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Das Lehrstück vom Stern von Betlehem befindet sich vollkommen auf der Höhe des damaligen astronomischen Wissens. Die Sterngeschichte aus dem Matthäusevangelium stellt solchermaßen ein Bindeglied zwischen den Astronomen Hipparch und Ptolemäus dar. Aus der Präzession der Äquinoktien folgte, dass etwa alle 2000 Jahre ein Wechsel des Nordsterns fällig wird. Um dies kundzutun, reisten die Magier nach Jerusalem.
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Seitenzahl: 59
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Zielgruppe:
Theologen, Religionswissenschaftler, Exegeten, Naturwissenschaftler, Astronomen, Astronomiehistoriker, Astrologen und interessierte Laien
Eine Hauptaufgabe der Verschwörung im Zeichen des Wassermanns besteht darin, Paradigmenwechsel dadurch zu unterstützen, dass wir auf die Fehler alter Paradigmen hinweisen und zeigen, inwiefern der neue Kontext mehr erklärt und sinnvoller ist. (M. Ferguson 1982)
We have to approach the problem through the eyes of the magi. (M. Hoskin 2002)
Den Stern wird immer ein Geheimnis umgeben. (G. Maier et al. 2015)
1 Einführung
2 Die vier Evangelisten
2.1 Markus
2.2 Lukas
2.3 Johannes
2.4 Matthäus
2.5 Die Kindheitsgeschichten bei Matthäus und Lukas
3 Das Vorbild für Mt 2,1-23
3.1 Die „Strategie“ des Evangelisten
3.2 Die erste Erwähnung des Sterns
4 Das Voranschreiten des Frühlingspunkts
4.1 Der Nord- oder Polarstern
5 Der Nordstern als Stern von Betlehem
5.1 Die zentrale Beschreibung des Sterns
5.2 Die Zeit der Geburt
6 Zusammenfassung
7 Das Wassermannzeitalter
7.1 Die Santillana-Regel
Literatur
4.1 Giorgio de Santillana
4.2 Ursa Minor Konstellation (Kleiner Bär).
4.3 Das Gradnetz der Erde: Breiten- und Längengrade.
4.4 Die Präzession der Äquinoktien.
4.5 Das Fresko Mithras Tauroctonus in Marino
4.6 Die „Kandidaten“ für den Nordstern in 24.000 Jahren
5.1 Die Messung der Himmelsrichtung mit Hilfe des Nordsterns
5.2 Höhe des Nordsterns und Breitengrad des Beobachters
5.3 Die Jupiter-Saturn-Konjunktion am 4. Juni 7 v.Chr.
5.4 Die Jupiter-Saturn-Konjunktionen v.Chr.
5.5 Der Stern Kochab am 4. Juni 7 v.Chr.
5.6 Der Stern Kochab am 4. Juni 5 v.Chr.
7.1 Konjunktionen zwischen Jupiter und Saturn
Abk.
Abkürzung
Apg
Apostelgeschichte
GPS
The Global Positioning System
Jes
Buch Jesaia
Jh.
Jahrhundert
Joh
Evangelium nach Johannes
Jt.
Jahrtausend
Lk
Evangelium nach Lukas
m
mag (Helligkeitseinheit)
Mi
Buch Micha
Mk
Evangelium nach Markus
Mt
Evangelium nach Matthäus
NN
nicht nominiert
NT
Neues Testament
Num
Buch Numeri
o.g.
oben genannt
o.J.
ohne Jahr
Phil
Brief des Apostels Paulus an Philemon
SvB
Stern von Betlehem
u.E.
unseres Erachtens
URL
Uniform Resource Locator
u.U.
unter Umständen
Die Metaphern vom Stern und von Sternen werden im Deutschen oft und gerne verwendet. Wenn es z.B. über einen Tennisspieler heißt, er spiele „wie vom andern Stern“, ist eine außergewöhnliche Leistung bezeichnet, die außer-, ja überirdisch ist. Ebenso geht „ihr oder sein Stern auf“, bedeutet, der- oder diejenige rückte zunehmend ins Rampenlicht, feierte Erfolge usw. Im Schlager „Ein Stern, der Deinen Namen trägt“ schwingt die große Wertschätzung mit, die gerade dem einen geliebten Menschen entgegengebracht wird, des „Augensterns“. Auch negative Konnotationen sind möglich, etwa wenn eine Reise oder ein Geschäft von Anfang an „unter keinem guten Stern“ stehen. Künftiges steht schließlich „in den Sternen“, ist also gänzlich ungewiss. In dieser Weise war auch der Stern von Betlehem, der hauptsächlich als Stern des Messias und Glücksstern verstanden wurde, als astrologisch-astronomischer Brennpunkt vielfältigen Projektionen und Spekulationen ausgesetzt.
Im Oktober 2014 fand an der Universität Groningen (Niederlande) ein dreitägiges internationales Kolloquium mit dem Titel „The Star of Bethlehem: Historical and Astronomical Perspectives“ statt. Eingeladen waren 19 Spezialisten aus den Gebieten Astronomie und Geschichte der Astronomie, Alte Geschichte, Religion, Gesellschaft und Kultur, welche die verschiedensten Aspekte des Sterns von Betlehem1 diskutierten. Aus dieser Veranstaltung ging 2015 der von P. Barthel und G. van Kooten herausgegebene Band „The Star of Bethlehem and the Magi“ hervor.2 Barthel ist ein Astronomieexperte, van Kooten Theologe und Spezialist für das Neue Testament.
Eine hilfreiche Zusammenstellung der „Kandidaten“ für den Stern von Betlehem aus 2000 Jahren bietet D. Hughes in seinem Beitrag „Astronomical Thoughts on the Star of Bethlehem“.3 Das Spektrum reicht von Kometen über Novae und Supernovae bis hin zu Planeten – speziell Mond, Venus, Mars, Jupiter, Saturn und Uranus – und deren mannigfachen Stellungen (Konjunktionen, Okkultationen). Es fällt auf, dass sich kein einziger „normaler“ Stern auf dieser Liste befindet. Hughes selbst, der den Stern von Betlehem für „real“ hält, entschied sich für die Konjunktion von Jupiter und Saturn im Jahre 7 v.Chr., und hierbei für den Jupiter als Stern von Bethlehem.4
Trotz des enormen Aufwands und der Hinzuziehung international anerkannter Fachleute war das Ergebnis des Kolloquiums – bis auf einige Richtigstellungen – mehr als ernüchternd. In ihrem Epilog kamen die Herausgeber über eine schiere Zusammenfassung der Beiträge nicht hinaus. Dabei unterschieden sie drei Sichtweisen:
eine
skeptische
, derzufolge alles – die Erzählung und der Stern – Fiktion sei,
eine
minimalistische
, heißt, entweder Magier ohne Stern oder aber Stern ohne Magier, wobei bei letzterer Variante auf die Dreifachkonjunktion von 7 v.Chr. bzw. auf Halley’s Komet von 66 n.Chr. rekurriert wurde, und
eine
maximalistische
, die alles zugesteht, sich beim Stern freilich wieder an die Konjunktionstheorie von 2. anlehnt.
5
Der Stern von Betlehem ist und bleibt ein Enigma, das seit nunmehr 2.000 Jahren Myriaden von Forschern fasziniert und in seinen Bann gezogen hat. Bis dato vermochte jedoch keine Erklärung zu überzeugen und allgemeine Akzeptanz zu finden. Auch der vorliegende Versuch erhebt nicht den Anspruch, der letzte und von Erfolg gekrönte zu sein. Es wird jedoch eine Deutung vorgelegt, die sich in einer weitestgehenden Übereinstimmung mit dem Matthäischen Urtext befindet, was bei vorherrschenden Deutungen – die prominenteste natürlich die Konjunktion – oft nicht der Fall ist.
Der Geistliche C. Wrembek hat drei Fachgebiete benannt, in denen sich auskennen muss, wer auf der „Heeresstraße“ der Stern-von-Betlehem Forscher mitgehen möchte: „der der Exegese, der der Geschichtswissenschaft und der der Astronomie [...] Und der wichtigste [...] ist dabei der exegetische [...]“6 Die vorliegende Interpretation bezieht sich wieder auf den ursprünglichen Wortlaut: Bei Matthäus ist schlicht und einfach von einem „Stern“ die Rede (ho astēr) – ohne jeglichen Zusatz. Aufgrund dieses Befundes dürften Himmelskörper wie Kometen oder Planeten und folglich auch Planetenkonstellationen u.ä. a priori ausscheiden.7 Damit fällt auch die berühmte Jupiter-Saturn-Konjunktion aus dem Jahr 6 / 7 v.Chr. als Referenz für den Stern weg.
Es gilt, sich von der Vorstellung eines „außergewöhnlichen“ Sterns oder einer sonstigen spektakulären Erscheinung am Himmel zu verabschieden. Gesucht wird vielmehr ein normaler Stern, eine gewöhnliche, jedem vertraute Erscheinung. Freilich wird es mit dem von uns behaupteten Nord- oder Polarstern in einer anderen Hinsicht eine besondere Bewandtnis haben.
1 Gelegentlich auch mit SvB abgekürzt.
2Barthel und Kooten 2015.
3 ebd., S. 119-134.
4 ebd., S. 133. Eine tabellarische Zusammenstellung möglicher Kandidaten findet man auch bei ebd., S. 87.
5 ebd., S. 649.
6Wrembek 2011, S. 27.
7 „alone, as in the case of the English ’star’ or Latin stella, it means only ’star’, not ’shooting star’ or ’comet’.“ (allein, wie im Fall des englischen ’star’ oder des lateinischen stella, meint es [das Wort aster ] ausschließlich ’Stern’, nicht ’Sternschnuppe’ oder ’Komet’.) (Barthel und Kooten 2015, S. 246 u. schon Wrembek 2011, S. 13; alle künftigen Übersetzungen der englischen Zitate ins Deutsche von F. K.). Ebenso sind Planeten, deren retrograde Bewegungen oder Planetenkonjunktionen auszuschließen (vgl. Barthel und Kooten 2015, S. 247-251).