Der Tod und das Leben danach - Samuel Scheffler - E-Book

Der Tod und das Leben danach E-Book

Samuel Scheffler

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Beschreibung

Wie würden Sie reagieren, wenn Sie wüssten, dass 30 Tage nach Ihrem Tod die Erde und damit alles Leben auf ihr unwiederbringlich zerstört würden? Würde dieses Wissen die Art und Weise, wie Sie Ihr Leben führen, beeinflussen? Das ist das Gedankenexperiment, zu dem uns der amerikanische Philosoph Samuel Scheffler in seinem faszinierenden Buch einlädt. Er zeigt, dass ein solches Wissen weitreichende Folgen für unser Leben hätte – nichts wäre mehr wie zuvor! In ebenso luziden wie psychologisch verblüffenden Analysen, die immer wieder auf geniale Weise Beispiele aus der Populärkultur heranziehen, zeigt Scheffler, dass ein solches Wissen um den Untergang der Menschheit den Wert zahlreicher unserer Tätigkeiten in Frage stellen würde: Die langfristige medizinische Forschung nach einer Krebstherapie verlöre ihren Sinn, aber auch der Kampf gegen den Klimawandel oder der Einsatz für internationale Gerechtigkeit. Und würden wir noch Kunstwerke schaffen, Traditionen und Bräuche pflegen, uns verlieben, Kinder kriegen? Wohl kaum. Vielmehr steht zu befürchten, dass gesellschaftliche Regeln und Konventionen nicht mehr beachtet würden und anarchische Zustände drohten, wie Scheffler anhand des Romans Children of Men von P. D. James und seiner Verfilmung vorführt. Könnte es daher sein, dass uns das Überleben der Menschheit wichtiger ist als unser eigenes? Und was folgt daraus für unser Denken und Handeln in der Welt von heute? Ein kleines philosophisches Meisterwerk, das unser eigenes Leben in einem ganz anderen Licht erscheinen lässt.

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Seitenzahl: 182

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Wie würden Sie reagieren, wenn Sie wüssten, dass 30 Tage nach Ihrem Tod die Erde und damit alles Leben auf ihr unwiederbringlich zerstört würden? Würde dieses Wissen die Art und Weise, wie Sie Ihr Leben führen, beeinflussen? Das ist das Gedankenexperiment, zu dem uns der amerikanische Philosoph Samuel Scheffler in seinem faszinierenden Buch einlädt. Er zeigt, dass ein solches Wissen weitreichende Folgen für unser Leben hätte – nichts wäre mehr wie zuvor.

In ebenso luziden wie psychologisch verblüffenden Analysen, die immer wieder auf geniale Weise Beispiele aus der Populärkultur heranziehen, zeigt Scheffler, dass ein solches Wissen um den Untergang der Menschheit den Wert zahlreicher unserer Tätigkeiten in Frage stellen würde: Die langfristige medizinische Forschung nach einer Krebstherapie verlöre ihren Sinn, aber auch der Kampf gegen den Klimawandel oder der Einsatz für internationale Gerechtigkeit. Und würden wir noch Kunstwerke schaffen, Traditionen und Bräuche pflegen, uns verlieben, Kinder kriegen? Wohl kaum. Vielmehr steht zu befürchten, dass gesellschaftliche Regeln und Konventionen nicht mehr beachtet würden und anarchische Zustände drohten, wie Scheffler anhand des Romans Children of Men von P.D. James und seiner Verfilmung vorführt.

Könnte es daher sein, dass uns das Überleben der Menschheit wichtiger ist als unser eigenes? Und was folgt daraus für unser Denken und Handeln in der Welt von heute? Ein kleines philosophisches Meisterwerk, das unser eigenes Leben in einem ganz anderen Licht erscheinen lässt.

Samuel Scheffler, geboren 1951, ist Professor für Philosophie und Recht an der New York University. Er ist Mitherausgeber der einflussreichen amerikanischen Zeitschrift Philosophy and Public Affairs sowie Mitglied der American Academy of Arts and Sciences.

Samuel Scheffler

Der Tod und das Leben danach

Aus dem Amerikanischenvon Björn Brodowski

Suhrkamp

Death and the Afterlife – The Berkeley Tanner Lectures erschien zuerst in englischer Sprache 2013. Die Übersetzung erscheint mit freundlicher Genehmigung der Oxford University Press.

Death and the Afterlife – The Berkeley Tanner Lectures was originally published in English in 2013. This translation is published by arrangement with Oxford University Press.

Copyright © in this volume The Regents of the University of California 2013

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2015

Der vorliegende Text folgt der Erstausgabe, 2015

© dieser Ausgabe Suhrkamp Verlag Berlin 2015

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.

Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

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Umschlaggestaltung: Hermann Michels und Regina Göllner

eISBN 978-3-518-74108-5

www.suhrkamp.de

Inhalt

Danksagung

Vorlesung 1:Das Leben nach dem Tod (Teil I)

Vorlesung 2:Das Leben nach dem Tod (Teil II)

Vorlesung 3:Angst, Tod und Vertrauen

Namenregister

Danksagung

Die ersten beiden in diesem Band enthaltenen Vorlesungen, die gemeinsam den Titel »Das Leben nach dem Tod« tragen, habe ich im März 2012 im Rahmen der Tanner Lectures on Human Values an der University of California in Berkeley gehalten. Mein tiefer Dank gilt dem Komitee der Tanner Lectures für die Einladung, diese Vorlesungen zu halten, sowie der Tanner Foundation für ihre großzügige Unterstützung.

Während der Vorbereitung dieser Vorlesungen habe ich davon profitiert, unterschiedliche Versionen des Materials an verschiedenen Orten vorstellen zu können; dazu gehören eine Konferenz der Universität Island, Institutskolloquien in Harvard und an der UCLA, das Colloquium on Legal, Political, and Social Philosophy an der NYU Law School, das Colloquium in Legal and Social Philosophy am University College London und mein Doktorandenseminar an der NYU im Herbst 2010. Eine Version habe ich darüber hinaus 2011 als John Passmore Lecture der Australian National University gehalten. Ich danke den Teilnehmern dieser Veranstaltungen sowie den Zuhörern in Berkeley für die wertvollen Diskussionen, die zu zahlreichen Verbesserungen geführt haben. Ich erinnere mich, dass ich dabei im Speziellen Selim Berker, Eugene Chislenko, Ronald Dworkin, Samuel Freeman, Pamela Hieronymi, Dale Jamieson, Hyunseop Kim, Christine Korsgaard, Liam Murphy, Thomas Nagel, Derek Parfit, Philip Pettit, Adam Scheffler, Michael Smith und David Wiggins zu Dank verpflichtet bin. Besonders dankbar bin ich Monika Betzler, Agnes Callard, Ruth Chang, Hannah Ginsborg, Stephen Guest, János Kis, Orsolya Reich, John Tasioulas und Katja Vogt für ihre lehrreichen schriftlichen Kommentare.

Die dritte Vorlesung (»Angst, Tod und Vertrauen«) habe ich ursprünglich für eine im Oktober 2011 an der University of Chicago stattgefundene Konferenz über das Vermächtnis der Philosophie von Bernard Williams geschrieben. Diese Vorlesung schließt sich auf natürliche Weise an die ersten beiden an, sodass sie zusammen genommen ein einheitliches Ganzes bilden. Ich danke Jonathan Lear, dem Veranstalter der Konferenz in Chicago, für seine Einladung. Verschiedene Versionen der dritten Vorlesung habe ich außerdem im Rahmen von Institutskolloquien der CUNY, des Union College, der Ohio University, der Rutgers University, der Universität Bern und der University of Pennsylvania gehalten. Ich danke allen Teilnehmern dieser Veranstaltungen für ihre Fragen und Einwände sowie Agnes Callard, Jonathan Lear, Matthew Lister, Katja Vogt und Mark Wunderlich für ihre hilfreichen schriftlichen Kommentare.

Zuletzt bin ich Harry Frankfurt, Seana Shiffrin und Susan Wolf zu erheblichem Dank für ihre öffentlichen Kommentare anlässlich der ersten beiden Vorlesungen in Berkeley verpflichtet. Ich danke ihnen sehr für die Zeit und Aufmerksamkeit, die sie meinem Werk geschenkt haben. Besonderen Dank schulde ich Niko Kolodny für seine wertvollen schriftlichen Kommentare zu Entwürfen aller drei Vorlesungen sowie für seine hilfreichen redaktionellen Hinweise während der Fertigstellung des Manuskripts.

Vorlesung 1:Das Leben nach dem Tod(Teil I)

1.

Ich gestehe, dass der von mir gewählte Titel eine etwas falsche Fährte legt. So wie viele Menschen heutzutage – allerdings auch im Gegensatz zu vielen anderen – glaube ich nicht an die Existenz eines Lebens nach dem Tod im landläufigen Sinne. Ich glaube also nicht, dass Menschen nach ihrem biologischen Tod als bewusste Wesen weiterleben. Im Gegenteil glaube ich, dass der biologische Tod den endgültigen und unwiderruflichen Abschluss des Lebens eines Individuums darstellt. Ich werde also in diesen Vorlesungen nicht für die Existenz eines Lebens nach dem Tod im üblichen Sinn argumentieren. Gleichzeitig gehe ich davon aus, dass andere Menschen nach meinem eigenen Tod sehr wohl weiterleben werden. Mir ist natürlich bewusst, dass alles menschliche Leben auf Erden auf die eine oder andere Art ein plötzliches und katastrophales Ende finden könnte und dass es in jedem Fall einst irgendein Ende finden wird. Und doch gehe ich normalerweise davon aus, dass das Leben noch weitergeht, lange nachdem es mich nicht mehr gibt. Und in diesem unüblichen Sinne nehme ich an, dass es ein Leben nach dem Tod gibt: dass andere weiterhin leben, nachdem ich gestorben bin. Ich glaube, dass die meisten von uns diese Annahme für selbstverständlich halten, und es ist ein Ziel dieser Vorlesungen, zu untersuchen, welche Rolle diese Annahme für unser Leben spielt.

Ich behaupte, dass die Existenz eines Lebens nach dem Tod – in meinem unüblichen Sinn von »Leben nach dem Tod« – für uns von großer Bedeutung ist. Sie ist für sich genommen für uns von Bedeutung, aber auch, weil unser Vertrauen in die Existenz eines Lebens nach dem Tod die Bedingung dafür ist, dass viele andere Dinge, die uns wichtig sind, weiterhin für uns von Bedeutung bleiben. Zumindest werde ich versuchen dies zu zeigen. Wenn meine Behauptung stimmt, dann offenbart uns dies einige überraschende Merkmale unserer Einstellungen gegenüber dem eigenen Tod. Außerdem werde ich dafür argumentieren, dass die Bedeutung, die wir dem Leben nach dem Tod beimessen, uns dabei helfen kann zu erklären, warum ganz allgemein eine Sache für uns von Bedeutung beziehungsweise wichtig ist oder warum wir sie wertschätzen. Und zuletzt gibt uns die Rolle des Lebens nach dem Tod Aufschluss über den tiefgreifenden, aber schwer fassbaren Einfluss, den die Zeit auf unsere Vorstellung von uns selbst nimmt. Sie eröffnet uns einen günstigen Ausgangspunkt für eine Untersuchung der verschiedenen Strategien, mit denen wir versuchen, uns mit der zeitlichen Dimension unseres Lebens zu arrangieren.

Die meisten der Einstellungen, die ich hier erörtern werde – sowohl in Bezug auf das Leben nach dem Tod als auch darauf, was während unseres Lebens geschieht –, sind uns in einem gewissen Sinne so vertraut, dass es mir fast unangenehm ist, sie anzusprechen. Sehr wenig von dem, was ich in diesen Vorlesungen sagen werde, ist uns nicht schon auf irgendeiner Ebene bekannt. Trotzdem glaube ich, dass die von mir diskutierten Einstellungen eine weitere Untersuchung wert sind. Wie ich bereits angedeutet habe, glaube ich, dass wir etwas über uns selbst lernen können, wenn wir über diese Einstellungen nachdenken. Und manches von dem, was wir dabei lernen, mag uns sogar überraschen.

Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass die Einstellungen, die ich im Sinn habe, eine Familie miteinander verwandter Begriffe beinhalten, zum Beispiel den der Wertschätzung für eine Sache (valuing), der Sorge für sie beziehungsweise dass uns etwas an ihr liegt (caring), aber auch, dass sie uns etwas bedeutet (matters) oder uns wichtig (important) ist. Jeder dieser Begriffe unterscheidet sich in verschiedenen Hinsichten von den anderen, und diese Unterschiede sind für verschiedene Zwecke von Bedeutung. An anderer Stelle habe ich insbesondere den Begriff des Wertschätzens untersucht und möchte damit beginnen zu erläutern, wie ich diesen Begriff verstehe.1 Wie viele andere, die über dieses Thema geschrieben haben, glaube ich, dass es einen wichtigen Unterschied gibt zwischen der Wertschätzung für eine Sache und der Meinung, sie sei wertvoll. Meiner Ansicht nach umfasst Wertschätzung ein komplexes System miteinander verbundener Einstellungen und Dispositionen. Dazu gehört auch unter anderem die Überzeugung, dass die wertgeschätzte Sache wertvoll ist. Neben dieser Überzeugung gehören dazu aber normalerweise mindestens auch die folgenden Elemente: die Empfänglichkeit für eine Reihe von kontextabhängigen Emotionen bezüglich der wertgeschätzten Sache, die Disposition, diese Emotionen als der Sache angemessen und verdient wahrzunehmen, und die Disposition, bestimmte Überlegungen bezüglich der wertgeschätzten Sache als Handlungsgründe in relevanten deliberativen Kontexten zu behandeln. Wertschätzung ist also ein einstellungsbezogenes Phänomen, das doxastische, deliberative, motivationale und emotionale Dimensionen aufweist.

Wie gesagt, verdienen die Unterschiede zwischen den erwähnten Begriffen – zwischen dem Begriff des sich Sorgens und dem, dass uns etwas an einer Sache liegt, dass sie für uns von Bedeutung oder wichtig ist sowie dem der Wertschätzung – unsere Aufmerksamkeit. Diese Aufmerksamkeit werde ich ihnen hier jedoch nicht schenken. Denn für die Zwecke dieser Untersuchung ist es wichtiger, was diese Begriffe gemeinsam haben, als was sie unterscheidet. Davon werde ich jedenfalls ausgehen. Von Zeit zu Zeit werde ich auf meine Theorie der Wertschätzung zurückgreifen, die ich gerade skizziert habe, aber ich werde auch gleichzeitig frei von den anderen Mitgliedern dieser Begriffsfamilie Gebrauch machen, wenn es der jeweilige Kontext verlangt, ohne ihre entsprechenden Beziehungen näher zu untersuchen oder explizit auf die Unterschiede zwischen ihnen einzugehen.

Ich habe gesagt, dass ich einige unserer Einstellungen untersuchen werde. Deshalb sollte ich erläutern, wie ich dabei Personalpronomen der 1. Person Plural verwende. Wenn ich von unseren Einstellungen spreche und davon, was wir denken oder fühlen, möchte ich damit keine absolut allgemeinen Behauptungen aufstellen. Anders gesagt möchte ich also nicht behaupten, dass buchstäblich jeder zu diesen Einstellungen neigt. Meine Verwendung von Personalpronomen der 1. Person Plural kann man vielleicht eher frei nach David Lewis verstehen, der in einem ähnlichen Kontext von einer Art »Mal abwarten!«-Verwendung eines Ausdrucks spricht. Seine Version einer dispositionalen Werttheorie erklärt Lewis so:

Indem man ein Werturteil fällt, stellt man viele Behauptungen gleichzeitig auf – manche sind stärker als andere, von manchen sind wir weniger überzeugt als von anderen – und wartet dann ab, welche davon verfangen. Ich sage, dass X ein Wert ist; damit meine ich, dass die gesamte Menschheit dazu neigt, X wertzuschätzen, oder zumindest die gegenwärtige Menschheit oder zumindest die gegenwärtige Menschheit, abgesehen von ein paar Sonderlingen auf irgendwelchen fernen Inseln, oder zumindest … oder zumindest Sie und ich, wie wir hier und jetzt sprechen, oder dass zumindest ich so disponiert bin. Wie viel behaupte ich? – So viel wie ich mir erlauben kann. Sollten sich meine stärkeren Behauptungen als falsch erweisen, dann stehe ich weiterhin zu den schwächeren. Solange man mich nicht in Frage stellt, solange ist es nicht nötig, schon im Voraus nachzugeben; und es ist auch nicht nötig, schon im Voraus zu entscheiden, wie weit ich in so einem Fall nachgeben würde.2

Ein wenig anders ausgedrückt: Wenn ich von unseren Einstellungen spreche, meine ich damit meine eigenen Einstellungen und diejenigen derer, die sie teilen; egal wie viele das letztlich sein mögen. Einerseits glaube ich nicht, dass diese Einstellungen allein meine sind. Andererseits möchte ich aber auch nicht behaupten, dass sie allgemein geteilt werden. Deshalb bin ich in dieser Hinsicht von vornherein zu größeren Zugeständnissen bereit als Lewis. Tatsächlich war bereits eingangs eine Einschränkung hinsichtlich der Reichweite meiner Behauptungen implizit in meinen Bemerkungen enthalten. Die Einstellungen, die ich beschreiben werde, sind in erster Linie Einstellungen von Menschen, die – wie ich – nicht an ein Leben nach dem Tod im traditionellen Sinne glauben. Am Ende der zweiten Vorlesung werde ich noch kurz darauf zu sprechen kommen, was meine Untersuchung über die Einstellungen derer verrät, die an ein traditionelles Leben nach dem Tod glauben. Bis dahin gehe ich bei der Untersuchung »unserer« Einstellungen davon aus, dass »wir« nicht glauben, dass wir nach unserem eigenen Tod weiterleben. Trotz dieser Einschränkung denke ich, dass die von mir beschriebenen Einstellungen weit genug verbreitet sind, um von Interesse zu sein.

2.

Ich bitte Sie zu Beginn darum, mit mir über ein etwas grobes und ein wenig morbides Gedankenexperiment nachzudenken. Stellen Sie sich vor, Sie wüssten, dass die Erde 30 Tage nach ihrem Tod – wobei Ihr eigenes Leben von normaler Dauer wäre – durch eine Kollision mit einem riesigen Asteroiden vollständig zerstört würde. Welchen Einfluss hätte dieses Wissen auf die Einstellungen, die Sie im Laufe Ihres restlichen Lebens haben werden? Vielleicht werden Sie jetzt sagen, dass Ihnen zur Beantwortung dieser Frage nicht genügend Informationen zur Verfügung stehen. Wie haben Sie zum Beispiel in dem von mir vorgestellten Szenario Ihr Wissen über den Weltuntergang erlangt? Wissen auch andere Menschen Bescheid oder müssen Sie mit der Last dieser katastrophalen Information alleine zurechtkommen? Alle diese Informationen habe ich Ihnen nicht gegeben und natürlich könnten Antworten auf diese Fragen Ihre Reaktion beeinflussen. Diesen Punkten würde ich sofort zustimmen. Ich würde ebenfalls zustimmen, dass wenn ich auch die Geschichte bis ins kleinstmögliche Detail ausmalte, Sie doch noch immer lediglich Vermutungen darüber anstellen könnten, welche Einstellungen Sie unter diesen – wahrscheinlich in hohem Maße kontrafaktischen – Umständen hätten. Sie könnten darauf hinweisen, dass die Verlässlichkeit solcher Vermutungen fraglich ist, und wir sie in jedem Fall unmöglich verifizieren könnten. All das ist wahr. Aber sehen Sie mir dies bitte für ein paar Minuten nach. Denn vielleicht erscheinen uns einige Dinge trotz der Knappheit meiner Beschreibung und der Tatsache, dass jede Ihrer möglichen Antworten auf Vermutungen beruhen würde, dennoch als relativ klar.

Sie werden nicht allzu überrascht sein, dass ich Sie – obwohl ich um Ihre Reaktion gebeten habe – nicht selbst antworten lasse. Zumindest noch nicht. Stattdessen werde ich ein paar eigene Vermutungen darüber anstellen, welcher Art die Reaktionen wären, die Sie, ich und andere – die also »wir« – in der von mir beschriebenen Situation wahrscheinlich zeigen würden. Beginnen möchte ich mit einem negativen Vorschlag. Eine Reaktion, zu der meiner Ansicht nach wenige von uns neigen würden, wenn sie mit meinem Untergangsszenario konfrontiert wären, ist völlige Gleichgültigkeit. Wenige von uns würden zum Beispiel, wenn sie erführen, dass die Erde 30 Tage nach ihrem Tod zerstört würde, sagen: »Na und? Da es erst 30 Tage nach meinem Tod passiert und ich nicht vorzeitig sterbe, ist mir das völlig egal. Ich werde nicht da sein, um das Ganze zu erleben, deshalb hat es für mich nicht die geringste Bedeutung.« Die Tatsache, dass wir auf diese Weise wahrscheinlich nicht reagieren würden, sagt schon etwas über uns aus. Es bedeutet nämlich zumindest, dass uns nicht alles, was nach unserem Tod geschieht, gleichgültig ist. Was erst nach unserem Tod geschieht, kann für uns dennoch von Bedeutung oder wichtig sein. Und das wiederum impliziert, dass für uns mehr als nur unsere eigenen Erlebnisse von Bedeutung sind. Denn ein postmortales Ereignis, das für uns von Bedeutung ist, kann kein Ereignis unseres eigenen Erlebens sein.

Dagegen mag man einwenden, dass, auch wenn ein postmortales Ereignis kein Ereignis unseres eigenen Erlebens wäre, unsere vorausblickenden Betrachtungen zu diesem Ereignis sehr wohl Teil dieses Erlebens wären, und dass, wenn uns solche Betrachtungen erschüttern würden, auch diese Erschütterung Teil unseres Erlebens wäre. Das ist zwar unbestreitbar der Fall, aber es tut nichts zur Sache. Denn es zeigt nicht, dass für uns nur unsere Erlebnisse von Bedeutung sind. In unserem Fall ist das, was für uns zuallererst von Bedeutung wäre, nicht unsere Erschütterung – obwohl auch sie für uns von Bedeutung sein mag –, sondern vielmehr das vorausgesagte postmortale Ereignis, dessen Betrachtung zu unserer Erschütterung führt. Wenn uns dieses postmortale Ereignis egal wäre, gäbe es erst gar nichts, über das wir erschüttert sein könnten. Wie ich bereits angedeutet habe, deutet also die Tatsache, dass wir auf das Untergangsszenario nicht mit Gleichgültigkeit reagieren würden, darauf hin, dass uns Dinge, die nach unserem Tod geschehen, manchmal etwas bedeuten. Und das wiederum impliziert, dass für uns auch andere Dinge als unsere eigenen Erlebnisse von Bedeutung sind. In diesem Sinne stützt die Tatsache, dass wir nicht mit Gleichgültigkeit reagieren würden, eine nichterfahrungsbasierte Interpretation unserer Werte. Sie stützt also eine Interpretation, nach der es nicht nur unsere eigenen Erlebnisse sind, denen wir einen Wert beimessen oder die für uns von Bedeutung sind.3

Es gibt eine weitere mögliche Reaktion, zu der, wie ich denke, kaum jemand von uns neigen würde. Ich glaube, dass nur wenige von uns die positiven und negativen Konsequenzen einer bevorstehenden Zerstörung der Erde durchdenken würden, um erst dann zu entscheiden, ob sie alles in allem eine gute oder schlechte Sache wäre. Und ich glaube der Grund dafür ist nicht etwa, dass die Antwort so unmittelbar und überwältigend eindeutig wäre, dass wir diese Kalkulation gar nicht erst durchführen müssten. Natürlich hätte die Zerstörung der Erde zahlreiche fürchterliche Konsequenzen. Sie würde zum Beispiel das Ende aller menschlichen Freude, Kreativität, Liebe, Freundschaft, Tugend und Glückseligkeit bedeuten. Zweifellos gibt es also einige gewichtige Überlegungen auf der Minusseite. Andererseits hätte die Zerstörung der Erde aber auch das Ende allen menschlichen Leids, aller Grausamkeit und Ungerechtigkeit zur Folge. Es gäbe keinen Genozid mehr, keine Folter, kein Elend und keinen Schmerz. Diese Dinge kommen selbstverständlich alle auf die Plusseite. Und es ist natürlich nicht sofort offensichtlich, dass hier das Negative das Positive überwiegt. Dennoch glaube ich, dass wenige von uns als Reaktion auf das Untergangsszenario auch nur anfangen würden, Plus und Minus aufzurechnen, um herauszufinden, ob der Untergang der Erde alles in allem eine willkommene oder unwillkommene Aussicht wäre. Zumindest auf den ersten Blick legt die Tatsache, dass wir so nicht reagieren würden, eine nicht-konsequentialistische Dimension unserer Einstellungen darüber nahe, welchen Dingen wir einen Wert beimessen oder was für uns von Bedeutung ist. Es sieht nämlich so aus, als wäre für uns nicht nur einfach und allein von Bedeutung, dass die besten Konsequenzen eintreten – welche auch immer das sein mögen.4

Lassen Sie uns nun von den negativen zu den positiven Charakterisierungen unserer Reaktion übergehen. Zunächst einmal glaube ich davon ausgehen zu können, dass die meisten von uns auf das Untergangsszenario mit einer tiefen Betroffenheit – wie ich es eher allgemein und leicht untertrieben nennen werde – reagieren würden. Das soll nicht mehr als ein oberflächlicher Platzhalter für eine Charakterisierung sein, unter die zweifellos eine Reihe spezifischerer Reaktionen fallen. Viele dieser Arten von Reaktionen haben mit dem Tod derjenigen Menschen zu tun, die wir lieben, und mit dem Verschwinden und der Zerstörung derjenigen Dinge oder Sachen, die uns am wichtigsten sind. Dabei verstehe ich »Ding« und »Sache« in einem weiten Sinn, der nicht nur physische Objekte, sondern auch gesellschaftliche Formen wie Institutionen, Praktiken, Aktivitäten und Lebensweisen beinhaltet. Solange wir am Leben sind, reagieren wir mit Trauer, Betroffenheit und anderen Formen des Leidens auf den plötzlichen Tod geliebter Menschen oder auf die Zerstörung von Dingen, denen wir einen großen Wert beimessen. Sicher würden wir ähnlich auf die Aussicht reagieren, dass all die Personen und Dinge, die wir schätzen, in Kürze plötzlich und mit einem Mal zerstört werden.

Dass wir so reagieren würden, hebt eine konservative Dimension unserer Werteinstellungen hervor, die neben die bereits erwähnten nicht-erfahrungsbasierten und nicht-konsequentialistischen Dimensionen tritt. Im Allgemeinen möchten wir, dass es den Menschen und Dingen, die uns wichtig sind, gut geht; die Zerstörung dessen, was uns am meisten bedeutet, ist uns nicht gleichgültig. Tatsächlich gibt es eine fast schon begriffliche Verbindung zwischen der Wertschätzung für eine Sache und dem Wunsch, dass sie fortgeführt oder erhalten wird. Solange wir am Leben sind, entspricht das einer ähnlich engen Verbindung zwischen der Wertschätzung für eine Sache und dem Vorhandensein von Gründen dafür, so zu handeln, dass wir sie selbst fortführen oder erhalten. Über den eigenen Tod nachzudenken – und zwar den Tod unter normalen Umständen, nicht den, der mit dem Untergang der Welt einhergeht –, ist unter anderem auch deshalb schmerzlich,