Du bist zurückgekommen! - Tessa Hofreiter - E-Book

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Tessa Hofreiter

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Beschreibung

Dr. Brunner bewohnt mit seiner geliebten Frau Ulrike und einem Jagdhund namens Lump ein typisches Schwarzwaldhaus, in dem er auch seine Praxis betreibt. Ein Arzt für Leib und Seele. Die Serie zeichnet sich gegenüber dem Vorgänger durch ein völlig neues Konzept aus. Es wird noch größerer Wert auf Romantik, Spannung und sich weiterdichtende, zum Leben erwachende Romanfiguren, Charaktere und Typen gelegt. Eines darf verraten werden: Betörend schöne Frauen machen dem attraktiven Landdoktor schon bald den Hof. Und eine wirkliche Romanze beginnt... Traudel Bruckner, Herz und gute Seele vom Doktorhaus, stand vor Afras Kiosk und focht einen kleinen innerlichen Kampf aus. Sollte sie diese verlockende Zeitschrift mit den schönen Strickanleitungen kaufen? Traudel war eine erfahrene Strickerin und hatte daheim stapelweise Musterhefte, aber in diesem hier stach ihr ein ganz besonderer Pullover ins Auge, den sie nur zu gern für Sebastian Seefeld gestrickt hätte. Der lässige Schnitt, das Patentmuster, die Raglanärmel, das passte perfekt zu dem gut aussehenden, sportlichen Landdoktor. Traudel sah den warmen Farbton des Garns schon vor sich, das so gut zu seinen dunkelblonden Haaren und den grauen Augen passen würde … Jawohl, entschied sie im Stillen, allein dieser Pullover würde den Kauf der Zeitschrift rechtfertigen. Natürlich blieb es nicht nur beim Einkauf, sondern es wurde auch ein Schwätzchen mit Afra, der Besitzerin des Kiosks, gehalten, das gehörte in Bergmoosbach halt dazu. »Wie gut, dass bei euch jetzt alles wieder in Ordnung ist nach dem grauenhaften Schrecken, den ihr wegen der Lawine habt ausstehen müssen«, sagte Afra mitfühlend zu ihrer Freundin Traudel. »In der Höhle verschüttet zu sein … Ich darf gar nicht daran denken, wie furchtbar das für den Doktor und seine Anna gewesen sein muss.« »Ja, das sind harte Stunden für die beiden und auch für uns gewesen«, erwiderte die ältere Frau sehr ernst. »Es ist schrecklich, wenn die Liebsten in so großer Gefahr sind, aber es ist ja gut ausgegangen, und die Familie ist gesund wieder beisammen.« Traudel atmete tief und erleichtert aus und gewann ihr warmherziges Lächeln zurück. »Genau wie bei dir, Afra. Ist es nicht wunderschön, dass du jetzt Besuch von deiner Nichte hast und deren kleine Tochter kennenlernst? Ich weiß doch, wie gern Malwine in den Ferien zu dir gekommen ist, als sie Kind war. Und jetzt ist sie Mama und wird bald heiraten. Malwine ist ein so fröhliches Kind gewesen, ich kann mir ihr Strahlen in ihrem neuen Familienglück richtig gut vorstellen.« »Ja, schon …«, antwortete Afra gedehnt und schaute seltsam ratlos aus.

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Der neue Landdoktor – 87–

Du bist zurückgekommen!

Malwine streift ihre Fesseln ab

Tessa Hofreiter

Traudel Bruckner, Herz und gute Seele vom Doktorhaus, stand vor Afras Kiosk und focht einen kleinen innerlichen Kampf aus. Sollte sie diese verlockende Zeitschrift mit den schönen Strickanleitungen kaufen? Traudel war eine erfahrene Strickerin und hatte daheim stapelweise Musterhefte, aber in diesem hier stach ihr ein ganz besonderer Pullover ins Auge, den sie nur zu gern für Sebastian Seefeld gestrickt hätte. Der lässige Schnitt, das Patentmuster, die Raglanärmel, das passte perfekt zu dem gut aussehenden, sportlichen Landdoktor. Traudel sah den warmen Farbton des Garns schon vor sich, das so gut zu seinen dunkelblonden Haaren und den grauen Augen passen würde … Jawohl, entschied sie im Stillen, allein dieser Pullover würde den Kauf der Zeitschrift rechtfertigen.

Natürlich blieb es nicht nur beim Einkauf, sondern es wurde auch ein Schwätzchen mit Afra, der Besitzerin des Kiosks, gehalten, das gehörte in Bergmoosbach halt dazu.

»Wie gut, dass bei euch jetzt alles wieder in Ordnung ist nach dem grauenhaften Schrecken, den ihr wegen der Lawine habt ausstehen müssen«, sagte Afra mitfühlend zu ihrer Freundin Traudel. »In der Höhle verschüttet zu sein … Ich darf gar nicht daran denken, wie furchtbar das für den Doktor und seine Anna gewesen sein muss.«

»Ja, das sind harte Stunden für die beiden und auch für uns gewesen«, erwiderte die ältere Frau sehr ernst. »Es ist schrecklich, wenn die Liebsten in so großer Gefahr sind, aber es ist ja gut ausgegangen, und die Familie ist gesund wieder beisammen.« Traudel atmete tief und erleichtert aus und gewann ihr warmherziges Lächeln zurück. »Genau wie bei dir, Afra. Ist es nicht wunderschön, dass du jetzt Besuch von deiner Nichte hast und deren kleine Tochter kennenlernst? Ich weiß doch, wie gern Malwine in den Ferien zu dir gekommen ist, als sie Kind war. Und jetzt ist sie Mama und wird bald heiraten. Malwine ist ein so fröhliches Kind gewesen, ich kann mir ihr Strahlen in ihrem neuen Familienglück richtig gut vorstellen.«

»Ja, schon …«, antwortete Afra gedehnt und schaute seltsam ratlos aus.

Traudel horchte auf. »Wieso? Stimmt etwas nicht? Ist Malwine krank oder geht es dem Baby nicht gut?«

»Nein, mit ihnen ist alles in Ordnung, aber ich mache mir trotzdem Gedanken. Ich kenne doch meine Malwine und weiß, wie sehr sie sich ein Kind gewünscht hat. Sie liebt ihre kleine Rose mehr als alles auf der Welt und kümmert sich rührend um sie, aber genau dieses glückliche Strahlen, das fehlt. Malwine wirkt oft abwesend und sehr bedrückt«, sagte ihre Tante traurig.

»Manchmal ist das so nach einer Geburt«, erwiderte Traudel. »Vielleicht sollte Malwine mit Sebastian oder Anna darüber sprechen? Sie ist eine großartige Hebamme und kann deiner Nichte in dieser Zeit gut zur Seite stehen.«

»Du meinst Wochenbettdepressionen? Nein, ich glaube nicht, dass es das ist.« Afra schüttelte den Kopf. »Malwine ist es schon vor der Geburt nicht gut gegangen. Irgendetwas scheint sie sehr zu bedrücken, aber sie spricht nicht darüber. Ihr Verlobter trägt sie auf Händen und nimmt ihr vieles ab, an der Partnerschaft kann es also nicht liegen.«

Beide Frauen schauten über den verschneiten Marktplatz, auf dem Kinder eine ausgelassene Schneeballschlacht veranstalteten. Auf der anderen Seite ging gerade Malwine mit dem dunkelblauen Kinderwagen vorbei. Ihr Verlobter Oliver ging eng an ihrer Seite und hatte liebevoll den Arm um ihre Schultern gelegt. Sie winkten einen Gruß zu den beiden Frauen am Kiosk hinüber und bogen dann in die Straße ein, in der Afras Wohnung lag.

Traudel schaute zum Himmel auf, von dem sachte die nächsten Schneeflocken herabschwebten.

»Weißt du was? Vielleicht fehlt deiner Nichte nur ein bisschen Abwechslung. Hast du nicht gesagt, dass sie morgen Nachmittag einen Vorsorgetermin bei Sebastian und Anna hat? Dann kommt doch anschließend zu uns. Wir machen es uns mit Kaffee und Bratäpfeln vorm Ofen gemütlich, lernen ihre kleine Rose kennen, und Malwine kann von ihren Hochzeitsvorbereitungen erzählen. Das ist doch etwas Schönes, das ihr bestimmt Freude macht.«

»Das ist eine gute Idee, danke für die Einladung. Ich spreche mit Malwine darüber, und wenn es ihr nicht zu viel wird, kommen wir gern zu euch«, antwortete Afra erfreut.

Die beiden Frauen verabschiedeten sich, und Traudel ging zu dem schönen, alteingesessenen Handarbeitsgeschäft von Genoveva Habermaß hinüber, um die Wolle für ihr neuestes Strickprojekt auszusuchen.

Als Afra abends ihrer Nichte von der Einladung erzählte, leuchteten Malwines sanfte graue Augen freudig auf. »Oh, wie nett«, sagte sie lebhaft. »Ich bin als Kind so gern im Doktorhaus gewesen, mit Traudel gab es immer irgendetwas zu tun oder zu spielen. Weißt du noch? Sie hat mit mir das himmelblaue Kleid genäht, das ich damals so gern haben wollte.«

»Und dann haben wir bei Genoveva das blaue Schleifenband für deinen Pferdeschwanz gefunden, das genau dazu passte«, ergänzte Afra, in glückliche Kindheitserinnerungen versunken.

»Und schon bald kann ich das gleiche für meine kleine Rose tun«, antwortete Malwine und warf einen zärtlichen Blick auf das Baby, das friedlich in ihren Armen schlief.

»Liebling, wird das nicht zu viel für dich? Zuerst deine Nachsorge, dann der Vorsorgetermin für Rose und gleich danach ein Besuch? Möchtest du nicht lieber nach Hause gehen und dich ein wenig ausruhen? Deine Freunde kannst du doch später auch noch sehen«, mischte sich ihr Freund fürsorglich ins Gespräch.

Das unternehmungslustige Leuchten in Malwines Augen trübte sich. »Oliver, weder Rose noch ich sind krank. Es handelt sich um Routineuntersuchungen, die ganz bestimmt nicht anstrengend sind.«

»Das weiß ich doch.« Der Mann setzte sich zu der jungen Frau aufs Sofa und legte zärtlich den Arm um ihre schmalen Schultern. Er war Mitte vierzig und somit fast zwanzig Jahre älter als Malwine. Oliver Baumgarten war sehr groß und breitschultrig, hatte volles dunkelblondes Haar und braune Augen. Eine moderne Brille betonte seine energischen Gesichtszüge. Er wirkte energiegeladen und selbstbewusst, man spürte, dass dieser Mann gewohnt war, Anweisungen zu erteilen. Oliver Baumgarten war ein erfolgreicher Unternehmer, dem eine bekannte Süßwarenfabrik gehörte. »Ich dachte nur, dass dir nach diesem langen Arztbesuch vielleicht ein wenig Ruhe gut tut.«

»Ich habe genug Ruhe«, widersprach die junge Frau leise. »Tante Afra und du, ihr nehmt mir doch alles ab, sodass ich den Urlaub voll und ganz genießen kann. Ich möchte sehr gern den Besuch bei Traudel machen.«

Oliver strich ihr zärtlich eine blonde Haarsträhne hinters Ohr zurück. »Warten wir ab, wie es dir morgen geht, und entscheiden dann«, sagte er freundlich, aber in einem Tonfall, der keinen Widerspruch zuließ.

Malwine seufzte unbewusst. Aus Erfahrung wusste sie, dass es besser war, sich Olivers Vorschlägen unterzuordnen. Seine Umsicht und Fürsorge hatten ihr durch schwere Zeiten geholfen, als sie durch ihre rätselhafte Erkrankung allein nicht mehr zurechtgekommen war. Er meinte es nur gut, und er behielt den Überblick eben besser als sie.

Afra, die die kleine Szene aufmerksam beobachtet hatte, sah das allerdings anders. »Du möchtest gern zu den Seefelds? Dann gehen wir nach dem Arzttermin dorthin«, sagte sie munter. »Ich rufe Traudel gleich an und sage zu, sie muss sich schließlich vorbereiten können.«

Oliver runzelte leicht die Stirn, sagte aber nichts, immerhin war er Gast in Afras Haus. Malwines Augen leuchteten auf. »Grüß von mir, wenn du mit ihr sprichst«, sagte sie zu ihrer Tante. Dann lehnte sie ihren Kopf gegen seinen Arm und lächelte ihn an. »Du wirst Traudel und die Familie Seefeld mögen, sie sind sehr nett. Sebastian Seefeld, der Sohn vom alten Landdoktor, hat in Kanada gelebt. Er und seine Tochter Emilia können die interessantesten Geschichten erzählen.«

»Das glaube ich dir gern.« Oliver küsste sie sanft auf die Schläfe. »Ich will dir nicht die Freude verderben; ich möchte nur verhindern, dass du dich überanstrengst, meine Kleine. Wir wissen beide, dass du sehr gut auf dich aufpassen musst.«

Malwine schwieg. Sie wusste, dass ihr Freund recht hatte, trotzdem fühlte sie sich nicht immer wohl unter seiner Fürsorge – und hatte deswegen ein sehr schlechtes Gewissen. Als ob die kleine Rose die Gefühle ihrer Mutter gespürt hatte, begann sie sich zu räkeln und leise zu maunzen.

»Komm, gib sie mir. Ich trage sie ein wenig herum, und du legst die Beine hoch. Soll ich dir dein Buch aus unserem Zimmer holen?«, fragte Oliver freundlich und nahm mit sicherem Griff das Baby auf den Arm.

Rose meckerte noch ein wenig, beruhigte sich aber durch das rhythmische Gehen und schlief bald wieder ein. Über den Rand ihres Buches hinweg beobachtete Malwine erschöpft den großen Mann, der leise und beruhigend mit dem Winzling in seiner Armbeuge sprach. Im Flüsterton erzählte er der Kleinen von ihrer herrlichen Zukunft in seiner Villa inmitten des riesigen Gartens, in dem sie mit ihren Freundinnen würde spielen können. Sogar von einem eigenen Pony war die Rede.

Malwine senkte den Kopf über ihr Buch, sodass Oliver ihren Gesichtsausdruck nicht sehen konnte. Er war so liebevoll und großzügig, und ohne ihn konnte sie sich das Leben mit Rose nicht vorstellen. Warum nur war sie dann so unglücklich?

*

Dass mit der jungen Frau irgendetwas nicht stimmte, bemerkten auch Doktor Seefeld und Hebamme Anna. Unter Malwines Augen lagen tiefe, bläuliche Schatten, sie sah eher zerbrechlich als zart aus, und sie wirkte erschöpft und gleichzeitig angespannt. Dabei schien ihr körperlich nichts zu fehlen; sie hatte die Geburt gut überstanden, das Stillen klappte problemlos, und das Baby gedieh prächtig.

Die kleine Rose war ein hübsches Kind mit einem seidigen Schopf dunkelbrauner Haare und blauen Augen, von denen sich erahnen ließ, dass sie später braun werden würden. Unter dem runden Babygesichtchen waren schon die zarten Gesichtszüge ihrer Mutter zu erkennen. Rose schrie wenig, spuckte kaum und schlief gut.

»Das nenne ich mal ein Bilderbuchbaby«, sagte Sebastian anerkennend, als die Kleine seinen Blick auffing und ihn bewusst anschaute. Ernsthaft folgten ihre Augen einem roten Ball, den er vor ihr hin und her bewegte, und sie bestand problemlos auch alle anderen Tests, die er mit ihr durchführte. Der Landdoktor informierte Malwine und Oliver ausführlich über die anstehenden Impfungen, die junge Mutter ließ sich von Anna über Tees gegen ihre Schlaflosigkeit beraten, und dann war der offizielle Teil des Besuchs beendet.

Malwine hatte das Baby wieder angezogen und in eine leichte Decke gewickelt. Oliver griff nach der Wickeltasche und erkundigte sich fürsorglich: »Möchtest du jetzt den geplanten Besuch machen oder lieber nach Hause, mein Schatz? Frau Bruckner hat bestimmt Verständnis dafür, falls du dich jetzt lieber ausruhen möchtest.«

»Aber nein, ich freue mich auf Traudel«, widersprach Malwine. Sie drückte das Baby an sich und lächelte in das rosige Gesichtchen in ihrer Armbeuge hinab. »Es wird höchste Zeit, dass sie mein kleines Mädchen kennenlernt.«

»Unser kleines Mädchen«, korrigierte Oliver sie sanft.

»Natürlich«, antwortete Malwine rasch und zog in einer unbewussten Geste die Schultern hoch.

»Traudel freut sich auch schon sehr auf Sie und Ihre kleine Familie«, sagte Sebastian freundlich. »Kommen Sie, Sie können direkt von meinem Zimmer aus hinüber in die Wohnung gehen. Den Kinderwagen holen wir später aus dem Wartezimmer.« Er öffnete dem Paar die Tür, welche in den kleinen Gang führte, der den Praxisanbau mit dem Wohnhaus verband. »Lecker, Traudels Bratäpfel duften bis hierher. Machen Sie es sich gemütlich, Anna und ich kommen auch bald hinüber.«

Die jungen Eltern gingen ins Wohnhaus hinein, wo sie vom Rest der Familie herzlich begrüßt wurden, und Sebastian kehrte in sein Sprechzimmer zurück. Anna bereitete gerade die Unterlagen für die nächste Patientin vor. Sie schaute vom Schreibtisch auf und warf Sebastian einen nachdenklichen Blick zu.

»Das ist ein nettes Paar, bei dem sich offensichtlich beide gut um das Baby kümmern«, sagte sie langsam.

Sebastian trat auf sie zu und legte den Arm um ihre Schultern. »Höre ich da ein ›aber‹?«, fragte er interessiert.

»Ja, ein kleines. Es ist genau das gleiche ›aber‹, das ich in deinem Blick sehe«, antwortete sie. »Alles scheint perfekt zu sein, und trotzdem geht es der Mutter nicht gut. Warum? Ich denke, du solltest auch noch andere Untersuchungen durchführen, die über die übliche Nachsorge hinausgehen. Malwine wirkt so erschöpft, obwohl ihre Kleine bereits durchschläft. Sie sagt, sie selbst kann nicht schlafen, und dafür muss es doch einen Grund geben.«

»Dem werden wir gemeinsam auf die Spur kommen, meine kluge Anna«, antwortete Sebastian. »Vielleicht finden wir schon einen Anhaltspunkt, wenn wir nachher zusammensitzen.«

Anna nickte und legte in einer kurzen Liebkosung ihre Hand an seine Wange. Sebastian schaute ihr liebevoll in die Augen. In beiden schwang noch die Erinnerung an die schweren Stunden nach, die sie vor Kurzem erlebt hatten, an die große Gefahr und die persönliche Erschütterung ihrer Beziehung. Es war tröstlich, wieder die tiefe Verbundenheit zu spüren, die trotz allem zwischen ihnen bestand.

Im großen, geschmackvoll eingerichteten Wohnzimmer der Familie Seefeld prasselte das Feuer im grünen Kachelofen und sandte kuschelige Wärme bis in alle Ecke. Der Berner Sennenhund Nolan mit seinem dicken Fell hatte sich bereits in den kühleren Wintergarten zurückgezogen und döste. Der Senior Benedikt, Traudel und Afra saßen in gemütlichen Polstersesseln, die Teenagertochter Emilia hatte es sich mit gekreuzten Beinen auf dem Teppich gemütlich gemacht. Es duftete nach Tee, heißem Apfelpunsch und frischen Zimtküchlein.

Malwine genoss die Atmosphäre und die Freundlichkeit, mit der sie und ihre kleine Familie begrüßt wurden. Sie überließ das Reden ihrer Tante und Oliver und hörte den Gesprächen zu oder schaute aus dem Fenster auf den verschneiten Gartentisch, auf dem Windlichter leuchteten.

»Kann ich die Kleine mal nehmen?«, fragte Emilia. Sie hatte gesehen, dass Malwine ungern das Baby und gleichzeitig einen Becher mit heißem Tee halten wollte.

Oliver runzelte die Stirn, aber Malwine legte Rose bedenkenlos in Emilias Arme. Das junge Mädchen hielt das Baby geschickt und lenkte die Aufmerksamkeit der Kleinen auf eine rote Feder, die sie heute in ihren dunklen Zopf geflochten hatte. Rose zappelte vor Vergnügen mit den Händchen, als Emilia die Feder hin und her schwingen ließ.

»Du kannst gut mit Kindern umgehen«, stellte Malwine lächelnd fest.

»Mein Freund Markus hat jüngere Geschwister, auf die wir manchmal aufpassen. Der kleine Basti ist selbst fast noch ein Baby, deshalb kenne ich mich mit kleinen Kindern aus«, erklärte Emilia. »Und ab und zu, wenn es mit der Schule passt, arbeite ich auch als Babysitter.«

»Das habe ich in deinem Alter auch getan«, sagte Malwine. »So habe ich mir ein Extrataschengeld zusammengespart und konnte mir etwas Schönes kaufen, als ich mit meiner besten Freundin und deren Eltern in den Sommerferien in Cornwall war.«

»Du bist in England gewesen?«, fragte Oliver erstaunt. »Das wusste ich gar nicht, von dieser Reise hast du nichts erzählt.«

»Es ist lange her«, antwortete Malwine.

»Wissen Sie noch, was Sie sich vom Taschengeld gekauft haben?«, erkundigte Emilia sich interessiert.

»Ja, einen kleinen, alten Handspiegel, den wir in einem vollgekramten Trödlerladen entdeckt hatten. Auf der Rückseite ist er mit winzigen Perlen und Glassteinchen besetzt. Ich habe ihn immer noch und freue mich darauf, ihn später einmal meiner Rose zu schenken, wenn sie ihn gern leiden mag.«

»Das tut sie bestimmt«, antwortete Emilia eifrig. »Es ist schön, etwas von seiner Mutter zu haben, von dem man weiß, dass es ihr viel bedeutet hat.«

Malwine nickte verständnisvoll, und ein wehmütiger Schatten glitt über ihr Gesicht. Sie war von Afras Schwester und deren Mann adoptiert und liebevoll großgezogen worden, aber von ihrer leiblichen Mutter wusste sie nicht einmal den Namen. Vielleicht deshalb war der Wunsch nach einem eigenen Kind so stark in ihr, und sie würde alles tun, damit dieses Kind in einer glücklichen Familie aufwachsen konnte.