Der Mord an der Jungfrau - Maurice Barrès - E-Book

Der Mord an der Jungfrau E-Book

Maurice Barrès

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Beschreibung

Die Abgründe eines ungeheuren Verbrechens zeichnet dieser Roman des französische Romanciers, Journalisten und Politikers Maurice Barrès. Und auch dieses Werk gehört zum unbestrittenen Kanon der Weltliteratur mit anhaltendem und vielfältigem Einfluss auf die Literaturgeschichte – bis heute. Spannend und vielschichtig, tiefgründig und unterhaltend, informativ und faszinierend ist dieses Machwerk dieses Ausnahme-Schriftstellers.

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Seitenzahl: 23

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Maurice Barrès

Der Mord an der Jungfrau

Übersetzt: Heinrich Lautensack

Immerzu traurig, Amaryllis! sollten dich die jungen Herrn im Stich gelassen haben, deine Blüten welk, deine Wohlgerüche ausgehaucht sein? Ließ Atys, das göttliche Kind, von dir mit seinen eitlen Liebkosungen? Amaryllis, wünsch dir was, einen Gott oder ein Kleinod, wünsch dir alles, außer Liebe, die kann ich hinfort nicht mehr; — obendrein, was vermöchte nicht ein Lächeln von einer, die Aphrodite zärtlich liebt?«

So sprach Lucius gelinde mit Amaryllis, der sehr jungen Kurtisane mit den Goldaugen und dem goldenen Haar; und ihr Barkschiff gleitet dazu auf dem blauen Kanal hin, und die Seerosen rauschen.

Von den schlafenden Bäumen wacht unbewegt das Spiegelbild auf der Oberfläche des tiefen Wassers. Das Ufer wartet prunkend auf mit seinen wolllüstigen Landhäusern, seinen Pomeranzenhainen und seiner großen Stille. Zwischen dem grünen Gezweig leuchtet zuweilen der gelb gewordene Marmor einer Gottfigur auf, und das unveränderliche Verhalten dieser manchen Götter scheint wie eine Geringschätzung der veränderlichen, schillernden Reden der leichtblütigen Orientalin und ihres skeptischen Freunds. Weit, weit und in der Wärme blaßrosenfarben verfließend ist es nur die Linie der Berge, der Hort der Einsiedlerischen und der wilden Tiere, die ein wenig diesen Himmelstraum verstört. Und nun ist man schon dem Gestade sehr nah, an dem die Stadt wollüstig hingelagert ist, von den Lippen der Wellen und der Winde geschmeichelt, die Stadt, die die Arme über das Meer ausstreckt und das ganze All herbeizurufen scheint, herbei ans Duft ausströmende und fieberhaft durchwühlte Bett, der Agonie einer Welt zu Hilfe und zu der Geburt neuer Jahrhunderte.

Mit einer müden, überdrüßigen Grazie ruht sich Amaryllis auf weißen Seidenpolstern aus. Der schwere Mantel aus Blattsilber — als ob er verwundend eindränge auf den nachgebenden Mädchenleib. Die runden blaugeäderten Arme liegen wie eine Krone um das Gesicht der Jungfrau, das die Jünglinge aufpeitscht. Und so geht das leise Lied ihrer Stimme:

»Lach immer, Lucius, lach zu. Wenn ein Sterblicher meine Langeweile zerstreuen kann, bist du’s, von dem ich’s hoffe. Du hast geliebt, Lucius, man erzählt, daß du geweint hast vor Betten, die dich verschmähten oder die zu kalt waren. Heut, überdrüssig, lachst du über die Frau. Begreif’ doch, daß mich dies ewige Geseufze der Männer zur Verzweiflung bringt. Ich bin jung und schön und langweile mich, ja, Lucius. Die Zärtlichkeiten dieses Atys, die Mysterien der Isis und wie groß Serapis sei, befriedigen meine Sehnsüchte nicht; was will mir Aphrodite? Ich bin es, die die Liebe erregt; ich weiß um ihre Leiden, und daß sie einen tot machen, denn Liebesgirren wird zur Gewohnheit. Ich bin eine Syrierin, die Tochter einer Freigelassenen, die eine Seherin war; du bist ein Römer, fast ein Hellene, du weißt dich lustig zu machen, Lucius, aber trösten war ein Süßeres, Köstlicheres.«