Der Marsch ins Reich der Caoba - B. Traven - E-Book

Der Marsch ins Reich der Caoba E-Book

B. Traven

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Beschreibung

»Von 1931 bis 1940 erschienen die Dschungel-Romane über die Zwangsarbeit der Indios in den Mahagoni-Lagern des Südens, die thematisch eine Einheit bilden. Der Mahagoni-Zyklus behandelt die Zustände und Vorgänge in Südmexiko, die unmittelbar zur Revolution von 1910 gegen die Diktatur Porfirio Diaz' führten, speziell die brutale Ausbeutung der indianischen Bevölkerung durch die Großgrundbesitzer.«

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B. Traven

Der Marsch ins Reich der Caoba

Roman

Diogenes

Hinweis des Verlags

Der 1883 geborene B. Traven verfasste sein Werk in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, und seine Sprache und Begrifflichkeit sind aus diesem historischen Kontext heraus zu verstehen. Dieser Autor, der wie kein anderer mit den Indigenen lebte und ihre Unterdrückung, Ausbeutung und Versklavung beschrieb, verwendet die damals üblichen Beschreibungen, und würde man hier nach heutigen Kriterien in die Wortwahl eingreifen, würde man auch der beschriebenen Unterdrückung die Spitze nehmen beziehungsweise sie nicht mehr nachvollziehbar machen.

Der Verlag vertraut auf das Vermögen der Leserinnen und Leser, diese heute umstrittenen Bezeichnungen und Zuschreibungen als Ausdruck der sprachlichen Gepflogenheiten einer historischen Epoche zu erkennen beziehungsweise als Figurenrede einzuordnen, die nicht mit der Haltung des Autors verwechselt werden darf.

ERSTES KAPITEL

1

In Hucutsin begannen die Karawanen der syrischen Händler einzutreffen. Dieses Ereignis veranlaßte die Bewohner des Ortes, wieder einmal aufzuwachen. Während des ganzen Jahres hatten sie keine Gelegenheit, sich zu erinnern, daß sie am Leben seien, daß ihr Ort sich irgendwo auf der Erde befinde und daß der Name ihres Städtchens so verschieden geschrieben werden mochte, daß jeder einzelne Einwohner seinem eigenen Geschmack folgen konnte.

Die Ortsbehörde schrieb den Namen des Städtchens in einer anderen Weise, als die Postbehörde die Briefmarken abstempelte. Das an sich war schon Grund genug, daß der Postmeister, der Federalbeamter war, mit dem Bürgermeister, der den Verfügungen des Staatsgouverneurs unterstand, sich in keiner Frage persönlicher oder allgemeiner Ansichten einigen konnte. Aberder Bürgermeister hielt dennoch genügend Freundschaft mit dem Postmeister aufrecht, um gelegentlich sich die Erlaubnis nehmen zu dürfen, die einlaufenden und die abgehenden Briefe durch seine Fingergleiten zu lassen und dann zuweilen den Postmeister lächelnd zu bitten, diesen oder jenen Brief einige Tage zurückzuhalten, ihn an den Empfänger verspätet auszuliefern und einen anderen Brief nicht mit der nächsten, sondern erst mit der darauffolgenden Post abgehen zu lassen.

Die Post kam nur einmal in der Woche an, und nur einmal in der Woche ging die Post ab. Sie wurde auf dem Rücken eines indianischen Trägers vier Tage weit befördert, zu dem nächsten größeren Postsammelort. Von jenem Sammelort wurde die Post dann auf Maultieren weitergeschafft, bis sie nach weiteren sieben oder acht Tagereisen an der Bahnstation eintraf.

Diese lange Reise der Post, die häufig genug durch schwere tropische Regengüsse oder durch Meldungen von herumstreifenden Banditenhorden um das Doppelte oder Dreifache verlängert wurde, machte es für den Postmeister leicht, gelegentlich dem Bürgermeister eine kleine Gefälligkeit zu erweisen.

Der Bürgermeister war ja nicht nur Bürgermeister. Er war außerdem auch noch der Ehemann einer Frau, die im Ort einen gutausgerüsteten Kaufladen hatte, und er war der Schwager eines Mannes, der rohen Tabak unter den indianischen Bauern aufkaufte und diesen Tabak mit einem dicken Gewinn nach den größeren Städten verschickte. Da nun aber auch andere Leute im Orte einen Kaufladen und einen Tabakhandel besaßen, so war es für den Bürgermeister recht vorteilhaft, zu wissen, mit wem dieser oder jener der Geschäftsleute am Orte Handelsbeziehungen an den größeren Marktplätzen unterhielt.

2

Die Syrier waren unter allen möglichen Namen im Lande bekannt. Auch hier kam es ganz auf den persönlichen Geschmack der Leute an, wie sie jene Händler nannten. Bald hießen sie Libanesen, bald Türken, dann wieder Araber, Ägypter, Propheten, Mohammedaner, obgleich sie zumeist Katholiken nach eigener Färbung waren, dann wieder Levantiner und gelegentlich Wüstenbewohner. Die Leute, die von den syrischen Händlern kaufen mußten, und das war die Mehrzahl der weiblichen Bevölkerung in den fernen Orten, wo beinahe ausschließlich nur die Araber hinkamen, nannten die Händler Schwindler, Betrüger, Geldfälscher, Räuber, Schurken, Ausbeuter mexikanischer Näherinnen und Textilarbeiterinnen, Mörder, Kinderräuber und Kandidaten für den Artikel dreiunddreißig. Der Artikel dreiunddreißig der mexikanischen Konstitution beschäftigt sich mit der Deportation aller unerwünschten Elemente.

Die Syrier, obgleich ihr Christentum um ein Vielfaches unbestimmter war als das der Mexikaner, kannten aber dennoch alle Heiligentage der Mexikaner um vieles besser und richtiger als die Mexikaner selbst. Das will sehr viel heißen. Denn wenn auch einige Millionen von Mexikanern nicht lesen und schreiben können, die Heiligentage kennen sie aber doch alle auswendig; und je ungebildeter sie in allen sonstigen Dingen des Lebens sind, um so gebildeter sind sie in allen den Einzelheiten, die einen Kirchenheiligen persönlich angehen. Der Mexikaner hat ein ihm eingehämmertes kirchliches Interesse an den Lebensschicksalen der Heiligen. Der Syrier dagegen, mehr praktischen und weltlichen Dingen zugeneigt, hat lediglich ein rein wirtschaftliches und materielles Interesse an den Geburtstagen und Hinrichtungstagen und Folterungseinzelheiten der Heiligen. Die Syrier, die in Mexiko einwandern, arm wie eine Grille in der eingefrorenen Ackerfurche, besitzen nach fünfzehn Jahren ein Geschäft oder eine Fabrik, die mit einer halben Million Dollar nicht gekauft werden können.

Wenn sie klein und winzig sind, dann ziehen die Araber auf die Heiligenfeste der mexikanischen Lande. Sie wissen, besser als der Señor Erzbischof, wann jeder Heilige seinen Geburtstag hat, wo dieser Geburtstag gefeiert wird, welche besonderen Waren an den verschiedenen Orten, wo die Geburtstage mit einer großen Feria würdig begangen werden, die Bevölkerung verlangt. Sie kennen den Bildungsgrad der Bevölkerung eines jeden Ortes in Mexiko zuverlässiger als das mexikanische Unterrichtsministerium und wissen genau, ob die Bevölkerung an jenem Orte Seide von abgeschlissenem Kattun, Perlen von poliertem Paraffin, Glas von Diamanten und Regenschirme von Sandsieben unterscheiden kann. Sie wissen, welche Heiligenbildchen sie in Massen mitschleppen müssen, und sie wissen, wo es möglich ist, einen heiligen Josef als den heiligen Antonio zu verkaufen, und wo es nicht möglich ist, sondern wo sie verdroschen werden, wenn sie versuchen, ein schreiend buntes Bild der Heiligen Jungfrau de los Remedios als das der Heiligen Jungfrau von Guadalupe zu verschachern. In allen jenen Fällen, wo Mexikaner gleich gute Kaufleute sind, da haben sie es von den Syro-Libanesen gelernt; denn weil die mexikanischen Händler ja Seite an Seite mit den arabischen Händlern auf den Märkten der Heiligenfeste arbeiten, bleibt dem mexikanischen Kattunhändler kein anderer Ausweg, als dem Syrier alle Kniffe und Schliche nachzumachen, um nicht in seinem eigenen Lande zu verhungern.

Wenn diese arabischen Händler nach mehreren Jahren des Herumziehens auf den Heiligenfesten älter werden und die Anstrengungen solcher Reisen nicht mehr genügend ertragen können, sind sie inzwischen so vermögend geworden, daß sie den Großhandel betreiben können und Fabriken errichten, wo sie den mexikanischen Arbeiterinnen zwanzig Centavos Taglohn zahlen für das Nähen von Hemden und Unterhosen und für das Anfertigen allen jenen Schundes, den die kleineren syrischen Händler auf den Märkten verschleißen. Diese kleinen Händler müssen das vertreiben, was ihnen ihre reichen Landsleute zum Verkaufen übergeben; denn nur von denen erhalten sie Kredit, und sie warten nun auf jenen Tag, wo auch sie reich sein werden, um es mit den nachfolgenden kleinen Händlern ihrer Rasse ebenso machen zu können, wie es mit ihnen getan wurde.

3

Die syro-libanesischen Händler waren die ersten unter den Kaufleuten, die in Hucutsin eintrafen. Sie waren die eifrigsten im Unterhandeln mit der Ortsbehörde, und sie wußten, wieviel sie an diesen und jenen der Behörde hinter dem Rücken zu zahlen hatten, um besondere Privilegien und die besten Marktstände zu erhalten.

Während der nächsten Tage kamen dann die übrigen Händler an, Mexikaner, Spanier, Guatemalteken und Kubaner.

Jede Art des Handels oder Gewerbes hatte ihr bestimmtes Viertel auf der Plaza.

Da waren die Spielbänke, die Würfelbuden, die Tafelspiele, die Zuckerwarenhändler, die Kleiderstoffverkäufer, die Krämer mit Schmuckwaren, die Garküchen, die Schwertfresser und Feuerschlucker, die Zauberkartenverkäufer, die Wahrsager, die Händler mit heiligen Kerzen, Amuletten, Heiligenbildchen und Opferkleinodien, die Seidenhändler, Kattunhändler, Topfhändler, Sattelmacher, Seilhändler, Mattenflechter, Hutflechter und Stickwollehändler, die Händlerinnen mit buntgestickten Hemden und Jäckchen, die Papageienhändler, Eidechsenverkäufer, Händler mit Jaguar- und Pumafellen, die Munitionsverkäufer, Gewehrschmiede, Uhrmacher, Messerschleifer, Corridosänger, Musikanten, Schausteller, die gestohlene Kinder als Künstler und Akrobaten vorführten und sie zur Belustigung der Festbesucher die Glieder verrenken und verbiegen ließen. Nur Zirkusse, Karussells, Luftschaukeln und ähnliche Dinge waren nicht vertreten. Diese großen Unternehmen konnten nicht auf Maultieren und Eseln verfrachtet werden. Und alles, was man nicht auf dem Rücken von Lasttieren oder Indianern befördern konnte, das konnte nicht herbeigeschafft werden.

Die Marktleute bauten auf der Plaza eine kleine Stadt für sich auf. Einzelne der Handelsgruppen, wie etwa die Kleiderstoffhändler, die Kattunhändler und die Seidenhändler, hatten ganze Straßen für sich allein.

Die besonderen Stände für jeden einzelnen Händler wurden ausgelost. Bei der Verlosung mußten alle Händler persönlich anwesend sein, um spätere Streitigkeiten zu verhüten. Bei solchen Streitigkeiten der Händler ging es sehr ernsthaft zu. Es flogen reichlich Revolverkugeln durch die Lüfte, aber einige flogen dem einen oder dem anderen in die Eingeweide. Unangenehm war es, wenn verwahrloste Revolverkugeln jemand unter das Vorhemd zwitschten, der mit dem Streit und mit den Händlern gar nichts zu tun hatte, sondern nur gerade zufällig vorüberkam, als die Marktleute das Gottesurteil anriefen.

Diejenigen Händler, die sich mit dem Bürgermeister vorher verständnisvoll über die privaten Sorgen jenes Herrn geeinigt hatten, bekamen ihre Gewinnummern zugesteckt, und sie brauchten nur, wenn die Nummer aufgerufen wurde, zu rufen: ›Presente! Anwesend!‹ und ihren Namen zu nennen. Wer die privaten Zugänge zu den Sorgen des Bürgermeisters nicht kannte oder wer jene Türen nicht gut und geschickt zu ölen verstand, mußte sich mit den Plätzen begnügen, die übrigblieben oder die ihm von der Heiligen Jungfrau in der Auslosung überwiesen wurden. Es gab genügend Händler, aber es waren nicht die arabischen, die, anstatt den Bürgermeister zu besuchen, es vorzogen, in die Kirche zu gehen, der Jungfrau ein halbes Dutzend Kerzen zu opfern und sie anzuflehen, ihnen einen guten Stand in der Auslosung zufallen zu lassen und diesen Stand mit allem irdischen Segen und besonders mit einem vorzüglichen Umsatz während des Heiligenfestes zu verschönern.

4

Freilich, so leicht, wie sich das jemand denkt, der das Land und seine besonderen Verhältnisse nicht kennt, war das Geldverdienen der Händler keineswegs. Unter diesem Himmel, unter dem die Menschheit lebt, wird niemand etwas geschenkt, und niemand wird das Leben zu leicht gemacht.

Die arabischen Händler gelangten zu Wohlstand und Reichtum. Das ist richtig. Jedoch das war nur ein gerechter Lohn für ihr hartes Arbeiten. Jeder, der, ob durch harte Arbeit oder durch Stehlen, zu Wohlstand kommt, wird von denen beneidet, die zurückbleiben.

Die Mexikaner hatten in ihrem eigenen Lande ebenso viele Freiheiten und Rechte wie die Syrier. Aber der Mexikaner, wenigstens die große Mehrzahl der Mexikaner, kann es nicht ertragen, Geld in seiner Tasche oder in seinem Kasten zu wissen. Wenn er fünf Pesos im Tag verdient, so bemüht er sich, sieben Pesos auszugeben. Er liebt es, Feste zu feiern und Feste zu geben. Je mehr, desto besser. Er feiert den Tag seines Schutzpatrons mit einem Aufwand, der ihn ein Vierteljahr seines Einkommens kostet. Dann wird natürlich der Tag des Schutzpatrons seiner Frau gefeiert, dann der seiner Mutter, darauf der seines Vaters, dann der seines Sohnes, dann der seiner Tochter, darauf der seines Onkels und dann der seiner Tanten, seiner Neffen, seiner Brüder, seiner Schwestern, seiner Schwäger, seiner Vettern und Basen, und endlich noch feiert er die Namenstage aller seiner Freunde. Aber darüber darf er die offiziellen Kirchenfeste nicht vergessen, die etwa zweihundert Tage im Jahre ausfüllen. Hinzu kommen die fünfzig patriotischen Festtage. Endlich muß er die Semana Santa, die Heilige Karwoche, feiern, in der er auf seine jährliche Ferienreise geht. Es ist keineswegs übertrieben, zu sagen, daß der Mexikaner, der es seiner Familie, seinem Vaterlande, seinen Freunden und der katholischen Kirche rechtmachen will, dreitausendsiebenhundert Tage benötigt, um alle die Feste zu geben und zu feiern, die er innerhalb eines Jahres als guter Familienvater, als Patriot und als gläubiger Katholik zu geben und zu begehen verpflichtet ist. Aus diesem Grunde hat er nie Geld, kommt nie zu Geld, und wenn er wirklich doch auf irgendwelchen Umwegen zu einem Wohlstand gelangt, gibt er ein großes Bankett für alle seine Freunde, um diesen Vorgang zu feiern – und er steht am nächsten Tage mit so vielen Schulden da, daß er fünf Jahre braucht, um dort wieder hinzugelangen, wo er vor dem Bankett stand.

Die Araber in Mexiko tun das nicht. Darum müssen die mexikanischen Frauen für die arabischen Fabrikanten in Mexiko für einen Taglohn von zwanzig oder fünfundzwanzig Centavos arbeiten, wobei sie freilich das Recht behalten, gegen die unverschämte Ausbeutung der Libanesen zu protestieren. Denn ein Recht muß ja schließlich auch dem ausgebeutetsten Proletarier bleiben.

In der Arbeit selbst waren die mexikanischen Händler den arabischen Händlern in keiner Weise unterlegen. Sie waren ebenso zäh wie jene, intelligenter meist als die Syrier, und sie scheuten ebensowenig wie die Araber vor keinen noch so harten Entbehrungen und Mühen zurück. Und wer zu dem Candelaria-Heiligenfest nach Hucutsin kommen und dort Geschäfte machen wollte, mußte zäh, ausdauernd und intelligent sein.

5

Der Ort lag etwa vierhundert und einige dreißig Kilometer von der nächsten Eisenbahnstation entfernt. In der vollen Trockenzeit, das ist von Ende Februar bis Anfang Mai, konnten innerhalb jener Strecke zweihundertsechzig Kilometer mit einem robusten und widerstandsfähigen Auto gefahren werden. Während der halbtrockenen Zeit, das ist von Ende Dezember bis Ende Juni, konnte man die ersten hundertfünfzig Kilometer von der Eisenbahnstation aus mit dem Auto fahren. Freilich, in der Halbtrockenzeit geschah es oft genug, daß man mit dem Auto im Morast einige Tage lang steckenblieb. In der Regenzeit konnte die gesamte Reise nur auf Maultieren, Pferden oder in Carretas geschafft werden.

Das letzte Drittel des Weges, ganz gleich, ob man von Jovel oder von Balun Canan aus kam, konnte nur auf Maultieren gereist werden, ohne Rücksicht darauf, ob es Trockenzeit oder Regenzeit war. Denn diese Strecke hatte keine Straße, weder für Carretas noch für leichte Wagen und erst recht nicht für Autos.

Dieser Weg ging über so viele Höhenwege der Sierra Madre del Sur, daß man ununterbrochen fünfhundert Meter hochkletterte, dann wieder fünfhundert Meter hinunter, dann wieder hinauf und dann abermals hinunter. Auf der ganzen Strecke waren kaum fünf Kilometer zu finden, wo man auf ebener Erde reiten konnte. Der Weg ging über Felsenrücken, durch Busch, durch Moraste und Sümpfe, durch Flüsse und durch tief ausgewaschene Erdrinnen.

Eine solche Reise auf gutem Mule, nur von einem Burschen begleitet, zu unternehmen, ist anstrengend genug. Nicht immer lebensgefährlich. Handfeste Arbeit aber war es, diese Reise mit einem großen Transport von Waren, die alle auf dem Rücken von Tragtieren befördert wurden, machen zu müssen. Und es war nicht nur harte Arbeit, sondern ein ewiges Sorgen. Ein Tier brauchte sich nur im Wasser eines Flusses hinzulegen, um sich abzukühlen oder um die Beißfliegen abzuwehren, dann war die schöne teure Seidenware aus Frankreich dahin, dann waren die Spiegel und die Uhren und die Munition oder was immer in den Packen war verdorben und verloren. Der Gedanke, solche Waren in eleganten eisernen Tropenkoffern zu befördern, ist ein sehr guter Gedanke. Aber wenn er in die Tat umgesetzt werden soll, so braucht der Transport viermal mehr Tragtiere, viermal mehr Maultiertreiber und viermal mehr Maisrationen, die mit aufgepackt werden müssen, weil es bei großen Transporten geschieht, daß unterwegs kein Futter gekauft werden kann. Die Ware wird dann so teuer an ihrem Verkaufsplatz, daß niemand sie kaufen kann und der Händler sie wieder mit sich schleppen muß.

Der Marsch von Jovel bis Hucutsin mit einer Karawane dauerte etwa fünf Tage. Manche der Händler verdoppelten diese Reisezeit dadurch, daß sie in einigen der indianischen Orte, die sie auf dem Marsche antrafen, einen Tag Aufenthalt nahmen, um ihre Waren auszulegen. Das aber verursachte neue Steuern und höhere Ausgaben für die gemieteten Tragtiere und für die Treiber. Viele Händler, besonders ärmere, mieteten sich Indianer, die auf ihrem Rücken die Waren nach Hucutsin schleppten. Die Indianer waren billiger als die Maultiere, und sie legten sich nicht mit den Waren in das Wasser des Flusses. Sie stürzten auch seltener mit den Waren in einen Abgrund, und sie stießen auch nicht mit den Packen gegen Felswände oder gegen Bäume. Denn trotz des geringeren Lohnes hatten die indianischen Träger ja mehr Verstand als die Maultiere, die sich nicht darum kümmerten, was in den Packen war und die, wenn sie aus irgendwelchen Gründen, etwa durch eine Tigerkatze, die sie im Busch schleichen sahen, in Furcht kamen, meilenweit mit ihren Packen dahinstürmten, ohne anzuhalten, die Packen anrennend und anstoßend gegen alles, was ihnen in den Weg kam.

Aber die indianischen Träger hatten für den Händler einen Nachteil gegenüber den Maultieren. Denn weil sie Verstand hatten, waren sie nicht immer ganz so zuverlässig wie die Maultiere. Die Indianer bekamen zuweilen Heimweh nach ihren Frauen und Kindern. Dann ließen sie die Packen im Ort, wo übernachtet wurde, liegen und verschwanden vor dem Morgengrauen. Der Händler stand dann da mit seinen Packen und konnte nicht weiter. Es gelang ihm vielleicht, Träger in dem Ort, wo er gerade war, zu finden. Aber denen mußte er das Dreifache zahlen, weil sie, geschäftstüchtig genug, die Verlegenheit des Händlers zu ihrem Vorteil ausnutzten.

6

Von Jovel, der nächsten größeren Stadt und der Endstation der Carretas, führten drei Pfade über die Höhenzüge nach Hucutsin. Aber jeder Weg war gleich lang, gleich schwierig und gleich mit allen möglichen Gefahren, Unannehmlichkeiten und Ärgerlichkeiten behaftet.

Dennoch, wo immer zwei oder mehr Händler irgendwo zusammentrafen, begann das Streiten darüber, welcher von den drei Wegen der beste sei. Wo Wege eine so große und so wichtige Angelegenheit sind wie in jenen fernen und wilden Regionen, da verbringen Menschen, ob Händler oder Nichthändler, ganze Tage und Nächte mit nichts anderem als mit dem Herumstreiten über die Länge, über die Schwierigkeiten, über die Vorteile und über die Nachteile von Wegen. Diese Streitigkeiten sind bei weitem ernster als in Europa die Streitigkeiten über die Vorzüge und Nachteile bestimmter politischer Parteien und politischer Fragen. Wer diese Wege zu reisen hat, hat weder Zeit noch Lust, sich über politische Dinge zu erregen. Ihm ist es gleich, ob Kommunisten recht haben oder Faschisten. Seine ganze politische Meinung konzentriert sich auf den einen Ausruf: »Por Santisima, o Heilige Mutter Gottes, que camino, was für ein Weg!« Dann flucht er auf den Gouverneur im besonderen und auf die Regierung im allgemeinen, die jahrzehntelang Extrasteuern für den Weg erheben und niemals einen Weg bauen.

Der bevorzugteste Weg nach Hucutsin führt über den indianischen Ort Teultepec. Dieser Ort liegt zweitausend Meter hoch auf der Sierra. Es ist der letzte Ort, ehe man Hucutsin erreicht. Hat man den Ort etwa zwei Stunden Ritt hinter sich, gelangt man auf ein kleines Plateau, wo drei Kreuze stehen, um dem Reisenden Gelegenheit zu geben, hier seine Seele und seine Waren den Heiligen zu empfehlen. Denn von hier aus, tausendeinhundert Meter steil unter sich, sieht man nun Hucutsin liegen. Es war eine gute Idee, hier an dieser Stelle drei Kreuze zu errichten. Kreuze erinnern immer an Leiden. Sie lassen den Menschen nie vergessen, daß der irdische Lebensweg ein Leidensweg ist, eine mit Dornen und Disteln bestreute Straße.

Durch diese Kreuze ist der Reisende nun vorbereitet auf das, was alles geschehen kann.

Der Pfad, der hier steil hinunterführt, ist steinig, morastig, brüchig. Zuweilen rollen oder stürzen große Gesteinsbrocken von den Kuppen des felsigen Höhenzuges ab, die über den Pfad poltern und die alles, was ihnen in den Weg kommen sollte, Bäume, Reiter, Lastmules, mit sich in den Abgrund reißen. An zahlreichen Stellen ist der Weg so tief abgebrochen, ausgeschwemmt oder zerbröckelt, daß die Tragtiere auf einen Ruck fünfzehn und zwanzig Meter an den steilen Wänden hinunterrutschen, bis sie auf eine neue Schleife des Pfades fallen, der sich in Hunderten von Windungen am Abhang abwärts zieht. Es geschieht oft, daß die Mules mit ihren Lasten auf dem Rücken seitlich um sich herumkugeln, bald sind die Packen oben, bald die Beine des Tieres.

Durchaus natürlich ist es, daß in einem Ort, der soweit von der Eisenbahn, und damit von der Zivilisation, entfernt liegt und der so ungemein schwer zugänglich ist, sich Dinge begeben können, die in einer anderen Gegend und in einem anderen Ort nicht einmal gedacht werden. Wer in diesem Ort herrscht, sei er Bürgermeister, Polizeichef oder Richter, der herrscht absolut. Keine Zeitung berichtet über ihn. Und der Regierung ist nur das bekannt, was er reportiert.

7

Hucutsin ist ein indianisches Wort und heißt Großer Platz oder Großer Ort. Aus der indianischen Bezeichnung ist zu erkennen, welche Bedeutung der Ort einst hatte. Man vermag leicht die Grenzen festzustellen, die der Ort in alten indianischen Zeiten einnahm. Diese Grenzen gehen um das mehr als Zwanzigfache über die Grenzen hinaus, die der Ort heute hat. Aber nicht nur an den Grenzmarken ermißt man die Wichtigkeit der Stadt.

Zur rechten Seite, wenn man den steilen Pfad von Teultepec herunterkommt, liegt, überdeckt von Erde, die sich in Hunderten von Jahren angehäuft hat, eine gewaltige Tempelpyramide, deren Formen vom Ort aus deutlich gesehen werden können.

Drei Stunden Ritt vom Ort entfernt befinden sich die Ruinen einer heiligen Stadt, die das religiöse Zentrum der reich bevölkerten Gegend war. Wie Zugvögel Jahrhunderte, vielleicht gar Jahrtausende hindurch jedes Jahr die gleiche Reise unternehmen und zu den gleichen Orten zurückkehren, so kommen in jedem Jahr alle die Tausende von Indianern, die in der Region weit verstreut leben, einmal zu diesem Zentralort ihrer Rasse und ihrer Geschichte zurück. Wie von einem unausrottbaren Instinkt getrieben, vereinigen sie sich hier einmal im Jahr, obgleich der Ort nur von Mexikanern bewohnt wird, von denen freilich viele mit indianischem Blut überreich gemischt sind.

Das Fest, das die Indianer einmal im Jahr hierher treibt, ist das Candelariafest, das in der ersten Woche des Februar gefeiert wird.

Das Fest hat katholischen Charakter, und die religiösen Festlichkeiten werden in der Kathedrale des Ortes abgehalten. Die Indianer, die zum Feste kommen, sind alle katholisch getauft. Dennoch darf man ganz sicher sein, daß hier die katholische Geistlichkeit die gleiche sehr geschickte Vermanschung betrieben hat, die sie auch in Europa zur Zeit der Bekehrung der Germanen betrieb, eine Vermanschung, die der katholischen Kirche das Geschäft wesentlich erleichterte. Es ist recht merkwürdig, daß Christus gerade und ganz genau am Julfeste der alten Germanen geboren wurde.

Daß in Hucutsin das Candelaria-Heiligentest als das Jahresfest der katholischen Kirche gefeiert wird, hat an sich keinen Sinn. Denn Hucutsin hat mit der Candelaria in keiner Weise irgendeine Beziehung.

Der Vorgang aber erklärt sich, wenn man weiß, daß die Indianer jener Region in alten Zeiten, und gewiß Jahrtausende hindurch und viele Jahrhunderte vorher, ehe je ein Spanier nach Mexiko gekommen war, in der siebenten Woche nach der Wintersonnenwende ihr großes religiöses Jahresfest in Hucutsin und in der nahen heiligen Stadt abhielten. Priester und Mönche sind von jeher in allen Ländern, bei allen Religionen und zu allen Zeiten gute Geschäftsleute gewesen. Eine Religion, ganz gleich welche, die keine guten Geschäftsleute in der Leitung hat, lebt nicht lange.

So war es hier in Hucutsin vorauszusagen, was geschehen würde, wenn die Spanier die katholische Religion zu den armen indianischen Heiden bringen würden.

Das große religiöse Fest der Indianer war in der ersten Woche des Februar.

Da die Katholiken jeden Tag im Jahre wenigstens einen Heiligen oder einen mystischen Vorgang zu feiern haben, so können sie aus dem vollen greifen. Und weil sie in der ersten Woche des Februar überall das Candelariafest begehen, so nannten sie vom Tage ihres Einzuges in Hucutsin ab das indianische Fest einfach Candelariafest. Und damit war die Heidenbekehrung vollzogen. Denn wie bisher in vergangenen Jahrhunderten die Indianer in der ersten Woche des Februar eines jeden Jahres nach Hucutsin kamen, dort vor dem Tempel den religiösen Zeremonien beiwohnten, den Priestern die Opfergaben überbrachten und dann den Markt besuchten und sich weltlichen Freuden hingaben, so taten sie es nun auch in Zukunft. Der indianische Tempel war niedergerissen und an seiner Stelle die Kathedrale errichtet worden, auf denselben Steinfundamenten, auf denen der indianische Tempel gestanden hatte. Und die katholische Kirche wurde von denselben Steinen erbaut, aus denen der Tempel erbaut worden war. Die Mönche, nur auf raschen Profit denkend, nahmen sich nicht einmal die Mühe, die Steine alle zu zensieren. So finden sich denn bis heute in den Mauern der katholischen Kirche innen und außen und im Boden zahllose Steine, die alte indianische Hieroglyphen und religiöse Symbole tragen.

Der Dienst in der Kirche und die Handlungen der Priester in der Kathedrale unterschieden sich nicht allzusehr von den Zeremonien in den indianischen Tempeln. Hier wie dort redeten und sangen die Priester etwas herunter, was niemand verstand, der zuhörte, hier wie dort tanzten und gestikulierten die Priester vor dem Altar herum, drehten sich und wandten sich, verbeugten sich und warfen ihre Arme hoch in die Luft. Die Indianer wollten ihre religiösen Bedürfnisse befriedigen, weil sie das so gewohnt waren, und so gingen sie von nun an mit der gleichen Gewohnheit und Regelmäßigkeit in die Kathedrale, wie sie früher in ihren Tempel gegangen waren. Wer tanzen will, muß zu der Musik tanzen, die ihm geboten wird.

Hucutsin war aber auch der politische Mittelpunkt, die Hauptstadt der Nation der Tseltalen gewesen. In allen ihren Rechtsstreitigkeiten, in allen ihren geschäftlichen Handlungen, die die Bestätigung der Obrigkeit erforderten, um gültig zu sein, mußten sie nach Hucutsin gehen. Hier war ihr König, der Recht sprach, hier waren die Richter, die urteilten, hier wurden Erbrechte und Eigentumsrechte bestätigt, hier wurden Kontrakte abgeschlossen, hier wurden alle Entscheidungen getroffen, die das persönliche oder das staatliche Leben des Indianers oder seiner Familie betrafen. Was nicht in Hucutsin entschieden worden war, galt nicht als zu vollem Recht bestehend. Und wie die Tseltalen in alten Zeiten mit allen ihren Problemen nach Hucutsin gewandert waren, um sie zu lösen, so kamen sie auch nun nach Ankunft der Spanier nach Hucutsin aus denselben Gründen. Ihre Könige, Richter und Priester waren ermordet worden. Und weil sie niemand sonst antrafen, der Autorität besaß, um Entscheidungen zu treffen, so mußten sie nun die spanischen Autoritäten anrufen.

Es lag den Tseltalen seit Jahrtausenden wohl im Blut, daß Hucutsin einmal im Jahre besucht werden mußte, wie Mohammedaner einmal im Leben Mekka besucht haben müssen, um in ihrem Innern Frieden zu finden. Wie früher, so wurde auch jetzt in Hucutsin alles das für die Indianer erledigt, was sie zu erledigen gedachten und was sich in ihren Wünschen, Bedrängnissen und Notwendigkeiten während des Jahres angehäuft hatte.

Die großen Latifundienbesitzer, die Finqueros, hatten bald die Wichtigkeit des Ortes Hucutsin erkannt. Sie lernten in kurzer Zeit, daß alles, was sie mit den Tseltal-Indianern abzuschließen und zu handeln hatten, eine erhöhte Rechtskraft bekam, wenn es in Hucutsin am Candelaria-Heiligenfest abgeschlossen wurde. Keine spanische und später keine mexikanische Behörde konnte Verträgen, die mit Indianern bestätigt wurden, einen so hohen Wert an Achtung verschaffen, als es die Tseltalen aus sich heraus selbst taten, wenn die Abmachungen in Hucutsin am Candelariafest rechtskräftig geworden waren. Dies war einer der wichtigsten Gründe, warum die Agenten, die Indianer für die Monterias anwarben, die Arbeitsverträge in Hucutsin am Candelariafest unterzeichnen und bestätigen ließen.

Der andere Grund war der, daß sich in Hucutsin die letzte Behörde befand, die vom Gesetz und von der Konstitution anerkannt war. Der Ort war der äußerste Außenposten der Zivilisation und der Regierungsgewalt der mexikanischen Republik. Hinter dem Garten des letzten Hauses begannen die ersten Sträucher des Dschungels; und die Bewohner des Dschungels, insbesondere Tigerkatzen und Berglöwen, Kojoten, Alligatoren und Schlangen, fürchteten sich nicht, des Nachts oder oft schon während der Dämmerung bis in die Höfe der letzten Häuser des Ortes einzubrechen. Von hier aus zwanzig Tagesreisen weit nach Osten und Südwesten gab es keine gesetzliche Behörde mehr. Sobald der Dschungel begann, war derjenige Behörde, der den besten Revolver hatte und diesen Revolver am schnellsten zu ziehen und am wirkungsvollsten zu feuern verstand.

8

In Hucutsin wurden an manchen Candelariafesten die Kontrakte von fünfhundert Indianern, die für die Monterias angeworben worden waren, von der Behörde bestätigt.

Diese Leute bekamen, sobald der Kontrakt rechtskräftig geworden war, zwanzig bis fünfzig Pesos Vorschuß, je nach der Höhe des Betrages, den sie bereits bei der Anwerbung erhalten hatten, und unter Rücksicht auf die Zeit, die sie nach Ansicht der Werbeagenten im Dschungel aushalten würden, ehe sie eingegraben werden mußten.

Geld hatte weder im Dschungel noch in den fernen Arbeitsdistrikten der Monterias irgendwelchen Wert. Wert hatten nur Gebrauchsgegenstände aller Art. Darum gaben die Indianer, die als angeworbene Arbeiter in die Monterias geführt wurden, hier alles Geld aus, das sie besaßen und das sie als Vorschuß bekommen hatten oder von ihren Agenten hier noch nachträglich erhalten konnten. Sie betrachteten den Einkauf von Waren hier als eine gute Anlage ihres Lohnes; denn in den Monterias waren die Waren um das Vierfache und Sechsfache, ja Zehnfache höher als hier. Hier war eine harte Konkurrenz unter den Händlern, während in den Monterias keinerlei Wettbewerb unter Händlern bestand.

Die großen Trupps von Indianern, die für die Monterias angeworben waren und hier ihre Kontrakte bei der Behörde bestätigen mußten, waren ein ungemein wichtiger Grundstock für die große ökonomische Bedeutung des Candelaria-Heiligenfestes in Hucutsin. Man ging nicht zu kurz in der Berechnung, wenn man annahm, daß jeder einzelne der angeworbenen Indianer auf diesem Feste wenigstens dreißig Pesos ausgab. Aber sicher mehr als ein Drittel gab bis zu hundert Pesos aus. Das waren diejenigen, die mit ihren Familien bis hierher gekommen waren und hier von ihnen Abschied nahmen. Diese Indianer kauften nicht nur für sich ein, sondern sie nahmen ungemein hohe Vorschüsse, um für ihre Frauen, Kinder, Mütter oder jüngeren Geschwister alles zu kaufen, was jene Familienmitglieder, die von ihnen abhängig waren, während ihrer Abwesenheit gebrauchen konnten. Die Agenten zeigten sich hier mit Vorschüssen bei weitem freigebiger als in den Heimatorten der Indianer. Hier war der Kontrakt gezeichnet und von den Behörden bestätigt, und die Indianer standen sofort unter polizeilicher Bewachung. Sie hätten den Ort kaum nach irgendeiner Richtung hin verlassen können, ohne von einem der zahlreichen Hilfspolizisten gesehen und aufgefangen zu werden.

So gaben diese Indianer dem Fest eine solche wirtschaftliche Bedeutung, daß die Händler willig die zuweilen ungemein hohen Marktsteuern, die ihnen der Bürgermeister auferlegte, bezahlten, um einen guten Platz auf diesem Markte zu haben.

Da der Bürgermeister von jedem Kontrakt der Arbeiter, den er unterschrieb und unterstempelte, fünfundzwanzig Pesos erhielt, so waren für ihn die Trupps der angeworbenen Indianer die wichtigste Quelle seines Einkommens als Bürgermeister. Und diese so wichtige Einnahmequelle neben der großen Einnahme aus den Extrasteuern des Candelariafestes waren Grund genug, daß bei den Wahlen für den Posten als Bürgermeister jedesmal so etwa zwanzig Bürger auf dem Schlachtfeld der demokratischen Wahlen blieben, kaum zu zählen jene, die nur einige abgefeilte Revolverkugeln irgendwo zwischen ihrem Knochengerüst stekken hatten.

9

Außer diesen angeworbenen Indianern kam aber auch die große Mehrzahl, wohl neunzig Prozent, aller der Indianer zu dem Fest, die verstreut über die ganze Region wohnten.

Einmal kamen sie zu dem Feste der Kirche wegen. Es war für die Mehrzahl der Indianer der einzige Kirchendienst innerhalb eines Jahres, dem sie beiwohnten. In den meisten ihrer Orte und Siedlungen hatten sie die Kirche zerstört, weil sie keinen Geistlichen ständig um sich dulden wollten; denn sie betrachteten die Geistlichen als Parasiten. In den wenigen Orten, wo sie die Kirche nicht zerstört hatten, waren die Kirchen, die dort unter spanischer Herrschaft errichtet worden waren, zerfallen. Wo aber dennoch eine Kirche vielleicht übriggeblieben war, kam nie ein Geistlicher hin, weil es für ihn nichts einbrachte.

Die Indianer fühlten sich in ihrem Gewissen durchaus beruhigt, wenn sie einmal im Jahre zu dem großen Feste nach Hucutsin pilgerten, hier einer Messe beiwohnten, von der Kirchentür auf ihren Knien bis zum Altar rutschten, auf diesem Wege jeder Heiligenfigur, an der sie vorbeirutschten, die lackierten Füße küßten, ihren Kindern den Dreck des steinernen Bodens der Kirche in den Mund schmierten, um die Kinder vor Krankheit und bösen Geistern zu schützen, sich selbst diesen Dreck als Medizin in Wunden rieben, die sie am Körper hatten, und dann endlich, wenn sie am Altar angekommen waren, dem Kirchendiener die Kerzen übergaben, die sie der Gottesmutter und den Heiligen zu opfern gedachten. Dann legten sie Blumen und Früchte auf den Stufen des Hauptaltars und auf den Kniebrettern der zahlreichen Nebenaltare der Heiligen nieder, und zuletzt, wenn sie die Kirche wieder verließen, zahlten sie auf die Teller, die ihnen von den Einkassierern vor die Brust gehalten wurden, ihre Pesos zur Sättigung des Heiligen Vaters.

Sobald sie alles richtig hier bezahlt, ihre Kinder hatten taufen lassen und auch dafür nichts schuldig geblieben waren, war für sie für die Dauer eines Jahres alles wieder einmal getan, was sie mit der katholischen Kirche verknüpfte. Mehr schien niemand von ihnen zu erwarten, und Gott gab ihnen, ihren Maisfeldern und ihren Schaf- und Ziegenherden erneut Fruchtbarkeit für die nächsten zwölf Monate.

War ihre religiöse Pflicht soweit nun erfüllt, so gaben sie sich ihren irdischen Verpflichtungen und Genüssen hin.

Alle diese Indianer hatten Waren eigener Erzeugung mitgebracht, die sie hier auf dem Markte zu verkaufen gedachten. Töpfe, Hüte, Wolldecken, Wollbänder, Matten, Felle von Rehen, Antilopen, Tigerkatzen und Berglöwen, Häute von Schlangen und Alligatoren, ferner Bohnen, Mais, Eier, Hühner, Ziegen, Schafe, Kälber, Schweine, Hunde, Papageien, Singvögel, Eidechsen, Tabak, Baumwolle, Wolle, Kaffee, Kakao, Vanilleschoten, Bananen, Kaugummi, medizinische Pflanzen und Kräuter.

Hatten diese Leute ihre mitgebrachten Waren verkauft, so begannen sie selbst auf dem Markte einzukaufen. War das alles erledigt, dann kauften sie Comiteco und betranken sich gründlich. Sobald die Männer mit dem Trinken begannen, tauchten die Agenten der Monterias in ihrer Nähe auf. Die Agenten waren freigebig mit dem Branntwein. Wenn die Männer genügend in sich hatten, dann borgten ihnen die Agenten Geld, um mehr Branntwein zu kaufen. So wurden die Indianer und die Agenten gute Freunde.

Aber die Agenten ließen ihre Freunde nun nicht mehr aus den Fängen. Am nächsten Morgen, wenn die Männer noch halb im Schwung waren, begann das Vertiefen der Freundschaft mit neuen Einladungen zu einer Copita, einem Gläschen.

Dann wurden den Amiguitos, den lieben Freunden, die Herrlichkeiten der Welt gezeigt.

»Hermanito, mein kleines Brüderchen«, sagte der Agent freundlich zu dem Indianer, »was denkst du wohl, was deine Mujer, deine Frau, sagen würde, wenn du ihr diese schöne bunte Schürze kaufen würdest?«

»Oh, sie würde sich gewiß sehr freuen«, erwiderte der junge Indianer mit glänzenden Augen.

»Gut, du bist mein Freund, mi amigo, ich borge dir das Geld für die Schürze«, sagte darauf der Agent und rief nachlässig zu dem Araber: »He, du, Bursche, wieviel kostet die Schürze?«

»Unter Brüdern«, sagte der Araber, sich auf die Brust schlagend, »die Schürze kann ich nicht für weniger verkaufen als vier Pesos, aber für Sie, Señor, gut, mein letztes geheiligtes und unwiderrufliches Wort: drei und einen halben Peso.«

Der Agent wußte, daß er die Schürze von demselben Araber leicht für zwei Pesos handeln konnte. Aber er bezahlte es ja nicht. Ihm kam es nicht darauf an, daß der Indianer seiner Frau eine Schürze zum Geschenk machte oder ein Seidenband oder ein Kopftuch. Was kümmerte ihn die Frau des Indianers. Ihm war es nur darum zu tun, daß der Indianer heftig Geld verausgabte, um Schulden zu machen.

Waren es nicht Geschenke, die der Indianer seiner Frau oder seinem Mädchen oder seiner Mutter machen wollte, dann wußte der Agent ihm andere Dinge begehrlich zu machen. Ein schönes Taschenmesser, ein paar glitzernde Fingerringe mit großen Diamanten oder Rubinen aus Glas, ein gesticktes Hemd, wie es die großen Finqueros trugen, eine Uhr. Der Indianer konnte alles haben, worauf der Blick seines Auges fiel. Es war wie in der Halle des Schlosses, in der ein Zauberer seine Schätze ausgelegt hatte, von denen jeder, der kam und sich die Mühe machte, nehmen durfte, was er wollte. Der Indianer brauchte nur zu sagen: »Das will ich haben!«, und da war es auch schon in seinen Händen. Wenn nichts den Indianer verlocken konnte, weil sein Sinn nicht nach Besitz trachtete, so kam der Agent dennoch nicht in Verlegenheit. Comiteco, Branntwein, half immer. Die ersten zwei Gläschen wurden geschenkt. Der Indianer konnte den freundlichen Agenten doch nicht beleidigen und sich weigern, mit ihm zu trinken. Hatte er aber erst einmal zwei oder drei Gläschen getrunken, dann gab es kein Halten mehr. Der Agent borgte und borgte, und der Indianer unterschrieb, was man wollte.

10

Zu dem Candelariafest kamen aber auch alle die großen Finqueros, die Domänenbesitzer. Sie kamen meist mit ihren Familien und mit einem halben Dutzend von Burschen und Mägden.

Sie besuchten das Fest, um ihrer religiösen Pflicht zu genügen. Es war aber auch eine gewisse gesellschaftliche Pflicht aller Finqueros und Großgrundbesitzer der Region, sich während des Candelariafestes in Hucutsin mit ihren Familien einzufinden.

Manche dieser Latifundienbesitzer hatten zehntausend, manche fünfzigtausend Hektar an Land. Sie besaßen zuweilen so große Ländereien, daß sie, in vielen Fällen, sechs Stunden zu reiten hatten, um ihrem nächsten Nachbar einen Besuch abzustatten. Die Familien dieser Finqueros waren alle miteinander verwandt und verschwägert. Aber wenn auch die Männer zuweilen irgendwo, in Hucutsin oder in Jovel oder in Balun Canan oder in Achlumal, sich zuweilen gelegentlich trafen, so hatten die Familien kaum eine andere Gelegenheit, sich zu sehen, als bei dem Candelariafest, wo alle in derselben Woche anwesend waren.

Hatten die Finqueros ihre Kerzen in der Kirche gestiftet, einer Messe halb hingehört und die Pflichtzahl von Kniebeugen und Bekreuzigungen abgeliefert, dann gingen sie an ihre Geschäfte. Die Mehrzahl ihrer Verkäufe an Vieh, Mais, Zucker, Kaffee oder was sie produzierten wurde so abgeschlossen, daß die Lieferungen am Candelariafest ausgeglichen und bezahlt wurden. Mit dem Candelariafest endete für die Finqueros das alte Geschäftsjahr und begann das neue. Es kamen alle Händler, die mit den Domänen in Geschäftsverkehr standen, zu dem Feste, um neue Verträge abzuschließen und um die Verpflichtungen aus laufenden Verträgen zu erfüllen. Alle Rechnungen wurden bezahlt. Der Finquero, der das ganze Jahr hindurch alle Waren auf Kredit nahm, um zu verhindern, daß seine Burschen Geld mit sich führten, bezahlte an diesem Tage alle die Rechnungen, die ihm in Hucutsin vorgelegt wurden, sobald er, am gleichen Tage, das Geld für die ausgeführten Lieferungen erhalten hatte.

An diesem Tage bezahlten die Finqueros gleichfalls alle ihre Steuern in der Tesoreria in Hucutsin und in der Agentur der Hacienda, der Steuerbehörde der Federal-Regierung.

Die Finqueros, die sich jetzt im Besitz der Gelder befanden, die sie für Lieferungen einkassiert hatten, waren nach allen Seiten hin freigebig. Sie ließen ihre Frauen und Töchter einkaufen, soviel diese nur wollten. Sie gaben ihren Söhnen hundert oder zweihundert Pesos in Gold in die Hand, damit sich die Söhne nach dem langen eintönigen Leben auf der fernen Finca einige gute Tage machen sollten. Die Söhne kauften sich große silberne Sporen, mit Gold und Silber ausgelegte Revolver, Lederjacken mit gepunzten und gebrannten Ornamenten, Hosen, mit gigantischen Silberstücken an den Seiten benäht, große Hüte mit echter Goldstickerei, Hüte, von denen einzelne bis zu zweitausend Pesos das Stück kosteten. Sie kauften rote, gelbe, weiße Hemden aus reiner Seide. Und wenn der Dentist, der während dieser Zeit hier seinen Laden aufgemacht hatte, eine Stunde frei haben sollte, dann gingen die Söhne der Finqueros hin, ließen sich vorn drei oder vier kerngesunde Zähne abschleifen und Goldkappen aufsetzen, um jedes Mädchen sehen zu lassen, daß sie die Söhne schwerreicher Finqueros seien, die es sich leisten konnten, goldene Zähne zu haben.

War das alles getan, dann wurde getrunken und gespielt, gespielt und getrunken, getanzt auf freiem Platze, wieder getrunken und gespielt, eine indianische Magd gelegentlich aufgegriffen und nach einer Stunde losgelassen mit einer funkelnden Halskette oder einer bunten Guatemalaschürze oder drei Metern Seidenband oder einem großen Haareinsteckkamm, mit Perlchen besetzt, als bleibendes Andenken für einen vorbeigerauschten Augenblick des Entzückens.

11

Aus allen diesen Gründen ist zu verstehen, warum das Candelariafest in diesem so fernen Hucutsin ein so wichtiges Fest für ein halbes Tausend von Händlern arabischer, mexikanischer, spanischer, kubanischer und indianischer Nation war.

Es wurden allein für fünftausend Pesos Kerzen in jedem Jahr verkauft, Kerzen, die in der Kirche geopfert wurden. Es gab Jahre, in denen für achttausend Pesos Kerzen verkauft worden waren und in denen man für dreitausend Pesos mehr hätte verkaufen können, wenn sie vorhanden gewesen wären.

Zu jeder anderen Zeit im Jahr machte Hucutsin den Eindruck, daß der Ort nicht nur von der übrigen Welt, sondern sogar von seinen eigenen Bewohnern vergessen worden sei. Die Bewohner schienen nur zu leben, weil sie nicht wußten, auf welche Weise sie sterben konnten. Wenn der Inhaber des größten Ladens am Ort an einem Samstag für vier Pesos Ware verkauft hatte, so betrachtete er das als ein so glänzendes Geschäft, daß er davon träumte, ein Bankgeschäft anzulegen. Wer in den Ort einritt, suchte sich in den mit Gras bewachsenen Straßen einen Pfad aus, der ihm weich genug schien, um zu verhindern, daß man die Hufe seines Pferdes höre, denn er fürchtete, die Bewohner des Ortes in ihrem gesunden Schlaf zu stören. Mancher Reiter, der hier ankam, wurde beklommen im Gemüt. Er bildete sich ein, die Bewohner seien alle gestorben und lägen aufgebahrt in den Häusern herum. Erst wenn der Reiter nahe der Plaza angelangt war, wo die Straße gepflastert war und die Huftritte seines Pferdes über den Platz schallten, trat hier und da jemand in die Tür, um zu sehen, wer in dieser weiten Welt, wo soviel Platz ist, auf den verwegenen Gedanken gekommen sei, ausgerechnet nach Hucutsin zu reisen. Nach einer Weile kam dann ein Mann in Sandalen, einen alten Vorderlader umgehängt, um eine Ecke gezottelt, sah sich den Reiter an und überlegte, ob er nicht einen Grund habe, den Reiter für irgend etwas zu verhaften, um zu beweisen, daß er seine fünfundzwanzig Centavos den Tag als Polizist redlich verdiene, und um dem Ortsvorsteher eine Gelegenheit zu geben, eine Geldstrafe zu erheben und Abwechslung in den verödeten Ort zu bringen.

Die Indianer, die aus ihren Siedlungen gelegentlich nach Hucutsin kamen, um hier die Erzeugnisse ihrer Felder zu verkaufen, betrachteten den Ort freilich als eine große Stadt und als einen äußerst rührigen, reichen, fortschrittlichen und hochmodernen Zentralpunkt der Welt. Hunderte jener Indianer vermochten sich nicht auszudenken, daß es irgendwo auf Erden eine größere Stadt geben könnte als Hucutsin; denn jene Männer, die in Jovel gewesen waren oder in Balun Canan und die behaupteten, daß jene zwei Städte um das Zwanzigfache größer wären und wo die Läden Fensterscheiben hätten von der Größe einer ganzen Wand eines Hauses, waren dafür bekannt, daß sie Prahler seien und aus einem Floh leicht einen Jaguar zu machen verstanden.

Jene Indianer, die in den gewöhnlichen Zeiten des Jahres nach Hucutsin kamen, ihre Frauen, Kinder und Hunde mitbrachten und Reisen von mehreren Tagen hinter sich hatten, näherten sich dem Ort immer mit Furcht. Diese Furcht verschwand mit der Zeit, wenn sie sehr oft in den Ort gekommen waren, ihre Erzeugnisse zu erträglichen Preisen hatten verkaufen können und unter vielem Handeln zu erträglichen Preisen das hatten einkaufen können, was sie in ihren fernen Siedlungen brauchten, und wenn sie von den Behörden des Ortes nicht belästigt worden waren. Aber dann geschah es, daß mehrere Gruppen von Indianern, die friedlich in den Ort gekommen waren, um zu verkaufen und einzukaufen, von den Polizisten ganz einfach aus irgendeinem erdachten Grunde verhaftet und ins Gefängnis gesteckt wurden, aus dem sie sich nur dadurch befreien konnten, daß sie für die Ortsbehörde eine Woche Arbeit in den Straßen oder beim Bau einiger Gebäude leisteten.

Kamen aber diese Indianer in jener Woche in den Ort, in der das Candelariafest gefeiert wurde, dann lagerten sie erst einen vollen Tag weit außerhalb des Ortes mit ihren Familien irgendwo im Busch. Von hier machte sich dann ein Mann auf, der oft in Hucutsin gewesen war und Erfahrung hatte, um zu erforschen, ob es genügend sicher sei, in den Ort zu kommen.

Der Eindruck, den die Indianer während jenes Heiligenfestes in Hucutsin empfingen, war um ein Vielfaches tiefer als der Eindruck, den ein Farmer erhält, der aus einer entlegenen Ranch in Kentucky zum ersten Male nach New York kommt und ohne Einleitung und Übergang mitten auf den Broadway hingestellt wird.

Der Unterschied im Aussehen des Ortes und im Leben seiner Bewohner in den gewöhnlichen Zeiten und dem Aussehen des Ortes und dem Gelärme und Gewoge während des Candelariafestes war so groß, daß die Indianer jede innere und äußere Verbindung mit der Wirklichkeit verloren.

Die große Verschiedenheit des Ortes, den die Indianer in den ruhigen Zeiten kannten, und des Ortes, den sie jetzt antrafen, wird begreiflich, wenn man berücksichtigt, daß der Warenumsatz an diesem weltvergessenen Platze während des Candelariafestes zuweilen bis auf eine und eine Viertelmillion Pesos kam, daß Schecks von zehntausend Pesos so leicht von Hand zu Hand gingen, wie in den gewöhnlichen Zeiten des Jahres nicht einmal zehn Pesos liefen.

12

Irgendein Diktator oder Despot hätte den Hintergrund in keiner Weise so vortrefflich schaffen oder kommandieren können, wie er sich hier von selbst in Hunderten von Jahren herangebildet hatte.

Es ist bekannt, wie in zivilisierten Ländern freie Menschen zwangsweise zum Militärdienst oder zum Arbeitsdienst ausgehoben werden. Für die Vereidigung der Rekruten wird ein pompöser Hintergrund geschaffen. Alles, was Beine hat und Beine haben sollte, muß in Paradeuniform antreten. Die heiligen Fahnen werden entrollt. Choräle werden gesungen und patriotische Hymnen gespielt. Die Rekruten oder deren Vertreter müssen die Hand auf die Fahnen legen und einen fürchterlichen Schwur leisten. Alles das wird so feierlich und pompös getan, als ob der liebe Gott im Himmel persönlich sich bemüht hätte, die Militärlieferungen zu schützen. Die jungen Rekruten, bleich und zitternd unter diesem Pomp, die Nähe des allmächtigen Gottes fühlend, werden mit ihrem Schwur so abgedrosselt und abgewürgt, daß sie in ihrem ganzen Leben diesen heiligen Vorgang, von soviel Theater und Chorälen und Paradeaufputz begleitet, nie vergessen. Und das ist der Zweck. Es würde nicht genügen, daß der junge Bursche an einen rohen Holztisch tritt und hier mit gewöhnlichen Worten erklärt, daß er seinem Vaterland in Zeiten der Not treu und mit allen seinen Kräften dienen wolle. Es ist viel wirkungsvoller, alles das mit Pomp, Glorie, Gottesanwesenheit und mit einem gesunden Hieb auf das Hirn des Mannes zu tun.

So wird es verständlich, warum die Arbeiteragenten die endgültige Bestätigung der Kontrakte für die Arbeiter, die in die fernen Monterias transportiert wurden, hier in Hucutsin während des Candelaria-Heiligenfestes vornehmen. Es wurde den Sklaven die Macht und der Pomp und der allmächtige Gott ihrer Herren offenbart. Die Indianer, die unter dem Eindruck dieser rauschenden Herrlichkeiten Verträge bestätigten, dachten sowenig an Desertion wie die Rekruten, denen man bei der richtigen Gelegenheit die Hirne verräuchert hatte.

Wenn immer auch der Indianer unter den Mühen und Qualen seines Daseins in den Monterias für einen Augenblick nur an Flucht oder gar an Selbstmord denken sollte, erinnerte er sich sofort des pompösen Candelariafestes in Hucutsin und der unüberwindlichen Macht jener, denen er zu dienen verpflichtet worden war.

Wer in den verschlafenen, stillen, trockenen Ort Hucutsin einen solchen Pomp, ein solches Leben, eine so große wogende Menschenmasse hineinzuzaubern vermochte, sei es auch nur für die Dauer von zehn Tagen, der hatte göttliche Kraft, dem konnte kein Indianer entweichen, wohin er sich auch immer wenden mochte. Einem solchen Herrn hatte man den Kontrakt zu halten bis auf das letzte hingespritzte Pünktchen hinter dem letzten Worte.

ZWEITES KAPITEL

1

Die Araber waren die ersten Händler, die in Hucutsin ankamen. Dann folgten die Spanier, dann die Kubaner, endlich die Guatemalteken.

Zuallerletzt, genau besehen mit Verspätung, trafen die mexikanischen Händler ein. Es ist eine Leidenschaft des Mexikaners, nie pünktlich zu sein. Er stirbt nicht einmal pünktlich. Nur zwei Dinge sind pünktlich in Mexiko: der Beginn der Stierkämpfe und der Grito. Der Grito ist der Freiheitsschrei, der zur Erinnerung an die Ausrufung der Unabhängigkeit Mexikos von der spanischen Krone jedes Jahr am fünfzehnten September von der höchsten anwesenden Autorität in jedem Ort in der ganzen Republik Mexiko und bei versammelten Mexikanern im Ausland ausgerufen wird. Dieser Grito oder Schrei ist pünktlich, genau elf Uhr nachts am fünfzehnten September eines jeden Jahres.

Aber in ihren Geschäften sind die Mexikaner sowenig pünktlich wie an ihren Hochzeiten, Kindtaufen, Begräbnissen. Warum auch? Sie befinden sich ja in ihrem eigenen Lande, das ihnen von Gott zum ewigen Wohnsitz angewiesen wurde, wo sie das allgemeine und freie demokratische Wahlrecht besitzen.

Sie glauben, daß diese Tatsache allein genüge, um gute und einträgliche Geschäfte in ihrem Lande zu machen. Wenn sie dann zu ihrem Ärger sehen, daß die Araber und die Chinesen, gar nicht zu reden von den Spaniern, bessere Geschäfte machen und zuweilen alle Geschäfte machen und dem Mexikaner trotz seines allgemeinen Wahlrechts und seines Rechts, bei den Wahlen mit dem Revolver nachzuhelfen, keinen Cent zukommen lassen, dann sind die Fremden daran schuld, die alle ausgewiesen werden müssen, damit der Mexikaner in seinem eigenen Lande nicht Hungers stirbt.

Die mexikanischen Händler machten sich wohl rechtzeitig auf den Marsch, um zu guter und vorteilhafter Stunde in Hucutsin anzukommen. Aber gerade weil sie ja in ihrem eigenen Lande marschierten, so trafen sie hier einen Compadre an und dort eine Comadre, hier einen Vetter, dort eine Base, da einen Onkel und dort wieder einen Schwager. Hier kamen sie gerade recht zu einer Hochzeit und dort zu einem Namensfeste. Die ihnen angeborene Höflichkeit, die ihnen im Blut liegende Gastfreundschaft, die unausrottbare Rücksicht auf die Gefühle und Empfindungen ihrer Mitmenschen, besonders ihrer Verwandten und Freunde, erlaubte ihnen nicht, an einem Hause so schlicht vorüberzureiten und mit einem ›Adios, compadre!‹ einen raschen Gruß über den Zaun zu werfen. Sie mußten von ihrem Maultier oder ihrem Pferd absteigen und ins Haus kommen. Und meist kamen sie nicht aus dem Hause wieder hervor, bis sie eine Nacht darin geschlafen hatten.

Kamen sie dann endlich auf der Feria an, fanden sie, daß die Araber und die Spanier nicht nur die besten Plätze und Stände nach allem Recht und aller Sitte belegt, sondern bereits so viele Geschäfte mit gutem Gewinn gehabt hatten, daß die Kosten der Her- und Rückreise reichlich gedeckt waren. Die Araber und die Spanier hatten sich schon eine sichere Kundschaft geschaffen, ehe die Mexikaner überhaupt den Ort mit ihren Augen sahen. Das einzige Mittel, das ihnen einfiel, sich von dieser fürchterlichen Konkurrenz zu befreien, war, ihre Deputierten zur Kammer mit Briefen und Besuchen zu belästigen, um verschärfte Gesetze gegen unerwünschte Einwanderer zu schaffen. Dieses Mittel hatten sie freilich nicht selbst erfunden, sie hatten es den Nordamerikanern nur abgeguckt.

2

Mit den letzten Karawanen mexikanischer Händler, die verspätet in Hucutsin eintrafen, kam auch Don Gabriel Orduñez an. Don Gabriel war Werbeagent für die Monterias.

Eine Monteria ist ein großes Camp im Dschungel und in den Urwäldern Südmexikos und Zentralamerikas, wo die Mahagonibäume gefällt und zu den Strömen geschleppt werden, um mit Hilfe des Wassers der Ströme in den Seehäfen im Golf von Mexiko und im Karibischen Meer zu landen. Die Aufgabe der Werbeagenten jener Monterias war, die Arbeiter heranzuschaffen, die in den Mahagonicamps gebraucht wurden.

Der Agent wurde nicht Arbeiteragent genannt, sondern Enganchador, der Mann mit dem Haken oder auch der Mann, der etwas mit einem Haken heranfischt. Es liegt in dem Worte der Sinn verborgen, daß der Enganchador mit großer Geschicklichkeit, Kunst, Raffiniertheit, sogar durch Betrug und andere Verbrechen, irgend etwas ködert, das er auf gewöhnliche Weise schwer oder gar nicht bekommen könnte. In Anlehnung an die Bezeichnung des Agenten als Enganchador wurde ein Vertrag, den der Enganchador mit den angeworbenen Arbeitern abschloß, Enganche genannt. Obgleich die Arbeit des Enganchadors eine durchaus gesetzlich erlaubte Tätigkeit war, so hatte dennoch das Wort Enganchador den peinlichen Beigeschmack, den man empfindet, wenn man an die Tätigkeit jener Werber denkt, die in früheren Jahrhunderten für die kriegführenden Könige die Rekruten mit deren Willen oder gegen deren Willen köderten, anhakten und heranschleiften. Man wird nun begreifen, warum das Wort Enganchador in jenen Gegenden Mexikos, wo die verheerende, skrupellose und verbrecherische Tätigkeit der Enganchadores für die Monterias bekannt ist, als eine unerhörte Beleidigung gilt, wenn das Wort gebraucht wird mit der Absicht, jemand, der nicht Enganchador ist, in eine heillose Wut zu bringen.

Don Gabriel hatte sich aber keineswegs darum verspätet, weil er Mexikaner war. Er war ein viel zu geschäftstüchtiger Enganchador, als daß er seine Zeit mit Höflichkeiten vertrödelt hätte, die nichts einbrachten. Auf seinem Marsche nach Hucutsin war er in vielen Ranchos und Häusern eingekehrt, aber nicht zu dem Zwecke, Grüße und Freundschaftsversicherungen auszutauschen, sondern um die Schar der angeworbenen Arbeiter zu erhöhen. Es war ihm auch in der Tat gelungen, in den Orten, die nahe Hucutsin lagen, wie Shitalja, Taquinvits und Sibacja, eine Anzahl Indianer anzuhaken. Die meisten dieser Leute waren verschuldet und ließen sich anwerben, um die verschuldete Summe als Vorschuß zu erhalten. Die übrigen hatte Don Gabriel dadurch gewonnen, daß er ihnen in geschickter Weise die Schönheiten und Herrlichkeiten des Candelariafestes in Hucutsin vorzauberte und ihnen erzählte, was sie dort alles kaufen und wieviel Branntwein sie dort trinken könnten, wenn sie Geld hätten. Und weil sie natürlich kein Geld hatten, so war er nur allzu bereit, ihnen das Geld sofort gegen die Bürgschaft des Ortssekretärs in die Hand zu geben, daß sie sich am genannten Tage in Hucutsin einfinden würden, um den Enganche, den Arbeitskontrakt, dort vor der Behörde im Cabildo zu bestätigen.

3

Die Indianer, die zu dem Candelariafest kamen, suchten sich keine Herberge im Orte. Sie würden auch keine gefunden haben, denn alle Räume, Hallen, Porticos und Veranden waren bis zum letzten Winkel von Pilgern, Rancheros und deren Familien, Viehhändlern und Aufkäufern von Produkten besetzt, die von Indianern auf den Markt gebracht wurden.

Die Händler schliefen mit ihren Helfern auf den Tischen und unter den Tischen und neben den Tischen ihrer Verkaufsstände. Dadurch sparten sie die Ausgaben für Herberge, und gleichzeitig brauchten sie keinen Mann zu bezahlen, der ihre Waren und die Überdachungen ihrer Tische bewachte. Von den Wächtern hätte man auch nicht gewußt, ob sie nicht ihre ›Wache‹ zu Diebereien benützt hätten. Es liefen ja einige Polizisten herum, die während der Nachtzeit niemand gestatteten, selbst Händlern nicht, den Marktplatz mit einem Packen zu verlassen. Es gab aber auch wieder keine Sicherheit, daß nicht die Händler unter sich und einer vom anderen stahlen, wenn sie Gelegenheit dazu hatten. Freilich, die erwischt wurden, hatten nichts, worüber sie sich hätten freuen können. Wenn sie überhaupt lebend zur Polizeiwache kamen, was kaum zu erwarten war, so wurden sie von den Polizisten in einem Zustande herumgeschleift, so zerschlagen und so aus allen Löchern und Beulen in ihrem Körper blutend, daß sie es vorgezogen hätten, sofort erschossen zu werden. Trotz solcher Aussichten für einen Dieb, der erwischt wurde, geschahen dennoch genügend Räubereien.

Das sicherste Verhütungsmittel der Stehlerei war, daß die Händler auf ihren Warentischen und auf ihren Warenballen schliefen, so daß der Zugang zu ihren Reichtümern nur über ihren Leichnam ging. Denn sie alle hatten einen schweren Revolver im Gurt; diesen Gurt lockerten sie zwar etwas für die Nacht, aber sie schnallten ihn nicht völlig los.

Das Geld, das sie am Tage vereinnahmt hatten, trugen sie in einem anderen Ledergurt, den sie auf den nackten Körper schnallten. Dieser Gurt war hohl, so daß man die goldenen und silbernen Geldmünzen wie in einen Schlauch hineinfüllen konnte.

Mit allen solchen Sorgen und Kümmernissen waren die Indianer, die das Fest besuchten, wenig belastet. Sie hatten nicht viel, was ihnen irgend jemand stehlen konnte.

Auch wenn sie im Orte Herberge gefunden haben würden, zogen sie es dennoch vor, auf den offenen Weiden außerhalb des Ortes zu lagern. Hier hatten sie ihre Lagerfeuer die ganze Nacht hindurch brennen, und niemand störte sie. Die Polizisten waren nur tapfer innerhalb des Ortes, wo sie immer nur einige Indianer antrafen, die sie leicht überwältigen und zu irgendeiner Zwangsarbeit abstellen konnten. Aber außerhalb des Ortes auf die großen weiten Ebenen, wo Hunderte und Tausende von Indianern lagerten, da wagte sich kein Polizist und keine andere Obrigkeit hin. Und wenn eine Obrigkeit hinkam, vielleicht gerufen, um einen Handelsstreit zu schlichten, so ging die Obrigkeit so vorsichtig mit den Leuten um, als ob jeder einzelne Abgeordneter zum Parlament wäre. Der beste Revolver des Bürgermeisters oder des Polizeichefs war hier in seinem letzten Sinne wertlos, das eigene Leben ernsthaft zu verteidigen.

Die Indianer lagen in Gruppen zusammen, je nach ihren Familien und Sippen. Diese Gruppen wieder lagen beieinander nach ihren Stämmen. Wenn irgendwer, ein Agent oder ein Aufkäufer von Waren indianischer Herkunft, wußte, zu welchem Stamme ein Mann gehörte, mit dem er irgend etwas zu verhandeln gedachte, so brauchte er nur auf jene Weide zu gehen, von der er wußte, daß hier der Lagerplatz jenes bestimmten Stammes sich befand. Während der Dauer des Festes wechselten die Stämme nie den Lagerplatz, den sie einmal bei ihrer Ankunft für sich ausgesucht hatten.

4

Schon ehe das Heiligenfest offiziell begonnen hatte, was durch eine große feierliche Messe in der Kathedrale des Ortes geschah und nach Beendigung der Messe durch eine zivile Feier vor dem Cabildo, dem Amtsgebäude des Ortes, behördlich genehmigt wurde, trafen in Hucutsin einzeln und in Gruppen jene Indianer und Mestizen ein, die als Arbeiter für die Monterias angeworben waren und deren Kontrakt mit der Woche des Candelariafestes begann.

Mit jedem Tage mehr, den das Fest voranschritt, kamen dann weitere Gruppen angeworbener Indianer an. Viele dieser Arbeiter wanderten mit ihren Sippen, denen sie zugehörten. Aber die Mehrzahl von ihnen hatte sich bereits in ihrem heimatlichen Orte von ihren Familien losgelöst. Sie gehörten schon nicht mehr ganz vollberechtigt zu ihren Stämmen. Ihre Interessen waren nicht mehr verknüpft mit den Interessen ihrer Sippen. Darum zogen sie meist ganz freiwillig allein ihren Weg zu dem Feste, und wenn sie sich anderen Gruppen auf dem Wege anschlossen, so waren das immer Gruppen, die gleichfalls aus angeworbenen Leuten für die Monterias bestanden. Obgleich sie diese Leute gar nicht kannten, vielleicht nie vorher gesehen hatten, so begann sich sofort, sobald sie nur hörten, daß es angeworbene Arbeiter waren, eine Gemeinschaft zu bilden, die durchaus an Stelle jener Gemeinschaft trat, die sie bisher mit ihrer Sippe verknüpft hatte. Instinktiv schlossen sie sich innig der sich neu gebildeten Gruppe an. Sie fühlten, daß sie für die nächsten Monate oder gar Jahre keine andere Gemeinschaft haben würden, daß sie alle Arbeitskameraden und damit Leidensgefährten waren und daß sie das aufkommende furchtbare Heimweh nur dadurch überwinden konnten, daß sie sich denen anschlossen, die in gleicher Weise versuchen mußten, ihr Heimweh zu ersticken, um nicht kümmerlich zugrunde zu gehen. Es war durchaus ähnlich, wie Rekruten einander suchen und sich anschließen, die sich im selben Eisenbahnabteil treffen, wenn sie die Order erhalten haben, sich der modernen Sklaverei, dem Militärdienst der zivilisierten Staaten, zu unterwerfen. Sie sprechen mit keinem Worte von ihren Familien, von ihrer trauernden Mutter, von ihrem weinenden Mädchen, von ihrem Berufe. Wehmütig und doch mit der festen Entschlossenheit dessen, der an nichts denken darf, wenn er den Zwang überleben will, reden sie, nur mit halben Gedanken dabei, von den Sachen, die sie eingekauft haben; sie zeigen sich gegenseitig die erworbenen Dinge und beurteilen deren Wert und Preis, bewundern oder benörgeln das, was der andere hat, und reden und streiten, nur um zu reden und zu streiten und mit keinem Sinn an das zu denken, was morgen folgen wird.

5

Die Indianer, die sich in Hucutsin versammelten, um ihren Enganche, ihren Arbeitskontrakt, zu erfüllen, lagerten sich alle auf den steinigen Wiesen, die sich im Osten des Ortes zwischen dem Friedhof und der Stadt hinstreckten. Des felsigen Grundes jener Weiden wegen ist dieser Platz das elendeste aller Felder, die sich zu einem Lagerplatz eignen. Darum ist dieser Platz der einzige, der von den Sippen und Stämmen nicht begehrt wird. Und damit beginnt das neue Leben der Arbeiter der Monterias, sich mit dem zu begnügen, was andere übriggelassen haben und was andere nicht mögen, und es nur ergreifen, wenn sie jede Hoffnung, auch nur ein winziges mehr vom Leben zu erhaschen, aufgegeben haben.

Es war merkwürdig, wie sich die angeworbenen Indianer, auch wenn sie nie vorher in Hucutsin gewesen waren, auf diesem Lagerplatz einfanden, ohne von irgendwem hierhergeschickt worden zu sein, ohne daß ihnen irgendwer gesagt hätte, daß hier die Caobaarbeiter ihren Camp hätten.

Mit diesem Suchen und Finden des Campplatzes der angeworbenen Urwaldarbeiter begannen sich diese Leute endgültig von ihrem Stamm und von ihrer Sippe zu lösen. Sie nahmen den Geruch, die Gewohnheiten, die Art des Sprechens und Hantierens ihrer neuen Kameraden an. Und wie auch die Tiere der Wälder und Prärien, wenn sie einmal den Geruch anderer Gefährten, mit denen sie sich herumtummelten, angenommen haben, von ihrer eigenen Mutter nicht mehr erkannt und angenommen werden, so wären auch diese Burschen, nachdem sie einmal einige Tage und Nächte in den Camps ihrer Schicksalsgefährten verbracht hatten, von ihren Sippen nicht mehr als völlig zugehörig empfangen worden.