macht auf, bitte!“, flehte sie. Das Licht im Erdgeschoss der Feuerwache blieb aus, niemand hatte sie gehört. Sie versuchte es noch einmal.

Der Mann hatte sich offenbar bei seinem Sturz auf den harten Asphalt verletzt. Er humpelte, war langsamer, hielt aber immer noch direkt auf sie zu. Im Licht einer der Laternen auf dem Parkplatz erkannte sie, dass er nervös ins Obergeschoss schaute. Na klar, wenn einer der Feuerwehrleute dich erwischt, musst du erst mal was erklären, dachte sie. Aber dazu mussten die Leute da oben sie zunächst verdammt noch mal hören. Sie traf eine Entscheidung. Ich muss versuchen, ihm zu Fuß zu entkommen. Ich bin zwar nicht die Schnellste, aber mit seinem lädierten Fuß habe ich vielleicht eine Chance.

Die Feuerwache lag nur einen Steinwurf vom Kanal entfernt. Ich laufe einfach so weit wie möglich am Kanal entlang. Früher oder später werde ich auf jemanden treffen, der mir hilft.

Direkt hinter der Feuerwache führte eine Böschung zur Uferpromenade hinab. Sie rutschte über das nasse Gras hinunter und landete in einer Matschpfütze.

Sie hatte keine Zeit, sich über ihre durchnässten Sachen den Kopf zu zerbrechen. Eigentlich nahm sie sie auch gar nicht richtig wahr. Einzig ihre Jeans, die jetzt schwer an ihren Beinen klebte, behinderte sie beim Laufen. Er ist noch nicht oben an der Böschung angelangt, ich muss weiter. Aber gehe ich links-, der rechtsherum? Sie entschied sich für Letzteres. Jetzt nur noch hoffen, dass hier jemand auftaucht, der mir helfen kann.

Der Regen wurde stärker. Er war noch immer nicht hinter ihr aufgetaucht. Vielleicht habe ich ihn abgehängt. Hoffnung keimte in ihr auf. Noch mehr, als sie in einiger Entfernung plötzlich die Umrisse eines Menschen sah. Gott sei Dank. Sie nahm noch einmal all ihre Kraft zusammen und rannte weiter.

„Helfen Sie mir, ich werde verfolgt!“, rief sie der Gestalt zu. Dann blieb sie abrupt stehen und stutzte einen kurzen Augenblick. Es ist er! Verdammt. Er muss auf der anderen Seite der Feuerwache die Böschung runter … Wie ist er so schnell dorthin gekommen? Ist ja auch egal. Ich muss weg.

Sie sprintete los in die entgegengesetzte Richtung. Auf dem nassen Schotter rutschte sie aus und landete auf dem Boden. Wie auf Autopilot rappelte sie sich wieder auf und rannte weiter. Immer wieder drehte sie ihren Kopf und sah im Augenwinkel, dass ihr Verfolger dicht hinter ihr war. Vor Entsetzen, dass er näher kam, stieß sie ein paar schrille Schreie aus. Sie schlug einige Haken, was auf dem glatten Untergrund nicht so einfach war. Es half jedoch nichts. Bis auch ihr Verfolger ausrutschte und platschend in einer Pfütze landete. Ein fast euphorisches Gefühl überkam sie. Jetzt nicht langsamer werden, das ist meine Chance. Soll ich wieder die Böschung hinaufkraxeln und es noch mal bei der Feuerwehr versuchen, oder lauf ich weiter am Kanal entlang?

Sie entschied sich für den Kanal, ohne auf dem vor ihr liegenden, dunkler werdenden Abschnitt, der hinter der Brücke lag, den Boden noch richtig zu erkennen. Unter der Brücke war es trocken, dahinter fielen die kalten Regentropfen wieder in ihr Gesicht, platschten ihre Füße durch die Pfützen. Ihr Verfolger hatte sich wohl wieder berappelt, sie hörte seine Schritte unter der Brücke hallen. Da habe ich mich zu früh gefreut, aber … Sie konnte den Gedanken nicht zu Ende führen. In der Dunkelheit tauchte am Kanalufer ein großer Doppelpoller vor ihr auf. Sie sah ihn viel zu spät und stolperte darüber. Noch bevor ihr klar wurde, dass sie den Sturz nicht mehr abfangen konnten, schlug sie mit dem Kopf auf einem der Poller auf und es wurde dunkel um sie herum.

Ihr schlaffer Körper rollte vom Poller herunter und blieb in einer Pfütze, nur wenige Zentimeter vor der Spundwand des Kanals, liegen. Ihr Verfolger näherte sich langsam und beäugte sie kritisch.

„Hey du!“, rief er. Er trat mit seinem Fuß gegen ihren Körper, der sich sanft bewegte. Er beugte sich zu ihr hinunter und legte seinen Finger auf ihre Halsschlagader. Die Haut war noch warm, doch er fühlte keinen Puls. Außerdem lag sie mit dem Gesicht nach unten in einer Pfütze, weshalb sie, wenn sie der Sturz auf den Kopf nicht umgebracht hatte, inzwischen wohl schon ertrunken wäre.

„So eine Scheiße“, fluchte er leise. Was soll ich denn jetzt noch mit dir anfangen?

Eine Weile schaute er auf ihren leblosen Körper hinab. Vielleicht bewegte sie sich ja doch noch. Das würde ihm jedenfalls eine Menge Aufwand ersparen. Als er sich sicher war, dass sie nicht mehr aufstehen würde, fing er an, sich Gedanken darüber zu machen, wie er die Leiche der Frau entsorgen sollte. Nach oben zu meinem Auto schleifen und sie dann irgendwo in den Wald bringen? Nein, zu gefährlich. Ich könnte sie einfach hier liegen lassen und dann abhauen. Dann kam ihm eine bessere Idee. Er ging in die Hocke, packte die Fußgelenke der Frau und drehte ihren Körper so, dass die Beine die Spundwand hinunterhingen. Jetzt brauchte er nur noch sanft gegen ihre Schultern zu treten und ihr Körper glitt hinunter in den Kanal. Er landete platschend auf der Wasseroberfläche und trieb sogleich, wippend wie ein Korken, davon. Zwischen all den Regentropfen war er in der Dunkelheit schon bald nicht mehr zu erkennen. Dann gab es nur noch ihn, das sanfte Plätschern des Regens und seinen Plan, den er nun etwas würde anpassen müssen.

Kapitel 2

Die Sonne stand tief und Thomas hob die Hand vors Gesicht, damit er nicht geblendet wurde. Um diese Uhrzeit waren zum Glück noch nicht viele Menschen am Aasee unterwegs und er konnte trotz eingeschränkter Sicht gefahrlos laufen.

Das Thermometer zeigte heute Morgen fünfzehn Grad an, zu warm für einen November. Thomas schwitzte, was in den Jahren zuvor so spät im Herbst nie vorgekommen war. Trotzdem genoss er die Runde, die einen schönen Start in seinen freien Tag darstellte.

Er war schon länger nicht mehr laufen gewesen und seine Kondition ließ laut der App auf seinem Handy, das zuverlässig den zu hohen Puls anzeigte, ein wenig zu wünschen übrig. Ich habe zu wenig Zeit, um Sport zu machen. Ich arbeite zu viel. Aber der Personalmangel zwingt mich nun mal dazu, rechtfertigte Thomas sich vor sich selbst. Auch wenn er wusste, dass er immer eine Ausrede fand, wenn er mal keine Lust zum Sporteln hatte.

Thomas versuchte wieder, seinen Kopf auszuschalten, als sein Telefon plötzlich in der Brusttasche vibrierte. Er wollte es ignorieren, aber es hörte selbst nach einer Minute nicht auf, weshalb er genervt stehen blieb und das Handy aus der Tasche zog. Seufzend stellte er fest, dass der Name seines Vorgesetzten, Wilfried Deuter, auf dem Display aufleuchtete. Kurz spielte er mit dem Gedanken, seinen Chef wegzudrücken. Schließlich nahm er den Anruf jedoch entgegen.

„Hallo, Deuter hier. Entschuldigung für die Störung.“ Thomas merkte an seiner Stimme, dass es Deuter unangenehm war, ihn an seinem freien Tag in dienstlichen Belangen zu kontaktieren. „Ich hätte Sie nicht angerufen, wenn es nicht dringend wäre. Sie wissen ja, die Personaldecke ist mehr als dünn. Gerade jetzt im November ist der Krankenstand immer besorgniserregend hoch. Herr Herold, Sie sind meine letzte Hoffnung.“

„Ich springe immer gerne ein, das wissen Sie doch. Was ist denn passiert?“, fragte Thomas.

„Heute Morgen wurde in Greven eine Frauenleiche gefunden“, erklärte Deuter.

„Wie ist die Frau gestorben?“

„Das wissen wir noch nicht. Fremdeinwirkung kann aber nicht ausgeschlossen werden“, antwortete Deuter.

„Greven liegt im Kreis Steinfurt. Ist das nicht eher ein Fall für die Kollegen dort? Wenn wir schon in Münster eine so angespannte Personalsituation haben, müssen wir doch nicht auch noch bei den Nachbarn aushelfen“, sagte Thomas.

„Prinzipiell haben Sie recht. Die Frau ist allerdings vermutlich in Münster ums Leben gekommen, deshalb kommen wir ins Spiel. Alles Weitere werden Ihnen die Kolleginnen und Kollegen von der Kriminaltechnik erklären, sie sind schon vor Ort“, antwortete Deuter.

Nachdem sein Chef ihm den Standort des Leichenfunds auf sein Handy geschickt hatte, machte Thomas sich auf den Weg nach Hause ins Südviertel Münsters.

Die heiße Dusche fühlte sich bei diesen Temperaturen gar nicht so schön an wie sonst im Winter, Thomas beeilte sich dementsprechend und machte sich alsbald auf den Weg nach Greven.

Die Fahrt dorthin dauerte keine halbe Stunde und das Handy führte ihn zuverlässig an den Fundort der Leiche, der dank der Streifenwagen schon von Weitem zu erkennen war.

Thomas stellte sein Auto unweit des rot-weißen Flatterbands ab und wurde von den uniformierten Kollegen kritisch beäugt, bis er seinen Dienstausweis vorzeigte und passieren durfte.

Vier Mitarbeiter von der kriminaltechnischen Untersuchung aus Münster wuselten in ihren weißen Schutzanzügen um eine Stelle am Ufer des Kanals herum, auf deren Höhe ein Boot der Wasserschutzpolizei festgemacht war. Thomas freute sich, bekannte Gesichter zu sehen. Insbesondere mit dem Teamleiter der Kriminaltechnik, Horst Maurer, hatte er bereits oft zusammengearbeitet. Thomas schüttelte Maurer zur Begrüßung die Hand. Jetzt sah er auch die Frauenleiche, die etwas abseits lag.

„Wilfried Deuter hat mir gesagt, sie hätten weitere Informationen zum Leichenfund für mich“, sagte Thomas.

„Was wissen Sie denn schon?“, fragte Maurer.

„Im Prinzip nur, dass es sich um eine Frau handelt, die höchstwahrscheinlich in Münster ums Leben kam. Wobei noch nicht ganz klar sein soll, ob sie ermordet wurde. Aber ich komme natürlich gern an meinem freien Tag hierher“, sagte Thomas mit ein wenig Ironie.

Maurer wusste Thomas’ Humor zu nehmen und grinste. „Wie auch immer“, begann er. „Heute Morgen hat ein Spaziergänger ein Stück weiter stromaufwärts etwas Eigenartiges im Wasser treiben sehen, das aussah wie ein Körper, und die 110 gewählt. Die Wasserschutzpolizei Münster hat sich umgehend auf den Weg gemacht und den Kanal abgesucht. Es stellte sich heraus, dass der Spaziergänger tatsächlich einen Körper gesehen hatte, denn die Kollegen haben die Frau dort aus dem Wasser gezogen.“ Maurer deutete auf die tote Frau, die gerade von seinem Team fotografiert wurde.

„Wie können Sie wissen, dass sie in Münster gestorben ist?“, fragte Thomas.

„Ausgehend von ihrer Körperkerntemperatur, der Wassertemperatur des Kanals und der Abkühlungsrate können wir mit relativer Sicherheit sagen, dass sie seit etwa zwölf Stunden tot ist. Wenn wir noch die Fließgeschwindigkeit des Wassers im Kanal zugrunde legen, wissen wir, dass die Frau in Münster ins Wasser gefallen ist. Oder geworfen wurde. Das herauszufinden ist Ihre Angelegenheit“, erklärte Maurer.

„Das ist wohl so“, antwortete Thomas. „Dazu brauche ich aber noch mehr Informationen.“ Er ging in die Hocke und betrachtete das Gesicht der Toten. „Das ist die erste Wasserleiche, mit der ich es zu tun habe. Müsste der Körper nicht aufgequollen sein?“

Maurer schüttelte den Kopf. „Dazu lag er nicht lang genug im Wasser.“

„Mmh“, brummte Thomas und betrachtete die Leiche vom Kopf bis zu den Füßen. „Was ist denn das da?“ Er zeigte auf eine dunkle Stelle am Kopf der Frau.

Maurer schob die nassen Haare zur Seite. „Das ist ein Hämatom. Ein ziemlich großes sogar. Oberhalb der Stirn ist auch eine Platzwunde, sehen Sie?“

„Ja. Ist sie an der Verletzung gestorben oder ist sie ertrunken?“, fragte Thomas.

„Ich möchte mich jetzt noch nicht festlegen“, antwortete Maurer. „Ohne Obduktion kann ich nichts Genaueres sagen. Aber generell kann man sagen, dass der Tod durch Ertrinken unter anderem durch Schaum vor Mund und Nase gekennzeichnet ist. Der Schaumpilz entsteht nur, wenn die Person im Wasser zum Zeitpunkt des Ertrinkens weder tot noch bewusstlos war. Dieser Pilz fehlt hier, weshalb ich vermute, dass die Frau post mortem ins Wasser geworfen wurde. Oder gefallen ist. Unser Vorteil ist auf jeden Fall, dass sie noch nicht so lange im Wasser lag. Je länger eine Leiche im Wasser liegt, desto schwieriger wird eine exakte Ermittlung der Todesumstände.“

Thomas stimmte Maurer zu. „Da ist etwas in der Hosentasche. Darf ich?“

Maurer nickte. „Warten Sie. Lassen Sie mich das machen, ich habe Handschuhe an.“ Maurer zog den Gegenstand aus der Tasche der Frau. Es war ein kleines Mäppchen, offenbar ein Schlüsseletui. Maurer öffnete den Reißverschluss. Schlüssel fand er nicht, dafür sechzig Euro in Scheinen, Kleingeld und zwei Kondome.

„Geld ist noch da, ich gehe mal davon aus, dass es sich nicht um Raubmord gehandelt hat. Außerdem weiß jeder, dass bei einer Drogensüchtigen nicht viel zu holen ist“, vermutete Maurer und zeigte auf eindeutige Einstichlöcher entlang der Halsschlagader der Frau, die er in diesem Moment wahrnahm.

Thomas widersprach. „Sagen Sie das nicht. Es gibt eine Menge Junkies, die sich für eine Zigarette umbringen würden. Wenigstens weiß ich jetzt, dass ich im Milieu mit der Befragung beginnen muss, das ist doch schon was.“

„Ich kann Ihnen sogar noch genauer sagen, wo Sie mit der Befragung beginnen können“, sagte Maurer und zog eine Karte aus dem Schlüsseletui. „Der Personalausweis ist zwar schon seit einem Jahr abgelaufen, aber vielleicht hilft Ihnen die Adresse darauf ja weiter.“

Thomas schaute sich den Ausweis an. Dem Foto nach zu urteilen war es tatsächlich der Ausweis der Frau. „Astrid Semmler. Fünfundzwanzig Jahre.“ Er warf einen weiteren Blick auf die Leiche. „Es ist traurig, wenn man sieht, was Drogen mit dem Körper machen. Ich hätte sie locker zehn Jahre älter geschätzt“, sagte er.

Trotz der nachdenklichen Töne freute Thomas sich, denn der unerwartete Fund des Ausweises stellte für ihn eine große Arbeitserleichterung dar. Natürlich nur in dem Fall, dass unter der Adresse noch die Familie des Opfers oder ein Partner anzutreffen war. Mit dem Handy machte Thomas ein Foto von dem Ausweis. „Bitte halten Sie mich über das Ergebnis der Obduktion auf dem Laufenden“, sagte Thomas.

„Das mache ich, wir bringen den Leichnam gleich direkt in die Rechtsmedizin“, antwortete Maurer.

Thomas benötigte kein Navigationssystem, um zur Adresse in der Kettelerstraße zu gelangen, die in Münsters Kreuzviertel lag. Es handelte sich um eine traditionell eher schicke Wohngegend, die architektonisch von ansehnlichen Häusern im Stil der Gründerzeit geprägt war.

Auch unter der Adresse der Familie Semmler fand Thomas eine Villa aus der entsprechenden Epoche. Das Grundstück war mit einem gusseisernen, hohen Zaun befriedet und war ziemlich groß, weshalb Thomas lieber noch mal sicherging, dass es sich tatsächlich um die richtige Hausnummer handelte.

Am Eingangstor befand sich eine Kamera. Thomas klingelte und fühlte sich sogleich beobachtet.

„Wer sind Sie?“, fragte eine Frauenstimme schüchtern durch die Gegensprechanlage.

„Guten Tag, mein Name ist Thomas Herold von der Kriminalpolizei Münster. Dürfte ich bitte reinkommen?“

Nach einer langen Stille summte das Tor und Thomas trat ein.

Der Vorgarten erschien sehr gepflegt. Kein bisschen Moos war auf dem Rasen zu sehen und der gepflasterte Weg zum Haus frei von jeglichem Unkraut. Auf halbem Weg durch den Vorgarten öffnete sich die Haustür, doch es war kein Mensch zu sehen. Erst als er die paar Stufen hinauf zum Türabsatz erklomm, zeigte sich eine Frau. Sie versteckte sich hinter der Tür und wirkte verunsichert, als sie Thomas ins Wohnzimmer führte. Ihr Mann, der dort bereits wartete, war scheinbar das genaue Gegenteil. Er grüßte nur knapp, ohne die Zähne auseinanderzubekommen, und befahl Thomas barsch, auf dem Sofa Platz zu nehmen.

„Was führt Sie hierher?“, fragte er mit versteinerter Miene, während seine Frau, die wohl bereits ahnte, dass der Besuch aus keinem erfreulichen Anlass erfolgte, sich langsam in einen Sessel sinken ließ.

„Sind Sie die Eltern von Astrid Semmler?“, fragte Thomas, um noch einmal sicherzugehen, dass er hier richtig war.

„Was hat sie denn jetzt schon wieder angestellt?“, blaffte Herr Semmler den Kriminalkommissar an.

Sogleich erntete er einen bösen Blick von seiner Frau. „Ich habe dir schon tausendmal gesagt, dass du nicht immer so aggressiv reagieren sollst, wenn es um Astrid geht“, sagte sie.

„Wie soll ich denn deiner Meinung nach reagieren? Das Mädchen hat uns doch wahrlich schon genug Sorgen bereitet, oder findest du nicht?“, erwiderte Herr Semmler.

„Wir haben schon x-mal darüber gesprochen: Astrid hat einfach Pech gehabt. Wenn wir nur einen Zugang zu ihr finden, können wir sie wieder auf die richtige Bahn bringen. Dann musst du allerdings aufhören, bei allem abzublocken und sie immer als die Drogensüchtige zu brandmarken, wenn wir mit ihr oder über sie sprechen“, sagte Frau Semmler.

Thomas erkannte, dass das Thema ihrer Tochter ein sehr sensibles war. Zu Recht. Und auch wenn er viele hilfreiche Informationen aus dem Gespräch der Eltern zog, entschied er, sie zu unterbrechen. „Herr und Frau Semmler, ich muss Ihnen mitteilen, dass wir Ihre Tochter heute Morgen tot aufgefunden haben.“

Eine lange Stille herrschte im Wohnzimmer.

„Was meinen Sie mit ,tot aufgefunden‘?“, fragte Frau Semmler schließlich. Ihr Mann und sie hörten andächtig zu, als Thomas berichtete, was passiert war. Währenddessen setzte Herr Semmler, der eigentlich sehr distanziert war, sich hinüber zu seiner Frau auf die Lehne des Sessels und nahm sie in den Arm. Sie weinte bitterlich, während Herr Semmler jegliche Gefühlsregung zu unterdrücken versuchte. Das ging so lange gut, bis Thomas fertig war mit seinen Ausführungen und auch Herr Semmler schließlich in Tränen ausbrach. Das wiederum verwunderte offenbar seine Frau so sehr, dass sie wiederum aufstand und ihren Mann umarmte. Es dauerte minutenlang, bis Thomas wieder mit den beiden sprechen konnte.

Thomas kannte das Ehepaar nicht, doch augenscheinlich passierte hier gerade ein Paradoxon, das er schon während vieler ähnlicher Situationen erlebt hatte: Der Tod eines Familienangehörigen schweißte den Rest der Familie noch enger zusammen.

„Wenn sie umgebracht wurde, versprechen Sie mir, dass Sie das Schwein finden“, sagte Herr Semmler schließlich.

„Wir ermitteln in alle Richtungen“, antwortete Thomas so diplomatisch wie möglich. „Sind Sie in der Lage, mir ein paar Fragen zu beantworten?“, fragte er.

Frau Semmler nickte.

„Sie haben gerade angedeutet, dass Ihre Tochter auf die schiefe Bahn geraten ist. Wenn ich mir Ihre Lebensverhältnisse so anschaue, ist es für mich schwer vorstellbar. Sie kam ja ganz offensichtlich aus gutem Hause. Wie ist das passiert?“, fragte Thomas.

„Tja, wenn das manchmal so einfach zu erklären wäre. Im Prinzip haben Sie recht. Wir haben immer alles getan, unsere Tochter so gut es ging auf das Leben vorzubereiten. Wir haben ihr alles ermöglicht. Schüleraustausche, Reisen, ein Pferd. Es sollte Astrid an nichts fehlen. Vor allem aber wollten wir ihr eine gute Ausbildung ermöglichen. Damit sie Juristin werden kann. Sie sollte doch mal Herberts Anwaltspraxis übernehmen“, erklärte Frau Semmler.

„Und dann hat sie ein Studium angefangen?“, hakte Thomas nach.

„Genau, hier in Münster. Eigentlich wollte sie raus aus Münster und in einer Stadt irgendwo weiter weg ihr Studium aufnehmen. Aber das kam nicht infrage. Sie hätte es doch so gut haben können hier. Sie hätte hier bei uns im Haus wohnen, mit dem Fahrrad zur Uni fahren und sich ganz aufs Studium konzentrieren können. Ohne Stress, eine Wohnung in einer fremden Stadt zu finden. Aber sie wollte es ja anders haben“, sprang Herr Semmler ein.

„Das müssen Sie mir erklären. Sie haben doch gerade gesagt, dass Ihre Tochter in Münster studiert hat. Ist sie nun woandershin gegangen oder nicht?“, fragte Thomas.

„Sie hat letztendlich an der Wilhelms-Uni in Münster studiert. Aber sie hat auf dem Kompromiss bestanden, dass sie nicht zu Hause wohnt, sondern sich eine WG suchen darf, in die sie einzieht. Das hat sie auch gemacht. Sie hat mit zwei anderen jungen Frauen in der Kanalstraße gewohnt“, erklärte Frau Semmler.

„Oh, das ist nicht weit von hier. Das hat Sie bestimmt gefreut“, bemerkte Thomas.

„Das hat es am Anfang auch. Nur danach stellten sich Astrids Mitbewohnerinnen als absolute Katastrophe heraus. Sie haben nur gefeiert, getrunken und was weiß ich was gemacht. Als wir eines Tages zu Besuch waren, haben wir sogar Gras in der Küche gefunden. Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Ich habe Astrid gesagt, dass sie mit einer Vorstrafe wegen Drogenbesitzes ihre Karriere als Anwältin direkt vergessen kann“, erinnerte sich Herr Semmler, seufzte und machte eine Pause.

„Und weiter?“, hakte Thomas nach.

„Dann machte sie komplett zu und hat sich gar nichts mehr sagen lassen. Ich hatte den Eindruck, als wäre sie nur noch im Trotz-Modus unterwegs. Sie muss irgendwann angefangen haben, härtere Drogen zu nehmen. Zumindest gehe ich davon aus, da sie immer, wenn wir sie gesehen haben, benebelt wirkte. Ihre Leistungen im Studium wurden immer schlechter und irgendwann ist sie gar nicht mehr zur Uni gegangen, sondern hing nur noch in ihrem Zimmer rum. Dann haben wir ihr ein Ultimatum gestellt: Entweder sie ändert ihr Leben und lässt sich helfen, oder wir bezahlen ihre Miete nicht mehr. Das mag für Sie vielleicht brutal klingen, aber wir wussten keinen anderen Ausweg mehr. Wissen Sie, das war so ärgerlich, ich habe doch die besten Kontakte. Zu Psychologen und Psychiatern und so weiter. Sie hätte doch nur was sagen müssen, dann hätten die ihr helfen können. Aber sie wollte nicht“, bedauerte Herr Semmler.

„Wann war das mit dem Ultimatum?“, fragte Thomas.

„Vor etwa zwei Jahren.“

„Ich schätze, sie ist nicht darauf eingegangen?“, fragte Thomas.

„Nein, nicht wirklich. Sie hat an genau einer Sitzung eines befreundeten Psychiaters teilgenommen, das wars. Vom einen auf den anderen Tag ist sie dann quasi aus der WG ausgezogen. Ihre Mitbewohnerinnen wollten uns nicht sagen, wohin sie gegangen ist. Wir haben natürlich sofort Ihre Kollegen von der Polizei eingeschaltet. Es hat nur einen Tag gedauert, bis sie sie gefunden haben. Auf der Straße. Am Bremer Platz hinterm Bahnhof. Mit ihren Junkie-Freunden.“ Herr Semmler machte eine Pause und atmete durch. „Ich sage Ihnen, dass es sehr schwer ist, als Vater so was mitansehen zu müssen. Ich meine den Totalabsturz der eigenen Tochter. Wie auch immer. Astrid hat sich mit Händen und Füßen gewehrt, zu uns nach Hause zu kommen. Die Polizei war machtlos, Astrid ist ja volljährig. Oder sie war es. Aber nun ist das alles auch egal. Das Kapitel ist wohl abgeschlossen.“ Herr Semmler und seine Frau begannen wieder zu weinen.

Thomas hatte selbst keine Kinder und versuchte sich so eine Situation auch gar nicht vorzustellen, wie es sich anfühlen musste, einen Menschen zu verlieren, den man wohl am meisten liebt. „Ich gehe mal davon aus, dass Sie nicht wissen, wer Ihrer Tochter etwas antun wollte. Falls es sich um eine absichtliche Tötung handelt“, fragte Thomas vorsichtig.

Frau Semmler schüttelte den Kopf. „Wir kennen uns in der Szene absolut nicht aus und wollten auch nie etwas mit so Menschen zu tun haben. Wir wissen weder, mit wem Astrid Kontakt hatte, noch was sie sonst so getrieben hat.“

„Verstehe“, entgegnete Thomas. „Ich werde Sie informieren, sobald ich nähere Informationen zur Todesursache Ihrer Tochter habe.“

Kapitel 3

Er stellte den Wagen so ab, dass man ihn nicht sofort sehen konnte, er aber dennoch einen guten Blick auf den Bremer Platz hatte. Ja, hier ist es gut, ich stehe nicht einmal im Halteverbot, befand er.

Wie er es hasste, zu improvisieren. Aber warum musste die Schlampe gestern auch wegrennen. Es war doch ihre Schuld, dass sie sterben musste, nicht meine, ging ihm durch den Kopf. Zum Glück gibt es von ihrer Sorte genug hier. Trotzdem: Ich muss mein gesamtes Vorgehen ändern. Ich muss vorsichtiger sein. Nicht auszudenken, wenn gestern Nacht am Kanal jemand der Frau geholfen hätte. Ja, ich brauche einen neuen Plan.

Er lehnte sich zurück und ließ sich in den Fahrersitz sinken. Nur einen Steinwurf vom Ende seiner Motorhaube entfernt stand eine Gruppe von fünf augenscheinlich Heroinsüchtigen. Zwei von ihnen schwankten auf der Stelle und unterhielten sich laut über belangloses Zeug, das zwei andere sehr lustig fanden. Jedenfalls lachten sie mit ihren fast zahnlosen Mündern und ihren verrauchten Stimmen so laut, dass er es durch das geschlossene Fenster der Fahrertür hören konnte. Die Droge hatte offensichtlich ihren Tribut gefordert und den körperlichen Verfall der beiden Männer beschleunigt. Was für ein erbärmliches, sinnloses Leben ihr doch führt, aber für meine Zwecke genügt es, dachte er. Für diese Art von Menschen empfand er tatsächlich nichts als tiefe Verachtung.

Dann fiel sein Blick auf die fünfte Person. Es war eine Frau und sie saß als Einzige aus der Gruppe auf einer Bank und zog an einer Zigarette. Oder an sonst etwas. Er benötigte nur wenige Momente, um zu wissen, dass es sie war, die er wollte. Die nächsten Minuten, in denen sein Blick nicht von ihr wich, bestätigten den ersten Eindruck nur.

Sie war ein Junkie, zweifelsohne, doch irgendetwas an ihr zog ihn in ihren Bann. Dich werde ich mitnehmen, ganz bestimmt.

Etwa eine Stunde lang beobachtete er sie. Bis sie plötzlich von der Bank aufstand und auf seinen Wagen zukam. Was? Das kann doch nicht sein. Er versank noch tiefer in den Sitz. Vielleicht sieht sie mich ja nicht.

Tatsächlich beachtete sie ihn nicht, sondern passierte das Fahrzeug nur. Er verrenkte sich den Kopf, um zu sehen, wohin sie ging. Die Frau verschwand in einer Gaststätte an der Schillerstraße mit dem Namen „Masematte“. Ein paar Minuten später kam sie mit nassen Händen, die sie an ihrer Hose abwischte, wieder heraus. Jetzt wurde ihm klar, was sie in der Kneipe gewollt hatte: Einige Gastronomen in Münster rund um den Bremer Platz boten Obdachlosen beziehungsweise Drogensüchtigen die kostenlose Benutzung ihrer Toilette an. Das mochte vielleicht selbstlos klingen, hatte aber einen praktischen Zweck, denn auf diese Weise verrichteten die Junkies ihr Geschäft nicht in den Büschen nahe der Lokalität oder direkt davor und vergraulten damit die Gäste.

---ENDE DER LESEPROBE---