Der neue Landdoktor 82 – Arztroman - Tessa Hofreiter - E-Book

Der neue Landdoktor 82 – Arztroman E-Book

Tessa Hofreiter

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Beschreibung

"Der neue Landdoktor" zeichnet sich gegenüber dem Vorgänger durch ein völlig neues Konzept aus. Es wird noch größerer Wert auf Romantik, Spannung und sich weiterdichtende, zum Leben erwachende Romanfiguren, Charaktere und Typen gelegt. Eines darf verraten werden: Betörend schöne Frauen machen dem attraktiven Landdoktor schon bald den Hof. Und eine wirkliche Romanze beginnt... Tessa Hofreiter ist in vielen Romangenres mit großem Erfolg aktiv. Einen ihrer zahlreichen Höhepunkte bildete fraglos die Serie um "Das Chateau", die sich um ein französisches Weingut dreht. Immer populärer ist in jüngster Zeit "Der neue Landdoktor" geworden, der den Nerv einer wachsenden Lesergemeinde trifft. Der Stil dieser Schriftstellerin ist unverwechselbar. Fenja schaute auf die Berge, als sie mit ihrer Freundin Kendra auf dem Balkon frühstückte. Das kleine Einfamilienhaus, in das sie und ihre Eltern vor einem Jahr gezogen waren, lag in der Neubausiedlung von Bergmoosbach. Das Leben in dem Tal mit seinen Wiesen und Feldern am Fuße der Allgäuer Alpen sollte ihr helfen, ihre Ängste zu überwinden, die sie schon so lange plagten. Bisher aber war das nicht passiert. "Es war doch eine gute Idee von mir, hier bei dir zu wohnen, solange deine Eltern fort sind, nicht wahr, Schätzchen", lobte sich Kendra und streichelte über Fenjas Hand. "Du hast deine geliebte Stadt verlassen, um mir zwei Wochen lang Gesellschaft zu leisten, das weiß ich zu schätzen." "Ich bin gern hier bei dir. Es ist doch schön, wenn wir beide mal wieder richtig viel Zeit miteinander verbringen." Kendra, eine attraktive dunkelhaarige Schönheit mit hellen blauen Augen, betrachtete Fenja mit einem gewinnenden Lächeln. "Am schönsten wäre es, wenn ich meine Eltern auf diese Reise hätte begleiten können." "Ich bitte dich, Fenja, was hat diese eine Reise schon zu bedeuten? Deine Eltern arbeiten als Reiseleiter für ein großes Touristikunternehmen, sie sind ständig unterwegs. Irgendwann bist du so weit und begleitest sie wieder auf die eine oder andere Tour. Das wird schon werden", versicherte ihr Kendra. "Ich bin da nicht so zuversichtlich wie du." Fenja spielte mit dem Pferdeschwanz, zu dem sie ihr rotblondes Haar gebunden hatte, während sich ihre braunen Augen mit Tränen füllten. "Du schaffst das", machte Kendra ihr Mut.

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Der neue Landdoktor – 82–

Pascals Therapie

Kann er Fenja von der Angst befreien?

Tessa Hofreiter

Fenja schaute auf die Berge, als sie mit ihrer Freundin Kendra auf dem Balkon frühstückte. Das kleine Einfamilienhaus, in das sie und ihre Eltern vor einem Jahr gezogen waren, lag in der Neubausiedlung von Bergmoosbach. Das Leben in dem Tal mit seinen Wiesen und Feldern am Fuße der Allgäuer Alpen sollte ihr helfen, ihre Ängste zu überwinden, die sie schon so lange plagten. Bisher aber war das nicht passiert.

»Es war doch eine gute Idee von mir, hier bei dir zu wohnen, solange deine Eltern fort sind, nicht wahr, Schätzchen«, lobte sich Kendra und streichelte über Fenjas Hand.

»Du hast deine geliebte Stadt verlassen, um mir zwei Wochen lang Gesellschaft zu leisten, das weiß ich zu schätzen.«

»Ich bin gern hier bei dir. Es ist doch schön, wenn wir beide mal wieder richtig viel Zeit miteinander verbringen.« Kendra, eine attraktive dunkelhaarige Schönheit mit hellen blauen Augen, betrachtete Fenja mit einem gewinnenden Lächeln.

»Am schönsten wäre es, wenn ich meine Eltern auf diese Reise hätte begleiten können.«

»Ich bitte dich, Fenja, was hat diese eine Reise schon zu bedeuten? Deine Eltern arbeiten als Reiseleiter für ein großes Touristikunternehmen, sie sind ständig unterwegs. Irgendwann bist du so weit und begleitest sie wieder auf die eine oder andere Tour. Das wird schon werden«, versicherte ihr Kendra.

»Ich bin da nicht so zuversichtlich wie du.« Fenja spielte mit dem Pferdeschwanz, zu dem sie ihr rotblondes Haar gebunden hatte, während sich ihre braunen Augen mit Tränen füllten.

»Du schaffst das«, machte Kendra ihr Mut.

»Ich mache aber keine Fortschritte. Seitdem wir hier wohnen, habe ich noch kein einziges Mal dieses Grundstück verlassen.«

»Du brauchst Geduld, Fenja. Agoraphobie ist kein Schnupfen.«

»Nein, sie ist eine Geisel, die mich daran hindert, ein normales Leben zu führen. Ich habe nicht nur Angst vor öffentlichen Plätzen, wie viele Leute glauben, ich habe vor allem Angst vor dem, was da draußen ist. Ich steuere bereits auf einen Panikanfall zu, wenn ich nur daran denke, dass ich weiter als in den Garten gehen soll.« Fenja umfasste ihre Kaffeetasse mit beiden Händen, um das Zittern ihrer Finger auszugleichen.

»Hier bist du in Sicherheit, alles ist gut«, sagte Kendra und streichelte Fenja über das Haar.

»Ich habe meine Arbeit wegen dieses Zustandes aufgeben müssen«, seufzte Fenja, nachdem sie ihre Tasse wieder abgestellt hatte.

»Du hast eine neue gefunden, die dir Spaß macht. Oder ist das nicht mehr so?«

»Poesie für Glückskekse zu schreiben, ist nicht wirklich erfüllend, aber ich mache es ganz gern. Mein Traum, wieder als Journalistin für eine große Zeitung zu arbeiten, wird sich wohl nicht erfüllen.« Fenja belegte die beiden Hälften eines Vollkornbrotes mit einer Scheibe Allgäuer Käse, schnitt eine Tomate in Scheiben und legte sie auf den Käse.

Sie und Kendra hatten beide vor fünf Jahren als junge Journalistinnen bei derselben Zeitung in München angefangen. Sie musste dort aufhören, Kendra war geblieben und auf dem besten Weg, schon bald die Redaktionsleitung zu übernehmen.

»Irgendwann ist Gras über diese Sache gewachsen, dann bekommst du deine Chance. Warum gehst du eigentlich nicht mehr zur Gesprächstherapie?«

»Weil es mir nichts gebracht hat. Vielleicht war es auch die falsche Therapeutin. Ich konnte mich ihr nie so richtig öffnen. Meine Vermutung, dass die Fotos, die damals in dieser Boulevardzeitung von mir veröffentlicht wurden, der Auslöser für meine Panikanfälle waren, ließ sie nicht gelten. Sie meinte, ich sollte mir eingestehen, dass ich schon weit vorher labil war und dass ich diese Tat begangen hätte, um einen Grund zu haben, mich zurückzuziehen. Sie geht wohl davon aus, dass diese Fotos nicht gefälscht wurden.«

»Das fällt auch schwer. Sie sehen verblüffend echt aus.«

»Jeder, der sich ein bisschen mit Bildprogrammen auskennt, und dazu gehört so gut wie jeder, der in der Redaktion eines Verlages arbeitet, kann ein Foto auf diese Weise fälschen. Ich habe damals ein Mikrophon in der Hand gehalten, das musste derjenige nur durch eine Wodkaflasche austauschen.«

»Ja, ich weiß, aber derjenige hat es nicht nur gut hinbekommen, sondern perfekt.«

»Könnte es sein, dass du mir auch nicht wirklich glaubst? Denkst du auch, ich hätte Tanngruber damals Wodka in seine Limonade gekippt, als ich mit ihm in dieser Bar am Tresen saß, nur um diesen Artikel über sein Alkoholproblem zu schreiben?«

»Er hat behauptet, dass er zu dieser Zeit bereits trocken war, nur deshalb hat er diesem Interview überhaupt zugestimmt, um ein Beispiel dafür zu sein, dass man es schaffen kann, sich aus der Abhängigkeit zu befreien.«

»Das weiß ich, dass das der Grund war, aber er war nicht geheilt. Ich habe seine Fahne gerochen und den Flachmann in seiner Jackentasche gesehen. Ich habe auch nicht geschrieben, dass er noch abhängig ist, nur, dass er noch einen langen Weg vor sich hat.«

»Sicher, und den Rest konnte sich jeder denken«, entgegnete Kendra lächelnd.

»Vermutlich hatte er sich weniger im Griff, als er glaubte. Deshalb brauchte er jemanden, der für seinen angeblichen Rückfall die Verantwortung trägt.«

»Ja, mag sein, aber wenigstens hat er sein Amt als Richter niedergelegt, und diese Fehlurteile, die sein eingeschränktes Bewusstsein produziert hatte, wurden schnell revidiert.«

»Dafür sitzt er jetzt im Landtag und wartet auf den Sprung nach Berlin. Dass er mich damals als ehrgeizige Journalistin, der jedes Mittel recht ist, ihre Karriere zu fördern, dargestellt hat, hat ihn vermutlich seine Wahl gewinnen lassen, während ich von allen Seiten angefeindet wurde. Vielleicht hatte er es sogar genauso geplant. Ein Mann, der alles tut, um gesund zu werden, und dann derart hinterlistig wieder in die Abhängigkeit getrieben wird, der wird doch schon aus Mitgefühl gewählt.«

»Ich habe keine Ahnung, was seine tatsächlichen Beweggründe waren. Vergiss diese Zeit einfach, sieh nach vorn, Schätzchen. Es ist halt damals dumm gelaufen. Ich meine, wer hätte ahnen können, dass der Verlag, der unsere Zeitung zwei Monate zuvor übernommen hatte, seinem Cousin gehört. Der hatte natürlich kein Interesse daran, deine Seite der Geschichte zu vertreten.«

»Ich weiß«, seufzte Fenja.

»Es war doch ein großes Glück, dass deine Eltern damals auf der Tourismusmesse diesem Landtagsabgeordneten begegnet sind.«

»So kann man das nicht sagen, sie sind ihm nicht zufällig begegnet.«

»Ja, ich weiß, er hat ihre Namen an dem Stand des Tourismusunternehmens gelesen, für das sie arbeiten, und hat sie angesprochen.«

»Richtig, weil in diesem Artikel über mich auch meine Eltern mit vollem Namen erwähnt wurden.«

»Der Artikel war gut geschrieben. Zusammen mit den Fotos hatte er wohl jeden überzeugt.«

»Herr Kruse gehörte zu den wenigen, die mir glaubten.«

»Das hat er eindrucksvoll bewiesen, als er deinen Eltern von diesem Haus erzählte, das damals zum Verkauf stand, nachdem er wusste, dass sie mit dir aufs Land ziehen wollten.«

»Bergmoosbach ist sein Heimatdorf, hier wohnt seine Familie. Er hätte dieses Haus nie erwähnt, wenn er mich für schuldig gehalten hätte.«

»Natürlich nicht. Hätte er befürchtet, dass du ihn eines Tages im Kreise seiner Lieben auf irgendeine Weise brüskierst, hätte er das niemals getan«, versicherte ihr Kendra. »Nach dem Frühstück würde ich gern meinen Artikel für die Wochenendausgabe fertigstellen. Ist es in Ordnung für dich, wenn ich mich für zwei, drei Stunden in mein Zimmer zurückziehe?«, wollte Kendra wissen.

»Aber ja, ich muss auch arbeiten. Ich habe morgen Abgabetermin und mir fehlen noch drei Sprüche.«

»Eine Wolke ohne Regen wird nichts bewegen.«

»Stimmt«, entgegnete Fenja lachend. »Eine Regenwolke dagegen sorgt für Beschleunigung, zumindest was Fußgänger und Radfahrer betrifft, die sich noch schnell irgendwo unterstellen wollen.«

»Vielleicht sollte ich auch Glückskeksdichterin werden«, sagte Kendra und gab sich nachdenklich.

»Das würde dich nicht glücklich machen.«

»Nein, vermutlich nicht, dieses Leben wäre mir auf Dauer zu ruhig, ich brauche das Abenteuer. Recherchen vor Ort, neue Leute kennenlernen und was sonst noch so dazugehört. Sorry, ich wollte dir nicht wehtun«, entschuldigte sie sich, als Fenja traurig zu Boden schaute, weil sie sich diese Abenteuer, die auch sie früher geliebt hatte, nicht mehr zutraute.

»Du musst dich nicht entschuldigen, du bist ja nicht für meinen Gemütszustand verantwortlich.«

»Reden wir nicht mehr davon«, sagte Kendra und nahm sich noch eine Tasse Kaffee.

Eine Viertelstunde später zog sie sich ins Gästezimmer im Dachgeschoss zurück. Fenja räumte den Tisch ab, stellte das Geschirr in die Spülmaschine und ging in ihr Arbeitszimmer im Erdgeschoss. Es war ein großer Raum mit einem direkten Zugang zur Terrasse.

Sie schaltete ihren Computer an, nahm auf dem türkisfarbenen Drehsessel Platz und sah in den Garten hinaus.

So machte sie es immer, bevor sie mit ihrer Arbeit begann. Auch Rituale gehörten inzwischen zu ihrem Alltag. Rituale waren der Faden, der ihr Halt gab, den Tag ohne Angst zu bewältigen.

Die Taxushecke war inzwischen gut eineinhalb Meter hoch und beschützte den Garten mit seinen Fliederbüschen und Magnolienbäumchen, die sie gepflanzt hatte. Die hohe Hecke gab ihr das Gefühl von Sicherheit und schenkte ihr gleichzeitig die Freiheit, sich auch draußen aufhalten zu können.

Sie dachte einen Moment lang über Kendras Poesievorschlag nach, verwarf ihn dann aber wieder und entschied sich für die positive Variante: Eine Wolke wie Schnee tut niemandem weh.

*

Während Fenja über ihre Poesiesprüche nachdachte, schrieb Kendra nicht an ihrem Artikel, wie sie es angekündigt hatte. Sie verfolgte einen ganz anderen Plan. Sie hatte die Drohne aus ihrem Koffer geholt, von der sie Fenja kein Wort erzählt hatte und auch nicht erzählen würde, weil sie niemals erfahren durfte, für wen sie diese Aufgabe übernommen hatte.

Bevor sie die Drohne auf ihren geplanten Einsatz schickte, wollte sie noch einmal mit ihrem Auftraggeber sprechen. Vielleicht hatte er inzwischen noch weitere Informationen, um die Reise der Drohne effektiver zu gestalten.

»Ich grüße Sie, Doktor Tanngruber«, sagte sie, nachdem der Landtagsabgeordnete sich gemeldet hatte. »Die Drohne ist startklar. Ich werde heute zuerst den Hof der Kruses filmen, und danach das Dorf aus der Luft inspizieren.«

»Machen Sie so viele Aufnahmen wie möglich. Kruse und seine Frau halten sich noch bis nächste Woche in diesem Kaff auf. Irgendetwas werden wir doch finden, was ihn davon abhält, gegen mich für den Bundestag zu kandidieren.«

»Wir brauchen nur genug Bildmaterial, dann lässt sich schon etwas Passendes konstruieren. Sie kennen meine Fähigkeiten.«

»Ja, allerdings. Niemand hat damals an der Echtheit der Fotos gezweifelt, die für das berufliche Aus ihrer Freundin gesorgt hatten. Sie haben es einfach geglaubt, diese ahnungslosen Zeitungsgläubigen«, stimmte der ehemalige Richter ihr lachend zu.

»Bleibt es bei Ihrem Versprechen? Wir hatten damals ausgemacht, dass ich innerhalb eines Jahres die Redaktionsleitung übernehmen werde.«

»Mein Bruder wird Ihnen im nächsten Monat die Leitung übertragen. Schneller ging es nicht. Ihre Kollegen hätten sich sonst gefragt, wie Sie so schnell aufsteigen konnten. Das wäre weder in Ihrem noch in meinem Interesse gewesen.«

»Schon klar.«

»Sollte es uns gelingen, Kruse als meinen Konkurrenten auszuschalten, dann werde ich einen Listenplatz für Berlin erhalten, und wenn ich erst einmal dort bin, kann ich sicher noch mehr für Sie tun.«

»Berichterstattung aus Brüssel würde mir gefallen.«

»Das lässt sich sicher arrangieren. Was ist mit unserer gemeinsamen Freundin? Ahnt sie, was Sie in ihrem Haus treiben?«

»Nein, natürlich nicht. Das einsame Blümchen ist so dankbar, dass ich bei ihm bin. Fenja käme niemals auf die Idee, dass ich ein anderes Ziel mit meinem Besuch verfolge, als für sie da zu sein. Sie ist so herrlich naiv«, antwortete Kendra mit einem höhnischen Lachen.

»Die junge Dame hatte sich zweifellos zu viel zugetraut. Sie ist an sich selbst gescheitert.«

»So ist es, Doktor Tanngruber.«

»Nun, meine liebe Kendra, dann werden wir jetzt meinem Mitstreiter in Sachen großer Politik beweisen, dass auch er sich ein wenig zu viel zutraut.«

»Deshalb bin ich hier. Ich lasse Ihnen das Bildmaterial zukommen, sobald ich wieder in München bin.«

»Dann auf gutes Gelingen«, sagte Tilo Tanngruber und beendete das Gespräch.

Kendra hatte nicht einmal ein schlechtes Gewissen, weil sie Fenjas Karriere mit diesen von ihr bearbeiteten Fotos beendet hatte. Sie war davon überzeugt, dass Fenja ihren Beruf sowieso irgendwann hätte aufgegeben müssen, weil sie mehr an der Wahrheit als an den guten Beziehungen der Zeitung zur Politik und Justiz interessiert war. Fenja war viel zu zart besaitet, um dieses Spiel zu verstehen, das jeder beherrschen musste, der Erfolg haben wollte. Letztendlich hatte sie ihr einen Gefallen damit getan, dieses Fotos und den passenden Artikel dazu an die Boulevardzeitung zu schicken.

Fenjas ehemalige Gesprächstherapeutin vermutete, dass Fenja ihre Karriere selbst beenden wollte, was bedeutete, dass auch sie Fenja nicht für stark genug hielt, in diesem Beruf zu bestehen. Sie hatte Fenja also nur einen Freundschaftsdienst erwiesen, der es ihr erspart hatte, dass sie Jahre ihres Lebens im falschen Beruf vergeudete. Sie wird diesen Schock irgendwann überwinden und dann ein geruhsames Landleben führen, überlegte Kendra.

Sie packte die Drohne und ging hinaus auf den Dachbalkon. Zuerst schickte sie die Drohne zum Krusehof, dessen genaue Lage sie anhand von GPS-Daten ermittelt hatte. Nachdem die Drohne den Hof mit seinen Feldern und Stallungen aufgenommen hatte, wollte sie sich ein Gesamtbild des Dorfes verschaffen. Sie entschied, die Drohne höher als erlaubt über Bergmoosbach kreisen zu lassen, um ein größeres Gebiet erfassen zu können.

Da das Dorf nicht in einer Einflugschneise lag, hielt sie es für ungefährlich. Sie steuerte die Drohne zunächst zur Burgruine, die in direkter Linie zu Fenjas Haus lag, und wollte sie von dort in einem weiten Bogen über das Dorf fliegen lassen.

*

Pascal hatte sich an diesem Vormittag freigenommen. Der junge Fluglehrer aus Garmisch hatte erst am Nachmittag wieder Schüler, die sich als Piloten für Sportmaschinen ausbilden lassen wollten. Pascal nutzte die freie Zeit für einen Flug mit seinem Gleitschirm. Paragliding bedeutete für ihn absolute Freiheit, ein Gefühl, das ihm stets half, sein inneres Gleichgewicht zu finden.

An diesem Morgen war er von dem Berg oberhalb der Bergmoosbacher Burgruine gestartet. Er glitt über das Tal hinweg und genoss die Aussicht, die sich ihm bot. Das Dorf mit seinem bevölkerten Marktplatz, der Rathausturm mit dem vergoldeten Wetterhahn auf seiner Spitze, der in der Sonne funkelte. Die Gehöfte, die von Feldern umgehen außerhalb des Dorfes lagen.

Was ist das?, dachte er, als er plötzlich ein merkwürdiges Brummen hörte, über das er aber nicht weiter nachdenken konnte, weil sich gleich darauf etwas in seinem Schirm verhedderte.

Keine Panik, du bekommst das hin, beruhigte er sich, als die Strömung unter dem Schirm abriss und er im freien Fall auf das Dorf zuraste. Es gelang ihm zwar, den Schirm noch ein wenig zu steuern, den Absturz konnte er aber nicht verhindern. Als er die Taxushecke entdeckte, die direkt unter ihm lag, ließ er sich fallen und hoffte, dass er in der Hecke landen würde. Die Bäumchen mit ihren weichen Nadeln würden seinen Sturz abfedern.

Fenja hatte das Fenster zum Garten geöffnet und schaute auf, als sie einen großen Schatten wahrnahm.

»O Gott!«, schrie sie laut auf, als sie den roten Gleitschirm sah, der sich über ihre Taxushecke legte. Für einen Moment war sie wie erstarrt, weil ihr klar war, dass zu dem Gleitschirm auch jemand gehörte, der ihn gesteuert hatte.

Als sich unter dem Schirm etwas bewegte, wurde sie aus ihrer Schockstarre erlöst. Sie sprang auf, nahm ihr Telefon, das auf dem Schreibtisch lag, und rannte in den Garten. Als sie die Hecke erreichte, hatte Pascal sich bereits aus dem Schirm befreit und rutschte auf den Rasen.

»Was ist mit Ihnen? Sind Sie verletzt?« Fenja ging neben ihm in die Hocke und sah ihn besorgt an.

»Ich bin mir nicht sicher. Im Moment tut mir alles weh«, antwortete Pascal. »Gebrochen habe ich mir aber wohl nichts«, stellte er fest, nachdem er zuerst seine Arme und danach seine Beine vorsichtig bewegte.