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Der Leuchtturm Roter Sand war das erste Offshore-Bauwerk der Welt und sein Bau stellte die Ingenieure vor noch nie dagewesene Herausforderungen. Hier wird in zeitgenössischen Originalberichten geschildert, wie dieses technische Meisterwerk errichtet wurde.
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Seitenzahl: 48
Veröffentlichungsjahr: 2023
Herausgegeben von Ronald Hoppeedition.epilog.de
Für diese Ausgabe wurden die Originaltexte in die aktuelle Rechtschreibung umgesetzt und behutsam redigiert. Längenangaben und andere Maße wurden gegebenenfalls in das metrische System umgerechnet.
Die Katastrophe, von welcher der Leuchtturmbau auf dem ›Roter Sand‹ in der Wesermündung, 47 km unterhalb Bremerhaven, am 13. Oktober 1881 während einer starken Sturmflut betroffen worden, ist bereits durch Zeitungsberichte bekanntgeworden. Erst seit kurzem sind die angestellten Untersuchungen zu Ende geführt und damit die Zweifel behoben, welche über die mutmaßlichen Ursachen des Ereignisses bis zuletzt bestanden und in zahlreichen mit größerer oder geringerer Sicherheit auftretenden Berichten laut geworden sind. Aus dem uns von zuständiger Seite mit dankenswerter Bereitwilligkeit zur Verfügung gestellten umfangreichen Material gehen wir im Folgenden dasjenige kurz wieder, was einerseits zur Klarstellung der Katastrophe und ihrer Ursachen dient und andererseits für die Beurteilung des Entwurfs zum Leuchtturmbau von Wichtigkeit ist, eines Werks, das als eigenartig im Gedanken und in der Ausführung bezeichnet werden darf für die Herstellung von festen Leuchttürmen im offenen Meer bei großen Wassertiefen, wo der Baugrund auch bei der Ebbezeit nicht zu Tage tritt, und wo ferner von Gerüsten, seien es feste oder schwimmende, nicht die Rede sein kann, wo vielmehr sämtliche baulichen Hilfsmittel und Maschinen auf dem engen Raum des Bauwerks selbst aufgestellt und betrieben werden müssen.
Abb. 1. Leuchtturm in der Wesermündung. Querschnitt durch den Caisson. Zustand des Baus am 9. Oktober 1881.
Der Unterbau des Leuchtturms, ein mit Betonmasse ausgefüllter, mächtiger eiserner Caisson mit länglich-runder Grundrissform von 13,56 m Länge und 10,5 m Breite war im Laufe des verflossenen Sommers an Ort und Stelle auf pneumatischem Weg versenkt worden. Bis zum 9. Oktober, an welchem Tage die Baustelle der stürmischen Witterung wegen von den Arbeitern und Schiffen verlassen werden musste, war die Versenkung bis auf etwa 20,75 m unter der Ebbelinie bewerkstelligt, so dass nur noch reichlich ein Meter an der endgültigen Tiefenlage des Fundaments – 22 m unter Null – fehlte. Der Caisson war etwa 12,5 m tief in den Meeresboden eingedrungen und ragte 16 m über denselben hervor. Seine Ausfüllung mit Beton war dagegen, wie aus Abb. 1. ersichtlich, kaum bis auf Höhe des Meeresbodens erfolgt, der übrige noch leere Teil, welcher zur Zeit der Katastrophe nahezu 12 m hoch frei im Wasser stand, war mit Spreizhölzern ausgesteift.
Eine Wiederaufnahme der Arbeiten gestatteten die Witterungsverhältnisse während der nächsten auf den 9. Oktober folgenden Tage nicht.
Am 13. Oktober wehte es mit ungewöhnlicher Heftigkeit aus Nord-West und es lief eine starke Sturmflut auf. Zufälligerweise hatte an diesem Tage, mittags gegen 12:15 Uhr, der wachthabende Matrose auf dem etwa 6 km von der Baustelle entferntem Leuchtschiff ›Bremen‹ den Leuchtturmbau eben ins Auge gefast, als er denselben plötzlich unter hohem Aufschäumen des Wassers verschwinden sah. Als er unmittelbar darauf ein Fernrohr auf den Punkt richtete, war von der Baustelle nichts mehr zu sehen.
Begreiflicherweise tauchten sofort nach dem Bekanntwerden dieser Nachricht die verschiedenartigsten Vermutungen über die Ursachen des Unfalls auf und namentlich wurde mit einer gewissen Bestimmtheit die Meinung verfochten, das Bauwerk sei auf eine unter dem Sand des Meeresbodens liegende flüssige Klaischicht gestoßen und in diese versunken. Bestätigte sich diese Annahme, so würde für alle Zeiten der Bau eines festen Leuchtturms auf dem ›Roter Sand‹ und vielleicht auf allen übrigen Sanden der Wesermündung ausgeschlossen gewesen sein. Es war deshalb eine genaue, die vollste Aufklärung gewährende Untersuchung notwendig. Die aufgestellte Behauptung schien anfangs eine Bestätigung in der Tatsache zu finden, dass bei den ersten oberflächlichen Untersuchungen mittels Auspeilungen keine Spuren des Caissons aufgefunden werden konnten.
Zum Zweck einer möglichst eingehenden Klarstellung wurden, da die Witterung der folgenden Tage eine genaue Untersuchung an Ort und Stelle noch nicht zuließ, zunächst Leute ausgeschickt, um die etwa angetriebenen Caissonhölzer zu rekognoszieren. Es wurden deren am Elbufer und an dem Nordseestrand zwischen Elbe und Eider auch im ganzen 43 Stück aufgefunden; da diese Hölzer indessen sämtlich vom oberen Teil des Caissons herrührten, so ließen sich daraus noch keine bestimmten Schlüsse herleiten.
Als es dann später bei günstigem Wetter gelang, in dem offenen Wasser den Punkt der Baustelle; durch Peilungen und Winkelmessungen genau festzulegen, wurden die Untersuchungen mit Hülfe eines Tauchers fortgesetzt. Diese Arbeiten waren bei der großen Wassertiefe und der ungünstigen Jahreszeit namentlich deshalb sehr zeitraubend und kostspielig, weil sich die Arbeitszeit in den kurzen Tagen auf 1 – 2 Stunden beschränkte, da der Taucher sich bei durchkommender Strömung überhaupt nicht unter Wasser halten konnte. Trotzdem wurde durch diese fortgesetzten Untersuchungen die gegenwärtige Beschaffenheit des Caissons schließlich mit voller Sicherheit nachgewiesen und festgestellt, dass ein Versinken des Caissons nicht stattgefunden hat, dass derselbe vielmehr ganz genau in seiner Höhenlage vom 9. Oktober verblieben und in den Blechwänden etwa 2,5 m über dem Meeresboden abgebrochen ist, wobei die in seinem oberen Teil aufgestellten Maschinen, Winden usw. nach der dem Wind abgewendeten Seite, nach Südost hinübergefallen sind. Dass der aufgefundene Stumpf des Caissons nicht etwa der oberen Hälfte desselben angehört, erhellt aus dem Umstand, dass der Taucher etwa 1 m unter dem Bruch der Blechwand die Augbolzen vorfand, welche 14 m über der Schneide angebracht waren.