Der Keto-Kompass - Ulrike Gonder - E-Book
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Der Keto-Kompass E-Book

Ulrike Gonder

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Beschreibung

Die ketogene Ernährung, die sich durch viel Fett und sehr wenig Kohlenhydrate auszeichnet, liegt im Trend, weil sie nicht nur beim Abnehmen hilft, sondern auch vielen Erkrankungen wie Alzheimer, Krebs oder Diabetes entgegenwirkt. In diesem Buch erklärt das Autorenteam aus vier Keto-Expertinnen fundiert, warum Keto gesundheitsförderlich ist und welche Lebensmittel die Ketonbildung fördern. Wissenschaftler und Ärzte aus aller Welt berichten, wie und wann sie die Ketose therapeutisch einsetzen. 30 leicht nachzukochende Rezepte aus der modernen Keto-Küche zeigen, wie gut ketogene Gerichte schmecken können. Der Keto-Kompass ist das Grundlagenwerk für alle, die die Keto-Ernährung selbst ausprobieren oder Ketone in der Therapie anwenden möchten.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
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Seitenzahl: 511

Veröffentlichungsjahr: 2018

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DER KETO KOMPASS

Mit 30 Rezepten

Ulrike Gonder Julia Tulipan Marina Lommel Dr. Brigitte Karner

Aktuelles Wissen über ketogene Ernährung, Ketone und Ketose – Wirkweisen, Anwendungen und Chancen

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systemed

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen

[email protected]

Wichtige Hinweise

Dieses Buch ist für Lernzwecke gedacht. Es stellt keinen Ersatz für eine individuelle medizinische Beratung dar und sollte auch nicht als solcher benutzt werden. Wenn Sie medizinischen Rat einholen wollen, konsultieren Sie bitte einen qualifizierten Arzt. Der Verlag und die Autorin haften für keine nachteiligen Auswirkungen, die in einem direkten oder indirekten Zusammenhang mit den Informationen stehen, die in diesem Buch enthalten sind.

Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurde auf eine genderspezifische Schreibweise sowie eine Mehrfachbezeichnung verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.

Originalausgabe

7. Auflage 2024

© 2019 by Systemed Verlag im riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.

Redaktion: systemed Verlag, Lünen

Umschlaggestaltung: Isabella Dorsch

Umschlagabbildungen: shutterstock.com: vasabii, pimlena, Monash, Eisfrei, Sonya illustration

Layout: kw-unlimitedmedia

Satz: kw-unlimitedmedia

Bildnachweis: Ulrike Gonder | Fotograf: Moritz Schmid; Julia Tulipan | Fotograf: Andreas Semrad;Marina Lommel | Fotograf: Mitya Kolomiyets; Dr. Brigitte Karner | privat;

Prof. Dr. Nicolai Worm | Fotograf: Sandra Eckhardt; Dr. Rainer Klement | Fotograf: Johannes Wacker; Lily Nichols | privat; Dr. Mary Newport | privat; Prof. Dr. Jörg Klepper | privat; Elena Gross | privat;Prof. Dr. Dale Bredesen | privat; Prof. Dr. Ulrike Kämmerer | Fotoquelle: Universitätsklinikum Würzburg; Dr. Markus Bock | privat; Dr. Jeffrey Gerber | privat; Jeff Heusserer | privat; Prof. Dr. Lucia Aronica | privat Druck: Florjancic Tisk d.o.o., Slowenien

eBook: ePubMATIC.com

ISBN Print 978-3-7423-0988-4

ISBN E-Book (PDF) 978-3-7453-0624-8

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-7453-0625-5

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.rivaverlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Inhalt

Der Keto Kompass

Immer schön flexibel bleiben!

1. Ketone und Ketose

Ketone: vom hässlichen Entlein zum schönen, stolzen Schwan

Wie, wo und wann Ketone entstehen

Ketone: das Effizienteste, was eine Fettsäure werden kann

Welche Fettsäuren besonders ketogen sind

Mittelkettige Fettsäuren: die Keto-Booster

Kokosöl: Hype oder Hope?

Interview mit Dr. Mary Newport, Florida

Ketone – viel mehr als Energie!

Zellteilung und Zellwachstum

Genregulation

Immunsystem und Entzündungen

Neue Zellkraftwerke

Effiziente und saubere Energiegewinnung

Ketose ist nicht Ketoazidose!

Diabetische Ketoazidose

Andere Ursachen einer Ketoazidose

Wege in die Ketose

Hunger und Fasten

Überlebens-Ökonomie

Körperliche Aktivität

Nicht erst in Ruhe

Ketogene Ernährung

Wie alles begann – etwas Geschichte

Exogene Ketonkörper

Keton-Salze

Nicht nur Geschmackssache

Keton-Ester

Haben Ketone Kalorien?

Exogene versus endogene Ketose

Wie viel Ketose ist »natürlich«, wann und wo ist Ketose sinnvoll?

Immer wieder, aber nicht immer!

Entscheidend: Zweck der Ketose

2. Wie uns Ketone auf dem gesamten Lebensweg begleiten und schützen - von vor der Geburt bis ins hohe Alter

Hey Baby: Ketone für die Gehirnentwicklung

Wir »Groß-Kopferten«

Speziell, empfindlich – und hungrig

Neue Hüllen braucht das Hirn

Spezialfall Babyhirn: Ketone als Baustoff

Myelin: die Beschleunigungs-, Schutz- und Isolierhülle

Babyspeck: entscheidend für die Hirnreifung!

Mütterliche und kindliche Ketone

Normalfall Ketonverwertung

Essen für zwei: Ketogen durch Schwangerschaft und Stillzeit?

Ohne Kohlenhydratexzesse

Erst bunkert die Schwangere Fett

… und bildet bei Bedarf schnell Ketone

Dann bildet das Baby Fett – und später auch Ketone

Schwangerschaftsdiabetes: wenn zu viel des Guten schadet

Ketoazidose und hungerbedingte Ketose vermeiden

Nach dem Essen: Blutzucker messen – und eventuell die Blutketone

Entwarnung

Interview mit Lily Nichols, Kalifornien

Metabolische Flexibilität: warum Ketone lebenslang eine Rolle spielen

IF: Wenn weniger mehr ist

Switching

Stoffwechsel-Wechsel

Interview mit Dr. Rainer Klement, Schweinfurt

Sportlich: Ketone für die körperliche Leistungsfähigkeit

So gewinnt die Muskelzelle Energie

Glukosespeicher sind limitiert

Stetige Energieversorgung

Von der Zucker- zur Fettverbrennung – Ketoadaptation im Sport

Running on Fat

Mehr Fettverbrennung auch bei hoher Intensität

Wie viel Fett kann ein Mensch verbrennen?

Sami Inkinen und sein »fetter« Vorteil

Die drei K: Keto, Kraft und Körperkomposition

Ketogene Ernährung als Strategie im Leistungssport

Exogene Ketone im Sport

Keto für alle?

Interview mit Prof. Dr. Lucia Aronica, Stanford

3. Ketogene Ernährung: gewusst wie!

Was eine ketogene Ernährung ist und wie sie funktioniert

LCHF – die schwedische Variante

Wer darf und wer nicht?

Was kennzeichnet eine wohl formulierte ketogene Ernährung?

Wie lange dauert die Umstellung?

In Ketose vs. Ketoadaptation

Anwendungsfehler vermeiden

Wie lange? Wie streng?

Vom Zucker-Junkie zum Fat-Burner

Bin ich in Ketose? Messen, nicht raten!

BHB oder Aceton, Blut oder Atem – was ist besser?

Was tun, wenn nichts funktioniert?

Sorgen, Mythen und Missverständnisse

Welche Nebenwirkungen gibt es?

Nur Eier und Speck?!

LCHF und Keto: positiv für Herz und Gefäße

Interview mit Dr. Jeffry Gerber, Denver

Mit ketogener Ernährung abnehmen

Der Körper passt sich an

Illusionen

Nahrung ist Information

Überernährt und mangelversorgt

Schlüsselhormon Insulin

Mit Speck gegen den Speck? Wieviel Fett darf es beim Abnehmen sein?

Die vier Phasen einer ketogenen Reduktionsdiät

Kohlenhydrate – das richtige Level finden

Interview mit Dr. Brigitte Karner, Freiburg

4. 30 einfache und köstliche Keto-Rezepte

Die Zutaten der Keto-Küche

Keto unterwegs

Die Ratio verändern – Tipps zum Auffetten

Frühstück

Mittagessen / Abendessen

5. Ketone bei verschiedenen Erkrankungen

Interview mit Dr. Brigitte Karner, Freiburg

Der Klassiker: ketogene Diät, nicht nur bei Epilepsie

Charlie und Matthew: das Comeback der ketogenen Diät

Alte Konzepte, neu entdeckt

Interview mit Prof. Dr. Jörg Klepper, Aschaffenburg

Ganz aktuell: Ketone, Ketose und Low Carb gegen Migräne

Interview mit Elena Gross, Basel

Lichtblick: Ketone und ketogene Ernährung bei Alzheimer und anderen Demenzen

Insulinresistenter Kopf

Energiekrise

Ketone: Hilfe zur Selbsthilfe

Interview mit Prof. Dr. Dale Bredesen, Kalifornien

Naheliegend: ketogene Ernährung und Fasten bei Multipler Sklerose (MS)

MS – mehr als Schäden an der weißen Substanz

Interview mit Dr. Markus Bock, Berlin

Vielversprechend: ketogene Ernährung bei Krebs

Mehr Fett und Eiweiß für die gesunden Zellen!

Interview mit Prof. Dr. Ulrike Kämmerer, Würzburg

Ungenutztes Potenzial: ketogene Ernährung bei Diabetes und Fettleber

Typ-1-Diabetes

Interview mit Jeff Heusserer, Wien

Typ-2- Diabetes – Heilung ausgeschlossen?

Endlich: Der Paradigmenwechsel hat begonnen

Ganz ohne Schnaps: Menschenstopfleber

Interview mit Prof. Dr. Nicolai Worm

Rück- und Ausblick

Weiterführende Links

Anhang

Kurzinfo Kohlenhydrate

Kurzinfo Proteine

Blogs

Über die Autoren

Aus- und Weiterbildung

Heilfasten

Quellen zu Teil 1

Quellen zu Teil 2

Quellen zu Teil 3

Quellen zu Teil 5

Der Keto Kompass

Ketone, Ketose und ketogene Ernährung:

Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden in jedem Alter

Hilfe bei Übergewicht und Krankheiten wie Diabetes, Migräne, kognitiven Störungen, Krebs und Autoimmunerkrankungen

Mit 30 köstlichen, einfachen Rezepten

Basisinformationen und praktische Beispiele für alle

Detailwissen und klinische Erfahrungen für Profis

einfache Rezepte für den leichten Einstieg

Von Ulrike Gonder, Julia Tulipan, Marina Lommel (Rezepte) und Dr. Brigitte Karner

Lesetipps:

Wer sich auf das Basiswissen über Ketone und Ketose und die praktische Umsetzung einer ketogenen Ernährung fokussieren möchte, kann einfach den Fließtext in Teil 1 und 3 lesen und die Rezepte in Teil 4 ausprobieren.

Wer sich für die Wirkung der Ketone zum Abnehmen, beim Sport, in der Schwangerschaft oder bei einer bestimmten Krankheit interessiert, wird vor allem in Teil 2 und 5 und bei den Experteninterviews fündig.

Für jene, die wie wir zu den „Nerds“ gehören und ein bisschen mehr über den Ketonkörperstoffwechsel wissen wollen, servieren wir noch ein paar zusätzliche „Häppchen“ mit detaillierteren Infos in den mit einer Lupe gekennzeichneten Kästen.

Immer schön flexibel bleiben!

Unser Körper verfügt über immense Fähigkeiten und Anpassungsmöglichkeiten, die darauf ausgelegt sind, uns unter allen Umständen am Leben zu halten. Das betrifft sowohl unsere Muskeln als auch unser Gehirn und alle anderen Organe. Unser Stoffwechsel, jene Vorgänge im Körperinneren, die das alles bewerkstelligen, ist flexibel angelegt und genau das ist mit entscheidend für ein langes Leben in Gesundheit. Diese metabolische Flexibilität sorgt unter anderem dafür, dass unser Körper verschiedene Brennstoffe zur Energiegewinnung nutzen kann, dass er je nach Bedarf und vorhandenen Ressourcen umschalten kann: zwischen der Verbrennung von Traubenzucker (Glukose), Aminosäuren, Fettsäuren und den Ketonena, die im Mittelpunkt dieses Buches stehen.

Diese Flexibilität sollten wir uns erhalten, und das ist auch möglich, denn wir können sie steuern: über das, was wir essen, was wir nicht essen, wann wir essen und wann wir nicht essen sowie mit unseren körperlichen Aktivitäten. Oft vernachlässigt, aber ungemein wichtig, ist in diesem Zusammenspiel der Stoffwechsel-Modus der Ketose: Hierbei übernehmen die Ketone einen Teil der Energieversorgung. Weil sie aber auch wichtige Schutz- und Steuerungsaufgaben im Körper übernehmen, tragen sie auf vielfältige Weise zu lebenslanger Gesundheit und Wohlbefinden bei. Wie man in den Zustand der Ketose kommt, welche Vorteile es hat und was dabei passiert, lesen Sie in diesem Buch.

Es ist kein weiteres Buch über eine ketogene Diät, sondern schaut über den Tellerrand hinaus, indem es erklärt, warum und wann Ketone wichtig, hilfreich und nützlich sind, wie oft und wie lange eine Ketose sinnvoll ist. Dass dies alles unkompliziert umsetzbar ist und auch sehr gut schmeckt, zeigen die appetitlichen Rezepte in Teil 4.

Unser Ziel ist es, mit diesem Buch zur fachlichen Information und zur sachlichen Diskussion über Ketone, Ketose und die ketogene Ernährung beizutragen. Denn wir sind überzeugt, dass sie es mehr als verdient haben und dass hier noch manch positive Überraschung auf uns wartet.

Außerdem ist es uns ein Anliegen, Beratern, Therapeuten und Ärzten, aber auch interessierten Verbrauchern und Patienten, einen Weg durch den Dschungel an Informationen, Falschmeldungen und Gerüchten zu weisen, der die Ketose noch immer umschlingt. Zu ihrem eigenen Nutzen und zum Nutzen der ihnen anvertrauten Menschen.

Ulrike Gonder, Julia Tulipan, Marina Lommel und Dr. med. Brigitte Karner im Oktober 2018

1. Ketone und Ketose

Ketone sind Stoffe, die unter bestimmten Umständen natürlicherweise im Körper entstehen. Sie werden überwiegend aus Fettbausteinen, den Fettsäuren gebildet. Schwimmen nennenswerte Mengen dieser Stoffe im Blut, befindet man sich in Ketose. Um dorthin zu gelangen, gibt es mehrere Möglichkeiten. Am bekanntesten ist die ketogene Ernährung, bei der man zucker- und stärkehaltige Lebensmittel weitestgehend vermeidet, jedoch ausreichend Eiweiß und viel Fett isst. Weitere Möglichkeiten sind das Fasten und körperliche Aktivitäten. Und last but not least gibt es inzwischen auch vorgefertigte Ketonkörper zum Einnehmen. Bevor wir die Vor- und Nachteile der verschiedenen Wege erläutern, möchten wir zunächst erzählen, warum die Ketone so spannend sind.

Ketone: vom hässlichen Entlein zum schönen, stolzen Schwan

Die Ketone hatten einen schwierigen Start. Lange dachte man sogar, sie seien gefährlich.1 Mitte des 19. Jahrhunderts wurden sie erstmals im Harn von Diabetikern gefunden. Daher galten sie während der folgenden 50 Jahre als unerwünschte Nebenprodukte eines krankhaften Stoffwechsels. Mit diesem Stigma haben die Ketone teilweise bis heute zu kämpfen. Denn noch immer kennen auch viele Ärzte und Ernährungsberater sie nur als Auslöser einer gefährlichen Übersäuerung, der diabetischen Ketoazidose (siehe Seite 26).

Die erste große Image-Wende fand jedoch schon in den 1920er-Jahren satt. Damals entdeckten Dr. Russell Wilder und sein Kollege Dr. Mynie Peterman, beide Ärzte an der renommierten Mayo Klinik in Cleveland, dass eine Diät, die die Ketone im Blut ansteigen lässt, bei epilepsiekranken Patienten die Zahl der Anfälle deutlich reduziert.2 In der Folgezeit wurden vor allem Kinder mit Epilepsie oft Monate oder sogar Jahre auf eine solche ketogene, das heißt ketonbildende, Diät eingestellt. Dennoch blieben viele skeptisch gegenüber dieser Diät, unter anderem, weil man überzeugt davon war, dass das Gehirn und das Nervensystem ausschließlich Glukose zur Energieversorgung benötigen.

Den ersten Sargnagel zu dieser Hypothese lieferten die Versuche von George Cahill und Oliver Owen von der Medizinischen Fakultät der Harvard-Universität in Boston in den 1960er-Jahren. Sie konnten zeigen, dass Glukose eben nicht der einzige Energielieferant für unser Oberstübchen ist, sondern dass es mindestens eine weitere wichtige Energiequelle für das Gehirn gibt: die Ketonkörper.34

Die Rehabilitation der ketogenen Diät ließ allerdings bis in die 1990er-Jahre auf sich warten. Seither wird sie (wieder) zur Behandlung kindlicher Epilepsien eingesetzt sowie bei schweren angeborenen Stoffwechselerkrankungen, bei denen die Verwertung von Glukose oder ihr Transport in die Hirnzellen eingeschränkt ist (siehe Seite 198). Etwa seit der Jahrtausendwende haben Wissenschaftler und Mediziner begonnen, die Wirkungen der Ketone und ketogener Diäten intensiver zu erforschen. Seither tun sich vollkommen neue Anwendungsbereiche auf, und so wandelten sich die Ketone vom hässlichen Entlein des Stoffwechsels zum schönen, stolzen Schwan.5

Wie, wo und wann Ketone entstehen

Ein paar Ketone entstehen vermutlich immer, jedoch meist nur in winzigen Mengen (unter 0,1 mmol/l Blut). Unter folgenden Umständen steigt die Ketonbildung im Körper an:

Wenn der Insulinspiegel niedrig und der Glukagonspiegel hoch ist, zum Beispiel im Hungerzustand und beim Fasten (siehe

Seite 30

), nach anstrengender Aktivität bzw. Sport (siehe

Seite 37

) oder mehrstündiger Nahrungskarenz, etwa über Nacht (siehe

Seite 54

), bei Kälte sowie unter einer stark kohlenhydratreduzierten, ketogenen Ernährung (siehe

Seite 38

).

Wenn in der Leber viele Fettsäuren anfluten, sei es aus dem eigenen Körperfett (siehe

Seite 142

und

Seite 39

) oder aus den Fetten im Essen.

Die Ketonbildung ist also eng mit dem Energiestoffwechsel verbunden. Ketone dienen als eine Art Versicherung gegenüber Energiemangelzuständen. Der Körper gewinnt seine Energie aus dem, was wir essen und trinken. Dazu müssen die Schnitzel und Zimtschnecken, der Salat und die Milch jedoch erst verdaut und in ihre Nährstoffe zerlegt werden. Die wichtigsten energieliefernden Nährstoffe sind Kohlenhydrate und Fette, in begrenztem Umfang auch Proteine. Meist werden die Kohlenhydrate als die wichtigsten Brennstoffe bezeichnet, insbesondere für das Gehirn, doch wir werden noch sehen, dass das so nicht ganz stimmt.

Dass Zellen Traubenzucker (Glukose) benötigen, ist schon seit ein paar hundert Jahren bekannt. 1915 beschrieb dann der französische Wissenschaftler Dr. Francis Benedict, dass der Körper aber nur eine begrenzte Menge davon speichern kann, indem er Glykogen aus den Zuckern bildet.6 Bei einem erwachsenen Menschen entspricht die in Form von Glykogen gespeicherte Energie nur rund 2000 Kilokalorien, also in etwa einem Tagesbedarf. Hätten sich unsere frühen Vorfahren einzig auf dieses winzige Pölsterchen verlassen müssen, wären wir wohl ausgestorben.

Aus diesem Grund gibt es Fettdepots. Denn Fett bietet einige Vorteile gegenüber Glykogen: Gramm für Gramm liefert es rund doppelt so viel Energie, und es bindet kein Wasser, was den benötigten Speicherplatz klein hält. Die Fähigkeit, Fett zu speichern und bei Bedarf wieder auf die Fettdepots zugreifen zu können, hat es uns als Spezies ermöglicht, längere Hungerphasen oder monatelange Winter mit knapper Nahrungszufuhr zu überstehen. Gibt es nur wenig oder nichts zu essen, wird Fett abgebaut und in seine Bausteine, Glyzerin und Fettsäuren, zerlegt. Das Glyzerin wird entweder direkt zur Energiegewinnung genutzt oder es gelangt zur Leber, die aus ihm neuen Zucker herstellen kann. Das ist schlau, denn es hilft, die begrenzten Glykogenreserven länger zu erhalten.

Fettsäuren können von vielen Körperzellen direkt zur Energiegewinnung genutzt werden. Sie können aber auch anders Karriere machen, denn aus Fettsäuren können auch Ketone werden: kleine, wasserlösliche Verbindungen, die sich, im Gegensatz zu den wasserabweisenden, langen Fettsäuren, leicht mit dem Blut in alle Körperregionen transportieren lassen. Weil sie problemlos durch die Blut-Hirn-Schranke gelangen, können sie auch das Gehirn rasch und unkompliziert mit Energie versorgen. Aber nicht nur das Gehirn profitiert von ihnen, auch das Herz, die Skelettmuskulatur und die Nieren. Unkomplizierter ist die Energiegewinnung aus Ketonen auch deshalb, weil sie viel leichter als die meisten Fettsäuren in die Mitochondrien gelangen, jene kleinen Zellkraftwerke, die den Löwenanteil der Energiegewinnung bewerkstelligen (siehe Seite 23).

Die Bildung von Ketonkörpern, auch Ketogenese genannt, findet hauptsächlich in der Leber statt. Allerdings sind auch manche Hirnzellen, die Astrozyten, und Zellen der Nieren und des Darms in der Lage, Ketone zu bilden.7 Die Leber selbst kann die Ketonkörper nicht nutzen, da ihr die notwendigen Enzyme dazu fehlen. Das ist sinnvoll, denn so stehen sie für alle anderen Gewebe zur Verfügung.

Ketone: das Effizienteste, was eine Fettsäure werden kann

Die Synthese und Nutzung von Ketonkörpern sind lebenswichtige Stoffwechselwege, denn sie sorgen dafür, dass auch jene Körperzellen stets ausreichend mit Brennstoffen versorgt sind, die kaum Fettsäuren verwerten können, wie etwa Nervenzellen. Zugleich bleibt dadurch mehr Zucker für die Körperzellen übrig, die auf Glukose angewiesen sind, insbesondere die roten Blutkörperchen.

Als Ketone oder Ketonkörper werden folgende drei Substanzen zusammengefasst: Acetoacetat, ß-Hydroxybutyrat (BHB) und Aceton. Jeder dieser Ketonkörper hat bestimmte Eigenschaften und kann auch spezifisch nachgewiesen werden: Acetoacetat im Harn, ß-Hydroxybutyrat im Blut und Aceton in der Atemluft (siehe Seite 128).

Welche Fettsäuren besonders ketogen sind

Fette – oder Triglyzeride, weil an einem Glyzerinmolekül in der Regel drei Fettsäuren hängen – kommen in fetthaltigen Lebensmitteln und in unserem Körper vor, insbesondere in den Fettdepots. In Zellmembranen befinden sich spezielle Fette, die Phospholipide, die etwas anders aufgebaut sind. Da die Glyzerinkomponente in allen Fetten gleich ist, bestimmen die Fettsäuren darüber, welche Funktionen ein Fett ausübt, welche Auswirkungen es auf die Gesundheit hat und wie ketogen es ist, das heißt wie sehr es sich zur Ketogenese eignet.

Fettsäuren sind kettenförmige Gebilde aus Kohlenstoff (C) und Wasserstoff mit einer Säuregruppe am Kopfende. Sie unterscheiden sich darin, ob sie gesättigt sind oder nicht und darin, wie lange sie sind. Entsprechend teilt man sie in kurz-, mittel- und langkettige Fettsäuren ein. Kurz- und mittelkettige Fettsäuren sind leichter verdaulich und gehen vom Darm aus einen anderen Weg als die langkettigen Fettsäuren. Dies wirkt sich erheblich darauf aus, wie schnell und unter welchen Umständen aus einer Fettsäure Ketonkörper entstehen können. Besonders schnell und einfach werden mittelkettige Fettsäuren, eine Untergruppe der gesättigten Fettsäuren, in Ketone umgebaut (siehe unten).

Gesättigte Fettsäuren

haben keine Doppelbindungen im Molekül und sind daher relativ reaktionsträge. Sie kommen von Natur aus vor allem in Butter, Butterschmalz, Sahne, Käse, Kokos- und Palmkernfett vor. Auch Pflanzenöle, Nüsse, Fleisch- und Fischfett enthalten einige Prozent gesättigter Fettsäuren. Unser Körper und auch das Gehirn stellt sie in großer Menge selbst her.

Ungesättigte Fettsäuren

weisen eine oder mehrere Doppelbindungen auf, die sie reaktionsfreundlicher und empfindlicher machen. Je nachdem, wo sich diese Doppelbindungen befinden, heißen sie zum Beispiel

Omega-6

- oder

Omega-3

-Fettsäuren. Diese Unterscheidung ist wichtig, weil die beiden Fettsäure-Typen unterschiedliche, teilweise sogar entgegengesetzte Wirkungen im Körper entfalten. Wir brauchen sie alle, jedoch in einem ausgewogenen Verhältnis.

Die einfach ungesättigte Ölsäure (Omega-9) ist die stabilste und unempfindlichste unter den ungesättigten Fettsäuren. Sie ist mengenmäßig die wichtigste Fettsäure in vielen Fetten und dominiert nicht nur in Oliven- und Rapsöl, sondern auch in Avocados, Nüssen, Schweine- und Geflügelschmalz sowie im menschlichen Fettgewebe.

Mehrfach ungesättigte Fettsäuren können bis zu sechs Doppelbindungen haben: je mehr, desto beweglicher und reaktionsfreudiger sind sie. Das hat Vor- und Nachteile. Fest steht jedoch, dass unser Nervensystem und die Augen ganz besonders auf eine lebenslang kontinuierliche und ausreichende (nicht übermäßige) Versorgung mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren angewiesen sind. Die Zufuhr der vierfach ungesättigten Omega-6-Fettsäure Arachidonsäure stellt in der Regel kein Problem dar, denn sie ist in Fleisch, Innereien und Eiern weit verbreitet. Fleisch-, Eier- und Milchfett von Weidetieren enthalten auch hoch ungesättigte Omega-3-Fettsäuren, die Mengen liegen jedoch weit unter jenen fetter Kaltwasserfische. Daher sind Engpässe bei den fünffach und sechsfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) durchaus häufig, sofern nicht genug Fisch, Algen oder Meeresfrüchte gegessen werden. Das beeinträchtigt zwar die Ketogenese nicht, es kann sich aber negativ auf die Fähigkeit zur Ketonverwertung auswirken. Denn für die reibungslose Energiegewinnung aus Ketonen müssen die Zellmembranen und die Membranen der Zellkraftwerke (Mitochondrien) intakt sein und optimale Mengen an ungesättigten Fettsäuren, insbesondere an DHA, enthalten.8

Zwei der mehrfach ungesättigten Fettsäuren sind so wichtig wie Vitamine für den Körper und heißen daher essenzielle Fettsäuren: Linolsäure und α-Linolensäure sind lebensnotwendig. Da wir sie nicht selbst bilden können, müssen wir sie essen. Sie kommen vor allem in Pflanzenölen und Nüssen vor, aber auch in Schmalz, Milch-, Fleisch- und Fischfett. Aus diesen beiden essenziellen Fettsäuren kann der Körper seine hoch ungesättigten Fettsäuren (Arachidonsäure, EPA und DHA) selbst herstellen. Allerdings geschieht dies nur in geringem Umfang. Der kanadische Hirnforscher Stephen Cunnane vermutet als Grund dafür unter anderem, dass es im Lauf der menschlichen Evolution stets genug davon im Essen gab, sodass die Synthese aus Vorstufen nur eine untergeordnete Bedeutung hatte.9

Cunnane fand in Studien mit markierten Fettsäuren heraus, dass insbesondere bei Neugeborenen ausgerechnet die beiden essenziellen Fettsäuren Linolsäure und α-Linolensäure bevorzugt zu CO2 oxidiert, aber auch zur Ketogenese verwendet werden.10 Was zunächst völlig widersinnig erscheint – dass lebenswichtige Fettsäuren »verheizt« und für die Ketonbildung verwendet werden – macht dann Sinn, wenn man bedenkt, dass das kindliche Gehirn Ketone zum Aufbau neuer gesättigter und einfach ungesättigter Fettsäuren sowie von Cholesterin benötigt (siehe Seite 59). Möglichweise, so Cunnane, beruht die Essenzialität von Linolsäure und α-Linolensäure weniger darauf, dass sie als Vorstufen für Arachidonsäure, EPA und DHA dienen, sondern darauf, dass sie via Ketogenese zur Cholesterinsynthese im Gehirn beitragen. Jedenfalls sind die beiden essenziellen Fettsäuren besonders ketogen, vor allem die α-Linolensäure. Zumindest im Tierversuch konnte gezeigt werden, dass sie nicht nur während der Neugeborenenphase, sondern auch im Erwachsenenalter, bevorzugt ß-oxidiert werden. Und sogar die hoch ungesättigte EPA fördert indirekt die Ketogenese, indem sie die ß-Oxidation von Fettsäuren ankurbelt.11

Trans-Fettsäuren

Bliebe noch der Begriff »trans« zu klären, der bei Fettsäuren meist nichts Gutes verheißt. Aber es gibt Ausnahmen wie die natürlichen trans-Fettsäuren im Fett von Wiederkäuern, die folglich auch im Fleisch und in der Milch von Rindern, Ziegen und Schafen zu finden sind: Sie sind gesundheitlich unproblematisch.12

Das Gros der heutzutage verzehrten trans-Fettsäuren stammt jedoch aus industriell teilgehärteten oder durch langes und hohes Erhitzen geschädigten Fetten. Diese trans-Fettsäuren sind ungesättigte Fettsäuren, ihre Doppelbindungen befinden sich jedoch an der falschen Stelle oder es ist zu unerwünschten Umlagerungen gekommen. Daher können sie ihre Aufgaben im Körper nicht mehr erfüllen und werden zu Problemfetten: Sie verändern sämtliche Blutfett- und Cholesterinwerte negativ, reichern sich im Körper an, fördern Entzündungen und stören die Verwertung der Omega-3-Fettsäuren.13 Aus diesem Grund sollten Produkte mit solchen trans-Fettsäuren weitestgehend gemieden werden.

Prinzipiell können alle Fettsäuren zur Ketogenese verwendet werden. Ab einer Länge von 14 C-Atomen dauert dies jedoch länger und ist davon abhängig, dass der Insulinspiegel niedrig ist. Denn bei hohem Insulinspiegel werden die Nahrungsfettsäuren eher in die Depots eingelagert als oxidiert und zur Ketogenese genutzt. Die kurzkettigen Fettsäuren (weniger als sechs C-Atome) werden dagegen meist schon von den Darmzellen selbst verwertet, sodass sie gar nicht im Blut erscheinen. Und bei den mittelkettigen Fettsäuren ist es wieder anders.

Mittelkettige Fettsäuren: die Keto-Booster

Zu den mittelkettigen Fettsäuren werden üblicherweise gesättigte Fettsäuren mit einer Kettenlänge zwischen sechs und zwölf Kohlenstoffatomen gezählt. Sie werden anders als langkettige Fettsäuren (ab 14 C) verdaut und verwertet. Sie benötigen weder Galle zur Emulgierung noch Pankreaslipasea, sondern können von der Speichellipase ausreichend verdaut werden. Bei ihrer Resorption gelangen sie größtenteils direkt aus den Darmzellen in die Pfortader und zur Leber. Langkettige Fettsäuren gelangen dagegen zunächst in die Lymphe und erst viel später ins Blut und in die Leber. Deswegen dauert es länger, sie in Ketone umzuwandeln.

Mittelkettige Fettsäuren und dazugehöriges Triglyzerid (MCT)

Triglyzeride, die zwei oder drei mittelkettige Fettsäuren beinhalten, werden als MCT-Fette bezeichnet. Die Abkürzung steht für das englische Medium Chain Triglyceride. MCTs kommen natürlich vor allem in Kokosnuss- und Palmkernfett vor. Geringere Mengen finden sich in Palm öl, im Milchfett von Ziegen und Kühen, aber auch in der menschlichen Muttermilch (siehe Seite 63).14

Mittelkettige Fettsäuren, allen voran die C8, werden auch schneller als längere Fettsäuren in die Mitochondrien transportiert, denn sie benötigen kein Carnitin als Transporter. Daher stellen sie eine rasch nutzbare Energiequelle dar.15 Aufgrund dieser Eigenschaften werden MCTs routinemäßig bei Störungen im Magen-Darm-Trakt und bei Störungen der Fettverdauung eingesetzt, ebenso für die parenterale Ernährung und für die Ernährung von Frühchen.

Da die mittelkettigen Fettsäuren schnell in der Leber anfluten, können sie die Ketonproduktion der Leber besonders gut ankurbeln, und zwar weitgehend unabhängig von der Zusammensetzung der restlichen Diät und weitgehend unabhängig vom Insulinspiegel.16 So ließ sich an Gesunden zeigen, dass 20 bis 30 Gramm eines MCT-Supplements zur üblichen Kost die Ketonpegel zwar nur leicht, aber doch messbar erhöhen (auf 0,3–0,5 mmol/l).17 Aus diesem Grund gelten mittelkettige Fettsäuren beziehungsweise MCTs als eine Art »Keto-Booster« und stellen eine interessante Ergänzung zur Erzielung einer Ketose dar.18

modif. n. Cunnane, Frontiers 2016

Am stärksten ketogen wirkt die Caprylsäure (C8), gefolgt von der Caprinsäure (C10).19 Laurinsäure bildet sozusagen den Übergang zu den langkettigen Fettsäuren, sie geht teilweise den direkten Weg zur Leber, teilweise über die Lymphe,20 wirkt also zumindest in der Leber viel weniger ketogen als die beiden anderen mittelkettigen Fettsäuren. Ältere Studien deuten an, dass Capronsäure (C6) noch ketogener als C8 sein könnte.21 Da sie jedoch unangenehm schmeckt, wird sie in der Regel nicht verwendet.

MCTs gibt es als Öle und Streichfette zu kaufen. Die meisten MCT-Öle sind eine Mischung aus C8 und C10, mittlerweile sind aber auch reine C8-Öle im Handel. Sie bereiten vielen Menschen zumindest anfangs gastrointestinale Probleme, das heißt Bauchweh oder Durchfall. Die mittlerweile in Pulverform verfügbaren gebundenen MCTs sind daher oft besser verträglich. Zur Unterstützung einer ketogenen Ernährung sollte das Bindemittel jedoch kein Kohlenhydrat sein, sondern besser ein Ballaststoff oder ein Protein (zum Beispiel Erbsenprotein). Die geschmacksneutralen MCT-Öle eignen sich sehr gut für Salatsoßen und Mayonnaisen, die MCT-Pulver sind ein guter Sahne-Ersatz im Kaffee.

Kokosöl: Hype oder Hope?

Kokosnüsse liefern bei traditioneller, handwerklicher Verarbeitung ein hochwertiges, klares, reines Öl mit mild-aromatischem Geschmack. Es besteht zu über 90 Prozent aus gesättigten Fettsäuren, wovon der Löwenanteil auf mittelkettige Fettsäuren entfällt. Unter den mittelkettigen Fettsäuren des Kokosöls ist mengenmäßig die Laurinsäure dominant, sie stellt rund die Hälfte aller Fettsäuren im Kokosöl.

Die Fettsäuren in Kokosöl

Gesättigte Fettsäuren

Einfach ungesättigte Fettsäuren

6:0 Capronsäure

0,41 %

16:1 Palmitoleinsäure

0,01 %

8:0 Caprylsäure

6,58 %

18:1 Ölsäure

6,18 %

10:0 Caprinsäure

6,28 %

20:1 Eicosensäure

0,05 %

12:0 Laurinsäure

48,15 %

22:1 Erukasäure

< 0,01 %

14:0 Myristinsäure

18,63 %

Summe einfach ungesättigte Fettsäuren

ca. 7 %

16:0 Palmitinsäure

9,24 %

 

 

18:0 Stearinsäure

3,17 %

Mehrfach ungesättigte Fettsäuren

20:0 Arachinsäure

0,09 %

18:2 Linolsäure

1,18 %

22:0 Behensäure

0,02 %

18:3 Linolensäure

< 0,01 %

24:0 Lignocerinsäure

0,02 %

Summe mehrfach ungesättigte Fettsäuren

ca. 1–2%

Quelle: Labor Dr. Scheller, Augsburg

Kokosöl besteht also zu rund 90 % aus gesättigten Fettsäuren, zu etwa 50 % aus Laurinsäure und zu rund 60 % aus mittelkettigen (gesättigten) Fettsäuren.

In seiner tropischen Heimat wird Kokosöl seit Generationen für die Ernährung und die Körperpflege verwendet. Seit jedoch bekannt wurde, dass es die Ketonbildung fördert und möglicherweise zur Prophylaxe und Therapie von Krankheiten wie Alzheimer, Diabetes und Übergewicht beitragen könnte, ist ein regelrechter Hype um das exotische Öl entstanden. Während die einen ihm ungeahnte Wunderkräfte zusprechen, halten es andere aufgrund der vielen gesättigten Fettsäuren für Teufelszeug.22 Die Sache mit den gesättigten Fettsäuren sollte eigentlich längst vom Tisch sein, wird aber immer wieder einmal vorgebracht (siehe Seite 136). Hier nur so viel dazu: Ersetzt das Kokosöl einen Teil der Kohlenhydrate, steigert es das günstige HDL-Cholesterin und senkt die Blutfette (Triglyzeride). Da immer mehr Wissenschaftler und Mediziner fordern, anstelle der (gesättigten) Fette die Kohlenhydratzufuhr zu senken, um die Risikofaktoren für Herz- und Gefäßkrankheiten zu verringern, spricht nichts gegen den Verzehr von hochwertigem Kokosöl. Es sollte jedoch nicht zusätzlich zur üblichen Kost genossen, sondern kalorisch berücksichtigt werden.

Übertriebene Heilsversprechen durch Kokosöl sind ebenso fehl am Platz wie die Warnung davor. Es ist ein hochwertiges Öl mit besonderen Eigenschaften – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Beispielsweise trägt es, genau wie andere Lebensmittel mit mittelkettigen Fettsäuren, zur insulinunabhängigen Ketogenese bei. Aus Kokos- und Palmkernfett werden die mittelkettigen Fettsäuren zur Herstellung von MCT-Produkten gewonnen. Kokosöl hat zudem den Vorteil, dass es von Natur aus leicht süßlich schmeckt und sich daher gut in Desserts und andere Süßspeisen integrieren lässt. Aufgrund seines sehr niedrigen Gehalts an essenziellen Fettsäuren sollte es jedoch nie das einzige Öl in der Küche sein.

Der Einsatz von Kokosöl bietet eine einfache Möglichkeit, eine milde Ketonämie (je nach Dosis circa 0,3 mmol/l) zu erzielen. Wer therapeutische Ketonspiegel erreichen möchte (circa 1 – 5 mmol/l), muss parallel dazu MCTs einsetzen oder eine ketogene Ernährung einhalten. Um gastrointestinalen Beschwerden vorzubeugen, empfiehlt es sich, die Kokosölmengen allmählich zu steigern, beginnend mit einem bis drei Teelöffeln täglich.

Beim Einkauf von Kokosöl sollte auf kalt gepresste Bioware geachtet werden, da sie die höchste Qualität liefert: Neben den erwünschten Kokosfettsäuren enthält das sogenannte Virgin Coconut Oil (VCO) auch diverse Polyphenole, die ebenfalls zum Schutz vor verschiedenen Erkrankungen beitragen könnten.23 Die Gehalte sind in VCO etwa siebenmal höher als in konventionellen Kokosplattenfetten.24

»Interview mit Dr. Mary Newport, Kokosöl-, Keto- und Alzheimer-Expertin, Florida

Der amerikanischen Kinderärztin Dr. Mary Newport verdanken wir die Einsicht, dass Kokosöl eine wichtige Rolle für die Ketonbildung und für die Hirngesundheit spielt. Es war die pure Verzweiflung, die sie auf die richtige Fährte brachte: Ihr Mann Steve war 2001 erst 51 Jahre alt, als er die ersten Alzheimer-Symptome zeigte. Bis 2008 war die Demenz so weit fortgeschritten, dass er seinen Beruf nicht mehr ausüben und nicht mehr Auto fahren konnte. Er wusste nicht einmal mehr, wozu ein Computer da ist und wie man ihn einschaltet. Steve hätte an einer Medikamentenstudie teilnehmen können, er war aber bereits zu krank dafür.

Bei einer Internetrecherche stieß Mary Newport 2009 dann zufällig auf ein Produkt, mit dem es in einer kleinen Pilotstudie gelungen war, das Gedächtnis und die kognitiven Fähigkeiten von Alzheimer-Patienten zu verbessern.25 Die Entwickler hatten in ihrer Patentschrift angegeben, dass sie Alzheimer als Diabetes des Gehirns ansahen, weil die Hirnzellen durch Einschränkungen im Zuckerstoffwechsel zu wenig Energie generieren könnten. Deswegen könnten Ketone als alternative Energieträger für Abhilfe sorgen. Die Zulassung ihres Produktes (AC-1202), das später als Diätprodukt »Axona« auf den amerikanischen Markt kam, war bei der amerikanischen Behörde FDA beantragt, aber noch nicht erteilt. Es stand also noch nicht zur Verfügung, als Dr. Newport darüber las. Als sie herausfand, dass AC-1202 aus mittelkettigen Fettsäuren bestand, wurde sie hellhörig. Denn MCTs kannte sie aus ihrer Ausbildung von der Versorgung frühgeborener Babys. Da diese Produkte gewöhnlich aus Kokosfett hergestellt werden, machte es klick: Was haben wir zu verlieren? dachte sie sich und kaufte Kokosöl für ihren Mann.

Der Rest ist Geschichte: Steve Newport ging es durch das Kokosöl (und später durch MCTs und exogene Ketone26) so viel besser, dass Dr. Newport fand, sie müsse diese Botschaft verbreiten. Das tut sie seither, in Büchern272829, in Vorträgen in aller Welt und im Internet. So wurde aus der Spezialistin für Frühgeborene eine weltbekannte Expertin für Ketone, Kokosöl und Alzheimer.

Weitere Informationen zu Dr. Newports Internetpräsenz auf Seite 260

Frau Dr. Newport, Ihr Mann ist seiner Krankheit 2016 erlegen, doch Sie bleiben die Botschafterin des Kokosöls und der MCTs. Was würden Sie rückblickend sagen, haben diese Fette Ihrem Mann gebracht?

Die Zugabe von Kokosöl zu unserem damals »normalen« Essen und später die Mischung mit MCTs haben Steve und mir drei, wenn nicht mehr zusätzliche Lebensjahre geschenkt. Jedenfalls ging es ihm mindestens drei Jahre lang besser als vor dem Einsatz der Öle. Die enormen Verbesserungen, die er im ersten Jahr mit Kokosöl erzielte, konnte er über mindestens ein weiteres Jahr ohne jegliche Rückschläge stabil halten. Dazu hat sicher auch beigetragen, dass wir unsere Ernährung seit 2006 allmählich auf mehr frische Lebensmittel, andere hochwertige Fette und deutlich weniger Kohlenhydrate umstellten. Interessanterweise verlor Steve nach der Einführung des Kokosöls bald sein zuvor großes Interesse an Süßem.

Hatten Sie nie Sorgen wegen der gesättigten Fettsäuren?

Ich kannte natürlich alle diese Mythen rund ums Kokosöl und die gesättigten Fettsäuren. Doch nachdem ich mich belesen hatte, verschwanden meine anfänglichen Bedenken. Ich lernte, dass jene Völker, die traditionell große Mengen Kokosöl verzehrten, keine ungewöhnlich hohen Herzinfarktraten haben. Und dann sah ich ja Steves Ergebnisse und Laborwerte, die ebenfalls dagegen sprachen, dass wir falsch liegen könnten.

Kritiker sagen, Kokosöl könne das alles gar nicht bewirkt haben, weil es kaum ketogen sei. Was sagen Sie dazu?

Es ist der Tat so, dass die Ketonspiegel nach Kokosöl im Vergleich zu MCTs nur sehr moderat ansteigen, das hat die Arbeitsgruppe um Stephen Cunnane aus Kanada gezeigt.30 Allerdings wurden hier 20 Gramm Kokosöl mit 20 Gramm MCT-Öl verglichen, und dieser Vergleich hinkt ein bisschen, weil Kokosöl nur zu gut 60 Prozent aus MCTs besteht, die MCT-Öle jedoch zu 100 Prozent. Deswegen hatte ich Steve ja von Anfang an 35 Gramm Kokosöl gegeben, um die MCT-Menge von 20 Gramm in AC-1202 zu »simulieren«. Was ich damals nicht bedacht habe, ist, dass Kokosöl nur zu rund 14 Prozent aus C8 und C10 besteht, die in der Leber deutlich ketogener wirken als Laurinsäure. MCT-Öle bestehen praktisch nur aus C8 und C10.

Nachdem wir mit dem Kokosöl-Experiment begonnen hatten, kontaktierte ich Dr. Richard Veech von der Nationalen Gesundheitsbehörde (NIH). Er ist weltweit führend auf dem Gebiet der Ketonforschung und hatte sich bereit erklärt, Steves Ketonwerte zu messen. Nach einem Tag mit zwei Kokosölgaben à 35 Gramm erreichten die Ketone Acetoacetat und BHB zusammen drei Stunden nach der zweiten Gabe einen Peak von 0,35 mmol/l. Das ist nicht sehr viel. Für mich war jedoch entscheidend, dass sechs bis acht Stunden lang Ketone nachweisbar waren. Im Gegensatz dazu erreichen die Ketonwerte nach MCTs zwar höhere Werte, der Peak kommt jedoch schon nach 90 Minuten, und nach drei Stunden ist bereits das Ausgangsniveau wieder erreicht.

Bei Steve war das auch so. Außerdem sahen wir, dass nach Kokosöl mehr Acetoacetat als BHB nachweisbar war, nach MCT-Öl war es umgekehrt. Jedenfalls haben wir damals angefangen, MCTs und Kokosöl im Verhältnis 4 : 3 miteinander zu mischen, um die Ketonwerte höher zu bekommen als mit Kokosöl alleine und um sie länger zu erhöhen als mit MCTs alleine. Nach und nach gewöhnten wir Steve an täglich neun bis elf Esslöffel dieser Mischung, die er gut vertrug. Meist bekam er drei Gaben zu den Mahlzeiten und noch eine vierte vor dem Schlafengehen. Mir war daran gelegen, dass er möglichst immer Ketone im Blut hatte.

Gab es weitere Gründe dafür, dass Sie Steve weiterhin mit Kokosöl versorgten?

Oh ja. Erstens hatte es ihm spürbare Verbesserungen gebracht. Und zweitens ist die Laurinsäure im Kokosöl zwar tatsächlich weniger ketogen in der Leber als C8 und C10, sie wirkt aber anti-mikrobiell.31 Es gibt mittlerweile eine Vielzahl von Studien, die Alzheimer mit Herpes-Viren, mit Chlamydien-, Borreliose- oder Candida-Infektionen in Verbindung bringen. Laurinsäure kann die Hüllen der Viren auflösen und auch andere pathogene Erreger wirksam bekämpfen, während die gesunde Darmflora verschont bleibt. Diese Aufgabe erfüllt sie ja letztlich auch in der Muttermilch beziehungsweise im Darm gestillter Kinder. Ich denke, dass diese Eigenschaften der Laurinsäure zu Steves Fortschritten beigetragen haben könnten. Mir fiel jedenfalls auf, dass er früher häufig Herpesbläschen an den Lippen hatte und sehr darunter litt. Nachdem er angefangen hatte, regelmäßig Kokosöl zu essen, tauchten so gut wie keine Bläschen mehr auf.

Zur Laurinsäure gab es kürzlich weitere interessante Neuigkeiten, die möglichweise für die Hirngesundheit im Alter relevant sein könnten. Sehen Sie das auch so?

Absolut. Auch wenn es erst Studien mit Nagetieren und Zellkulturen dazu gibt, so zeichnet sich doch ab, dass speziell Laurinsäure die Ketogenese direkt im Gehirn ankurbelt. Das hat eine japanische Forschergruppe untersucht.32 Sie fanden heraus, dass nach dem Verzehr von Kokosöl über mehrere Stunden die Laurinsäurespiegel im Blut deutlich anstiegen. Im Prinzip können alle mittelkettigen Fettsäuren die Blut-Hirn-Schranke überwinden und zu den Astrozyten gelangen, die die Nervenzellen in unserem Gehirn ernähren und die zur Ketogenese fähig sind. Da der Großteil der C8 und C10 jedoch gleich in der Leber verstoffwechselt wird, ein Teil der Laurinsäure dagegen für längere Zeit in die Zirkulation gelangt, scheint sie eine herausragende Rolle für die Ketogenese in den Astrozyten zu spielen. Dass es einen Keton-Shuttle zwischen Astrozyten und Neuronen gibt, ist bekannt. Wir wissen es nicht, aber vermutlich hat Steve auch davon profitiert.

Sie experimentierten auch mit Ketonen zum Einnehmen. Wie kam es dazu?

Nach einiger Zeit hatte Steve, bedingt durch äußere Umstände, erste Rückschläge. Er erholte sich davon nur teilweise und sein Zustand verschlechterte sich von da an. Eines Tages schlug Dr. Veech vor, einen von ihm entwickelten Keton-Ester an Steve zu testen. Der war einverstanden und nahm nun Kokosöl, MCT-Öl und ein externes Keton. Innerhalb von 24 bis 48 Stunden nach der ersten Einnahme des Esters bildeten sich einige seiner neuen Symptome zurück. Es war dramatisch. Er konnte beispielsweise wieder das Alphabet aufsagen, Rasen mähen und alleine die Zähne putzen. Durch die externen Ketone konnte sich Steve für weitere 20 Monate stabilisieren. Sein Zustand korrelierte direkt mit den Ketonspiegeln: waren sie höher, ging es ihm besser, fielen sie ab, ging es ihm schlechter. 2013 bekam er erstmals Krämpfe und stürzte auf den Hinterkopf. Davon erholte er sich leider nicht mehr.

Wie nutzen Sie selbst Kokosöl und MCT-Öle?

Da es in meiner Familie mehrere Fälle von Alzheimer gab, nehme ich prophylaktisch vier bis fünf Esslöffel Kokosöl und MCTs gemischt. Zudem wissen wir heute, dass auch gesunde Senioren in ihren Gehirnen bereits eine »Energielücke« von etwa sieben Prozent aufweisen. Möglicherweise lässt sie sich mit Hilfe der Kokos-Ketone aus den Astrozyten und aus der Leber schließen.33 Zugleich esse ich heute frischer, mediterraner und weniger Kohlenhydrate. Seit ich mit Kokosöl anfing, hat sich mein Gedächtnis verbessert und ich habe mehr Ausdauer, sowohl körperlich als auch mental. Mein Prä-Diabetes und die Vergrößerung meines Herzens sind seit unserer Ernährungsumstellung 2006 ebenso verschwunden wie 17 überflüssige Kilogramm. Sollten eines Tagen Anzeichen einer kognitiven Einschränkung auftreten, werde ich die Kokos- und MCT-Öl-Dosis erhöhen. Optimistisch stimmt mich, dass viele Ketonforscher wie Dr. VanItallie und Dr. Hashim trotz ihres hohen Alters sehr fit im Kopf sind.

Ketone – viel mehr als Energie!

Wenn es um Ketone geht, steht meist ihre Funktion als (alternativer) Energielieferant im Vordergrund. Ketonkörper können aber viel mehr als Energie bereitstellen! Insbesondere das BHB fungiert zudem als wichtiger Signalgeber für unsere Zellen. Es kann das Zellwachstum und die Zellteilung kontrollieren, Entzündungsprozesse hemmen, Nervenzellen schützen und eine Reihe von Genen ein- oder ausschalten. Außerdem verläuft die Energiegewinnung aus Ketonen effizienter und »sauberer« als aus anderen Brennstoffen.34

Zellteilung und Zellwachstum

Wie sehr eine Zelle wächst und wann sie sich teilt, diese lebenswichtigen Prozesse unterliegen einer engen Kontrolle. Zu wenig Zellteilung würde zum Abbau wichtiger Strukturen führen und könnte degenerative Prozesse begünstigen. Zu viel, ja unkontrolliertes Zellwachstum ist jedoch genau so wenig wünschenswert, denn zu viel Zellwachstum und Zellteilung sind zentrale Kriterien der Krebsentstehung.

Ein besonders wichtiges Wachstumssignal im Zellstoffwechsel geht von der Substanz mTORb aus. Es handelt sich dabei um ein Eiweiß, das in den Zellen aller Säugetiere vorkommt und das wie eine Art Thermostat die Verfügbarkeit von Nährstoffen feststellt. mTOR ist Bestandteil eines ganzen Proteinkomplexes, der mithilfe einer Vielzahl von Signalwegen und Wachstumsfaktoren Dinge wie den Energiehaushalt und die Sauerstoffkonzentration der Zellen überwacht, das Ablesen von Geninformationen reguliert und so das Zellwachstum und die Zellteilung steuert.35 Daher ist es auch kein Wunder, dass eine auffällige Gemeinsamkeit vieler chronischer Krankheiten fehlregulierte mTOR-Signalkaskaden sind: Man findet sie bei Krebs, bei Typ-2-Diabetes, bei Übergewicht und bei neurodegenerativen Erkrankungen. Wie bedeutend mTOR ist, zeigt sich auch daran, dass seine Hemmung ein wichtiges therapeutisches Ziel in der Entwicklung neuer Medikamente darstellt. Doch nicht nur Medikamente können mTOR hemmen: Auch Nahrungsmangel, Fasten und eine ketogene Ernährung können dies bewirken, denn in allen diesen Fällen kommt es zur Bildung von Ketonen. Insbesondere das BHB, hemmt mTOR und damit überschießende Wachstumsreaktionen.36 Schon allein deshalb sind Ketone eine interessante Option in der Behandlung der oben genannten Krankheiten.

Genregulation

Würde man unser Erbgut, die DNA, die in fast jeder unserer Körperzellen steckt, entlang eines Maßbandes auslegen, käme man auf die beeindruckende Länge von zwei Metern. Damit diese zwei Meter lange DNA in den Zellkern passt und um ihr Ablesen zu koordinieren, wird sie wie Haare um Lockenwickler aufgewickelt. Die Lockenwickler sind Proteinkomplexe, die als Histone bezeichnet werden. Sie entscheiden mit darüber, ob ein Genabschnitt auf der DNA abgelesen wird oder nicht.

modif. n. https://www.nature.com/articles/448548a

Man kann sich vorstellen, dass es sehr schwer ist, Information von der DNA abzulesen, wenn sie eng um einen Histon-Lockenwickler gewunden ist. Um das Ablesen zu erleichtern, muss die Bindung gelockert werden. Dazu modifiziert die Zelle die elektrische Ladung der Histone, sodass sie sich voneinander abstoßen und einige Genabschnitte zum Ablesen freigeben. Man kann sich das auch wie bei einem Kochbuch vorstellen: Liegen die Histone sehr eng aneinander, wäre das so, als ob die Seiten des Kochbuches verklebt sind. Die Informationen sind zwar da, aber es ist unmöglich, die Rezepte zu lesen. Erst wenn die Seiten nicht mehr aneinanderkleben, können wir auch das Rezept lesen und nachkochen.

Das »Öffnen« der Seiten bzw. die Auflockerung der Histon-DNA-Wicklung erfolgt über ein Enzym mit der Bezeichnung Histon-Acetyl-Transferase (HAT), das »Verkleben« übernimmt die Histon-Deacetylase (HDAC). Wird die Deacetylase gehemmt, bleibt die Erbinformation in einem entspannten Zustand und kann weiter ausgelesen werden. Substanzen, die Histon-Deacetylasen hemmen, werden als HDAC-Inhibitoren bezeichnet. Entsprechende Medikamente finden bereits in der Psychiatrie und Neurologie als Stimmungssaufheller und als Mittel gegen Epilepsie Anwendung.37 Sie wirken sich positiv auf die geistige Leistungsfähigkeit und bei neurodegenerativen Erkrankungen aus, und sie werden intensiv für die Krebsbekämpfung untersucht. Einen ebenso wirksamen HDAC-Inhibitor kann der Körper aber auch selbst bilden: das Keton ß-Hydroxybutyrat.38

Wie das Ablesen genetischer Informationen aktiviert und unterdrückt wird

Die DNA ist um Histone gewickelt, um sie auslesen zu können, muss sie »entrollt« werden.Dazu heften Histon-Acetyl-Transferasen (HAT) Acetylgruppen an, was die Wicklung der DNA um die Histone lockert.Histon-Deacetylasen (HDAC) entfernen Acetylgruppen und sorgen so für eine engere Wicklung. Die Gene können nicht abgelesen werden.Werden die HDACs gehemmt, können weiterhin Gene abgelesen werden. BHB ist ein HDAC-Inhibitor, der vom Körper selbst gebildet werden kann.
Immunsystem und Entzündungen

Unser Immunsystem teilt sich in die angeborene oder unspezifische Immunabwehr und in die adaptive oder spezifische Immunabwehr. Ein wichtiger Bestandteil des unspezifischen Immunsystems sind spezialisierte Proteinkomplexe, die als Inflammasome bezeichnet werden. Eine besondere Rolle spielt das sogenannte NLRP3c-Inflammasom, das in Fresszellen des Immunsystems zu finden ist.39 Fresszellen, auch Makrophagen oder Granulozyten genannt, reagieren vor allem auf Bakterien, Parasiten und Pilze, indem sie das Inflammasom aktivieren und zu einer Ausschüttung von entzündungsfördernden Signalstoffen veranlassen, zum Beispiel der Zytokine Interleukin-1α und Interleukin-18.40

Auch Substanzen wie Asbest oder Harnsäurekristalle können das Inflammasom aktivieren und Entzündungsreaktionen auslösen.41 Zahlreiche chronische Erkrankungen wie Übergewicht und Insulinresistenz zeichnen sich durch ein chronisch leicht erhöhtes Level an Entzündungen aus, die durch eine übermäßige Aktivierung des NLRP3-Inflammasoms initiiert sein können. Substanzen, die das NLRP hemmen, gelten daher als vielversprechende Therapeutika.

Dass Ketone entzündungshemmende Effekte haben, weiß man schon länger. Neuere Forschungen ergaben nun, dass ß-Hydroxybutyrat vermutlich via Hemmung des NLRP3-Inflammasoms wirkt.42 Darauf deuten zumindest Studien an Mäusen hin, die als Modelle für Krankheiten dienen, die durch ein überaktives NLRP gekennzeichnet sind wie beispielsweise die Gicht. In diesen Tiermodellen konnte BHB das Inflammasom hemmen und so antientzündlich wirken.

Dr. Brigitte Karners Tipp aus der ärztlichen Praxis

»Vor der Umstellung auf eine ketogene Ernährung, insbesondere wenn entzündliche Krankheiten vorliegen, beim Hausarzt die Entzündungsparameter (zum Beispiel CRP) messen lassen. Nach drei Monaten die Messung wiederholen, um den Erfolg der Maßnahme zu überprüfen.«

Neue Zellkraftwerke

Mitochondrien, die kleinen »Zellkraftwerke«, haben außer der Herstellung von ATP viele weitere Aufgaben. Letztlich entscheiden sie sogar darüber, ob eine defekte Zelle dem programmierten Zelltod (Apoptose) zugeführt wird oder nicht. Je stoffwechselaktiver und »agiler« eine Körperzelle ist, umso mehr Mitochondrien braucht sie in der Regel. Ein schönes Beispiel dafür ist das braune Fettgewebe, das der zitterfreien Wärmeerzeugung dient. Es verdankt seinen Namen den besonders zahlreich vorhandenen Mitochondrien, die es unter dem Mikroskop bräunlich erscheinen lassen.

Das Keton BHB ist in der Lage, die Bildung neuer Mitochondrien anzukurbeln, zumindest wurde dies an Mäusen und in Zellkulturen gezeigt.43 Man nimmt an, dass dies via Aktivierung von PCG1alphad geschieht, einem wichtigen Signalmolekül zur Regulierung der Mitochondrienfunktion. Auch über die vermehrte Bildung des Nerven-Wachstumsfaktors BDNF (siehe Seite 82) kann der Bau neuer Mitochondrien angekurbelt werden.44 Da viele Erkrankungen auf eine gestörte Mitochondrienfunktion zurückgeführt werden, zeichnet sich hier ein weiterer Vorteil der Ketone ab.45

Effiziente und saubere Energiegewinnung

Die Energie für unsere Lebensfunktionen stammt aus der Nahrung, die dazu zunächst verdaut und in die energieliefernden Nährstoffe aufgespalten werden muss. Doch auch Kohlenhydrate und Fette, Eiweiße und Ketone sind nur »Fremdwährungen«, die noch weiter umgewechselt werden müssen, bevor sie zur Energiegewinnung taugen. Die universell nutzbare Energiewährung des Körpers heißt ATP: Adenosintriphosphat. Praktisch jeder Prozess, der Energie benötigt, verbraucht ATP. Es wird durch winzig kleine »Wechselstuben« im Inneren unserer Zellen bereitgestellt, den Mitochondrien.

Wie viel ATP ein Molekül des Ausgangsstoffes liefert, hängt von der Anzahl seiner Kohlenstoffatome ab und davon, wie viel Energie bei seinem Abbau verbraucht werden muss. Eine langkettige gesättigte Fettsäuren wie die Palmitinsäure (16 C-Atome) liefert 129 ATP. Der Traubenzucker Glukose bringt mit seinen 6 C-Atomen 36 ATP auf unser Energiekonto. BHB hat 4 C-Atome und ergibt 21,5 ATP. Auf den ersten Blick scheint es also schlechter abzuschneiden als Zucker, liefert es doch 14,5 ATP weniger. Doch bezieht man die ATP-Ausbeute auf die Zahl der C-Atome, ist der Unterschied nicht sehr groß: Pro C-Atom bringt BHB 5,4 ATP, bei Glukose sind es 6 ATP.

Dennoch gelten Ketone als die effizienteren Energielieferanten. Darauf ließen schon 1945 Beobachtungen des Biochemie-Professor Henry Lardy von der Universität Wisconsin in Madison schließen. Er beschrieb, dass Ketone die Mobilität von Spermien erhöhen konnten, obwohl wenig Sauerstoff zur Verfügung stand.46 In einer aktuelleren Arbeit der Ketonforscher um Dr. Richard Veech von der Nationalen Gesundheitsbehörde der USA konnte die Leistung von Rattenherzen durch die Zugabe von Ketonkörpern bei gleichzeitiger Reduktion der Sauerstoffaufnahme um 25 Prozent gesteigert werden.4748 Experimente zur Ermittlung des Kaloriengehalts von Ketonen mit Hilfe eines Bombenkalorimeters ergaben ebenfalls, dass Ketonkörper pro Kohlenstoffeinheit mehr Energie liefern als Glukose.49 Man kann sich diesen Effekt auch so vorstellen: Wäre der Stoffwechsel ein Auto, das sowohl mit Ketonen als auch mit Diesel läuft, so könnte man mit einer Tankfüllung Keton-Treibstoff weiter fahren als mit einem Tank voll Diesel und das Fahrzeug würde weniger Schadstoffe ausstoßen.

Verbesserte metabolische Effizienz

Eine Erklärung für die höhere metabolische Effizienz der Ketone konnte Henry Lardy damals nicht geben. Erst 50 Jahre später brachten die Arbeiten von Dr. Richard Veech über die genauen Stoffwechselwege der Ketonkörper etwas Licht ins Dunkel der Abläufe in der Atmungskette. Es zeigte sich, dass Ketonkörper das mitochondriale NAD+/NADH-Paar am Komplex I reduzieren und das Coenzym-Q/ QH2-Paar am Komplex II oxidieren. Es liegt also mehr NADH und mehr Coenzym Q vor, was die Redox-Spanne zwischen den beiden Komplexen steigert. Dadurch können mehr Protonen (H+-Ionen) in den Intermembranraum gepumpt werden und der elektrochemische Gradient an der Membran wird verstärkt.

Am Ende der Atmungskette fließen die Protonen durch die ATP-Synthase wieder ins Innere der Mitochondrien, wobei die dabei frei werdende Energie für die Bildung von ATP aus ADP genutzt wird.50 Der stärkere elektrochemische Gradient nach der Oxidation von Ketonkörpern vergrößert auch die Energie (ΔG) des dabei gebildeten ATP: Es entsteht also eine potentere Energiewährung, sodass bei der Verwendung von »Keto-ATP« mehr Energie frei wird als bei herkömmlichen ATP-Molekülen.

Ketone »verbrennen« aber nicht nur effizienter, sie sind auch eine relativ »saubere« Energiequelle. Bei der ATP-Synthese in den Mitochondrien entstehen als Nebenprodukte des zellulären Stoffwechsels auch freie Radikale; das sind meist kurzlebige Moleküle, die bei einer Reihe von zellbiologischen Prozessen eine wichtige Rolle spielen. Freie Radikale sind zwar sehr reaktionsfreudig und bisweilen aggressiv, allerdings sind sie nicht per se »böse«, denn sie erfüllen wichtige Aufgaben, unter anderem im Immunsystem. Zudem verfügt der Körper über eine Fülle an Antioxidantien, die die freien Radikale in Schach halten. Entstehen jedoch zu viele freie Radikale oder ist die antioxidative Kapazität des Körpers eingeschränkt oder erschöpft, kommt es zu oxidativem Stress. Der ist problematisch, weil er zum Beispiel die DNS im Zellkern oder Proteine, Cholesterin und Fette in den Zellmembranen schädigen kann. Davon können auch die Membranen der Mitochondrien betroffen sein und damit die Energiegewinnung und Leistungsfähigkeit der Zellen. Daher gilt oxidativer Stress als eine wichtige Ursache vieler Beschwerden, Krankheiten und Altersleiden.

Auch hier kommen wieder die Ketone ins Spiel. Sowohl Acetoacetat als auch BHB können freie Radikale wie Sauerstoff- und Hydroxylradikale einfangen und so einen Abfall der ATP-Bildung und letztlich den Zelltod verhindern51. Werden anstelle von Glukose Ketonkörper zur Energiegewinnung genutzt, entstehen auch deutlich weniger freie Radikale. So ergaben Versuche mit Stammzellkulturen, dass bei der ATP-Bildung aus Acetoacetat im Vergleich zur Glukose-Oxidation nur ein 45stel der Menge an reaktiven Sauerstoffverbindungen (ROS) entsteht.52 Da die Stammzellen das Acetoacetat der Glukose als Brennstoff vorzogen, wird vermutet, dass sie aus strategischen Gründen lieber Ketone verwerten, um oxidativen Stress zu vermeiden. Mit anderen Worten: Ketone »verbrennen« sauberer und das wissen besonders empfindliche Zellen wie Nerven- und Stammzellen offenbar zu schätzen.

Wie Ketone ROS reduzieren

Werden Ketone in den Mitochondrien verstoffwechselt, ist der Anteil des oxidierten Ubichinols in der Atmungskette höher. Dies reduziert gleichzeitig das Semichinon-Radikal, das ansonsten leicht durch molekularen Sauerstoff oxidiert wird. Die Endprodukte dieser Oxidation erhöhen die mitochondriale ROS-Produktion. Durch die Reduktion des Semichinon-Radikals unterdrückt der Ketonstoffwechsel die Bildung reaktiver Sauerstoffspezies.

Auch die Bildung freier Radikale durch Stressoren wie Strahlung oder Zellgifte können Ketone reduzieren53, indem sie die antioxidative Kapazität der Zelle erhöhen. Zu den wichtigsten körpereigenen Antioxidantien gehört das Glutathion. Im Verlauf der Oxidation von Ketonen werden die Coenzyme NAD+ und NADP zu NADH und NADPH reduziert, was die Regeneration des Glutathions fördert.54

Trotz dieser vielen positiven Eigenschaften existieren noch immer Vorbehalte den Ketonen und der Ketose gegenüber. Und das färbt natürlich auch auf die ketogene Ernährung ab, die ja den Sinn und Zweck hat, die Bildung von Ketonen im Körper anzukurbeln (siehe Seite 111). Bei den meisten dieser Vorbehalte handelt es sich jedoch schlicht um eine Verwechslung …

Ketose ist nicht Ketoazidose!

Bis heute wird die Ketose oft mit der Ketoazidose in einen Topf geworfen und für ebenso gefährlich erachtet. Es dürfte daran liegen, dass viele Ärzte und Ernährungsfachkräfte während ihrer Ausbildung nur von der Ketoazidose gehört haben, die in der Tat gefährlich ist. Doch bei Ketose und Ketoazidose handelt es sich um zwei verschiedene Zustände! Daher ist es wichtig, die Unterschiede zu kennen.

Die Ketose ist ein physiologischer, also für den Körper völlig normaler Zustand: Ketose heißt, dass sich Ketone im Blut oder im Urin oder in der Atemluft nachweisen lassen. Sie können durch Hungern, Fasten, Ausdauersport oder eine ketogene Ernährung entstanden sein. Auch die Aufnahme vorgefertigter Ketone (siehe Seite 44) kann zur Ketose führen.

Diabetische Ketoazidose

Im krassen Gegensatz dazu ist die Ketoazidose ein seltener, aber gefährlicher Stoffwechselzustand, meistens verursacht durch einen absoluten Insulinmangel. Die häufigste Form ist die diabetische Ketoazidose bei Typ-1-Diabetikern, deren Bauchspeicheldrüse kein Insulin mehr bilden kann. Spritzen sie nicht oder zu wenig Insulin, setzt durch diesen schweren Mangel an Insulin im Fettgewebe ein massiver Fettabbau ein. Dabei werden große Mengen an Fettsäuren frei, und die Leber wird förmlich damit geflutet. Es kommt zu einer übermäßigen und ungebremsten Bildung von Ketonkörpern. Da bei dieser Stoffwechselentgleisung gleichzeitig der Blutzuckerspiegel sehr hoch ist, werden die Ketone nicht in den Mitochondrien verbrannt, sondern sammeln sich an. Und weil es sich dabei um Säuren handelt, kann zu viel davon den Körper übersäuern.

Wäre etwas Insulin vorhanden, könnte es den übermäßigen Abbau von Fettgewebe verhindern und die Ketonkörperproduktion hemmen. Bei Gesunden wird das unkontrollierte Ansteigen der Ketone durch eine negative Feedback-Schleife verhindert: Sobald die Pegel zu stark ansteigen, stimulieren sie eine Insulinausschüttung und die weitere Ketogenese wird gehemmt.55

Ketose und Ketoazidose unterscheiden sich in weiteren wichtigen Punkten: Bei der diabetischen Ketoazidose ist immer auch der Blutzucker erhöht, denn wenn es an Insulin fehlt, kann auch kaum Zucker aus dem Blut in die Körperzellen geschleust werden. Die Ketonwerte erreichen 15 mmol/l und mehr, wodurch der pH-Wert des Blutes sinkt, es übersäuert. Genau hier liegt die große Gefahr einer Ketoazidose, denn der pH-Wert des Blutes erlaubt kaum Abweichungen. Normalerweise liegt er zwischen 7,35 und 7,45 und jede Verschiebung, egal ob in den sauren oder in den basischen Bereich, hat fatale Folgen. Die von einer Ketoazidose Betroffenen fühlen sich meist auch unwohl und krank – und sie müssen umgehend (!) ärztlich behandelt werden, denn eine Ketoazidose kann schnell lebensbedrohlich werden.

Die gute Nachricht lautet: Eine gesunde Person, die genug trinkt, kann nicht in eine Ketoazidose rutschen. Im Rahmen einer ketogenen Diät oder auch beim Fasten sind aufgrund der Insulin-Feedback-Schleife Ketonwerte von mehr als 5 bis 7 mmol/l kaum erreichbar. Zudem liegt der Blutzuckerspiegel während einer nahrungsinduzierten Ketose im Normbereich und der Mensch fühlt sich meist sehr wohl.

Andere Ursachen einer Ketoazidose

Die diabetische Ketoazidose ist die häufigste Erscheinungsform dieser seltenen Stoffwechselentgleisung. Auch Hungerzustände, erhebliches Erbrechen, etwa in der Schwangerschaft, Flüssigkeitsmangel sowie die Einnahmen bestimmter Medikamente oder ein Schwangerschaftsdiabetes können zu einer Ketoazidose führen, wobei die Blutzuckerwerte in diesen Fällen keineswegs erhöht sein müssen.5657 Daneben gibt es noch die alkoholische Ketoazidose, die bei Alkoholmissbrauch entstehen kann, wenn zugleich wenig gegessen wird. Sie verursacht Übelkeit, Erbrechen und Bauchschmerzen und führt zu einer Übersäuerung mit gleichzeitig meist normalen Blutzuckerwerten. Hunger fördert den Fettabbau (Lipolyse) und senkt den Insulinspiegel. Alkohol hemmt sowohl die Neubildung von Zucker (Glukoneogenese) in der Leber als auch die (vollständige) Oxidation freier Fettsäuren. Sie werden von der Leber daher in die Ketogenese gelenkt. Da der Insulinspiegel niedrig bleibt, kann die Ketonbildung nicht gedrosselt werden. Begünstigend wirken neben Alkoholmissbrauch und Mangelernährung auch entleerte Glykogenspeicher und weitere Stressfaktoren im Stoffwechsel der Betroffenen.58

Weitere seltene Formen der Ketoazidose

Eine extrem seltene Möglichkeit, in eine Ketoazidose zu rutschen, sind Vergiftungen mit Salicylsäure, auch Aspirinvergiftung genannt. Sie kann sowohl akut als auch chronisch auftreten. Die Übersäuerung kann durch drei Mechanismen entstehen: durch das Entkoppeln der Atmungskette in den Mitochondrien, die dazu führt, dass die Zellen ihre Energie durch anaerobe Glykolyse, eine Art »Zuckervergärung« gewinnen müssen. Dies führt zu einem Anstieg der Milchsäure (Laktat) und schließlich zu einer Laktazidose, also einer Übersäuerung des Blutes durch zu viel Milchsäure. Verstärkend wirkt, dass Salicylate den Fettabbau steigert, was die Ketonbildung ankurbelt und drittens trägt auch die Salicylsäure selbst zur Azidose bei.59

Es gibt außerdem seltene angeborene Stoffwechselerkrankungen, die eine Ketoazidose begünstigen. Solche schweren Stoffwechselstörungen zeigen sich meist schon in früher Kindheit durch Episoden wiederkehrender Übersäuerungen. Ein Beispiel ist das SCOT-Syndrom: Es ist gekennzeichnet durch einen angeborenen Mangel des Enzyms Succinyl-CoA:3-Ketosäure-CoA-Transferase, das der Körper für die Verwertung von Ketonen benötigt. Wenn die Ketone nicht abgebaut werden können, reichern sie sich an und übersäuern den Körper.60

modif. n. www.authoritydiet.com/keto-vs

Wege in die Ketose

Es gibt mehrere Möglichkeiten, in Ketose zu gelangen, das heißt, dafür zu sorgen, dass sich Ketonkörper im Blut befinden: Hungern, Fasten, körperliche Anstrengungen, ketogene Kostformen und bestimmte Lebensmittel sowie Supplemente. Sofern er nicht mit vorgefertigten Ketonen versorgt wird, stellt der Körper die Ketone selbst her.

Was die Ketonspiegel erhöht

Strategie / Auslöser

erreichbare Ketonspiegel im Blut (mmol BHB / l)

Weitere Infos dazu auf / ab

physiologischer Mengen

 

 

Koffein61

0,2 – 0,3

 

Kokosöl

0,3 – 0, 5

Seite 15

anstrengende körperliche Aktivitäten:

Sport

Wehen

ntensiver Sport

 

0,3 – 0,5

0,5 – 3,0

2,5 – 3,5

 

Seite 37

Seite 74

Seite 91

MCT-Öl

0,3 – 1,0

Seite 14

verzweigtkettige (ketogene) Aminosäuren

0,3 – 1,0

Seite 248

Keton-Salze

0,5 – 1,0

Seite 45

klassische ketogene Diät

2 – 6

Seite 111

Hunger / Fasten

2 – 7

Seite 30

Keton-Ester

2 – > 7

Seite 48

 

 

 

pathologischer Mengen

 

 

diabetische Ketoazidose

10 – 25

Seite 26

modifiziert und ergänzt nach: Newport, M: Complete Book of Ketones. 2019 (im Druck) und Volek, JF, Phinney, SD: The art and science of low carbohydrate performance. Beyond Obesity, LLC, 2012

Hunger und Fasten

Die wohl älteste, einfachste und »natürlichste« Art, in Ketose zu gelangen, ist schlicht Nahrungsmangel: Im Hungerzustand muss der Körper, in besonderem Maße jedoch das Gehirn, Energie aus den Reserven gewinnen. Da die Kohlenhydrat- und Eiweißreserven relativ gering sind, werden die Fettdepots zur wichtigsten »Brennstoff«-Quelle. Solange die Versorgung mit Wasser sichergestellt ist, entscheidet daher vor allem das Ausmaß der Fettdepots darüber, wie lange eine Hungerphase überlebt werden kann. Auch wenn das für viele Erdenbewohner zum Glück kein Thema mehr ist, handelt es sich um lebenswichtige Vorgänge, die jederzeit »einsatzbereit« sein müssen und deswegen vom Körper sehr effizient geregelt sind.

Allerdings ist unser Gehirn nicht in der Lage, größere Mengen an Fettsäuren direkt als Energiequelle zu nutzen. Das ist kein Fehler im System, sondern sinnvoll vor dem Hintergrund, dass dieses Organ mehr als andere darauf angewiesen ist, immer genug Fettsäuren für strukturelle Aufgaben (Phospholipide zum Aufbau von Membranen) zur Verfügung zu haben.62 Es ist auf andere Energieträger angewiesen, die jedoch ebenfalls aus den Fettdepots kommen müssen. Da fügt es sich bestens, dass im Lauf der Evolution der Stoffwechselweg der Ketose entstand. Denn mithilfe der Ketogenese bereitet die Leber die Fettsäuren aus den Depots so auf, dass sie problemlos vom Gehirn genutzt werden können.

Der Hungerstoffwechsel ist kein gleichbleibender Prozess, sondern sehr dynamisch organisiert. Er verändert sich im Verlauf des Nahrungsmangels, um alle Prozesse möglichst ökonomisch ablaufen zu lassen. Die Kenntnisse über die dazu nötigen Anpassungsvorgänge verdanken wir insbesondere George Cahill von der Harvard Universität, der sie in den 1960er- und 1970er-Jahren erforschte.63

Veränderungen im Brennstoff-Stoffwechsel im Verlauf des Hungerns

Phasen

Ibis ca. 4 Stunden

IIbis ca. 16 Stunden

IIIbis ca. 30 Stunden

IVca. 2. bis 24. Tag

Vab etwa 3. Woche

Woher kommt die Blutglukose?

Nahrung

Glykogen, hepatische Glukoneogenese

hepatische Glukoneogenese, Glykogen

hepatische und renale Glukoneogenese

renale und hepatische Glukoneogenese

Welche Gewebe nutzen Glukose?

alle

alle, außer der Leber (Fettsäuren); Muskeln und Fettgewebe verringert

alle, außer der Leber (Fettsäuren); Muskeln und Fettgewebe noch weniger

Gehirn, rote Blutkörperchen, Nierenmark, Muskeln (sehr wenig)

Gehirn (vermindert), rote Blutkörperchen, Nierenmark

Hauptbrennstoff des Gehirns

Glukose

Glukose

Glukose

Glukose und Ketone

Ketone und Glukose

modif. n. Cahill, GF, Jr., Ann Rev Nutr 2006;26: 1-22

Hunger-Dynamik

Schon am ersten Tag ohne Nahrung sinkt die Glukoseoxidation von etwa 40 auf 10 Gramm pro Stunde. Gleichzeitig werden Fette aus den Depots mobilisiert, die Abbauprodukte, Fettsäuren und Glyzerin, gelangen ins Blut. Bei einem Gesamtumsatz von 1800 Kilokalorien an dem in der Grafik dargestellten Beispieltag ist mit 160 Gramm Fettsäuren zu rechnen, von denen 40 Gramm zur Leber gelangen, die daraus unter Zuhilfenahme von Wasser 60 Gramm Ketone bildet und ans Blut abgibt. Schon nach einem einzigen nächtlichen Fasten deckt der Körper zwei bis sechs Prozent seines Energiebedarfs durch Ketonkörper. Nach drei Tagen sind es bereits 30 bis 40 Prozent. Allerdings werden die Ketone in den ersten Tagen noch nicht nennenswert vom Gehirn genutzt. Sofern es keine Ketone gewöhnt ist, braucht es anfangs noch viel Glukose.64

Die Ketone dienen jetzt erst einmal den Muskeln, dem Herzen und der Nierenrinde als Energiequelle. Auch die restlichen 120 Gramm der aus dem Fettgewebe mobilisierten Fettsäuren gelangen via Blut in diese Gewebe, die sie direkt verwerten können. Mit dem Umstieg auf Fettsäuren und Ketone zur Energiegewinnung beziehungsweise mit dem »Verzicht« auf Glukose sorgen sie indirekt dafür, dass dem Gehirn mehr Zucker zur Verfügung steht.

Stoffwechsel im akuten Hungerzustand Substratumsatz circa 1800 Kilokalorien pro Tag

modif. n. Baumeister, FAM: Ketogene Diät. Erlangen, 2012

Die 16 Gramm Glyzerin, die beim Abbau der Triglyzeride aus den Depots entstehen, gelangen ebenfalls zur Leber, wo sie in Zucker umgewandelt werden (Glukoneogenese). In diesen Weg werden auch die 75 Gramm Aminosäuren eingeschleust, die durch Abbau von Muskulatur freigesetzt werden. Zusätzlich können durch die verminderte Bildung von Verdauungssekreten, Plasma- und Lipoproteinen sowie durch Recyclingvorgänge (Autophagie, siehe Seite 82