"Der Himmel ist das Limit" - Julian Wangler - E-Book

"Der Himmel ist das Limit" E-Book

Julian Wangler

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Beschreibung

Bis Star Trek zum weltweit erfolgreichen Science-Fiction-Phänomen wurde, musste Erfinder Gene Roddenberry einen langen Atem beweisen. 1987, fast zwei Dekaden nach der Absetzung seiner Originalserie, hob eine neue Enterprise ab - diesmal mit bahnbrechendem Erfolg. The Next Generation ebnete den Weg für ein langlebiges Franchise, das inzwischen halb Mythos, halb Realität geworden ist. Dieses Buch enthält eine Vielzahl von Gedanken, Übersichten und Interpretationen zu den Star Trek-Serien von 1987 bis 2005.

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„Der Erwerb von Reichtum ist nicht mehr die treibende Kraft in unserem Leben. Wir arbeiten, um uns selbst zu verbessern – und den Rest der Menschheit.“

- Jean-Luc Picard in Star Trek: Der Erste Kontakt

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

– The Original Series –

Kurze Würdigung: Ein fruchtbarer Boden

Die

Top-10

unter 79 Episoden

Die Hauptfiguren

Die TOS-Filme: Ranking

– The Next Generation –

Geburt und Genese von TNG

Pilotfilm

Der Mächtige

/

Mission Farpoint

Season 1 & 2: Aller Anfang ist schwer

Season 3: Die Selbstfindung beginnt

Season 4 - 6: Die Blüte der neuen Ära

Season 7: Mysteryexperimente, Familiengefühle und Ermüdungserscheinungen

Die

Top-15

unter 178 Episoden

Die Hauptfiguren

Wiederkehrende Gastcharaktere

Kommandotandem: Picard - Riker

Beziehungskisten:

Top-10

„Größe und Komplexität“: Die

U.S.S. Enterprise-D

Ikonische Raumschiffe in TNG

Was will Q? – Allmächtiger Quälgeist in unterschiedlichen Rollen

Künstliche Intelligenz am Beispiel des Androiden Data – Wo endet die Maschine, wo beginnt der Mensch?

Zerrspiegel der Utopie: Das Borg-Kollektiv

Die TNG-Filme: Ranking

Forschen war gestern: Der TNG-Relaunch

Nummer Eins wird flügge: Die

U.S.S. Titan

legt ab

– Deep Space Nine –

Geburt und Genese von

Deep Space Nine

Trek with an edge: Das Besondere an

Deep Space Nine

Pilotfilm

Der Abgesandte

Besprechung: Die sieben Staffeln

Die

Top-15

unter 176 Episoden

Die Hauptfiguren

Wiederkehrende Gastcharaktere

Kommandotandem: Sisko - Kira

Beziehungskisten:

Top-10

Raumstation im Wandel der Zeit

„Tapferes, kleines Schiff“: Die

U.S.S. Defiant

Dunkel, tragisch, glaubwürdig: Die Cardassianer

Fremde Gestade: Der Gamma-Quadrant

Anti-Föderation aus der Dunkelheit: Das Dominion

Das, was noch vor Dir liegt: Der DS9-Relaunch

– Voyager –

Geburt und Genese von

Voyager

Pilotfilm

Der Fürsorger

Season 1 - 3: Ein großes Versprechen und viele verpasste Chancen

Season 4 - 7: Späte Kurskorrekturen und neue Horizonte

Die

Top-15

unter 172 Episoden

Die Hauptfiguren

Wiederkehrende Gastcharaktere

Kommandotandem: Janeway - Chakotay

Beziehungskisten:

Top-10

„Auf die Reise“: Die

U.S.S. Voyager

Die

Voyager

-Mission: Eckdaten im Überblick

Revolutionäre fern der Heimat: Der Maquis in

Voyager

Heimkehren, um aufzubrechen: Der

Voyager

-Relaunch

– Enterprise –

Geburt und Genese von

Enterprise

Pilotfilm

Aufbruch ins Unbekannte

Season 1: Hinter jedem Stern etwas Wundervolles

Season 2: Kein Wind mehr in den Segeln

Season 3: Grenzüberschreitung und (Selbst-)Verletzung

Season 4: Heimkehr nach langer Irrfahrt

Die

Top-15

unter 98 Episoden

Die Hauptfiguren

Wiederkehrende Gastcharaktere

Kommandotandem: Archer - T‘Pol

Beziehungskisten:

Top-10

„It‘s been a long road“: Der Weg zur

Enterprise NX-01

„Endlich Zeit zu schwimmen“: Die

Enterprise NX-01

Panik im Maschinenraum: Die Gründe für die Absetzung

Zurück von den Toten: Der

Enterprise

-Relaunch

Nachwort: Ende einer Reise

Vorwort

„Auf diesem Schiff ist alles möglich.“

Es war einer dieser Sätze, die im Verlauf eines der inzwischen zahlreichen Star Trek-Filme gesagt wurden. Ein Satz, der kurz war und der mir dennoch das Herz wärmte. Denn er machte mir einmal mehr klar, weshalb ich Star Trek immer so sehr geliebt habe. Es ging stets um die Möglichkeiten. Schon Spock dachte gern an die „Chance einer Möglichkeit“, gemäß dem vulkanischen Leitsatz ‚Unendliche Möglichkeiten in unendlicher Kombination‘.

Heute, Jahrzehnte nach meinem ersten Rendezvous mit fremden Galaxien und neuen Zivilisationen, blicke ich zurück und stelle fest, dass ich mich für Science-Fiction begeistere, solange ich denken kann. Doch wenn es eine eigenständige und zutiefst besondere Marke innerhalb dieses großen und heterogenen Genres gibt, dann ist es Star Trek. Das Star Trek, wie es von Gene Roddenberry erdacht und dann später unter Rick Berman, Michael Piller, Ira Steven Behr, Ronald D. Moore und Brannon Braga weitergeführt wurde, begleitet mich nun schon sehr lange. Wie viele andere hat es mich dazu inspiriert, von einem besseren Morgen zu träumen und mich auch in düsteren Zeiten daran zu wärmen.

Die heldenhaften Captains und ihre bunt gemischten Crews waren einfach immer da, in allen Lebenslagen. Sie und die Abenteuer, bei denen man sie beobachten durfte, haben mir geholfen, Niederlagen und Tiefs zu verkraften, mich wieder aufzurappeln, niemals den Mut zu verlieren. Und vor allem haben sie mich angeregt, mich selbst schriftstellerisch im Bereich der Science-Fiction zu betätigen. Im Rückblick denke ich gerne, dass Star Trek und die vielfältigen Themen, die es verhandelte (mal besser, mal schlechter), viel zu meiner persönlichen Reife beigetragen haben.

Ich würde noch weiter gehen: Star Trek ist ein beträchtlicher Teil dessen, was ich als geistige Heimat empfinde. Nicht wegen irgendwelcher wissenschaftlicher und technischer Erklärungen oder opulenter Raumschiffe und auch nicht weil es immer frei von Widersprüchen gewesen wäre (das war und ist es nicht). Sondern deshalb, weil Star Trek – wenn es seine überragenden Stunden hatte – den Horizont für das weitete, was denkbar ist, was erreicht werden kann, wenn wir es nur wollen und über neue Möglichkeiten und Wege nachzudenken bereit sind. Wie steinig der Weg zu diesem Ziel auch sein mag.

Im Laufe der Jahre habe ich sehr viel über Star Trek geschrieben, bin viel im Geist auf Reisen gegangen. In diesem Buch habe ich einige meiner Eindrücke, Gedanken und Interpretationen zu dem niedergeschrieben, was ‚mein‘ persönliches Star Trek ausmacht: die Serien von 1987 bis 2005. Diese Serien, die mit dem frühen The Next Generation noch unter Roddenberry ihren Ausgang nahmen, repräsentieren meiner Auffassung nach ein großes Ganzes und auch einen weltanschaulichen Bogen, welcher im Fernsehen mit dem Ende von Enterpriseseinen Abschluss fand. Das Schöne ist, dass diese Aberhunderte von Episoden im Weltraum sich am Ende nicht über ihre schwachen Momente oder gar Ausrutscher definieren, sondern über das, was in ihren Sternstunden möglich wurde. Dort, wo es wirklich um neue Welten, um Würde, Mut, Erkenntnis und Humanismus ging. Eben um neue „Möglichkeiten der Existenz“ (Q). Star Trek ist deshalb eine Allegorie auf uns als Menschen, und obwohl es eine dezidiert säkulare Show ist, hat es – im Unterschied zu den vielen Horrorvisionen und Zukunftsdystopien im Gegenwartsfernsehen – nie den Glauben daran verloren, was wir vollbringen können.

- Der Autor, im Frühjahr 2021

Anmerkung zur 2. Auflage:

In der 2. Auflage wurde das gesamte Buch gründlich überarbeitet. Zumeist habe ich die Besprechungen der einzelnen Serien deutlich erweitert und manchmal einige Kapitel gegen andere ausgetauscht. Ich hoffe, dass sich somit ein noch dichterer und interessanterer Eindruck bei der Diskussion der ST-Shows ergibt.

- Herbst 2022

Anmerkung: Dieses Buch ist nicht im Auftrag oder durch Unterstützung bzw. Veranlassung von Produzenten der Star Trek-Serien oder zusammenhängenden Merchandise-Artikeln entstanden. Es handelt sich ausschließlich um Meinungen und Interpretationen des Autors. Star Trek™ und sämtliche verwandten Markennamen sind eingetragene Warenzeichen von CBS Studios Inc. und Paramount Pictures.

Abkürzungen

– The Original Series –1966 - 1969

The Original Series

>> Kurze Würdigung: Ein fruchtbarer Boden

Ich gehöre dem Jahrgang 1985 an. Das heißt, zu jener Zeit, als die ursprüngliche Star Trek-Serie erstmals lief, war ich noch lange irgendwo in der Milchstraße unterwegs. Ich bin in den 1990er Jahren TV- und Kinosozialisiert worden, mit allen Höhen und Tiefen, die dazu gehören. Das bedeutet, eine emotionale Beziehung zu The Original Series – kurz: TOS – hatte ich nie.

Gleichwohl habe ich mich im Laufe der Zeit intensiv mit den Abenteuern von Kirk, Spock und Pille befasst, weil sie schlicht und ergreifend ein zentraler Bestandteil des Canon geworden sind. Wer sich ernsthaft mit Star Trek beschäftigt, kommt an Classic nicht vorbei. Diese Serie, die in den 1970er Jahren im Zuge diverser Wiederholungen Kultstatus erlangen sollte, hat die definierenden Grundlagen gelegt. Die Serie wurde von Gene Roddenberry erdacht, einem ehemaligen Polizisten, der vorher Drehbücher für Kriminal- und Westernserien geschrieben hatte – eine Grundfärbung, die sich auch in TOS widerspiegeln sollte. Obwohl ich einige Dinge in TOS als das erkenne, was später mal die ‚Roddenberry-Box‘ genannt werden sollte (gemeint sind Dogmen wie der Zwang zu nicht-zusammenhängenden Episoden alias die große Unverbindlichkeit, den weitgehenden Verzicht auf crewinterne Konflikte, eine etwas überhöhte Darstellung des geläuterten Zukunftsmenschen oder auch eine Verballhornung alles Religiösen, vom eher rückständigen Frauenbild ganz zu schweigen), sehe ich sehr wohl die Samen, die damals gesät worden und in jenen späteren ST-Serien, die viele so sehr zu lieben gelernt haben, zu blütenreichen Gewächsen gesprossen sind.

Gemeint sind Geschichten, die wie Parabeln auf zeitgenössische Themen und Entwicklungen daher kommen. Die Autoren verarbeiteten den kalten Krieg und seine explosiven Stellvertreterkonflikte wie insbesondere den Vietnamkrieg, die Rassenkonflikte der 1950er und 1960er Jahre, die Zeit der Verbrechersyndikate in den USA, die aufkommende Computerisierung, Eugenie und andere Zeitbezüge – manchmal auch im amüsanten, bunten Trashformat, etwa wenn Kirk und seine Besatzung auf eine Gruppe von Weltraumhippies stießen. Genregrenzen gab es dabei nicht, und hier betrat Star Trek Neuland. Es machte sich im wahrsten Sinne des Wortes locker. Aus diesem inhaltlichen Potpourri konnten spätere Serien reichhaltig schöpfen und sich breit aufstellen.

Herausragend war, dass Star Trek zu all den Themen, die es aufgriff, eine eigene moralische Message mitbrachte. Man denke zum Beispiel an die Absurdität ethnischer Konflikte, wie es die Folge Bele jagt Lokai nahe legt. Ähnlich absurd-genial sind verschiedene Darstellungen, wie Zerstörungswut und Kriegslust vernichtende Computer bzw. Massenvernichtungswaffen hervorbringen, die sich dann vollständig verselbstständigen und den Menschen mehr oder weniger ihren Willen aufzwingen (Krieg der Computer, Ich heiße Nomad, Planeten-Killer). Manchmal kam die Botschaft zwar ein wenig mit dem Holzhammer daher, aber hier zählt der Versuch, einen ethischen Kompass mitbringen zu wollen, was teilweise zu grandiosen Geschichten führte. Während die meisten generischen Unterhaltungsformate dieser Zeit dem Zuschauer unmissverständliche Gut-Böse-Konstellationen (blütenweiße Helden, abgrundtiefe Widersacher!) präsentierten, zeichnete sich Star Trek in seinen besseren Folgen dadurch aus, dass es nicht bloß schnurbartzwirbelnde Schurken darbot, sondern die Perspektive des Gegners einnahm, sich in ihn hineinversetzte. Musste man diesen auch bekämpfen (wie etwa im großen Raumkampf zwischen Kirk und dem namenlosen romulanischen Commander, gespielt von Mark Lenard, in Spock unter Verdacht), wurden die Kontrahenten beleuchtet und auch mit Würde ausgestattet. Im Zuge dessen lernten wir, dass auch der Feind innere Konflikte mit sich austrägt und von daher ein mehrdimensionales Wesen aus Fleisch und Blut ist.

Star Trek machte es sich niemals leicht, sondern war schon damals bemüht, die Gegenwart zu verarbeiten und durch das Prisma seines eigenen imaginären Kosmos zu spiegeln. So erhielten wir Geschichten von schillernder Reichhaltigkeit, die selbst mehr als ein halbes Jahrhundert nach ihrer Erfindung nichts von ihrer Aktualität eingebüßt haben. Was in TOS eher beiläufig angelegt war – die Enterprise als Repräsentantin einer multikulturellen, moralisch-humanistisch orientierten Planetenföderation – sollte ein Proprium späterer Star Trek-Shows werden, ein spezielles Identitätsmerkmal und Markenzeichen des Franchise. In den 1980er Jahren würde eine gewisse Neuauflage namens The Next Generation das Wesen der weiter entwickelten Menschheit und der Föderation verstärkt beleuchten und damit die idealisierte, zuversichtliche Utopie mehr in den Vordergrund rücken. Vor allem würde TNG, noch mehr aber wohl Deep Space Nine, zeigen, was es in Grenzsituationen bedeutet, zu seinen Prinzipien und rechtschaffenen Grundsätzen zu stehen (courage under fire).

Ähnlich wegweisend war Star Trek mit Blick auf das (schauspielerisch perfekt besetzte!) Triumvirat Kirk, Spock und McCoy – gewissermaßen das Salz in der Suppe von TOS, vielleicht sogar jenes Lebenselixier, das die Serie schließlich populär machte und ihr auf längere Sicht sechs erfolgreiche Kinofilme bescherte. Schnell ist es Roddenberry gelungen, ein heterogenes, liebenswürdiges Trio zu bilden, das ganze Folgen tragen konnte: Captain James T. Kirk als der starke, charismatische Anführer mit den beiden Flügeln ‚Pille‘ McCoy (= moralisches Gewissen und Gefühl) und Spock (= Verstand und Logik). Der Arzt und der spitzohrige Wissenschaftsoffizier traten häufig als argumentative Antipoden und heuristische Grundkategorien auf. Je nach Situation und Szenario musste der Captain neu abwägen und entscheiden. Kommende Serien haben sich hier mit eigenen Akzentsetzungen viel abgeguckt (insbesondere was den konsultierenden und beratenden Aspekt der Serie sowie das Ringen um das beste Argument angeht).

Vor allem die ikonische Figur des (abseits der menschlichen Gemeinschaft stehenden) Spock, die im Zuge der originalen drei Staffeln sukzessive immer besser ausgeleuchtet und entwickelt wurde, war stil- und inhaltsprägend für das gesamte ST-Universum (man denke an in späteren Serien nachfolgende Figuren wie den Androiden Data, den Formwandler Odo, die von den Borg befreite Seven of Nine oder Subcommander T’Pol). Spock sah aufgrund seiner spitzen Ohren, schrägen Brauen und der erhabenen Erscheinung Leonard Nimoys nicht bloß exotisch aus; er vereinbarte brillante, ja übermenschliche Intelligenz und Analytik mit einer latenten inneren Zerrissenheit, die teils seiner halb-menschlichen, halbvulkanischen Identität, aber auch den ‚wilden‘ Genen seiner Vorfahren geschuldet waren (man denke hier an die Episode Weltraumfieber).

Auch das Thema Multikulturalität und Pluralismus war von vorneherein ein entscheidendes Element von Star Trek, das ihm eine gesellschaftliche Vorreiterrolle verschaffte. Der Umstand, dass in der Hochphase des kalten Kriegs eine Führungscrew auf der Enterprise agierte, zu der ein Russe ebenso wie eine dunkelhäutige Frau oder auch ein Japaner zählen, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Den weiterführenden Integrationsaspekt verkörperte zudem der bereits erwähnte Spock mit seiner teils extraterrestrischen Abstammung – nicht nur der Feind, sondern auch das Unbekannte wurde gewissermaßen auf diesem Schiff eingemeindet, was die Serie auch in ihrem Innerkosmos wahrhaft in die Zukunft katapultierte. Schon auf der Enterprise der 1960er Jahre wurde das Prinzip ‚Einheit in Vielfalt‘, wie es später zum Föderationsideal schlechthin werden sollte, aktiv gelebt.

Trotz der schweren Themen, die es teilweise behandelte, blieb Star Trek stets eine ausgesprochen leichtfüßige und optimistische Serie, die die tief sitzende Überzeugung ihres Schöpfers ausstrahlte: Die Menschheit ist in der Lage, ihre derzeitigen Probleme hinter sich zu lassen und sich entscheidend zum Guten weiterzuentwickeln, wenn sie dies nur wirklich will. Roddenberry sah die Segnungen der Aufklärung, der Rationalität und vor allem der Wissenschaft als Vehikel, um den Erdlingen zu einem nicht nur technologischen, sondern vor allem geistigen und moralischen Sprung nach vorn zu verhelfen. Dieser selbstermächtigende Spirit, der Star Trek intensiv mitgegeben wurde, überdauerte die Jahrzehnte.

Vieles, was am ST-Franchise so einzigartig ist, hat also seine Wurzeln unzweifelhaft in TOS. Insofern kann ich der Schöpfung Gene Roddenberrys nur meine Hochachtung entgegenbringen, war es damals doch ein echtes Wagnis, unter Low-Budget-Bedingungen ein Experiment ohne Blaupause und gegen alle in den 1960er Jahren vorherrschenden Sehgewohnheiten und Vorstellungen von der Zukunft. Selbst wenn es anfangs nicht den Erfolg zu haben schien, den Roddenberry sich erhoffte, so sieht man, wie TOS über die Jahre wie ein guter Wein reifte und mehr und mehr bei den Zuschauern Anklang fand. Es war erst den Beginn von etwas Großem, nämlich einem sprichwörtlichen Wagenzug zu den Sternen…

Danke dafür, Gene Roddenberry.

The Original Series

>> Die Top-10 unter 79 Episoden

Platz 10 – 2x17: Epigonen

Durchweg schmissig: Kirk, Spock und McCoy tauchen in eine Gangsterwelt ein, die an das Chicago der 1920er Jahre erinnert – und liefern uns komödienreife Szenen, ohne den ersten Bezug darüber zu vergessen.

Platz 9 – 1x13: Kodos, der Henker

Kriminalgeschichte mit Charakterdrama: Die Episode liefert tiefe Einblicke in Kirks Figur, der durch die schrecklichen Ereignisse auf Tarsus IV stark geprägt wurde.

Platz 8 – 2x04: Ein Parallel-Universum

Durch den Spiegel: Die Ur-Episode, die eine ganze Reihe von Folgen im bei Fans so beliebten Paralleluniversum begründete. Schillernd und erfrischend, auch wenn die Idee eigentlich von Philip K. Dick übernommen wurde.

Platz 7 – 1x23: Krieg der Computer

Plädoyer gegen den Krieg: Ein Szenario, das eindrücklich vor Augen führt, wohin Hass und Feindschaft führen und wie sie sich dauerhaft verfestigen können. Und ein Captain, der eine der beeindruckendsten Lösungen präsentiert.

Platz 6 – 1x22: Der schlafende Tiger

Schablone für einen der besten Kinofilme: Die Enterprise stößt auf die von der Erde geflohenen Augments rund um den früheren Herrscher Khan Noonien Singh, Kirks großem und ikonischem Gegner.

Platz 5 – 3x07: Gleichgewicht der Kräfte

Mein Feind, mein Verbündeter: Die Enterprise muss mit Klingonen zusammenarbeiten – die Erzrivalen beginnen zu erkennen, dass sie gar nicht so grundverschieden sind.

Platz 4 – 1x26: Kampf um Organia

Wegweisend für die Geschichte: Die pazifistischen Organier sind nicht das, was sie zu sein scheinen, und erzwingen einen Frieden zwischen Föderation und Klingonen.

Platz 3 – 1x14: Spock unter Verdacht

Die Enterprise hat eine historisch einschneidende Begegnung mit den Romulanern – es entbrennt ein Raumkampf, dessen bedrückende Intensität an ein U-Boot-Gefecht erinnert. Dramaturgisch sticht hervor, wie prägnant und unerwartet der romulanische Commander charakterisiert wird. Nachdenkliche Fragen kommen auf, was ihn möglicherweise mit Kirk, der ihn zur Strecke bringt, verbindet.

Platz 2 – 1x28: Griff in die Geschichte

Komplex und berührend: Ein durchgedrehter McCoy, eine ungewöhnliche Zeitreise mit allen Komplikationen und eine tiefgehende Romanze machen die Episode zu etwas ganz Besonderem.

Platz 1 – 2x15: Kennen Sie Tribbles?

Einfach ikonisch: Klingonen, eine kultige Raumstation und ein Haufen Pelzviecher, gesalzen mit deftigem Humor. Zu Ehren des dreißigjährigen Jubiläums griff DS9 die Folge auf und dockte mit einer eigenen Inkarnation an.

The Original Series

>> Die Hauptfiguren

James Kirk

Natürlich ist die Figur des Captain Kirk ein Kind ihrer Zeit und aus heutiger Sicht vielleicht zu sehr das, was man einen nervenstarken Draufgänger in Wildwest-Manier nennen könnte. Kirks Ambitionen als großer Schürzenjäger und Shatners gelegentliche Tendenz zum Overacting mögen diesen Eindruck noch verstärken. Allerdings muss man Kirk zugute halten, dass er nur an der Oberfläche dem Klischee des Männlichkeitsprotzes entspricht – nicht wenige Episoden zeigen ihn auch von einer abwägenden, nachdenklichen und zerbrechlichen Seite. Und seine Entscheidungen zur Lösung von Krisen sind oft erstaunlich differenziert und durchdacht. Hinzu kommt seine ausgeprägte freundschaftliche Bindung an seine ‚Flügelmänner‘ Spock und McCoy. Kirks ‚Verpackung‘ als eher klasssiche Heldenfigur und sein wahrer Kern sind also zwei verschiedene Paar Schuhe.

Staffel: 1-3

Schauspieler: William Shatner

Spock

Obwohl Kirk der große, starke Anführer sein soll, ist es nicht verwunderlich, dass sein Erster Offizier Spock schnell zum überragenden Publikumsliebling avancierte. Der Halbvulkanier war damals eine exotische Natur; sein stark kontrolliertes, akkurates Auftreten und seine zu jeder Zeit wohl überlegten Ratschläge und Handlungsweisen stehen für einen Charakter aus einer besseren Zukunft. In Kombination mit seinem teils unfreiwilligen Sparringspartner McCoy wurde Spock darüber hinaus zum Zentrum ausgesprochen humorvoller Szenen, die etwas von Don Camillo und Peppone haben. Ohne Zweifel die Kultfigur der Serie und damals, in den Sechzigern, ein echtes Novum im TV.

Staffel: 1-3

Schauspieler: Leonard Nimoy

Leonard McCoy

Der Charakter des Doktor McCoy, von Kirk mit dem Spitznamen ‚Pille‘ versehen, ist ein Phänomen. Obwohl er oftmals gar nicht viel zur Handlung beiträgt, ist er in seiner Bedeutung so gut wie immer einer der drei Hauptcharaktere. Seine persönliche Verbindung zu Kirk und die häufigen Kontroversen mit Spock schufen erst das, was ich als Wundermischung von TOS bezeichnen würde. Dies wäre jedoch nicht möglich gewesen ohne die brillante Leistung von DeForest Kelley, der den Schiffsarzt zugleich kauzig und etwas ruppig darstellen konnte, ohne je einen Zweifel an seiner tiefen Menschlichkeit und Kompetenz aufkommen zu lassen.

Staffel: 1-3

Schauspieler: DeForest Kelley

Montgomery Scott

Der selbsternannte Wunderwerker Scotty ist ein mit allen Wassern gewaschener Pragmatiker. Obwohl der Chefingenieur der Enterprise allzu oft unter großem Druck steht, fährt er nur selten aus der Haut und bleibt höflich und kollegial (es sei denn, man beleidigt sein geliebtes Schiff). Seine Verbundenheit mit dem schottischen Way of Life wird nur noch übertroffen von seiner Schwäche für exotische außerirdische Spirituosen. Letzteres ist eine Art Running Gag geworden und hat sogar eine Fortsetzung in The Next Generation erfahren, wo Scotty erneut ein Glas mit einer namenlosen grünen Flüssigkeit zum Toast hebt.

Staffel: 1-3

Schauspieler: James Doohan

Hikaru Sulu

Für eine Figur wie den Navigator Sulu blieb nicht sehr viel Platz zur Profilierung. Wir erlebten ihn in erster Linie als das sympathische Gesicht am Steuer der Enterprise, zu jeder Zeit höflich, loyal und professionell agierend. Abseits davon durften wir aber auch einige persönliche Dinge über den Japaner erfahren wie zum Beispiel von seiner Leidenschaft für das Fechten. Auch erfuhren wir, dass Sulu einen grünen Daumen hat. Karrieretechnisch sollte Sulu in den Star Trek-Filmen noch so einiges vorhaben.

Staffel: 1-3

Schauspieler: George Takei

Nyota Uhura

Der Charakter der Uhura hielt gleich in mehrfacher Hinsicht eine emanzipatorische Fackel hoch. Als schwarze Frau stellte sie unter Beweis, dass Star Trek eine grundlegend weiter entwickelte Menschheit darbietet, in der Geschlechter-, Klassen- und Rassenschranken aufgehoben sind. Zwar war der Kommunikationsoffizierin, ähnlich wie Sulu oder Chekov, nur eine Nebenrolle zugedacht, aber sie fügte sich gut in das multikulturelle Figurenaufgebot ein. Ikonisch: Uhuras berüchtigter ‚Stöpsel‘ im Ohr.

Staffel: 1-3

Schauspielerin: Nichelle Nichols

Pavel Chekov

Weshalb Khan sich Jahre nach TOS gerade an Chekovs Gesicht erinnern will, wird wohl auf ewig sein Geheimnis bleiben. Denn die Figur des jungen Offiziers war in der ersten Staffel, als der Augment die Enterprise besuchte, noch gar nicht erfunden. Ab dem zweiten Jahr war Chekov eine durchaus mutige Erweiterung des Casts. Wo andere Serien und Filme die Angst vor ‚den Russen‘ schürten, tat Roddenberrys Show das Gegenteil. Mit seinem Akzent und einem gelegentlichen Hang zur Überhöhung seiner Heimat wurde Chekov schnell ein weiteres Markenzeichen der Serie, das seinen Platz in zweiter Reihe fand. In den Filmen sollte er noch weiter aufleben.

Staffel: 2, 3

Schauspieler: Walter Koenig

The Original Series

>> Die TOS-Filme: Ranking

Wo stehen die sechs TOS-Kinofilme im Ranking? Eines ist gewiss: Sie sind von höchst unterschiedlicher Qualität. Alles war dabei: Die höchsten Höhen und die tiefsten Tiefen. Meine persönliche Reihenfolge.

Platz 6 – Star Trek V: Am Rande des Universums

William Shatners Regiedebüt verkommt zur vollendeten Katastrophe. Eine interessante Grundidee (die Suche nach ‚Gott‘) wird so grauenvoll umgesetzt, dass nicht einmal die freundschaftlich-familiäre Verbundenheit zwischen Kirk, Spock und McCoy das Ganze abmildern kann. Spocks gewöhnungsbedürftiger Halbbruder Sybok kommt quasi aus dem Nichts und entschwindet dorthin. Man merkt dem fünften Film an, dass er der ganz große Wurf werden sollte. Am Ende wurde er platt, unlogisch, prüde, billig und allzu amerikanisch.

Beste Szenen: Kirk, McCoy und Spock am Lagerfeuer.

Schlechteste Szenen: Wo soll man anfangen? „Teile Deinen Schmerz mit mir“, „Entschuldigung, wozu braucht Gott ein Raumschiff?“…

Platz 5 – Star Trek I: Der Film

Star Trek ist im Kino – mit viel besserer Optik und viel besserer Musik. Deutlich mehr Gründe zum Freuen gibt es aber erst mal nicht. Trotz einer interessanten Grundidee rund um eine alte, zur Intelligenz gekommenen Sonde ist die Story dürftig und langatmig, verzettelt sich in Nebenkriegsschauplätzen. Viele Fragen bleiben am Ende unbeantwortet. Kirk ist so unsympathisch wie nie zuvor. Zum Glück war der Film trotzdem ein kommerzieller Erfolg, sonst wäre der Weg zum Franchise wohl verbaut gewesen.

Beste Szenen: Ein würdevoller Rundflug um die umgebaute Enterprise. Manchmal muss man schweigen können.

Schlechteste Szenen: Kirk muss vor Commander Decker sein Gebiet markieren. Das Geturtel zwischen Decker und Lieutenant Ilia ist kaum besser.

Platz 4 – Star Trek III: Auf der Suche nach Mr. Spock

Um den heldenhaft verstorbenen Spock zurückzubringen, sind Kirk und seine Offiziere bereit, jedes Opfer zu bringen. Trotzdem ist Film drei gegenüber dem Khan-Abenteuer ein Rückschritt. Die Geschichte ist lahm und mit (pseudo-)religiösen Aspekten überfrachtet (Genesis, ein Paradiesplanet, Spocks Wiederauferstehung). Am Ende ist man wieder dort, wo man aufgehört hat – und die Verbundenheit zwischen Kirk, Spock und Pille ist größer denn je. Ein Arbeitserfolg, mehr nicht.

Beste Szenen: Kirk und seine Freunde beobachten, wie die Enterprise über Genesis verglüht. „Was habe ich nur getan?“, fragt ersterer, und Pille gibt ihm die Antwort.

Schlechteste Szenen: Der junge, wiedergeborene Spock durchlebt das Pon Farr.

Platz 3 – Star Trek IV: Zurück in die Gegenwart

Um die Erde zu retten, müssen Kirk und Co. zwei Buckelwale aus dem 20. Jahrhundert in ihrer Zeit heimisch machen – und reisen mal eben nach 1986 zurück. An und für sich eine hanebüchene Geschichte, wäre sie nicht so lustig erzählt. Star Trek entdeckt eine völlig neue Seite an sich. Zwar mit dem Holzhammer, aber immerhin, ist auch eine Botschaft zum Thema Umweltschutz enthalten (zum damaligen Zeitpunkt alles andere als selbstverständlich!).

Beste Szenen: Kaum zu sagen, so viele gibt es. „Hallo, Computer?“, „Wo geht es hier zu den atomgetriebenen Kriegsschiffen?“, „Gracie ist schwanger“… Und natürlich die zahlreichen „blumigen Metaphern“ sowie Spocks Nachsinnen darüber.

Schlechteste Szenen: Die Walsonde und die Erzeugung des Zeitsprungs (dreimal um die Sonne und wieder zurück).

Platz 2 – Star Trek II: Der Zorn des Khan

Nach dem holperigen ersten Film und dem Chaos hinter den Kulissen war Serienschöpfer Roddenberry schnell weg vom Fenster. Ein neues Produktionsteam unter der Ägide von Harve Bennett begann einen Neustart. Mit Khan fand man einen charismatischen Antagonisten aus der ersten TOS-Staffel, der sich mit dem Duo Kirk-Spock eine epische Raumschlacht liefert. Die Charakterchemie stimmt, die Dialoge sind spritzig und clever. Am Ende wartet ein Schock mit Hoffnungsschimmer.

Beste Szenen: „Khaaaaan!“ Und natürlich die freundschaftlichen Szenen zwischen Kirk und Spock, bis hin zu seinem überaus berührenden Opfertod („Ich war es und ich werde es immer sein, Ihr Freund“).

Schlechteste Szenen: Hätte es den blöden Ceti Alpha-Ohrwurm wirklich gebraucht? Und warum haben Khan und seine Anhänger ihren Modegeschmack so radikal gewandelt? Abgesehen davon, dass er mit klingonischen Sprichwörtern um sich wirft.

Platz 1 – Star Trek VI: Das Unentdeckte Land

So kann es gehen: Auf den schlechtesten aller Classic-Filme folgt der mit Abstand beste. Der Abschluss der Kirk-Ära ist ein intelligenter und hochspannender Politthriller, der den gealterten Captain und seine Zeitgenossen mit den eigenen Vorurteilen konfrontiert. Eine äußerst gelungene Anspielung auf das Ende des kalten Kriegs, bei der das altgediente TOS-Triumvirat noch einmal aufblüht.

Beste Szenen: Begegnung und Schlagabtausch zwischen Kirk und Chang. Und natürlich der imposante, bittersüße Ausklang des Abenteuers, von Spock mit einem Bonmot auf den Punkt gebracht („Fahr zur Hölle“). „Der zweite Stern von rechts, bis zum Morgengrauen.“

Schlechteste Szenen: Kirks Techtelmechtel mit der Formwandlerin hätte nicht sein müssen.

– The Next Generation –1987 - 1994

The Next Generation

>> Geburt und Genese von TNG

Der Traum lebt

Als Mitte der 1960er Jahre die Originalserie von Star Trek ausgestrahlt wurde, fand sie kein ausreichend breites Publikum – sie sollte erst im Laufe der Siebziger einen ikonischen Status bekommen. Daher entschied sich der (Science-Fiction-Serien gegenüber ohnehin eher skeptisch eingestellte) Sender NBC dafür, das Experiment Star Trek als gescheitert anzusehen, und setzte die ohnehin stets auf wackeligen Beinen stehende Show nach dem dritten Jahr bzw. 79 Episoden ab.

Doch Gene Roddenberry kämpfte hartnäckig und mit ganzer Hingabe dafür, dass seine Zukunftsvision eines Tages wieder auf die Fernsehschirme zurückkehrte. Über lange Jahre hinweg bewies er einen enorm langen Atem und ebenso viel Selbstdisziplin. Bis mit The Motion Picture ein Kinofilm realisiert wurde, dauerte es geschlagene zehn Jahre, doch trotz des Produktionschaos hinter den Kulissen (in deren Folge Roddenberry angesichts seines eratischen Führungsstils selbst nicht sonderlich gut wegkam) zahlte sich die Anstrengung enorm aus. Der Game Changer, der Star Trek den Weg auf die große Leinwand gebahnt hatte, war neben dem Umstand, dass TOS sich über die Jahre zum Kult mauserte, der enorme Erfolg von George Lucas‘ Star Wars im Kino gewesen. Auf diesem Trend aufsattelnd, waren bis 1986 vier kommerziell höchst erfolgreiche Kinofilme mit der Classic-Crew realisiert worden. Mehr an Potenzial war in der Pipeline. In dieser Zeit hatte Paramount endgültig Blut geleckt und wollte Star Trek ins TV zurückbringen. Beinahe zwei Dekaden nach dem vorzeitigen Ende von TOS stand die nächste ST-Generation tatsächlich in den Startlöchern. Es roch nach Aufbruch.

In der Chefetage setzte man sich in den Kopf, den Classic-Nachfolger in Syndication zu produzieren, also Episode für Episode an unabhängige und regionale Sender zu verkaufen (Mehrfachverwertungsprinzip). Zudem sollten die Einnahmen aus den TOS-Wiederholungen in die Produktion der neuen Show reinvestiert werden. Obwohl Roddenberry selbst zunächst nicht unmittelbarer Teil dieser Findungsphase war – nach dem stressigen Durcheinander während der Produktion des ersten ST-Films war er mehr oder weniger entmachtet worden –, wurde er relativ rasch von Rick Berman angesprochen, um die Konzeptionierung der Serie mit seiner Expertise zu unterstützen. Roddenberry gefielen die ersten Ideen nicht und erschienen ihm zu weit weg von dem, was eine Neuauflage seiner Vision verkörpern sollte. Also lieferte der Franchise-Vater eigene Impulse, was Paramount offenbar überzeugte, ihn als kreativen Part erheblich stärker einzubinden. Außerdem war Roddenberry aufgrund seiner engen Verzahnung mit der ST-Fangemeinde wichtig für das Studio, das ihn als glaubwürdigen Transmissionsriemen zu nutzen gedachte.

Großer Ehrgeiz, große Pläne

Roddenberry nutzte die Gunst der Stunde, um sich – auch unter Zuhilfenahme gewisser juristischer Finten – geradezu unverzichtbar für Paramount zu machen. Auf diese Weise schob er sich immer mehr in den Vordergrund, versammelte ein persönlich ausgewähltes Team von Autoren und erstellte eine lose Serienbibel, in der Umgebung, Figuren, Sets und Begrifflichkeiten für die neue Inkarnation umrissen wurden. Roddenberry wollte den Kern der klassischen Serie und deren Botschaften beibehalten. Allerdings sah er die Notwendigkeit, eine Serie zu produzieren, die den späten Achtzigern angemessen war. Analog zum letztendlich gewählten Titel der Show, The Next Generation, wurde Star Trek in die Zukunft verlegt, um etwa einhundert Jahre ins 24. Jahrhundert. Dort sollte eine brandneue Enterprise mit einer ebenso neuen Besatzung auf Entdeckungsreise im Weltraum gehen. Entsprechend mussten einige Gesetzmäßigkeiten von TOS modernisiert werden.

Roddenberry und sein Team wollten allem voran ein wesentlich größeres und luxuriöseres Schiff, das in der Lage war, den utopischen Aspekt von Star Trek stärker zu transportieren und plastisch zu machen. Damit einhergehend, sollten diesmal Familien an Bord mitreisen, was den in TOS noch stark militärisch geprägten Duktus aufbrach. An Bord der Enterprise-D sollten der Mannschaft technologisch weit gediehene Erholungs- und Freizeiteinrichtungen zur Verfügung stehen, in seinem Zentrum ein fortschrittlicher 3D-Umgebungssimulator (Holodeck). Nicht zuletzt sollte nun nicht mehr der Captain, sondern standardmäßig der XO auf Außenmission gehen, um ein wenig von der „Cowboy-Diplomatie“ (Spock) herunterzukommen.

Das Casting bildete einen von vielen Spaltpilzen im langwierigen Vorbereitungsgeschehen. Nach einigem Vor und Zurück erhielt für die Figur des Captain Picard letztlich der britische Theaterschauspieler Patrick Stewart Roddenberrys Segen. In der Serie spielte er wohl gemerkt einen gebürtigen Franzosen. Abgesehen von diesem Kuriosum, das angesichts der offensichtlichen Wurzeln Stewarts sowie Jean-Luc Picards Earl Grey-Vorliebe niemals wirklich Sinn ergab, würde sich der kahlköpfige Kommandant binnen weniger Serienjahre zu dem Aushängeschild der neuen Star Trek-Schöpfung mausern. Selbst wenn Picard in den (anfangs nicht immer gelungenen) Drehbüchern erst zu voller Form auflaufen musste, war es ganz maßgeblich Stewarts besonnenprägnantes Schauspiel, das in der Lage war, die zweifellosen Schwächen der ersten beiden Staffeln markant auszugleichen.

Bis zum Ende der Serie und ihren vier anhängigen Kinofilmen sollte Stewart das zentrale Identitätsmerkmal von TNG bleiben. Picard war der Gegenentwurf zum etwas breitbeinig agierenden Wildwesthelden und Instinktmenschen Kirk: ein feinsinniger und gebildeter Verteidiger universeller Menschenrechte, ein Anwalt der Geschundenen und Benachteiligten, Bannerträger einer niemals verrutschenden oder relativierten Ethik. Picards bedachte, diplomatisch-konsultierende, weise, zuweilen strenge, aber immerzu humanen Prinzipien verpflichtete Art, auf Situationen wie Personen zuzugehen, prägte einen ikonischen Stil, der vermutlich noch besser zur geläuterten Menschheit der Zukunft passte als jener des Vorgänger-Captains.

Apropos Kirk: An Picards Seite stellte man mit dem jungen Schauspieler Jonathan Frakes den ehrgeizigen und leidenschaftlichen Commander William Riker, dessen Figur zweifellos Anleihen beim ersten Enterprise-Kommandanten machte. Roddenberry wollte den Zuschauern in der Crew Neues bieten, das dennoch Erinnerungen an die Star Trek-Tradition wach werden ließ. Ganz maßgeblich galt das für die Spock-Nachfolge: Die Figur des Androiden Data (letztlich mit Brent Spiner besetzt) beschrieb Roddenberry bereits frühzeitig als hoch entwickeltes menschenähnliches Maschinenwesen und als eine Art von Pinocchio, der sich danach sehnte, wie ein Mensch zu sein. Hinzu kam mit Geordi LaForge ein von Geburt an blinder Mann (LeVar Burton), der mithilfe einer postmodernen Sehhilfe (VISOR) sein Augenblicht erhielt. Damit war zum ersten Mal eine Person mit offensichtlicher Behinderung in einem ST-Cast vertreten. Passend zum Ende des kalten Kriegs, sollte sogar ein Klingone auf der Brücke Dienst tun und für das weiterentwickelte Universum stehen, in dem alte Feinde nicht mehr aktuelle Feinde waren, selbst wenn die mit Michael Dorn besetzte Rolle zunächst als wiederkehrender Gastcharakter angelegt worden war. Im Hinblick auf die Besetzung weiblicher Rollen machte TNG einen großen Sprung nach vorn: Nun gab es eine Sicherheitschefin (Denise Crosby alias Natasha Yar) und eine Chefärztin (Gates McFadden alias Beverly Crusher) sowie eine Schiffsberaterin (Marina Sirtis alias Deanna Troi). Allerdings wird man sagen müssen, dass diese Rollen über die Serie hinweg eher begleitenden Charakter hatten und selten im Vordergrund standen.

Per aspera ad astra

In seinen Anfängen dachte man bei The Next Generation strikt von Folge zu Folge. Der Erfolg der Serie war nämlich alles andere als eine ausgemachte Sache – immerhin war der Mainstream-Sci-Fi-Markt gerade erst dabei, sich zu entwickeln, und abseits der Kinoerfolge war nicht wirklich absehbar, inwiefern das Fernsehen dauerhaft Platz für Star Trek bieten würde. Hinzu kamen interne Schwierigkeiten, die die junge Serie gerade in ihrem ersten Jahr durchaus erheblich belasteten: Immer wieder gab es schwere Friktionen zwischen Roddenberry und dem Autorenstab. Ersterer neigte dazu, kurz vor knapp ganze Skripte ohne Rücksprache umzuschreiben. Oft waren die letztendlichen Episoden das Ergebnis komplizierter und chaotischer Umwälzungsprozesse unmittelbar vor Drehbeginn, sodass nicht selten hölzerne Dramaturgie und ein Gefühl von ‚Nichts Ganzes und nichts Halbes‘ dabei herauskamen. So mancher der TNG-Hauptdarsteller berichtet, zu diesem frühen Zeitpunkt der Serie nicht damit gerechnet zu haben, eine längere Zeit für Star Trek vor der Kamera zu stehen – aus einer Vielzahl von Gründen.

Als Roddenberry sich im Laufe des zweiten Jahres dann aufgrund rapide schlechter werdender Gesundheit notgedrungen mehr und mehr aus dem operativen Tagesgeschäft zurückziehen musste, brachen Machtkämpfe unter den Drehbuchschreibern aus – abermals mit negativen Folgen für die Episodenentwicklung. Erst ab dem dritten Jahr kehrten mit dem neuen Führungstandem aus Rick Berman und Michael Piller Stabilität und ein neuer, stetiger Kurs ein, der sich massiv auf die Qualität der produzierten Folgen auswirkte. So sind die ersten beiden Staffeln auch als eine Mischung aus Testlabor und kontinuierlichem Entwicklungsprozess zu sehen, bis TNG ab Season drei die Selbstfindung gelang, begleitet von immer weiter steigenden Zuschauerzahlen.

TNGs Pfad zur alles überragenden ST-Erfolgsserie mit stetig wachsenden Quoten begann also steinig, doch der Science-Fiction-Hunger war im Laufe der 1980er Jahre vollends erwacht. Die Fans waren, trotz der teils holperigen Anfangsphase, begierig auf mehr Star Trek. Die Serie schaffte es, die meisten klassischen Anhänger zu überzeugen und eine Menge neuer zu gewinnen (gerade innerhalb des ST-Franchise durchaus eine Kunst!). Sie würde – mehr noch als das Original – zum Symbol für anspruchsvolle Allegorien auf real existierende Missstände und Dramen werden. Die Führungsfigur Picard würde einen Typus von idealisiertem Militärkommandanten prägen, der auf Grundlage von Prinzipientreue, Dialogfähigkeit und Humanismus demonstrierte, was eine bessere menschliche Gesellschaft im Kern ausmacht. So würde TNG nicht von irgendwoher zur Inspirationsquelle für viele Menschen werden, sich mit Wissenschaft, Politik, Ethik und sozialen Problemlagen auseinanderzusetzen oder auch eine bestimmte Berufung für sich selbst zu erblicken, von dem emanzipatorischen Charakter ganz zu schweigen. TNG war jener große Wurf, der Star Trek endlich vollständig mainstreamkompatibel gemacht hatte. Es hatte wie ein großer Staubsauger funktioniert, der nicht nur kreativ ein eigenes Universum erschloss, sondern auch gezielt verschiedene Ideen aus der Sci-Fi-Szene aufgriff und diese in eigener Deutung umsetzte.

Ohne den bahnbrechenden kommerziellen Erfolg der nächsten Generation wären weitere ST-Ableger (Deep Space Nine, Voyager, Enterprise) in den Folgejahren kaum vorstellbar gewesen. Die Abenteuer von Picard und Co. waren insofern der Nukleus, aus dem das Franchise in seiner heute kaum noch zu überschauenden Breite erst erwuchs; sie begründeten seinen langfristigen Siegeszug als Phänomen der Populärkultur. Trotz der teilweise beherzten Versuche, den bahnbrechenden Erfolg der Serie in die Zukunft zu verlängern, würde es keiner der nachfolgenden Inkarnationen gelingen, die nahezu sagenhaften und stetig nach oben weisenden Quoten von TNG zu duplizieren.

Zu den am meisten rezipierten Folgen gehörten neben dem Pilotfilm der Borg-Zweiteiler In den Händen der Borg/Angriffsziel Erde, die Doppelfolge Wiedervereinigung mit Spocks Cameo und natürlich der Abschlussfilm Gestern, Heute, Morgen. Diese und andere Episoden erreichten Spitzenquoten, die man abgesehen von ganz wenigen Ausnahmen bei künftigen ST-Produktionen nie wieder erzielen sollte. Dass man obendrein nach sieben ungebrochen erfolgreichen Staffeln Kirk und Co. erfolgreich im Kino beerbte – ein Privileg, das den Folgeserien nicht mehr zuteilwerden sollte –, verdeutlicht die herausgehobene Stellung von TNG im ST-Kosmos.

Zwischen 2012 und 2014 erfolgte darüber hinaus ein umfangreiches Remastering der Serie, wie es bis dato beispiellos für eine Star Trek-Serie ist. Ähnlich wie bei TOS wurde eine vollständige Neubearbeitung in HD vorgenommen. Dabei entschieden die Macher, das Seitenverhältnis in 4:3 nicht zu verändern, da dies schwerwiegende Herausforderungen für den Überarbeitungsprozess bedeutet hätte. Das Originalmaterial wurde insgesamt hervorragend aufgewertet, was mit merklich gestiegener Bildschärfe, satteren Farben und erheblich mehr Details einhergeht. Insbesondere das liebevoll gearbeitete Modell der Enterprise sowie andere Schiffe und Planeten kommen nun noch besser zur Geltung. Es ist ein Genuss, die Serie in diesem runderneuerten Zustand noch einmal zu erleben.

The Next Generation wird immer das Erfolgsrezept des Franchise bleiben. Auch wenn Gene Roddenberry der Show im Grunde nur im Hinblick auf ihr Setting sowie auf ihren ersten Metern so richtig den eigenen Stempel aufdrückte, hatte er es verstanden, das Vermächtnis der Urserie weiterzutragen und zugleich in eine zeitgemäßere Form zu transponieren. Insoweit wird TNG immer mit dem Franchise-Schöpfer verbunden bleiben, der so lange und hart um die Neuauflage einer Star Trek-Fernsehserie gekämpft hatte. Sein lange gehegter Traum war Wirklichkeit geworden, und verantwortliche Producer wie Rick Berman und Michael Piller würden Acht darauf geben, dass Star Trek seinen Wurzeln treu blieb.

The Next Generation

>> Pilotfilm Der Mächtige/Mission Farpoint

Verankerungen lösen, volle Kraft voraus…aber tunlichst nicht zu selbstsicher. Im TNG-Pilotfilm namens Der Mächtige/Mission Farpoint begegnet die funkelnagelneue Enterprise gleich auf ihrem Jungfernflug zum entlegenen Farpoint-Außenposten (Deneb IV) am Ende des erforschten Weltraums einer omnipotenten Lebensform namens Q, die die Menschheit der Barbarei anklagt. Q bezweifelt, dass die Terraner sich in den letzten Jahrhunderten entscheidend weiterentwickelt haben, sondern sieht in ihnen nach wie vor eine brutale, primitive Rasse, die einem ewigen Kreislauf von selbstverschuldetem Leid und Zerstörung unterliege und sich somit trotz ihrer technischen Fortschritte charakterlich nicht weiterentwickelt habe.

Q stellt Captain Jean-Luc Picard und den Kommandostab des Schiffes, stellvertretend für die gesamte Menschheit, vor ein Gericht. Falls die Angeklagten den Prozess verlieren, so Q, lautet das Urteil Vernichtung der gesamten Menschheit. Die Farpoint-Mission – genauer gesagt das Rätsel um die eigenartige planetare Station – wird von Q als erster Test für Picard und seine Leute auserkoren. Picard gelingt es zwar, mit dem erfolgreichen Abschluss des nicht ganz einfachen Einsatzes einen Beweis für die Weiterentwicklung der Menschheit zu erbringen, doch Q sieht den Prozess damit nicht als beendet an und verspricht, wiederzukommen.

Viel Nostalgie im Spiel

Auch beim heutigen Betrachten weckt der Auftakt von TNG eine ganze Menge nostalgischer Empfindungen, selbst wenn die initiale Doppelfolge bei ganz nüchterner Analyse vermutlich längst nicht so gut ist wie in der Erinnerung. So mag die Story zwar in die neue, futuristische Enterprise einführen (inklusive einer Demonstration der Abtrennung der Untertassensektion), eine gottgleiche Rasse vorstellen (Apollon und Trelane lassen grüßen) und ein ominöses Rätsel rund um die titelgebende Station präsentieren. Allerdings wirkt vieles bei näherer Betrachtung noch wenig durchdacht und eilig verrührt. Selbst das Produktionsteam der damaligen Zeit blickt heute durchaus selbstkritisch auf die Startepisode von TNG zurück.

Eine besondere Merkwürdigkeit der TNG-Anfangszeit, die sich insbesondere im Piloten manifestiert, ist eine leicht überhebliche Attitüde, mit der die Fortschrittlichkeit der geläuterten Menschheit stets betont wird. Nicht nur Qs Test ist ein Beispiel dafür (natürlich wird ihn die Menschheit eines Besseren belehren und demonstrieren, wie weit sie inzwischen gekommen ist!) – auch Picard trägt seine Haltung in Bezug auf die später so pointiert zusammengefasste „weiterentwickelte Sensibilität“ (Star Trek: Der Erste Kontakt) geradezu wie wie eine Monstranz vor sich her. Wie des Öfteren in der ersten und auch zweiten Staffel trägt der Pilotfilm Gegenwartskritik bzw. Verfehlungen der Menschheit in der Vergangenheit recht oberlehrerhaft vor, sodass damit ein wenig insinuiert wird, als habe die Föderationsgesellschaft inzwischen ihren perfekten Endzustand erreicht (was immer ein sehr schlechtes Zeichen für eine Zivilisation ist).

Es ist bekannt, dass Roddenberry die Figur des Q kurz vor knapp ins Drehbuch schrieb, was Autorin D.C. Fontana nicht sonderlich gefiel (überhaupt war ihre Vorlage ganz schön auf den Kopf gestellt worden). Damit praktizierte der eigenwillige ST-Erschaffer im Grunde einen alten Hut, denn TOS war durchzogen von überaus kritischen Auseinandersetzungen mit dem Thema Religion und (vermeintlich) omipotenten Gestalten. Auch hier scheint es zunächst so, als wären die überheblichen Q bloß ein weiteres Beispiel für ein Volk von omnipräsenten Querulanten. Später würde daraus jedoch noch sehr viel gemacht, doch das war zum Zeitpunkt des Piloten vollkommen offen.

Mindestens so irritierend wie die Präsentation der Zukunftsgesellschaft ist die Einführung der Figuren. Dies geschieht oftmals wenig subtil, sondern eher mit dem Holzhammer, was zu unfreiwillig komischen Szenen führt, wenn einzelne Charaktere vortreten und etwas über sich erzählen, was ‚in-universe‘ eigentlich längst bekannt sein dürfte. So erleben wir, wie Data oder Worf abrupt von ihren Stühlen aufspringen und Exposition in ihre persönlichen Hintergründe geben. Ein weiteres Beispiel ist Tasha Yar, die das Bedürfnis hat, „in ihrer Funktion als Sicherheitschefin“ einen Rat abzugeben. In welcher Funktion denn bitte sonst? Ähnlich holperig wird dem Zuschauer aus Doktor Crushers Mund näher gebracht, dass und warum Geordi LaForge ein technisches Gerät zum Sehen trägt. Vermutlich führten die Mechanismen einer 1980er-Jahre-Serie dazu, dass die innere Organik der Handlung noch nicht so ausgeprägt war wie bei heutigen, eher durchgängig erzählten Serien. Dies hatte zur Folge, dass einige Figuren am Serienbeginn sozusagen aus ihrer authentischen Rolle fielen, indem sie sich einseitig ans TV-Publikum wandten und diesem Dinge erläuterten, die ihren Kameraden eigentlich glasklar sein müssten.

Wo wir beim Thema Figurenzeichnung sind: So manche Charaktere des Casts kommen zu Anfang noch ziemlich archetypisch daher, was nicht dadurch gemindert wird, dass ihre Eigenschaften als Crème de la Crème der Sternenflotte dem Betrachter unter die Nase gerieben werden. So sehen wir einen sich ziemlich ernst nehmenden, autoritären Kommandanten, einen ehrgezigen XO, einen hoch intelligenten, jedoch kindlich-naiven Androiden, einen furchtlosen Krieger, eine empathisch-emotionale Counselor und einen blinden Mann, der technologisch aufgerüstet wurde. Die Handlung ermöglicht immerhin jedem der Hauptcharaktere seinen definierenden Moment, sodass Konturen für die zukünftige Entwicklung aufgebaut werden, mögen auch viele Hintergründe der Figuren noch im Dunkeln bleiben.

Aus heutiger Sicht eher störend ist, dass die Figuren sehr schnell als Alleskönner mit einem übertriebenen Sinn für dramatische Inszenierung geframet werden: Die Posen vor der Kamera sind gewollt heroisch, mögen sie auch gewisse Erinnerungen an den Wildwest-Helden Kirk wachrufen. Beispiele sind Data, der eine Tür mit dem Phaser aufschießt, während Riker wie eine Naturgewalt voranstürmt. Oder wenn die beiden loslaufen auf eine Stadt zu, die gerade aus dem Orbit bombardiert wird. Dadurch entsteht rasch eine gewisse Distanz zum Publikum, weil der Eindruck aufkommt, hier habe man es nicht mit normalen Personen aus Fleisch und Blut zu tun, sondern mit abgehobenen Superhelden. Auch hier ist TNGs Auftakt noch voll im Trend seiner Zeit, in der man keinen Zweifel aufkommen lassen wollte, wer die Guten und Heldenhaften sind. Hinzu kommen die aus TOS bekannten Begrenzungen der ‚Roddenberry-Box‘, die dazu führten, dass persönliche Spannungen und Konflikte unter den Figuren von vorneherein ausgeschlossen sind und eine hierarchisch-kollegiale Atmosphäre auf dem Schiff tonangebend ist.

Das neue Schiff steht im Vordergrund

Grundsätzlich ist die Geschichte rund um Qs Test und das Geheimnis von Farpoint-Station eher ein Vehikel zur Vorstellung eines neuen Hauptschauplatzes im 24. Jahrhundert und der Figuren, die dieses Setting bevölkern. Mehr als Farpoint-Station (z.B. unterirdische Gänge der Bandi-Stadt) oder die allmächtigen Wesen mit ihrem befremdenden Gerichtssaal ist es das neue, fortschrittliche Raumschiff, das Sense of wonder-Feeling zu wecken weiß. Mag die Enterprise-D Reminiszenzen an Kirks Schiff wecken, so sind die Unterschiede doch erheblich. Sie ist sehr viel größer, ihre Grundform fließender und weniger modular aufgebaut. Das Innere des Schiffes erweitert die aus TOS bekannte Kulisse in einem ganz neuen, eigenständigen Look. Damit einhergehend, ist die Designsprache eine gänzlich andere als in der Classic-Serie, wo es in erster Linie militärisch und damit vergleichsweise schmucklos zuging. Auf der Enterprise-D zeigt man dem Zuseher die angenehmere, luxuriöse Seite der Flotte. Es handelt sich um ein wirklich wunderschönes Raumschiff, das in jeder Hinsicht multimissionsfähig ist und lange Zeit im tiefen Raum autark operieren kann. Die Atmosphäre ist gediegen, und es befinden sich auch Zivilisten und Familien an Bord. Annehmlichkeiten wie das zum damaligen Zeitpunkt wahrhaft faszinierende Holodeck stehen einerseits für technologischen Progress, andererseits eben für einen anderen Schlag von Sternenflotte, die dem Publikum hier vorgeführt wird.

Dem Pilotfilm gelingt es unter dem Strich, sich visuell von der klassischen Serie und den damals aktuellen Kinofilmen abzusetzen. Der Soundtrack bietet eine große Bandbreite an Klängen, die von hell bis pompös reichen, und er spielt immer wieder einmal die klassische Fanfare an. Analog zu diesem eigenständigen Profil, das eindeutig Vorsatz war, um zu zeigen, dass mit TNG nicht einfach das alte ST verlängert wurde, halten sich Anspielungen auf TOS in dieser Initiierungsphase sehr in Grenzen. Symbolisch darf ein auf alt gestylter DeForest Kelley als mürrischer, nicht näher spezifizierter „Admiral“ den Staffelstab an die nächste Generation weiterreichen. In dieser Szene kommt auch ein Hauch von Humor auf, aber in dieser Hinsicht hat der Pilotfilm noch längst nicht jene Qualitäten subtiler Unterhaltung zu bieten, die TNG später kultivieren wird.

Hauptsache, der Anfang ist gemacht

Der Mächtige/Mission Farpoint ist ein erster Schritt, mehr ist er aber auch nicht. Jenseits der offenkundigen Schwachpunkte im Storytelling merkt man dem Pilotfilm seinen Eventcharakter an, der zu einer teils künstlichen Aufblähung der Geschichte führte. Um genügend Exposition für Setting und Figuren leisten zu können und das neue Schiff bzw. spektakuläre gewisse Eigenschaften (z.B. Sepationssequenz, Holodeck) vorzuführen, wurde im TNG-Beginn alles Mögliche aufgefahren. Das ist allerdings auch verständlich und schlicht notwendig gewesen, um dem Format eine Chance auf längerfristige Etablierung zu geben. Den Piloten als Doppelfolge vorliegen zu haben, bietet auch eindeutige Vorzüge: Möglicherweise hätte es ohne diese Art der Ausdehnung eine Figur wie Q niemals gegeben, die hier die Möglichkeit bekam, in einigen bemerkenswerten, wenn auch noch lange nicht vollkommenen Szenen gesetzt zu werden.

Die Serie trug später von der Gegenwart inspirierte Themen weit subtiler vor als im Pilotfilm; auch die Charaktere wurden weniger aufdringlich präsentiert und gewisse Ansätze aus dem Piloten gänzlich verworfen. Dazu zählen Counselor Trois übertriebene Reaktion auf fremde Emotionen („Ich spüre Freude!“, „Schmerz!“), Commander Rikers übertriebener Diensteifer (er wird mit der Zeit „gesetzter“, wie es Troi bezeichnen sollte) oder die Idee einer kaum besetzten Kommandobrücke, regelmäßige Abtrennung der Untertassensektion und dergleichen mehr. Ähnliches gilt übrigens für eine Unisex-Rockuniform. Man tat gut daran, dass sehr wohl Unisex getragen wurde, jedoch dann eine ‚normale‘ Uniform. Die Basisgarderobe hatte mit Blick auf ihr Einteilerdesign in den ersten Staffeln jedoch noch ihre Tücken, rutschte den Schauspielern ständig hoch und zwang sie zu unnatürlich vorgebückten Posen, sodass sie aufgrund zahlreicher Beschwerden schließlich zugunsten einer zweiteiligen Uniform mit militärischen Anklängen überarbeitet wurde.

Zweifellos war der TNG-Pilotfilm nocht längst nicht das, wozu die Serie insbesondere ab dem dritten Jahr finden sollte. An einigen Stellen wird die Moral der Geschichte alles andere als hintergründig transportiert, und manche Dialogzeilen machen den Eindruck, als seien sie nur für den Zuschauer geschrieben worden, um die Figuren und deren Mindset vorzustellen. Dessen unbeommen wird ein solides erstes Abenteuer absolviert, das von allem etwas bietet, den utopischen Charakter von Star Trek stärkt und eine friedliche Lösung präsentiert. Das muss angesichts der Frühphase der Serie und einer Zeit, in der es für Science-Fiction im TV keine großen Vorlagen und Orientierungspunkte gab, unbedingt gewürdigt werden. Vor dem Hintergrund der weiteren Entwicklung von TNG war Der Mächtige/Mission Farpoint so etwas wie ein ungeschliffener Diamant.

The Next Generation

>> Season 1 & 2: Aller Anfang ist schwer

Obwohl der Pilotfilm schleppend anläuft und nur mühsam in Fahrt kommt, gelingt es, mit Q ein zentrales, wiederkehrendes Element zu setzen und der Serie frühzeitig die richtige Richtung vorzugeben. Qs Auftritte im Laufe der Serie werden zu einer Art Rahmen, der ständig daran erinnert, worum es in TNG eigentlich geht: zu demonstrieren, dass die Menschheit sich entscheidend weiterentwickelt, dass sie ihre zuweilen grausame Geschichte endlich abgestreift hat und im Angesicht der Sterne zu einer friedlichen, moralisch geläuterten Gesellschaft geworden ist.

Dadurch ist TNG von seiner Anlage her nicht einfach nur eine Entdeckerserie über fremde Völker und Welten (Outerspace), so wie seinerzeit TOS. Es ist zugleich eine Serie über die Erforschung der Menschheit und der Menschlichkeit in der Zukunft (Innerspace). Vor allem in den Begegnungen mit anderen Lebensformen soll sich nach Roddenberrys Vorstellung das moralisch fortgeschrittene und gereifte Wesen der Menschheit spiegeln. Q wiederum ist eine konsequente Fortsetzung der Götterdarstellung in TOS: physisch ohne jedwede Grenzen, ethisch und sozial aber höchst fragwürdig. Er wird der Enterprise noch häufig Besuche abstatten, und das bis zum Ende der Serie mit Gestern, Heute, Morgen, wo sich sein Storybogen schließt. Und jeder dieser Auftritte wird ein Lehrstück sein: entweder für Picard oder für den gottgleichen Quälgeist selbst. Beide werden eine äußerst ambivalente Beziehung entwickeln, die sich dadurch auszeichnet, dass mal der eine, mal der andere etwas beizubringen hat. In Staffel eins und zwei steckt dieses Potenzial jedoch noch in den Kinderschuhen, und noch ist nicht so richtig klar, worum es Q eigentlich geht, von seinen persönlichen Motiven und seiner inneren Zerrissenheit ganz zu schweigen, die erst zu einem späteren Zeitpunkt zur Entfaltung kommen.

Jenseits der Einführung von Q sind die ersten zwei Staffeln gespickt mit Einzelepisoden, in denen es oft um die Entdeckung neuer Planeten und Lebensformen geht (Alien of the week-Abenteuer). Bezeichnend ist hier eine Parallelität der Nicht-Kenntnis: Während in späteren Staffeln durchaus oft Völker für den Zuschauer zum ersten Mal in Erscheinung treten, die jedoch im Star Trek-Universum schon bestens bekannt sind (z.B. Bajoraner, Cardassianer), kennen in diesem Frühstadium der Serie weder der Zuschauer noch Picard und seine Leute die Spezies, auf die sie stoßen. Meistens wird ein Planet betreten, der irgendein schönes oder unschönes Geheimnis bereithält, das sich schon bald offenbart (z.B. Der Wächter, Rikers Versuchung, Die Waffenhändler, Die schwarze Seele, Begegnung mit der Vergangenheit, Hotel Royal). Häufiger begegnet man auch Raumphänomenen, die sich dann als merkwürdige, geheimnisvolle Lebensformen entpuppen (u.a. Die geheimnisvolle Kraft, Illusion oder Wirklichkeit, Die Zukunft schweigt). Die Wesen, auf die man trifft, sind oftmals mit übermenschlichen Fähigkeiten ausgestattet und beeinflussen den Fortgang der Handlung durch willkürliche Akte. Ein solches Konzept, wie es die TNG-Frühphase fährt, lässt die Handlungen häufig sehr vorhersehbar, aber auch konstruiert wirken. Vor allem erinnert es noch sehr stark an TOS, zumal fast immer Studiokulissen der billigeren Sorte (gemalter Hintergrund, Pappfelsen etc.) anstelle von echten Außenaufnahmen zum Einsatz kommen.

Umso gespannter ist man natürlich auf die Folgen jenseits der altgewohnten Entdeckungsreisen. Doch diese enttäuschen beinahe noch mehr, weil sich in ihnen die chronische Schwäche des Storytellings in den TNG-Anfängen offenbart. So ist die Episode Prüfungen in der zweiten Hälfte von Staffel eins ein absoluter Tiefschlag. Endlich einmal erhalten wir die Gelegenheit, etwas über die Aufnahmeprüfung an der Sternenflotten-Akademie zu erfahren, und wir hören sogar, dass offenbar eine Verschwörung in der Sternenflotte im Gange ist. Doch was wir daraus gemacht? Wesleys Tests mitzuverfolgen ist in gleich mehrfacher Hinsicht eine echte Zumutung, und auf der Enterprise wird Picard erst aus äußerst seltsamen Gründen verdächtigt, ehe ihm Hals über Kopf das Angebot unterbreitet wird, Akademiedirektor zu werden. Nichts passt hier zusammen; die Elemente der Handlung und die Darstellung der Sternenflotte ebenso wenig wie das Verhalten der Charaktere. Immerhin zeigen sich in Staffel zwei bei den Geschichten und Figuren bereits moderate Verbesserungen, aber mit der Frage, wie sich die Sternenflotte versteht (Eliteclub versus offen für alle?), wird sich die Serie noch eine Weile schwertun.

Ein weiteres Element der ersten beiden Staffeln ist das Roddenberry’sche Gesetz, dass keine Episode auf eine andere Bezug nehmen darf. Hier wird dies noch sehr konsequent, ja beinahe dogmatisch durchgehalten. Im weiteren Verlauf der Serie, insbesondere nachdem Rick Berman zum Executive Producer aufsteigt, erkennt man, dass diese Vorgabe viele Möglichkeiten für die Show künstlich einengt, da man keine komplexeren Handlungen erzählen kann, von den Entwicklungspotenzialen der Figuren ganz zu schweigen. So ist es ein Markenzeichen der ersten Staffeln, dass Aliens auftauchen und Dinge passieren, die schon in der nächsten Folge vergessen sind – selbst, wenn eine Hauptfigur das Zeitliche gesegnet hat, wie das Beispiel Tasha Yar demonstriert. Am Ende ist der alte Status quo stets wiederhergestellt, die Gedächtnisse scheinen gelöscht und das Abenteuer kann aufs Neue beginnen.

Wegen der Erzählung in abgeschlossenen Einzelfolgen bleiben die Spezies oft holzschnittartig. Trotzdem bemerkt man schon in der ersten Hälfte der ersten Staffel die Bemühungen der Serie, nach neuen Bedrohungen zu suchen, die man in verschiedenen Folgen zurückkehren lässt. Zunächst versucht man es mit den höckerköpfigen Ferengi, einer neu erfundenen Rasse (Der Wächter, Die Schlacht von Maxia, Galavorstellung). Da sie jedoch eher wie seltsame Piratenzwerge anmuten, verwirft man dieses Feindbild rasch. Sieht man sich die Entwicklung an, die die Ferengi bis in die Tiefen von Deep Space Nine durchmachen, so hat ihre spätere Darstellung kaum noch etwas mit ihrem ursprünglichen Auftritt in Der Wächter gemein. Eine Bauchlandung legte man auch mit den Krebswesen aus Die Verschwörung hin, die zwar am Ende der Folge ein Signal ins All senden, aber nie wieder irgendwo auftauchen werden. Weit gelungener ist die Rückkehr der hinterhältigen Romulaner, die in Die neutrale Zone ausgesprochen geheimnisvoll und düster bleiben. Auch und gerade in Staffel drei wird man aus dieser Vorlage noch eine Menge machen. In Zeitsprung mit Q am Ende der zweiten Season (eine der bis dato besten Folgen!) findet man schließlich mit den Borg den neuen, fremdartigen und äußert bedrohlichen Antagonisten für die Föderation (und es gibt sogar eine Erklärung für das rätselhafte Verschwinden von Außenposten entlang der Neutralen Zone).

Was in den ersten zwei Staffeln ausgesprochen störend auffällt, ist, dass man nicht müde wird, zu betonen, wie unglaublich fortschrittlich die Gesellschaft im 24. Jahrhundert ist und wie anachronistisch die Zeit davor gegen sie war. Das ist nicht nur altklug und überheblich, sondern führt auch zu unglaubwürdigen und unfreiwillig komischen Situationen. In Die Schlacht von Maxia kann Doktor Crusher es kaum glauben, als Picard sich beklagt, er habe Kopfschmerzen. ‚Kopfschmerzen gibt es in unserer Zeit doch gar nicht mehr, das ist unmöglich.‘ Warum eigentlich? Haben die Menschen der Zukunft keinen Stress und keinen Kummer mehr? In eine ähnliche Richtung geht, dass in Die Iconia-Sonden Doktor Pulaskis Arzt es der modernen Medizin nicht angemessen findet, ein Bein traditionell zu schienen, und diese Kunst auch offenkundig nicht beherrscht. Aber ist so etwas nicht obligatorischer Bestandteil des Grundkurses Medizin? Verlassen sich die Menschen im 24. Jahrhundert so sehr auf ihre heilige Technik, dass sie nicht einmal mehr imstande sind, einfache Heilverfahren anzuwenden, wenn diese Technik in bestimmten Situationen nicht zur Verfügung steht?

Die Reihe dieser irritierend seltsamen Momente kann noch lange fortgesetzt werden. Picard stellt beispielsweise heraus, früher hätten die Menschen Flaggen mit Symbolen darauf verwendet, das sei jedoch längst vorbei. Dafür sehen wir aber viel zu oft das Logo der Föderation und anderer Spezies in Star Trek. In Die neutrale Zone werden drei aus den 1990er Jahren stammende, aus der Kryostase geweckte Menschen dafür belächelt, dass sie Fernsehen schauen und sich über ihre finanzielle Situation informieren wollen. Riker weist in Die geheimnisvolle Kraft sehr selbstsicher darauf hin, dass Menschen sich schon seit Generationen nicht mehr von Fleisch ernähren. In dieser Totalität kaum vorstellbar, so gesund ein solcher Lebensstil auch sein mag. Picard sagt, dass Kriminalfälle in der technisierten Welt der Zukunft nicht mehr möglich seien. Wieso? Gibt es keine Kriminalität mehr? Es zeichnet TNG in seiner Frühphase aus, dass immer sehr hochtrabend und plakativ vom vermeintlichen zivilisatorischen Progress der Menschheit gesprochen wird. In späteren Episoden wird nicht mehr so viel darüber geredet und sich selbst auf die Schulter geklopft, sondern der Fortschritt anhand von Taten und Verhaltensweisen demonstriert: Zum Beispiel indem Picard als kluger, humanistischer Diplomat agiert oder die Prinzipien der Nicht-Einmischung verteidigt. Einen kleinen Vorgeschmack darauf gibt immerhin die Episode Die Seuche. Insgesamt werden wir auch erleben, dass TNG in nachfolgenden Staffeln allmählich von seinem hohen Ross herunterkommt, als den Produzenten und Autoren klar geworden sein muss, dass eine vollständig perfekte Welt sterbenslangweilig ist. Zaghaft wird man beginnen, auch einige Schattenseiten des 24. Jahrhunderts vorzuführen (diverse Irrwege und Intrigen innerhalb der Sternenflotte, z.B. Das Standgericht, Fähnrich Ro, Das Pegasus-Projekt). Deep Space Nine wird das Ankratzen des Lacks, die Infragestellung der perfekten Föderationsgesellschaft, dann auf die Spitze treiben (man denke nur an die Geheimorganisation Sektion 31). Dieser Einzug von mehr Realismus wird Star Trek sehr gut tun, denn nur so kann es die Gegenwart gebührend aufgreifen und verarbeiten.

Viele der Hauptfiguren haben bereits in der ersten Staffel ihre Szenen, aber die meisten von ihnen wirken dabei noch überzeichnet und nicht so vielschichtig wie in späteren Seasons. Picard ist zu sehr der autoritäre, manchmal etwas grobe Kommandant („Sind die Leute verrückt?“, „Sind denn hier alle taub?!“, „Sie gackern ja wie eine Glucke!“), Riker hingegen der coole, draufgängerische XO, Worf der temperamentvolle, leicht reizbare Klingone, Troi die emotive, sich allzu ernst nehmende Schiffspsychologin usw. Einzig Datas Charakter ist bereits ab Staffel eins in weiten Zügen gekonnt ausgearbeitet. Er ist dann auch die Figur, die viele schlechte Folgen durch sein pinocchiohaftes Mienenspiel und seine Versuche, menschliches Verhalten zu imitieren und zu verstehen, rettet (auch wenn er hier noch ein wenig zu oft zu direkt grinst). In der Hoffnung, TNG mehr TOS-Flair zu verleihen, wurde Gates McFadden zwischen Staffel eins und zwei überraschend unter dem Druck von Showrunner Hurley entlassen und durch Diana Muldaurs Katherine Pulaski ersetzt. Diese spielte eine reizbare, ruppige, aber talentierte Ärztin. Ihre wiederkehrenden Probleme mit Picard und dem Androiden Data sollten Erinnerungen an das neckische Verhältnis zwischen Spock und McCoy wecken. Man kommt jedoch nicht herum, einzuräumen, dass dies krachend gescheitert ist (ebenso wie im Übrigen der Versuch, mit dem Hallodri Okona eine Kopie des Harry Mudd aus TOS zu erstellen). Es war nur folgerichtig, die charmante Beverly Crusher in Staffel drei zurückzubringen. Sie ist zwar kein A-Charakter, fügt sich aber als gute Seele sehr reibungslos in den Cast ein.

Eine definitive Überbetonung erfährt Crushers Sohn, Wesley. Der Junge, der auf Geheiß des TNG-Schöpfers eine Anspielung auf Roddenberry selbst und dessen Wissbegierde sein soll, stört unseren Ausflug in die Zukunft. Wenn man sieht, wie ein vierzehnjähriger Knabe die Enterprise spielend bedient und auseinandernimmt, untergräbt das unsere Hochachtung für die komplexe, beeindruckende Technologie des 24. Jahrhunderts – auch, wenn bereits an früher Stelle betont wird, bei Doktor Crushers Sohn handele es sich um ein Wunderkind (Der Reisende). Es wäre schön gewesen, wenn man Wesley zumindest irgendwelche Ecken und Kanten verliehen hätte, zum Beispiel einen Hang zu rebellischem Verhalten. Dies hätte der Figur, die in Fankreisen schnell zur Lachnummer geriet, zweifellos gut getan und die schulstreberhafte Erscheinung, die er letztlich wurde, abgemildert.

Obwohl die Charaktere ohne Frage noch große Entwicklungen vor sich haben, gibt es immerhin Marksteine, die gesetzt und auf denen später aufgebaut werden wird. Beispiele sind die Etablierung von Picards Archäologiefaible in Die Iconia-Sonden oder die Eröffnung über sein künstliches Herz (Das Herz eines Captains). Das Dixon Hill-Motiv aus der ersten Staffel (Die geheimnisvolle Kraft, Der große Abschied, Andere Sterne, andere Sitten) wird zwar im weiteren Verlauf der Serie keine nennenswerte Rolle mehr spielen, dafür kommt aber der achte Kinofilm, Der Erste Kontakt, darauf zurück. Zudem geht die erste Staffel noch relativ stark auf die latent romantischen Gefühle zwischen Picard und Crusher ein, was ernüchternderweise erst zum Ende der Serie wieder ernsthaft aufgegriffen wird. Meilensteine bei Data sind sein Selbstbestimmungsrecht und -wille als künstliche Lebensform (Wem gehört Data?) sowie das Auftauchen seines ungleichen, zynischen Zwillingsbruders Lore (Das Duplikat). Über Worf erfahren wir, dass er innerlich zwischen seiner Natur als Klingone und seiner menschlichen Prägung im Konflikt ist (Worfs Brüder, Rikers Vater, Klingonenbegegnung). Bereits hier ist der Zwischenweltler und Grenzgänger Worf also in Grundzügen erkennbar.

Der Tod Tasha Yars, die sich über die erste Staffel hinweg sicherlich am schlechtesten entwickelt hat, löst gewissermaßen eine kleine Personalrochade aus, die der Serie gut tut: Worf wird Sicherheitschef, Geordi LaForge kurz darauf Chefingenieur; der Fokus auf die verbliebenen Charaktere wird stärker und schärfer. Dass Denise Crosby nach ihrem Abgang zu einem späteren Zeitpunkt wieder in die Serie eingebunden wird, zeugt von einer klugen Selbstreferenzialität von TNG: Der Tod Yars in Die schwarze Seele kommt tatsächlich vollkommen sinnfrei herüber. Das wird zumindest teilweise in Staffel drei korrigiert (Die alte Enterprise).

Zu den positiven Überraschungen der ersten beiden Seasons gehören bezeichnenderweise zwei weibliche Gastrollen. Mit Guinan (Whoopi Goldberg) erhält die Enterprise ab Das Kind