Der Herr der Ringe. Bd. 2 - Die zwei Türme - J.R.R. Tolkien - E-Book

Der Herr der Ringe. Bd. 2 - Die zwei Türme E-Book

J.R.R. Tolkien

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Beschreibung

Die Fortsetzung der epischen Geschichte, die in »Die Gefährten« begann. Die Gefährten sind verstreut. Einige bereiten sich auf den Krieg gegen den Dunklen Herrscher vor, einige stellen sich dem Verrat des verderbten Zauberers Saruman entgegen. Nur Frodo und Sam sind übrig, um den verfluchten Ring in den Feuern des Schicksalsberges zu vernichten. Der Schicksalsberg liegt im Herzen des Reiches des Dunklen Herrschers. Ihr einziger Führer auf der gefährlichen Reise dorthin ist Gollum, eine hinterlistige und besessene Kreatur, die einst den Ring besaß und sich entsetzlich danach sehnt, ihn wieder zu kriegen. Als sich die dunklen Mächte sammeln, liegt das Schicksal von Mittelerde in den Händen von zwei einsamen Hobbits. Wird Gollum sie in den Tod führen?  »Eines der größten Werke der Phantastik des zwanzigsten Jahrhunderts.«  Sunday Telegraph

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J.R.R. Tolkien

DER HERR DER RINGE

Zweiter Teil: Die zwei Türme

Aus dem Englischen übersetztvon Wolfgang Krege

KLETT-COTTA

Impressum

Hobbit Presse

www.hobbitpresse.de

Die Originalausgabe von »Die zwei Türme« erschien unter dem Titel »The Two Towers. Being the Second Part of the Lord of the Rings« im Verlag George Allen & Unwin Ltd., London

Published by arrangement with HarperCollins Publishers Ltd., London

© Tolkien Estate Limited 1954, 1966

® und Tolkien® sind eingetragene Markenzeichen der Tolkien Estate Limited

Für die deutsche Ausgabe:

© 1969, 1972, 1999, 2012 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Die Gedichte auf folgenden Seiten wurden von E.-M. von Freymann übertragen: 9, 29, 92, 99, 149, 157, 166, 210, 291, 366

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

Cover: vh7 Medienküche GmbH, Stuttgart

unter Verwendung der Daten des Originalverlags © HarperCollins Publishers Ltd

Cover art © 2022 Amazon Content Services LLC

Datenkonvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Printausgabe: ISBN 978-3-608-98701-0

E-Book: ISBN 978-3-608-11982-4

Dieses E-Book entspricht der aktuellen Auflage der Printausgabe.

INHALT

Übersicht

DRITTES BUCH

ERSTES KAPITELBoromirs Abschied

ZWEITES KAPITELDie Reiter von Rohan

DRITTES KAPITELDie Uruk-hai

VIERTES KAPITELBaumbart

FÜNFTES KAPITELDer Weiße Reiter

SECHSTES KAPITELDer König der Goldenen Halle

SIEBENTES KAPITELHelms Klamm

ACHTES KAPITELDer Weg nach Isengard

NEUNTES KAPITELTreibgut und Beute

ZEHNTES KAPITELSarumans Stimme

ELFTES KAPITELDer Palantír

VIERTES BUCH

ERSTES KAPITELSméagols Zähmung

ZWEITES KAPITELDie Durchquerung der Sümpfe

DRITTES KAPITELVor dem Schwarzen Tor

VIERTES KAPITELKräuter und Kaninchenpfeffer

FÜNFTES KAPITELDas Fenster nach Westen

SECHSTES KAPITELDer verbotene Teich

SIEBENTES KAPITELWanderung zur Wegscheide

ACHTES KAPITELDie Treppen von Cirith Ungol

NEUNTES KAPITELKankras Lauer

ZEHNTES KAPITELSam Gamdschies Entschlüsse

Anmerkungen

Karte

Zur neuen Übersetzung

Informationen zum Autor

DER HERR DER RINGE

Drei Ringe den Elbenkönigen hoch im Licht,Sieben den Zwergenherrschern in ihren Hallen aus Stein,Den Sterblichen, ewig dem Tode verfallen, neun,Einer dem Dunklen Herrn auf dunklem ThronIm Lande Mordor, wo die Schatten drohn.Ein Ring, sie zu knechten, sie alle zu finden,Ins Dunkel zu treiben und ewig zu bindenIm Lande Mordor, wo die Schatten drohn.

ÜBERSICHT

Dies ist der zweite Teil des Herrn der Ringe.

Im ersten Teil, Die Gefährten, wurde erzählt, wie Gandalf der Graue herausfand, dass der Ring, den der Hobbit Frodo besaß, der Eine Ring war, der die anderen Ringe der Macht beherrschte. Darauf mussten Frodo und seine Gefährten aus ihrer Heimat, dem friedlichen Auenland, fliehen, verfolgt von den furchtbaren Schwarzen Reitern aus Mordor, bis sie endlich mit Hilfe des Waldläufers Aragorn aus Eriador unter höchsten Gefahren Elronds Haus in Bruchtal erreichten.

Dort wurde unter Elronds Vorsitz eine große Ratsversammlung abgehalten, die den Beschluss fasste, einen Versuch zur Vernichtung des Rings zu unternehmen. Zum Träger des Rings wurde Frodo bestimmt. Dann wurden Gefährten ausgewählt, die ihm helfen sollten, seinen Auftrag zu erfüllen: sich, wenn irgend möglich, ins Land des Feindes nach Mordor einzuschleichen und dort den Ring ins Feuer des Flammenbergs zu werfen, worin allein er zerstört werden konnte. Die Gefährten waren Aragorn und Boromir, Sohn des Statthalters von Gondor, stellvertretend für die Menschen; Legolas, Sohn des Elbenkönigs aus dem Düsterwald, für die Elben; Gimli Glóinssohn vom Einsamen Berg für die Zwerge; Frodo mit seinem Diener Samweis und seinen zwei jungen Vettern Meriadoc und Peregrin für die Hobbits; und Gandalf der Graue.

In aller Heimlichkeit zogen die Gefährten von Bruchtal weit nach Süden. Ein Versuch, das Hochgebirge im Winter auf dem Pass am Caradhras zu überschreiten, misslang; und dann führte Gandalf sie durch eine Geheimtür in die weiträumigen Minen von Moria, auf der Suche nach einem Weg unter den Bergen hindurch. Im Kampf mit einem entsetzlichen Unterweltwesen stürzte Gandalf dort in einen dunklen Abgrund. Doch Aragorn, der sich nun als der geheime Erbe der alten Könige des Westens zu erkennen gegeben hatte, führte die Gefährten weiter: vom Osttor von Moria in das Elbenland Lórien, dann den großen Anduinstrom abwärts bis zu den Rauros-Fällen. Schon da hatten sie bemerkt, dass sie von Spähern beobachtet wurden und dass Gollum, eine Kreatur, die den Ring einmal besessen hatte und ihn immer noch begehrte, ihnen auf der Spur war.

Nun wurde es notwendig, sich zu entscheiden, ob sie ostwärts nach Mordor oder mit Boromir nach Minas Tirith gehen sollten, um Gondors Hauptstadt im bevorstehenden Krieg verteidigen zu helfen. Oder sollten sie sich trennen? Als deutlich wurde, dass der Ringträger entschlossen war, das hoffnungslose Unternehmen bis ins Feindesland fortzusetzen, versuchte Boromir, den Ring mit Gewalt an sich zu bringen. Der erste Teil endete damit, dass Boromir der Verlockung des Rings erlag, während Frodo und sein Diener Samweis sich heimlich davonmachten und die anderen Gefährten durch einen plötzlichen Überfall von Orksoldaten getrennt wurden, die teils im Dienst des Dunklen Herrschers von Mordor, teils des Verräters Saruman in Isengard standen. Das Unglück schien die Fahrt des Ringträgers schon ereilt zu haben.

Der folgende Teil, Die zwei Türme, berichtet nun, wie es jedem der Gefährten nach der Auflösung ihrer Fahrtgemeinschaft erging, bis zum Anbruch der großen Finsternis und dem Beginn des Ringkrieges, von dem im dritten und letzten Teil zu berichten sein wird.

DRITTES BUCH

ERSTES KAPITEL

BOROMIRS ABSCHIED

Aragorn rannte den Berg hinauf. Ab und zu bückte er sich und betrachtete den Boden. Hobbits haben einen leichten Tritt, und ihre Fährten sind selbst für einen Waldläufer nicht leicht zu lesen, doch nicht weit unterhalb des Gipfels lief ein Rinnsal über den Weg, und im nassen Boden fand er, was er suchte.

»Ich habe die Zeichen richtig gedeutet«, sagte er sich. »Frodo ist zum Gipfel hinaufgerannt. Ich möchte wissen, was er dort gesehen hat. Aber er ist denselben Weg zurückgekommen, den Berg hinunter.«

Aragorn zögerte. Er wollte selbst zu dem Hochsitz, in der Hoffnung, dort vielleicht etwas zu sehen, das ihm aus seiner Ratlosigkeit heraushelfen könnte, doch die Zeit drängte. Jäh rannte er los, zum Gipfel, über die großen Steinplatten und die Treppe hinauf. Oben setzte er sich hin und schaute umher. Aber die Sonne schien verdunkelt zu sein, die Welt getrübt und entrückt. Er blickte ringsum von Norden bis Norden und sah nichts außer fernen Bergen; allenfalls glaubte er, in großer Entfernung wieder einen mächtigen Vogel hoch am Himmel zu erkennen, vielleicht einen Adler, der in weiten Kreisen langsam zur Erde niederschwebte.

Während er so umherblickte, fingen seine scharfen Ohren Geräusche aus dem Waldland unten am westlichen Ufer auf. Er erstarrte. Es waren Schreie, und unter ihnen hörte er zu seinem Schrecken krächzende Orkstimmen heraus. Dann plötzlich ertönte ein großes Horn, und seine tiefen Stöße prallten gegen die Berghänge, hallten in den Tälern wider und erhoben sich zu einem gewaltigen Ruf, der das Brausen des Wasserfalls übertönte.

»Boromirs Horn!«, rief er aus. »Er ist in Not.« Er sprang die Stufen hinab und rannte mit langen Schritten den Weg zurück. »Oh, was für ein Unglückstag ist das heute! Alles, was ich anfange, geht schief. Wo ist nur Sam?«

Je weiter er hinunterkam, desto lauter wurde das Gebrüll, während die Hornstöße schwächer und verzweifelter klangen. Dann steigerten sich die Orkschreie zu schriller Raserei, und die Hornstöße rissen ab. Aragorn stürmte den letzten Hang hinunter, doch bevor er den Fuß des Berges erreichte, wurde es stiller, und als er sich nach links wandte, in die Richtung, aus der die Schreie kamen, entfernten sie sich, bis er nichts mehr hörte. Das blanke Schwert in der Faust und mit dem Ruf Elendil! Elendil! brach er zwischen den Bäumen hervor.

Auf einer kleinen Lichtung unweit des Seeufers, etwa eine Meile von Parth Galen, fand er Boromir. Er saß mit dem Rücken an einen dicken Baum gelehnt, als ob er ruhte. Aber dann sah Aragorn die schwarzgefiederten Pfeile, die in ihm steckten. Sein Schwert hielt er noch in der Hand, aber es war dicht unterm Heft abgebrochen; sein Horn lag neben ihm, in zwei Teile gespalten. Erschlagene Orks lagen zuhauf ringsum und vor seinen Füßen.

Aragorn kniete neben ihm nieder. Boromir schlug die Augen auf und versuchte zu sprechen. Endlich brachte er einige Worte stockend heraus. »Ich habe versucht, Frodo den Ring abzunehmen«, sagte er. »Es tut mir leid. Ich habe dafür bezahlt.« Sein Blick schweifte über die Orkleichen; es waren mindestens zwanzig. »Sie sind fort – die Halblinge – die Orks haben sie mitgenommen. Ich glaube, sie sind nicht tot. Orks haben sie gefesselt.« Er schwieg und schloss müde die Augen. Aber einen Moment später sprach er noch einmal.

»Lebe wohl, Aragorn! Geh nach Minas Tirith und rette mein Volk! Ich habe versagt.«

»Nein«, sagte Aragorn, nahm seine Hand und küsste ihn auf die Stirn. »Gesiegt hast du. Einen solchen Sieg haben wenige je errungen. Sei unbesorgt, Minas Tirith soll nicht fallen!«

Boromir lächelte.

»In welche Richtung sind sie gegangen? War Frodo dabei?«, sagte Aragorn.

Aber Boromir sagte nichts mehr.

»O weh!«, sagte Aragorn. »So scheidet er hin, Denethors Erbe! Herr des Wachtturms wäre er geworden. Ein bitteres Ende! Nun liegt der Bund ganz in Trümmern. Wenn hier einer versagt hat, dann ich. Schlecht beraten war Gandalf, mir zu vertrauen. Was mach ich nun? Boromir hat mir auferlegt, nach Minas Tirith zu gehn; und auch mir steht der Sinn danach; aber wo sind der Ring und sein Träger? Wie soll ich sie finden und verhindern, dass die Fahrt in der Katastrophe endet?«

Eine Weile kniete er noch neben Boromir, seine Hand haltend, und er weinte. So fanden ihn Legolas und Gimli. Sie kamen von den westlichen Berghängen, lautlos durch den Wald schleichend wie auf der Pirsch. Gimli hielt seine Axt in der Hand, Legolas sein langes Messer: Alle Pfeile hatte er verschossen. Als sie auf die Lichtung traten, stutzten sie; und dann blieben sie stehen und senkten die Köpfe, denn was geschehen war, schien nur allzu klar zu sein.

»Weh!«, sagte Legolas, an Aragorns Seite tretend. »Im Wald haben wir Orks gejagt und viele getötet, doch nützlicher wären wir hier gewesen. Wir kamen, weil wir das Horn hörten – zu spät, wie es scheint! Ich fürchte, du bist zu Tode verwundet.«

»Boromir ist tot«, sagte Aragorn. »Ich bin unverletzt, denn ich war nicht bei ihm. Er fiel, als er die Hobbits schützte, während ich auf dem Berg war.«

»Die Hobbits!«, rief Gimli. »Wo sind sie? Wo ist Frodo?«

»Ich weiß es nicht«, sagte Aragorn müde. »Bevor er starb, hat Boromir zu mir gesagt, die Orks hätten sie gefesselt; er glaubte nicht, dass sie tot sind. Ich hatte ihn hinter Merry und Pippin hergeschickt. Ob Frodo oder Sam bei ihm waren, habe ich ihn erst gefragt, als es zu spät war. Ich habe heute einfach alles falsch gemacht. Was tun wir jetzt?«

»Zuerst müssen wir den Gefallenen bestatten«, sagte Legolas. »Wir können ihn nicht wie Aas zwischen diesen stinkenden Orks liegen lassen.«

»Aber es muss schnell gehen«, sagte Gimli. »Er würde nicht dulden, dass wir hier Zeit verlieren. Wir müssen den Orks folgen, wenn Hoffnung besteht, dass die Gefährten, die ihnen in die Hände gefallen sind, noch leben.«

»Aber wir wissen nicht, ob der Ringträger bei ihnen ist«, sagte Aragorn. »Sollen wir ihn im Stich lassen? Müssen wir nicht zuerst nach ihm suchen? Eine schlimme Wahl müssen wir treffen.«

»Dann lasst uns zuerst tun, was wir tun müssen!«, sagte Legolas. »Weder Zeit noch Werkzeug haben wir, den Gefährten würdig zu begraben oder einen Hügel über ihm aufzuschütten. Aber einen Steinhügel könnten wir errichten.«

»Die Arbeit würde lang und mühsam: Steine, die dazu taugen, finden wir erst am Ufer«, sagte Gimli.

»Dann legen wir ihn in ein Boot, mit seinen Waffen und den Waffen seiner besiegten Feinde«, sagte Aragorn. »Wir schicken ihn zum Raurosfall und übergeben ihn dem Anduin. Gondors Strom wird wenigstens achthaben, dass keine üble Kreatur seine Gebeine schändet.«

Rasch durchsuchten sie die Leichen der Orks und warfen ihre Schwerter, die gespaltenen Helme und Schilde auf einen Haufen.

»Seht her!«, rief Aragorn. »Hier finden sich Zeichen!« Aus dem Haufen grober Mordwerkzeuge zog er zwei Messer mit blattförmigen Klingen heraus, rot und golden damasziert; und als er weitersuchte, fand er auch die Scheiden, schwarz und mit kleinen roten Steinen besetzt. »Das sind keine Orkwaffen«, sagte er. »Die Hobbits haben sie getragen. Sicherlich haben die Orks sie ausgeplündert, aber nicht gewagt, die Messer zu behalten, weil sie wissen, was dies für Waffen sind: aus den Schmieden von Westernis, mit Bannsprüchen gegen Mordor beschriftet. Nun denn, wenn unsere Freunde noch leben, sind sie jetzt waffenlos. Ich will diese Messer an mich nehmen und wider alle Vernunft hoffen, dass ich sie ihnen zurückgeben kann.«

»Und ich«, sagte Legolas, »werde alle Pfeile einsammeln, die ich finde, denn mein Köcher ist leer.« Er suchte in dem Haufen und auf dem Boden ringsum und fand nicht wenige, die unbeschädigt und im Schaft länger waren als die von den Orks gewöhnlich benutzten. Er sah sie sich genau an.

Und Aragorn sah sich die Erschlagenen an. Er sagte: »Hier liegen etliche, die nicht zu den Gefolgschaften Mordors gehören. Manche stammen aus dem Norden, aus dem Nebelgebirge, soweit ich mich mit den Orks und ihren Stämmen auskenne. Aber das hier sind andere, die mir fremd sind. Auch ihre Rüstung ist überhaupt nicht von orkischer Machart.«

Er zeigte auf vier von den erschlagenen Schurken, die von größerem Wuchs waren als die anderen, dunkelhäutig, schlitzäugig, mit dicken Beinen und breiten Händen. Sie waren mit kurzen Breitschwertern, nicht mit den üblichen Krummsäbeln bewaffnet und hatten Eibenholzbogen, in Form und Länge den Bogen der Menschen ähnlich. Ihre Schilde zeigten ein unbekanntes Wappen: eine kleine weiße Hand im schwarzen Feld; und an der Stirnseite ihrer eisernen Helme stand eine aus einem weißen Metall gefertigte S-Rune.

»Diese Zeichen habe ich noch nie gesehen«, sagte Aragorn. »Was mögen sie bedeuten?«

»S steht für Sauron«, sagte Gimli. »Nicht schwer zu erraten.«

»Nein«, sagte Legolas. »Sauron gebraucht keine Elbenrunen.«

»Ebenso wenig gebraucht er seinen richtigen Namen«, sagte Aragorn, »oder gestattet, dass er geschrieben oder ausgesprochen wird. Und Weiß ist nicht seine Farbe. Die Orks im Dienste Barad-dûrs tragen das Zeichen des Roten Auges.« Er stand einen Moment still und dachte nach. »S steht für Saruman, vermute ich«, sagte er schließlich. »Aus Isengard kommt nichts Gutes mehr, und der Westen ist nicht länger sicher. Es ist, wie Gandalf befürchtete: Auf irgendeinem Wege hat der Verräter Saruman von unserer Fahrt Wind bekommen. Wahrscheinlich weiß er auch von Gandalfs Ende. Manche unserer Verfolger aus Moria sind vielleicht den Wachen um Lórien entkommen, oder sie haben um dieses Land einen Bogen gemacht und sind auf anderen Wegen nach Isengard gelangt. Orks marschieren schnell. Aber Saruman erhält Nachrichten auf vielen Wegen. Erinnert ihr euch an die Vögel?«

»Nun, wir haben jetzt keine Zeit, Rätsel zu lösen«, sagte Gimli. »Hilf uns lieber, Boromir ans Ufer zu tragen!«

»Aber nachher müssen wir die Rätsel lösen, wenn wir den richtigen Weg einschlagen wollen«, sagte Aragorn.

»Vielleicht gibt es keinen richtigen Weg«, sagte Gimli.

Mit seiner Axt hieb der Zwerg einige Äste von den Bäumen. Diese banden sie mit Bogensehnen zu einem Rahmen zusammen, und darüber breiteten sie ihre Mäntel. Auf dieser behelfsmäßigen Bahre trugen sie den toten Gefährten ans Ufer, mitsamt allem, was sie ihm an Trophäen aus seinem letzten Gefecht beizugeben gedachten. Es war nur ein kurzer Weg, aber er kostete sie Mühe, denn Boromir war selbst für einen Menschen ziemlich groß und schwer.

Am Ufer blieb Aragorn bei der Bahre stehen, während Legolas und Gimli nach Parth Galen zurückliefen. Bis dahin war es gut eine Meile, und es verging einige Zeit, ehe sie, in zwei Booten das Ufer entlangpaddelnd, zurückgeeilt kamen.

»Seltsames gibt es zu melden«, sagte Legolas. »Nur zwei Boote lagen am Ufer. Von dem dritten keine Spur!«

»Sind die Orks dort gewesen?«, fragte Aragorn.

»Es sah nicht so aus«, sagte Gimli. »Orks hätten alle Boote mitgenommen oder zerstört, und das Gepäck ebenso.«

»Ich seh mir den Boden an, wenn wir da sind«, sagte Aragorn.

Sie legten Boromir in die Mitte des Bootes, das ihn davontragen sollte. Die graue Kapuze und den Elbenmantel legten sie ihm zusammengefaltet unter den Kopf. Sie kämmten ihm sein langes, dunkles Haar bis zu den Schultern hinab. Um seinen Leib schimmerte der goldene Gürtel aus Lórien. Seinen Helm legten sie ihm an die Seite, auf den Schoß das gespaltene Horn und das Heft und die Bruchstücke seines Schwertes, zu seinen Füßen die Schwerter seiner Feinde. Dann banden sie den Bug seines Bootes ans Heck des anderen und fuhren mit ihm im Schlepptau aufs Wasser hinaus. Traurig paddelten sie am Ufer entlang, und als sie an der grünen Wiese von Parth Galen vorüberkamen, bogen sie in die Rinne ein, wo das Wasser schneller dahinströmte. Die steilen Hänge von Tol Brandir glühten in der Sonne; es war um die Mitte des Nachmittags. Ein Stück weiter südlich stieg vor ihnen golden schimmernd der Sprühregen des Rauros auf. Das donnernde Tosen des Wasserfalls erschütterte die windstille Luft.

Traurig machten sie das Bestattungsboot los. Da lag er, Boromir, und ruhte in Frieden, auf der Oberfläche des fließenden Wassers dahingleitend. Die Strömung trug ihn fort, während sie ihr Boot mit den Paddeln zurückhielten. Er trieb an ihnen vorüber, und langsam entfernte sich sein Boot und schrumpfte zu einem dunklen Fleck vor dem goldenen Licht. Dann plötzlich verschwand es. Der Rauros toste wie immer. Der Strom hatte Boromir, Denethors Sohn, an sich genommen; und nie wieder sah man ihn in Minas Tirith, wie es seine Art war, morgens auf dem Weißen Turm stehen. Doch in Gondor hieß es noch in späteren Zeiten, das Elbenboot sei den Wasserfall hinab und durch das schäumende Becken darunter gefahren und habe ihn durch Osgiliath getragen und dann weiter zu einer der vielen Mündungen des Anduin, hinaus ins Große Meer in einer Nacht unter den Sternen.

Eine Weile blickten die Gefährten ihm schweigend nach. Dann sagte Aragorn: »Vom Weißen Turm werden sie nach ihm Ausschau halten, doch weder vom Gebirge noch vom Meer wird er wiederkehren.« Dann stimmte er ein langsames Lied an:

Über Fenne und Fluren von Rohan, das grün im Grase steht,

Von Westen streicht der Wind her, der um die Mauern weht.

»O Wind, du Wandrer, was bringst du mir Neues zur Abendstund?

Was ward dir über Boromir, den jungen Recken, kund?«

»Im Mondschein sah ich ihn reiten durch eine öde Au,

Gen Norden durch sieben Flüsse, die Wasser breit und grau;

Vielleicht sah ihn später der Nordwind, als ich seine Spur verlor,

Und hörte, wie er ins Horn stieß, der Sohn des Denethor.«

»O Boromir! Von den Wällen gen Westen blick ich aus,

Doch aus den leeren Auen kamest du nicht nach Haus.«

Dann sang Legolas:

Von Süden ein salziger Meerwind fährt stöhnend zum Tor herein,

Von Dünen und Klippen her trägt er der Möwen klagendes Schrein.

»O seufzender Wind von Süden, was bringst du mir Neues zur Nacht?

Wo ist der edle Boromir? Um ihn halt ich trauernd Wacht.«

»Frage nicht mich, wo er sein mag! Der sturmgepeitschte Strand

Birgt vieler Männer Knochen im weißen und schwarzen Sand.

So viele kamen stromabwärts getrieben ins brandende Meer.

Den Nordwind frag! Wen er hertreibt, weiß keiner besser als er.«

»O Boromir! Von der Küste zum Tor führt ein breiter Pfad,

Doch kamest du nicht mit den Möwen vom grauen Seegestad.«

Und dann wieder Aragorn:

Durchs Königstor fegt der Nordwind und über den Raurosfall

Und trägt zum Weißen Turme des Hornes dunklen Schall.

»O stürmischer Nord, was bringst du mir Neues zum neuen Tag?

Sag, wo der edle Krieger so lang verweilen mag!«

»Am Amon Hen, da rief er und schlug seine letzte Schlacht,

Mit Schwert und Schild, die brachen, ward er zu Wasser gebracht.

Das stolze Haupt und die Glieder, die betteten sie zur Ruh,

Und Rauros, golden schimmernd, trug ihn dem Meere zu.«

»O Boromir! Solange der Weiße Turm wird stehn,

Solange wird er nordwärts zum goldenen Rauros sehn.«

So schloss das Lied. Sie wendeten das Boot und fuhren, so schnell es die Gegenströmung erlaubte, zurück nach Parth Galen.

»Den Ostwind habt ihr mir überlassen«, sagte Gimli, »doch über den mag ich nichts sagen.«

»Das sollst du auch nicht«, sagte Aragorn. »In Minas Tirith ertragen sie zwar auch den Ostwind, fragen ihn aber nicht, was für Kunde er bringt. Doch nun hat Boromir sich auf seinen Weg gemacht, und wir müssen in aller Eile beschließen, welchen Weg wir gehen wollen.«

Schnell, aber gründlich untersuchte er den Boden der Wiese, oft tief gebückt. »Orks sind hier nicht gewesen«, sagte er. »Im Übrigen kann ich nichts zuverlässig erkennen. Alle unsere Fußspuren laufen hier kreuz und quer durcheinander. Ich kann nicht sagen, ob einer von den Hobbits zurückgekommen ist, seit wir nach Frodo zu suchen anfingen.« Er ging noch mal ans Ufer, dorthin, wo der kleine Bach in den Fluss rieselte. »Hier sind ein paar deutliche Abdrücke«, sagte er. »Ein Hobbit ist ins Wasser gewatet und wieder zurückgekommen; aber wie lange es her ist, kann ich nicht sagen.«

»Was sagst du zu diesem Rätsel?«, fragte Gimli.

Aragorn antwortete nicht gleich, sondern ging wieder zum Lagerplatz und schaute nach dem Gepäck. »Zwei Rucksäcke fehlen«, sagte er, »und der eine ist mit Sicherheit der von Sam: ein sehr großer und schwerer. Also dies ist die Antwort: Frodo ist mit dem Boot weggefahren, und sein Diener mit ihm. Frodo muss zurückgekommen sein, als wir alle fort waren. Ich hab Sam getroffen, als ich den Berg hinauflief, und ihm gesagt, er solle mir nachkommen; aber offenbar hat er das nicht getan. Er hat erraten, was sein Herr im Sinn hatte, und ist hierher zurückgekommen, ehe Frodo fort war. Frodo hat es nicht über sich gebracht, Sam zurückzulassen.«

»Aber warum musste er uns zurücklassen, und das ohne ein Wort?«, sagte Gimli. »Das ist sehr eigenartig.«

»Sehr tapfer ist es«, sagte Aragorn. »Sam hatte recht, glaub ich. Frodo wollte nicht, dass ein Freund mit ihm nach Mordor in den Tod geht. Aber er wusste, dass er selbst gehen muss. Nachdem er uns verlassen hat, muss irgendwas geschehen sein, weshalb er sich über seine Angst und seine Zweifel hinweggesetzt hat.«

»Vielleicht sind ihm Orks begegnet, und er ist geflohen«, sagte Legolas. »Geflohen ist er gewiss«, sagte Aragorn, »aber ich glaube, nicht vor Orks.« Was er für den Grund hielt, aus dem Frodo sich so plötzlich zur Flucht entschlossen hatte, sagte Aragorn nicht. Boromirs letzte Worte behielt er lange für sich.

»Nun, so viel ist jedenfalls klar«, sagte Legolas: »Frodo ist nicht mehr auf dieser Seite des Stroms. Nur er kann das Boot genommen haben. Und Sam ist bei ihm, denn niemand anders hätte seinen Rucksack mitgenommen.«

»Wir haben also nur die Wahl«, sagte Gimli, »entweder mit dem letzten Boot Frodo zu folgen oder aber zu Fuß hinter den Orks herzulaufen. Beides ist nicht sehr verheißungsvoll. Und wir haben schon kostbare Stunden verloren.«

»Lasst mich nachdenken!«, sagte Aragorn. »Und möge ich nun endlich mal eine richtige Entscheidung treffen, um das Missgeschick dieses Unglückstags noch zu wenden!« Er stand einen Moment still da. »Ich verfolge die Orks«, sagte er endlich. »Ich hätte Frodo nach Mordor geleitet und wäre mit ihm gegangen bis ans Ende; aber wenn ich ihn jetzt in der Wildnis suche, muss ich die Gefangenen ihrem Schicksal überlassen, der Folter und dem Tod. Mein Herz sagt mir nun deutlich: Das Schicksal des Ringträgers liegt nicht mehr in meinen Händen. Der Bund der Gefährten hat getan, was er konnte, und ist nun aufgelöst. Doch wir, die wir noch übrig sind, dürfen unsere Gefährten nicht im Stich lassen, solange unsere Kräfte nicht versagen. Kommt, wir gehen! Lasst alles Entbehrliche zurück! Wir werden Tag und Nacht marschieren.«

Sie zogen das letzte Boot an Land und trugen es unter die Bäume. Darunter legten sie alles aus ihrem Gepäck, was sie nicht unbedingt brauchten und nicht mitnehmen wollten. Dann verließen sie Parth Galen. Es war schon spät am Nachmittag, als sie wieder auf die Lichtung kamen, wo Boromir gefallen war. Dort nahmen sie die Fährte der Orks auf. Sie war nicht schwer zu finden.

»Kein anderes Volk trampelt so durch die Gegend«, sagte Legolas. »Es scheint ihnen Freude zu machen, Pflanzen zu zertreten und abzuhauen, auch wenn sie ihnen gar nicht im Wege stehen.«

»Aber trotzdem laufen sie sehr schnell«, sagte Aragorn, »und werden nie müde. Und später werden wir ihre Spur vielleicht auf hartem Boden in kahlem Gelände suchen müssen.«

»Also, ihnen nach!«, sagte Gimli. »Auch Zwerge können die Beine bewegen, und sie werden nicht eher müde als Orks. Aber es wird eine lange Hetzjagd werden. Sie haben einen großen Vorsprung.«

»Ja«, sagte Aragorn, »wir alle werden ausdauernd sein müssen wie Zwerge. Aber kommt nun! Ob Hoffnung ist oder nicht, wir folgen der Fährte unserer Feinde. Weh ihnen, wenn wir uns als schneller erweisen! Eine Hatz wollen wir ihnen bereiten, von der noch lange Wunderdinge erzählt werden sollen unter den drei Geschlechtern: den Elben, Zwergen und Menschen. Auf, die drei Jäger kommen!«

Wie ein Hirsch trabte er los. Noch im Wald schlug er ein scharfes Tempo an. Unermüdlich lief er voran, jetzt, nachdem sein Entschluss endlich gefasst war. Bald ließen sie die Wälder um den See hinter sich. Lange Hänge ging es hinauf, die sich dunkel und scharfrandig vom abendroten Himmel abhoben. Es dämmerte. Sie eilten vorwärts, drei graue Schatten in einem felsigen Land.

ZWEITES KAPITEL

DIE REITER VON ROHAN

Es dunkelte. Nebel lagen hinter ihnen, unten zwischen den Bäumen, und trieben auf den blassen Bänken des Anduin, doch der Himmel war klar. Sterne traten hervor. Der zunehmende Mond stand im Westen, und die Felsen warfen schwarze Schatten. Sie hatten den Fuß felsiger Hügel erreicht und kamen nun langsamer voran, denn die Fährte war nicht mehr so leicht zu verfolgen. Das Hochland der Emyn Muil verlief hier in zwei langen, zerklüfteten Höhenzügen von Norden nach Süden. Die Hänge waren auf der Westseite steil und schwer zu überwinden, auf der Ostseite dagegen flacher und von vielen Wasserrinnen und schmalen Schluchten durchfurcht. Die ganze Nacht kletterten die drei Gefährten durch dieses kantige Gelände, stiegen zum Kamm der ersten, etwas höheren Hügelkette hinauf und auf der andern Seite wieder hinab in die Dunkelheit eines tiefen, gewundenen Tales.

In der stillen, kalten Stunde vor Morgengrauen hielten sie dort eine kurze Rast. Der Mond war vor ihnen längst untergegangen, und über ihnen funkelten die Sterne; das erste Tageslicht war noch nicht über die dunklen Hügel hinter ihnen gestiegen. Für einen Augenblick war Aragorn im Ungewissen: Die Orkfährte hatte ins Tal hinabgeführt, aber dort hatte sie sich verloren.

»Welchen Weg, glaubst du, werden sie genommen haben?«, fragte Legolas. »Nach Norden, den kürzeren Weg nach Isengard oder Fangorn, wenn das ihr Ziel ist, wie du annimmst? Oder nach Süden, zur Entwasser hin?«

»Zum Fluss werden sie nicht gehen wollen, was immer ihr Ziel sein mag«, sagte Aragorn. »Und wenn in Rohan noch nicht alles zum Schlimmsten steht und Sarumans Einfluss nicht sehr viel größer geworden ist, dann werden sie versuchen, die Felder der Rohirrim auf dem kürzesten Weg zu durchqueren. Suchen wir sie im Norden!«

Das Tal war eine steinerne Rinne zwischen den Hügelkämmen, und zwischen den Felsblöcken auf dem Grund rieselte ein Bach dahin. Rechts von ihnen begleitete sie eine abweisende Felswand; links stiegen graue Hänge undeutlich und schattenhaft in die späte Nacht auf. Sie gingen etwas über eine Meile weit nach Norden. Immer wieder bückte sich Aragorn und untersuchte den Boden an den Spalten und Rinnen, die zu den westlichen Hügelkämmen hinaufführten. Legolas war ein Stück voraus. Plötzlich stieß der Elb einen Ruf aus, und die anderen beiden rannten zu ihm hin.

»Einige von denen, die wir jagen, haben wir schon eingeholt«, sagte er. »Seht!« Er deutete auf etwas, das auf den ersten Blick wie Steinbrocken aussah, die am Fuß des Hanges lagen, und das sie nun als einen Haufen durcheinandergeworfener Leichen erkannten. Fünf tote Orks lagen da. Sie waren übel zusammengehauen, und zweien war der Kopf abgeschlagen. Der Boden war feucht von ihrem dunklen Blut.

»Schon wieder ein Rätsel!«, sagte Gimli. »Aber nur bei Tageslicht wäre es zu lösen, und darauf können wir nicht warten.«

»Doch was immer die Lösung sein mag, sie scheint Hoffnung in sich zu tragen«, sagte Legolas. »Orkfeinde sind wahrscheinlich unsere Freunde. Wohnen Menschen in diesen Hügeln?«

»Nein«, sagte Aragorn. »Die Rohirrim kommen selten hierher, und Minas Tirith ist weit. Es könnte sein, dass ein Trupp Menschen aus Gründen, die wir nicht kennen, hier auf Jagd gegangen ist. Aber das glaube ich nicht.«

»Was glaubst du denn?«, sagte Gimli.

»Dass der Feind sich den eigenen Feind mitgebracht hat«, sagte Aragorn. »Das hier sind Orks von weit her aus dem Norden. Unter ihnen ist keiner von den großen Kerlen mit den unbekannten Abzeichen. Ich denke mir, es hat Streit gegeben: nichts Ungewöhnliches bei diesem Gesindel. Vielleicht hatten sie Meinungsverschiedenheiten über den Weg.«

»Oder über die Gefangenen«, sagte Gimli. »Hoffen wir nur, dass nicht auch sie hier irgendwo liegen!«

Aragorn untersuchte den Boden in weitem Umkreis, aber andere Spuren eines Kampfes waren nicht zu sehen. Schon wurde der Himmel im Osten hell, die Sterne verblichen, und ein graues Licht breitete sich langsam aus. Etwas weiter nördlich kamen sie zu einer Bodenfalte, in der ein kleiner Bach, der von den Hängen herabkam, sich einen steinigen Weg ins Tal gebahnt hatte. Darin wuchsen ein paar Büsche und an den Seiten hier und da Gras.

»Endlich!«, sagte Aragorn. »Da sind die Spuren, die wir suchen! Diese Wasserrinne hinauf: Das ist der Weg, den die Orks nach ihrem Streit genommen haben.«

Rasch schlugen die Verfolger die neue Richtung ein. Als hätte eine gute Nachtruhe sie erfrischt, sprangen sie von Stein zu Stein. Als sie den Kamm des grauen Hügels erreichten, blies ihnen plötzlich eine Böe ins Haar und blähte ihre Mäntel: der kühle Wind der Morgendämmerung.

Sie blickten zurück und sahen die Berggipfel jenseits des Flusses vom Licht umflammt. Am Himmel brach der Morgen an. Der rote Rand der Sonne stieg über die Schultern des dunklen Landes. Im Westen lag die Welt noch grau und formlos vor ihnen, aber sie konnten zusehen, wie die Nachtschatten wichen und die Farben der Erde wieder erwachten: Grün breitete sich über die weiten Wiesen von Rohan; weißer Nebel lag über den Flusstälern; und blau und purpurrot sahen sie zur Linken, wohl dreißig oder mehr Wegstunden entfernt, das Weiße Gebirge mit seinen kohlschwarzen Gipfeln, deren glitzernde Schneekronen die Morgensonne rosig überhauchte.

»Gondor, Gondor!«, rief Aragorn aus. »O hätte ich dich in einer glücklicheren Stunde wiedergesehen! Noch führt mich der Weg nicht gen Süden zu deinen kristallklaren Bächen.

Gondor! Gondor vom Gebirg zum Küstenstrich!

Westwind wehte; das Licht der Königsgärten glich

Hellem Regen, der einst auf den Silberbaum fiel.

O weiße Türme, Flügelkrone, o Wind- und Wasserspiel!

O Gondor! Gondor! Wird der Westwind wieder wehn?

Werden Menschen den Silberbaum dort wieder sehn?

Gehn wir nun weiter!«, sagte er, riss die Augen vom Süden los und blickte nach Westen und Norden, in die Richtung des Weges, den er nun einschlagen musste.

Der Hügelkamm, auf dem sie standen, fiel vor ihren Füßen steil ab. Etwas mehr als zwanzig Faden tiefer lag ein breiter, zerklüfteter Sockel, der jäh in einer glatten Felswand abstürzte: dem Ostwall von Rohan. Hier endeten die Emyn Muil, und vor den Gefährten erstreckten sich, so weit der Blick reichte, die grünen Ebenen der Rohirrim.

»Seht da!«, rief Legolas und zeigte zum blassen Himmel hinauf. »Da ist wieder der Adler. Sehr hoch fliegt er. Er scheint nun aus diesem Lande fort und heim gen Norden zu fliegen. Er ist sehr schnell. Seht!«

»Nicht mal meine Augen können ihn sehen, mein guter Legolas«, sagte Aragorn. »Er muss schon sehr hoch sein. Ich frage mich, was er wohl vorhat, wenn es derselbe Vogel ist, den ich gestern gesehn habe. Aber schaut, da! Ich sehe etwas, das uns näher und dringender angeht. Dort auf der Ebene bewegt sich etwas.«

»Vieles«, sagte Legolas. »Ein großer Trupp zu Fuß. Doch mehr kann ich nicht sehen, auch nicht, welcher Art Volk es ist. Sie sind viele Wegstunden von hier, etwa zwölf, aber auf der flachen Ebene ist dies schwer zu schätzen.«

»Trotzdem denke ich, dass wir nun keine Spuren mehr zu suchen brauchen, um den Weg zu finden«, sagte Gimli. »Sehn wir zu, dass wir so schnell wie möglich zu den Wiesen hinunterkommen!«

»Ich bezweifle, dass du einen kürzeren Weg finden kannst, als ihn die Orks gegangen sind«, sagte Aragorn.

Nun verfolgten sie die Feinde bei helllichtem Tag. Die Orks schienen es sehr eilig gehabt zu haben. Hin und wieder fanden die Verfolger Dinge, die sie unterwegs verloren oder weggeworfen hatten: Proviantbeutel, Rinden und Kanten von hartem Graubrot, einen zerrissenen schwarzen Mantel, einen schweren, eisenbeschlagenen Stiefel, dessen Sohle auf den Steinen gebrochen war. Die Spur folgte dem Kamm des Steilhangs nach Norden bis zu einer tiefen Spalte, die ein von den Hügeln herabbrausender Bach ausgewaschen hatte. Durch die enge Schlucht führte ein holpriger Pfad, eine Art Treppe, steil in die Ebene hinab.

Unten kamen sie übergangslos mitten ins Gras von Rohan. Wie ein grünes Meer brandete es an den Fuß der Emyn Muil. Der Bach verschwand unter einer dicken Schicht von Kresse und Wasserpflanzen, und sie hörten ihn durch die grünen Tunnel die langen, sanften Hänge hinabplätschern, den Sümpfen im noch weit entfernten Tal der Entwasser entgegen. Den Winter, der sich im Bergland noch hielt, schienen sie hinter sich gelassen zu haben. Die Luft war hier milder und wärmer und trug einen leisen Duft, wie wenn sich der Frühling schon regte und der Saft wieder in die Kräuter und Knospen stiege. Legolas sog sie tief in sich hinein, wie einer, der einen lange erduldeten Wüstendurst stillt.

»Ah, wie grün es hier riecht! Das tut gut, besser als lange zu schlafen! Und nun Laufschritt!«

»Hier können leichte Füße schnell werden«, sagte Aragorn. »Schneller wohl als eisengestiefelte Orks. Jetzt haben wir eine Chance, ihren Vorsprung zu verkürzen.«

Einer hinter dem andern trabten sie dahin, wie Hunde auf einer frischen Fährte, und ihre Augen leuchteten vor Jagdeifer. Fast genau nach Westen hatte die Horde der marschierenden Orks ihre breite, schmutzige Spur ausgestampft; und das liebliche Gras von Rohan war bei ihrem Durchzug zertrampelt und besudelt worden. Auf einmal schrie Aragorn überrascht auf und wandte sich seitwärts.

»Bleibt stehn!«, rief er. »Folgt mir noch nicht!« Er rannte nach rechts vom Weg ab, denn er hatte Fußstapfen gesehen, die dort von den anderen wegführten, Abdrücke von kleinen, unbeschuhten Füßen. Diese aber führten nicht weit, dann wurden sie von Orkstapfen durchkreuzt, die vor und hinter ihnen ebenfalls von der Hauptspur abzweigten und nach einer scharfen Kehre wieder zu ihr zurückliefen, wo sie sich im plattgetrampelten Gras verlor. An der entferntesten Stelle bückte sich Aragorn und hob etwas aus dem Gras auf; dann kam er zurück.

»Ja«, sagte er, »das sind ganz eindeutig Fußstapfen eines Hobbits, Pippins, glaube ich, er ist kleiner als der andere. Und seht mal das hier!« Er hielt ein kleines glitzerndes Ding in die Sonne, das aussah wie ein frisch aufgebrochenes Buchenblatt, schön und fremd in der baumlosen Ebene.

»Die Spange von einem Elbenmantel!«, riefen Gimli und Legolas zugleich.

»Lóriens Blätter fallen nicht umsonst«, sagte Aragorn. »Und dieses wurde nicht zufällig verloren; es wurde mit Bedacht fallen gelassen als Zeichen für jemanden, der ihnen folgen könnte. Ich glaube, Pippin ist nur deshalb aus der Reihe weggerannt.«

»Dann ist er jedenfalls noch am Leben«, sagte Gimli, »und sein Verstand ist ebenso rege wie seine Beine. Das ist ermutigend. Unsere Jagd ist nicht vergebens.«

»Hoffen wir nur, dass er seine Verwegenheit nicht zu teuer bezahlen musste!«, sagte Legolas. »Kommt, weiter! Der Gedanke, dass diese munteren jungen Burschen nun wie Vieh vorangetrieben werden, liegt mir schwer auf dem Herzen.«

Die Sonne stieg zur Mittagshöhe und wanderte dann langsam himmelabwärts. Dünne Wolken zogen von der See im fernen Süden herauf und wurden vom Wind weggeblasen. Die Sonne sank. Dunkelheit streckte von Osten her ihre langen Arme aus. Die drei Jäger liefen und liefen. Ein Tag war nun vergangen, seit Boromir gefallen war, und noch immer hatten die Orks einen großen Vorsprung. Auf der flachen Ebene waren sie weit außer Sicht.

Als die Schatten der Nacht sich um sie schlossen, blieb Aragorn stehen. Nur zweimal hatten sie während des Tages eine kurze Rast eingelegt, und zwischen ihnen und dem Ostwall, wo sie am Morgen gestanden hatten, lagen nun zwölf Wegstunden.

»Nun stehn wir vor einer schwierigen Entscheidung«, sagte er. »Sollen wir die Nacht über ruhen oder weiterlaufen, solange der Wille und die Füße uns tragen?«

»Wenn unsere Feinde nicht ebenfalls rasten, werden sie uns weit hinter sich lassen, wenn wir uns schlafen legen«, sagte Legolas.

»Aber sicher müssen doch auch Orks mal eine Marschpause machen?«, sagte Gimli.

»Selten marschieren Orks bei Sonnenschein unter freiem Himmel, doch diese haben es getan«, sagte Legolas. »Sie werden gewiss nicht bei Nacht rasten.«

»Aber bei Nacht können wir ihre Spur nicht verfolgen«, sagte Gimli.

»Die Spur führt immer geradeaus und biegt, so weit mein Auge reicht, weder nach rechts noch nach links ab«, sagte Legolas.

»Vielleicht könnte ich euch auf gut Glück im Dunkeln führen und die Richtung einhalten«, sagte Aragorn, »doch wenn sie abbiegen oder wir die Spur verlieren, könnte es bei Tage dann lange dauern, bis wir sie wieder gefunden hätten.«

»Und noch etwas«, sagte Gimli. »Nur bei Tage können wir sehen, ob Spuren seitlich abzweigen. Sollte ein Gefangener entkommen oder weggeschleppt werden, zum Beispiel nach Osten zum Großen Strom und nach Mordor, so laufen wir an den Zeichen vorüber und erfahren nie etwas davon.«

»Stimmt«, sagte Aragorn. »Doch wenn ich die Zeichen, an denen wir vorübergekommen sind, richtig deute, dann haben die Orks der Weißen Hand sich behauptet, und der ganze Trupp strebt nun nach Isengard. Dafür spricht auch ihre jetzige Marschrichtung.«

»Dennoch wäre es voreilig, ihrer Absichten allzu sicher zu sein«, sagte Gimli. »Und was, wenn einer entflieht? Im Dunkeln hätten wir die Spuren nicht bemerkt, die dich zu der Spange hinführten.«

»Seitdem werden die Orks doppelt wachsam und die Gefangenen umso müder sein«, sagte Legolas. »Sie werden nicht mehr entkommen, wenn wir ihnen nicht dabei helfen. Wie das zu machen wäre, ist nicht abzusehen; aber erst einmal müssen wir sie einholen.«

»Aber selbst ich, ein weit gewanderter Zwerg und nicht der Lahmste von Durins Volk, kann nicht ohne Pause bis nach Isengard laufen«, sagte Gimli. »Auch mir ist das Herz schwer, und ich wollte, wir wären früher aufgebrochen; aber nun brauche ich ein wenig Ruhe, damit ich nachher umso besser laufen kann. Und wenn wir schon ruhen müssen, dann ist die sichtlose Nacht die richtige Zeit dafür.«

»Ich hab gesagt, dass es eine schwierige Entscheidung ist«, sagte Aragorn. »Wie können wir diesen Streit beenden?«

»Du bist unser Führer«, sagte Gimli, »und ein geübter Orkjäger. Entscheide du!«

»Mein Herz sagt mir, wir sollten weiterlaufen«, sagte Legolas. »Doch müssen wir zusammenbleiben. Ich beuge mich deinem Beschluss.«

»Ihr überlasst die Wahl einem Unberufenen«, sagte Aragorn. »Seit wir durch die Argonath gefahren sind, habe ich immer nur falsch entschieden.« Er schwieg und blickte eine ganze Weile nach Nordwesten in die dunkelnde Nacht hinaus.

»Wir gehen nicht weiter während der Nacht«, sagte er endlich. »Die Gefahr, die Fährte zu verlieren oder Zeichen für ein Kommen und Gehen in anderer Richtung zu übersehen, scheint mir die größere zu sein. Gäbe der Mond genug Licht, könnten wir es ausnützen, aber leider geht er früh unter und ist noch zu neu und blass.«

»Und heute Nacht ist er auch noch verhangen«, brummte Gimli. »Hätte uns die hohe Frau nur auch so ein Licht mitgegeben, wie sie es Frodo geschenkt hat!«

»Wem sie es gegeben hat, der wird es nötiger brauchen«, sagte Aragorn. »Der Ausgang der Fahrt hängt nun ganz von ihm ab. Unsere Orkjagd ist nur ein kleines Geplänkel in den großen Kämpfen dieser Tage. Vielleicht ist es ein von Anfang an aussichtsloses Unternehmen, das sich durch keine Entscheidung von mir vereiteln oder fördern lässt. Egal, ich habe nun entschieden. Also nutzen wir die Zeit, so gut es geht!«

Er ließ sich zu Boden sinken und schlief sofort ein. Seit der Nacht bei Tol Brandir hatte er nicht mehr geschlafen. Bevor der Morgen graute, stand er wieder auf. Gimli schlief noch fest, aber Legolas war schon auf den Beinen und blickte nach Norden in die Dunkelheit, still und nachdenklich wie ein junger Baum in einer windstillen Nacht.

»Sie sind uns weit, weit voraus«, sagte er betrübt und wandte sich zu Aragorn um. »Mein Herz sagt mir, dass sie in dieser Nacht nicht gerastet haben. Nur ein Adler könnte sie noch einholen.«

»Dennoch folgen wir ihnen weiter, so gut wir können«, sagte Aragorn. Er bückte sich und weckte den Zwerg. »Komm, wir müssen gehn!«, sagte er. »Die Fährte wird kalt.«

»Aber es ist noch dunkel«, sagte Gimli. »Selbst Legolas, und wenn er auf einem Hügel stünde, könnte sie nicht sehen, bevor nicht die Sonne am Himmel steht.«

»Ich fürchte, ich kann sie überhaupt nicht mehr sehen, ob vom Hügel oder von der Ebene, ob der Mond scheint oder die Sonne«, sagte Legolas.

»Wo das Auge versagt, gibt uns vielleicht der Erdboden ein Zeichen«, sagte Aragorn. »Das Land muss stöhnen unter ihren verhassten Füßen.« Er streckte sich im Gras aus und drückte das Ohr an den Boden. Lange blieb er dort reglos liegen, so lange, dass Gimli sich schon fragte, ob er ohnmächtig geworden oder wieder eingeschlafen sei. Der erste helle Schimmer zeigte sich am Himmel, und langsam breitete sich ein graues Licht aus. Endlich stand er wieder auf, und nun konnten die Freunde sein Gesicht sehen. Es war bleich und eingefallen, und er schaute ratlos drein.

»Die Zeichen der Erde sind trüb und verworren«, sagte er. »Auf viele Meilen im Umkreis ist nichts, was darauf läuft. Schwach und von sehr weit sind die Tritte unserer Feinde zu hören. Doch laut hörte ich Pferdehufe. Jetzt fällt mir ein, dass ich sie schon im Schlaf hörte und von ihnen in meinen Träumen beunruhigt wurde: Pferde, die nach Westen galoppierten. Aber nun entfernen sie sich von uns immer weiter nach Norden. Ich möchte wissen, was in diesem Land vorgeht.«

»Kommt, laufen wir weiter!«, sagte Legolas.

So begann der dritte Tag ihrer Jagd. Während all der Stunden, die sie unter den Wolken und der launischen Sonne voraneilten, bald gehend, bald im Laufschritt, gönnten sie sich kaum eine Pause, als könnte keine Ermüdung das Feuer ersticken, das in ihnen brannte. Durch die weite Einsamkeit gingen sie, und ihre Elbenmäntel glichen sich dem Hintergrund der graugrünen Wiesen an; und selbst am hellen Mittag wären sie kaum zu bemerken gewesen, es sei denn mit Elbenaugen, wenn man dicht vor ihnen stand. Oft dankten sie von Herzen der Herrin von Lórien für das Lembas, das sie ihnen mitgegeben hatte, denn daraus schöpften sie neue Kräfte, sogar wenn sie im Laufen davon aßen.

Den ganzen Tag führte die Spur ihrer Feinde geradeaus nach Nordwesten, ohne jedes Zeichen einer Unterbrechung oder Abweichung. Als der Tag sich wieder dem Ende zuneigte, kamen sie zu langgezogenen, baumlosen Hügeln, von denen das Land allmählich zu einer Kette niedriger Buckel hin anstieg. Die Orkspur wurde undeutlicher, als sie in dieser Richtung nordwärts abbog, denn der Boden wurde nun härter und das Gras kürzer. Weit zur Linken wand sich die Entwasser, ein silberner Faden, durch den grünen Grund. Nichts, das sich bewegte, war zu sehen. Oft wunderte sich Aragorn, dass sie keine Spur von Tieren oder Menschen fanden. Die Siedlungen der Rohirrim lagen zum größten Teil viele Wegstunden weiter südlich, unter den bewaldeten Ausläufern des Weißen Gebirges, das nun hinter Nebel und Wolken verborgen war; doch früher hatten die Pferdeherren viele Herden und Gestüte im Ostemnet unterhalten, dieser östlichen Region ihres Landes, und selbst im Winter waren hier Hirten umhergezogen, die in Zeltlagern lebten. Doch nun war das Land leer, und eine Stille herrschte, die kein Zeichen von Frieden zu sein schien.

In der Abenddämmerung machten sie wieder halt. Zweimal zwölf Wegstunden hatten sie nun auf den Ebenen von Rohan zurückgelegt, und der Wall der Emyn Muil verlor sich in den Schatten des Ostens. Der zunehmende Mond glomm am dunstigen Himmel, aber er spendete nur wenig Licht, und die Sterne waren verschleiert.

»Jede Rast und jeden Aufenthalt unserer Jagd beklage ich nun«, sagte Legolas. »Die Orks vor uns sind gerannt, als wäre Sauron selbst mit der Peitsche hinter ihnen her. Ich fürchte, schon haben sie den Wald und die dunklen Hügel erreicht und treten jetzt eben in den Schutz der Bäume ein.«

Gimli knirschte mit den Zähnen. »Das ist ein bitteres Ende unserer Hoffnung und allen Mühens«, sagte er.

»Der Hoffnung vielleicht, des Mühens nicht«, sagte Aragorn. »Wir kehren hier nicht um. Dennoch, ich bin müde.« Er blickte den Weg zurück, den sie gekommen waren, nach Osten in die heraufziehende Nacht. »Etwas Fremdes wirkt in diesem Land. Ich traue dieser Stille nicht. Ich traue nicht mal dem blassen Mond. Die Sterne sind matt, und ich fühle mich schlaff wie noch nie und wie sich kein Waldläufer fühlen darf, wenn er eine deutliche Spur zu verfolgen hat. Ein Wille ist hier am Werk, der die Schritte unserer Feinde beschleunigt und vor uns ein unsichtbares Hemmnis aufrichtet: eine Müdigkeit eher des Herzens als der Glieder.«

»In der Tat!«, sagte Legolas. »So weiß ich’s, seit wir von den Emyn Muil herabgestiegen sind. Denn dieser Wille steht nicht hinter uns, sondern vor uns.« Er deutete über Rohan hinaus in den dunkelnden Westen unter der Mondsichel.

»Saruman!«, murmelte Aragorn. »Aber uns soll er nicht zur Umkehr zwingen! Rasten müssen wir noch einmal, denn seht, auch der Mond verschwindet nun hinter den Wolken. Doch nach Norden führt unser Weg, zwischen den Höhen und den Sümpfen hindurch, wenn es wieder Tag wird.«

Wie in der vorigen Nacht war Legolas als Erster auf den Beinen, wenn er überhaupt geschlafen hatte. »Wacht auf, wacht auf!«, rief er. »Rot dämmert der Morgen. Seltsame Dinge erwarten uns am Waldrand. Ob gute oder böse, kann ich nicht sagen, aber wir werden gerufen. Wacht auf!«

Die andern fuhren hoch, und fast augenblicklich machten sie sich auf den Weg. Langsam kamen die Buckelhöhen näher, und eine Stunde vor Mittag kamen sie dort an. Grüne Hänge stiegen zu kahlen Kuppen an, die sich in einer Reihe nach Norden zogen. Am Fuß der Höhen war der Boden trocken und das Gras spärlich, aber ein langer und etwa zehn Meilen breiter Streifen Flachland lag zwischen ihnen und dem Fluss, den ein breiter Gürtel von Schilf- und Binsenröhricht säumte. Genau westlich von dem südlichsten Hang fanden sie einen großen Kreis, in dem das Gras von vielen schweren Stiefeln zerstampft war. Von hier aus führte die Orkspur weiter, nun aber in nördlicher Richtung, über trockenen Boden am Rand der Hügelkette entlang. Aragorn machte halt und sah sich die Spuren genauer an.

»Hier haben sie eine Weile gerastet«, sagte er, »aber selbst die weiterführende Spur ist schon alt. Ich fürchte, dein Herz hat dir die Wahrheit gesagt, Legolas: Dreimal zwölf Stunden, schätze ich, ist es her, dass die Orks hier standen, wo wir jetzt stehen. Wenn sie ihr Tempo durchgehalten haben, müssten sie gestern Abend Fangorns Grenzen erreicht haben.«

»Ich kann weder nach Norden noch nach Westen zu etwas anderes sehen als Gras und Nebel«, sagte Gimli. »Könnten wir den Wald sehen, wenn wir auf einen der Hügel stiegen?«

»Bis dahin ist es noch weit«, sagte Aragorn. »Wenn ich mich recht erinnere, ziehen sich diese Höhen etwas über acht Wegstunden nach Norden, und nordwestlich von hier, bis die Entwasser aus dem Wald kommt, liegt noch ein weites Stück Land, etwa fünfzehn Wegstunden.«

»Also, gehn wir weiter!«, sagte Gimli. »Meine Beine sollen die Meilen vergessen. Sie täten es bereitwilliger, wenn mir das Herz nicht schwer wäre.«

Die Sonne war schon im Sinken, als sie sich dem Ende des Höhenzugs näherten. Viele Stunden lang waren sie ohne Pause marschiert. Sie gingen nun langsam, und Gimli stapfte tief vornübergebeugt. Eisenhart sind die Zwerge bei der Arbeit wie auf dem Marsch, aber diese endlose Strapaze begann ihm zuzusetzen, umso mehr, als alle Hoffnung geschwunden war. Aragorn, der finster schweigend hinter ihm ging, bückte sich ab und zu, um einen Abdruck oder ein Zeichen am Boden näher anzusehen. Nur Legolas schritt noch so leicht einher wie eh und je. Seine Füße schienen das Gras kaum zu belasten und hinterließen keine Spuren; doch er fand alles, dessen er an Nahrung bedurfte, in der elbischen Wegzehrung; und was Menschen Schlaf nennen, hieß für ihn, dass er seinen Sinn in seltsamen Elbenträumen ruhen lassen konnte, während er zugleich offenen Auges durch die taghelle Welt lief.

»Lasst uns auf diesen grünen Hügel steigen!«, sagte er. Müde folgten sie ihm den langen Hang hinauf bis zum Gipfel. Es war ein glatter, rundlicher Hügel, oben kahl, der am Nordende des Höhenzugs für sich allein stand. Die Sonne ging unter, und die abendlichen Schatten fielen übers Land. Sie waren allein in einer grauen, gestaltlosen Welt ohne Maß oder Merkzeichen. Nur weit im Nordwesten verdichtete sich die Dunkelheit gegen das verlöschende Licht: die Nebelberge und der Wald zu ihren Füßen.

»Nichts zu sehen, woran wir uns halten könnten«, sagte Gimli. »Also, machen wir wieder halt und bringen wir die Nacht herum. Es wird kalt.«

»Der Wind bläst vom Schnee im Norden her«, sagte Aragorn.

»Und ehe es Morgen wird, kommt er von Osten«, sagte Legolas. »Aber schlaft nur, wenn ihr es denn nicht lassen könnt! Doch gebt nicht alle Hoffnung auf! Wer weiß, was morgen sein wird? Oft bringt der Sonnenaufgang Rat.«

»Dreimal ist bei unserer Jagd schon die Sonne aufgegangen und hat nichts dergleichen gebracht«, sagte Gimli.

In der Nacht wurde es noch kälter. Aragorn und Gimli schliefen unruhig, und immer, wenn sie aufwachten, sahen sie Legolas neben sich stehen oder auf und ab gehen, leise in seiner Sprache vor sich hin singend; und während er sang, drangen die weißen Sterne durch das harte schwarze Gewölbe über ihnen. So verging die Nacht. Zusammen sahen sie zu, wie die Morgendämmerung langsam am Himmel heranwuchs, der nun klar und wolkenlos war. Endlich ging die Sonne auf, fahl und klar. Der Wind kam von Osten, und die Nebel waren davongeweht. Ringsum lagen öde Lande unter dem bitteren Licht.

Vor sich, nach Osten zu, sahen sie das Ödland von Rohan, ein windiges Hügelland, das sie vor vielen Tagen schon vom Großen Strom aus gesehen hatten. Im Nordwesten stieg der dunkle Fangornwald an: Noch zehn Wegstunden waren es bis zu seinem schattigen Saum, und seine entlegeneren Hänge verschwammen in der blauen Ferne. Dahinter schimmerte, weit entrückt und wie auf einer grauen Wolke schwebend, der weiße Gipfel des hohen Methedras, des südlichsten der Nebelberge. Aus dem Wald kamen ihnen die Entwasser entgegen, hier noch schmal und schnell fließend in einem tief eingegrabenen Flussbett. Die Orkspur führte von den Höhen zu ihr hin.

Als Aragorn seine scharfen Augen die Spur entlang zum Fluss und dann den Fluss aufwärts zum Wald hin schweifen ließ, sah er in der grünen Ferne einen Schatten, einen dunklen Fleck, der sich schnell bewegte. Er warf sich zu Boden und horchte angespannt. Neben ihm aber stand Legolas, beschattete die weitsichtigen Elbenaugen mit seiner langen, schlanken Hand, und was er nun sah, war kein Schatten und auch kein Fleck, sondern es waren die winzigen Gestalten von Reitern, vielen Reitern; und das Blitzen der Morgensonne auf ihren Speerspitzen war wie das Blinken der allerfernsten, für sterbliche Augen nicht mehr sichtbaren Sterne. Weit hinter ihnen stiegen dünne schwarze Rauchkringel auf.

So still war es auf den weiten, leeren Wiesen, dass Gimli den leisen Windzug durchs Gras streifen hörte.

»Reiter!«, rief Aragorn und sprang auf. »Viele Reiter auf schnellen Pferden, und sie kommen auf uns zu.«

»Ja«, sagte Legolas. »Ihrer hundertundfünf sind es. Gelb ist ihr Haar, und hell funkeln ihrer Speere Spitzen. Sehr groß ist ihr Anführer.«

Aragorn grinste. »Scharf sind der Elben Augen«, sagte er.

»Ach was! Wenig mehr als fünf Wegstunden entfernt sind die Reiter«, sagte Legolas.

»Ob nun fünf Wegstunden oder eine«, sagte Gimli. »Entkommen können wir ihnen in diesem kahlen Gelände nicht. Sollen wir sie hier erwarten oder unseres Weges gehen?«

»Wir warten«, sagte Aragorn. »Ich bin müd, und unsere Jagd ist fehlgeschlagen. Oder wenigstens sind andere uns zuvorgekommen, denn diese Reiter verfolgen die Orkspur zurück. Sie könnten uns Auskünfte geben.«

»Oder Speerstöße«, sagte Gimli.

»Drei leere Sättel sehe ich, doch keine Hobbits«, sagte Legolas. »Ich sagte nicht, dass es gute Nachrichten sein werden«, sagte Aragorn. »Aber ob gut oder schlecht, wir erwarten sie hier.«

Die drei Gefährten stiegen nun von der Hügelkuppe, wo sie gegen den blassen Himmel allzu gut sichtbar gewesen wären, langsam den Nordhang hinunter. Noch ein wenig über dem Fuß des Hügels hielten sie an, zogen die Mäntel dicht um den Leib und kauerten sich ins welke Gras. Der Wind war kalt und schneidend. Gimli war nicht wohl in seiner Haut.

»Was weißt du denn über diese Reitersmänner, Aragorn?«, sagte er. »Sollen wir hier sitzen bleiben und den plötzlichen Tod erwarten?«

»Ich bin bei ihnen gewesen«, sagte Aragorn. »Sie sind stolz und eigensinnig, aber treuherzig und großmütig im Denken und Tun, verwegene Männer, aber nicht grausam, gescheit, aber nicht gebildet. Bücher schreiben sie nicht, aber sie kennen viele Lieder in der Art, wie sie die Kinder der Menschen vor den Dunklen Jahren sangen. Doch weiß ich nicht, was hier in letzter Zeit geschehen ist und wie die Rohirrim nun zu dem Verräter Saruman und zu der Gefahr aus Mordor stehen. Mit den Menschen von Gondor sind sie lange gut Freund gewesen, obwohl sie nicht mit ihnen verwandt sind. In verschollenen Jahren, vor langer Zeit, hat Eorl der Junge sie aus dem Norden hierher geführt; und näher verwandt sind sie dort mit den Bardingern von Thal und den Beorningern aus dem Walde, wo man noch viele große, hellhäutige Menschen antreffen kann, wie es die Reiter von Rohan sind. Wenigstens werden sie keine Freunde der Orks sein.«

»Aber Gandalf sprach von einem Gerücht, dass sie Mordor Tribut leisten«, sagte Gimli.

»Das glaube ich ebenso wenig, wie Boromir es glaubte«, antwortete Aragorn.

»Die Wahrheit sollt ihr bald erfahren«, sagte Legolas. »Sie nahen schon.«

Schließlich hörte sogar Gimli das Hufgetrappel. Der Spur folgend, hatten die Reiter den Fluss hinter sich gelassen und näherten sich den Hügeln. Sie ritten einen scharfen Galopp.

Nun schallten die Rufe klarer, kräftiger Stimmen über die Wiesen. Donnernd kamen sie heran, und der Vorderste schwenkte um den Fuß des Hügels herum, offenbar, um seine Schar am Westrand der Höhen entlang nach Süden zu führen. Hinter ihm kam eine lange Reihe Männer in schimmernder Rüstung, schrecklich und schön anzusehen.

Ihre Pferde waren von hohem Wuchs, stark und feingliedrig; die grauen Felle glänzten, die langen Schweife wehten im Wind, und die Mähnen auf den stolzen Hälsen waren geflochten. Die Reiter schienen den Tieren ähnlich zu sein: ihrerseits groß und langbeinig, mit flachsblondem Haar, das unter den leichten Helmen hervorquoll und in langen Zöpfen hinter ihnen herflog, und mit strengen, kantigen Gesichtern. In den Händen hielten sie lange Eschenspeere; auf dem Rücken hingen bemalte Schilde, am Gürtel lange Schwerter; und die blitzenden Kettenhemden reichten ihnen bis zu den Knien.

Immer zu zweit nebeneinander galoppierten sie vorüber, und obwohl ab und zu einer sich im Steigbügel aufrichtete, um einen Blick voraus oder zu den Seiten zu werfen, schienen sie die drei Fremden nicht zu bemerken, die still im Grase saßen und sie beobachteten. Der ganze Trupp war fast schon vorüber, als plötzlich Aragorn aufstand und sie mit lauter Stimme anrief:

»Was gibt es Neues aus dem Norden, ihr Reiter von Rohan?«

Erstaunlich schnell und gewandt rissen die Reiter ihre Pferde herum und kamen in geordneten Reihen zurückgebraust. Gleich darauf sahen sich die drei Gefährten von den Reitern umkreist, die den Hang hinauf und wieder hinunter immer um sie herumritten und den Kreis stetig enger zogen. Aragorn stand schweigend in der Mitte, während die beiden anderen reglos sitzen blieben und sich fragten, wie das Ganze wohl ausgehen werde.

Ohne dass ein Kommando zu hören war, hielten die Reiter mit einem Mal an. Ein Wall von Speeren starrte den Fremden entgegen; und manche der Reiter hatten den Bogen in der Hand und den Pfeil schon aufgelegt. Dann kam einer vorgeritten, ein Recke, größer als alle andern; als Helmbusch wippte ein weißer Pferdeschweif hinter ihm. Er ritt heran, bis die Spitze seines Speeres nur noch einen Fuß vor Aragorns Brust war. Aragorn rührte sich nicht.

»Wer seid ihr, und was treibt ihr in diesem Lande?«, sagte der Reiter in der Gemeinsamen Sprache des Westens; Aussprache und Redeweise waren ganz wie bei Boromir und den Menschen aus Gondor.

»Man nennt mich Streicher«, sagte Aragorn. »Ich komme aus dem Norden. Ich jage Orks.«

Der Reiter sprang vom Pferd. Er drückte seinen Speer einem andern in die Hand, der neben ihm abgesessen war, zog sein Schwert und trat Aragorn gegenüber. Er musterte ihn von oben bis unten, nicht ohne Anzeichen des Erstaunens. Nach einer Weile sagte er:

»Auf den ersten Blick dachte ich, ihr selber seid Orks; doch nun sehe ich, dem ist wohl nicht so. Ihr kennt die Orks sogar sehr schlecht, wenn ihr glaubt, sie auf diese Weise jagen zu können. Sie waren schnell, gut bewaffnet und nicht wenige. Der Jäger wäre schnell zum Wild geworden, hättet ihr sie je eingeholt. Aber an euch ist etwas Fremdartiges, Streicher.« Er musterte den Waldläufer abermals mit seinen klaren, hellen Augen. »Was für ein Name – kein Mensch trägt einen solchen! Und fremdartig ist auch eure Kleidung. Seid ihr plötzlich aus dem Boden gewachsen? Wie konntet ihr unseren Blicken entgehen? Seid ihr vom Elbenvolk?«

»Nein«, sagte Aragorn. »Nur einer von uns ist ein Elb, Legolas aus dem Elbenreich im fernen Düsterwald. Aber wir sind durch Lothlórien gekommen, und die Geschenke und die Gunst der Herrin begleiten uns.«

Wieder sah der Reiter sie voll Erstaunen an, aber sein Blick wurde hart. »Also gibt es tatsächlich eine Herrin des Goldenen Waldes, wie in alten Geschichten berichtet wird. Wenige nur entkommen ihren Netzen, heißt es. Dies sind seltsame Zeiten! Aber wenn ihr bei der Herrin in Gunst steht, seid ihr vermutlich ebenfalls Netzspinner und Hexenmeister.« Er warf einen eisigen Blick zu Gimli und Legolas hin. »Warum sagt ihr beiden nichts, seid ihr stumm?«, fragte er.

Gimli stand auf und stellte sich breitbeinig vor ihn hin, die Hand am Griff seiner Axt, und seine dunklen Augen funkelten. »Sag mir erst deinen Namen, Pferdeherr, und dann sag ich dir meinen und noch einiges sonst«, sagte er.

»Was das angeht«, sagte der Reiter, auf den Zwerg hinabblickend, »so sollte der Fremde sich zuerst zu erkennen geben. Doch ich heiße Éomer, Éomunds Sohn, und man nennt mich den Dritten Marschall der Riddermark.«

»Dann, Éomer Éomundssohn, Dritter Marschall der Riddermark, lass dich von Gimli Glóinssohn, dem Zwerg, vor dummen Sprüchen warnen! Du redest schlecht von einer hohen Frau, die weit schöner ist, als du dir vorzustellen vermagst, und nur dein Unverstand kann dich entschuldigen.«

Éomers Augen blitzten, und die Männer von Rohan drängten unter zornigem Geraune näher heran und schoben ihre Speerspitzen vor. »Ich würde dir den Kopf herunterhauen, werter Herr Zwerg, mitsamt Bart und allem, wenn er nur ein wenig höher überm Boden stünde«, sagte Éomer.

»Er steht nicht allein«, sagte Legolas, und schneller, als man es sehen konnte, hatte er den Bogen gespannt und den Pfeil auf der Sehne. »Tot wärest du, ehe dein Streich fällt.«

Éomer hob sein Schwert, und die Sache wäre wohl übel ausgegangen, doch Aragorn sprang dazwischen und hob die Hand. »Verzeih, Éomer!«, rief er. »Wenn du mehr erfahren hast, wirst du verstehen, warum du meine Gefährten erzürnt hast. Wir führen nichts Böses gegen Rohan oder einen seiner Bewohner im Schilde, ob Mensch oder Pferd. Willst du uns nicht erst anhören, bevor du die Waffen sprechen lässt?«

»Das will ich«, sagte Éomer und senkte die Klinge. »Doch wären Wanderer in der Riddermark gut beraten, wenn sie sich in diesen ungewissen Tagen weniger hochfahrend zeigten. Sag mir zuerst deinen wahren Namen!«

»Zuerst sag du mir, wem du dienst!«, sagte Aragorn. »Bist du Saurons, des Dunklen Herrn von Mordor Freund oder Feind?«

»Ich diene nur dem König der Mark, Théoden, Thengels Sohn«, sagte Éomer. »Dem Herrn des fernen Schwarzen Landes dienen wir nicht, doch stehen wir auch noch nicht in offenem Krieg mit ihm; und wenn ihr vor ihm auf der Flucht seid, verlasst lieber dieses Land. Wir haben jetzt Unruhe an allen Grenzen und sehen uns bedroht; doch wünschen wir nur frei zu sein und weiter so zu leben, wie wir immer gelebt haben, und unseren Besitz zu wahren. Wir dienen keinem fremden Herrn, er sei gut oder böse. In besseren Zei