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Der Schlaganfall stellt die dritthäufigste Todesursache in westlichen Ländern dar. Dieses praxisorientierte Werk vermittelt dem Leser in verständlicher Weise den neuesten Wissensstand im Hinblick auf Vorbeugung, Ursachen, Diagnostik und Therapie des Schlaganfalls. Durch die Fülle an Tabellen und Abbildungen ist es auch für den viel beschäftigten Leser geeignet, der sich in aller Kürze informieren möchte. Zusätzlich enthält das Buch einen Ratgeber für Nichtmediziner, der in Frage-und-Antwort-Form die entscheidenden Aspekte auch aus Sicht der Betroffenen und Angehörigen darlegt.
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Seitenzahl: 416
Veröffentlichungsjahr: 2007
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Der Schlaganfall stellt die dritthäufigste Todesursache in westlichen Ländern dar. Dieses praxisorientierte Werk vermittelt dem Leser in verständlicher Weise den neuesten Wissensstand im Hinblick auf Vorbeugung, Ursachen, Diagnostik und Therapie des Schlaganfalls. Durch die Fülle an Tabellen und Abbildungen ist es auch für den viel beschäftigten Leser geeignet, der sich in aller Kürze informieren möchte. Zusätzlich enthält das Buch einen Ratgeber für Nichtmediziner, der in Frage-und-Antwort-Form die entscheidenden Aspekte auch aus Sicht der Betroffenen und Angehörigen darlegt.
Professor Dr. med. E. Bernd Ringelstein ist 2. Vorsitzender der Deutschen Schlaganfallgesellschaft und Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie am Universitätsklinikum Münster. Professor Dr. med. Darius G. Nabavi ist Direktor der Klinik für Neurologie ? Stroke Unit ? am Klinikum Neukölln, Berlin.
Klinische Neurologie
Herausgegeben von Thomas Brandt, Reinhard Hohfeld, Johannes Noth und Heinz Reichmann
E. Bernd Ringelstein Darius G. Nabavi
Der ischämische Schlaganfall
Eine praxisorientierte Darstellung von Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie
Verlag W. Kohlhammer
Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
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Wichtiger Hinweis:
Die Verfasser haben größte Mühe darauf verwandt, dass die Angaben von Medikamenten, ihren Dosierungen und Applikationen dem jeweiligen Wissensstand bei Fertingstellung des Werkes entsprechen. Da jedoch die Medizin als Wissenschaft ständig im Fluss ist, da menschliche Irrtümer und Druckfehler nie völlig auszuschließen sind, übernimmt der Verlag für derartige Angaben keine Gewähr. Jeder Anwender ist daher dringend aufgefordert, alle Angaben auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Verantwortung des Benutzers.
1. Auflage 2007
Alle Rechte vorbehalten © 2007 W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Umschlag: Gestaltungskonzept Peter Horlacher Logo der Reihe: Entwurf und Gestaltung Thomas Brandt/Sabine Eßer Gesamtherstellung: W. Kohlhammer Druckerei GmbH + Co. KG, Stuttgart Printed in Germany
ISBN 978-3-17-018853-2
E-Book-Formate
pdf:
epub:
978-3-17-027328-3
mobi:
978-3-17-027329-0
Vorwort
Teil I: Grundlagen der vaskulären Neurologie
1 Evidenzbasierte Medizin
2 Definition und Differentialdiagnose
2.1 Der »Schlaganfall«
2.2 Klassifikation von Schlaganfallsyndromen
2.3 TOAST-Klassifikation
2.4 Differentialdiagnosen des Schlaganfalls
3 Pathophysiologie der zerebralen Ischämie
3.1 Einleitung
3.2 Regulation der zerebralen Hämodynamik
3.3 Arten der Gehirnischämie
3.4 Zelluläre Ischämiekaskade
3.5 Weitere postischämische Phänomene
3.6 Pathophysiologisch orientierte Ableitung therapeutischer Strategien
4 Epidemiologie des Schlaganfalls
4.1 Einleitung
4.2 Begriffsklärung
4.3 Häufigkeit des Schlaganfalls
4.4 Kosten des Schlaganfalls
4.5 Risikofaktoren des Schlaganfalls
4.6 Gesicherte nicht-modifizierbare Risikofaktoren
4.7 Gesicherte modifizierbare Risikofaktoren
4.8 Wahrscheinliche Risikofaktoren
4.9 Mögliche Risikofaktoren
5 Lokalisationsdiagnostik des Insultes
5.1 Ist die klinische Lokalisationsdiagnostik überholt?
5.2 Lokalisationsdiagnostik im vorderen Hirnkreislauf (Karotisstromgebiet)
5.3 Lokalisationsdiagnostik im hinteren (vertebrobasilären) Stromgebiet
6 Stroke Units
6.1 Einleitung
6.2 Definition
6.3 Aufnahmekriterien
6.4 Organisation und Aufgaben
6.5 Studien zu Komplikationsraten und Outcome
6.6 Die Stroke Unit im Zentrum des Behandlungspfades
6.7 Weiterentwicklung des Konzepts in Deutschland
7 Skalen und Scores
Teil II: Der ischämische Schlaganfall
1 Primärprävention des Schlaganfalls
1.1 Antihypertensive Therapie
1.2 Nikotinabstinenz
1.3 Statintherapie der Hypercholesterinämie
1.4 Antidiabetische Therapie
1.5 Gewichtsreduktion
1.6 Sportliche Aktivität
1.7 Operation der asymptomatischen Karotisstenose
1.8 Vorhofflimmern
1.9 Andere Herzerkrankungen
1.10 Vitamintherapie
1.11 ASS-Therapie
1.12 CPAP-Therapie bei obstruktivem Schlaf-Apnoe-Syndrom (OSAS)
1.13 Obsolete Therapieformen
1.14 Bislang fehlende Daten und Empfehlungen
2 Diagnostik beim akuten ischämischen Hirninsult
2.1 Anforderungsprofil an die Diagnostik
2.2 Klinische Untersuchung
2.3 Spektrum der apparativen Zusatzdiagnostik
2.4 Multimodale Computertomographie
2.5 Multimodale Magnetresonanztomographie
2.6 Multimodale Ultraschalldiagnostik
2.7 Kardiale Diagnostik
2.8 Labordiagnostik
2.9 Andere apparative Untersuchungen
2.10 Pragmatisches Vorgehen in Abhängigkeit von Zeitfenster und Therapieoption
3 Akuttherapie des ischämischen Schlaganfalls
3.1 Organisation und prästationäre Versorgung
3.2 Thrombolyse
3.3 Andere antithrombotische Akuttherapien
3.4 Basistherapie
4 Prävention und Therapie von Komplikationen
4.1 Dysphagie
4.2 Aspiration und Pneumonie
4.3 Intubation und Beatmung
4.4 Harnwegsinfektion
4.5 Phlebothrombose und Lungenembolie
4.6 Epileptische Anfälle
4.7 Obstruktives Schlaf-Apnoe-Syndrom (OSAS)
4.8 Dekubitus
4.9 Depression
4.10 Akute exogene Psychose (Delir)
4.11 Spastik und Kontrakturen
4.12 Schmerzen
4.13 Stürze
4.14 Harn- und Stuhlinkontinenz
4.15 Kognitive Störungen und Demenz
4.16 Hirnödem und Hirndruck
4.17 Betreuungsverfahren
5 Sekundärprävention des ischämischen Insultes
5.1 Rezidivrisiko für vaskuläre Krankheiten
5.2 Thrombozytenfunktionshemmer
5.3 Antikoagulation
5.4 Antihypertensive Therapie
5.5 Cholesterin-reduzierende Therapie
5.6 Nikotinabstinenz
5.7 Diabetes-Therapie
5.8 Revaskularisation symptomatischer Karotisstenosen
5.9 Hyperhomozysteinämie
5.10 PFO-Verschluss
5.11 Hormonersatztherapie
5.12 Sport und Ernährungsverhalten
6 Rehabilitation nach Schlaganfall
6.1 Definition und Quantifizierung der Insultfolgen
6.2 Prognoseabschätzung
6.3 Therapeutische Prinzipien der neurologischen Rehabilitation
6.4 Spezielle krankengymnastische Behandlungsmethoden
6.5 Wiederherstellung der Armfunktion
6.6 Wiederherstellung der Beinfunktion
6.7 Rehabilitation neuropsychologischer Defizite
6.8 Aufmerksamkeitsstörungen
6.9 Gedächtnisstörungen
6.10 Störungen der Exekutivfunktionen
6.11 Praktische Aspekte bei der Anmeldung von Rehabilitationsmaßnahmen
Ratgeber für Betroffene und Angehörige
Glossar
(Internet-)Adressen
Literatur
Stichwortverzeichnis
Patienten mit Schlaganfall stellen bereits heute die häufigsten Krankheitsfälle in akutmedizinisch ausgerichteten Neurologischen Kliniken dar. Auch in der praktischen und klinischen Tätigkeit des Allgemeinarztes und Internisten besitzt der Schlaganfall einen großen Stellenwert. Tatsächlich handelt es sich um den häufigsten neurologischen Notfall in der Medizin überhaupt. Zurzeit entstehen in Deutschland pro Jahr mindestens 200.000 Schlaganfälle, die Tendenz ist im Hinblick auf die demographische Entwicklung der Bevölkerung und die erwartete Diabetiker-Welle weiterhin zunehmend. Eine besondere epidemiologische Bedeutung bekommen Schlaganfälle auch dadurch, dass sie die Krankheit mit dem größten Risiko einer bleibenden Behinderung im Erwachsenenalter darstellen. Schlaganfälle gelten zu Unrecht als Krankheit des Rentenalters. Tatsächlich ereignet sich fast jeder dritte Schlaganfall bei Menschen vor dem 65. Lebensjahr. Vom Betroffenen wird das Ereignis aufgrund fehlender Schmerzen und einer gestörten Selbstwahrnehmung der Krankheit im Akutstadium leicht übergangen oder bagatellisiert. Auch werden Schlaganfälle oft immer noch fälschlich als schicksalhaft und kaum behandelbar angesehen und werden mit Verstandesverlust in Zusammenhang gebracht. Hier muss ein Umdenken erfolgen, um die erheblichen Fortschritte in der modernen Schlaganfallbehandlung zeitgerecht und erfolgreich an den Patienten heranzubringen.
Den spektakulärsten Fortschritt stellt die Lysetherapie des akuten Schlaganfalls dar, die eine drastische Reduzierung der Behinderungen und der Abhängigkeit von der Hilfe anderer bewirkt. Aufgrund aktueller Fortschritte vor allem der multimodalen bildgebenden Verfahren wird das therapeutische Zeitfenster für die Lyse in naher Zukunft voraussichtlich noch erweitert werden können. Aber auch bei den Hirnblutungen zeichnen sich neue vielversprechende Therapien am Horizont ab.
Bereits heute werden ca. 50 % aller Schlaganfallpatienten in Deutschland auf Zertifizierten Stroke Units – das heißt Schlaganfallspezialstationen – nach international vorbildlichen Maßstäben behandelt. Dadurch konnte die Komplikationsrate in der Akutphase erfolgreich reduziert werden, dass weniger Todesfälle zu beklagen sind und wesentlich mehr Patienten ohne Behinderung oder Abhängigkeit weiterleben können. Die Schlaganfalltherapie auf deutschen Stroke Units gilt weltweit als mustergültig. Das gilt ebenso für die in Deutschland klinisch und wissenschaftlich sehr hoch stehende neurologische Rehabilitationsmedizin.
Aber nicht nur im stationären Sektor spielt der Schlaganfall eine zunehmend größere Rolle, sondern auch in der Prävention und Nachsorge. Hier konnten während der letzten 20 Jahre erhebliche Fortschritte erzielt werden, aus denen sich umfangreiche, volksmedizinisch bedeutsame Aufgabenfelder für die niedergelassene Ärzteschaft, für ambulante Rehabilitation, aber auch für die Gesundheitserziehung und für spezielle pflegerische Aufgaben ergeben. Durch eine gezielte und konsequente medikamentöse Behandlung kann das Erst- und Wiederholungsrisiko für Schlaganfälle drastisch gesenkt werden. Bedingt durch den umrissenen, durchgreifenden Fortschritt avanciert der Schlaganfall aktuell von einer Krankheit niedrigen Sozialprestiges zum »Aufsteiger« des Jahrzehnts, mit noch erheblichem Verbesserungspotential in der Zukunft. Diesen Imagewandel soll dieses Buch beflügeln und gleichzeitig die Stärkung der umfangreichen Aufgaben in der Aufklärung zum Thema Schlaganfall, in der Akuttherapie und Prävention unterstützen.
Evidenzbasiertheit ist zum dominanten Qualitätsmerkmal der gesamten klinischen Medizin geworden. Diesem Anspruch soll das vorliegende Buch gerecht werden, indem die evidenzbasierten Aussagen eine besondere Hervorhebung erfahren. Über die evidenzbasierte Medizin hinaus gibt es aber noch zahlreiche empfehlenswerte oder nach konsentierter Expertenmeinung erforderliche Maßnahmen, die nach bestmöglichem Wissen für den Patienten hilfreich sind, die aber noch keiner Evidenzüberprüfung unterzogen wurden und zum Teil auch nie geprüft werden können, sei es aus ethischen oder ökonomischen Gründen. Auch dieses Handlungspotential soll in dem vorliegenden Buch nicht zu kurz kommen. Gemäß den Zielvorgaben des Verlages und der Herausgeber haben wir eine strukturierte und überschaubare Darstellung bei dennoch ausreichender Tiefe gewählt. Dadurch ist dieses Buch auch für den viel beschäftigten Leser geeignet, der sich in aller Kürze informieren möchte. Dieses Werk ist ausdrücklich dafür konzipiert, die unmittelbare ärztliche Arbeit mit den Patienten und deren Angehörigen zu unterstützen und zu bereichern.
Um das Bewusstsein der Bevölkerung für die Volkskrankheit Schlaganfall zu stärken und der Bagatellisierungstendenz der Warnsymptome möglichst effektiv entgegen zu wirken, wurde das Werk durch einen für interessierte Nichtmediziner, Angehörige und Betroffene verständlich gestalteten Informationsteil in Frage-und-Antwort Form ergänzt, der die wesentlichen Aspekte zum Schlaganfall beleuchtet. Damit möchten wir die Thematik einem möglichst großen Leserkreis zugänglich machen. Die Autoren danken den Herausgebern und dem Lektorat des Kohlhammer-Verlages für diese erfolgversprechende Initiative und wünschen dem Buch möglichst weite Verbreitung und Akzeptanz. Für kritische Hinweise, Ergänzungen und Anregungen sind die Autoren sehr dankbar.
Münster/Berlin, im Herbst 2006
E. Bernd Ringelstein, Darius G. Nabavi
Die Autoren bedanken sich bei Frau Gudrun Warnecke, Ltd. Physiotherapeutin, und Herrn Dr. rer. medic. Dipl.-Psych. Hubertus Lohmann, Ltd. Neuropsychologe der Klinik und Poliklinik für Neurologie in Münster, für die tatkräftige Unterstützung bei der Abfassung des Kapitels »Rehabilitation«. Bei Frau Helga Tembrink möchten wir uns für die Hilfe bei der Manuskriptabfassung und bei der Zusammenstellung der Literaturstellen bedanken. Bei der Durchsicht der Korrekturfahnen wurden wir von den Kollegen Dr. R. Dziewas, Dr. M. Ritter und Dr. M. Schilling aus der Neurologischen Universitätsklinik Münster unterstützt.
Münster/Berlin, im Herbst 2006
Prof. Dr. med. E. B. Ringelstein,
Prof. Dr. med. D. G. Nabavi
Unseren Familien Hannelore, Adrian und Marius sowie Petra, Tobias, Antonia, Cornelius und Viktoria in Dankbarkeit gewidmet.
Die sog. »Evidence-Based Medicine« (EBM) gehört seit einigen Jahren zu den meist diskutierten Begriffen im Gesundheitswesen. Dabei werden von Vertretern verschiedener Berufsgruppen (Ärzte, Wissenschaftler, Gesundheitspolitiker, Juristen, Patientenvertreter) unterschiedliche Blickwinkel eingenommen und z. T. stark divergente Intentionen verfolgt. Daher ist EBM nicht nur aus medizinischen, sondern auch aus politischen Gründen von hohem Interesse. Letzteres erschwert leider eine rein sachliche Betrachtung und hat zu einer unnötigen Polarisierung in der Debatte geführt. Detaillierte Informationen dazu sind z. B. dem sog. EBM-Netzwerk (www.ebmnetzwerk.de) und dem Centre of Evidence-Based Medicine (www.cebm.net) zu entnehmen.
Die philosophischen Ursprünge von EBM gehen wahrscheinlich auf Arbeiten der Aufklärung aus dem 19. Jahrhundert zurück, die konkreten Pionierarbeiten zur Etablierung von EBM wurden von der kanadische Arbeitsgruppe um Dave Sackett vor etwa 25 Jahren geleistet (Canadian Task Force). EBM soll die beiden Grundpfeiler der klinischen Medizin auf rationale Weise integrieren: 1. die individuelle klinisch-praktische Expertise des Arztes oder Therapeuten und 2. die bestmögliche externe wissenschaftliche Evidenz zu diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen. EBM ist damit die auf wissenschaftlicher Erkenntnis begründete klinische Medizin (Berger M).
Zwei wesentliche technische Innovationen waren notwendig, um EBM möglich zu machen:
Entwicklung medizinischer Datenbanken
(z. B. Medline; Pub-Med): Nur dadurch wurde es möglich, die Fülle an wissenschaftlichen Publikationen zu verwalten und allgemein zugänglich zu machen.
Entwicklung leistungsfähiger Computersysteme:
Nur dadurch ist es dem einzelnen Arzt möglich, die gewünschten Themen und Publikationen zu recherchieren und durch gezielte Suchbegriffe die relevanten Daten in angemessener Zeit einzusehen.
Darüber hinaus wurden zwei wesentliche methodische Voraussetzungen geschaffen, um den enormen wissenschaftlichen Datenpool besser beurteilen zu können:
.
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Etablierung wissenschaftlicher Evidenzlevel
(LOE, level of evidence): Dadurch wurde ein Instrument zur standardisierten Erfassung der methodischen und inhaltlichen Qualität von Publikationen geschaffen (s. Tab. 1.1).
Einführung von Metaanalysen
(z. B. Cochrane-Datenbank): Dadurch kann der kumulative Informationsgehalt aus der Gesamtheit aller Studien zu einer bestimmten Thematik auf standardisierte Weise gebündelt und gemeinsam ausgewertet werden. Es können so
wissenschaftliche Ausreißerstudien identifiziert werden,
signifikante Trends herausgearbeitet werden, auch wenn die Einzelstudien u. U. sämtlich negativ ausfielen,
die wissenschaftliche »Wahrheit« herausgefiltert werden.
EBM soll somit die klinischen Entscheidungsprozesse durch frühe und vollständige Einbeziehung wissenschaftlicher Erkenntnisse auf eine rationale Ebene heben und damit besser nachvollziehbar machen. Durch EBM sollen Ärzte vor dem Vorwurf der Willkür und Beliebigkeit in ihren Entscheidungen geschützt werden. Für Patienten kann EMB eine Form der Qualitätssicherung und damit quasi einen »Verbraucherschutz« darstellen. Für die Solidargemeinschaft der Beitragszahler kann EBM eine höhere Sicherheit dahingehend bedeuten, dass medizinische Ressourcen nicht ungeprüft für teure und nutzlose Verfahren eingesetzt werden. Parallel mit der Verbreitung von EBM wurde auch die Erarbeitung von medizinischen Leitlinien (LL) in den verschiedenen Fachgesellschaften gefordert. Dadurch wird das Evidenzniveau einer steigenden Zahl diagnostischer, prognostischer und therapeutischer Prozeduren und Algorithmen für jedermann lesbar. Dieses Konzept stellt eine klare Neuausrichtung der praktizierten Medizin dar und löst das auf Beobachtungen und klinischen Erfahrungen beruhende ärztliche Handeln ab.
Doch hat die EBM auch Schwächen und Methoden-inhärente Limitierungen, die nicht verschwiegen werden dürfen. Bei näherer Betrachtung stellt sich allerdings heraus, dass die Kritik weniger die der EBM selbst, sondern die seit einigen Jahren gepflegte LL-Praxis betrifft. Die wichtigsten Kritikpunkte sind im Folgenden aufgeführt:
Publikationsschieflage:
Es ist ein bekannter Missstand, dass Studien mit negativem Ergebnis häufig nicht publiziert werden, was nicht nur an den Studienleitern und Sponsoren, sondern auch an den Redaktionen der wissenschaftlichen Fachzeitschriften liegt (Baumann). Nicht-publizierte Daten können wiederum in Metaanalysen nicht berücksichtigt werden, so dass eine wissenschaftliche Fehleinschätzung unbekannten Ausmaßes entsteht.
Ökonomisches Missbrauchspotential:
Viele evidenzbasierte LL stellen ein absolutes Minimalniveau an medizinischen Anforderungen dar, das nicht unterschritten werden darf. Dennoch könnten diese LL als regulärer medizinischer Standard fehlverstanden werden und dadurch eine Art »Dumpingmedizin« hervorbringen und dem Patienten bewährte Leistungen vorenthalten. Zahlreiche medizinische Prozeduren besitzen darüber hinaus mangels geeigneter Studien – und nicht aufgrund fehlender Effektivität – einen niedrigen Evidenzgrad. Aufgrund ethischer Bedenken oder mangelnder finanzieller Förderung wird dies für viele medizinische Bereiche auf Jahre hinaus auch so bleiben (Zylka-Menhorn). Damit besteht die Gefahr, dass der Stellenwert dieser Maßnahmen leichtfertig abgewertet wird, was die Qualität in der medizinischen Versorgung gefährdet. Gerade vor dem Hintergrund der Finanzknappheit im Gesundheitswesen besteht die Gefahr, dass sich eine rein LL-orientierte Kochbuchmedizin auf Minimalniveau etabliert, was die ursprüngliche Intention der EBM konterkarieren würde.
Begrenzte Aktualität:
Viele neue Erkenntnisse finden erst mit Verzögerung von z. T. Jahren Eingang in medizinische LL und damit in die EBM-gestützte Medizin. Dies liegt v. a. an dem aufwändigen Vorgehen bei der Entwicklung von LL, die jeder Kritik standhalten sollen. Damit sind LL zum Zeitpunkt ihrer Publikation häufig zumindest partiell überholt, ein möglicher Fortschritt wird den Kranken vorenthalten.
Beschneidung der ärztlichen Freiheit, Entfernung vom Individuum:
Der Arzt wird nicht nur durch den Budgetdruck, sondern auch durch das Korsett evidenzbasierter LL eingeengt. Dadurch sehen manche die Gefahr, dass die patientenorientierte individualisierte Behandlung durch eine rein naturwissenschaftlich ausgerichtete, »seelenlose« Medizin ersetzt wird, die sich zudem aus ökonomischen Zwängen in Richtung der Kontingentierung medizinischer Leistungen bewegt. Allerdings wird dabei außer Acht gelassen, dass auch viele schädliche Maßnahmen durch EBM identifiziert und aus dem Repertoire entfernt wurden.
Fehlende Evidenz von EBM:
In der Tat steht der Beweis noch aus, dass die konsequente Anwendung von EBM einen signifikanten Nutzen für den »Endverbraucher«, d. h. den Patienten, besitzt (Feinstein). Manche Kritiker sind der Überzeugung, dass ein Missverhältnis zwischen einem erheblichen Mehraufwand durch EBM und dem begrenzten Nutzen besteht, da sich die konkrete Tätigkeit am Patienten nur geringfügig ändern würde.
Trotz dieser Kritik ist EMB aus der medizinischen Praxis nicht mehr wegzudenken. Die Praktizierung von EBM bedeutet nicht zwangsweise eine Reduktion der Medizin auf die wissenschaftlich abgesicherten Maßnahmen. EBM macht aber für sämtliche beteiligten Gruppen transparent, wie gut untersucht die jeweilige Prozedur ist. Richtig angewendet besitzt EBM u.E. mehr Chancen als Risiken, auch wenn ihre Bedeutung nicht überschätzt und ein Missbrauch verhindert werden muss.
Die wissenschaftlichen Evidenzlevel 1–5 gehen auf einen Vorschlag von Sackett et al. aus dem Jahre 1979 zurück (Sackett). Sie sind in Tab. 1.1 aufgeführt. Abhängig vom Evidenzniveau werden dann von den Fachgesellschaften und LL-Kommissionen unterschiedliche Empfehlungsgrade abgeleitet werden, die meist in 3 Stufen aufgeteilt werden: Grad A bedeutet einen starken Empfehlungsgrad, basierend auf Daten randomisierter kontrollierter Studien (RCT, randomized controlled trial); Grad B bedeutet einen mäßigen Empfehlungsgrad, basierend auf kleineren RCT, größeren Fall-Kontroll- oder Kohortenstudien. Grad C stellt den niedrigsten Empfehlungsgrad dar, sofern keine, wenige unsystematische oder stark widersprüchliche Daten vorliegen. Es muss jedoch nochmals betont werden, dass der Empfehlungsgrad nur die Stärke der wissenschaftlichen Evidenz und nicht die Stärke der Wirksamkeit beschreibt. In diesem Buch werden wir für sämtliche relevanten Prozeduren und Therapiemaßnahmen den Empfehlungsgrad A – C benennen.
Tab. 1.1: International akzeptierte Evidenzlevel (LOE, level of evidence) und Empfehlungsgrade, die auch in diesem Buch angewendet werden. (Canadian Task Force, Centre of Evidence-Based Medicine); RCT: Randomisierte kontrollierte Studie (randomized controlled trial).
Der Schlaganfall ist ein klinisch definiertes Syndrom, das durch ein plötzlich einsetzendes, fokal-neurologisches Defizit mutmaßlich vaskulärer Ursache gekennzeichnet ist. Synonym werden die Begriffe »Hirninsult« oder »Stroke« verwendet. Der veraltete Terminus »Apoplex« (= »niedergestreckt werden«) reduziert die Krankheit auf schwerste motorische Defizite und sollte heutzutage vermieden werden. Die Diagnose eines Schlaganfalls wird primär anhand des klinischen Syndroms gestellt, daraus können jedoch keine sicheren Anhaltspunkte im Hinblick auf Ätiologie und Pathogenese gewonnen werden. Vielmehr liegt dem Schlaganfall ein vielfältiges differentialdiagnostisches Spektrum zugrunde, das durch gezielte Zusatzdiagnostik aufgeschlüsselt werden muss (s. Tab. 2.1).
Es gibt verschiedene Möglichkeiten den Schlaganfall zu klassifizieren. Im Wesentlichen erfolgt dies nach 1. dem Pathomechanismus des Insultes, 2. dem zeitlichen Verlauf, 3. der Schwere des Defizits, 4. der Ätiologie des Insultes, 5. dem betroffenen arteriellen Stromgebiet und 6. dem Infarktmuster in der Bildgebung. Diese wesentlichen Aspekte sollen im Folgenden kurz dargelegt werden.
Man unterscheidet nach dem zugrunde liegenden Pathomechanismus 1. ischämische Insulte von 2. hämorrhagischen Insulten (= Hirnblutungen). Dabei machen ischämische Insulte etwa 80–85 %, Hirnblutungen etwa 15 % aller Schlaganfälle aus. Es gibt keine verlässlichen Kriterien, diese beiden Insultformen klinisch zu differenzieren (Weir 1994). Dies ist nur durch eine zerebrale Bildgebung mittels CT oder MRT möglich. Vor dem Hintergrund gegensätzlicher Therapiestrategien ist diese Differenzierung höchst bedeutsam. Eine spezifische Schlaganfalltherapie ist erst nach erfolgter Bildgebung – und im Gegensatz zum Myokardinfarkt nicht bereits im Notarztwagen – möglich. Darüber hinaus sind sowohl ischämische als auch hämorrhagische Insulte in sich ätiologisch heterogen (s. Tab. 2.1).
Tab. 2.1: Ätiologische Subgruppen des Schlaganfalls.
1 Ischämischer Insult
1.1 Arterielle Makroangiopathie
Atherosklerotische GefäßkrankheitenAortenbogenExtrakranielle hirnversorgende ArterienIntrakranielle hirnversorgende ArterienGefäßdissektionenSpontan (meistens)TraumatischVaskulitidenGeneralisierte Form (meistens)Isoliert am ZNSLesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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