Des Puppenmeisters Vorhang fällt - Papilio Faye - E-Book

Des Puppenmeisters Vorhang fällt E-Book

Papilio Faye

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Beschreibung

Anri hat einen Schlussstrich gezogen und will sich von nichts auf der Welt davon abhalten lassen. Doch das Leben ist eine listige Bestie, das seine Trumpfkarten gerne im letzten Moment aufbietet. Und was kommt dann? Ein Neuanfang? Oder das Ende?

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Veröffentlichungsjahr: 2015

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Papilio Faye

Des Puppenmeisters Vorhang fällt

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Inhalt

Des Puppenmeisters Vorhang fällt

von

Papilio Faye

 

Zum Inhalt:

 

Anri hat einen Schlussstrich gezogen und will sich von nichts auf der Welt davon abhalten lassen. Doch das Leben ist eine listige Bestie, das seine Trumpfkarten gerne im letzten Moment aufbietet.

Und was kommt dann? Ein Neuanfang? Oder das Ende?

 

 

Ca. 25.300 Wörter

Als Taschenbuchauflage hätte diese Geschichte rund 117 Normseiten.

 

 

Korrektorat: Ginva

©opyright: Papilio Faye

Covergestaltung: Caro Sodar

Bildmaterial: 123rf.com, Bild-Nummer 11541486

 

 

Sämtliche Personen und Ereignisse sind der Fantasie der Autorin entsprungen. Ähnlichkeiten mit der Realität sind rein zufällig.

Alle Rechte vorbehalten. Ein Nachdruck oder eine andere Verwertung ist nur mit der schriftlichen Genehmigung der Autorin gestattet.

 

Erfundene Personen können auf Schutz verzichten, doch im wahren Leben gilt:

Safer Sex!

 

 

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Es verstößt gegen das Urheberrecht, dieses Werk weiter zu verkaufen oder zu verschenken!

Bitte respektieren Sie die Arbeit der Autorin an ihrem Werk und erwerben Sie eine legale Kopie.

Vielen Dank!

Akt eins

Mein Blick gleitet langsam über die nassen Straßen vor mir. Meine Beine gehen wie von selbst den Weg, den ich in den letzten Wochen immer wieder abgelaufen bin. Ich kenne beinahe jeden Stein, der mir begegnet, weiß um jedes Papier, das vom städtischen Reinigungsdienst in den grauen Flächen der Parkanlage vergessen wurde, und kenne die unterschiedlichen Gerüche, die mir entgegenschlagen, auch wenn sie im Moment von der Feuchtigkeit des Nieselregens durchtränkt sind.

In weiter Ferne höre ich die Sirene eines Krankenwagens. Oder möglicherweise auch der Feuerwehr, eventuell der Polizei. Ich konnte die verschiedenen Töne von diesen drei Fahrzeugen noch nie unterscheiden und bin einfach nur brav zur Seite gefahren, wenn ich es hinter mir blau blinken sah. Ja, so bin ich, ein braver junger Mann, der immer alles getan hat, was man ihm sagte und was von ihm erwartet wurde.

Höre ich mich verbittert an?

Vielleicht ist das der Fall und wahrscheinlich wäre es auch angebracht, wenn ich Verbitterung in mir tragen würde, doch ich verspüre schon lange kein Gefühl mehr, das der Bitterkeit gleich kommt, ihr auch nur in irgendeiner Weise ähnelt. Um es genauer auszudrücken, habe ich irgendwann in den letzten Jahren wohl aufgehört, irgendetwas zu fühlen.

Damit wir uns mit dieser Aussage nun nicht falsch verstehen, ich bin mir durchaus bewusst, dass ich noch immer die Fähigkeit besitze, Empfindungen zu entwickeln und sie zu spüren. Ich weiß, wann es angebracht ist, Traurigkeit oder Entrüstung der Welt vorzuspielen. Ich weiß ebenso, wann ich den Leuten in meiner Umgebung, Freude oder Begeisterung zu zeigen habe. Und ich denke, dies ist mir bisher auch recht gut gelungen. Sollte jemand bemerkt haben, dass ich nicht echt bin und meine Reaktionen nur einstudiert sind, nun, dann hat er mich jedenfalls nicht darauf angesprochen. Mein Training hat mich über die Jahre hinweg zu einem wahren Puppenmeister werden lassen.

Daran ist bei weitem nichts Schlimmes, auch wenn es für Außenstehende vielleicht so wirkt. Zu einem gewissen Grad gehört diese Abgestumpftheit zum Erwachsenwerden dazu und ist wahrscheinlich vom Leben auch so gewollt. Doch ich habe vor einiger Zeit aufgehört, die unterschiedlichen und einzigartigen Gefühle, die ein Mensch so besitzen kann, auch wirklich zu empfinden.

Ich weiß durch meinen rationalen Verstand, dass in meinen Zellen gewisse chemische Reaktionen ablaufen, dessen Endprodukte bestimmte Hormone im menschlichen Körper freisetzten, zum Teil auch selbst ausschütten, und diese sind schlussendlich dafür verantwortlich, dass wir eine Empfindung haben. Doch mehr als das ist es für mich nicht mehr. Nur das Wissen von Chemie und das Reagieren meines Körpers darauf. Daher unterscheide ich zwischen einem Gefühl, hervorgerufen durch die Seele, und einer Empfindung, damit meine ich etwas Körperliches.

Denn das wirklich Ursprüngliche hinter den Gefühlen ist mir irgendwann abhanden gekommen. Vielleicht habe ich es verloren, vielleicht habe ich es von mir gestoßen, vielleicht wurde es mir gestohlen. Es kann aber auch sein, dass es sich um einen schleichenden Prozess aus einer Mischung dieser Möglichkeiten handelte. Wer weiß das schon? Ich jedenfalls nicht.

Und ich bin mittlerweile auch nicht mehr gewillt, weiter darüber nachzudenken. Nicht, weil es möglicherweise zu anstrengend oder zu mühselig ist, nein, ich komme nur zu keinem Ergebnis und ich bin kein allzu guter Wissenschaftler, der ewig forschen kann und auch mit kleinen Schritten zufrieden ist. Oder mit überhaupt keinen.

Ich war einmal hartnäckig und keine Frage war vor mir sicher, auf alles wollte ich eine Antwort finden, einen Grund erforschen. Ich war ein Entdecker von fremden Welten, Erforscher von unglaublichen Schauplätzen und wundersamen Wesen und das alles, ohne mein Zimmer verlassen zu müssen. Mir reichte es, die Augen zu schließen und in meine Träume abzutauchen.

Doch ich wollte auch die wahre Welt entdecken, sie unter meine Macht bringen, sie mir unterwerfen und an mich binden, großartig werden. Ich wollte kein Stern werden, nein, ich wollte eine Sonne sein, die hell im Leben der Menschen erstrahlt, die sie magisch anzieht und gefangen hält. Kurz gesagt, ich wollte etwas Besonderes sein.

Ich war gierig und nichts konnte mich wirklich befriedigen. Ich war der Verdurstende in der Wüste der Wirklichkeit auf der Suche nach ein klein wenig Wasser. Doch mit jedem Schluck wurde der Durst unerträglicher und das Verzehren nach etwas Namenlosen zerfraß meine Schutzmauern, machte mich angreifbar für meine Feinde.

Ja, ich erinnere mich noch gut daran, wie ich einmal war, auch wenn die Erinnerung immer weiter in den Nebel des Vergessens eintritt und darin verschwindet. Ein Gefühl habe ich schon lange nicht mehr dazu, in mir ist nur noch das Wissen darüber, dass eine solche Zeit einmal geherrscht hat.

Es ist so, als würde man ein absonderliches Kunstwerk betrachten, das einem nichts, wirklich rein gar nichts mitteilt. Man dreht sich gelangweilt um, wandert zum nächsten, doch die Gedanken schweifen hartnäckig immer wieder zurück, magnetisch angezogen von etwas, das mit einem selbst eigentlich nichts zu tun hat. Eine Laune des Schicksals. Allerdings, Launen sind vergänglich.

Dennoch herrscht in mir noch immer dieses Wissen um dieses andere Ich. Noch jedenfalls.

Ich war einst ein Kämpfer in einer Arena, der es mit allerlei wildem Getier auf sich nahm. Ja, und ich war erfolgreich. Über Jahre hinweg sogar. Ich erwehrte mich in unzähligen kleinen, doch auch sehr ausufernden Schlachten meiner Haut. Ich brauche mich also beim besten Willen nicht schämen, dass ich am Ende nicht als Sieger den Kriegsschauplatz verlasse. Schließlich ist mein Gegner übermächtig und allgegenwärtig, handelt es sich bei ihm doch um das Leben selbst.

Ich bekämpfte die Unterdrückung und Versklavung meines eigenen Seins in Form einer herrischen Familie, deren schleichendes Gift meine Nervenbahnen lahmlegte und mein Inneres verätzte. Mich umschlangen klebrige, dünne Fäden, fesselten mich und sponnen mich in einen giftigen Kokon, aus dem es beinahe kein Entrinnen gab. Meine Waffen dabei waren meine eigene Ideologie und der Wille, mein Selbst aufrecht zu erhalten und es zu schützen. Doch im gleichen Moment, als ich mich frei schlug, wurde das Loch sofort wieder gestopft, das Entkommen mir verwehrt und als ich irreführenderweise einmal annahm, mich befreit zu haben und die Flucht auch antrat, hatte ich nicht darauf geachtet, dass ein feiner, beinahe unsichtbarer Faden noch immer an mir haftete und die Verbindung nicht abreißen ließ.

Dieser Faden schaffte es in einem langen Prozess meine Waffen stumpf werden zu lassen und am Ende konnte ich dabei zusehen, wie sie unter meinen Fingern zerbröselten.

Doch selbst dann gab ich noch nicht auf.

Ich legte mich mit dem großen Gefühl der Liebe an, als es plötzlich auf dem Schlachtfeld auftrat und vehement einen Platz einforderte. Mal trügerisch, zärtlich und sanft, mal heiß, fordernd und alles verzehrend, umschlich es mich und ich erkannte leider viel zu spät die Krallen, die in mein Herz geschlagen wurden, es langsam, aber ziemlich stetig, zerfleischten und ich sah auch nicht den gierigen Schlund mit den scharfen Reißzähnen, der sich begehrlich öffnete und sich Stück für Stück von mir ernährte. Ich floh, um zu überleben, ich leckte meine Wunden, doch ich kehrte immer wieder in die Fänge dieser Bestie zurück und ein ums andere Mal verschwand das, was man wohl den Kern des Lebens nennt.

Aus diesen Kämpfen trug ich ziemlich viele, sehr schmerzhaft pulsierende Wunden in mir fort, die sich nur zögerlich verschlossen, doch niemals ganz verschwanden.

Und an meinen letzten großen und wahrhaftig vernichtenden Kampf kann ich mich sehr gut erinnern. Denn mein letzter Feind hatte so viele Gesichter, dass ich bis heute nicht alle erkannt habe. Und er kam nicht alleine.

Verrat und Verlust betraten Hand in Hand den Schauplatz, zogen ihre Kreise um mich, bis mir schwindelig wurde und ich taumelte. Ich war nicht schnell genug, um zu reagieren, wenn sie mich angriffen. Sie lenkten mich ab, reichten mir die Hand, nur um mich im nächsten Moment nach unten, tief in den Dreck zu drücken und auf mich einzutreten. Ich konnte niemals wirklich zuordnen, welcher Schlag von wem ausgeführt wurde, doch ich spürte die Schmerzen ganz deutlich in jeder Faser meines Körpers, in jeder Zelle pulsierten sie und raubten mir oftmals die Luft zum Atmen. Gegen dieses Duo konnte ich nichts ausrichten, stand ihm machtlos gegenüber und konnte nur dabei zusehen, wie es mich hämisch auslachte und auf mich spuckte, nachdem ich am Boden lag.

Das Gift der familiären Knechtschaft zerfraß mein Inneres, das, was mich als ein Ich ausmachte. Liebe raubte mir in grausamer Sanftheit den Ursprung meines Lebens, mein Herz. Und das Duo Verrat und Verlust zerschlugen meine Hülle, an die ich mich klammerte, mein Vertrauen, meine Hoffnung und meinen Verstand. Und nun, da sich meine Feinde langsam in ihr Lager zurückziehen, stehe ich mit leeren Händen da, starre auf das brach liegende Land vor mir und spüre nur noch eine große Leere in mir, die einhergeht mit einer unglaublichen Müdigkeit.

Wie ich schon einmal erwähnte, verspüre ich bei diesem Zustand keinerlei Verbitterung oder gar Wut auf meine Gegner. Nein, denn zum einen würde es nichts bringen, außer ihnen einen gewissen Grad an Befriedigung, und zum anderen steht wohl jeder Mensch in seinem Leben denselben Feinden gegenüber. Blessuren tragen wir ja immer davon, die meisten schaffen es trotz alledem, das zu beschützen, was ihnen die Menschlichkeit gibt und was sie zum Weitermachen antreibt. Vielleicht sind ihre Gegner nicht so hartnäckig wie bei anderen, vielleicht besitzen sie auch die schärfere Waffen oder mehr Durchhaltevermögen.

Tja und diejenigen, die wie ich als Puppenmeister am Ende stehen bleiben, haben zwei Möglichkeiten. Entweder sie spielen das Spiel der Welt mit, lassen sich vom Leben wie Bauern über das Schachbrett schieben und zeigen der Menschheit dabei die starre Maske, oder sie beenden das Spiel, geben den König auf und lassen sich Schach Matt setzen.

Im Grunde sind beide Möglichkeiten doch nur eine einzige. Mit einem kleinen, für die Gesellschaft jedoch bedeutenden Unterschied. Lässt man dem Leben die Oberhand, so verweilt die Hülle bis zu ihrem gesetzmäßigen Ende in der Welt. Entscheidet man sich gegen den Fortbestand, so setzt man nur seinem Fleisch ein Ende. Denn das, was sich die Seele eines Menschen nennt, hat ein Puppenmeister über die Jahre hinweg immer mehr verloren und existiert nur mehr als ein Wort in der Erinnerung.

Nun, vor knapp drei Monaten habe ich meine Entscheidung getroffen. Nachdem mir wahrhaftig nichts mehr geblieben war und ich den nächsten großen Hammerschlag des Lebens schon auf mich zurasen sah, beschloss ich, meinen letzten Weg zu gehen. Warum ich trotzdem bis zum heutigen Abend gewartet habe? Tja, auch als Puppenmeister hat man gewisse Verpflichtungen im Leben. Und je nach Grundeinstellung kann man sich diesen entziehen oder sie zu Ende führen.

Ich habe einen Weg eingeschlagen, mit dem meine Umgebung nicht umgehen können wird. Dessen bin ich mir bewusst. Ich weiß, dass die ein oder anderen mich als einen Mistkerl, als einen Feigling und möglicherweise auch noch als Schlimmeres betiteln werden. Das ist in Ordnung. Sie können ruhig wütend werden. Ja, sie können mich hassen, wenn es ihnen hilft, mit der Situation klarzukommen. Ich werde sie schreien, weinen und fluchen lassen, da ich es eh nicht verhindern kann und auch nicht möchte. Es ist ihre Sache, wie sie damit umgehen.