Der Todesflieger - Clive Cussler - E-Book

Der Todesflieger E-Book

Clive Cussler

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Beschreibung

Mitten im Frieden wir die amerikanische Luftwaffenbasis Brady Field auf der griechischen Insel Thasos angegriffen – voen einem Albatross-Doppeldecker aus dem Ersten Weltkrieg, der die auf dem Rollfeld stehenden Flugzeuge in Brand schießt. NUMA-Major Dirk Pitt nimmt die Jagd auf den Todesflieger auf!

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Seitenzahl: 363

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Clive Cussler

Der Todesflieger

Roman

Übersetzt von Tilmann Göhler

Die englische Originalausgabe erschien unter dem Titel»The Mediterranean Caper« bei Pyramid Communications, New York.

1. Auflage

E-Book-Ausgabe 2015 bei Blanvalet, einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH, München.

Copyright © der Originalausgabe 1973 by Clive Cussler Enterprises, Inc.

All rights reserved throughout the world.

By arrangement with

Peter Lampack Agency, Inc.

551 Fifth Avenue, Suite 1613

New York, NY 10176 – 0187 USA

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 1978 by Blanvalet Verlag, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Umschlaggestaltung: © Johannes Wiebel | punchdesign, unter Verwendung von Motiven von Shutterstock.com

HK · Herstellung: sam

Satz: Uhl + Massopust Aalen

ISBN: 978-3-641-15480-6

www.blanvalet.de

Prolog

Es war glühend heiß, und es war Sonntag. Der Fluglotse im Tower der Brady Air Force Base steckte sich eine Zigarette an, legte die Füße auf ein tragbares Aircondition-Gerät und wartete darauf, dass etwas geschähe.

Er langweilte sich entsetzlich, und das aus gutem Grund: An Sonntagen war der Flugverkehr gleich null. Nur die eine oder andere Militärmaschine durchflog an diesem Tag das Einsatzgebiet Mittelmeer – die politische Wetterlage war zur Zeit völlig stabil. Zwar landete oder startete hin und wieder ein Flugzeug, doch dabei handelte es sich gewöhnlich nur um die Zwischenlandung irgendeines VIPs, einer »very important person«, der hier kurz auftankte und dann weiter zu einer Konferenz irgendwo in Afrika oder Europa hetzte.

Zum zehnten Mal seit seinem Dienstantritt musterte der Lotse die große Wandtafel, auf der die Starts und Landungen verzeichnet standen. Starts fanden überhaupt keine mehr statt, und die nächste Landung war für 16 Uhr 30 angezeigt. Bis dahin waren es noch fünf Stunden.

Er war noch jung – Anfang zwanzig – und strafte die Behauptung Lügen, blonde Menschen würden kaum braun. Wo immer seine bloße Haut zutage trat, war sie von einem dunklen, nussfarbenen Braun, dicht mit wasserstoffblonden Härchen bedeckt. Die vier Streifen auf seinem Ärmel wiesen ihn als einen Staff Sergeant aus, und obwohl eine Hitze von fast 38 Grad herrschte, war unter den Achseln seiner Khaki-Uniform kein Schweißfleck zu entdecken. Er hatte seinen Kragen geöffnet und trug keine Krawatte; eine Erleichterung, die den Soldaten der Air Force normalerweise gestattet ist, wenn sie in heißen Gegenden stationiert sind.

Er beugte sich vor und verstellte die Kühlungsschlitze des Aircondition-Gerätes so, dass die kühle Luft seine Beine entlangströmte. Er lächelte befriedigt, als er den frischen Luftzug spürte. Dann verschränkte er die Hände hinter dem Kopf, lehnte sich gemütlich zurück und starrte gegen die Decke.

Minneapolis mit seinen Mädchen, die über die Nicollet Avenue spazierten, kam ihm wieder in den Sinn. Zum hundertsten Male zählte er die fünfundvierzig Tage nach, die er hier noch aushalten musste, bevor er in die Staaten zurückversetzt wurde. Jeder Tag wurde feierlich in einem kleinen schwarzen Notizbuch abgehakt, das er stets in seiner Brusttasche bei sich trug.

Er gähnte vielleicht zum zwanzigsten Mal, griff zu einem Fernglas, das auf dem Fensterbrett lag, und betrachtete die Flugzeuge, die auf der schwarzen Asphaltrollbahn unter dem mächtigen Kontrollturm abgestellt waren.

Der Flugplatz lag auf der Insel Thasos im nördlichen Teil des Ägäischen Meeres. Thasos ist durch den fünfundzwanzig Kilometer breiten Golf von Kaballa vom griechisch-makedonischen Festland getrennt und besteht aus rund vierhundert Quadratkilometern Felsen, Wald und ein paar antiken Ruinen, die aus dem Jahr 1000 v. Chr. stammen.

Brady Field, wie der Luftwaffenstützpunkt allgemein genannt wurde, war aufgrund eines Vertrages zwischen den Vereinigten Staaten und der griechischen Regierung Ende der Sechzigerjahre erbaut worden. Die hier stationierte Luftflotte bestand aus zehn F-105 Starfire Jets und zwei riesigen C-133 Cargomaster Truppentransportern, die wie ein Paar fetter Wale in der sengenden ägäischen Sonne gleißten.

Der Sergeant richtete das Fernglas auf die still daliegenden Militärmaschinen und suchte nach einem Lebenszeichen. Das Flugfeld war aber leer. Die Männer waren entweder in Panaghia, der nächstgelegenen Stadt, beim Biertrinken, oder sie aalten sich am Strand, oder sie machten in der klimatisierten Kaserne ein Nickerchen. Nur ein einsamer Militärpolizist, der den Haupteingang bewachte, und die Radarantenne, die sich unentwegt auf ihrem Kontrollturm drehte, erinnerten an Leben. Er hob das Fernglas höher und ließ seinen Blick über das azurblaue Meer schweifen. Es war ein strahlender, wolkenloser Tag, und das entfernte griechische Festland war bis in alle Einzelheiten zu erkennen. Er schwenkte den Feldstecher nach Osten und richtete ihn auf die dünne Linie am Horizont, wo das tiefe Blau des Wassers mit dem hellen Blau des Himmels zusammentraf. Er erblickte die vor Hitze flimmernden, schemenhaften Umrisse eines Schiffes, das dort draußen vor Anker lag. Er kniff die Augen zusammen und stellte den Feldstecher schärfer ein, um den Namen des Schiffes am Bug auszumachen. Nur mit Mühe konnte er die winzigen schwarzen Buchstaben entziffern: First Attempt.

Ein blöder Name!, dachte er. Was er wohl bedeuten sollte? Er konnte noch andere Schriftzeichen auf dem Rumpf erkennen. In kräftigen schwarzen Strichen standen in der Mitte des Rumpfes die Buchstaben N-U-M-A senkrecht untereinander; die Abkürzung für »National Underwater Marine Agency«, wie er wusste.

Ein riesiger Kran stand auf dem Heck. Der Ausleger hing über dem Wasser, und man war gerade dabei, irgendeine große Kugel aus der Meerestiefe heraufzuholen. Der Sergeant konnte die Männer erkennen, die sich an dem Kran zu schaffen machten, und es bereitete ihm einige Genugtuung, dass auch Zivilisten an Sonntagen arbeiten mussten.

Plötzlich erklang in der Gegensprechanlage eine roboterhafte Stimme, die ihn aus seinen Betrachtungen riss.

»Hallo, Radarstation an Tower … bitte melden!«

Der Sergeant legte den Feldstecher hin und drückte die Sprechtaste. »Hier spricht der Tower. Was ist los?«

»Ich habe ein Objekt erfasst. Etwa fünfzehn Kilometer westlich.«

»Fünfzehn Kilometer westlich?«, stieß der Sergeant hervor. »Das ist ja direkt über der Insel. Ihr Objekt befindet sich praktisch genau über uns.« Er drehte sich um und sah noch einmal auf die große Wandtafel, um sich zu vergewissern, dass nach dem Zeitplan tatsächlich keine Landung fällig war. »Das nächste Mal sagen Sie mir gefälligst früher Bescheid.«

»Ich verstehe überhaupt nicht, wo es hergekommen ist«, rechtfertigte sich die Stimme im Lautsprecher. »Während der letzten sechs Stunden war in einem Umkreis von hundertfünfzig Kilometern nichts zu sehen.«

»Dann halten Sie entweder Ihre Augen offen, oder Sie lassen Ihr verdammtes Gerät überprüfen«, bellte der Sergeant. Er ließ die Sprechtaste los und schnappte sich den Feldstecher. Dann stand er auf und suchte den westlichen Horizont ab.

Da war es – ein winziger schwarzer Punkt, der in einer Höhe von etwa dreißig Metern über den Hügeln hing. Das Flugzeug kam nur langsam näher, mit einer Geschwindigkeit von höchstens hundertvierzig Stundenkilometern. Eine Zeit lang schien es sogar bewegungslos in der Luft stillzustehen, und dann nahm es, fast schlagartig, feste Formen an. Die Tragflächen und der Rumpf waren jetzt durch den Feldstecher deutlich zu erkennen; so deutlich, dass ein Irrtum ausgeschlossen war. Dem Sergeant blieb vor Verblüffung der Mund offenstehen, als das knatternde Motorengeräusch eines alten, einsitzigen, noch richtig mit einem starr montierten Fahrwerk und Speichenrädern ausgestatteten Doppeldeckers die friedliche Stille über der Insel zerriss.

Von den vorstehenden Zylinderköpfen des Reihenmotors abgesehen, besaß die Maschine eine aerodynamische Form, die sich hinter der offenen Pilotenkanzel tropfenförmig verjüngte. Der große hölzerne Propeller peitschte wie die Flügel einer alten Windmühle die Luft und trieb das altertümliche Gefährt gemächlich voran. Die leinwandbespannten Tragflächen knatterten im Fahrtwind und besaßen die an den Seiten ausgebogene Hinterkante, die für die ersten Flugzeuge so charakteristisch war. Von der Fronthaube bis zum hinteren Höhenleitwerk war die ganze Maschine knallgelb angestrichen. Der Sergeant setzte den Feldstecher ab, als das Flugzeug jetzt unmittelbar neben dem Tower vorbeidröhnte. Deutlich konnte er das schwarze Eiserne Kreuz ausmachen, das Kennzeichen der Deutschen während der beiden Weltkriege.

Unter anderen Umständen hätte sich der Sergeant wahrscheinlich zu Boden geworfen, wäre ein Flugzeug in einer Entfernung von höchstens zwei Metern am Tower vorbeigerauscht. Doch dieses Gespensterflugzeug, das direkt aus dem dunstigen Himmel im Westen aufgetaucht zu sein schien, machte ihn fassungslos, und er blieb wie versteinert stehen. Die Maschine zog jetzt eine Schleife und kam dann frontal auf den Tower zugeflogen. Der Pilot winkte dem Sergeant übermütig aus seiner Kanzel zu. Er war dem Tower so nahe, dass der Sergeant seine Gesichtszüge unter dem zerschlissenen Lederhelm und der Fliegerbrille erkennen konnte. Die Spukgestalt grinste ihn an und tätschelte die Läufe der beiden Maschinengewehre, die auf der Motorhaube montiert waren.

Sollte das ein Witz sein? War der Pilot vielleicht irgendein verrückter Grieche, der sich einen Spaß mit ihm machen wollte? Wo kam er her? Diese Fragen schwirrten dem Sergeant noch durch den Kopf, als er plötzlich hinter dem Propeller zwei Mündungsfeuer aufblitzen sah. Die Fensterscheiben des Towers zersprangen, und die Scherben klirrten auf den Boden.

Plötzlich herrschte Krieg auf Brady Field. Der Doppeldecker umkurvte den Tower, setzte zum Sturzflug an und nahm die schnittigen Düsenjäger, die auf dem Rollfeld standen, unter Beschuss. Eine nach der anderen wurden die F-105 Starfires vom Kugelhagel bestrichen, und ihre dünne Aluminiumverkleidung wurde von den alten Neun-Millimeter-Geschossen durchsiebt. Drei von ihnen gingen lichterloh in Flammen auf, als ihre mit Kerosin randvoll gefüllten Tanks getroffen wurden, und verwandelten die Rollbahn in eine lodernde Teerpfütze. Wieder und wieder brauste das knallgelbe Gespenst über den Flugplatz und verschoss sein tödliches Blei. Als Nächste explodierte eine der C-133 Cargomaster in einem dreißig Meter hohen Flammenmeer.

Der Sergeant lag im Tower auf dem Boden und schaute verwundert auf das blutige Rinnsal, das aus seiner Brust sickerte. Vorsichtig zog er das schwarze Notizbuch aus seiner Brusttasche und betrachtete überrascht und zugleich fasziniert das kleine, sauber gestanzte Loch mitten auf dem Umschlag. Ein dunkler Schleier überschattete seine Augen. Ärgerlich schüttelte er ihn ab, kniete sich unter großen Anstrengungen auf und sah sich im Raum um.

Ein glitzernder Scherbenteppich bedeckte den Boden, das Funkgerät und die Möbel. Wie ein totes Tier aus Metall lag der Air Conditioner mitten im Raum; die Beine ragten starr in die Höhe, und aus ein paar Schusslöchern tröpfelte die Kühlflüssigkeit. Der Sergeant starrte, noch immer ganz benommen, das Funkgerät an. Wie durch ein Wunder war diesem nichts geschehen. Unter großen Schmerzen kroch er auf den Apparat zu, wobei er sich Hände und Knie an den Glasscherben aufschnitt. Er ergriff das Mikrofon und umklammerte es fest. Blut tropfte auf den schwarzen Plastikgriff.

Nur mühsam formten sich seine Gedanken. Wie lauten die Vorschriften?, fragte er sich. Was sagt man in so einem Fall? Sag irgendwas, fuhr es ihm durch den Kopf, sag irgendwas!

»An alle, die mich hören können. MAY DAY! MAY DAY! Hier spricht Brady Field. Wir werden von einem unbekannten Flugzeug angegriffen. Es handelt sich nicht um ein Manöver. Ich wiederhole: Brady Field wird angegriffen …«

1. Kapitel

Major Dirk Pitt rückte die Kopfhörer auf seinem dichten schwarzen Haar zurecht und drehte langsam den Abstimmknopf, um den Empfang schärfer einzustellen. Er hörte eine Zeit lang aufmerksam zu. In seinen dunklen meergrünen Augen spiegelte sich Verwirrung wider. Sein tief gebräuntes und von Wind und Wetter gegerbtes Gesicht drückte Ärger aus, und er runzelte die Stirn.

Nicht, dass die Worte, die aus dem Lautsprecher erklangen, unverständlich gewesen wären. Sie waren sogar sehr deutlich zu verstehen. Aber er traute einfach seinen Ohren nicht. Er horchte noch einmal genau hin, ohne sich von dem Dröhnen beeinträchtigen zu lassen, das die Triebwerke der PBY Catalina von sich gaben. Die Stimme, die er vernahm, wurde immer schwächer, obwohl sie eigentlich hätte lauter werden müssen. Der Lautstärkeregler war bis zum Anschlag aufgedreht, und Brady Field war höchstens fünfzig Kilometer entfernt. Normalerweise hätte die Stimme des Fluglotsen Pitts Trommelfelle zerreißen müssen. Entweder geht dem Fluglotsen die Puste aus, oder er ist schwer verwundet, überlegte Pitt. Er dachte eine Minute lang nach, griff dann nach rechts und rüttelte die Gestalt wach, die im Copilotensitz den Schlaf des Gerechten schlief.

»Aufgewacht, Dornröschen!« Er sprach mit sanfter, leiser Stimme, die allerdings noch eindringlich genug war, um nicht im Flugzeuglärm unterzugehen.

Captain Al Giordino hob verschlafen den Kopf und gähnte hingebungsvoll. Wie sehr ihn der dreizehnstündige Dauerflug in dem alten vibrierenden PBY-Flugboot erschöpft hatte, ließ sich an seinen dunkel umschatteten Augen ablesen. Er reckte die Arme hoch, holte tief Luft und streckte sich. Dann richtete er sich auf, beugte sich nach vorn und starrte in die Ferne, die sich endlos vor dem Fenster des Cockpits ausbreitete.

»Haben wir schon die First Attempt erreicht?«, fragte er und gähnte nochmals.

»Fast«, erwiderte Pitt. »Da vorn liegt Thasos.«

»Verflucht noch mal«, knurrte Giordino; dann grinste er. »Ich hätte doch noch gute zehn Minuten schlafen können. Warum hast du mich geweckt?«

»Ich habe einen Funkspruch vom Tower in Brady Field aufgefangen. Der Flughafen wird von einem unbekannten Flugzeug angegriffen.«

»Das meinst du doch nicht im Ernst?«, entgegnete Giordino ungläubig. »Das ist doch ein Witz!«

»Ich glaube kaum. Die Stimme des Fluglotsen klang nicht so, als wollte er uns auf den Arm nehmen.« Pitt unterbrach sich und warf einen Blick auf die Wasseroberfläche, über der die PBY in einer Höhe von nur fünfzehn Metern dahinraste. Pitt war die letzten dreihundert Kilometer so niedrig geflogen, aus Spaß, und um sich munter zu halten und seine Reaktionen zu trainieren.

»Möglicherweise stimmt es tatsächlich«, meinte Giordino nachdenklich und deutete durch die Scheibe. »Sieh mal da, im Osten der Insel!«

Beide Männer starrten angespannt zu der Insel hinüber, die rasch aus dem Wasser auftauchte. Unmittelbar hinter der Brandung erstreckte sich ein breiter sandiger Küstenstreifen, danach erhoben sich sanft geschwungene, dicht bewaldete Hügel. Die Farben flimmerten in der heißen Luft und bildeten einen lebhaften Gegensatz zu dem gleichförmigen Blau des Ägäischen Meeres. Im Osten von Thasos stieg eine riesige Rauchsäule in den windstillen Himmel auf, die oben in eine große, spiralförmige schwarze Wolke auslief. Die PBY näherte sich rasch der Insel, und schon konnte man die orangerot lodernden Flammen zu Füßen der Rauchsäule erkennen.

Pitt nahm das Mikrofon zur Hand und drückte die Sprechtaste.

»Hallo Brady Field! Hallo Brady Field! Hier spricht PBY 086. Bitte kommen.« Niemand antwortete. Pitt wiederholte den Ruf noch zweimal.

»Keine Antwort?«, wollte Giordino wissen.

»Nichts«, erwiderte Pitt.

»Du hast gesagt, es war ein unbekanntes Flugzeug. Nur ein einziges?«

»Genau, das hat der Tower gemeldet, bevor er sich in nichts aufgelöst hat.«

»Das ergibt doch keinen Sinn. Ein einzelnes Flugzeug greift doch keinen Luftwaffenstützpunkt der Vereinigten Staaten an.«

»Wer weiß?«, entgegnete Pitt und zog die Steuersäule leicht zu sich heran. »Vielleicht handelt es sich um irgendeinen wütenden griechischen Bauern, der es satthat, dass unsere Düsenjäger fortwährend seine Ziegen erschrecken. Ein Großangriff kann es jedenfalls nicht sein, sonst hätte uns Washington zweifellos schon verständigt. Wir müssen abwarten, bis wir mehr wissen.«

Er rieb sich die Augen und kniff sie ein paarmal zusammen, um seine Schläfrigkeit zu vertreiben.

»Mach dich fertig. Ich ziehe kurz hoch, schwenke über den Hügeln ein und gehe dann mit der Sonne im Rücken irgendwo nieder. Wir wollen uns die Sache mal aus der Nähe ansehen.«

»In Gottes Namen.« Giordino zog die Augenbrauen zusammen und grinste Pitt verbissen an. »Wenn das da unten ein mit Raketen bestückter Kampfbomber ist, haben wir mit unserer alten Klapperkiste kaum eine Chance.«

»Keine Angst«, lachte Pitt. »Alles, was ich im Leben erreichen möchte, ist, so lange wie möglich gesund und munter zu bleiben.« Er gab Gas und ließ die beiden Pratt and Whitney-Motoren aufheulen. Seine großen braunen Hände zogen die Steuersäule noch weiter nach hinten, und die Maschine hob ihre flache Nase der Sonne entgegen. Die Catalina stieg rasch, gewann in Sekunden an Höhe, schwenkte über den Hügeln ein und nahm Kurs auf die immer größer werdende Rauchwolke.

Plötzlich dröhnte eine Stimme in Pitts Kopfhörern. Der unerwartete Lärm ließ ihn beinahe taub werden, ehe er die Lautstärke zurückgedreht hatte. Es war dieselbe Stimme wie vorhin – nur lauter diesmal.

»Hier ist die Flugleitung von Brady Field. Wir werden angegriffen! Ich wiederhole, wir werden angegriffen! Bitte kommen … Irgendjemand! Bitte kommen!« Die Stimme klang total hysterisch.

»Flugleitung Brady Field, hier spricht PBY 086. Ende«, meldete sich Pitt.

»Gott sei Dank; jemand, der Antwort gibt«, keuchte es in Pitts Kopfhörer.

»Ich habe schon vorher versucht, Sie zu erreichen. Aber Sie waren plötzlich verschwunden.«

»Ich bin beim ersten Angriff verwundet worden. Ich … ich muss ohnmächtig geworden sein. Jetzt bin ich wieder in Ordnung.« Die Worte kamen abgerissen, waren aber klar zu verstehen.

»Wir befinden uns rund fünfzehn Kilometer westlich von Ihnen. Höhe etwa zweitausend Meter.« Pitt sprach langsam und verzichtete darauf, seine Position ein zweites Mal durchzugeben. »Wie sieht es bei Ihnen aus?«

»Wir können uns nicht verteidigen. Unsere gesamten Einsatzkräfte sind am Boden zerstört worden. Die nächste Staffel Abfangjäger ist eintausend Kilometer von hier stationiert. Sie kommen auf jeden Fall zu spät. Können Sie etwas tun?«

Obwohl der andere ihn nicht sehen konnte, schüttelte Pitt unwillkürlich den Kopf. »Unmöglich, Brady Field. Meine Höchstgeschwindigkeit beträgt noch nicht einmal dreihundertfünfzig Stundenkilometer, und ich habe nur ein paar Gewehre an Bord. Es wäre reiner Irrsinn, Jagd auf einen Düsenbomber zu machen.«

»Bitte helfen Sie uns«, flehte die Stimme. »Unser Angreifer ist kein Düsenbomber, sondern ein uralter Doppeldecker aus dem Ersten Weltkrieg. Bitte helfen Sie uns.«

Pitt und Giordino sahen sich sprachlos an. Es dauerte eine Weile, bis sich Pitt wieder gefasst hatte.

»Okay, Brady Field, wir spielen mit. Aber es wäre gut, wenn Sie die Sicherheitsbefeuerung Ihres Towers in Betrieb setzten. Sie könnten sonst zwei alte Mütterchen für den Rest ihres Lebens unglücklich machen, wenn wir, mein Copilot und ich, mit aller Kraft dagegenkrachen. Ende.« Pitt wandte sich Giordino zu und gab ihm mit unbewegter Miene seine Anweisungen; seine Stimme klang ruhig und zuversichtlich. »Geh nach hinten und mach die Ladeluke auf. Dann nimmst du dir einen der Karabiner und betätigst dich als Scharfschütze.«

»Ich kann einfach nicht glauben, was ich da gehört habe.« Giordino war noch immer wie vor den Kopf geschlagen.

Pitt schüttelte den Kopf. »Ich kann’s auch noch nicht ganz fassen. Aber wir müssen den Jungs dort unten auf jeden Fall unter die Arme greifen. Also mach zu.«

»Ich mach ja schon«, murmelte Giordino. »Aber ich versteh’ das Ganze trotzdem nicht.«

»Es hat keinen Sinn, sich jetzt darüber den Kopf zu zerbrechen, lieber Freund.« Pitt boxte Giordino sanft gegen den Arm und lächelte ihm kurz zu. »Viel Glück.«

»Das kannst du dir für dich selbst aufsparen. Die Geschichte kann dich genauso gut Kopf und Kragen kosten wie mich«, gab Giordino ernst zurück. Dann erhob er sich von seinem Sitz und machte sich auf den Weg in den Laderaum des Flugbootes. Dort nahm er den 30er Karabiner aus dem Waffenschrank und schob einen fünfzehnschüssigen Ladestreifen in das Magazin. Ein warmer Windstoß schlug ihm ins Gesicht, als er die Luke aufstieß. Er überprüfte das Gewehr, setzte sich hin und wartete, in Gedanken bei dem Mann, der das Flugboot steuerte.

Giordino kannte Pitt schon seit Langem. Sie hatten bereits als Jungen miteinander gespielt, waren dann zusammen im selben Leichtathletikteam der High School gewesen und hatten dieselben Mädchen zu Freundinnen gehabt. Er kannte Pitt länger als irgendjemanden sonst. Der Major vereinigte sozusagen zwei Persönlichkeiten in sich, von denen die eine kaum etwas mit der anderen zu tun hatte. Da gab es den nüchtern berechnenden Pitt, der nur selten einen Fehler machte und dennoch fröhlich und unkompliziert war und sich leicht mit jedem anfreundete – zwei Eigenschaften, die nur selten in einem Menschen zusammentreffen. Und dann gab es den anderen Pitt, der oft niedergeschlagen war und sich manchmal stundenlang in der Einsamkeit verkroch, der abweisend und eigenbrötlerisch war, als ob er in einer wirklichkeitsfernen Traumwelt lebte. Es musste einen Schlüssel geben, der die Tür zwischen den beiden Pitts öffnen konnte, doch Giordino hatte ihn bisher nicht gefunden. Er wusste nur, dass sich diese zwei Persönlichkeiten seit einem Jahr häufiger ablösten – seit Pitt auf Hawaii eine Frau verloren hatte, die er tief geliebt hatte.

Giordino fiel ein, wie sich Pitts Augen plötzlich verändert hatten, als er vorhin den Hilferuf aufgefangen hatte, wie ihr tiefes Grün zu glitzerndem Leben erwacht war. Giordino hatte noch nie solche Augen gesehen – bis auf ein einziges Mal. Als er sich jetzt daran erinnerte und einen Blick auf den fehlenden Finger an seiner rechten Hand warf, überlief ihn ein leiser Schauer. Er zwang sich, mit seinen Gedanken wieder in die Gegenwart zurückzukehren, und entsicherte den Karabiner. Seltsam – aber jetzt fühlte er sich geborgen.

Vorn im Cockpit machte sich Pitt gerade für den Anflug auf Brady Field fertig. Die Konzentration und die Anspannung ließen seine Gesichtszüge noch männlicher als sonst erscheinen. Er war kein schöner Mann, und Frauen stieß er eher ab. Sie fühlten sich in seiner Gegenwart normalerweise eingeschüchtert. Irgendwie spürten sie, dass er nicht der Mann war, den man mit weiblicher List und Koketterie um den Finger wickeln konnte. Er genoss es zwar, wenn er in weiblicher Gesellschaft war, und hatte auch ein Gespür für ihre erotische Ausstrahlung; doch er verabscheute das Versteckspiel, die Schmeicheleien und unaufrichtigen Liebenswürdigkeiten, die nötig waren, um eine Durchschnittsfrau zu verführen. Nicht, dass er zu ungeschickt gewesen wäre, eine Frau ins Bett zu bekommen; im Gegenteil, er konnte genügend Erfolge auf diesem Gebiet vorweisen. Aber er musste sich dazu immer erst einen Ruck geben. Er liebte die geradlinigen, offenen Frauen, doch gerade die waren selten.

Pitt schob die Steuersäule nach vorn, und die PBY senkte die Nase und setzte zu einem lang gezogenen Gleitflug auf das Flammenmeer von Brady Field an. Auf dem schwarzen Höhenmesser glitt der Zeiger langsam zurück. Die fünfundzwanzig Jahre alte Maschine begann zu vibrieren, als er sie noch steiler nach unten zwang. Sie war nicht für so hohe Geschwindigkeiten angelegt. Man hatte sie für Aufklärungs- und Langstreckenflüge konstruiert. Sie war äußerst zuverlässig, doch damit waren ihre Qualitäten auch schon erschöpft.

Pitt hatte seinerzeit den Kauf des Flugbootes beantragt, als er von der Air Force zur National Underwater and Marine Agency übergewechselt war. Das war damals auf Bitten von dem Direktor der NUMA, Admiral James Sandecker, geschehen. Pitt hatte seinen Dienstgrad als Major behalten; offiziell rangierte er jedoch als Leiter des Sonderdezernats. Eine geregelte Bürozeit gab es nicht für ihn; er hatte nur die anfallenden Schreibarbeiten zu erledigen. Seine Hauptaufgabe bestand darin, immer dann einzugreifen, wenn irgendein Projekt an Schwierigkeiten nicht wissenschaftlicher Natur zu scheitern drohte. Und gerade für solche Aufgaben eignete sich die PBY Catalina ideal. Sie war wie geschaffen für den Transport von Passagieren und Frachtgut, und man konnte mit ihr wassern. Das war das Wichtigste; denn die meisten Unternehmungen der NUMA fanden auf offenem Meer statt.

Plötzlich sah Pitt einen Farbfleck vor der schwarzen Rauchwolke aufleuchten. Ein knallgelbes Flugzeug tauchte aus dem Rauch auf, zog eine enge Schleife, was auf eine gute Manövrierfähigkeit deutete, und verschwand wieder. Pitt nahm die Geschwindigkeit zurück. Das gelbe Flugzeug schoss auf der anderen Seite wieder aus der Rauchwolke heraus und nahm Brady Field erneut unter Beschuss.

»Das gibt’s doch nicht«, rief Pitt unwillkürlich aus. »Eine Albatros!«

Die Catalina stieß, die Sonne im Rücken, auf die Albatros hinab. Der Pilot, ganz in sein grausames Geschäft vertieft, bemerkte sie nicht. Ein bitteres Lächeln überflog Pitts Züge. Schade, dass im Bug der PBY keine Maschinengewehre installiert waren, mit denen er das Feuer auf den Doppeldecker hätte eröffnen können. Er ließ das Flugboot über den linken Flügel abkippen, um in die für Giordino günstigste Schussposition zu kommen. Noch immer hatte ihr Gegner sie nicht entdeckt. Plötzlich bellte Giordinos Karabiner wiederholt auf.

Sie flogen direkt über dem Doppeldecker, als der Lederhelm endlich herumwirbelte. Pitt konnte deutlich erkennen, wie der Pilot in sprachlosem Entsetzen den Mund aufriss, als er das große Flugboot auf sich zustürzen sah – der Jäger war plötzlich der Gejagte. Doch er erholte sich rasch von seinem Schreck, und die Albatros wich in einem engen Bogen nach unten aus. Giordinos Salve hatte sie aber jedenfalls erwischt.

Der zweite Akt des erbitterten Kampfes begann. Die beiden ungleichen Gegner gingen erneut in Gefechtsstellung. Die PBY war zwar schneller, der Albatros an Manövrierfähigkeit jedoch weit unterlegen. Zudem besaß sie keine Maschinengewehre. Die Albatros ist nicht so bekannt wie ihr berühmtes Gegenstück, die Fokker. Doch sie war ein ausgezeichnetes Kampfflugzeug und bildete in den Jahren 1916-1918 das Rückgrat der deutschen Luftwaffe.

Der Pilot der Albatros hatte seine Maschine kurz über dem Boden abgefangen. Er wendete und nahm direkt Kurs auf das Cockpit der PBY. Pitt reagierte rasch und riss den Steuerknüppel bis zum Anschlag zurück. Er schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass die Schweißnähte zwischen den Tragflächen und dem Rumpf hielten, als das schwerfällige Flugboot ächzend zu einem Looping ansetzte. Er ließ alle Vorsicht, alle Flugregeln außer Acht und konzentrierte sich ganz auf den tödlichen Zweikampf. Er meinte, das Metall reißen zu hören, als die PBY kreisförmig in den Himmel stieß. Auf dieses ungewöhnliche Ausweichmanöver war sein Gegner nicht gefasst gewesen. Seine Maschinengewehrgarbe traf weit unter der PBY ins Leere.

Die Albatros zog nun in einem steilen Linksbogen ebenfalls nach oben und startete abermals einen Frontalangriff auf das Flugboot. Pitt sah, wie die Rauchspurgeschosse seines Gegners seine Windschutzscheibe um knappe drei Meter verfehlten. Ein Glück, dass der Bursche ein so lausiger Schütze ist!, dachte er. Obwohl er ein ziemlich flaues Gefühl im Magen hatte, blieb Pitt unverändert auf Kollisionskurs. Erst im letzten Augenblick wich er aus. Giordino nutzte den kurzen Augenblick, in dem er die Albatros im Visier hatte. Der Lederhelm hatte allerdings geschickt reagiert und war bereits weggetaucht, als Giordino das Feuer eröffnete. Pitt verlor die senkrecht nach unten schießende Albatros einen Moment lang aus den Augen. Er zog in einer engen Kurve nach rechts und suchte den Himmel nach ihr ab. Zu spät. Er ahnte den Geschosshagel, der das Flugboot traf, mehr, als dass er ihn bewusst wahrnahm. Er riss die Maschine wie wild nach unten. Ein trudelnder Sturzflug brachte ihn noch einmal in Sicherheit.

Der ungleiche Kampf ging weiter. Der Schauplatz verlagerte sich allmählich aufs offene Meer hinaus. Die Endrunde begann.

Pitt brach der Schweiß aus; in regelrechten Bächen rann er ihm über das Gesicht. Sein Gegner war mit allen Wassern gewaschen. Doch auch Pitt war ein Meister des Luftkampfes. Mit zäher Geduld, die er sich selbst nicht zugetraut hätte, wartete er auf den geeigneten Moment, um seinem Gegner den entscheidenden Schlag zu versetzen.

Der Albatros gelang es, sich in eine Position hinter und leicht über der Catalina zumanövrieren. Pitt behielt Richtung und Geschwindigkeit unverändert bei, und der Lederhelm, der schon den Sieg witterte, arbeitete sich bis auf fünfzig Meter an das hoch aufragende Heck des Flugbootes heran. Aber bevor noch die beiden Maschinengewehre losfeuern konnten, nahm Pitt das Gas weg und fuhr die Landeklappen aus, sodass das große Flugzeug wie ein Stein nach unten sackte. Der Pilot des Doppeldeckers wurde davon vollkommen überrascht. Er überflog die PBY, und zwar in so geringer Höhe, dass Giordino seine Salve direkt in den Motor der Albatros setzen konnte. Das altertümliche Flugzeug schwenkte vor dem Bug der PBY noch einmal ein. Pitt beobachtete mit der aufrichtigen Achtung, die ein kühner Mann dem ebenbürtigen Gegner entgegenbringt, wie der Pilot der Albatros seine Fliegerbrille hochschob und ihm einen kurzen Gruß zuwinkte. Dann war die gelbe Maschine vorbeigeflogen und verschwand in Richtung Westen über der Insel. Die lange schwarze Rauchfahne, die sie hinter sich herzog, war der sichtbare Beweis für Giordinos Schießkünste.

Die Catalina sackte immer tiefer ab, und ein paar zermürbende Sekunden lang hatte Pitt alle Hände voll zu tun, um das Flugzeug wieder unter Kontrolle zu bekommen. In einer lang gezogenen Kurve begann er allmählich wieder zu steigen, bis er eine Höhe von eintausendfünfhundert Metern erreicht hatte. Er suchte die Insel und das Meer ab, doch der gelbe Doppeldecker blieb verschwunden.

Pitt war unbehaglich zumute. Irgendwie war ihm die gelbe Albatros bekannt vorgekommen. Er hatte das Gefühl, als wäre eine Spukgestalt aus alter, längst vergessener Zeit plötzlich wieder aufgetaucht. Doch so unvermittelt, wie es aufgetreten war, verschwand das unheimliche Gefühl auch wieder. Er seufzte tief auf, als seine Anspannung nachließ und ein Gefühl der Erleichterung sich in ihm breitmachte.

»Na, wann kriege ich meinen Verdienstorden?«, fragte Giordino grinsend. Er stand in der Tür zum Cockpit. Aus einer schlimmen Kopfwunde lief ihm das Blut übers Gesicht. Der Kragen seines schreiend bunt geblümten Hemdes war bereits über und über rot.

»Ich spendiere dir lieber einen Drink, wenn wir gelandet sind«, erwiderte Pitt, ohne sich umzudrehen.

Giordino machte es sich auf dem Copilotensitz bequem. »Ich komme mir vor wie nach einer Achterbahnfahrt auf dem Long Beach Pike.«

Pitt musste lachen. Er lehnte sich gemütlich zurück und sagte nichts. Endlich warf er Giordino einenBlick zu. Erschrocken kniff er die Augen zusammen. »Was ist denn mit dir passiert? Bist du getroffen?«

Giordino sah ihn spöttisch-besorgt an. »Wer hat dir denn eigentlich erzählt, dass man mit einer PBY einen Looping drehen kann?«

»Das war eine plötzliche Eingebung von mir«, erwiderte Pitt breit grinsend.

»Das nächste Mal warnst du deine Fluggäste vorher. Mich hat es wie einen Fußball im Laderaum herumgeschleudert.«

»Wo hast du dir denn den Kopf angehauen?«, fragte Pitt neugierig.

»Willst du es unbedingt wissen?«

»Ja.«

Giordino war mit einem Mal verlegen. »An der Klinke der Klotür.«

Pitt sah ihn entgeistert an, dann lachte er lauthals los. Giordino ließ sich von seiner Heiterkeit anstecken, und das Cockpit hallte von schallendem Gelächter wider. Es dauerte eine Weile, bis sie sich zu beruhigen vermochten und ihnen der Ernst der Situation bewusst wurde.

Zwar besaß Pitt noch einen klaren Kopf, doch allmählich verließen ihn seine Kräfte. Die Anstrengungen des stundenlangen Fluges und des nervenaufreibenden Luftkampfes schlugen in eine bleierne Müdigkeit um. Er stellte sich vor, wie wohltuend es wäre, unter einer kalten Dusche zu stehen, sich den Schweiß vom Körper zu spülen und danach frische Kleidung anzuziehen. Plötzlich erschien ihm das als die wichtigste Sache der Welt. Ihr eigentliches Ziel war die First Attempt, doch eine dunkle Ahnung ließ Pitt seine Absicht ändern.

»Statt gleich zur First Attempt zufliegen und dort zu wassern, sollten wir lieber auf Brady Field zwischenlanden. Ich fürchte, wir haben ein paar böse Löcher im Rumpf.«

»Eine gute Idee«, pflichtete ihm Giordino bei. »Ich habe keine Lust zu schwimmen.«

Das große Flugboot setzte zur Landung an und ging hinter den Flugzeugtrümmern, die verstreut auf der Rollbahn herumlagen, nieder. Man hörte die Reifen aufjaulen, als das Fahrwerk hart auf dem glühend heißen Asphalt aufsetzte.

Pitt stellte die Catalina auf dem Vorfeld ab, so weit wie möglich von den lodernden Wracks entfernt. Er schaltete die Zündung aus, und die Umdrehungen der beiden Propeller wurden langsamer, bis sie silbern funkelnd in der Sonne stillstanden. Es herrschte völlige Stille. Er und Giordino saßen eine Zeit lang bewegungslos da, um die wohltuende Ruhe zu genießen.

Pitt ließ den Riegel seines Seitenfensters aufschnappen und sah gleichgültig zu, wie die Flughafenfeuerwehr gegen das Flammeninferno ankämpfte. Überall lagen Schläuche herum, und alle Männer rannten laut rufend durcheinander und vergrößerten so die allgemeine Verwirrung nur noch. Die F-105 waren bereits fast gelöscht, nur eine der beiden C-133 Cargomaster brannte noch lichterloh.

»Schau mal da hinüber«, sagte Giordino und deutete über das Vorfeld.

Pitt beugte sich über die Instrumententafel und starrte durch Giordinos Seitenfenster auf den blauen Kleinbus, der über die Rollbahn auf die PBY zugerast kam. Er war mit einigen Offizieren besetzt. Dem Bus folgten, wie eine rasende Hundemeute, dreißig oder vierzig jubelnde Rekruten.

»Na, das ist aber mal ein Empfang.« Pitt lächelte belustigt.

Giordino wischte sich mit einem Taschentuch über seine Kopfwunde. Als es sich mit Blut vollgesogen hatte, knüllte er es zusammen und warf es aus dem Fenster. Sein Blick glitt zur nahen Küste hinüber, und er starrte eine Zeit lang gedankenverloren aufs Meer. Schließlich wandte er sich zu Pitt um. »Ich nehme an, du weißt, dass wir verdammt viel Glück gehabt haben.«

»Ja, ich weiß«, erwiderte Pitt gleichmütig. »Ich war ein paarmal davon überzeugt, dass uns das Phantom gleich erwischen würde.«

»Ich möchte für mein Leben gern wissen, wer das eigentlich war und wozu die ganze Wahnsinnsaktion gut sein sollte.«

Man konnte sehen, wie es in Pitt arbeitete. »Vielleicht hilft es uns weiter, dass die Albatros gelb angestrichen war.«

Giordino sah seinen Freund fragend an. »Wieso? Hat denn die Farbe der alten Kiste etwas zu bedeuten?«

»Wenn du so brav die Geschichte der Luftfahrt studiert hättest wie ich«, frotzelte Pitt seinen Kameraden, »wüsstest du, dass die deutschen Piloten im Ersten Weltkrieg ihre Maschinen selbst angestrichen haben. Dabei verfielen sie manchmal auf die seltsamsten Muster.«

»Heb dir deine Geschichtsstunden für später auf«, brummte Giordino. »Ich will jetzt nichts weiter, als endlich aus diesem Käfig klettern, um den Drink zu kassieren, den du mir schuldest.« Er erhob sich von seinem Sitz und ging auf die Ausstiegsluke zu.

Der Kleinbus hielt mit kreischenden Bremsen neben der PBY. Alle vier Türen wurden aufgerissen, die Insassen stürzten johlend heraus und pochten wie verrückt gegen die Ausstiegsluke. Bald waren auch die Rekruten da, umringten das Flugzeug, ließen Pitt und Giordino hochleben und winkten ihnen im Cockpit zu.

Pitt blieb sitzen und winkte durch das Fenster zurück. Er war erschöpft und schlapp, doch in seinem Kopf arbeitete es immer noch. Ein Name ging ihm nicht aus dem Sinn. »Der mazedonische Falke«, murmelte er vor sich hin.

Giordino, der schon in der Tür stand, drehte sich um. »Was hast du gesagt?«

»Oh, nichts, gar nichts.« Pitt seufzte tief. »Also los – ich spendiere dir jetzt deinen Drink.«

2. Kapitel

Als Pitt erwachte, war es dunkel. Er wusste nicht, wie lange er geschlafen hatte. War er nur kurz eingenickt, oder lag er schon seit ein paar Stunden im Bett? Eigentlich war es ihm gleichgültig. Die Federn des Feldbettes quietschten, als er sich umdrehte und nach einer bequemeren Lage suchte. Doch er konnte nicht wieder einschlafen. Woran das wohl liegen mochte? War das ständige Surren der Klimaanlage daran schuld? Doch er war es ja gewohnt, selbst bei dröhnendem Flugzeuglärm einzuschlafen. Auch die durchs Zimmer huschenden Schaben störten ihn nicht. Nein, es musste an etwas anderem liegen. Plötzlich wurde es ihm klar: Es war sein Unterbewusstsein, das ihn wachhielt. Wie in einem nicht endenden Film spulten sich vor seinem inneren Auge die Ereignisse des Vortages immer von Neuem ab.

Ein Bild stach besonders hervor. Es war ein Foto aus der Gemäldesammlung des Imperial War Museum. Pitt konnte sich deutlich daran erinnern: Ein deutscher Pilot stand neben einem Kampfflugzeug aus dem Ersten Weltkrieg. Er hatte seine Fliegermontur an, und seine rechte Hand ruhte auf dem Kopf eines riesengroßen Schäferhundes. Der Hund hechelte und sah mit einem ergebenen Blick zu seinem Herrn auf. Das Gesicht des Piloten wirkte sehr jungenhaft, und ohne den üblichen Schmiss und das Monokel fehlte ihm irgendwie das typisch preußische Aussehen. Trotzdem hatten sein selbstbewusstes Lächeln und die kerzengerade Haltung etwas Martialisches an sich.

Pitt konnte sich sogar an die Bildunterschrift erinnern: »Der mazedonische Falke.« Leutnant Kurt Heibert, Jagdstaffel 91, erzielte an der mazedonischen Front 32 Luftsiege über die Alliierten. Er war einer der erfolgreichsten Jagdflieger des Ersten Weltkriegs. Vermutlich am 15. Juli 1918 über dem Ägäischen Meer abgeschossen.

Pitt lag eine Zeit lang da und starrte in die Dunkelheit. Mit dem Schlafen würde es wohl nichts mehr. Er setzte sich auf, stützte sich auf seinen Ellenbogen und tastete auf dem Nachttisch nach seiner Armbanduhr. Es war 4.09 Uhr. Er schwang die Beine aus dem Bett. Der Linoleumboden unter seinen Fußsohlen war angenehm kühl. Neben seiner Uhr lag eine Schachtel Zigaretten; er zündete sich eine an. Er machte einen tiefen Lungenzug, stand auf und reckte sich. Gequält verzog er sein Gesicht; der Rücken tat ihm von all dem Schulterklopfen, das er und Giordino über sich hatten ergehen lassen müssen, noch immer weh. Pitt musste lächeln, als er an die überschwängliche Begeisterung dachte, mit der sie der ganze Flughafen gefeiert hatte.

Der Mond, der durch das Fenster schien, und die laue, klare Morgenluft verstärkten Pitts Unruhe. Er streifte seine Shorts ab und durchwühlte in dem fahlen Licht sein Gepäck. Endlich fand er seine Badehose. Er zog sie an, holte sich ein Handtuch aus dem Badezimmer und trat hinaus in die stille Nacht.

Die ganze Gegend war in helles Mondlicht getaucht. Sie wirkte geradezu gespenstisch, wie sie sich so still vor ihm ausbreitete. Der Himmel war mit Sternen übersät, und die Milchstraße zog sich wie ein breites weißes Band quer darüber.

Pitt ging zum Haupttor. Auf halbem Wege machte er halt und betrachtete die verlassen daliegende Rollbahn. Die Lichterreihe, die sie begrenzte, war an mehreren Stellen unterbrochen. Auch die Randbefeuerung hatte bei dem Überfall einiges abbekommen. Trotzdem, die Rollbahn war für eine Nachtlandung noch klar genug zu erkennen. Jenseits der Befeuerung konnte er die PBY ausmachen, die wie eine große, dicke Ente einsam am hinteren Ende des Vorfeldes stand. Die Geschosse, die sie während des Gefechtes getroffen hatten, hatten übrigens so gut wie keinen Schaden angerichtet. Der Wartungsdienst hatte versprochen, die Reparatur gleich am nächsten Morgen zu erledigen. In drei Tagen würde die Maschine wieder flugtauglich sein. Colonel James Lewis, der Kommandant des Flughafens, hatte sich wortreich dafür entschuldigt, dass es so lange dauern würde; aber seine Leute waren vor allem damit beschäftigt, die Starfires und die zwei Cargomaster wieder instand zu setzen. Giordino und Pitt sollten inzwischen auf Brady Field bleiben. Sie hatten das Rettungsboot der First Attempt zuihrer Verfügung, um zwischen dem Schiff und der Insel hin und her zu pendeln. Das war ihnen nur recht; denn die Kabinen der First Attempt waren ohnehin überbelegt.

»Bisschen früh zum Baden. Meinen Sie nicht?«

Die Stimme riss Pitt aus seinen Gedanken, und er blieb erschrocken in dem gleißenden Licht eines Scheinwerfers stehen. Der Scheinwerfer war auf dem Dach des Wachhäuschens am Haupttor installiert, das auf einer Verkehrsinsel in der Mitte der Straße stand. Es war gerade groß genug, dass ein Mann darin sitzen konnte. Ein kleiner, stämmiger Militärpolizist kam heraus und musterte Pitt eingehend.

»Ich konnte nicht schlafen.« Kaum hatte er das gesagt, ärgerte sich Pitt auch schon, dass ihm nichts Witzigeres eingefallen war. Aber es ist ja, verdammt noch mal, wirklich die Wahrheit!, dachte er.

»Kann ich Ihnen nicht verdenken«, sagte der MP. »Nach allem, was heute passiert ist, würde es mich ehrlich wundern, wenn jemand diese Nacht gut schlafen könnte.« Bei dem Gedanken an Schlaf musste er gähnen.

»Es muss elend langweilig sein, hier die ganze Nacht herumzusitzen«, meinte Pitt.

»Da haben Sie recht«, erwiderte der Polizist. Er hakte die eine Hand mit dem Daumen in seinen Gürtel, während er die andere auf den 45er Colt legte, der an seiner Hüfte herunterbaumelte. »Wenn Sie hinauswollen, müssen Sie Ihren Passierschein zeigen.«

»Tut mir leid, ich habe keinen.« Pitt hatte vergessen, Colonel Lewis um einen Passierschein zu bitten, mit dem er das Fluggelände verlassen und wieder betreten konnte.

Das Gesicht des MP wurde plötzlich ganz amtlich. »Dann müssen Sie leider zur Kaserne zurück und ihn holen.« Er schlug nach einem Nachtfalter, der an seinem Gesicht vorbei auf den Scheinwerfer zuflatterte.

»Das wäre reine Zeitverschwendung. Ich habe gar keinen Passierschein.« Pitt lächelte Mitleid heischend.

»Versuchen Sie nicht, mich auf den Arm zu nehmen, Kamerad. Niemand kommt hier ohne Passierschein rein oder raus.«

»Ich schon.«

»Und wie haben Sie das geschafft?«

»Ich bin hereingeflogen.«

Verdutzt sah ihn der Militärpolizist an. Auf seiner weißen Mütze ließ sich ein neuer Nachtfalter nieder. Er bemerkte ihn gar nicht. Dann endlich begriff er. »Sie sind der Pilot der Catalina!«, platzte er heraus.

»Erraten.«

»Darf ich Ihnen gratulieren?« Der Polizist lächelte breit. »Das war ein Meisterstück. Ich habe noch nie jemanden so gut fliegen sehen.« Er hielt Pitt seine Pranke hin.

Pitt ergriff die ausgestreckte Hand und zuckte zusammen. Er hatte selbst einen kräftigen Händedruck, aber das war nichts gegen den des Wachtpostens.

»Danke. Aber ich wäre viel zufriedener gewesen, wenn mein Gegner abgestürzt wäre.«

»Der kann nicht mehr weit gekommen sein. Er hat ja schon aus allen Löchern gequalmt, als er über die Hügel das Weite gesucht hat.«

»Vielleicht ist er auf der anderen Seite der Insel abgestürzt?«

»Unmöglich. Der Colonel hat uns über die ganze Insel gejagt. Wir haben gesucht, bis es dunkel wurde, aber nicht das Geringste gefunden.« Er sah missmutig drein. »Was mir am meisten gestunken hat, war, dass wir zu spät zum Essenfassen zurückgekommen sind.«

Pitt grinste. »Er muss im Meer untergegangen sein. Oder er hat es bis zum Festland geschafft.«

Der Posten zuckte die Achseln. »Kann sein. Aber eins ist sicher: Auf Thasos ist er nicht. Mein Wort darauf.«

Pitt lachte. »Okay.« Er warf sich das Handtuch über die Schultern und zupfte an seiner Badehose. »Tja, es war nett, sich mit Ihnen zu unterhalten …«

»Airman Moody, Sir.«

»Ich bin Major Pitt.«

Der Polizist wurde blass. »Oh, tut mir leid, Sir. Ich wusste nicht, dass Sie Offizier sind. Ich dachte, Sie wären so ein Zivilist von der NUMA. Ich lasse Sie diesmal passieren, Major, aber es wäre besser, wenn Sie sich einen Passierschein zulegten.«

»Ich werde mich gleich nach dem Frühstück darum kümmern.«

»Meine Ablösung kommt um acht. Wenn Sie bis dahin nicht zurück sind, informiere ich ihn, damit er Sie ohne Schwierigkeiten wieder durchlässt.«

»Vielen Dank, Moody. Vielleicht sehen wir uns später noch.« Pitt hob grüßend die Hand, drehte sich um und ging die enge Pflasterstraße zur Küste hinunter.

Nach etwa anderthalb Kilometern gelangte er an eine kleine Bucht. Sie lag etwas unterhalb der Straße und war ringsum von großen, rissigen Felsbrocken eingesäumt. Er ging den schmalen Pfad zum Sandstrand hinunter, ließ sein Handtuch fallen und stapfte in die Brandung. Die auslaufenden Wellen umspülten seine Füße. Es regte sich fast kein Hauch, und die See war ruhig. Das Mondlicht verwandelte das Meer in eine silbern spiegelnde Fläche, deren Glanz in der Ferne verdämmerte, bis er am Horizont mit dem Himmel verschmolz. Eine Zeit lang stand Pitt nur da und nahm die friedliche Stimmung in sich auf. Dann ging er langsam ins Wasser und schwamm hinaus.

Sooft Pitt so allein im Meer schwamm, überkam ihn jedes Mal ein eigenartiges Gefühl. Ihm war, als ob sein Körper auf einmal zu existieren aufhörte und er nur noch ein schwereloses, geisterhaftes Wesen sei. Seine Sinne nahmen die Umwelt nur noch undeutlich wahr, und alles, was er tat, war zu hören: Er lauschte in die Stille. In seinem Inneren fühlte er dann völlige Ruhe und Klarheit. Er dachte an nichts mehr; was ihn sonst bedrückte und beschäftigte, war vergessen; alles löste sich in der unendlichen Weite des Meeres auf.

Beinahe eine volle Stunde trieb er so im Wasser. Da schlug eine kleine Welle über sein Gesicht, und er verschluckte sich. Er musste husten und merkte auf einmal wieder, wo er war. Langsam, und ohne sich anzustrengen, kraulte er zum Strand zurück. Als seine Hände den Boden berührten, ließ er sich das letzte Stück ans Ufer treiben. Er legte sich mit dem Oberkörper auf den Sand, ließ das Wasser um seine Beine plätschern und seine Haut umschmeicheln und nickte endlich ein.

Die Sterne verblassten schon im fahlen Licht der Morgendämmerung, als er plötzlich aufschreckte. Er spürte, dass jemand in der Nähe war. Sofort war er hellwach. Er blieb reglos liegen und öffnete die Augen einen Spalt. Undeutlich konnte er über sich eine Gestalt ausmachen. Er kniff die Augen zusammen. Langsam nahm der Schatten Formen an. Es war eine Frau.

»Guten Morgen«, sagte er und setzte sich auf.

»Oh, mein Gott«, ächzte die Frau. Sie schlug die Hand vor den Mund, als wollte sie gleich losschreien.

Ihr Gesicht war in der Dunkelheit kaum zu erkennen, doch Pitt konnte sich vorstellen, wie entgeistert sie ihn anstarrte. »Entschuldigen Sie«, sagte er mit sanfter Stimme. »Ich wollte Sie nicht erschrecken.«

Die Hand sank langsam herab. Die Frau blieb reglos stehen und starrte ihn unverwandt an. Endlich fand sie ihre Sprache wieder. »Ich … ich dachte schon, Sie wären tot«, stammelte sie leise.

»Ich kann es Ihnen nachfühlen. Wenn ich über jemanden stolperte, der um diese Zeit in der Brandung schläft, würde ich das Gleiche denken.«

»Sie haben mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt, als Sie sich so einfach aufgesetzt und mit einem Mal gesprochen haben.«

»Bitte entschuldigen Sie.« Plötzlich stutzte Pitt. Die Frau sprach Englisch! Und zwar ein reines Oxford-Englisch, mit einem ganz leichten deutschen Akzent. Er erhob sich. »Wenn ich mich vorstellen darf: Mein Name ist Dirk Pitt.«