Der Zorn des Poseidon - Clive Cussler - E-Book

Der Zorn des Poseidon E-Book

Clive Cussler

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Beschreibung

Sam und Remi Fargo suchen den Schatz des sagenumwobenen König Krösus – doch die Konkurrenz geht über Leichen! Der zwölfte Roman der beliebten Fargo-Serie.

Vor zehn Jahren suchten Sam und Remi Fargo in Griechenland den Schatz des sagenumwobenen König Krösus. Die Konkurrenz war gnadenlos, und als die Fargos dann auch noch einem Drogenkartell in die Quere kamen, gaben sie die Suche auf. Doch immerhin konnten sie dafür sorgen, dass der Drogenboss ins Gefängnis kam. Heute ist der Verbrecher wieder ein freier Mann, und er hat zwei Ziele: Erstens will er den Schatz, von dem er vor zehn Jahren erfahren hat. Und zweitens will er Sam und Remi Fargo tot sehen. Die beiden Schatzjäger haben allerdings von seinen Plänen erfahren, und bereiten sich auf den Showdown vor!


Jeder Band ein rasantes Abenteuer und einzeln lesbar. Lassen Sie sich die anderen Bücher um das Schatzjäger-Ehepaar Sam und Remi Fargo nicht entgehen – zum Beispiel Das Orakel des Königs, Jäger des gestohlenen Goldes und Das graue Phantom.

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EPUB

Seitenzahl: 590

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Buch

Vor zehn Jahren suchten Sam und Remi Fargo in Griechenland den Schatz des sagenumwobenen König Krösus. Die Konkurrenz war gnadenlos, und als die Fargos dann auch noch einem Drogenkartell in die Quere kamen, gaben sie die Suche auf. Doch immerhin konnten sie dafür sorgen, dass der Drogenboss ins Gefängnis kam. Heute ist der Verbrecher wieder ein freier Mann, und er hat zwei Ziele: Erstens will er den Schatz, von dem er vor zehn Jahren erfahren hat. Und zweitens will er Sam und Remi Fargo tot sehen. Die beiden Schatzjäger haben allerdings von seinen Plänen erfahren, und bereiten sich auf den Showdown vor!

Autoren

Seit er 1973 seinen ersten Helden Dirk Pitt erfand, ist jeder Roman von Clive Cussler ein »New York Times«-Bestseller. Auch auf der deutschen SPIEGEL-Bestsellerliste ist jeder seiner Romane vertreten. 1979 gründete er die reale NUMA, um das maritime Erbe durch die Entdeckung, Erforschung und Konservierung von Schiffswracks zu bewahren. Er lebte bis zu seinem Tod im Jahr 2020 in der Wüste von Arizona und in den Bergen Colorados.

Robin Burcell befand sich beinahe drei Jahrzehnte im Polizeidienst von Kalifornien – zunächst als Police Officer, später im Rang eines Detective. Sie hat mit Geiselnehmern verhandelt und wurde vom FBI in Forensik ausgebildet. Sie lebt heute in Nord-Kalifornien.

Die Fargo-Romane bei Blanvalet

1. Das Gold von Sparta

2. Das Erbe der Azteken

3. Das Geheimnis von Shangri La

4. Das fünfte Grab des Königs

5. Das Vermächtnis der Maya

6. Der Schwur der Wikinger

7. Die verlorene Stadt

8. Der Schatz des Piraten

9. Jäger des gestohlenen Goldes

10. Das graue Phantom

11. Das Orakel des Königs

12. Der Zorn des Poseidon

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Clive Cussler& Robin Burcell

DER ZORN DES POSEIDON

Ein Fargo-Roman

Deutsch von Michael Kubiak

Die Originalausgabe erschien 2020 unter dem Titel »Wrath of Poseidon« bei Putnam, New York.Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Copyright der Originalausgabe © 2020 by by Sandecker, RLLLP

By arrangement with Peter Lampack Agency, Inc., 551 Fifth Avenue, Suite 1613, New York, NY 10176-0187 USA

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2023 by Blanvalet Verlag, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkterstr. 28, 81673 München

Redaktion: Jörn Rauser

Umschlaggestaltung und -motiv: © Johannes Wiebel | punchdesign, unter Verwendung von Motiven von stock.adobe.com (Pavel Matousek, Iakov Kalinin michalz86, dule964, Evgheni, alonso lopez/EyeEm, marcel, Paul Vinten, Chris)

HK · Herstellung: sam

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-27694-2V001

www.blanvalet.de

HANDELNDE PERSONEN

SARDES, 546 v. Chr.

General Mazares – Oberbefehlshaber der Armee von König Kyros II. von Persien.

Artaban – General Mazares’ Leutnant.

Magos – ein Soldat.

Tabalus – der von Kyros II. eingesetzte Satrap von Sardes.

Paktyes – ein Lyder, dem von Kyros II. die Bewachung des Schatzes von Sardes übertragen wurde.

POSEIDONSDREIZACK, 546 V. Chr.

Xanthos – fünfzehn Jahre alt, ein Fischer auf der Insel Fourni.

Agathos – zehn Jahre alt, Xantos’ Bruder.

Drakon – ein samischer Pirat.

Lampros – ein samischer Pirat.

Alyattes – ein lydischer Dieb.

Korax – ein lydischer Dieb.

DIEFARGOS

Sam Fargo

Remi Fargo – geb. Longstreet.

IHREFREUNDE

St. Julien Perlmutter

Frank – St. Julien Perlmutters Chauffeur.

Rubin »Rube« Haywood – ein CIA-Agent.

Blake Thomas – ein mit Sam Fargo befreundeter Immobilienmakler.

Olivia Brady – Remi Fargos Collegefreundin und Mitbewohnerin im Studentenheim.

Keith Brady – Olivia Bradys Bruder.

Steve Drake – ein ehemaliger Navy SEAL.

Kate Drake – Steve Drakes Ehefrau.

Selma Wondrash – Rechercheurin der Fargos.

GRIECHENLAND

BEWOHNERVONFOURNI

Dimitris Papadopoulos – Remi Fargos Freund und Kommilitone.

Nikos Papadopoulos – Dimitris Vater.

Aris – Nikos’ Neffe.

Valerios – Nikos’ Cousin.

Tassos Gianakos – Experte für die Epoche des Piratenunwesens in der Ägäis und Zoe Gianakous Großvater.

Zoe Gianakou – Dimitris Papadopoulos’ Freundin.

Skevos – Inhaber von Skevos’ Café.

Manos Mitikas – ein Taucher der Fourni Underwater Archeological Preservation Society und mit Dimitris befreundet.

Denea Buckingham – Manos Mitikas’ Freundin und Taucherin der Fourni Underwater Archeological Preservation Society.

BEWOHNERVONSAMOS

Helena – mit Tassos Gianakos befreundet.

Professor Alexándrou – Experte für antike ägäische Literatur.

BEWOHNERVONPATMOS

Adrian Kyril

Minerva Kyril – Adrian Kyrils Mutter und Olivenölproduzentin.

Phoebe – Fotomodell und Adrian Kyrils Freundin.

Leon – Rechtsanwalt der Kyril-Familie.

ADRIANKYRILSGANGSTERBANDE

Ilya – Chef von Adrian Kyrils Sicherheitstruppe.

Fayez – Ilyas Stellvertreter.

Giorgo – ein Wächter.

Lucas – ein Wächter.

Zenos

Gianni

Piers

Kostas

Gregor

INTERPOL

Sergeant Petros Kompouras

PROLOG I

SARDES, PERSISCHES KAISERREICH546 v. Chr.

Als düsterer Schatten ragte der steile Burgberg von Sardes in den Nachthimmel, während tief unten am Fuß des Berges Flammen loderten, die die strohgedeckten Gebäude am Rand der Stadt verschlangen. General Mazares, von König Kyros II. von Persien abkommandiert, als ihn die Nachricht von der Revolte erreichte, war mit einer Einheit der schweren Kavallerie die ganze Nacht hindurch geritten. Aufgrund der Meldung des königlichen Boten hatten die ionischen Söldner die Absicht, im Morgengrauen zur Rebellion aufzurufen.

Offenbar hatten sie es aber nicht erwarten können und in ihrer Ungeduld früher als geplant losgeschlagen.

»Diese Narren!«, übertönte Artaban, der Leutnant, mit seinem Ruf das Trommeln der Pferdehufe, während sie sich den Stadttoren näherten. In der Nähe der Goldschmelze explodierte ein hölzerner Bau. »Erkennen sie denn nicht, dass Kyros sie zermalmen wird?«

»Da ist nicht mehr viel zum Zermalmen übrig«, antwortete Mazares. »Ich wundere mich schon, dass überhaupt noch etwas vorhanden ist, das in Brand gesetzt werden kann.«

Dies war das zweite Mal, dass sie nach Sardes marschiert waren. Beim ersten Mal hatte die Armee von König Kyros die Belagerung der reichen lydischen Hauptstadt beendet, ihren König, Krösus, gefangen genommen und danach ihre unermesslichen Schätze geplündert. Hätte er auf Befehl des Königs diese Revolte nicht niederschlagen müssen, so hätte Mazares in diesem Augenblick die von Krösus zusammengetragenen Reichtümer nach Ekbatana, der Hauptresidenzstadt von Krösus II., begleitet.

»Je schneller wir diese Rebellion im Keim ersticken, desto eher können wir nach Hause zurückkehren.« Er ließ den Blick über die Flammen wandern, die von mehreren Gebäuden außerhalb der Stadtmauer hochloderten.

Während sie auf das wabernde Inferno vorrückten, erkannte Mazares den Zweck dieser Feuerhölle. Er und seine Männer wurden nahezu vollkommen geblendet. Die Aufständischen, die mit dem Rücken zum Feuerschein auf die Angreifer warteten, hatten zumindest vorübergehend jeden Vorteil auf ihrer Seite. Wie aus dem Nichts wurde Kyros’ Kavallerie von einem Schattenheer mit Speeren, Streitäxten und Schwertern bewaffneter Soldaten angegriffen.

Mazares teilte seine Männer in zwei Gruppen auf, die den Feind von den Flanken aus angreifen sollten. Er selbst führte die linke Gruppe, Artaban befehligte den Kavallerieverband auf der rechten Seite. Das ohrenbetäubende Klirren von Metall auf Metall hallte durch die Nacht, als seine Krieger, von den Flammen geblendet, den unsichtbaren Feind bestürmten. Eine bewaffnete Silhouette drang auf Mazares ein. Er wehrte sich instinktiv, und seine Klinge traf auf einen soliden Widerstand: den Schild des Rebellen. Mit einem lauten Ruf befahl Mazares seinen Männern, die linke Flanke der Rebellenformation anzugreifen, während Artaban das Gleiche auf der rechten Seite tat und seine Reiter hinter die Rebellen dirigierte, die sich plötzlich zwischen beiden Flanken eingekeilt sahen. Indem er seinem Pferd die Sporen gab, damit es hochstieg, wehrte er den Stoß einer Lanze ab und bohrte seinem Gegner die Klinge durch einen zu schwachen Brustpanzer ins Herz.

Er zog das Schwert heraus, lenkte sein Pferd nach rechts, holte mit seiner Streitaxt aus und fällte den nächsten Widersacher.

So abrupt und heftig die Kampfhandlungen begonnen hatten, so schnell endeten sie. Die Aufständischen ergriffen die Flucht. Das Feuer, das zwischen den Holzbauten gewütet hatte, fand keine Nahrung mehr und begann schon zu erlöschen, als ein von Rauchschwaden getrübtes Morgenrot die glimmenden Überreste der fehlgeschlagenen Revolte erhellte.

Mazares betrachtete die Leiber der Gefallenen – soweit er erkennen konnte, war keiner seiner Männer unter ihnen. Das Tempo, mit dem es ihnen gelungen war, den Aufstand niederzuschlagen, bereitete ihm Kopfzerbrechen, während er mit seinem Stellvertreter zusammentraf. »Verrate mir eines, Artaban, ist es nicht auch dir seltsam verdächtig vorgekommen, dass sich die Feuersbrunst nur auf die äußere Stadtmauer beschränkte? Und dass unsere Feinde sofort nahezu geschlossen zurückwichen und sich zerstreuten, sobald wir die Ausläufer der Stadt erreichten?«

»Warum sollten sie nicht auf diese Art reagieren?« Artaban deutete mit einem Kopfnicken auf ihre Soldaten, die sich hinter ihnen formiert hatten und nun auf weitere Befehle warteten. »Was hätten sie – eine zahlenmäßig unterlegene Gruppe schlecht bezahlter Söldner – schließlich gegen einen Angriff von Kyros’ unsterblicher Kavallerie ausrichten können?«

Unsterblich waren die berittenen Krieger zwar nicht – aber die Leichtigkeit, mit der sie diese Auseinandersetzung, die kaum die Bezeichnung »Schlacht« verdient hatte, für sich entschieden hatten, würde der Legende von ihrer Unsterblichkeit gewiss weitere Nahrung geben.

Ihre verblüffende Überlegenheit brachte es jedoch nicht fertig, Mazares’ Sorgen zu zerstreuen.

Ihn störte mehr als nur die kampflose Aufgabe der Stadttore. Sein Unbehagen nahm noch zu, während er ein Kontingent berittener Krieger in die Stadt führte.

»Eine Falle?«, fragte Artaban.

»Ich befürchte etwas ganz anderes.« Mazares hob eine Hand, als seine Männer die Agora – den Versammlungsplatz in der Stadtmitte – erreichten und er in die menschenleeren Straßen blickte, die sternförmig von dem Platz wegführten. Bevor Kyros II. die Hauptstadt des Königreichs Lydien – Sardes – verließ, nachdem er sie nach einer zwei Wochen dauernden Belagerung eingenommen hatte, hatte er Tabalus zum Satrapen seiner neuen Eroberung bestimmt. »Die Wachen des Tabalus hätten diese Revolte, die schließlich kaum von Bedeutung war, bereits im Ansatz niederschlagen müssen. Daraus ergibt sich die Frage: Weshalb haben wir bis jetzt keinen seiner Wächter auf den Straßen angetroffen?«

»Vielleicht ist der Gouverneur heimlich an dem Aufstand beteiligt?«

»Hoffen wir, dass dies nicht der Fall ist. Magos, übernimm das Kommando. Sollten die Rebellen sich sammeln und neu aufstellen, dann mach dem ein Ende. Und du, Artaban, sieh zu, dass du einen dieser Rebellen zu mir bringst. Und zwar lebendig.«

»Und was tust du währenddessen?«

»Ich versuche herauszufinden, ob der König einen Fehler gemacht hat, als er Tabalus diesen wichtigen Posten anvertraute.«

Während sich seine Offiziere in entgegengesetzte Richtungen entfernten, ritten Mazares und eine Handvoll seiner Getreuen weiter zum Burgberg, wo sie feststellen mussten, dass die Palastwachen in ihrem Blut verstreut vor dem mächtigen Palasttor lagen, dessen mit kunstvollen Schnitzereien versehene Flügel aus Zedernholz weit offen standen.

»Alle tot«, sagte Mazares. »Sucht Tabalus.« Er stieg über die gefallenen Palastwächter hinweg, schritt durch eine weitläufige Vorhalle und gelangte schließlich in den Thronsaal. Er brauchte nicht lange zu warten, bis zwei seiner Offiziere zurückkehrten, zwischen sich den vor Angst schlotternden Gouverneur.

Nur mit seinem Nachtgewand bekleidet und noch nicht einmal ganz wach, schien Tabalus bemüht, wenigstens den Anschein von hochherrschaftlicher Würde aufrechtzuerhalten, während er die Stufen zum Thron hinaufstolperte und sich darauf niederließ. »Gut, Euch endlich hier zu sehen, General Mazares. Ich hatte gehofft, dass Ihr rechtzeitig eintreffen würdet«, sagte er.

»Wer steckt hinter dieser Verschwörung?«

»Das konnte ich bis jetzt nicht in Erfahrung bringen. Meine Spione sind offen angegriffen worden, einer wurde sogar gepfählt. Ehe die Rebellen den Burgberg belagerten, habe ich es im letzten Augenblick noch geschafft, einen Boten auszusenden, dem es tatsächlich gelang, die Stadt unbehelligt zu verlassen.«

Einer von Mazares’ Männern nickte. »Der Gouverneur sagt die Wahrheit. Als wir ihn gefunden haben, lag er gefesselt und geknebelt in seinem Bett, und die Tür seines Schlafgemachs war von außen versperrt. Die restlichen Männer der Palastwache sind in der Schriftrollenkammer eingeschlossen gewesen.«

»Aber nichts von alledem ergibt einen Sinn.« Mazares ging auf dem polierten Marmorboden nachdenklich auf und ab und versuchte, die Ereignisse miteinander in Einklang zu bringen. Er war sicher, dass sie irgendetwas übersahen. Als Artaban dann zurückkehrte, bekam er so etwas wie eine Antwort auf seine unausgesprochene Frage. Artaban hatte einen Rebellen in seiner Gewalt, den er nun auf den Stufen des Thronpodests fallen ließ. »Berichte deinem Gouverneur, was hier heute Abend stattgefunden hat.«

Der Mann, der auf Händen und Knien zu Füßen des Throns kauerte, hob den Kopf und wagte es kaum, dem um seinen Schlaf gebrachten Gouverneur in die Augen zu blicken. »Wir sind dafür bezahlt worden – und zwar besonders großzügig –, die Reste der Gebäude in der Nähe des Stadttors in Brand zu setzen.«

Mazares registrierte die Rußspuren im Gesicht und auf der Kleidung des Mannes. »Wer hat euch bezahlt?«

»Ich kenne die Männer nicht.«

Artaban zückte sein Messer und legte es an die Kehle des Rebellen.

»Ich schwöre«, jammerte dieser mit flehendem Blick. »Eins weiß ich aber genau – sie sind nicht aus Sardes gekommen. Sie waren noch nicht einmal Lyder.«

»Wie kommst du darauf?«, fragte Mazares.

»Einer hatte die Tätowierung eines Eberkopfs auf dem Oberarm.«

»Eines Eberkopfs?«, fragte Mazares nach. »Bist du ganz sicher?«

Der Wachsoldat nickte.

Piraten von der Insel Samos. Die räuberischen samischen Schiffe waren nicht nur wegen ihrer rotbraunen Rümpfe und scharlachroten Segel berüchtigt, sondern auch aufgrund ihrer zu Eberköpfen ausgeformten Rammsporne an den Schiffsbugen. »Was haben Samier in Lydien zu suchen?«

Diese Auskunft jagte Tabalus sichtlich einen weiteren Schrecken ein. »Ich fürchte, dass ich diesen Punkt möglicherweise erklären kann. Aber dazu sollte ich mich lieber unter vier beziehungsweise sechs Augen äußern.«

Mazares nickte. Die Wachsoldaten zogen den Rebellen hoch, entfernten sich mit ihm und ließen Mazares und Artaban mit dem Gouverneur allein.

»Vor zwei Tagen«, begann der Gouverneur, »hat mich einer meiner Spione davon in Kenntnis gesetzt, dass er beobachtet habe, wie Paktyes mit einigen Samiern zusammentraf.«

Paktyes, ein Lyder, war der neu eingesetzte Aufseher und Verwalter der königlichen Münzprägewerkstätten und Goldscheideanstalten, ein Posten, für den ihn König Kyros II. persönlich ausgewählt hatte. Auch wenn Mazares dringend davon abgeraten hatte, beharrte Kyros darauf, dass ein Lyder eine hohe Position in der Verwaltung bekleiden müsse, um zu gewährleisten, dass die soeben unterworfenen Lyder keine Revolte organisierten, sobald die persische Armee das Feld geräumt hatte, um ihren Eroberungszug fortzusetzen. »Seid ihr ganz sicher, die richtigen Schlüsse aus dem zu ziehen, was ihr gesehen habt?«

»Das bin ich. Ich habe gestern Morgen sogar eine überraschende Inspektion in der Münzprägewerkstatt durchgeführt, konnte jedoch nichts finden, was in irgendeiner Weise verdächtig erschien.«

Mazares und Artaban wechselten vielsagende Blicke. Eins der Gebäude, die von den Rebellen in Brand gesetzt worden waren, stand in nächster Nähe der Goldscheideanstalt.

»Zieht euch vollständig an! Befehlt euren Knechten, euer Pferd zu satteln«, sagte Mazares.

»Zu welchem Zweck?«, fragte Tabalus, während er vom Thron herabstieg.

»Um Paktyes zur Rede zu stellen.«

»Er wird alles leugnen, so wie er es mir gegenüber auch schon getan hat, als ich seine Unterhaltung mit den Samiern zur Sprache brachte.«

»Dann sollten wir uns vergewissern, was die Wahrheit ist und was nicht«, sagte Mazares, während eine düstere Vorahnung in seinen Gedanken Gestalt annahm. »Wir müssen die Königliche Münzanstalt aufsuchen.«

Nachdem er den offiziellen Ornat des königlichen Satrapen angelegt hatte, verließen Tabalus sowie Mazares und seine Männer den Palast, ritten den Burgberg hinab und aus der geschleiften Stadt hinaus, um Paktyes zu den Vorgängen zu befragen.

In all den Jahren, die er die Kavallerie von König Kyros’ II. führte, hatte er nichts gesehen, was einem Vergleich mit dem Reichtum, den er in der Schatzkammer von König Krösus fand, auch nur annähernd standgehalten hätte, und er staunte ein weiteres Mal über die unerschöpflichen Mengen an Gold, während er und seine Männer die Münzanstalt betraten.

So wie Tabalus es beschrieben hatte, schien alles seine Ordnung zu haben – bis auf die Tatsache, dass Paktyes nicht auf seinem Posten und auch sonst nirgendwo anzutreffen war.

»Warum wurde denn Feuer gelegt und eine Scheinrevolte angezettelt?«, fragte Artaban.

Nach einer flüchtigen Überprüfung der umliegenden Räume ging Mazares weiter zur Schatzkammer, in der die mit massiven Messingbändern beschlagenen Münztruhen standen, und klappte einen der Deckel auf. Die goldenen Löwenköpfe der Krösiden funkelten trotz des gedämpften Lichts in der Kammer.

Er angelte eine Münze aus der Truhe und wog sie prüfend in der Hand – und dann, als er begriff, dass sie offenbar nicht aus massivem Gold bestand, erschrak er. Mit der Münze rieb er an einem Prüfstein und musste erleben, wie die äußere Goldschicht abgekratzt wurde und darunter ein grauer Kern aus Blei sichtbar wurde. Wütend schleuderte er die Münze quer durch die Schatzkammer. Danach tauchte er beide Hände in die Truhe, wühlte sich durch die goldene Schicht an der Oberfläche, begann tiefer zu graben und förderte Hände voll wertloser Bleirohlinge zutage.

Er befahl seinen Männern, jede Truhe, jede Kiste und jeden Behälter in der Königlichen Münzanstalt zu öffnen. In allen fanden sie eine dünne Deckschicht goldener lydischer Krösiden mit bleiernem Kern und darunter nichts als mattgraue Metallscheiben. Bleimünzen mit dem eingeprägten Symbol des samischen Eberkopfs.

Paktyes hatte sie alle getäuscht.

Mazares gab Artaban ein Zeichen. »Sammle die Kavallerie. Wir reiten zur Küste. Wenn uns das Glück gewogen ist, treffen wir dort ein, bevor Paktyes mit dem Gold fliehen kann.«

»Sofort.«

Mazares ließ eine Handvoll mit Blei gefüllter Münzen in Tabalus’ Hand regnen. »Sucht ausreichend Gold zusammen und trefft Vorbereitungen, es zu schmelzen«, befahl er, während er die Schatzkammer verließ. »Wenn ich Paktyes finde, werde ich ihm dieses flüssige Gold in den Rachen schütten.«

PROLOG II

KORSEAI546 v. Chr.

Die langen Schatten der aufgehenden Sonne machten den beiden Jungen Angst und ließen ihre Herzen schneller schlagen, während sie ihr kleines Boot ins Ägäische Meer schoben. Wenn alles gut ging, wären sie in zwei Tagen wieder zu Hause.

Xanthos, fünfzehn Jahre alt, blickte ein letztes Mal zurück, um sich zu vergewissern, dass sie nicht beobachtet wurden, und hielt das schaukelnde Boot ruhig, damit sein zehnjähriger Bruder Agathos hineinklettern konnte. »Beeil dich.«

Xanthos ergriff die Ruder und tauchte sie ins Wasser. Erst als das kleine Boot weit genug vom Strand entfernt war, dachte er an seine Mutter und daran, dass ihr sicher das Herz bräche, wenn sie feststellte, dass er und sein Bruder nicht mehr bei ihr waren. Nur wenige Monate waren verstrichen, seit ihr Vater auf dem Meer verschollen war. Xanthos schickte ein kurzes gemurmeltes Gebet zu Zephir, dem Gott des Westwinds, und zog das Segel hoch. Es flatterte hin und her und blähte sich mit einem leisen Knall, als sich der Westwind darin fing und sie hinaus ins tiefe Wasser schob. Über ihnen zogen sich die letzten grauen Schleier des Nachthimmels zurück und wurden durch das wässrige Blau des heraufziehenden neuen Tages ersetzt.

Die Sonne hatte ihre lange Bahn am Firmament nahezu beendet, als die Jungen die dunkle Erhebung der verbotenen Insel zum ersten Mal am Horizont sahen. Je näher sie ihr kamen, desto deutlicher war ihre eigenwillige Form zu erkennen. Sie wölbte sich wie eine riesige Pyramide aus dem Meer und zeigte drei scharfkantige spitze Felssäulen, die weit in den Himmel ragten. Vor dem Hintergrund des roten Leuchtens der untergehenden Sonne erschienen sie wie ein Trio gigantischer Nadeln.

Ehrfürchtig betrachteten die Jungen dieses imposante Naturdenkmal, das sie bisher nur aus den Schilderungen der Alten kannten. Sie hatten tatsächlich ihr Ziel erreicht. Poseidons Dreizack.

»Was meinst du, stimmt es, was die Leute sich erzählen?«, fragte Agathos. »Wird Poseidon uns erhören?«

»Ich hoffe es.« Xanthos holte das Segel ein, ergriff die Ruder und steuerte auf eine Lücke in den Felsen zu, die den Zugang zu einer kleinen Bucht verbargen.

»Aber wo ist sein Ohr? Ich sehe keine Höhle. Wie sollen wir mit ihm sprechen?«

Aus Erzählungen wussten sie, dass sich die Höhle irgendwo nördlich von Poseidons Dreizack befand und nur per Boot zu erreichen war. Das hatte einen wesentlichen Vorteil, weil es verboten war, einen Fuß auf die heilige Insel zu setzen. »Wir müssen uns am Morgen auf die Suche machen. Jetzt ist es schon zu dunkel.«

Als sie das seichte Wasser erreichten, hob Xanthos das mit Steinen gefüllte Netz, das im Boot lag und an einem Seil befestigt war, hoch und ließ es ins Wasser fallen, um nicht weit vom Strand entfernt mit dem kleinen Boot zu ankern. Sie verzehrten ihr Abendbrot, das aus Oliven und Käse bestand, tranken Wasser aus einer Schnabelkanne, richteten sich für die Nacht ein und ließen sich von dem sanften Wellengang in den Schlaf wiegen.

Xanthos erwachte von einem heftigen Ruck des Bootes und einer Hand, die sich schmerzhaft in seine Schulter krallte. Ein grimmiges bronzebraunes Gesicht starrte ihm direkt in die Augen. Bevor er begreifen konnte, was mit ihnen geschah, hoben zwei Männer ihn und seinen Bruder aus ihrer winzigen Nussschale und stellten die beiden Jungen ins seichte Wasser. Agathos grub die Fersen in den Sand, um sich gegen den Zug der Hände zu wehren, und stieß schrille Schreie aus. »Nein! Nein! Nein!«

»Bei allen guten Göttern«, beschwerte sich irgendwo am Strand eine Stimme, »bringt doch diese kreischende Furie zum Schweigen.«

Einer der Männer holte mit einer Hand aus, um den kleinen Jungen zu schlagen. Xanthos warf sich nach vorn und versuchte, den Mann daran zu hindern. Stattdessen wurde er von dem Schlag getroffen. »Er hat Angst«, sagte Xanthos, den Schmerz in seinem Kinn ignorierend. »Es ist verboten, die Insel zu betreten.«

»Ach, wirklich?« Der stämmige Mann riss Agathos hoch und stieß ihn vor dem größten und bedrohlichsten Mann der Gruppe auf den Steinstrand. Dabei verengten sich seine Augen zu schmalen Schlitzen. »Für eine so laute Furie bist du ziemlich klein.«

Agathos verstummte und riss die Augen weit auf, während der Mann mit dem nackten Oberkörper einen Schritt vorwärts machte und die Strahlen der Morgensonne die Tätowierung eines zähnefletschenden Eberschädels auf seiner Schulter und eine tiefe Narbe in seiner Stirn erhellten. Jemand hatte ihm den Buchstaben D eingebrannt, der anzeigte, dass er zumindest irgendwann in seinem früheren Leben ein Sklave gewesen war. »Warum starrst du mich an, Junge? Was findest du so interessant?«, fragte der tätowierte Mann. Sein durch einen schweren Akzent gefärbtes Griechisch jagte den beiden Jungen noch mehr Angst ein als ihre Erkenntnis, dass er von der Insel Samos stammen musste.

Agathos senkte den Blick und suchte Xanthos’ Nähe, der die Männer als das erkannte, was sie waren. Piraten. Ihr Vater – lange bevor er auf See verschollen war – hatte Xanthos vor solchen Männern gewarnt, die in einem roten Schiff auf der Ägäis kreuzten und alle ausplünderten und zu Sklaven machten, denen sie begegneten. »Bitte. Wenn ihr uns laufen lasst, werden wir niemandem verraten, dass wir euch hier gesehen haben.«

»Sicher doch«, sagte einer der Männer und packte Xanthos am Kragen. »Paktyes möchte sich bestimmt die Fische, die uns ins Netz gegangen sind, erst einmal ansehen, bevor wir sie aufspießen und über dem Feuer rösten.«

Unter brüllendem Gelächter trieben die Piraten die Jungen über den Strand zu einem Serpentinenpfad, der sich über die Klippen landeinwärts wand und zu den Felsnadeln führte, die Poseidons Dreizack formten.

Sie erreichten das Ende des Pfades und stolperten auf das Plateau. Die Jungen blickten auf die Ostseite der Insel hinunter, auf der das Schiff der samischen Piraten ankerte, dessen blutrote Segel gerefft waren. Der Eberschädel mit dem bösen Blick an der Spitze des Rammsporns war eine Warnung für alle, die sich in die Nähe des Korsarenschiffes wagten. Als Xanthos die Ruderreihen gewahrte, die beide Seiten des roten Schiffsrumpfs säumten und allesamt mit Sklaven bemannt waren, tastete er nach der zitternden Hand seines Bruders. Nicht einmal er war groß und kräftig genug, um dem tödlichen Schicksal zu entgehen, das ihnen drohte.

Er löste den Blick von dem roten Schiff und lenkte ihn zur Mitte des Plateaus, wo mehrere Männer – einige von ihnen waren zweifellos Lyder – in eine dunkle Höhle am Fuß der mittleren Felsnadel von Poseidons Dreizack hinabschauten. Einer von ihnen, mit einem purpurnen Gewand aus schimmernder Seide bekleidet, das kaum seinen mächtigen Brustkorb und Bauch darunter bedeckte, gab offenbar zwei Samiern Anweisungen, die einen Flaschenzug mit hölzernen Rollen betätigten, um eine Amphore in die Höhle hinabzulassen. Er wandte sich um und blickte zu ihnen herüber. »Wen haben wir da, Drakon?«

Der Mann mit der Eberkopftätowierung antwortete: »Lampros berichtete, er habe sie schlafend in einem Boot in der kleinen Bucht gefunden.«

Der prachtvoll gekleidete Fremde näherte sich, betrachtete sie von Kopf bis Fuß und fixierte dann Xanthos mit argwöhnischem Blick. »Was habt ihr hier auf dieser Insel zu suchen?«

Xanthos, der noch nie jemanden gesehen hatte, der seidene Hosen trug, fragte sich, ob der Mann von den Göttern hierher gesandt worden war, um sie dafür zu bestrafen, dass sie heiligen Boden betreten hatten.

»Rede!«, befahl der tätowierte Mann. »Der ehrenwerte Paktyes verlangt zu erfahren, was ihr hier tut.«

»Fischen.« Noch während Xanthos es aussprach, war ihm klar, wie absurd seine Antwort klingen musste. Sie hatten bis lange nach Sonnenaufgang geschlafen. Wahre Fischer befänden sich um diese Zeit längst wieder auf dem Heimweg. »Wir sind aber gestern Nacht vom Kurs abgekommen«, fügte er hinzu in der Hoffnung, damit eine einleuchtende Erklärung für ihre Anwesenheit gefunden zu haben.

Der Fremde richtete den Blick nun auf Agathos. »Und was sagst du?«

Agathos, den Tränen nahe, sah zuerst Xanthos an, dann wieder den Fremden. »Ich – ich wollte nur eine Bitte in das Ohr des Poseidon flüstern. Dass er unseren Vater nach Hause zurückkehren lassen soll.«

»Du wolltest ins Ohr des Poseidon flüstern?« Paktyes sah Drakon fragend an.

Drakon nickte in Richtung der Klippen. »Eine seichte Höhle in den Felsen auf Höhe des Meeresspiegels. Einige Inselbewohner glauben, dass, wenn sie dort Gebete sprechen, Poseidon ihre Bitten erhört.«

Paktyes ließ sich die Worte lange durch den Kopf gehen, dann musterte er wieder die beiden Jungen. »Vielleicht lässt sich Poseidon durch ein Opfer gnädig stimmen?« Er gab einem der Lyder mit dem Kopf ein Zeichen. »Töte sie.«

Xanthos wollte sich auf Agathos werfen, um ihn zu beschützen, aber einer von Paktyes’ Männern bekam sein Hemd zu fassen und hielt ihn zurück. Dann zückte er ein langes Messer und presste dessen Klinge gegen den Hals des Jungen.

Drakons Hand schoss vor und packte das Handgelenk des Lyders. »Die Insel ist heilig.«

»Paktyes ist der Einzige, dessen Befehlen ich gehorche.« Der Lyder hob das Messer.

Mit wild klopfendem Herzen hielt Xanthos den Atem an und wartete auf den Todesstoß. Drakon stieß Xanthos zu Boden, zog sein xiphos aus der Lederscheide unter seiner linken Schulter und schmetterte es auf den Hals des Piraten.

Der Mann im schimmernden Gewand erstarrte, richtete seine Schweinsaugen zuerst auf den Toten, dann auf Drakon. »Du wagst es, dich meinen Befehlen zu widersetzen?«

»Um uns vor dem Zorn Poseidons zu bewahren?«, sagte Drakon. »Ja, das tue ich.«

»Und dennoch hast du Alyattes auf heiligem Grund getötet. Welchen Unterschied machen zwei weitere Tote? Insgesamt drei, wenn wir dich mitzählen?«

»Ich werde nicht zulassen, dass du heiligen Grund entweihst.« Drakon hielt sein Kurzschwert abwehrbereit. Dann machte er einen Schritt zur Seite, sodass er in eine Position zwischen den Jungen und Paktyes gelangte.

»Wer wäre so einfältig zu glauben, dass diese Insel heilig ist?«

»Du, zum Beispiel. Wenn man bedenkt, dass der Perser Kyros eine Belohnung auf deinen Kopf ausgesetzt hat. Allein deshalb brauchst du jede Hilfe, die Poseidon dir leisten kann.«

»Korax«, sagte Paktyes. »Töte ihn ebenfalls.«

Die Söldner taxierten einander ab, dann teilten sie sich in zwei Gruppen auf, eine unter der Führung Drakons und die andere um Korax herum. Xanthos, der in diesem Augenblick begriff, dass er und sein Bruder vorübergehend vergessen waren, hielt Ausschau nach einem Ausweg aus ihrer gefährlichen Lage. Der Pfad zum Boot war durch die Piraten versperrt. Der einzige andere Weg führte über die Klippen zum Strand, und der war viel zu steil, um von einem von ihnen unbeschadet überwunden zu werden. Dann wurde sein Blick vom Eingang zur Höhle angezogen, und in ihm keimte die Hoffnung, dass sie sich dort vielleicht verstecken könnten. Er gab seinem Bruder unauffällig ein Zeichen und deutete mit einem nahezu unmerklichen Kopfnicken in Richtung der Klippen.

Während er und Korax sich Schritt für Schritt dorthin entfernten, griff Korax an. Drakon wehrte den Schwerthieb ab, wobei der Eber durch das Spiel der Muskeln unter der Haut scheinbar zum Leben erweckt wurde und seine Hauer fletschte. Die beiden Männer umkreisten einander, fintierten und überprüften gegenseitig ihre Bereitschaft, den Zweikampf bis zum bitteren Ende zu führen. Korax griff abermals an, und sein Schwert traf klirrend mit der Klinge Drakons zusammen. Drakon setzte nach, drang auf seinen Gegner ein, aber Korax wechselte die Position, lenkte die Attacke ab, dann zielte er mit seinem Schwert auf Drakons Oberarm. Die silbern funkelnde Klinge schlitzte den Schädel des tätowierten Ebers auf. Die Lyder jubelten. Drakon warf einen flüchtigen Blick auf das Blut, das an seinem Arm herabrann, dann griff er an, unterstützt von seinen Männern, die seinem Beispiel folgten. Schwerter prallten klirrend gegeneinander, Funken sprühten.

Xanthos schaute in die Höhle und stellte dankbar fest, dass ihr Einlass nicht in einen nahezu senkrechten Schacht überging, wie er befürchtet hatte. Es war ein Felsengang, der nicht allzu steil abwärtsführte. Die lauten Rufe und Schmerzensschreie der Kämpfenden brachen sich an den Höhlenwänden und erzeugten ein vielfältiges Echo, während Xanthos seinem Bruder half, über die Kante des Höhleneingangs zu steigen. Sie begannen abwärtszuklettern, als die Erde unter ihren Füßen so heftig zu schwanken begann, dass Xanthos mit seinem Bruder zusammenstieß.

Die Kämpfer hielten abrupt inne, während sie sich hektisch umsahen, Angst und Verwirrung auf ihren Mienen. »Poseidon!«, brüllte einer von ihnen.

Beinahe wie eine Antwort auf den Hilferuf drang ein dumpfes Rumpeln aus der Tiefe der Höhle zu ihnen herauf und versetzte die Jungen in eine namenlose Panik, während die Erde unter ihren Füßen mehr und mehr zu unheimlichem Leben erwachte. Die Wände des Felsengangs schwankten, und Agathos verlor die Hand seines Bruders aus dem Griff und rutschte, von einer Gerölllawine mitgerissen, abwärts. »Xanthos!«

Xanthos streckte die Hand nach seinem jüngeren Bruder aus, während das laute Donnern die Erde ringsum vibrieren ließ. Aber als die Sonnenstrahlen, die in die Höhle drangen, plötzlich erloschen, schaute er nach oben und musste mit ansehen, wie eine der Felsnadeln von Poseidons Dreizack zu schwanken begann und nach vorn kippte. Xanthos kletterte eilig zu seinem Bruder hinunter und drückte ihn schützend an sich, während der riesige Felsen auf den Höhleneingang krachte. Das Getöse der aufschlagenden Gesteinsmassen war ohrenbetäubend, und die Dunkelheit war nahezu vollkommen – bis auf einen winzigen Lichtpunkt hoch über ihren Köpfen. Während die Jungen zum Grund der Höhle hinabrutschten und auf den von den Piraten erbeuteten Amphoren landeten, ging ein dichter Regen aus Geröll und Sand auf sie nieder. Sie konnten kaum atmen, als die Luft mit Staub gesättigt wurde.

Sie klammerten sich so dicht aneinander, dass einer den Herzschlag des anderen spüren konnte. Langsam kehrte Stille ein, dann hörten sie, wie jemand über ihnen einen lauten Ruf ausstieß. »Ein Schiff! Ein schwarzes Schiff!«

»Die Perser«, brüllte Drakon und lachte dröhnend. »Vielleicht hättet ihr lieber doch auf meine Warnung hören sollen, den Zorn Poseidons nicht zu wecken. Nehmt ihn gefangen.«

»Lasst mich los«, rief Paktyes. »Was habt ihr vor?«

»Jetzt, da das Gold verloren ist, kassieren wir wenigstens das Kopfgeld.«

»Nichts ist verloren. Es befindet sich dort unten in den Amphoren. Du hast es mit eigenen Augen gesehen!«

»Und Poseidon hat es sich mit seinem Dreizack geholt. Du wirst unter unseren Leuten niemanden finden, der es wagen würde, sich mit einem mächtigen Gott anzulegen, selbst wenn wir eine Möglichkeit finden sollten, diese Felsnadel anzuheben und beiseitezuräumen. Zum Schiff, Männer.«

Als die Piraten ihn mitschleppten, verstummte Paktyes’ Flehen. Schon bald war das Atmen von Xanthos und Agathos das einzige Geräusch, das in der Höhle zu hören war.

»Erhöre mich, Poseidon«, flüsterte Agathos. »Bitte lass uns nach Hause zurückehren.«

»Sei mal still«, sagte Xanthos, ging auf Hände und Knie hinunter, dann legte er seitlich den Kopf auf den Felsboden und lauschte. »Hörst du das?«

»Was soll ich hören?«

»Wasser. Ich glaube, es ist das Meer.«

KAPITEL EINS

GEORGETOWN, WASHINGTON, D.C.GEGENWART

»Ich kann nur hoffen, das Ganze ist eine Flasche Wein für zweitausendzweihundert Dollar wert.«

»Um Himmels willen, Sam! Er hat nicht nur eingewilligt, uns heute Abend zu empfangen, sondern er hat uns sogar zum Dinner eingeladen. Und er hat tatsächlich einen Wagen geschickt, um uns abzuholen.«

»Dann ist es wohl egal, ob er ein Feinschmecker ist oder nicht«, murmelte Sam.

»Hör auf zu brummeln, Sam.«

Sam Fargo warf einen kurzen Blick auf die Flasche 2000er Mouton Rothschild, Pauillac, die Remi, seine Frau, fürsorglich in ihre Armbeuge gebettet hatte. Das Paar saß auf der komfortablen Rückbank eines schnittigen schwarzen 1936er Packard Twelve 1407 Coupé.

»Du weißt, was Rube gemeint hat«, fuhr sie fort, während sie eine Strähne ihres kastanienbraunen Haars, die ihr in die Stirn gefallen war, zur Seite strich. »Wenn wir uns die Hilfe des Mannes sichern wollen, müssten wir mindestens eine angemessene Flasche mitbringen. Und dass wir seine Unterstützung brauchen, dürfte außer Frage stehen.«

Sam streifte den Chauffeur mit einem prüfenden Blick und senkte die Stimme. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass zwischen Rubes und deiner Definition des Begriffs ›angemessen‹ wahre Welten liegen.«

Der Packard vollzog einen abrupten Schwenk und bog in letzter Sekunde in die Abfahrt von der Schnellstraße ein. Sam warf einen Blick nach draußen und stellte fest, dass sie noch einige Meilen von ihrem Fahrtziel entfernt waren. »Ist etwas nicht in Ordnung?«

Der Fahrer starrte konzentriert in den Innenspiegel, hatte jedoch nicht Sam im Auge, sondern die Straße hinter ihnen. »Ich muss mich entschuldigen. Es hat ausgesehen, als ob uns ein Wagen gefolgt sei, seit wir Ihr Hotel verlassen haben. Es hat wahrscheinlich nichts zu bedeuten, aber alte Gewohnheiten lassen sich nicht so leicht abstellen.«

»Alte Gewohnheiten?«, fragte Remi.

»Ich will es mal so ausdrücken, dass Mr. Perlmutter einige ungewöhnliche Freunde hat, die mir in den Jahren, die ich ihn durch die Weltgeschichte fahre, zu einer gewissen Praxis verholfen haben.«

St. Julien Perlmutter, der gewiss schon bald hocherfreute und dankbare Empfänger von Sams geliebter Flasche Spitzenwein, war ihnen von ihrem gemeinsamen Freund Rubin Haywood, einem CIA-Agenten, empfohlen worden. Perlmutter war eine weltweit hoch angesehene Autorität auf dem Gebiet der Schifffahrtsgeschichte und besaß eine umfangreiche Bibliothek, um die ihn sogar das Smithsonian Institute beneidete. Und er war häufig diversen Regierungsinstitutionen bei der Lösung außenpolitisch sensibler Fälle behilflich. Das erklärte zweifellos das gelegentlich seltsam erscheinende Verhalten seines Chauffeurs.

Da diese Art von wachsamer Umsicht auch eine Eigenschaft von Sam Fargos war, verrenkte er sich fast den Hals, als er sich umdrehte, und musste die Augen zu schmalen Schlitzen zusammenkneifen, da ihn das Scheinwerferlicht der Fahrzeuge blendete, das von dem glatten Fahrbahnbelag der Straße, auf die sie soeben abgebogen waren, reflektiert wurde. Falls sie tatsächlich verfolgt worden waren, hatte das Manöver des Fahrers den gewünschten Zweck erfolgreich erfüllt – die Schnellstraßenabfahrt war leer. Während er sich entspannte, lehnte sich Sam wieder auf seinem Platz zurück, ohne sich allzu große Sorgen zu machen. Offensichtlich befanden sie sich nicht nur in guten Händen, sondern er hegte auch berechtigte Zweifel, dass irgendjemand wusste, dass er und Remi in diesem Moment in D.C. anzutreffen waren.

Da sie sicher sein konnten, dass ihnen keinerlei Gefahr drohte, kehrten sie auf die Schnellstraße zurück und setzten ihre Fahrt ohne weitere Unterbrechungen fort. Zwanzig Minuten später bogen sie in eine Ziegelsteinstraße ein, die mit mächtigen Eichen gesäumt war, durch deren dichtes Geäst das Mondlicht drang und lange Schatten auf die Zufahrt warf. Der Wagen passierte das Herrenhaus und hielt vor dem renovierten Kutscherhaus an, das, was seine Dimensionen betraf, mindestens ebenso beeindruckend war.

Sobald er ausgestiegen war, sagte der Chauffeur: »Es tut richtig gut, Sie wiederzusehen, Sir.«

»Die Freude ist ganz auf meiner Seite, Frank. Wie alt sind die Kinder jetzt?«

»Sie haben gerade das College abgeschlossen. Beide. Phillys und ich bewohnen das Nest wieder allein.«

Sam lächelte, salutierte, und dann nahm er Remi die Weinflasche ab.

»Ich muss es wieder sagen, Sam, egal wo wir hinkommen, immer triffst du jemanden, den du aus deiner Zeit bei der DARPA kennst.«

»Woher wusstest du es?«

»Du hast salutiert«, sagte Remi und verdrehte die Augen.

Sam bot ihr seinen Arm, damit sie sich bei ihm einhängte, und sie schlenderten über den Fußweg zum Haus. Ein verwitterter Messingtürklopfer in der Form eines antiken Schiffsankers zierte die schwere Holztür, die im selben Augenblick aufschwang, als sie einen Fuß auf die Vorderveranda setzten.

Hervorzuheben, dass St. Julien Perlmutter eine imposante Erscheinung war, wäre eine Untertreibung. Sein lockiges graues Haar und der ebenfalls lockige Bart verliehen seinem geröteten Gesicht ein distinguiertes Aussehen, womit er an das ikonenhafte Porträt Hans Holbeins von Heinrich VIII. erinnerte, allerdings hatte er einen deutlich längeren Bart. Perlmutter war mit einem Hausmantel mit Paisleymuster bekleidet, dessen Kragen, Manschetten und Gürtel mit Goldbrokat besetzt waren. Dazu trug er eine burgunderfarbene Seidenhose mit goldenen Biesen an den Seitennähten und den Säumen der Hosenbeine sowie burgunderfarbene Hausschuhe mit gestickten goldenen Kronen auf der Oberseite. Er war einige Zentimeter größer als Sam – insgesamt maß er eins neunzig – und brachte fast vierhundert Pfund auf die Waage. Wie seine gerade aufgerichtete Haltung erkennen ließ, schien ihm die Bewältigung dieser Körpermasse keine Probleme zu bereiten. Der Ausdruck seiner blauen intelligent und humorvoll funkelnden Augen unterstrich die ausgesucht liebenswürdigen Worte, mit denen er seine Besucher willkommen hieß. »Mr. und Mrs. Fargo, ich kann Ihnen gar nicht beschreiben, welche Freude ich dabei empfinde, Sie beide endlich einmal persönlich kennenzulernen.«

»Bitte nennen Sie mich Sam.« Perlmutters Händedruck war kräftig und flößte Vertrauen ein. »Darf ich Sie mit meiner Frau – Remi – bekannt machen?«

»Die bezaubernde Mrs. Fargo.« Der ältere Mann ergriff Remis feingliedrigen Finger und beugte sich zu einem formvollendeten Handkuss darüber, dann geleitete er Remi ins Haus. »Es ist mir eine Ehre, Ihre Bekanntschaft zu machen.«

Sobald sich die Haustür hinter ihnen geschlossen hatte, überreichte Sam ihrem Gastgeber die Weinflasche. »Und hier ist ein Wein, von dem ich hoffe, dass er das Abendessen ausgezeichnet abrunden wird.«

Perlmutter überflog das Rothschild-Etikett und hob die Augenbrauen. »Ausgezeichnete Wahl. Dieser Tropfen passt wunderbar zum Chateaubriand. Es wurde nach einem klassischen Rezept zubereitet und ist eines meiner Leibgerichte.« Er winkte sie weiter durch einen wahren Irrgarten von Fluren und Korridoren in einen Wohnraum, der bis zur Decke mit Büchern und Stapeln von Dokumenten vollgestopft war. Die hintere Wand des Raums verschwand hinter Regalen, die mit maritimen Modellen, Fundstücken und weiteren Büchern gefüllt waren. An einem Ende des Raums loderte ein Feuer in einem offenen Kamin, dessen züngelnde Flammen von den Flaschen und Gläsern einer überreich bestückten Bar am anderen Ende des Salons reflektiert wurden. Vor dem offenen Kamin waren ein Sofa und zwei Sessel des gleichen Designs, ein Queen Anne Chair und ein Herrenclubsessel um einen Couchtisch arrangiert. Auf dem Tisch standen eine Auswahl verschiedener Appetithappen und drei schlanke Champagnerflöten bereit. »Bitte, nehmen Sie Platz und machen Sie es sich gemütlich, während ich diesen köstlichen Tropfen dekantiere.«

Sam geleitete Remi zum Queen Anne Chair, dann setzte er sich ebenfalls.

Perlmutter begab sich hinter die Bar, zündete eine Kerze an und stellte ein Weinglas neben sie. Nachdem er die Flasche entkorkt hatte, schenkte er eine geringe Menge langsam in das Glas, inhalierte den Geruch, nahm einen kleinen Schluck in den Mund und gab ihm ausreichend Gelegenheit, seinen Geschmack zu entfalten. Er hob das Weinglas, hielt es gegen das Kerzenlicht, betrachtete die tiefrote Flüssigkeit und sagte: »Eine breite Palette von Aromen, reichhaltig und vollmundig mit wundervollen Tanninen. Und einem langen Nachhall beim Abgang. Wenn er ausreichend Zeit hatte, um zu atmen, wird er die ideale Begleitung zum Dinner sein. Eine hervorragende Wahl. Meinen innigsten Dank.«

Er schenkte den restlichen Inhalt der Flasche in eine Karaffe und hielt diese über die Kerze, um sich zu vergewissern, dass der Bodensatz vollständig in der Flasche verblieb. Dann griff er unter die Bartheke, öffnete das Weinkühlfach, holte eine Flasche Champagner Pol Roger Cúvee Sir Winston Churchill Brut hervor und gesellte sich zu Sam und Remi, die vor dem Kamin saßen. Während er sich auf das Sofa sinken ließ, sagte er: »Um uns die Wartezeit bis zum Dinner zu vertreiben, können wir uns schon einmal darüber unterhalten, was Sie eigentlich zu mir geführt hat. Rubin machte eine Andeutung, dass diese Geschichte begonnen hat, kurz nachdem Sie sich im Lighthouse Café in Hermosa Beach kennengelernt hatten. Trifft das zu?« Seine blauen Augen funkelten vergnügt, während er Sam fragend ansah. »Es war Liebe auf den ersten Blick, nicht wahr?«

»Ich versuche noch immer, es zu leugnen. Aber … es gab damals wie heute niemals so jemanden wie Remi. Von Anfang an hat mein Herz nur noch für sie geschlagen.«

»Es war immerhin möglich, dass du mir nur etwas vorgemacht hast.« Remis grüne Augen blitzten, als sie lächelte.

Sam räusperte sich. »Weißt du, es ist nicht einfach gewesen.«

»Das trifft es nicht ganz.«

»Das trifft es genau.«

»Wittere ich hier etwa unterschiedliche Sichtweisen?«, fragte Perlmutter.

Remi lachte. »Einigen wir uns darauf, dass es zu Beginn nicht ganz reibungslos lief.«

»Na ja, es war aber kein lang anhaltendes Unwetter.«

»Höchstens ein paar Drei-Meter-Brecher.«

»Ein paar?«, sagte Sam. »Das ist wohl die Untertreibung des Jahres.«

Remi sah Perlmutter von der Seite an. »Es ist ein wenig kompliziert.«

»Wie die Liebe überhaupt«, erwiderte ihr Gastgeber. »Aber es klingt doch so, als hätten Sie beide gegen einen gelegentlich höheren Seegang nichts einzuwenden.« Diese Feststellung quittierten Sam und Remi mit einem Lachen.

Nachdem er den Champagner eingeschenkt hatte, fuhr Perlmutter fort: »Also … hat eine Zufallsbegegnung im Lighthouse irgendwie zu dieser Mittelmeer-Geschichte und dem einzigen Schatz geführt, den Sie beide niemals gefunden haben ?«

»Genau«, bestätigte Sam. »Es war ein Goldschatz, der König Kyros gestohlen wurde, nachdem er König Krösus im Jahr 546 vor Christus unterworfen hatte. Er hat in uns diese unstillbare Abenteuerlust geweckt.«

»Und die Liebe zueinander?«

Remi strich mit den Fingern über Sams Hand. »Ich würde sagen, er spielte eine Rolle, wenn auch nur eine sehr kleine. Aber sogar als wir den berühmten Schatz nicht gefunden haben, stießen wir zumindest auf einen Beweis, dass er tatsächlich existiert.«

»Aber das liegt … nun, wie lange zurück? Zehn oder mehr Jahre?« Tiefe Falten furchten Perlmutters Stirn. »Warum ausgerechnet jetzt dieses neuerliche Interesse?«

»Wir haben uns vor Kurzem über den Schatz unterhalten und fragten uns, was wir während unserer Suche damals möglicherweise übersehen haben«, setzte Remi zu einer Erklärung an.

»Aber was noch wichtiger ist«, übernahm Sam und fuhr fort, »der Mann, der vor all den Jahren dem Schatz so besessen hinterhergejagt ist, wurde kürzlich aus dem Gefängnis entlassen – viel früher, als zu erwarten war. Laut dem, was Rube uns berichtet hat, verbrachte dieser Mann über zehn Jahre in Gefangenschaft, erfüllt mit unstillbarem Hass und auf zwei Dinge fixiert – sich an denen zu rächen, die ihn ins Gefängnis gebracht haben, und doch noch in Erfahrung zu bringen, wo dieser Schatz verborgen sein könnte. Ich habe das Gefühl, dass die Person, die er für sein Schicksal verantwortlich macht, Remi sein könnte.«

»Und dich auch«, fügte Remi hinzu.

»Und der zweite Punkt ist, dass jeder, der ihm bei seiner Suche nach dem Schatz in die Quere kommen könnte, in akuter Lebensgefahr schwebt«, sagte Sam.

Perlmutter ließ sein Champagnerglas sinken. »Ich weiß, dass wir der Sache sofort auf den Grund gehen könnten – wir brauchten lediglich meine Datenbänke und meine Bibliothek nach Hinweisen auf den Verbleib des legendären Schatzes zu durchsuchen –, aber ich muss gestehen, dass ich eine Vorliebe für aufregende Abenteuergeschichten habe. Und da Remi so tief in diese Angelegenheit verstrickt ist, wage ich zu hoffen, dass Sie vielleicht bereit sind, die ganze Geschichte zu erzählen, und zwar von Anfang an.«

»Das kommt darauf an«, sagte Sam. »Wie viel Zeit haben Sie?«

Perlmutter lächelte selig. »So viel, wie Sie brauchen. Und lassen Sie bloß nichts aus.«

KAPITEL ZWEI

HERMOSA BEACH, KALIFORNIEN

Sam Fargo umfasste mit der rechten Hand die Vorderkante des Bodyboards. Die Finger der linken Hand lagen in der Griffmulde dicht vor der Außenkante des Boards und kontrollierten seine Lage im Wasser. Sam blickte nach hinten und konzentrierte sich auf die massive Welle, die – sich immer höher aufbuckelnd – auf ihn zurollte.

Jetzt kam es nur noch auf das richtige Timing an.

Er führte einen schnellen Beinschlag aus, sodass ihn die Schwimmflossen vorwärts katapultierten. Auf dem Wellenkamm, für einen kurzen Moment in einem vollkommenen Schwebezustand verharrend, verlagerte er seinen Schwerpunkt und glitt auf dem Brett über die schimmernde Wasserwand abwärts. Den Kopf hochgereckt, den Rücken durchgebogen, die Brust vom Brett gelöst, lenkte er die Kante des Boards auf der Wasserseite in die Welle und ritt über die glatte, gläserne blaue Fläche, während sich der Kamm einrollte und einen blaugrauen Wassertunnel bildete. Schon nach wenigen Sekunden war es vorbei. Die Welle fiel in sich zusammen, und die Gischtkrone trug ihn rasant in Richtung Strand, der mit Schaulustigen bevölkert war. Sie hatten sich eingefunden, um den erfahrenen Surfern und Bodyboardern dabei zuzuschauen, wie sie die riesigen Wellen meisterten, die an den Hurrikan der seltenen Kategorie 3 erinnerten, der diese Pazifikregion ein paar Tage zuvor durchquert hatte.

Nachdem er fast den gesamten Vormittag im Wasser verbracht hatte, war Sam Fargo bereit, seine sportlichen Aktivitäten zu beenden und auf festen Boden zurückzukehren. Er ließ sich treiben, bis seine Knie Grundberührung hatten, befreite die Füße von den Schwimmflossen, klemmte sich sein Board unter den Arm und stapfte durch den nassen Sand zu seinem Kleiderhaufen, neben dem sich sein Freund Blake Thomas in der Sonne aalte. Die beiden konnten, was ihre äußere Erscheinung betraf, kaum gegensätzlicher sein. Sam, braunäugig mit hellbraunem, von der Sonne ausgebleichtem Haar, war hochgewachsen, schlank und von muskulöser Statur. Der dunkelhaarige, blauäugige Blake hatte den Körperbau eines Ringers: eher klein und kompakt. Kennengelernt hatten sie sich während ihres ersten Studienjahrs an der Caltech, wo ihnen benachbarte Zimmer zugewiesen worden waren. Seitdem waren sie eng befreundet.

Sam ließ sein Board in den Sand fallen und kramte den Verpflegungsbeutel, den er am Morgen gefüllt und eingepackt hatte, zwischen seinen Sachen hervor. Der ablandige Wind wehte ihm beinahe das Papier aus der Hand, als er in die Tüte griff und ein Sandwich mit Marmelade und Erdnussbutter herauszog. »Genau wie meine Mom es früher immer geschmiert hat.«

Blake, der genussvoll ein dickes Roastbeefsandwich verzehrte, betrachtete die spartanische Mahlzeit skeptisch. »Ist dir schon mal der Gedanke gekommen, dass du dir anständiges Essen leisten könntest, wenn du einen richtigen Job annehmen würdest, anstatt nachts Supermarktregale aufzufüllen?«

»Dann hätte ich aber keine Zeit mehr, an meinem Projekt zu arbeiten.« Sam biss in das weiche Weizenbrot, kaute die körnige Erdnussbutter und spülte alles mit einem Schluck Wasser aus seiner Thermosflasche hinunter.

»Wenn ich es mir richtig überlege, kannst du dir gutes Essen leisten. Ich kann mich nicht entsinnen, dass du jemals so ein Geizkragen gewesen wärst.«

»Ich habe Pläne.«

»Du und deine Pläne! Wie hast du immer gesagt ? Wenn Plan A nicht funktioniert, nimm Plan B in Angriff. Du musst dich auch mal ausruhen und dir die Sonne auf den Bauch scheinen lassen. Mach dich locker. Entspann dich. Würdest du es ein wenig gemütlicher angehen lassen, könntest du dein Leben genießen. Vielleicht sogar ein nettes Mädchen kennenlernen.«

Sam quittierte Blakes Hänselei mit einem Lächeln. Dann deutete er mit einem Kopfnicken auf den Kutter der Küstenwache, der mit flackerndem Blaulicht und heulender Sirene nach Norden durchs Wasser rauschte.

Blake folgte seinem Blick. »Wie ich gehört habe, ist gestern in Malibu ein Surfer verunglückt.«

Sam hatte die Nachrichten im Fernsehen auch verfolgt. Ein Mann, vierzig Jahre alt, war von seinem Surfbrett gerutscht und untergegangen. Ehe ihm jemand zu Hilfe kommen konnte, war er ertrunken. »Hoffen wir, dass, wer immer sie alarmiert haben mag, am Ende okay ist.«

Er verfolgte, wie das Schnellboot hinter dem Pier verschwand, und schob sich den Rest seines Imbisses in den Mund. Als er aufstand, um die Tüte im nächsten Abfalleimer zu entsorgen, entdeckte er einen Surfer, der wie wild durchs Wasser paddelte, um zu erwischen, was aussah, als ob es sich zu einer Monsterwelle entwickeln würde. Der Buckel türmte sich zu einer Wasserwand auf, die in der Sonne funkelte, während sich der Mann gekonnt auf sein Brett schwang und mit den Händen auf beiden Seiten daran festhielt. Er balancierte sich geschickt aus, dann richtete er sich auf, während sich der Wellenkamm zu einer perfekten Walze formte.

Blake stand auf und trat neben Sam. »Wo hat sich diese Welle versteckt, als wir da draußen waren?«

Der Surfer tauchte aus der Röhre auf, mehrere Sekunden lang triumphierend mit den Armen rudernd – bis eine Wasserlawine auf ihn herabstürzte.

Die Schaulustigen am Strand hielten nahezu gleichzeitig den Atem an, während der Surfer in dem Wasserinferno verschwand. Sein Brett tauchte auf, wurde hochgeschleudert und spannte die Leash, die am Bein des Surfers befestigt war, dann tauchte es wieder ins Wasser ein. Nur Sekundenbruchteile später kam der Mann an die Wasseroberfläche, um gleich wieder zu verschwinden, als ihn eine zweite Welle überrollte. Diesmal tauchte er nicht mehr auf.

»Hol Hilfe!«, rief Sam, während er sich nach seinem Bodyboard und den Schwimmflossen bückte. In der Brandung schlüpfte er in die Schwimmflossen, schlang sich das Klettband der Leash um den Oberarm und paddelte hinaus. Bei jeder Welle, die ihm entgegenkam, drückte er das vordere Ende seines Boards nach unten, nahm den Kopf herunter und tauchte unter der Gischtkrone hindurch. Einige Surfer südlich von ihm versuchten, an den gestürzten Mann heranzukommen, aber das machten die Wellen, die nach Südosten auf den Strand aufliefen, so gut wie unmöglich.

Als Sam die Unglückszone erreichte, war der Mann nirgendwo zu sehen. Voller Sorge, ihn verloren zu haben, bemerkte Sam jemanden auf dem Pier, der laute Rufe ausstieß und heftig winkte. Es war eine rothaarige Frau, die auf einen Punkt rechts von ihm deutete. Er wandte sich in die Richtung, bemerkte ein orangefarbenes Surfbrett und dann den dunklen Schatten eines schwarzen Nasstauchanzugs in den Gischtwolken nur wenige Meter von ihm entfernt. Sofort kraulte er in die Richtung.

Anfangs sah er nichts anderes als das Graugrün des Ozeans in Augenhöhe und darüber den Schaumteppich auf den Wellen. Irgendwo inmitten der wogenden Gischt erhaschte er einen kurzen Blick auf den Surfer, der von den Brechern in einem unbarmherzigen Auf und Ab herumgeworfen wurde.

Sam schoss mitten in diesen Hexenkessel hinein, bekam einen schlaffen Arm des Mannes zu fassen und zog ihn halb auf sein Bodyboard. Aus einer Platzwunde in der Schläfe des Mannes sickerte Blut, und seine Augen starrten blicklos ins Leere. Sam drückte die Lippen auf den Mund des Mannes und presste Luft in seine Lunge. Als er den Kopf aus dem Wasser reckte, um frische Luft einzuatmen, schoss das orangefarbene Surfbrett wie ein Torpedo auf ihn zu. Sam duckte sich und zog den Mann mit sich auf Tauchstation. Das Surfbrett wirbelte über ihre Köpfe hinweg.

Er schaffte es, den Surfer im Griff zu behalten, während die nächsten Wellen über sie hinwegtobten. Nach jeder Woge zog er den Kopf des Mannes wieder zu sich, blies Luft in seine Lunge und schlug verzweifelt mit den Flossen, um an der Wasseroberfläche zu bleiben und den Abstand zum Strand zu verkürzen. Seine Muskeln brannten, und er war sich nicht sicher, ob er den Mann noch lange genug festhalten konnte. Als er von einem weiteren Wellenberg in die Höhe gehoben wurde, schaute er sich um und entdeckte Blake und einen weiteren Bodyboarder, die sich in die Fluten gestürzt hatten, um ihm zu Hilfe zu kommen.

Sam versorgte den bewusstlosen Surfer mit einer letzten Ladung Sauerstoff, während Blake den reglosen Mann auf sein eigenes Bodyboard hievte. Sobald sie den Strand erreichten, schleiften Blake und der andere Surfer den Verunglückten auf den trockenen Sand, und Blake setzte Sams Wiederbelebungsversuche fort. Sam, vollkommen erschöpft, ließ sein Board fallen und bemühte sich keuchend, zu Atem zu kommen.

Wenige Minuten später trafen die angeforderten Rettungssanitäter ein und luden den Mann, der mittlerweile wieder halb bei Bewusstsein war, auf eine Tragbahre.

»Gute Arbeit«, sagte Blake und klopfte Sam anerkennend auf den Rücken. »Aber eines Tages hast du dieses Fargo-Glück aufgebraucht und wärst froh, so vernünftig gewesen zu sein und auf Hilfe gewartet zu haben.«

Sam brachte ein müdes Lächeln zustande. »Aber zumindest, bis es so weit ist, wird er sich noch seines Lebens erfreuen.«

»Musst du heute Nacht arbeiten?«

»Ich hab frei.«

»Dann gehen wir ins Lighthouse, genehmigen uns ein paar Biere und sehen uns das Spiel an.«

»Klar, machen wir – und treffen uns dort«, willigte Sam ein. Vorausgesetzt, dachte er, er schaffte es, den Strand aus eigener Kraft zu verlassen.

* * *

Die Klänge einer Jazzband drangen auf die Straße heraus, als Sam die Eingangstür des Lighthouse Café aufzog. Die Bar des angesagten Nachtclubs war dicht umlagert, die Beleuchtung gedämpft. Er entdeckte Blake, der mit einer Gruppe von Bekannten an der Theke stand und das Geschehen auf dem Bildschirm eines Fernsehers mit abgeschaltetem Ton verfolgte. Ihre gelegentlichen Jubelrufe vereitelten alle Bemühungen der Jazzband, sich Gehör zu verschaffen.

Blake winkte Sam und gab ihm einen guten Rat. »Bestell lieber jetzt gleich, solange noch die Chance besteht, keine Ewigkeit auf deinen Drink warten zu müssen.«

Sam, im Begriff, ihm zu erklären, dass er nicht bleiben könne, entdeckte die Frau, die er an diesem Nachmittag auf dem Pier gesehen hatte. Großgewachsen, schlank, das wellige rote Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengerafft, war sie mit einer maßgeschneiderten blau-weißen Leinenbluse, marineblauer Caprihose und weißen Sandalen bekleidet. Sie stand im Eingang, sah sich suchend um, bis sich ihre Miene zu einem strahlenden Lachen aufhellte, als sie drei anderen Frauen zuwinkte, die an einem Tisch gegenüber der Bar saßen. Anstatt sich zu ihnen zu gesellen, kam sie zur Bar und blieb kaum einen halben Meter von Sam entfernt am Tresen stehen.

Der Barkeeper fragte sie, was sie trinken wolle.

Sie schlug die Getränkekarte auf. »Sie haben keine spanischen Rotweine, oder?«, sagte sie.

»Tut mir leid. Nur kalifornische oder Wasser.«

Ihr Lächeln erstarb. »Schade. Er hätte gut zu dem Anlass gepasst.«

»Remi!«, rief eine ihrer Freundinnen am Tisch hinter ihr. »Wir haben Wein.«

Sie blickte zum Tisch hinüber und sah, dass ihre Freundin eine Flasche Chardonnay hochhielt. Daraufhin gab sie dem Barkeeper die Getränkekarte zurück. »Trotzdem vielen Dank.«

Er nickte und wandte sich dem nächsten Gast zu.

»Erde an Fargo. Ist dir klar, dass das Spiel angefangen hat?« Blake, der längst registriert hatte, was Sam in diesem Moment viel interessanter fand, legte ihm eine Hand auf die Schulter und schüttelte ihn leicht. »Du solltest es lieber nicht mal versuchen. Die Frauen an diesem Tisch sind blaublütige Ostküstenschnepfen. Ganz außerhalb deiner Liga. Sie brauchen nicht länger als zehn Sekunden, um dich zu taxieren und zu erkennen, dass du ein kalifornischer Strandläufer mit allradangetriebenem Jeep bist, deine Kreditwürdigkeit zu berechnen und dich als ungenießbar wieder auszuspucken. Bei denen wird dir auch alles Fargo-Glück der Welt keinen Deut weiterhelfen. Ihre Schuhe kosten ja schon mehr, als du in einer Woche verdienen kannst.«

»Und woher beziehst du dieses Wissen?«

»Ich war mal mit dieser Blondine zusammen. Olivia Brady. Es dauerte nicht besonders lange, dabei hatte ich kurz vorher einen millionenschweren Grundstücksdeal abgeschlossen.«

»Schon mal daran gedacht, dass es vielleicht an dir lag und nicht am Geld ?«, fragte Sam mit einem herausfordernden Grinsen.

»Ich gebe dir einen guten Rat, Fargo. Auch wenn du dich noch so konsequent bemühst, kein Sterbenswörtchen darüber zu verlieren, wo du arbeitest, wird es am Ende doch herauskommen. Verlass dich drauf.«

»Zur Kenntnis genommen«, sagte Sam, ging zum Ende der Bartheke, griff nach der Getränkekarte und überflog die Liste der angebotenen Rotweine, fand die übliche Auswahl von Sorten aus dem Napa Valley, allesamt mit den entsprechenden Preisangaben und unerreichbar weit von seinem neuen Lebensstil entfernt. Er überflog sie und entdeckte dann einen kalifornischen Spanier aus dem nördlichen San Joaquin Valley, und zwar zu einem vernünftigen Preis. Er winkte den Barkeeper zu sich. »Ich nehme eine Flasche von dem Bokisch Tempranillo und vier Gläser. Können Sie alles zu dem Tisch bringen lassen, an dem die rothaarige Frau sitzt?«

KAPITEL DREI

Sam beobachtete, wie die Serviererin den Wein und die Gläser auf den Tisch stellte.

»Ich glaube, dies ist ein Irrtum«, sagte die blonde Frau. »Wir haben keinen Wein bestellt.« Sie deutete auf die Flasche Chardonnay.

»Dieser Wein kommt von dem Gentleman an der Bar.«

Alle vier Frauen blickten in Sams Richtung. Eine lächelte kühl, dann schüttelte sie den Kopf. »Richten Sie ihm unseren Dank aus, aber das können wir nicht annehmen.«

Sam, der verfolgte, wie die Serviererin die Hand nach der Flasche ausstreckte, schlenderte nun zu dem Tisch hinüber und sagte: »Ich war eigentlich schon dabei, den Abend zu beenden, aber dann habe ich zufällig gehört, dass Sie etwas feiern. Sie sind zu viert, also … voilà, hier sind vier Gläser und eine Flasche spanischer Tempranillo. Zum Wohl. Lassen Sie es sich schmecken.«

Er wollte sich schon abwenden, als die Rothaarige seinen Blick auffing, einen Ausdruck von Neugier und Wachsamkeit in den grünen Augen. »Sie waren heute am Strand.«

Die anderen Frauen betrachteten ihn mit neu erwachtem Interesse. Die Blondine nickte und meinte: »Sie sind es doch gewesen, der den Surfer gerettet hat. Der Held des Tages.«

»Held ? Nein, das nicht. Ich war nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Das trifft es eher.«

Die Brünette schaute auf ihre Armbanduhr. »Apropos Zeit, wir sind spät dran.« Sie leerte ihr Weinglas, dann schob sie ihren Stuhl zurück. Die beiden anderen Frauen erhoben sich gleichzeitig mit ihr. Sie sah auf ihre Freundin hinunter, die sich nicht gerührt hatte. »Kommst du, Remi?«

Remi tippte gegen den Stiel ihres noch fast vollen Weinglases. »Ich stoße zu euch, sobald ich ausgetrunken habe.«

Die drei verließen eilig das Café, und Remi und Sam blieben allein zurück.

»Wir haben eine Dinner-Reservierung«, erklärte sie, dann deutete sie mit dem Kopf auf einen der freien Stühle. »Sie können mir gern Gesellschaft leisten.«

»Ich will Sie aber nicht von Ihren Freundinnen fernhalten.«

»Auf die Appetithäppchen kann ich verzichten.« Sie drehte die Flasche auf dem Tisch herum und betrachtete das Etikett. »Von diesem Weingut habe ich noch nie gehört.«

»Der Barkeeper hat mir versichert, dass der Wein sehr gut sei.«

»Und wie kann ich sicher sein, dass er nicht präpariert ist und Sie keiner von diesen Stalkern sind?«

»Ich trinke den ersten Schluck.« Er schenkte eine kleine Menge in zwei Gläser ein, schob eins zu ihr hinüber und hob sein eigenes Glas. »Auf das, was Sie feiern, was immer es sein mag.«

Sie stießen miteinander an. Sie wartete, dass er als Erster das Glas an die Lippen setzte und trank, dann folgte sie seinem Beispiel. »Der ist wirklich gut … Schwarzkirsche, dunkle Schokolade … und eine Spur Preiselbeere.« Sie nahm die Flasche vom Tisch, um den Text auf dem Etikett zu lesen. »Tempranillo, der in Kalifornien angebaut wurde. Ich sehe diverse Informationstrips mit interessanten Verkostungen auf mich zukommen.«

»Was ist mit Ihren Freundinnen? Sind Sie sicher, dass Sie ihnen nicht doch lieber folgen sollten …?«

»Wahrscheinlich haben sie mich längst vergessen. Und soll ich etwa einen so guten Wein stehen lassen?«

Er stellte sein Glas auf den Tisch und streckte eine Hand aus. »Sam Fargo.«

Sie schüttelte sie mit festem Griff. »Remi Longstreet.«

»Schön, Sie kennenzulernen, Remi.« Er füllte ihre Weingläser auf. »Also, was ist so weltbewegend, dass man es mit einer spanischen Rebsorte feiert?«

»Sie müssen mir versprechen, es auf keinen Fall weiterzuerzählen.«

»Ich werde schweigen wie ein Grab. Ehrenwort.«

Ihr Lächeln ließ ihr ganzes Gesicht aufleuchten. »Ich gehe schon seit längerer Zeit Gerüchten nach, dass vor Abalone Cove eine spanische Galeone gesunken sein soll. Heute Vormittag bin ich im Lesesaal der Abteilung für seltene Bücher und Spezialsammlungen der Long Beach University tatsächlich auf einen Hinweis auf das Schiff gestoßen. Es waren zwar nur zwei Sätze, in denen es erwähnt wurde, aber wenn man bedenkt, dass ich fast sechs Monate gebraucht habe, um das Wenige auszugraben, komme ich mir vor wie jemand, der den Stein der Weisen gefunden hat, und bin geradezu euphorisch.«

»Darauf müssen wir unbedingt anstoßen«, sagte Sam und hob noch einmal sein Glas. »Und was kommt als Nächstes? Ausgedehnte Tauchgänge, um das Schiff zu finden?«

»Irgendwann ganz sicher. Aber das ist nur ein Teil des ganzen Pakets. Ich reise in zwei Wochen nach Griechenland. Nach Fourni, um es präziser einzugrenzen.«

»Dort haben Sie eine reiche Auswahl an Schiffswracks. Was wird es dort geben? Ich schätze, so an die fünfzig Stück, die rund um die Inseln verteilt sind.«

»Sie kennen sich in dieser Region aus?«

»Ich habe einiges darüber gelesen, war jedoch noch nie dort. Unterwasserarchäologie hat mich schon immer fasziniert. Der ungeheure Reiz, der Erste zu sein, der etwas findet, das seit Jahrhunderten verschollen war …« Er lächelte. »Ist das Ihr Job? Archäologin?«