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Das Leben ist kurz. Manchmal verdammt kurz. Und die Liebe? Angeblich hört sie nie auf. Genau das kann lebensgefährlich werden …
Felix Gessler glaubt, die große Liebe gefunden zu haben. Aber seine Maria ist keine Heilige und ein schlimmes Rätsel. Sie beschert ihm Kontakt zur Mafia und eine Krankenhauseinweisung, sie hungert ihn in der Warteschleife aus. Dennoch bleibt er ihr auf den Fersen – ebenso sehnsüchtig wie ergebnislos. Fatalerweise lädt er zu allem Überfluss eine Wienerin ein und sich auf: Tabea, die genau weiß, was sie will. Allzu genau für unseren Helden.
Ein Roman über ein Dreieck mit drei Unbekannten, über schwindlige Märchenerzähler und über Menschen, von denen man alles glauben kann – nur nicht das, was sie sagen …
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Veröffentlichungsjahr: 2023
Rolf Stolz
Der Stürzer
Roman
Neuauflage
Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv
Cover: © Bärenklau Exklusiv nach Motiven, 2023
Korrektorat: Bärenklau Exklusiv
Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Inhaltsverzeichnis
Impressum
Das Buch
Der Stürzer
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Nachtrag
Rolf Stolz
Weitere Werke des Autors
Das Leben ist kurz. Manchmal verdammt kurz. Und die Liebe? Angeblich hört sie nie auf. Genau das kann lebensgefährlich werden …
Felix Gessler glaubt, die große Liebe gefunden zu haben. Aber seine Maria ist keine Heilige und ein schlimmes Rätsel. Sie beschert ihm Kontakt zur Mafia und eine Krankenhauseinweisung, sie hungert ihn in der Warteschleife aus. Dennoch bleibt er ihr auf den Fersen – ebenso sehnsüchtig wie ergebnislos. Fatalerweise lädt er zu allem Überfluss eine Wienerin ein und sich auf: Tabea, die genau weiß, was sie will. Allzu genau für unseren Helden.
Ein Roman über ein Dreieck mit drei Unbekannten, über schwindlige Märchenerzähler und über Menschen, von denen man alles glauben kann – nur nicht das, was sie sagen …
***
Dass du nicht enden kannst …
Der Riss beginnt am ersten Tag. Vielleicht beginnt er bei allen am ersten Tag.
Der Mann hatte einen scharfen Blick, weniger auf sich selbst, als auf die restliche Menschheit. Er hatte an diesem Morgen das geradezu historische Kaffeehaus Rizzi betreten, den Kellner und einen flüchtigen Bekannten verhalten gegrüßt, einen Dicken mit langen Haaren und Mittelzähnen mit viel Freiheit rechts und links, eine rote Mütze unverdrossen auf dem Kopf, hatte seine schwarze Lederjacke anbehalten, von der man glaubt, sie sei mit Abzeichen geschmückt, aber es sind nur Farbkleckse, sitzt am Tisch für die Rauswurfkandidaten, schon halb draußen.
Der Mann hatte sich im hinteren Hintergrund installiert, unauffällig alle beobachtend, von kaum einem bemerkt. Zumindest glaubte er, dass seine Observationen nicht auffielen, und wenn doch, so war es ihm herzlich egal. In der nächsten halben Stunde wurde er nicht gestört, konnte halb und halb in der am Morgen erworbenen Tageszeitung vor ihm blättern und lesen, sich an die Nase greifen und verstohlen mit einem Zahnstocher nach einem hartnäckig in einer engen Zahnlücke eingeklemmten Fleischbrocken stochern.
Dann änderte sich alles. Eine Frau betrat die Szenerie. Die Frau, wie er sofort zu erkennen glaubte – sein Schicksal: Vollkommen akzeptables mittleres Alter, krause dunkle Haare, eine knallrote Protest- und Provokationsbluse, ein leicht geschürzter Kussmund. Sie schien – warum auch immer – einen ihr geeignet erscheinenden Platz zu suchen. Nach kurzem Zögern setzte sie sich drei Meter von ihm entfernt, aber in seinem Rücken, ans Fenster. Da er wenig Lust verspürte, sich immer mal wieder zu ihr umzuwenden, stand er auf und wechselte auf den zweiten Stuhl an seinem Tischchen. Er glaubte bei ihr ein schwaches Lächeln zu bemerken, aber vielleicht bildete er es sich auch nur ein, um seiner Eitelkeit aufzuhelfen. Jedenfalls hatte er sie jetzt voll im Blick.
Sie bestellte sich eine Tasse Kaffee und einen trockenen Grünen Veltliner. Als aber die beiden Getränke eintrafen, blieben ihre Lippen erst einmal pulvertrocken. Nach vielleicht zehn Minuten – er hatte nicht aufgehört hinüber zu starren, teils verstohlen, teils ultradreist – nippte sie kurz an der Tasse. Dabei blieb es. Sie presste den rechten Daumen unter ihr Kinn und lächelte vor sich hin. Dann stützte sie sich auf dem Tisch ab, den Kopf zwischen Daumen und Zeigefinger der linken Hand, faltete danach beide Hände kurz in der Luft, ließ sie herabfallen, legte den linken Mittelfinger an ihre linke Wange, ballte die Rechte zur Faust und bedeckte mit ihr ihre Lippen.
Als der Wein in etwa die Temperatur des Kaffees erreicht haben musste, probierte sie ein mattes Schlückchen, verzog kurz das Gesicht und stellte das Glas energisch wieder zurück. Insgesamt wirkte sie wie versteinert, ohne innere und äußere Regung. Gerade das begeisterte ihn. Er beschloss, alles auf den Angriff zu setzen. Das Glück lag auf dem Handrücken, man musste die Vorderpfote nur schnell genug drehen, um es zu packen zu bekommen.
»Ich habe Sie beobachtet. Sie sind sehr konzentriert.«
»Sie haben mich beobachtet? Ich habe es gar nicht bemerkt. Wie unaufmerksam von mir.«
»Sie lieben es zu spotten.«
»Ich spotte nie, das wäre Zeitverschwendung. Genauso wie ein sinnloses Gerede, nur um die Zeit totzuschlagen.«
»Das war ja gerade mein Eindruck: Sie sind konzentriert auf das Leben, auf den Augenblick.«
»Ach so? Schon wieder etwas, was ich nicht mitbekommen habe. Wo das Leben doch in einem Augenblick vorbei sein kann. Ein Schlenker mit dem Steuerrad, krach-bumm und der Alleebaum zerteilt die Wirbelsäule.«
»Das stimmt. Wenn Sie nicht lauthals protestieren, würde ich gerne ein wenig mit Ihnen plaudern.«
»Im Stehen?«
»Nur wenn Sie mir verweigern, an Ihrer Seite zu sitzen.«
»Ich verweigere es Ihnen. Sie dürfen sich ganz kurz an diesen Tisch platzieren – so weit weg von mir wie eben machbar. Wir werden uns konsequent anschweigen.«
»Danke, ich lasse mich nieder und bin still.«
Tatsächlich schwiegen sie zwei oder drei Minuten lang. Dann lachte sie auf: »Unglaublich, Sie können mal die Klappe halten, jedenfalls kurz. Das hätte ich Ihnen nicht zugetraut. Sie sind im Grunde ein schwatzhafter Windbeutel.«
»Eher ein Windhund. Schnell hin und schnell weg.«
»Wie auch immer. Jedenfalls kann ich Sie nicht verhören und aushorchen, wenn Sie die Zähne nicht auseinanderbekommen.«
»Was wollen Sie von mir wissen?«
»Alles.«
»Das ist ziemlich viel. Aber na gut. Womit soll ich beginnen?«
»Mit dem Anfang, wie Sie schon als Säugling Ihre Eltern gehasst haben und sie umbringen wollten.«
»Sie haben recht. Das war mein erster Gedanke. Aber woher wissen Sie das? Haben wir schon auf der Geburtsstation miteinander gesprochen?«
»Auch. Ich kenne Sie schon länger, aber immer noch nicht gut genug.«
»Mir geht das auch so. Schon seit Jahren wollte ich dich fragen, warum du deinen Kaffee und deinen Wein nie austrinkst.«
»Ach, der Herr versucht es mal auf die plump vertrauliche Tour. Dieses Jahr wird es nichts mehr mit dem DU. Allenfalls nächstes Jahr zu Silvester. Woher wollen Euer Hochwohlgeboren überhaupt wissen, ob ich nicht in der nächsten Minute das alles in mich hineinschütte, nur um die dumme Prognose zu widerlegen.«
»Das stimmt. Hauptsache, Sie schauen nicht in sich hinein. Wer in sich hineinschaut, hat nur ein kurzes Leben.« Erneutes Schweigen. Er wusste, dass das jetzt ein kleiner Härtetest werden würde: Wer hält länger die Luft an … Wieder einmal war er der Unterlegene. »Du bist … Sie sind mir über. Ich musste einfach wieder zurück an die Oberfläche. So viel Atem wie Sie habe ich nicht. Sie sind eine Rekordschweigerin.«
»Manchmal. Bei manchen Leuten rede ich einfach so drauflos. Aber Sie wollen bestimmt noch eine Antwort auf Ihre impertinente Frage.«
»Ja, grundsätzlich schon.«
»Hm. Und wenn ich selbst noch nach einer Antwort suche?«
»Schön für Sie. Aber dann bin ich immer noch nicht schlauer.«
»Sagte der Narr und rieb sich die Nase. Leider müssen wir unsere tiefschürfende Debatte vertagen. Ich muss los. Da der Herr immer für die Dame aufkommt, dürfen Sie meine Rechnung mitbezahlen.«
»Aber nur, wenn wir uns wiedersehen.«
»Keine Konditionen. Ich akzeptiere nur bedingungslose Liebe und unbedingten Gehorsam. Alles ganz oder nullkommanix.«
»Einverstanden. Aber nur, wenn wir uns wiedersehen. Ich heiße Felix Gessler.«
»So, so. Ihr Hut hängt immer noch an der Stange.«
»Ignorieren Sie ihn, aber sagen Sie mir endlich, wann und wo wir uns wiedersehen.«
»Was weiß ich denn? Bin ich Jesus oder Jesa? Vielleicht hier, vielleicht dort. Vielleicht morgen, vielleicht nie. Aber ich verplaudere mich schon wieder. Ich muss jetzt wirklich auf die Piste. Bis dann und Adieu. Und schön brav für mich bezahlen.«
»Sag mir wenigstens, wie du heißt.«
»Ach, ich. Nenne mich meinetwegen Magda aus Magdala.« Und damit war sie durch die Tür.
Felix hatte erst noch überlegt, ihr sofort zu folgen, das dann aber verworfen. Nicht, weil man ihn für einen Zechpreller halten könnte – als Stammgast in dieser Lokalität konnte er sich Kurzzeitabsencen und kleinere Eskapaden leisten. Aber Frauen nachzulaufen war generell eine schlechte Strategie und allenfalls angesagt für um Futter, Streicheln und Mitleid bettelnde Hunde. Also blieb ihm nichts übrig, als – den Kopf voller Fragezeichen und Ausrufezeichen – missmutig die gemeinsame Rechnung als bislang einzige Gemeinsamkeit zu betrachten, das seltsame Erlebnis mit einer seltsamen, aber immerhin ungewöhnlichen und nicht uninteressanten Person im Rückspiegel zu analysieren und auf eine glückliche Fortsetzung zu hoffen.
Eigentlich hatte er für den folgenden Tag eine Urlaubswoche geplant. Die strich er prompt. Am Telefon zankte er sich herum mit einem Hotelier, der diese plötzliche und verspätete Stornierung nicht akzeptieren wollte und mit Regressforderungen drohte: »Bei mir ist eh nichts zu pfänden. Ich habe letzte Woche meinen Privatkonkurs angemeldet. Da glotzen Sie in die Röhre.« Als der Hotelmensch entnervt das Gespräch abbrach, beglückwünschte Felix sich zu seiner taffen Erfindungsgabe.
In den nächsten Tagen kam er jeden Tag ins Rizzi. Sein Vorwand war, dass er gemütlich bei seinem üblichen Frankenwein endlich seine Steuerabrechnung fertigstellen wollte. Er breitete nebst einem Klebestift, einem Locher und einer Heftzange mehrere Klarsichthüllen, farbige Mappen und einige Häufchen mit Belegen auf dem Tisch aus. So schien es ihm gesichert, dass irgendwelche zufällig auftauchende Freundchen keine Lust verspüren würden, sich zu ihm zu setzen, ihn zuzutexten und ihn in seinen Tagträumen und taktisch-strategischen Überlegungen zu stören. Die Steuern erledigte er nur nebenher, schematisch und schluderig, weil seine Gedanken nahezu ununterbrochen darum kreisten, mit welchen Netzen und verlockenden Fallen er dieses so scheue und schwierige Vöglein fangen könne.
Es blieb bei den Plänen, denn die Woche über tauchte sie nicht auf. Er betrachtete das wie zersprungene Gesicht einer fetten Frau am Nebentisch. Sie hatte ihren Strohhut neben sich auf den Tisch gelegt. Es reicht, dachte er sich. Diese Alte kann mich mal. Ich bin doch nicht ihr Heiopei. Also machte er am Sonntag einen Ausflug ins Vorgebirge, wanderte einsam solange ihn die Füße trugen und noch weiter, bis er schließlich wieder sein Auto erreicht hatte, sich in den Fahrersitz fallen ließ und erst einmal eine Runde schlafen musste.
Am Montag machte er weiter mit seinen Pilgergängen ins Rizzi. Schon bei der Bestellung seines üblichen Sprits fragte er den Kellner, ob die Dame von neulich wieder einmal aufgetaucht sei. »Sie meinen die, für die Sie neulich mitbezahlt haben? Das Mal, wo Sie sich entschuldigt haben, dass es gerade so reicht und nichts fürs Trinkgeld übrig bleibt? Aber sicher, die war doch erst gestern hier.«
»Aha, na dann kommt sie vielleicht heute. Wie die Frauen so sind.« Aber, wie er es im Grunde erwartet hatte, heute blieb sie aus purer Bosheit weg. Als ob sie ihn heimlich aus einem Gebüsch im Park auf seinem Weg ins Rizzi beobachtet hatte und feixend beschloss: Den lasse ich noch etwas schmoren.
Der Kellner kam kassieren, weil er heute eher Schluss machte und vom Kollegen Metzeler vertreten wurde. Felix beschloss, bei der Sonderzuteilung ausnahmsweise großzügiger zu sein, in der Hoffnung auf Gegenleistung: »Sagen Sie mal, Sie kennen doch Gott und die Welt. War die Lady neulich das erste Mal hier oder ist sie Ihnen sonst schon mal untergekommen?«
»Untergekommen nicht gerade, aber gesehen habe ich sie schon vorher. Auch hier, aber selten.«
»Und?«
»Ja, was soll ich sagen, ich weiß nicht. Sie sieht fesch aus, hat immer was Neues an. Und sie steht auf saftige Farben. Keine graue Maus.«
»Fein beobachtet. Das ist mir auch schon aufgefallen. Und sonst?«
»Ja, sie kommt immer allein und geht allein weg. Manchmal hat sie eine Zeitung dabei oder ein Buch. In die Zeitung schaut sie kaum hinein. Die lässt sie auch immer liegen. Die Bücher manchmal auch, aber manchmal nicht.«
»Was für Bücher?«
»Alles Mögliche, dies und das. Krimis, Liebesromane, was über Außerirdische. Ich denke, es sind gebrauchte Bücher vom Flohmarkt oder aus der Wühlkiste. Manchmal standen Namen drin, meist Männer, auch solche Sprüche wie ›Meiner lieben Nichte Adelheid zu Weihnachten 1944 von ihrem alten Onkel‹.«
»Hat sie denn nie mit jemandem hier gesprochen?«
»Eigentlich nicht, jedenfalls nicht mit mir. Abgesehen vom Gruß und der Bestellung. Allerdings hat sie oft telefoniert, aber immer nur kurz. Ich hatte das Gefühl, dass die Gespräche nicht so liefen, wie sie es wollte und dass sie mitten im Gespräch abgebrochen hat. Dann hat es noch mal geklingelt und sie hat auf STUMM geschaltet.«
»Aber was sie sonst so treibt, ich meine beruflich, wissen Sie nicht? Und wo sie wohnt?«
»Keine Ahnung. Vielleicht lebt sie von einer Erbschaft oder von einem netten Millionär. Aber sie könnte Lehrerin sein, weil sie nie am Vormittag kommt, dafür ganze Nachmittage hier herumsitzt. Bloß, die Lehrer bringen immer mal wieder ihren Korrekturkram mit oder wie Sie letztens gleich ihr halbes Büro. Sie hat das nie gemacht. Schriftstellerin kann sie eigentlich auch nicht sein, die kommen mit ihrem kleinen schwarzen Büchlein und notieren sich andauernd irgendwelches Zeug. Die glotzen dich quer durch die Brille an, um sich über deinen Haarschnitt zu verbreiten oder über den Fleck auf deinem Ärmel oder sie starren ins Leere und warten auf den Geistesblitz. Ich kann bei ihr nur Heiteres Beruferaten machen.«
»Ja, sie ist ein Rätsel.« Er dankte für die erhaltene Aufklärung und plauderte noch kurz mit dem Bedienexperten über die Arbeitszeiten von elf bis drei und nach drei Stunden weiter bis in den Abend, das sei doch familienfeindlich.
»Ach, halb so schlimm, wenn ich am Nachmittag bei meinen Kindern bin, sind sie noch frisch, und ich bin es auch. Abends falle ich meist halbtot ins Bett. Deshalb nehme ich mir auch immer nachmittags ein Stündchen Zeit für meine Frau.«
Felix schrieb an diesem Tag abends in sein Tagebuch: Ich weiß, wenn ich nicht so ein Eimer mit Ohren wäre, müsste ich spätestens heute die Reißleine ziehen. Sind mir wieder einmal reichlich rote Lämpchen angesteckt worden, vollfette Warnsignale kurz vor der Absturzkante, ohne dass ich die Kurve kriege? Diese Frau macht mich alle, und ich habe sie noch nicht einmal am Haken. Aber das ist es gerade, dass ich nicht an sie herankomme und sie unbedingt haben will.
In der nächsten Woche war er wieder nachmittags und abends im Rizzi. Hier hatte er jetzt seinen Hochsitz aufgeschlagen, die Flinte auf den Knien. Aber keine Chance auf das Rehlein oder die Wildsau.
In sein Tagebuch schrieb er: Ich sitze mir Schwielen an den Hintern, verplempere Zeit und Geld im Rizzi. Alle paar Tage muss ich mir das Gesabber von Wolfgang Knurps anhören, der aus unserer einstigen Schulkameradschaft sein Recht ableitet, mir seine akuten Magenprobleme und seine permanenten Eheprobleme episch breit aufzutischen, sich fröhlich entleert und dann noch meine Expertenmeinung zu all dem hören will. Ehe ich mich mal revanchiere und vor seinen entsetzten Augen mitten im Rizzi mich auskacke, sollte ich den Laden boykottieren und ein paar Wochen lang wegbleiben. Das Oberleibchen, das ich mir für Wolfi ausgedacht habe, schicke ich ihm nach Hause. Ohne Absender, nur mit einem wichsigen Zettel VON EINEM VEREHRER und dazu das Präsent frisch aus dem Druckladen: nachtschwarz, hinten und vorne mit dicker weißer Schrift ICH WAR ALS KIND SCHON SCHEISSE.
Er hatte die Rizzi-Warterei an den Nagel gehängt und stromerte ziellos durch die Stadt – getrieben von der frommen Gewissheit, mit Gottes und des Teufels Hilfe werde das Schicksal ihm diese Verschwundene zutreiben. Nur standen wahrscheinlich mal wieder die Sterne schief, und es wurde nichts mit der urplötzlichen Zufallsbegegnung: »Das ist aber eine Überraschung – wir haben doch neulich so nett im Rizzi geplaudert.« Seine präparierten Sprüchlein konnte er sich sparen und die Süßholzraspel musste er gar nicht erst hervorholen. Eigentlich war er kurz davor, sich ein neues Objekt der Begierde zu suchen. Er hatte sogar schon einen im ersten Anlauf zunächst ergebnislosen Flirt mit einem etwas flachbrüstigen Blumenmädchen begonnen. Aber dann wurden die Karten neu gemischt.
Wolfgangerl Knurps war ihm über den Weg gelaufen und hatte ihn auf ein Weinchen ins Rizzi eingeladen, jetzt und gleich, es sei ihm wichtig: »Du hast Glück, du glücklicher Felix, dass ich heute in Spendierlaune bin.
