Der Ukraine Konflikt und die Position Deutschlands - Jens Edrich - E-Book

Der Ukraine Konflikt und die Position Deutschlands E-Book

Jens Edrich

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Beschreibung

Der Krieg in der Ukraine erhitzt und spaltet die Gemüter. Nach einer Analyse des Autors ist er aber nichts anderes als Ausdruck eines generellen menschlichen Versagens, welches sich durch die gesamte moderne Gesellschaft zieht und auch schon im Zusammenhang der Coronakrise manifestiert hat. Das Versagen liegt in einem Mangel an der Fähigkeit, die Welt und das Gegenüber auch aus der geistigen Perspektive des anderen sehen zu können. Ohne aber diese Fähigkeit scheinen wachsende Krisen und Kriege in der nahen Zukunft unabwendbar. Der Autor zeigt einerseits die historischen Hintergründe der Ukrainekrise und auch die Rolle Deutschlands dabei auf und legt zugleich einen neuen Weg dar, bei dem der Mensch sich um die Fähigkeit bemüht, die Dinge gewissermaßen von "außen" betrachten zu lernen. Nur aus einem derart übergeordneten Blick auf das Ganze, welcher die seelisch-geistige Dimension des Menschen einbezieht, kann die Menschheit auf Dauer die Prinzipien von Spaltungen, Macht und Gewalt überwinden.

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Seitenzahl: 101

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhaltsverzeichnis:

Die verschiedenen Sichtweisen auf die Situation in der Ukraine

Lässt sich ein Konflikt durch Verhärtung lösen?

Was ist überhaupt Macht, Gewalt und Krieg?

Das Prinzip der verdeckten Gewalt

Die Frage nach der Amoralität offener und verdeckter Gewalt

Der Verzicht auf das Verurteilen

Ein Versuch zu verstehen

Wie wirken Ausgrenzung und Verleumdung

Ein Spiel mit dem Feuer

Die Lösung?

Die Wirkung geschichtlicher Traumatisierungen

Die Rolle Deutschlands

Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit

Gedanken zum individuellen Umgang jedes einzelnen mit der Krise

Der geistige Tod Deutschlands

Die Hoffnung auf ein geistig verantwortliches äußeres Deutschland muss losgelassen und der Modus des „Haben-Wollens“ muss überwunden werden.

Der Abstieg der Dunkelheit ins Innere des Menschen

Welche Rolle spielen Religion und Glauben?

Der Glaube an die Schöpferkraft eines geistigen Ideals muss neu geboren werden

Die Kraft, die sich aus dem Glauben an die aus einem geistigen Ideal heraus geborene und vom Menschen durchgetragene Idee ergibt:

Der Verzicht auf jeden Willensanspruch an die Welt - oder - das geistige Ideal einer „bewussten Kapitulation“

Von dem Weg das Negative für die Entwicklung eines Positiven zu nutzen

Von der Kunst ein Problem in Ruhe zu lassen und mit einem wirklich neuen Gedanken anzusetzen

Persönliche Nachbemerkung anlässlich der aktuellen Situation

Anmerkungen

Zum Titelbild:

Die Darstellung zeigt, wie sich eine aufsteigende, zunächst das Ganze des Kreises destruktiv spaltende Kraft allmählich nach unten zurückzieht und zuletzt dieses Ganze fein ausbalancierend auf seiner Spitze trägt. Auch die menschlichen Emotionen und Willensimpulse, die zur Zeit ohne klaren Gedanken überall spaltend und zerstörend in die Welt hereinwirken, müssen sich in der Zukunft so verwandeln, dass sie vom Ganzen inspiriert sind, und so das Ganze auch tragen können.

Die verschiedenen Sichtweisen auf die Situation in der Ukraine

Corona und der Krieg in der Ukraine haben eines gemeinsam, und das ist: Beide treiben den Menschen in eine Situation, in der ihm die Fähigkeit die andere Seite geistig zu verstehen und wahrzunehmen, was diese braucht, um wieder „zu sich“ zu kommen, verloren geht. Im gleichen Maße als uns aber diese grundlegende Fähigkeit des sich Hineinversetzens in unsere Mitmenschen, also der Empathie, verloren geht, droht auch der Verlust unserer eigenen Möglichkeit „zu uns“ zu kommen. Denn wo immer der Mensch die Fähigkeit verliert, sich in den anderen Menschen empathisch hineinzuversetzen, da verliert er sich selbst und es kommt zu Spaltungen und Kriegen. Es entsteht ein verhängnisvoller Teufelskreis des „Außer Sich Geratens“ des Menschen, der – wie die Geschichte der Menschheit gezeigt hat – immer wieder fatale Konsequenzen nach sich zieht.

Was also ist geschehen, und wie kommen wir endlich soweit wieder „zu uns“, dass wir aus diesem verhängnisvollen Teufelskreis, der die Menschen immer wieder und wieder in Kriege und unendliche Zerstörung hineintreibt, aussteigen können?

Putin und seine Truppen sind gerade dabei mit militärischer Gewalt einen souveränen Nachbarstaat anzugreifen. Dabei werfen sie seiner Regierung vor, dass sie sich zu einer Marionettenregierung für westliche Expansionstendenzen gegen Russland instrumentalisieren ließe. Gleichzeitig wiese diese Regierung nationalistisch-faschistische Bestrebung auf, die unbequemen russischen Minderheiten im Osten des Landes, die sich einer Annäherung an den Westen widersetzen und lieber die Verbindung mit Russland pflegen möchten, zu benachteiligen und auch militärisch zu drangsalieren. Ja Putin spricht sogar davon, dass gegen diese Menschen russischer Nationalität im Osten der Ukraine von Seiten der ukrainischen Armee ein Völkermord drohe bzw. bereits im Gang sei. Wie kommt Putin dazu so etwas zu sagen?

Der von den westlichen Medien weitgehend verschwiegene Flammentod von ca. 40 russischen Demonstranten im Jahre 2014 in Odessa (in manchen Berichten ist auch von annähernd 200 Opfern die Rede), die unter den Molotowcocktails ukrainischer Nationalisten den Tod fanden, weil sie sich gegen die ukrainisch-nationalistischen, sie diskriminierenden Tendenzen in der neuen Regierung in Kiew gewendet hatten, wurde für das russische Ehrgefühl zum Meilenstein einer bedrohlichen Entwicklung (Anmerkung 1). Die derzeitige Unterdrückung der autonomen Provinzen, welche die Regierung in Kiew entgegen der Vereinbarung von Minsk noch immer vornimmt (Anmerkung 2), wie auch die immer weiter nach Osten greifende Erweiterung der Nato stellen für die russische Bevölkerung deshalb nicht ganz unbegründet ein gewisses historisches Déjà-vu-Erlebnis dar, welches sie nicht mehr hinzunehmen bereit ist. Der Krieg verfolge deshalb das Anliegen, eine Entwicklung rechtzeitig - bevor es zu spät sei - zu beenden, die im Erleben der Russen zum Ziel habe, Russland und seine Bevölkerung immer mehr in die Enge zu treiben und zuletzt gar in seiner Identität auszulöschen. Russland habe schließlich in seiner Geschichte oft genug erlebt, welche unsägliche Zerstörung und Vernichtungskräfte es erleiden musste, wenn es dem Versuchen westlicher Nationen nach Osten zu expandieren und dabei Russland zu besetzen, nicht rechtzeitig Einhalt gebot. Sowohl der Einmarsch napoleonischer Truppen in Russland als auch der Russlandfeldzug Hitlers hatten in Russland ja riesige Verwüstung hinterlassen und – gerade der zweite Weltkrieg – einen riesigen Blutzoll auch an der Zivilbevölkerung von Russland gefordert, da die Nazis ganze Städte und die darin wohnenden Zivilisten umzingelten und in die Vernichtung trieben. Dieser Blutzoll Russlands überstieg bei weitem die Zahl der Opfer aller anderen kriegsbeteiligten Nationen.

Russland reagiert mit seinem Truppenvorstoß in die Ukraine also aus seinen historischen Erfahrungen und Traumen heraus auf die von ihm als aggressiv und bedrohlich erlebten Expansionsbestrebungen eines von sich und seinem Gesellschaftsmodell überzeugten Westens, der offensichtlich – wie es am Beispiel der Ereignisse von Odessa sichtbar wird - den Tod russischer Bürger durch einen ukrainischen Mob in Kauf nimmt und bis heute nicht bereit ist, diese Ereignisse geschichtlich aufzuarbeiten.

Dabei fällt Russlands Reaktion nun in einer aggressiven und viele Menschenleben fordernden Weise aus, die verständlicherweise bei den wenigsten Nationen in der Welt auf Verständnis stößt und auch wegen der militärischen Gewalt und der sich daraus ergebenden Gefahr einer immer weiteren Eskalation nicht zielführend sein kann. Denn - wie wir aus der Psychotraumatologie heraus wissen - besteht immer die Gefahr, dass der Mensch, der aus einem schweren Trauma heraus agiert, blind um sich schlägt, weil er keinen Weg mehr für sich findet, das für ihn Bedrohliche auf andere Weise zu lösen, und dass er damit noch zur weiteren Zuspitzung des Konfliktes beiträgt.

Soweit also die eine Seite. Und die andere Seite, wie blickt sie auf die Ereignisse? Die Ukraine und all die anderen Nationen, die in den letzten Jahren der Nato beigetreten sind, hätten ein legitimes Recht darauf, sich selber zu bestimmen und damit auch die Zugehörigkeit zu welchem militärischen, politischen, wirtschaftlichen Bündnis auch immer selbst zu wählen. Denn schließlich ginge es ja um die Verbreitung der Demokratie. Und man könne es einem Land ja nicht verübeln, wenn es sich eben dafür entscheidet sich der westlichen demokratischen Welt anzuschließen und sich vom antidemokratischen, reaktionären Russland endgültig abzuwenden, so die westliche Sicht auf die Dinge. Russlands Angst vor der Expansion der westlichen Welt einschließlich der Nato in Richtung Osten sei deshalb nichts anderes als die Angst eines totalitären Systems, welches sich durch das Heranrücken demokratischer, freiheitlicher Gesellschaften, in seinem reaktionären Geist bedroht fühlt. Schließlich würde es ja damit Gefahr laufen, dass zuletzt auch seine eigene Bevölkerung überlaufen könne zu diesen demokratischen Ländern, und dass damit der alte russische reaktionäre Bär ein für alle mal abdanken müsse. Aber gerade, weil es ja letztlich um die Expansion einer freiheitlich demokratischen Welt ginge, also letztlich darum, die Menschen von Fremdbestimmung und totalitären Strukturen, wie sie in Russland aber auch in China noch dominierten, zu befreien und die segensreichen modernen und demokratischen, den Menschen Freiheit bringenden westlichen Gesellschaftsmodelle zu etablieren, deshalb seien die Bedenken Russlands nur ein letztes Aufbäumen dieser überkommenen reaktionären Systeme, die es ohnehin zu überwinden gilt (Anmerkung 3).

Der Ruf nach mehr Mut und Einsatz und auch militärischer Unterstützung des Westens inklusive Deutschlands im Kampf gegen den reaktionären russischen Bär, der sich hier völlig illegitim an seinen Nachbarn vergreift, wie er derzeit immer lauter von Seiten der westlichen Medien zu hören ist und die Politik regelrecht dazu drängt, endlich auch militärisch zu handeln, scheint die logische Konsequenz dieser Sichtweise zu sein.

Aber ist es auch die richtige Konsequenz, die hier gezogen wird, oder aber wird nicht jene Haltung, die Härte mit noch mehr Härte begegnen will, statt Härte durch Verstehen aufzuweichen, die begonnene Eskalationsspirale noch weiter in den Abgrund treiben, wie es z.B. die deutsche Politikerin Sarah Wagenknecht fürchtet (Anmerkung 4)?

Lässt sich ein Konflikt durch Verhärtung lösen?

Kann ein Konflikt jemals gelöst werden, solange der Mensch die Schuld beim anderen sucht, statt sich zu fragen, an welcher Schwäche jener leidet und wie jene Schwäche berücksichtigt werden und zugleich ein Weg gefunden werden kann, jene Schwäche zu überwinden? Wäre es nicht konstruktiver, verantwortungsvoller und damit zielführender für den Menschen, sich selber zu fragen durch welches Verstehen er dazu beitragen kann den Konflikt zu überwinden, statt vom anderen die Lösung des Konfliktes zu erwarten? Wird ein Mensch jemals die eigene Schuld erkennen und durch konstruktive Schritte überwinden können, wenn man ihn gewaltsam zum Schuldeingeständnis zu zwingen versucht ohne dabei die eigene Schuld, den eigenen Fehler in den Blick genommen zu haben?

Zeigt nicht die Geschichte, dass jeder Versuch den anderen mit Macht zu Schuldeingeständnissen zu zwingen immer zum Krieg führt, und dass nach erfolgter Niederlage der derart Erniedrigte entweder in ewiger Knechtschaft daniederliegt und damit durch den ewigen Opferstatus andere dazu verführt an ihm zum Täter zu werden, oder aber über kurz oder lang sich wieder erhebt um sich für die erlittene Schmach zu rächen? Und wird nicht auf beide Weisen immer neue Schuld und immer neues Leid in der Welt geschaffen?

Führt also nicht die Schuldfrage und damit die Frage, wer recht hat, stets immer weiter zur Verhärtung, zu gegenseitigen Schuldzuweisungen und damit zuletzt immer wieder zum Krieg? Und hat nicht die Historie uns gezeigt, dass die Zeiten, in denen Krieg und Gewalt als probate Mittel zur Durchsetzung eigener Interessen galten, ein für alle Male vorbei sein müssten, da in Kriegen, wie sie heute von der Menschheit gefochten werden können, zuletzt immer alle die Verlierer sein müssen?

Hilft uns aber diese Erkenntnis, dass wir keinen Krieg mehr wollen, ja dass es „unsere verdammte Pflicht ist eine kriegerische Eskalation in Europa zu verhindern“ – wie es unser Bundeskanzler Olaf Scholz neulich sagte – wirklich schon weiter, wenn wir darob doch an unserer eigenen festgefahrenen Postion festhalten? Müssen wir nicht vielmehr die andere Seite erst einmal wirklich verstehen um dieser Pflicht überhaupt erst gerecht werden zu können? Werden wir dadurch tatsächlich das Problem lösen, dass wir jetzt mit dem Finger auf den „bösen Putin“ zeigen und ihm vorhalten, er würde auf das alte Prinzip der Macht und Gewalt als politisches Mittel zurückgreifen und damit die Gesellschaftsordnung zerstören, wie sie nach 1945 in der Welt entstanden ist? Müssen wir nicht vielmehr zuerst einmal darauf schauen, wo wir selber das Prinzip der Macht und Gewalt walten lassen? Und werden wir ihn mit Sanktionen und Härte und immer noch mehr Härte bis hin zur kriegerischen Gewalt tatsächlich „zur Einsicht“ bringen, wenn wir nicht zugleich selber beginnen auch seine Perspektive wirklich einzusehen? Müssen wir nicht vielmehr fragen, woher dieser Krieg eigentlich stammt, was also seine eigentlichen Ursachen sind, und wie wir ihn wirklich verhindern bzw. beenden können?

Was ist überhaupt Macht, Gewalt und Krieg?

Macht bedeutet eine Fähigkeit zu haben einem anderen Menschen den eigenen Willen aufzuzwingen. Gewalt bedeutet dabei dies so zu tun, dass der Wille des anderen - mit welchen Mitteln auch immer - gebrochen wird. Krieg ist dabei derjenige Schritt, bei dem zum Brechen des Willens des anderen Menschen militärische Mittel eingesetzt werden.

So beginnt der Krieg schon lange bevor er bis zum militärischen Konflikt eskaliert mit der Gewalt, und die Gewalt findet ihre Ursache im Prinzip der Macht. Sowohl Macht, als auch Gewalt, als auch Krieg können mehr auf einer materiellen Ebene ausgeübt werden oder eben mehr auf einer psychologischen Ebene.

Der Mensch kann Macht über einen anderen Menschen ausüben, wenn er dem anderen durch physische Kraft überlegen ist. Das Prinzip der Macht lässt sich also aufrecht erhalten durch die Androhung materieller Gewalt oder die Androhung von Krieg.