Design - Daniel Martin Feige - E-Book

Design E-Book

Daniel Martin Feige

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Beschreibung

Ob Möbel, Plakate, Webseiten, Kleidung, Piktogramme, Autos oder städtische Räume: Design ist omnipräsent. Nur in der Philosophie hat es bislang (so gut wie) keine Beachtung gefunden. Daniel Martin Feige schließt diese Lücke, indem er eine Explikation von Grundbegriffen präsentiert, die mit dem Design verbunden sind, und Design als eine ästhetische Praxis eigenen Rechts ausweist. In der Praxis des Designs, so seine These, wird das Funktionieren selbst ästhetisch. Das Buch ist sowohl ein Beitrag zu einer Philosophie des Designs als auch eine Einführung in das philosophische Denken für Designerinnen sowie Designinteressierte.

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Seitenzahl: 399

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3Daniel Martin Feige

Design

Eine philosophische Analyse

Suhrkamp

4Für Gesa

Übersicht

Cover

Titel

Widmung

Inhalt

Informationen zum Buch

Impressum

Hinweise zum eBook

Inhalt

Cover

Titel

Widmung

Inhalt

Danksagung

Einleitung Ein philosophischer Blick auf das Design

Kapitel 1 Begriff des Designs

1.1 Die Unhintergehbarkeit von Begriffen

1.2 Logiken des Begrifflichen

Kapitel 2 Geschichtlichkeit des Designs

2.1 Geschichte als dialektischer Prozess

2.2 Die Unbestimmtheit von Design

Kapitel 3 Anthropologie des Designs

3.1 Hat der Mensch eine Natur?

3.2 Zu einer Praxeologie des Designs

Kapitel 4 Ästhetik des Designs

4.1 Praxisformen des Ästhetischen

4.2 Natur, Kunst und Design

Kapitel 5 Handlungstheorie des Designs

5.1 Das Innere ist das Äußere

5.2 Zur Logik des Entwerfens und Gestaltens

Kapitel 6 Symboltheorie des Designs

6.1 Denotation und Exemplifikation

6.2 Die Entgrenzung expressiver Qualitäten von Designgegenständen

Kapitel 7 Ontologie des Designs

7.1 Unreine Verkörperungen

7.2 Design als ontologische Kategorie

Kapitel 8 Kritik des Designs

8.1 Waffen und Werbung

8.2 Emanzipatorisches Design?

8.3 Coda: Social Design

Literaturverzeichnis

Namenregister

Fußnoten

Informationen zum Buch

Impressum

Hinweise zum eBook

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7Danksagung

Das vorliegende Buch hätte ohne eine Vielzahl von Anregungen und Einwänden durch Kolleginnen und Kollegen nicht die Gestalt angenommen, die es jetzt hat. In seinem Zugang zur Fragestellung ist es Ausdruck meiner wissenschaftlichen Laufbahn in der Philosophie, die mit den entsprechenden Instituten der Freien Universität Berlin, der Goethe-Universität Frankfurt am Main sowie der Justus-Liebig-Universität Gießen verbunden ist. In seiner Fragestellung wie Schwerpunktsetzung allerdings spiegelt es meine Tätigkeit in der Fachgruppe Design an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart wider. Die Anregungen durch meine Kollegen und Kolleginnen sowie der Studierenden in meinen Vorlesungen und Seminaren dort verdienen, besonders hervorgehoben zu werden. Für intensive Kommentare zu einzelnen Kapiteln oder zum Manuskript als Ganzem danke ich ganz herzlich Uli Cluss, Hans-Georg Pospischil, Gerwin Schmidt, Stefanie Schwarz und Marcus Wichmann. Das Manuskript hat darüber hinaus von den intensiven Diskussionen profitiert, die sich seit Beginn meiner Tätigkeit in Stuttgart zu verschiedenen Anlässen immer wieder mit Uwe Fischer, Susanne Hoffmann, Karl Höing, Fahim Mohammadi, Bastian Müller, Alfred Seiland, Dorothee Silbermann und Patrick Thomas zu den Themen dieses Buches entzündet haben. Ebenfalls habe ich von dem Austausch profitiert, der sich an der Akademie mit meinen Kollegen Nils Büttner, Felix Ensslin, Sokratis Georgiadis und Hans-Dieter Huber zu verschiedenen Anlässen ergeben hat. Was den theoretischen Zugang angeht, verdankt sich unschätzbar vieles in diesem Buch den langjährigen Diskussionen, die mich mit meinen philosophischen Lehrern Martin Seel und Georg W. Bertram verbindet. Das Manuskript ist als Teil einer Habilitationsleistung im Fachbereich Philosophie an der Freien Universität Berlin angenommen worden. Neben den genannten Personen danke ich Juliane Rebentisch ganz herzlich für das Gutachten und die dort formulierten Anregungen. Dank gilt auch Johannes Lang, der Teile einer frühen Fassung des Manuskripts kritisch kommentiert hat. Jasmina Begovic und Simon Haßler danke ich für Kommentare sowie für die Unterstützung bei der Erstellung des Manuskripts. 8Dem Suhrkamp Verlag, und hier vor allem Philipp Hölzing, danke ich für das Vertrauen in das Projekt sowie viele hilfreiche Anmerkungen. Schließlich gilt Gesa, Jakob und Helene Dank dafür, dass sie mein intensives Schreiben einmal mehr ertragen haben.

9Einleitung

Ein philosophischer Blick auf das Design

Kaum ein Gebrauchsgegenstand des Alltags ist heute ohne Designentscheidungen denkbar. Ob es die Möbel sind, auf denen wir sitzen, oder die technischen Geräte, die wir benutzen: Spätestens seit dem 20. Jahrhundert ist Design eine der wesentlichen Formen, im Rahmen deren Menschen ihre Welt erschließen und zugleich gestalten. Sie erschließen ihre Welt im Rahmen des Gebrauchs von Gegenständen des Designs,[1] da solche Gegenstände auf unsere Praxis bezogen sind. Zugleich formen Menschen ihre Welt durch entsprechende Gegenstände, insofern diese ihrer Praxis allererst eine bestimmte Kontur geben. Denn es macht einen Unterschied, ob ich mit einem industriell hergestellten Füllfederhalter schreibe oder auf einem Tablet. Damit ist der Grundgedanke des vorliegenden Buchs benannt: Design ist eine ästhetische Form der praktischen Welterschließung. Als Welterschließung gibt Design der Welt ein spezifisch menschliches Gesicht; als ästhetisches Phänomen geschieht das je nach Gegenstand in eigener Weise. Wenn Designgegenstände tatsächlich ästhetische Gegenstände sind, so heißt das Folgendes: Sie finden nicht so sehr Lösungen für gegebene Probleme, sondern bestimmen die Probleme im Lichte ihrer Lösungen vielmehr zugleich neu. Bei diesem Grundgedanken handelt es sich um eine These zur Rolle des Designs in der menschlichen Welt, die diese Rolle immer auch als genuin ästhetische bestimmt. Und das Ästhetische, so lautet der weitergehende Gedanke, wird im Design anders als in der Kunst, aber auch anders als in der Naturerfahrung in bestimmter Weise praktisch. Denn Designgegenstände sind keine Gegenstände der zweckfreien Kontemplation, sondern Gegenstände des Gebrauchs. Wer bei einem Stuhl von Frank Gehry oder den Piktogrammen von Otl Aicher nur auf die Funktion dieser Gegenstände schaut, sieht an ihnen als Designgegenständen vor10bei. Design zeigt sich nur für diejenigen, die der Ästhetik solcher funktionalen Gegenstände nicht zuletzt im Gebrauch nachspüren.

Lange Zeit hat man versucht, Design dadurch aufzuwerten, dass man es der Kunst zuschlägt.[2] Ist der Grundgedanke des vorliegenden Buches richtig, so ist dem Design damit ein Bärendienst erwiesen worden: Designgegenstände sind ästhetische Gegenstände eigenen Rechts und bedürfen keiner Aufwertung dadurch, dass man sie in der Theorie begrifflich der Kunst zuschlägt und in der Praxis der Kunst anähnelt. Diese These impliziert zudem, dass auch dann, wenn man ästhetischen Gegenständen nicht immer zweifelsfrei ansehen kann, ob es sich bei ihnen um Kunstwerke oder Designgegenstände handelt, der Unterschied zwischen beiden nicht graduell ist. Natürlich könnte man zum Beispiel viele der Exponate von Stefan Sagmeisters Ausstellung »The Happy Show«, die im Frankfurter Museum für angewandte Kunst vom 23. 4. 2016 bis zum 25. 9. 2016 gezeigt wurde, ohne weitergehende Kontextualisierung durch bloßes Hinschauen auch für Kunstinstallationen oder partizipative Kunstaktionen halten. Aber das widerspricht nicht dem Gedanken, dass es sich hier dennoch um Exponate handelt, die keine Kunstwerke sind. Das bloße Hinsehen ist nämlich kein epistemischer »Test« für die Frage der kategorialen Zuordnung ästhetischer Gegenstände:[3] In Wahrheit sind die weitergehenden Kontexte, in denen solche Gegenstände stehen und die als Kontexte von Praktiken verstanden werden müssen, der Identität dieser Gegenstände nicht äußerlich. Und zu solchen Kontexten darf offensichtlich nicht allein der Ausstellungsraum gezählt werden, sondern zu ihnen gehört ebenso ein Wissen darum, von wem die entsprechenden Gegenstände sind und wie sie sich zu anderen Arbeiten verhalten.

11Auch wenn der Grundgedanke des vorliegenden Buchs eine These zur Ästhetik des Designs ist und das vierte Kapitel, das der Ästhetik des Designs gewidmet ist, entsprechend eine programmatisch zentrale Stellung einnimmt: Es ist nicht ausschließlich ein Beitrag zu einer Ästhetik des Designs. Vielmehr werden, von diesem Grundgedanken zur Ästhetik des Designs ausgehend, eine Reihe verschiedener philosophischer Grundbegriffe diskutiert. Die jeweiligen Grundbegriffe werden hinsichtlich der Wendung befragt, die sie mit Blick auf Design nehmen. Das grundsätzliche Ziel des Buchs ist es, die Eigenarten von Designgegenständen philosophisch in den Blick zu nehmen. Damit beansprucht das Buch zugleich, eine Lücke zu schließen: Obwohl sich abzeichnet, dass sich diese Situation in jüngster Zeit ändert,[4] hat die Philosophie das Design bislang nur am Rande behandelt. Die bisher umfangreichste wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Design findet in der sogenannten Designtheorie und Designforschung statt.[5] Allerdings sind viele der im Rahmen dieses Forschungsfeldes situierten Diskurse gerade dadurch, dass sie sich als Verlängerung der Designpraxis selbst verstehen,[6] eher Beiträge zur politischen Legitimation des Designs und nicht zu einer Wissenschaft des Designs. Zudem lässt sich kaum sagen, dass es hier einen etablierten Diskussionsstand 12gibt, der einigermaßen robust wäre. Das vorliegende Buch greift die Debatten der Designtheorie von der Seite auf und hofft, den Kanon zum Design um eine dezidiert philosophische Stimme zu bereichern. Diese besteht darin, eine Klärung der auch in etablierten designtheoretischen Debatten investierten Grundbegriffe anzubieten. Dieses Buch ist also anders als viele Beiträge zur Designforschung kein Beitrag zur Praxis von Designern bzw. Designerinnen. Vielmehr präsentiert es ein Nachdenken über die Relevanz und Spezifik des Designs in der menschlichen Welt. Es ist ein Beitrag zur Praxis der Theorie des Designs. Denn das Denken ist dahingehend selbst eine Praxis, dass es geübt oder dilettantisch betrieben werden kann. Und möglicherweise kann es Studierende des Designs wie gestandene Designer*innen nicht nur auf neue Gedanken hinsichtlich der begrifflichen Grundlagen ihrer Tätigkeit bringen, sondern vielleicht auch Impulse für die Gestaltung geben. Das aber ist nicht das vornehmliche Ziel: Das Buch verfolgt das Ziel, eine angemessene Deutung der Grundbegriffe zu geben, die mit dem Design verbunden sind. Der Gedanke, dass es eine wahre Theorie des Designs geben kann, mag zwar in Teilen der Designtheorie verpönt sein.[7] Wie ich jedoch zeigen werde, beruhen entsprechende Zurückweisungen dieses Gedankens auf Missverständnissen hinsichtlich dessen, was Begriffe und Theorien überhaupt sind. Aus der Tatsache, dass ein philosophisches Nachdenken über Design nach der wahren Designtheorie fragt, folgt natürlich nicht, dass es nicht in vielfältiger Weise Perspektiven unterschiedlicher Theorien integrieren und synthetisieren kann – und dies auch tun sollte. Diese werden dann aber eben nicht als Theorien verstanden, die beziehungslos nebeneinander stehende Schlaglichter auf den Gegenstand werfen. Sie werden so verstanden, dass sie jeweils einen Beitrag zu einer Theorie des Designs im Singular liefern.

Eine entsprechende Philosophie des Designs wird im vorliegenden Buch weder deduktiv entwickelt, noch durchweg in einer systematischen Gestalt präsentiert. Vielmehr wird sie in Form einer Konstellation von Grundbegriffen durchgeführt. Auch wenn die einzelnen Kapitel aufeinander aufbauen und das Buch somit kein rein lexikalisches Nachschlagewerk für die jeweiligen Begriffe sein 13soll, so ist es doch so, dass die entsprechenden Grundbegriffe in jeweils relativ großer Eigenständigkeit diskutiert werden. Wer sich vor allem für den Begriff der Ästhetik des Designs interessiert, kann das Kapitel grundsätzlich auch ohne die anderen Kapitel lesen. Die Konstellation wird dabei durch den schon erwähnten Grundgedanken zusammengehalten, dass das Design eine ästhetische Form praktischer Welterschließung ist und zwar eine ästhetische Form sui generis. In diesem Sinne kommt dem vierten Kapitel zur Ästhetik des Designs, wie festgehalten, eine programmatisch zentrale Rolle zu. Es entwickelt den Gedanken, dass die Einheit des Ästhetischen in einer Pluralität von Formen des Ästhetischen besteht. Wenn man sagt, dass Design als ästhetische Form der Welterschließung unseren praktischen Weltbezug gestaltet, wohingegen Kunst als eine eigensinnige Reflexionspraxis unser Selbstverhältnis formt,[8] so versteht man Design nicht länger nach dem Vorbild der Kunst. Man versteht dann beide vielmehr als kategorial unterschiedene Formen des Ästhetischen. Wie sie in ihrer Unterschiedenheit zusammen mit einer bestimmten Art der Naturbetrachtung dennoch integrale Momente der Einheit des Ästhetischen sind – darauf wird das vierte Kapitel eine Antwort geben.

Bevor ich eine kurze Vorschau auf die jeweiligen Grundbegriffe geben werde, möchte ich vorgreifend zumindest kurz anzeigen, was für eine philosophische Analyse des Designs im Kontrast zu anderen Formen seiner wissenschaftlichen Erforschung charakteristisch ist. Ex negativo lässt sich die Philosophie des Designs gut in Abgrenzung zur Designgeschichte erläutern. Die Designgeschichte fragt danach, wie sich Design entwickelt hat, welche kulturellen und sozialen Triebkräfte dabei im Spiel waren, und räumt zumeist auch den Äußerungen historischer Designer*innen einen bestimmten Stellenwert ein. Sie fragt kurz gesagt danach, was sich wann, warum und wie ereignet hat. Die Philosophie des Designs hingegen fragt danach, was wir unter Design vernünftigerweise verstehen sollten. Geschichte und Geltung sind zwei Paar Schuhe, systematische Fragen müssen von historischen Fragen zunächst einmal getrennt werden. Das gilt auch dann, wenn ein angemessenes Verständnis der Geltung unserer Aussagen über Design zugleich der Geschichtlichkeit des Designs angemessen Rechnung tragen muss. 14Den Unterschied zwischen der Designgeschichte und der Philosophie des Designs kann man kurz und bündig auch wie folgt benennen: Eine designgeschichtliche Analyse fragt danach, was für wahr gehalten worden ist. Eine Philosophie des Designs fragt danach, was wahr ist. Nach der Wahrheit von Aussagen kann man nun natürlich selbst wieder ganz unterschiedlich fragen. Hier lässt sich eine philosophische Erkundung des Designs wiederum ex negativo gut in Abgrenzung von einer empirisch-sozialwissenschaftlichen Erforschung des Designs spezifizieren. Denn die Philosophie des Designs gelangt zu ihren Aussagen ebenso wenig dadurch, dass sie statistische Erhebungen durchführen würde, noch dadurch, dass sie klassische Experimente durchführen würde. Sie gelangt zu ihnen vielmehr durch Nachdenken. Philosophisches Nachdenken ist nicht zu verwechseln damit, sich in Gedanken irgendetwas auszumalen: Es ist ein argumentatives Nachdenken.[9] Es wäre unzureichend, ein entsprechendes argumentatives Nachdenken als Methode der Philosophie zu verstehen. Denn der Begriff der Methode setzt voraus, dass es zunächst einen Gegenstand gibt, auf den dann in einem zweiten und logisch davon unabhängigen Schritt etwas angewendet wird. Wäre das Nachdenken eine Methode, so wäre es schlechte Philosophie: als Anwendung von abstrakten Begriffen auf Arten von Gegenständen, die sich ihnen vielleicht gar nicht fügen. Das argumentative Nachdenken ist nicht die Methode der Philosophie, sondern vielmehr ihre Form. Damit erweist sich Philosophie als Reflexionswissenschaft, die sich einer Klärung solcher Grundbegriffe verschrieben hat, ohne die wir uns nicht oder zumindest nicht angemessen als diejenigen Lebewesen verstehen können, die wir sind. Genauer erweist sie sich als eine reflexive Wissenschaft, die in Form der argumentativen Auseinandersetzung auf eine rationale Rekonstruktion entsprechender Grundbegriffe abzielt. Die Philosophie des Designs fängt weder mit der Geschichte des Designs, noch mit empirischen Erhebungen zum Design an. Sie fängt bei unseren Vorverständnissen zum Design an und führt sie einer begründeten Klärung sowie einer systematisch zusammenhängenden Explikation zu. Die Philosophie des Designs produziert damit kein 15Wissen über Design, sondern vielmehr Wissen über unser Wissen über Design. Wie der Philosophie des Designs Ergebnisse einer designgeschichtlichen oder empirischen Erkundung von Design nicht gleichgültig sein sollten, so sollten auch der Designgeschichte wie der empirischen Erforschung des Designs die Ergebnisse des philosophischen Nachdenkens nicht gleichgültig sein. Denn es zielt auf die Grundbegriffe auch dieser Wissenschaften – und man sollte sich ja im Klaren sein, was man hier eigentlich genau erforscht. Nach diesen Vorbemerkungen zur Spezifik einer philosophischen Erforschung des Designs komme ich zu den Grundbegriffen, die das Buch behandeln wird. Seine Konzeption sieht so aus, dass jedes seiner Kapitel einem der entsprechenden Grundbegriffe gewidmet ist.

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Die meisten Designtheoretiker*innen wie Designhistoriker*innen, die sich mit Produktdesign beschäftigen, verbinden die Entstehung des Designs mit der industriellen Revolution.[10] Vor dem Hintergrund neuer technischer Möglichkeiten, die die Massenproduktion standardisierter alltäglicher Gebrauchsgegenstände ermöglichten, sind demzufolge nicht allein neue Gegenstände produziert worden, sondern ist zugleich eine neue Art von Gegenständen in die Welt gekommen. Aber allein schon die Gegenstände, die in den Bereich des Produktdesigns gehören – von Arne Jacobsens Stuhl Model 3107 über Dieter Rams’ T1000 Radio für Braun bis hin zu Richard Sappers Thinkpad X1 Carbon für Lenovo –, sind offensichtlich sehr unterschiedlich. Wenn man zudem an die Entstehung des Deutschen Werkbundes und der Stuttgarter Weißenhofsiedlung von 1927 denkt,[11] sind hier die Grenzen zwischen Architektur, Innenarchitektur und Produktgestaltung nicht mehr klar zu ziehen. Damit erschöpft sich aber keineswegs die Diversität: Neben dem Produktdesign gibt es offensichtlich noch viele andere Bereiche 16des Designs, einige mit einer langen Geschichte und Vorgeschichte, andere hingegen relativ neuen Ursprungs. Mit Blick auf das Graphikdesign muss man eine Geschichte der Typographie und eine der Buchgestaltung erzählen, ebenso wie man eine Geschichte der Plakate und ihres komplexen Verhältnisses zur modernen Kunst erzählen muss. Nicht zuletzt müsste in diesem Feld heute auch eine Geschichte des Webdesigns erzählt werden.[12] Nimmt man dann noch das Textildesign sowie die Geschichte der Mode hinzu und verliert auch jüngere Felder wie das Interaktionsdesign und das Transportation Design nicht aus dem Blick, scheint die Lage unübersichtlich zu werden: Gibt es hier nicht genauso viele Arten von Gegenständen wie es Bereiche des Designs gibt? Selbst wenn man mit Blick auf die Entstehung des Designs festhält, dass viele dieser Unterscheidungen späteren Ursprungs sind und man sowohl Produktdesigner*in als auch Graphikdesigner*in sein kann, ist damit das Problem nicht behoben: Was haben alle diese verschiedenen Formen des Designs miteinander gemeinsam, um sie unter dem Begriff des Designs zu versammeln? Thema des ersten Kapitels ist entsprechend die Frage nach dem Begriff des Designs. Ziel dieses Kapitels ist es, zweierlei zu zeigen: Erstens, dass es ein Missverständnis ist, zu meinen, man könnte sich die Frage nach dem Begriff des Designs sparen und sie zu einer Marotte der Philosophie oder der Theorie erklären; zweitens, dass sich Begriffe des Begriffs formulieren lassen, die der entsprechenden Unterschiedlichkeit durchaus Rechnung tragen können. Anders gesagt: Wenn man meint, man könne auf eine Klärung des Begriffs des Designs verzichten, weil man doch intuitiv wisse, was Design ist, oder weil Design eben viel zu unterschiedlich sei, verrät man vor allem, dass man einen falschen Begriff des Begriffs hat.

Einen angemessenen Begriff des Designs kann man nur dann formulieren, wenn man der Geschichtlichkeit des Designs Rechnung trägt. Nicht allein ist das, was Design ist, in vielfältiger Weise durch Veränderungen gekennzeichnet, sondern die meisten Designhistoriker*innen sind der Meinung, dass das Design konkrete historische Ursprünge hat. Die Geschichtlichkeit des Designs ist das Thema des zweiten Kapitels. Die Frage der Geschichtlichkeit 17des Designs muss dabei dezidiert von der Frage der Geschichte des Designs unterschieden werden: Bezieht sich letztere auf die Entstehung sowie die faktische Entwicklung des Designs, zielt die erste Frage darauf, zu klären, was es überhaupt heißt, dass Design eine sich geschichtlich entwickelnde Praxis ist und in welcher Weise sie möglicherweise einen historischen Ursprung hat. Nicht zuletzt weil Design entstanden ist und in beständiger Veränderung begriffen ist, lässt es sich – so lautet ein Kerngedanke dieses Kapitels – nicht im herkömmlichen Sinne definieren. Das freilich schließt nicht aus, dass sich Design in kategorialer Weise bestimmen lässt, wenn man den Sinn solcher Kategorien im Lichte ihrer geschichtlichen Bewegtheit offenhält.

Design ist in seiner Konzeption, Produktion wie seinem Gebrauch Ausdruck unserer praktischen Welterschließung. Dass wir Designgegenstände produzieren und gebrauchen, heißt, dass es Design nur im Rahmen der menschlichen Welt gibt. Es wäre eine begriffliche Konfusion, zu behaupten, dass Tiere Designer sein könnten. Design kommt weder durch bloß physikalische oder biologische Prozesse in die Welt, noch können wir es erschöpfend oder auch nur sinnvoll auf der Ebene solcher Prozesse beschreiben. Im Sinne einer Anthropologie des Designs gehört damit die Frage, für was für Lebewesen Design geschaffen wird, selbst zum Kernbereich der Frage, was überhaupt Design ist. Sie bildet den Inhalt des dritten Kapitels des Buches. Es verteidigt insgesamt die klassische Bestimmung des Menschen als eines vernünftigen Lebewesens, wendet sie aber dahingehend praxistheoretisch, dass geltend gemacht wird, dass der Mensch ein Lebewesen ist, das sich auf sich und die Welt im Rahmen von kollektiven Praktiken bezieht. Designgegenstände – weiterhin in einem breiten und offenen Sinn verstanden und nicht bloß als Objekte – wären damit Dinge, mit denen wir immer auch praktisch-hantierend umgehen und die eine bestimmte Rolle in unseren alltäglichen wie auch außeralltäglichen Praktiken spielen. Den grundsätzlich praktischen Charakter von Design im Sinne einer anthropologischen Grundlage des Designs aufzuklären – das ist das Ziel des dritten Kapitels.

Diese praktische Bestimmung des Designs unterscheidet Designgegenstände offensichtlich nicht von anderen Gegenständen, mit denen wir in unserer Welt hantierend umgehen. Im vierten und längsten Kapitel des Buches wird insgesamt dafür argumen18tiert, dass es sich bei Designgegenständen um ästhetische Gegenstände einer besonderen Art handelt. Das Kapitel ist damit ein Beitrag zur Ästhetik des Designs. Es ist zugleich das programmatisch zentrale Kapitel des Buchs. Unter Ästhetik verstehe ich eine besondere Form des Bezugs auf Gegenstände, die sich so bestimmen lässt, dass sie sich auf die entsprechenden Gegenstände in ihrer Individualität bzw. Singularität bezieht. Zugleich begreife ich die Ästhetik aber als ein Projekt, das einen solchen Gegenstandsbezug nur sinnvoll begreifen kann, wenn es über die Spezifik solcher Gegenstände nachdenkt. Ich bin entsprechend der Auffassung, dass es keine allgemeine Explikation des Ästhetischen geben kann, die nicht zugleich eine Explikation besonderer Formen des Ästhetischen ist. Verstehen weite Teile der gegenwärtigen philosophischen Ästhetik das Ästhetische im Anschluss vor allem an Kant als Form, so möchte ich vorschlagen, es in Erweiterung der Einsichten Kants um diejenigen Hegels so zu verstehen, dass es selbst durch verschiedene und dabei irreduzible besondere Formen konstituiert ist. Diese fallen nicht einfach unter den Allgemeinbegriff des Ästhetischen, sondern liefern vielmehr einen je spezifischen Beitrag für eine angemessene Bestimmung desselben. Im Geiste Hegels gesprochen, sind sie jeweils konkrete Allgemeinheit.[13] Deshalb werde ich im vierten Kapitel so vorgehen, dass ich eine Ästhetik des Designs kontrastiv gegenüber einer Ästhetik der Kunst und einer Ästhetik der Natur entwickeln werde. Dabei werden sich grundsätzlich folgende Unterschiede ergeben: Während sich Kunst und Design von der Natur dadurch unterscheiden, dass es sich bei ihnen um Artefakte handelt, unterscheiden sich Design und Kunst dadurch, dass Design eine ästhetisch-praktische Form der Welterschließung ist, wohingegen Kunst eine ästhetische Praxis der Reflexion unserer selbst im Medium eigensinniger Formgebungen ist. Das sind jedoch keine Definitionen im herkömmlichen Sinne: Wenn es sich hier um Formunterschiede des Ästhetischen handelt, so geht es vielmehr um etwas, was sich immer schon in den besonderen Wendungen ausdrückt, die unser Urteilen, Wahrnehmen und Handeln mit Blick auf entsprechende Gegenstandsbereiche nehmen. Solche Formunterschiede möchte ich, wie festgehalten, aber gerade nicht formalistisch verstanden wissen. Entsprechende Wendungen kön19nen nicht ohne Rekurs auf eine Geschichte von Gegenständen, die in sie eingegangen sind und sie bestimmt haben, expliziert werden.

Zu den wiederum ästhetischen Dimensionen des Designs gehört auch die Art und Weise, wie es in die Welt kommt. Damit ist nicht die oftmals mechanische Herstellungsart gemeint, die für die Massenproduktion von Industriedesigngegenständen oder den Druck von Magazinen und Plakaten charakteristisch ist. Vielmehr ist der Prozess des Entwerfens gemeint. Das fünfte Kapitel gilt der Entwicklung von Grundzügen einer Handlungstheorie des Designs im Geiste der im vierten Kapitel skizzierten Ästhetik des Designs. Anders als Teile der gegenwärtigen Designforschung werde ich nicht die These vertreten, dass es sich bei Tätigkeiten des Entwerfens und Gestaltens um solche handelt, die sich radikal von sonstigen Handlungen unterscheiden. Vielmehr werde ich zu zeigen versuchen, dass es bei Prozessen des Entwerfens und Gestaltens – ebenso wie in anderer Weise auch bei Prozessen des Erschaffens von Kunstwerken – um Handlungen geht, in denen ein Moment dessen explizit zum Vorschein kommt, was es überhaupt heißt zu handeln. Der Gedanke lautet, dass in ästhetischen Praktiken deutlich wird, dass der Sinn von Handlungen nichts ist, was vor oder hinter dem, was die Akteure tun, liegen würde. Vielmehr zeigt sich das, was sie sind, in ihrem und durch ihren Vollzug. Zugleich werde ich geltend machen, dass der Sinn solcher Handlungen, und damit letztlich von Handlungen überhaupt, nicht in etwas besteht, was als vorgängig gegebene Regel in Form einer Determination des Ergebnisses besteht: Die Offenheit des Sinns von Handlungen tritt im ästhetischen Produzieren selbst ins Offene.

Neben den praktischen Funktionen haben nahezu alle Designgegenstände auch symbolische Funktionen. Das sechste Kapitel möchte Grundlagen für eine Symboltheorie des Designs legen. Symbolische Funktionen von Designgegenständen artikulieren sich in unserem Sprechen und Wahrnehmen von Designgegenständen nicht zuletzt derart, dass sie metaphorisch etwas ausdrücken können, was buchstäblich nicht auf ihre Materialien und Medien zutrifft. Denn häufig sind wir für ihre Beschreibung genötigt, Begriffe zu verwenden, die scheinbar gar nicht auf die Medien und Materialien zu passen scheinen, aus denen sie bestehen; wie Niklaus Troxlers Plakate mitunter klangliche und rhythmische Qualitäten auszudrücken in der Lage sind, so drücken einige Stühle von Marc 20Newson auch dann Bewegung aus, wenn sie sich nicht in einem faktischen Sinne bewegen. Das Kapitel ist insgesamt dem Versuch gewidmet, philosophische Grundlagen zur Erklärung entsprechender Symbolisationen bereitzustellen. Im zweiten Teil wird es dabei darum gehen, dass sich aus einer angemessenen symboltheoretischen Rekonstruktion von Designgegenständen zugleich die These der Entgrenztheit verschiedener Arten des Designs herleiten lässt: Die Grenzen von Plakaten und Textilien, von Gebrauchsgegenständen und Klängen sind nicht allein dadurch immer schon flüssig, dass Verfahrensweisen übertragen werden können, sondern dass auch Plakate wie Textilien metaphorisch klangliche, haptische usf. Eigenschaften ausdrücken können.

Wie bereits die symboltheoretische Analyse von Designgegenständen deutlich macht, existieren Designgegenstände ebensowenig schlicht als vorhandene physikalische Gegenstände wie als bloß menschliche Projektionen in eine nackte physikalische Welt. Aber dennoch existieren sie auf die eine oder andere Weise als Gegenstände. Wir können uns in unseren Aussagen ohne Probleme auf die typographisch-experimentellen Plakate von Neville Brody beziehen oder auf das Logo für Lufthansa von Otl Aicher. Das siebte Kapitel widmet sich entsprechend der Frage der Ontologie des Designs. Seine Frage lautet: Auf welche Weise existieren Designgegenstände? Es wird sich erweisen, dass die in der Ästhetik gebräuchlichen Unterscheidungen, etwa diejenigen zwischen konkreten und abstrakten Entitäten oder zwischen performativen und nicht-performativen Künsten, nur bedingt hilfreich sind, um Designgegenstände ontologisch zu verorten. Der leitende Gedanke des Kapitels lautet vielmehr, dass Designgegenstände eine ontologische Klasse sui generis darstellen. Um das verständlich zu machen, wird ein anderer Begriff abstrakter Entitäten als derjenige notwendig, der in den einschlägigen ästhetischen Debatten vorherrschend ist.

Gerade im Licht der jüngeren Debatten der philosophischen Ästhetik ist positiv erarbeitet worden, dass eine Auseinandersetzung mit ästhetischen Fragen in bestimmter Weise zugleich auf die ethische wie politische Dimension des Ästhetischen eingehen muss. Es ist ein verständlicher Gedanke, dass Kunstwerke aufgrund der Art und Weise, wie sie uns etwas und damit sich selbst präsentieren, nicht auf die außerästhetische Wirklichkeit verrechenbar sind. Kunst ist immanent politisch darin, dass sie sich als eigensin21nige Formgebung gerade jeder Politisierung widersetzt. Das ist im Design offensichtlich anders. Gerade aufgrund der Tatsache, dass Designgegenstände nicht eigensinnig sind, sondern vielmehr praktische Funktionen ästhetisch erarbeiten, hat die Frage der Kritik des Designs eine andere logische Struktur als die der Kunst. Ihr gilt das achte Kapitel. Ein Nachdenken über Design kann ethisch nicht neutral sein, da es eben Gegenstände thematisiert, die im Rahmen praktischer Zwecke Funktionen erfüllen. Die Legitimität der in Frage stehenden Zwecke affiziert unser Urteil über Designgegenstände in anderer Weise als das Kunstwerke aufgrund der Themen tun, die sie verhandeln. In diesem Sinne soll für die Notwendigkeit einer immer auch kritischen Thematisierung von Designgegenständen argumentiert werden: Man kann Waffen, Propagandaplakate und Zwangsjacken nicht ohne Blick auf eine Beurteilung ihrer Zwecke als Designgegenstände angemessen beurteilen. Mit einigen Bemerkungen zum derzeit vieldiskutierten Social Design werde ich als Abschluss des Kapitels wie des Buchs insgesamt fragen, inwieweit entsprechende Praktiken noch von der kritischen Analyse betroffen sind, die ich im achten Kapitel vorschlage.

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Im Rahmen der Konstellation dieser acht Grundbegriffe wird das vorliegende Buch eine philosophische Perspektive auf Designgegenstände entwickeln. Dass in den Kapiteln häufig auf weitergehende philosophische Diskussionen Bezug genommen wird, ist kein Unfall: Sie sind notwendig, um die mit den jeweiligen Grundbegriffen verbundenen Fragen angemessen in den Blick zu nehmen. In dieser Weise bietet das Buch für Designstudierende wie Designer*innen hoffentlich zugleich auch eine Einführung ins philosophische Denken generell sowie in die Überlegungen einiger bedeutender Philosophen und Philosophinnen. Es versucht eine Form der Thematisierung und behandelt Positionen, die bislang in der Designtheorie – wenn überhaupt – nur wenig Gehör gefunden haben.

22Kapitel 1

Begriff des Designs

Beginnen wir mit einer relativ willkürlichen Liste von Gegenständen: Frank Gehrys Wasserkocher Pito für Alessi, Gretl und Leo Wollners Gardine Sling für Knoll, die Type Univers von Adrian Frutiger, die Webgestaltungen von Hillman Curtis, die Piktogramme von Otl Aicher, das Mercedes-Benz-Logo von Kurt Weidemann und das SCNF-Jingle der französischen Bahn würden wir wahrscheinlich relativ unkontrovers als Designgegenstände klassifizieren. Leonardo da Vincis Mona Lisa, Johannes Brahms’ Deutsches Requiem, Marina Abramović’ Lips of Thomas und Francis Ford Coppolas Der Pate würden wir hingegen wahrscheinlich nicht dem Design, sondern vielmehr der Kunst zuschlagen. Mit Blick auf das Grabdenkmal Erzbischof Albrechts von Brandenburg im Mainzer Dom wären wir hingegen wohl zögerlich, es entweder der Kunst oder dem Design zuzuschlagen, ebenso mit Blick auf die historischen Stühle im Schloss Glücksburg. Vielleicht würden wir Ersteres eher der Kunst und Letztere eher dem Design zuschlagen, wenn das tatsächlich die einzigen Alternativen wären. Was aber macht die Gegenstände der ersten Liste mutmaßlich zu Gegenständen des Designs? Nicht allein erfüllen sie offensichtlich ganz verschiedene Funktionen. Vielmehr kann man ein Jingle anders als ein Logo nicht sehen und ein Logo wiederum anders als einen Wasserkocher normalerweise nicht in die Hand nehmen. Wo sollten wir aber dann die Gemeinsamkeiten zwischen all diesen Designgegenständen suchen? Und ist ein solches Unterfangen überhaupt sinnvoll? Der Verweis darauf, dass Designgegenstände von Designer*innen entworfen werden, hilft hier offensichtlich nicht weiter: Er ist zirkulär. Wir müssen schon wissen, was Design ist, um Personen entsprechend auszuzeichnen. Die hier aufgeworfenen Fragen betreffen die Frage nach einem angemessenen Begriff des Designs. Genauer betreffen sie die Frage nach der logischen Grammatik des Designbegriffs.

Das vorliegende erste Kapitel verfolgt mit Blick auf diese Frage zwei Ziele: Im ersten Schritt werde ich in kritischer Auseinandersetzung mit einigen jüngeren Beiträgen der Designtheorie zeigen, 23dass wir die Frage nach dem Begriff des Designs nicht unter Verweis auf die Unterschiedlichkeit und Wandelbarkeit dessen, was Design ist, beiseiteschieben können. Diejenigen, die das versuchen, verpflichten sich nämlich auf ein problematisches Verständnis davon, was Begriffe überhaupt sind. Im zweiten Schritt werde ich im Rahmen einer immanenten Kritik am herkömmlichen Verständnis der Definition von Begriffen alternative Verständnisse skizzieren. Dabei werde ich geltend machen, dass nur eine solche Rekonstruktion der Logik des Begrifflichen überzeugend ausfallen kann, die der historischen Bewegtheit wie Beweglichkeit dessen, was Design ist, angemessen Rechnung tragen kann. Diese allerdings wird erst das Thema des folgenden zweiten Kapitels sein. Es wird mir also in diesem ersten Kapitel nicht darum gehen, so etwas wie eine Definition des Designs zu entwickeln. Vielmehr werde ich metatheoretisch der Frage nachgehen, was wir plausiblerweise überhaupt unter dem Projekt verstehen sollten, einen Begriff des Designs zu erörtern. Spätere Kapitel werden dann Bausteine einer inhaltlichen Antwort auf die Frage, was Design ist, geben. Dazu wird unter anderem gehören, dass Designgegenstände sich dadurch auszeichnen, dass sie Funktionen in unserer Praxis erfüllen. Dazu wird weiter gehören, dass für Designgegenstände, anders als für Kunstwerke und Gegenstände des Handwerks, eine Form von Arbeitsteilung zwischen Entwurf und Herstellung charakteristisch ist. Und dazu wird auch gehören, dass Designgegenstände, anders als Kunstwerke im Lichte der Zwecke, zu denen sie da sind einer ethischen Kritik unterzogen werden können. Die Lektion dieses und des nächsten Kapitels, die also zusammengelesen werden müssen, lautet gleichwohl: Bei diesen Aspekten handelt es sich nicht um Bausteine einer herkömmlichen Definition des Begriffs. Sie werden sich vielmehr als in ihrem Sinn offene Momente dessen erweisen, was Design ist.

1.1 Die Unhintergehbarkeit von Begriffen

Spricht nicht die einleitend ausgewiesene Unterschiedlichkeit dessen, was wir alles Design nennen, dafür, dass wir gegenüber dem Versuch skeptisch eingestellt sein sollten, einen Begriff des Designs oder einer Theorie des Designs im Sinne einer systematischen Explikation zusammenhängender Grundbegriffe zu formulieren? Die24ser Einwand lässt sich noch verschärfen, wenn man festhält, dass Designgegenstände offensichtlich nicht allein sehr unterschiedlich sind, sondern dass Design sich fortwährend im Wandel befindet.[1] Man kann hier etwa an die weitreichenden Auswirkungen denken, die die digitale Revolution in nahezu allen Bereichen des Designs zeitigt. In der deutschen Designtheorie ist die Auffassung verbreitet, dass aus der Unterschiedlichkeit wie Wandelbarkeit des Designs folgt, dass es keine systematische Theorie des Designs geben kann. So schreibt Michael Erlhoff in seiner Theorie des Designs: »Für eine Theorie des Designs […] bedeutet dies, solche Unübersichtlichkeit als Qualität zu begreifen und diese und somit Design als nicht fassbares Element vorzustellen. Was notwendig zu Widersprüchen, zu Ungefährem, Unschärfe und potenziellen Verwirrungen führen kann, im geglückten Fall aber zu Offenheit und Elastizität des Designs.«[2] Allerdings kann Erlhoff, wenn er das, was er hier sagt, zu Ende denkt, gar nicht länger eine Theorie des Designs formulieren. Denn dazu müsste man vorher schon eine begriffliche Explikation dessen formuliert haben, was hier genau unübersichtlich ist. Offensichtlich ist ziemlich viel auf dieser Welt recht unübersichtlich und es kann sogar fast alles unter bestimmten Beschreibungen ziemlich unübersichtlich werden. Gänzlich wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet, wenn Erlhoff Design dabei als »nicht fassbares Element« bestimmt.[3] Denn warum sollte man ein solches nicht fassbares Element überhaupt noch »Design« nennen? Warum nicht einfach »X«? Was Erlhoff verschweigt, ist, dass Design als solches zu kennzeichnen immer schon heißt, es von Gegenständen zu unterscheiden, die nicht Design sind; sinnkritisch setzt die Benennung von etwas als etwas voraus, dass es sich von anderem unterscheidet. Mithin kann Erlhoffs weitergehende Aussage, dass wir »inzwischen mühsam gelernt [hätten] wahrzunehmen, dass alles um uns herum gestaltet ist, also Design ist«, nicht wahr sein:[4] Wäre alles Design, wäre nichts mehr Design. Auch dann, wenn die meisten Umgebungen, in denen sich Menschen heute zumindest in der okziden25talen Welt bewegen, immer auch menschengemacht sind, sollten wir somit keineswegs sagen, es handele sich hier bei allem um Design.[5] Eine entsprechende Inklusion entleert den Designbegriff.[6] Wenn Erlhoff seine These demgegenüber so verstanden wissen wollte, dass sich im Design etwas Ästhetisches zeigt, das niemals ganz auf unsere Auseinandersetzungen mit ihm verrechenbar ist, dann wäre sie weniger abwegig. Denn Ästhetisch-sein heißt, dass uns etwas Sinnvolles entgegenkommt, das gleichwohl von einem immanent gegenwendigen Moment gegenüber dem außerästhetischen Sinn gekennzeichnet ist. Aber das scheint nicht sein Punkt zu sein. Es reicht daher nicht, affirmativ die These zu unterschreiben, dass »[s]o richtig [niemand wisse], was Design ist«. Denn damit wird ein Zustand bezeichnet, der einen epistemischen Mangel darstellt und den es entsprechend zu überwinden gilt.[7]

26Von ähnlichen Problemen ist in den theoretischen Grundlagen Claudia Mareis’ Buch Theorien des Designs zur Einführung betroffen. Eher beiläufig bemerkt sie zu dessen Titel: »Bewusst wurde beim Titel dieses Bandes der Plural Theorien des Designs gewählt, um zu verdeutlichen, dass der geläufige Ausdruck ›Designtheorie‹ kein abgeschlossenes, in sich konsistentes Theoriegebilde bezeichnet. Vielmehr geht es um eine Bündelung verschiedener theoretischer, analytischer und systematischer (auch irrationaler, unsystematischer) Sichtweisen auf Designartefakte, -prozesse und -praktiken.«[8] Als Zustandsbeschreibung der Designtheorie scheint mir diese Bemerkung unkontrovers. Sie fährt dann aber fort: »[Entsprechende Sichtweisen müssen] stets als historische Gegenstände behandelt werden […]. Anders formuliert, kann keine Theorie, kein Modell, keine Analyse der kulturellen, sozio-materiellen Produktion für sich beanspruchen, allgemeingültig oder zeitlos zu sein. Theorien können nur punktuell, an bestimmten Orten und Zeiten, vor allem aber jeweils nur für bestimmte Personen oder soziale Gruppen Gültigkeit beanspruchen.«[9] Bei dieser Aussage handelt es sich um einen lupenreinen performativen Selbstwiderspruch. Denn Mareis wird doch wohl für ihre Aussage selbst durchaus beanspruchen, dass sie wahr ist und nicht wiederum nur punktuelle Gültigkeit hat. Kurz gesagt: Ihre Theorie der Theorie ist selbstwidersprüchlich. Dieses Problem tritt deshalb auf, weil die Aussagen der Theorie auch ihre eigenen theoretischen Überlegungen unterwandern. Zu sagen, dass für jede Theorie das gilt, was sie hier behauptet, heißt also, dass es auch für ihre Theorie gilt. Die entsprechende Aussage kann deshalb nicht länger beanspruchen, wahr zu sein. Man kann nicht beides haben: Entweder man lässt sich mit seinen theoretischen Überlegungen auf das gemeinsame Spiel des Gebens und Einforderns von Gründen und damit auch auf Fragen des normativen Anspruchs von Theorien ein. Oder man macht etwas anderes als Theorie, das dann aber keine normative Geltung mehr haben kann. Natürlich könnte man Mareis’ Charakterisierung auch anders verstehen: Als Ausdruck des Gedankens, dass Design ein so komplexer, komplizierter und schwieriger Gegenstand sei, dass er zwischen allen Stühlen landet, so dass er gar nicht im Rahmen einer 27Theorie erfasst werden kann. Neben den bereits gegen die Aussage Erlhoffs vorgebrachten Einwänden würde eine solche Aussage aber nicht allein eine falsche Nobilitierung und damit theoretische Verzerrung der Praxis von Designern und Designerinnen sein. Vielmehr wäre sie wohl auch einfach Ausdruck der Tatsache, dass man noch nicht genug, ausdauernd und gründlich darüber nachgedacht hat, was Design ist. Man sollte daher keine Angst vor der Wahrheit haben;[10] man sollte theoretische Überlegungen zum Design vielmehr so verstehen, dass sie durchaus beanspruchen, Zutreffendes über Design zu sagen. Wie ich noch geltend machen werde, sollte man das freilich nicht so verstehen, dass man sich damit schon auf den Gedanken einer einzigen und letzten inhaltlich bestimmten Theorie des Designs festlegt. Hier ist Erlhoffs Redeweise von einer Offenheit der Theorie ebenso im Recht, wie es weiterführend ist, dass Mareis darauf pocht, dass Theorien immer auch einen historischen Charakter haben. Aber die Offenheit und der historische Charakter der Theorie des Designs müssen selbst wiederum theoretisch angemessen eingeholt werden, was beiden Autoren meines Erachtens nicht gelingt.

Michael Erlhoff wie Claudia Mareis verpflichten sich darüber hinaus meines Erachtens auf den Gedanken, dass begriffliche Artikulationen insgesamt externe Kategorisierungen von Gegenständen sind und dass sich die Gegenstände, die sie thematisieren, in bestimmter Weise systematisch der theoretischen Artikulation entziehen. Ein solches Verständnis begrifflicher Artikulation ist spätestens seit dem linguistic turn fragwürdig geworden, im Rahmen dessen die Einsicht formuliert worden ist, dass unsere begrifflichen Fähigkeiten an der Basis unseres Denkens und Wahrnehmens angesetzt werden müssen.[11] Anders gesagt: Das Verfügen über Begriffe 28bezeichnet einen wesentlichen Aspekt der Form des menschlichen Selbst- und Weltbezugs. Ex negativo lässt sich dieser Gedanke im Rahmen einer Kritik an einem Modell begrifflicher Artikulation ausweisen, das Begriffe und damit Sprache instrumentalistisch wie repräsentationalistisch deutet – ein Modell, das meines Erachtens genealogisch im Hintergrund der Art von Beiträgen steht, die ich just diskutiert habe. Paradigmatisch lässt sich dieses Modell wiederum anhand von John Lockes Auffassung der Funktionsweise von Sprache diskutieren. Im dritten Buch seines Versuchs über den menschlichen Verstand schreibt er: »Der Wert der Wörter besteht […] darin, dass sie sinnliche Kennzeichen von Ideen sind, und die Ideen, denen sie entsprechen, sind ihre eigentliche und unmittelbare Bedeutung.«[12] Gemäß dieser Überlegung sind Worte, d. h. hier Begriffe, Hilfsmittel zur Mitteilung von Gedanken. Das aber setzt voraus, dass man Gedanken auch logisch unabhängig vom Verfügen über Begriffe haben kann. Sprache als System äußerer Zeichen wäre damit zugleich ein System äußerlicher Zeichen: Ein Gedanke ist so, wie er ist, und zwar ganz gleich, ob man ihn sprachlich ausdrücken kann. Ihn sprachlich ausdrücken zu können mag in vielen Hinsichten hilfreich sein, wenn wir unser Verhalten etwa mit demjenigen Verhalten anderer Menschen koordinieren wollen. Ihn ausdrücken zu können geht aber in Lockes Modell nicht in die Bestimmung dessen ein, was Gedanken überhaupt sind. Instrumentalistisch ist diese Auffassung von Begriffen, weil Begriffe hier als Mittel zum Ausdrücken von Gedanken verstanden werden. Repräsentationalistisch ist sie, weil Begriffe äußerliche Repräsentationen von Gedanken sind, ohne den Gehalt dieser Gedanken mitzubestimmen.

Dass ein solcher Begriff des Begriffs zum Scheitern verurteilt ist, lässt sich leicht einsehen. Erstens führt Lockes Auffassung der Sprache zu einem umfassenden Skeptizismus hinsichtlich der Bedeutung sprachlicher Ausdrücke. Auch dann, wenn ich mich mit anderen problemlos verstehe, könnte es Lockes Auffassung nach so sein, dass wir eigentlich die ganze Zeit aneinander vorbeireden. Das könnte wohlgemerkt geschehen, ohne dass wir das letztlich mit Si29cherheit feststellen können oder auch nur bemerken. Lockes Modell führt notwendig zu dieser Konsequenz, weil es letztlich keine Möglichkeiten hat, einen Maßstab der Assoziation von Begriffen und Gedanken zu artikulieren. An diesem Bild ist problematisch, dass wir auch dann, wenn wir natürlich mitunter missverstehen, was andere meinen, wir dennoch keinen Grund haben sollten, Situationen gelingender Verständigung durch Verweise auf ein dahinterliegendes und tiefergehendes Missverstehen zu diskreditieren.[13] Zweitens muss man Lockes Gedanke, dass die Struktur von Gedanken unabhängig von der Struktur unserer Sprache zu erläutern ist, kritisch entgegenhalten, dass das Haben von Gedanken sinnkritisch das Verfügen über Begriffe voraussetzt. Denn nur sprachfähige Wesen können Gedanken haben.[14] Dass man den Gedanken hat, dass es gerade zwölf Uhr mittags ist, setzt voraus, dass man über den Begriff der Uhrzeit, der Zahl und sogar der Zeit verfügt. Man muss bereits über ein Ensemble inferentiell zusammenhängender Begriffe verfügen. Die Form meines Denkens ist bei dem Gedanken, dass es gerade zwölf Uhr mittags ist, sogar die Form der Sprache selbst. Es ist nicht so, dass im Denken und Sprechen zwei einander fremde Ordnungen aufeinanderprallen. Vielmehr handelt es sich hier um die äußere und die innere Seite einer Ordnung. Drittens schließlich kommt in Lockes Modell die soziale Dimension der Sprache zu spät. Denn sie kommt in Wahrheit nicht erst in dem Moment ins Spiel, wo ich mich anderen mitteile. Vielmehr kann ich ein Denkender und auch Handelnder nur dadurch sein, dass ich in eine Praxis gemeinsamen Sprechens einsozialisiert bin. Sprechende und Denkende können wir nur sein, indem wir Teil einer historisch-kulturellen Sprachgemeinschaft sind. Im Geiste Wittgensteins muss man festhalten, dass kriterial für die Frage 30nach Verstehen oder Missverstehen nicht eine vertikale Beziehung zwischen sprachfreien Gedanken und äußerlichen Verpackungen dieser Gedanken in Worte ist, sondern vielmehr eine horizontale Praxis des gemeinsamen Sprechens.[15]

Aus dieser Kritik lässt sich die Lektion ziehen, dass Begriffe keine bloßen Hilfsmittel für ein angemessenes Verständnis von Gegenständen sind. Vielmehr sind sie die Form, in welcher Gegenstände für uns überhaupt nur Gegenstände im Sinne von etwas als etwas sein können. Selbst noch hinsichtlich von Formen bildlichen oder musikalischen Verstehens ist es so, dass diese nicht verständlich ohne Rückgriff auf begriffliche Fähigkeiten sprachfähiger Wesen zu erläutern sind, obwohl sie selbst natürlich nicht sprachlicher Natur sind. Das heißt zugleich, dass die Klärung des Begriffs des Designs keine gegenüber der Sachfrage äußerliche Angelegenheit ist. Es kann also nicht darum gehen, Begriffe als solche gewissermaßen von außen kritisch zu hinterfragen. Es muss vielmehr darum gehen, den Versuch zu unternehmen, einen angemessenen Begriff des Designs zu formulieren, der sich Herausforderungen wie der Unterschiedlichkeit wie Wandelbarkeit dessen, was Design ist, zu stellen erlaubt.

1.2 Logiken des Begrifflichen

Mit der bisherigen Analyse ist inhaltlich natürlich noch nicht viel erreicht. Wir wissen jetzt zwar Folgendes: Wir sollten skeptisch sein gegenüber der Zurückhaltung, Design begrifflich erfassen zu wollen. Unterschiedlichkeit wie Wandelbarkeit des Designs müssen als Momente einer angemessenen Explikation des Begriffs des Designs verstanden werden. Aber damit ist die Frage natürlich noch nicht beantwortet, wie genau das vonstattengehen soll. Wie ich jetzt zeigen möchte, betrifft das Problem nicht das Projekt der Explikation des Begriffs des Designs per se, sondern vielmehr ein bestimmtes Verständnis dieses Projekts. Genauer betrifft es ein durchaus herkömmliches Verständnis dieses Projekts und zwar die Auffassung, 31dass ein angemessener Begriff des Designs die Form einer klassischen Definition annehmen sollte.

Auf die Frage, was etwas sei, mit einer Definition zu antworten, scheint so selbstverständlich, dass auch den meisten Designtheoretikern und Designtheoretikerinnen keine andere Option in den Sinn kommt. Noch Erlhoffs Gedanke, dass Design undefinierbar sei, ist dialektisch just auf ein solches Verständnis bezogen. Beat Schneider schlägt in seinem Buch Design – Eine Einführung etwa folgende Definition vor: »Design ist die planvoll-kreative Visualisierung der Handlungsprozesse und Botschaften von verschiedenen gesellschaftlichen AkteurInnen und die planvoll-kreative Visualisierung der verschiedenen Funktionen von Gebrauchsgegenständen und ihre Ausrichtung auf die Bedürfnisse der BenutzerInnen oder auf die Wirkung bei den RezipientInnen.«[16] Auch wenn man sagen muss, dass Schneider diese Definition dezidiert als »Versuch« versteht und im Abschnitt vorher festhält, dass Design eigentlich gar nicht definiert werden kann: Ihre Legitimität steht und fällt damit, dass man sie konsequent zu Ende denkt. Schneider formuliert diese Definition als »Fazit« aus drei Thesen, die er vorher formuliert: Erstens, dass alle Menschen Designer*innen seien, zweitens, dass Design Objekte formt, und drittens, dass Design Botschaften formt. Alle drei Festlegungen sind natürlich ziemlich kontrovers. Die erste These ist deshalb problematisch, weil der Designbegriff hier wieder völlig entgrenzt wird. Wenn ich meine Wohnung mehr oder weniger geschmackvoll einrichte, bin ich noch lange nicht David Chipperfield. Und wenn ich einen Stuhl aus Brennholz zusammenklebe, bin ich noch lange nicht Marc Newson. Dass wir in der einen oder anderen Weise unsere alltägliche Umgebung modifizieren und durch unseren Kleidungsstil usf. immer auch ästhetische Präferenzen ausdrücken, macht uns noch nicht zu Designer*innen.[17] Zur zweiten These ist festzuhalten, dass sie nur dann verständlich ist, wenn der Begriff des »Objekts« hier letztlich im Sinne eines Begriffs des logischen Gegenstandes von 32sprachlichen Bezugnahmen verwendet wird.[18] Denn schließlich gehören auch Benutzeroberflächen von Betriebssystemen in den Bereich des Designs, und dennoch handelt es sich hier natürlich nicht um Objekte im Sinne materieller Dinge. Mit Blick auf die dritte These ist schließlich eine ganz schlichte Rückfrage zu stellen: Welche Botschaft geht etwa von Gillis Lundgrens Billy Regal oder von einer Küche von Bulthaup aus? Mit Schneider bin ich zwar der Auffassung, dass auch Regale und Küchen etwas ausdrücken können.[19] Aber diese These ist natürlich selbst erläuterungsbedürftig. Schon hinsichtlich der drei Thesen zeigt sich ein Problem, das dann auch für die vorgeschlagene Definition gilt: Sie sind schlichtweg unklar. Ebenso unklar ist, wie Beat Schneider von diesen drei Thesen überhaupt zu der Definition gelangt. Denn es handelt sich hier offensichtlich nicht um Prämissen, aus denen formal gültig eine Konklusion gezogen wird. Nicht zuletzt ist die logische Struktur der Definition selbst ebenfalls unklar. Sind die »und«, die die logischen Teile des Satzes trennen, so zu verstehen, dass hier jeweils Bedingungen angegeben werden, die erfüllt sein müssen, damit wir es mit einem Designgegenstand zu tun haben? Muss sowohl erfüllt sein, dass etwas eine »planvoll-kreative Visualisierung der Handlungsprozesse und Botschaften von verschiedenen gesellschaftlichen AkteurInnen« ist, als auch erfüllt sein, dass es »die planvoll-kreative Visualisierung der verschiedenen Funktionen von Gebrauchsgegenständen« ist, als auch erfüllt sein, dass diese Funktionen »auf die Bedürfnisse der BenutzerInnen oder auf die Wirkung bei den RezipientInnen« ausgerichtet sind, um Design zu sein, oder ist bereits eine der genannten Bedingungen hinreichend? Mit Blick auf den letzten Teil des Satzes ist wiederum unklar, ob es sich hier um ein inklusives »oder« oder ein exklusives »oder« handelt, also um ein »Entweder-oder« oder um ein »Sowohl-als-auch«. Diese Fragen sind keine Spitzfindigkeiten. Vielmehr betreffen sie die Verständlichkeit des entsprechenden Definitionsvorschlags. Er scheint mir schon aus einem schlichten Grund letztlich nicht überzeugend zu sein. Es tauchen hier Begriffe auf, deren Bedeutung nicht al33lein weitestgehend unklar bleibt, sondern von denen einige meines Erachtens auch verhindern, dass es sich hier um eine Definition im strengen Sinne handeln kann. Klagt nicht etwa gerade die jüngere Designforschung ein, dass hier nicht alles planvoll zugehe?[20]