Deutsch-kroatische Sprachkontakte - Aneta Stojic - E-Book

Deutsch-kroatische Sprachkontakte E-Book

Aneta Stojic

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Beschreibung

Kroatien war über mehrere Jahrhunderte politisch und kulturell mit dem Habsburgerreich verbunden, was Spuren in allen Bereichen – vor allem in der Sprache – hinterlassen hat. Dieses Buch behandelt die vielfältigen und meistens asymmetrischen Kontakte zwischen dem Deutschen und Kroatischen. Frühere Forschungsergebnisse werden ausführlich besprochen und in die Analyse integriert. Diese beruht auf terminologischen und methodologischen Überlegungen sowie einer Datenauswertung, die sowohl bestehende Quellen als auch umfassende Befragungen von Informanten in ganz Kroatien einbezieht. Das methodische Vorgehen bezieht sich auf Einsichten über Sprachentlehnungen in der kroatischen, deutschen und den anderen zentraleuropäischen Sprachen. Dabei wird auch die Frage des Deutschen als Gebersprache oder Mittlersprache diskutiert. Die Datierung der älteren Entlehnungen wird mit sprachlichen Forschungs- und Wörterbuchdaten ausführlich belegt und in Bezug zur relativen Chronologie der Sprachwandelprozesse in den beiden Sprachen ausgewertet.

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Aneta Stojić / Marija Turk

Deutsch-Kroatische Sprachkontakte

Historische Entwicklung und aktuelle Perspektiven auf lexikalischer Ebene

A. Francke Verlag Tübingen

 

 

© 2016 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen www.francke.de • [email protected]

 

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

E-Book-Produktion: pagina GmbH, Tübingen

Inhalt

AbkürzungsverzeichnisSprachenDiasystematische AngabenQuellen1 Einleitung1.1 Bisherige Forschungen zu den deutsch-kroatischen Sprachkontakten1.2 Ziel und Aufbau2 Terminologische Vorüberlegungen2.1 Sprachkontaktforschung2.2 Lehnwortforschung2.3 Resultate lexikalischer Entlehnung2.4 Begriffsbestimmung3 Historische Grundlagen3.1 Sprachliche und kulturell-geschichtliche Aspekte3.2 Germanisch-slawische Kontakte3.3 Entlehnungen aus der althochdeutschen Periode3.3.1 Das Königreich Kroatien3.3.2 Personalunion3.4 Entlehnungen in der mittelhochdeutschen Periode3.4.1 Kolonisierung und Migration3.5 Entlehnungen in der frühneuhochdeutschen Periode3.5.1 Zeit der osmanischen Expansion3.5.2 Fortführung der Personalunion und die Militärgrenze3.6 Entlehnung in der neuhochdeutschen Periode3.6.1 Neue Kolonisierungen3.6.2 Zeit der Aufklärung und des aufgeklärten Absolutismus3.6.3 Slawonien3.6.4 Istrien, das kroatische Küstenland und Dalmatien3.6.5 Zeit der Illyrischen Bewegung3.6.6 Bachs Absolutismus3.6.7 Zeit zwischen 1860 bis 19143.6.8 Kroatien nach der österreichisch-ungarischen Herrschaft4 Deutsche Lehnwörter im Kroatischen4.1 Identifikation deutscher Lehnwörter4.2 Status deutscher Entlehnungen im Kroatischen4.2.1 Internationalismen4.2.2 Assimilierte Lehnwörter4.2.3 Substandardsprachliche deutsche Entlehnungen4.2.4 Überregionale Entlehnungen5 Adaption deutscher Entlehnungen5.1 Phonologische Adaption5.1.1 Das phonologische Inventar des Standarddeutschen5.1.2 Das Inventar der kroatischen Standardsprache5.1.3 Erwartete Interferenzen5.1.4 Phonemdistribution5.1.5 Prosodische Anpassung5.2 Graphisch-orthographische Adaption5.2.1 Vokale5.2.2 Konsonanten5.3 Morphologische Adaption5.3.1 Substantiv5.3.2 Verben5.3.3 Adjektive5.3.4 Unveränderliche Wortarten5.4 Semantische Adaption5.4.1 Semantische Nullextension5.4.2 Bedeutungsverengung5.4.3 Bedeutungserweiterung5.5 Schichtung deutscher Lehnwörter5.6 Deutsche Lehnwörter und ihre kroatischen Entsprechungen5.6.1 Deutsche Entlehnung in kroatischen einsprachigen Wörterbüchern5.6.2 Nicht ersetzbare deutsche Entlehnungen5.6.3 Ersetzbare deutsche Entlehnungen5.7 Zusammenfassung6 Deutsche Lehnprägungen im Kroatischen6.1 Identifikation von Lehnprägungen6.2 Diagnosekriterien zur Identifikation von Lehnprägungen6.2.1 Formales Kriterium (Wortbildung)6.2.2 Wortinhärentes Kriterium (Semantik)6.2.3 Entlehnung und Lehnprägung als koexistierende Varianten6.2.4 Fremdsprachige Elemente in der Lehnprägung6.2.5 Gleiche Lehnprägungen in mehreren Sprachen6.2.6 Kulturgeschichtliche und zivilisatorische Gründe6.3 Deutsch als Geber- und Mittlersprache bei der Lehnprägung6.4 Gliederung der Lehnprägungen nach Art6.4.1 Lehnübersetzungen6.4.2 Lehnübertragungen6.4.3 Teillehnübertragungen6.4.4 Lehnschöpfungen6.4.5. Lehnwendungen6.4.6 Lehnbedeutungen6.5 Wortbildende Besonderheiten der Lehnprägungen6.5.1 Substantive6.5.2 Adjektive6.5.3 Nicht-wortbildende Übertragungen6.5.4 Verben6.5.5 Adverbien6.6 Semantische Extension der Lehnprägungen6.6.1 Verhältnis zwischen fremdsprachigem Vorbild und Lehnprägung6.6.2 Natives Wort und Lehnprägung – semantische Entlehnung6.7 Zusammenfassung7 Schlusswort8 Quellenverzeichnis8.1 Literatur8.2 Wörterbücher (Print und online) und Enzyklopädien

Abkürzungsverzeichnis

Sprachen

afrz.

altfranzösisch

ahd.

althochdeutsch

akro.

altkroatisch

altlat.

altlateinisch

altslaw.

altslawisch

arab.

arabisch

bair.

bai(e)risch

dtsch.

deutsch

Exot.

Exotismus

engl.

englisch

frühnhd.

frühneuhochdeutsch

frz.

französisch

germ.

germanisch

griech.

griechisch

ital.

italienisch

klat.

klassischlateinisch

kro.

kroatisch

mal.

malaiisch

mhd.

mittelhochdeutsch

mlat.

mittellateinisch

ndrl.

niederländisch

nhd.

neuhochdeutsch

österr.

österreichisch

pers.

persisch

rum.

rumänisch

schwb.

schwäbisch

schweiz.

schweizerisch

südd.

süddeutsch

skrt.

sanskrit

slaw.

slawisch

slow.

slowenisch

span.

spanisch

tschech.

tschechisch

ung.

ungarisch

vlat.

vulgärlateinisch

Diasystematische Angaben

abw.

abwertend

Adj.

Adjektiv

Adv.

Adverb

Abl.

Ableitung

arch.

archaisch

dial.

dialektal

f

Femininum

Int.

Interjektion

n

Neutrum

N

Nomen

m

Maskulinum

met.

metaphorisch

Num.

Numerale

Part.

Partikel

Pl.

Plural

Präp.

Präposition

Sg.

Singular

ugs.

umgangssprachlich

V

Verb

Quellen

1Einleitung

Begegnung und Austausch weltweit bringen unterschiedliche Kulturen und somit auch Sprachen in Kontakt. Kaum eine Sprache der Welt konnte dem Einfluss anderer Sprachen entgehen. Kulturkontakte gab es in der Menschheitsgeschichte immer und überall, sei es direkt oder indirekt, langjährig, also intensiv, oder auch nur kurz oder sporadisch. Dauern Kontakte lange, kommt es unweigerlich zur Übernahme von Sprach- und Kulturgut aus den Sprachen, die gemeinsam in Kontakt stehen. Nach Bloomfield (1969: 445; 2001: 531) lernt jede Sprachgemeinschaft von ihren Nachbarn durch den Austausch von Naturgegenständen und künstlich hergestellten Gegenständen, der Übernahme von Aktivitäten wie handwerklichen Techniken, Kriegspraktiken, religiösen Ritualen oder individuellen Moden. Diese kulturelle Diffusion hat auch eine sprachliche Expansion zur Folge. Zusammen mit Gegenständen oder Praktiken werden oft die sprachlichen Formen, die sie benennen, von Volk zu Volk weitergegeben. Einzelne Sprachen hatten in bestimmten geschichtlichen Epochen und in bestimmten Gebieten eine dominante Position in der internationalen Kommunikation. Das Deutsche übte im Laufe der Geschichte im europäischen, insbesondere mittel- und südosteuropäischen Raum über einen sehr langen Zeitraum eine wichtige Rolle auf verschiedenen Niveaus aus. Aufgrund der politischen Situation war es außerdem die Amtssprache in vielen Ländern Mittel- und Südosteuropas (Ivanetić/Stojić, 2009: 99f). Die Spuren sind heute noch in den Sprachen dieser Länder zu sehen, machen sich aber auch in den Nationalkulturen Mittel- und Südosteuropas bemerkbar (Stojić, 2013: 284).

Auch die kroatische Sprache ist durch gesellschaftliche und geopolitische Umstände im Laufe ihrer gesamten Geschichte mit europäischen Sprachen, insbesondere aber der deutschen Sprache, in direkten und indirekten Kontakt gekommen. Kroatien war über mehrere Jahrhunderte politisch und kulturell mit dem Habsburgerreich verbunden, was Spuren in allen Bereichen – vor allem aber in der Sprache – hinterlassen hat. Dies kann sich auf eine Richtung beschränken, kann aber auch wechselseitig sein. Der Einfluss der deutschen Kultur und Sprache auf die kroatische lässt sich auf allen Ebenen der Sprache feststellen: auf der morphologischen, semantischen, lexikalischen und stilistischen, wobei die lexikalische Ebene am meisten von diesem Einfluss betroffen ist. Die Lexik stellt nämlich im Unterschied zur Grammatik den offensten und dynamischsten Teil der Sprache dar und unterliegt somit ständigen Veränderungen, so auch der Übernahme fremden Wortgutes. Die Resultate können dabei evident in Form von Lehnwörtern oder latent in Form von Lehnprägungen sein. Bei beiden spielte die deutsche Sprache eine zweifache Rolle: Sie diente als Gebersprache, war aber auch Mittler bei Entlehnungen aus klassischen und anderen europäischen Sprachen. So kommt es zur direkten und indirekten Entlehnung (Filipović, 1986: 50f). Bisher wurden diese Resultate in unterschiedlichen Untersuchungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet. Alle diese Beiträge leisten einen wertvollen Beitrag zur Darstellung und Analyse der deutsch-kroatischen Sprachkontakte. Insbesondere auch deshalb, weil sie unter anderem deutsche Lehnwörter im Kroatischen anführen und auf diese Weise einen Einblick in ihre Schichtung geben.

1.1Bisherige Forschungen zu den deutsch-kroatischen Sprachkontakten

Es gibt mehrere große Untersuchungen zu den deutschen Lehnwörtern im Kroatischen. Zu den ersten umfangreicheren Arbeiten zählt das Werk Nemački uticaji u našem jeziku (Der deutsche Einfluss in unserer Sprache, 1937) von Miloš Trivunac, in dem es vorwiegend um deutsche Lehnwörter geht, aber auch die Lehnprägungen angesprochen werden. In dem Werk werden Wörter deutscher Provenienz im Kroatischen angeführt, die nach Sachgruppen1 geordnet sind. Dabei macht der Autor keine Unterscheidung zwischen direkten und indirekten Entlehnungen, d.h. die Wörter, die direkt aus dem Deutschen ins Kroatische übernommen wurden und Wörter, die über die deutsche Sprache ins Kroatische kamen, sind gemeinsam aufgelistet. Dabei versucht Trivunac, sich an standardsprachliche Kriterien zu halten und hebt typographisch standardsprachliche Ausdrücke von substandardsprachlichen ab. In seinem Verfahren folgt er jedoch ausschließlich seinem eigenen Sprachgefühl, so dass diese Klassifizierung nicht vollkommen geglückt ist (Turk, 1994: 184).2 Zwei Jahrzehnte darauf erscheinen die Ergebnisse der Untersuchung der deutschen Sprachwissenschaftlerin Hildegard Strieder-Temps, die deutsche Lehnwörter auf dem Gebiet des damaligen Jugoslawien untersuchte. Striedter-Temps führt in ihrem Werk Deutsche Lehnwörter im Serbokroatischen (1958) ca. 2000 deutsche Lehnwörter mit ihrem sprachlichen Status an und gibt eine ausführliche Darstellung der Laute, einen geschichtlichen Überblick mit Informationen über den Zeitpunkt der Entlehnung sowie eine Klassifikation der deutschen Lehnwörter nach ihrer Herkunft. Dabei erklärt sie nicht, welche Entlehnungen sie als Germanismen betrachtet, vermerkt jedoch, dass sie Wörter wie arhitekt, auditor, internist u.a. nicht in ihrer Arbeit aufführt, weil sie sie als Europäismen betrachtet. Deutsche Wörter, die aus dem Ungarischen entlehnt wurden, schließt sie aus ihrer Arbeit ebenfalls aus. Zwei Jahre später (1960) führt Edmund Schneeweis in seinem Werk Die deutschen Lehnwörter im Serbokroatischen in kulturgeschichtlicher Sicht fast 3000 Wörter auf, darunter längst ausgestorbene, allslawische und Lehnwörter aus dem aktiven Wortschatz, die er in Sachgruppen einteilt. Dabei versucht er präzise etymologische Angaben zu jedem Wort zu machen, weist auch manchmal auf standardsprachliche Besonderheiten eines Wortes hin. An manchen Stellen, besonders in Bezug auf die militärischen Ausdrücke, führt er an, dass das Deutsche eine Mittlerrolle im Entlehnungsprozess spielte. Im zweiten Teil seines Werkes gibt der Autor eine zeitliche Schichtung der deutschen Lehnwörter und teilt die Zeit der Entlehnungen nach den deutschen Sprachperioden ein. Sein Werk schließt er mit einem kurzen Überblick über die Lautlehre der Lehnwörter, wobei er anführt, dass er sich auf die Ergebnisse der Untersuchungen von Striedter-Temps stützt.

Den Beginn der germanistischen Kontaktlinguistik in Kroatien kennzeichnete Ivo Medić mit seiner Dissertation zum Wortschatz der Handwerker in Zagreb (1962). Durch Befragung Zagreber Handwerker kam er zu einer Liste von 3200 deutschen Lehnwörtern, die er einer phonetischen, phonologischen, morphologischen und etymologischen Analyse unterzog. Einige Jahre später untersuchte Thomas Magner (1966) die Stadtsprache von Zagreb und kam zu einer Liste von 1100 Wörtern, von denen 850 Germanismen sind. Die Wörter führt er nach ihrer Wortartzugehörigkeit an (Substantive, Adjektive, Partizipien, Adverbien und Interjektionen) und klassifiziert sie nach dem Kriterium der mittelbaren und unmittelbaren Entlehnung. Ebenfalls führt er zwei Listen auf, die Fachbegriffe deutscher Provenienz aus dem Bereich der Tischlerei und Polsterei enthalten. Am Ende folgt eine Liste mit umgangssprachlichen Ausdrücken.

Nach Magners Arbeit stagniert für eine längere Zeit die Erforschung der deutsch-kroatischen Sprachkontakte, was mit der Tendenz der europäischen Linguistik einhergeht. Mitte der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts legt Rudolf Filipović die theoretischen Grundlagen für die Kontaktlinguistik in Kroatien, indem er die damaligen Erkenntnisse über die Sprachkontakte mit soziolinguistischen und pragmalinguistischen Aspekten und Verfahren bereichert. Erneut gewinnen alloglottische Elemente in der Sprache an Interesse und werden als Resultate sozialer Kontakte mit anderen Gebieten und ihren Kulturen beschrieben und dargestellt (Ivanetić, 2000: 159). Seit Beginn der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts bis heute erscheinen kontinuierlich Arbeiten zu deutsch-kroatischen Sprachkontakten, die vornehmlich den Einfluss der deutschen Sprache auf einzelne kroatische Ortssprachen und Gebiete untersuchen: deutsche Lehnwörter im südöstlichen Slawonien (Talanga, 1990), Osijek (Kordić, 1991; Petrović, 1994 und 2001; Binder, 2006), der slawonischen Ortschaft Orubica (Ivanetić, 1996), der Stadt Ilok (Štebih, 2003), der Podravina (Golić, 1996; Papić/Husinec, 2010), Đurđevac (Piškorec, 1991, 1996, 1997, 2001, 2005), Zagreb (Glovacki-Bernardi, 1993, 1998, 2013; Štebih, 2002; Velički et al. 2009), Lepoglava (Pavić Pintarić, 2003), in der Umgangssprache von Dalmatien (Matulina, 1995; Krpan, 2013), nordadriatischen Ortssprachen (Ivanetić, 1997 und 2000; Turk, 2005), sowie in den Ortssprachen der südlichen Gacka in Lika (Dasović/Kranjčević, 2003).

Es gibt auch Beiträge, die einzelne Aspekte deutscher Lehnwörter im Kroatischen behandeln, vor allem in Bezug auf deren sprachliche Anpassung (Dragičević, 2000; Stojić, 2007), an die Volksetymologie (Talanga, 1996, 2001), die Vermittlerrolle des Deutschen (Muhvić-Dimanovski, 1996; Ljubičić, 2011) und Ungarischen (Puškar, 2010), in Fachsprachen (Turković, 1997), der Militärsprache (Štebih, 2000), der kajkavischen Schriftsprache (Štebih, 2010), den Gebrauch (Glovacki-Bernardi, 1993; Šojat et al., 1998; Ivanetić, 2000; Štebih, 2002; Stojić, 2004 und 2006a; Turk, 2005; Velički, Velički und Vignjević, 2009) usw. Den geschichtlichen Aspekt der deutsch-kroatischen Beziehungen bearbeitete Stanko Žepić (1993, 1995, 1996, 2002).

Was die Lehnprägungen betrifft, so gibt es trotz der Tatsache, dass sich die Sprachwissenschaft schon mehr als hundert Jahre mit ihrer Theorie und Praxis beschäftigt, allgemein weniger Untersuchungen zu diesem kontaktlinguistischen Phänomen als zu den evidenten Entlehnungen. Das kann darauf zurückgeführt werden, dass Lehnprägungen schwieriger zu identifizieren sind, als dies der Fall bei Entlehnungen ist. In den siebziger Jahren des 20. Jh. erschien das bisher ausführlichste Werk zu latenten Entlehnungen im Kroatischen, Matthias Rammelmeyers Deutsche Lehnübersetzungen im Serbokroatischen (1975). Es bietet eine fundierte wissenschaftliche Grundlage für die Lehnwortforschung und eine systematische Darstellung der Lehnprägungen auf lexikalischer Ebene im Kroatischen nach deutschem Vorbild. Der Autor führt die Bedingungen an, die einzelne Wörter erfüllen müssen, um als Lehnprägungen gelten zu können. In einer alphabetischen Liste sind Lehnübersetzungen mit ihren kroatischen Äquivalenten bis zum Beginn des 20. Jh. aufgeführt. Der Autor verweist dabei oft auf die Ähnlichkeit mit anderen slawischen Sprachen, ihrer möglichen Mittlerrolle sowie auf normative Einwände hinsichtlich dieser Lexeme. In Übereinstimmung mit dem Untertitel Beiträge zur Lexikologie und Wortbildung gilt sein Interesse besonders der Analyse der Wortbildungsmöglichkeiten. Diesbezüglich weist der Autor auf neue Wortbildungstypen hin, die nach deutschem Vorbild im Kroatischen entstanden sind. In dieser Hinsicht kann Rammelmeyers Werk als gute Grundlage für die Untersuchung der Wortbildung im Kroatischen betrachtet werden. Nichtsdestotrotz ist vom theoretischen und praktischen Aspekt auch ein Einwand einzulegen, weil der Autor jegliche Übereinstimmung zwischen dem Deutschen und dem Kroatischen auf wortbildender und semantischer Ebene auf deutsche Lehnprägung zurückführt, ohne dabei die Möglichkeit der Polygenese oder den Einfluss anderer Sprachen, insbesondere des Lateinischen auf das Kroatische, zu beachten. Der kroatische Sprachwissenschaftler Stjepan Babić hat deshalb in seiner kritischen Darstellung von Rammelmayers Werk im Artikel Njemačke prevedenice – izazov našim lingvistima, 1980 (Deutsche Lehnprägungen – Herausforderung für unsere Sprachwissenschaftler) auf neue Wortbildungsmodelle, die im Kroatischen durch deutsches Vorbild im Prozess der Lehnprägung entstanden sind, hingewiesen. Vesna Muhvić-Dimanovski führt in ihrer Monographie Prevedenice – jedan oblik neologizama, 1992 (Lehnprägungen – eine Form von Neologismen) neuere Lehnprägungen in der kroatischen Sprache an, unter denen auch deutsche Lehnprägungen eine wichtige Rolle spielen. Marija Turk hat sich mit der Problematik der Lehnprägungen in mehreren wissenschaftlichen Aufsätzen auseinandergesetzt und ihre Erkenntnisse im Werk Jezično kalkiranje u teoriji i praksi: Prilog lingvistici jezičnih dodira, 2013 (Sprachliche Lehnprägung in Theorie und Praxis: Beitrag zur Sprachkontaktforschung) vereint. In diesem Band spricht sie über Lehnprägungen im Kroatischen, die nach Vorbild unterschiedlicher Sprachen entstanden sind. Die Resultate ihrer Analyse zeigen eine quantitative Vorherrschaft des deutschen Modells über diejenigen anderer Sprachen. Der Einfluss des Deutschen zeigt sich insbesondere im 19. Jahrhundert, als die Terminologie ausgebaut wurde und es allgemein zur Spracherneuerung kam. Bei den Lehnprägungen spielte die deutsche Sprache eine zweifache Rolle: Sie diente als Modell für die Bildung von Lehnprägungen, war aber auch Mittler bei Entlehnungen aus klassischen und anderen europäischen Sprachen. Das Deutsche spielte eine wichtige Rolle bei der Vermittlung aus dem Englischen, Französischen, Italienischen und dem Tschechischen. Dieser Einfluss dauert bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts an, als es dem Einfluss des immer dominanter werdenden Englisch zu weichen beginnt.

Allen bisherigen Untersuchungen zu den deutschen Lehnwörtern in der kroatischen Sprache ist gemeinsam, dass sie vornehmlich deutsche Lehnwörter anführen, ohne dabei feste Kriterien für ihre Bestimmung bzw. Definition zu geben. Die deutschen Lehnwörter werden der gleichen Kategorie zugeordnet, während die Frage nach der Intensität des Einflusses des Deutschen auf das Kroatische offenbleibt, wie auch die Frage, wie dieser Einfluss benannt werden kann, ob er direkt war oder das Deutsche eine Mittlerrolle innehatte, welchen Status die deutsche Entlehnung im Kroatischen hat usw.

1.2Ziel und Aufbau

Um ein möglichst vollständiges Bild vom Einfluss des Deutschen auf das Kroatische zu bekommen, müssen die Resultate des evidenten und latenten Entlehnens deutscher Wörter in die kroatische Sprache jedoch zuerst benannt und daraufhin definiert werden. Da bei der Beschreibung von Kultur- bzw. Sprachkontakten die Sprache nicht nur als ein abstraktes, in sich geschlossenes System betrachtet werden darf, weil Sprachkontakte das Resultat geschichtlicher und kultureller Ereignisse sind, muss auch der diachrone gesellschaftlich-kulturelle Kontext, in dem die Sprachen in Kontakt kamen, berücksichtigt werden (vgl. Riehl, 2009). In Anbetracht dieser Tatsachen ist es das Ziel des vorliegenden Bandes, alle Erkenntnisse der bisherigen Untersuchungen dieser Problematik zu systematisieren und zu synthetisieren und daraufhin das gesammelte Material nach einheitlichen Kriterien zu analysieren: nach der wahren Herkunft, der Zeit der Entlehnung und nach dem sprachlichen Status in der kroatischen Sprache. Dabei wird sowohl das direkte als auch das indirekte Entlehnen aus dem Deutschen ins Kroatische berücksichtigt. Die auf diese Weise ermittelten Lexeme sollen schließlich den Einfluss der deutschen Sprache auf die kroatische durch die zeitliche und räumliche Perspektive aufzeigen.

Das Ziel wirkt sich auf die Struktur des Bandes aus. Nach der Einleitung folgen terminologische Vorüberlegungen mit einer Begriffsbestimmung des Untersuchungsgegenstandes als wichtige Voraussetzung für eine einheitliche Vorgehensweise. In diesem Zusammenhang wird auch eine kurze Beschreibung der sprachwissenschaftlichen Disziplin, die sich mit der Frage der lexikalischen Entlehnung beschäftigt, dargelegt. Da Sprachkontakte immer auch das Resultat geschichtlicher und kultureller Kontakte sind, wird im dritten Kapitel ein Überblick des kulturgeschichtlichen Kontextes der kroatisch-deutschen Sprachkontakte gegeben. Das vierte Kapitel widmet sich den evidenten deutschen Lehnwörtern bzw. ihrer Identifikation und ihrem Status in der kroatischen Gegenwartssprache. Die Belegsammlung der evidenten Entlehnungen basiert auf: 1. linguistischen Untersuchungen, die deutsche Lehnwörter im Kroatischen zum Gegenstand haben, 2. gegenwärtigen Wörterbüchern kroatischer Ortssprachen, 3. einschlägigen älteren und neueren Wörterbüchern des Kroatischen sowie 4. Befragungen von Informanten aus unterschiedlichen Teilen Kroatiens. Da die befragten Informanten nicht über den gesamten Sprachfond ihres Idioms verfügen, wurden für jede untersuchte Region mehrere Personen befragt. Bei der Bestimmung der deutschen Lehnwörter auf synchronischer Ebene ist der Ausgangspunkt die Allgemeinsprache, um einen Einblick in die räumliche Verbreitung deutscher Lehnwörter zu bekommen. Deshalb wurden deutsche Entlehnungen, die Teil von terminologischen Nomenklaturen sind, aus der Sammlung ausgeschlossen, davon ausgehend, dass solche Ausdrücke den Durchschnittssprechern nicht bekannt sind und somit auch nicht von ihnen gebraucht werden. Im Rahmen dieses Kapitels wird ein ausführliches Wörterverzeichnis aller ermittelten deutschen Entlehnungen nach ihrem Status in der kroatischen Sprache angeführt. Im fünften Kapitel wird die Adaption der auf diese Weise ermittelten evidenten deutschen Lehnwörter auf phonologischer, graphisch-orthographischer, morphologischer und semantischer Ebene dargestellt. Das sechste Kapitel widmet sich den Lehnprägungen. Es werden zuerst die Frage der Identifikation von Lehnprägungen und die Diagnosekriterien zur Identifikation erörtert. Da das Deutsche bei den Lehnprägungen im Kroatischen sowohl Geber- als auch Mittlersprache war, widmet sich ein Unterkapitel dieser Tatsache. Im Anschluss darauf erfolgt die detaillierte Gliederung der Lehnprägungen im Kroatischen nach ihrer Art. Ihre Analyse basiert auf einer Belegsammlung, die aus unterschiedlichen schriftlichen Quellen exzerpiert wurde: 1. wissenschaftlichen Aufsätzen, die sich mit der Frage der Lehnprägungen im Kroatischen beschäftigen, und 2. wissenschaftlichen Aufsätzen, die sich mit Lehnprägungen in anderen Sprachen, vornehmlich der deutschen, tschechischen, slowenischen und französischen, beschäftigen, wobei überprüft wurde, ob analoge Beispiele im Kroatischen existieren. Diese Basis wurde durch weitere Untersuchungen auf zwei Ebenen erweitert: Ältere Lehnprägungen wurden aus älteren kroatischen zweisprachigen Wörterbüchern, insbesondere aus dem 19. Jahrhundert, das durch Spracherneuerung gekennzeichnet ist, exzerpiert. Die Belegsammlung der jüngeren Lehnprägungen wurde aus unterschiedlichen zeitgenössischen Printmedien und Internetportalen exzerpiert und in einschlägigen kroatischen ein-, zwei- und mehrsprachigen Wörterbüchern, online-Suchmaschinen wie beispielsweise Hrvatski nacionalni korpus (www.hnk.ffzg.hr), Hrvatska jezična riznica (http://riznica.ihjj.hr) u.Ä. verifiziert.

Am Ende des Bandes erfolgen das Schlusswort und das Quellenverzeichnis.

An dieser Stelle danken wir den Gutachterinnen Prof. Dr. Nada Ivanetić (Universität Rijeka) und Prof. Dr. Jadranka Gvozdanović (Universität Heidelberg) herzlich für ihre konstruktiven Hinweise, mit denen sie maßgeblich zur Qualität dieses Bandes beigetragen haben. Ein großer Dank gilt auch unseren Familien für ihre Unterstützung. Ihnen ist diese Monographie gewidmet.

2Terminologische Vorüberlegungen

In der Sprachkontaktforschung findet man eine Vielzahl verschiedener Definitionen bzw. Interpretationen der verwendeten Terminologie bzw. Erweiterungen, Ergänzungen oder Umdeutungen des bereits existierenden terminologischen Apparates. Deshalb werden nachfolgend zuerst die Entwicklung der linguistischen Teildisziplin, die sich mit Sprachen in Kontakt beschäftigt, sowie wichtige Begriffe, die sie verwendet und die Gegenstand dieser Arbeit sind, erklärt. Am Ende des Kapitels erfolgt die Bestimmung der zugrundeliegenden Begriffe.

2.1Sprachkontaktforschung

Die Erforschung von Sprachkontakten setzt relativ spät ein, obwohl die gegenseitige Beeinflussung von Sprachen schon in der Antike von Philosophen wie Platon, Quintilian und Priscian thematisiert wurde. Sie schenkten diesen Phänomenen jedoch keine besondere Bedeutung. Wissenschaftliches Interesse an Zwei- oder Mehrsprachigkeit und deren Auswirkungen ist erst im 19. Jahrhundert zu vermerken (Oksaar, 1996b/12: 1). Diese Disziplin wurde im Laufe ihrer Entwicklung mit unterschiedlichen Namen versehen. Zunächst gebrauchte man die Bezeichnungen linguistische oder sprachliche Entlehnungen. In den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts ist seit der Veröffentlichung der klassischen Monographie von Uriel Weinreich, Languages in Contact (1953), der Terminus Sprachkontakt in Gebrauch. In neuerer Zeit wird jedoch für den Zweig, der sich mit den Sprachkontakten befasst, immer mehr der Ausdruck Kontaktlinguistik verwendet.

Sprach- und Kulturkontakte entwickelten sich vor allem mittels der Wissenschaft. Bis zum Mittelalter benutzte man auf dem Gebiet des heutigen Europa am meisten das Griechische als Wissenschaftssprache. Danach übernahm diese Rolle das Lateinische, das mit der Zeit seine Anwendung ausweitete: Es wurde zur Sprache der Gebildeten, zur Quelle der Fachterminologie sowie zur Grundlage einiger Fachsprachen, so der Rechts-, Wirtschafts- und Kirchensprache. Mehrsprachigkeit war im damaligen Europa eine alltägliche Erscheinung. Daher wurden Mehrsprachigkeit und Sprachkontakt durch die Jahrhunderte von unterschiedlichen Aspekten betrachtet, jedoch vom wissenschaftlichen Interesse erst in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts unter dem Einfluss der historischen und vergleichenden Linguistik. Es kommt zur intensiven Erforschung der Entwicklung der unterschiedlichen Sprachfamilien. Im Mittelpunkt stehen folgende Fragestellungen: Welches sind die Sprachwurzeln, welche Unterschiede bestehen zwischen den Sprachen, was sind die Gründe für den Sprachwandel? Einige Antworten darauf gaben einige Phänomene der Kontaktlinguistik, wie z.B. die Substrat-Theorie und die sprachliche Entlehnung. Schon damals stellte sich die uneinheitliche Terminologie in der Sprachkontaktforschung als offensichtliche Schwierigkeit heraus.

Die Einflüsse der Sprachkontakte wurden in der Kontaktlinguistik unterschiedlich benannt. Die traditionelle Linguistik gebraucht die Begriffe Sprachmischung und Mischsprache. Die Linguisten des 19. Jahrhunderts vertreten diesem Phänomen gegenüber unterschiedliche Meinungen. Die Möglichkeit, dass Mischsprachen existieren, bestreiten vor allem Philosophen (Rasmus Rask, August Schleicher und Max Müller). Ihrer Meinung nach gibt es keine gemischten Sprachen, weil Sprachkontakte nur die Lexik beeinflussen, während die Struktur selbst äußeren Einflüssen nicht ausgesetzt ist (Filipović, 1986: 19). Die bedeutendsten Vertreter der Theorie von Mischsprachen waren der Keltologe Ernst Windisch und der Österreicher Hugo Schuchardt, der glaubte, dass es keine Sprache gäbe, die nicht gemischt sei. Ernst Windisch (1897: 118) versteht unter dem Begriff Mischsprache eine Sprache, in der 1. fremde Wörter auf Kosten der nativen gebraucht werden, 2. zur Bezeichnung der Sache vollständig ausreichende native Wörter durch fremde ersetzt werden, 3. es viele Lehnwörter gibt, 4. Lehnwörter in einfachen Ausdrücken und Sätzen gebraucht werden, 5. nicht nur Substantive, sondern auch Verben und sogar Zahlwörter und morphologische Formen sowie andere zum Organismus des Satzes gehörigen Formen fremden Ursprungs sind. Für H. Schuchardt gründet Sprachmischung auf Zweisprachigkeit, beziehungsweise Sprachmischung ist eine Form der unvollständigen Zweisprachigkeit, die immer auch auf die Sprachentwicklung einwirkt (1884). Schuchardt beschäftigte sich mit der Erforschung des Sprachkontaktes der slawischen, romanischen und germanischen Völker in der Habsburger Monarchie und untersuchte die phonologische und lexikalische Interferenz sowie den Einfluss der sog. „inneren Form“ auf die Sprachentwicklung, für die zehn Jahre darauf Duvau den Ausdruck calque (Lehnübersetzung) einführte. Nach den Vorstellungen von Herrmann Paul beginnt die Sprachmischung schon auf der Ebene der Individualsprachen. Sie entsteht eigentlich in dem Augenblick, in dem sich zwei Personen miteinander unterhalten, wodurch sie die Sprache, deren Syntax, Morphologie, Phonetik und deren Wortschatz im gegenseitigen Austausch auf der Ebene der Idiolekte prägen. Seiner Meinung nach ist die Sprachmischung im Grunde ein genuiner Bestandteil der Sprache. Pauls Meinung nach spielt bei der Sprachmischung die Zwei- oder Mehrsprachigkeit eine wichtige Rolle (Filipovič, 1986: 19).

Die Linguisten des 20. Jahrhunderts verwerfen hauptsächlich den Begriff der Mischsprachen. Für Antoine Meillet (1936: 83) wie auch für viele andere Sprachwissenschaftler ist dieser Begriff nicht angebracht, weil man Elemente aus einer anderen Sprache übernehmen kann, ohne dass es gleich auch zur Sprachmischung kommt. Die Entlehnung betrifft vor allem die Lexik, während Phoneme und grammatische Strukturen nur im Ausnahmefall entlehnt werden. Deshalb kann man auch nicht davon sprechen, dass sich zwei Sprachsysteme vermischen. Edward Sapir gebraucht den Terminus Wortentlehnung und versteht darunter die einfachste Art von Einfluss einer Sprache auf die andere. Die Entlehnung ganzer Wörter erfolgt meist nicht nur auf der rein sprachlichen Ebene, sondern steht vielfach im Zusammenhang mit einem Kulturtransfer. Neue, unbekannte Güter werden übernommen und damit oft auch die Bezeichnungen dafür (1972: 174). Der amerikanische Sprachwissenschaftler Bloomfield versteht unter Entlehnung drei Typen sprachlicher Veränderungen: Entlehnungen kultureller Begriffe, Entlehnungen aufgrund eines unmittelbaren Sprachkontakts, der durch territoriale oder politische Nähe zustande kommt (intime Entlehnung) und dialektale Entlehnungen, die aus Dialekten in die Hochsprache gelangen (1933: 444ff). Nach Jan Baudouin de Courtenay gibt es keine reine, ungemischte Sprache. Vielmehr ist jede Sprache das Resultat von Sprachmischung. Dabei kann die Mischung auf zwei Ebenen erfolgen: geographisch-territorial und chronologisch. Letzteres liegt bei der gegenseitigen Beeinflussung einer alten religiösen bzw. rituellen Sprache und einer modernen vor, ersteres ist die Voraussetzung für jede auf natürlichem Wege verlaufende Mischung. Der Einfluss der Sprachmischung bewirkt zweierlei: 1. in eine Sprache werden (lexikalische, syntaktische, phonetische) Elemente einer anderen Sprache übernommen und 2. die Unterschiede zu anderen Sprachen werden geringer (1963: 94ff).

Primäre Voraussetzung für die Übernahme fremden Wortgutes in eine Sprache ist der sprachliche Kontakt. Weinreich vertritt die Auffassung, dass zwei Sprachen in Kontakt stehen, wenn sie von ein und derselben Person abwechselnd verwendet werden (vgl. Weinreich, 1977: 15). „Die die Sprachen gebrauchenden Individuen sind somit der Ort, an dem der Sprachkontakt stattfindet.“ (ebd. 15). Er bezeichnet eine solche Person als zweisprachig und diesen Prozess der abwechselnden Verwendung zweier Sprachen als Zweisprachigkeit. In der Fachwelt gibt es unterschiedliche Definitionen dieses Begriffes, allgemein können aber zwei Interpretationen unterschieden werden: Zum einen verstehen Sprachwissenschaftler unter Zweisprachigkeit nur die „muttersprachähnliche Kontrolle über zwei Sprachen“ (Bloomfield, 1933: 56), auf der anderen Seite existiert eine viel elastischere Auffassung von Bilingualismus, wie z.B. bei E. Haugen, für den Zweisprachigkeit dort beginnt, „wo der Sprecher einer Sprache komplette, inhalttragende Äußerungen in der anderen Sprache erzeugen kann“ (1950: 7). Els Oksaar (1996b: 24) definiert Mehrsprachigkeit als Fähigkeit eines Individuums „hier und jetzt zwei oder mehr Sprachen als Kommunikationsmittel zu verwenden und ohne weiteres von der einen in die andere umzuschalten, wenn die Situation es erfordert“ (Oksaar, 2003: 31). Weinreich, der gemeinsam mit Haugen als Begründer dieser linguistischen Disziplin gilt, definiert Zweisprachigkeit als die „Praxis, abwechselnd zwei Sprachen zu gebrauchen […], die an solcher Praxis beteiligten Personen werden zweisprachig genannt“ (Weinreich, 1976: 15). Wenn in einer Zeitspanne mehrere Personen abwechselnd die gleichen zwei oder mehr Sprachen verwenden, wird dieser Sprachenkontakt zum kollektiven Phänomen. Bechert und Wildgen definieren Zweisprachigkeit „nicht als die perfekte und gleichmäßige Beherrschung zweier Sprachen, sondern als die Fähigkeit, sich zweier oder mehrerer Sprachen in verschiedenen Kontexten und mit unterschiedlichen Modalitäten bedienen zu können, d.h. als regelhafte Verwendung eines aus zwei oder mehreren Sprachen bestehenden Sprachenrepertoires“ (1991: 57). Bilingualismus und Sprachkontakt sind somit untrennbar miteinander verbunden: Der zwei- oder mehrsprachige Sprecher kann einer der Orte sein, wo der Sprachkontakt stattfindet. Sie beeinflussen sich gegenseitig und sind meist voneinander abhängig. Sprachkontakt, der sich über einen längeren Zeitpunkt erstreckt, zieht unweigerlich auch Sprachwandel nach sich, insbesondere in Form von Entlehnungsprozessen.

In der Fachliteratur wurde der Begriff der sprachlichen Entlehnung oftmals wegen seiner unerwünschten Konnotationen, dass es sich bei den Sprachkontakten nur um mechanisches Hinzufügen fremder Elemente handle, kritisiert. Ausgehend von der strukturalistischen Auffassung ist der Begriff der Entlehnung akzeptabel, weil jedes neue Element im Sprachsystem der Nehmersprache durch Verflechtung der paradigmatischen und syntagmatischen Beziehungen eine Veränderung bewirkt. Ende der 40er Jahre des 20. Jahrhunderts kamen in der germanistischen Linguistik die Begriffe Lehngut und Lehnwortschatz in Gebrauch. Im englischen Sprachraum hat sich der Ausdruck loanword durchgesetzt, im französischen das Syntagma mot d'emprunt. Da es sich bei dem Ausdruck „Entlehnung“ um eine Metapher handelt, die nicht exakt genug, teilweise sogar unkorrekt ist, weil vorausgesetzt werden könnte, dass Entliehenes zurückgegeben werden sollte, was bei der Wortentlehnung selten der Fall ist, sollten nach Ansicht einiger Linguisten neue Termini für dieses Phänomen eingeführt werden. So erscheinen Begriffe wie diffusion und acculturation. Aber auch diese beiden Begriffe sind teilweise unpassend, weil sich der erstere im Englischen auf die Verbreitung von Wörtern auf ein anderes, neues Gebiet bezieht, während der zweite unterschiedliche Veränderungen, die aus dieser Verbreitung resultieren, bezeichnet. Deshalb schlägt Haugen vor, dass der Terminus acculturation in seiner Grundbedeutung für interkulturelles Lernen verwendet werden sollte und dass man für seine linguistischen Resultate präzisere Ausdrücke findet (Filipović, 1986: 29). Wichtige Veränderungen in dieser Hinsicht brachten im 20. Jahrhundert die strukturalistischen und soziolinguistischen Untersuchungen von Weinreich (1968) und Haugen (1950, 1956), die für die Prozesse der ‘Sprachmischung’ von bilingualen Individuen und Sprachgruppen die Termini Sprachkontakt und Interferenz einführten. Ab diesem Zeitpunkt wandte sich das Forschungsinteresse von Fragen nach der Entstehung und den Strukturen von Mischsprachen zu den Untersuchungen empirisch beobachtbarer Sprachkontakte. Erst mit dem sogenannten Haugen-Weinreich-Paradigma, wie es Filipović 1986 nennt, entdeckte die Germanistik die Sprachkontaktforschung. Haugen (1950: 214ff) lehnt den Begriff der Sprachmischung ab und führt den Terminus borrowing ein und versteht darunter einen Reproduktionsvorgang, bei dem ein Sprecher der Nehmersprache ein spendersprachliches Vorbild mehr oder minder originaltreu wiedergibt. Haugen unterscheidet darüber hinaus zwei grundlegende Verfahren des Entlehnens: Import und Substitution und kommt so zu einer einfachen Typologie, auf deren Grundlage andere Autoren – v.a. inspiriert durch Betz (1949, 1959, 1965) – stärkere Differenzierungen vornehmen. Haugens Typologie beruht auf drei Typen der Entlehnung: Lehnwort (loanword), Ersetzung (loanshift oder morphemic substitution) und Teilersetzung (loanblend). Die Entlehnungstypen betrachtet Haugen in Relation zu den Formen in der Gebersprache bzw. zum Modell. Ein Wort gilt erst dann als Entlehnung, wenn es in der Nehmersprache als vollkommen assimiliert gilt und phonologisch, morphologisch und syntaktisch integriert ist. Die Verwendung von Ausdrücken zweier Sprachen betrachtet Haugen nicht als zufällige Sprachmischung, sondern als bewusstes Handeln des Sprechers, was er Codeswitching nennt (1956: 540). Während bei Codeswitching die Wörter bzw. Sätze in ihrer ursprünglichen Form belassen werden, erfolgt bei der Entlehnung eine Integration in das andere Sprachsystem. Es stellt die größte Entfernung zwischen zwei Sprachsystemen dar. Nach Weinreich (1977: 15) sind „diejenige[n] Fälle der Abweichung von den Normen der einen wie der anderen Sprache, die in der Rede von Zweisprachigkeit als Ergebnis ihrer Vertrautheit mit mehr als einer Sprache, d.h. als Ergebnis des Sprachkontakts vorkommen […]“, als Interferenzerscheinungen zu bezeichnen. Die Abweichungen kommen dadurch zustande, dass sprachliche Elemente aus einem Sprachsystem in das zweite Sprachsystem übertragen, diesem zugeordnet und in dieser Sprache angewendet werden. Die Interferenz wird dabei als Normverletzung verstanden, die durch die gegenseitige Beeinflussung zweier Sprachen sowohl in der einen als auch in der anderen Sprache entstehen kann. Übertragungen (und deren Ergebnisse), die innerhalb eines Sprachsystems auftreten können, werden dabei nicht berücksichtigt. Weinreich (1976: 79ff) schlägt weiter vor, „zwei Stadien der Interferenz“ zu unterscheiden: Die Interferenzerscheinungen, die im persönlichen Sprachgebrauch einzelner Zweisprachiger auftreten, und die Interferenzphänomene, die zum fixen Bestandteil des Sprachsystems einer Sprachgemeinschaft geworden sind. Weinreich (1976) trennt also Interferenzerscheinungen, die sich im Bereich der Rede (parole) manifestieren, von der Integration solcher Interferenzen im Bereich der Sprache (langue). Somit unterscheidet Weinreich Interferenz von Integration. Die Interferenzen teilt Weinreich weiter in lautliche, grammatische und lexikalische, da der Terminus Interferenz die Restrukturierung von Strukturschemata einschließt, die sich aus der Einführung fremder Elemente in die Bereiche des phonologischen Systems, der Morphologie und Syntax sowie einigen Feldern des Wortschatzes ergeben. Interferenz ist jedoch ein negativ besetzter Begriff, weil er unerwünschte Erscheinungen bezeichnet. Übertragungen, die als positiv betrachtet werden, werden als Transfer bezeichnet. Interferenz wird auch als negativer Transfer bezeichnet. Um den mehrdeutigen Begriff Interferenz zu vermeiden, wählt Clyne (1996) den Terminus Transferenz für den Vorgang und Transfer für das Ergebnis. In den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts verwenden Sprachwissenschaftler wieder Haugens Terminus borrowing bzw. Entlehnung, womit die unterschiedlichsten Formen von Übernahme des Elementes einer Sprache in eine andere bezeichnet werden.

Von den Arbeiten Haugens und Weinreichs ausgehend, führt der kroatische Sprachwissenschaftler Rudolf Filipović die kroatische Terminologie in die Sprachkontaktforschung ein, deren Gegenstand Berührungen und Konflikte zwischen Sprachen, Zwei- und Mehrsprachigkeit, Übersetzungswissenschaft, Erst- und Zweitspracherwerb sowie sprachliche Interferenz und Integration umfasst (vgl. Filipović, 1986: 15). Wichtig dabei ist immer die Rolle, die die Sprachen im Kontakt im Entlehnungsprozess innehaben. Die Ebenen, auf denen die Beschreibung der sprachlichen Interferenzen möglich und notwendig ist, sind die phonologische, morphologische, semantische, lexikalische, syntaktische und stilistische (ebd. 53). Das Innovative an Filipović Theorie ist die Unterscheidung zwischen primärer und sekundärer sprachlicher Adaption. Im Zuge der primären Adaption wird die Entlehnung dem sprachlichen System der Nehmersprache angepasst, während im Zuge der sekundären Adaption diese assimilierte Entlehnung Veränderungen durchlaufen kann, wie jedes andere native Wort. Die ursprüngliche Form des Wortes in der Gebersprache heißt Modell, die übernommene Form in der Gebersprache Replik (ebd. 38). Die Replik erscheint in drei Formen: 1. in der gleichen Form wie das Modell, es handelt sich um einfache Übernahme aus einer Sprache in die andere; 2. in einer Kompromissform, d.h. die Replik hat sich dem Modell gegenüber aufgrund von Interferenzen auf einer oder mehreren sprachlichen Ebenen verändert; 3. in integrierter Form, so dass die Replik nicht mehr als fremdes Wortgut erkannt wird, weil es im Prozess der Adaption vollkommen an die Nehmersprache angepasst wurde.

Im Laufe ihrer Entwicklung ist die Sprachkontaktforschung zu einem weiten, interdisziplinären Forschungsfeld geworden, das sich bei der Untersuchung abstrakter sprachlicher Systeme im Kontakt ebenfalls mit Fragen der Psycho- und Soziolinguistik, Anthropologie, Kulturgeschichte, (Sprach-)politik, Pädagogik, Kommunikations- und Literaturwissenschaften auseinandersetzt (Oksaar, 1984: 853). In neuerer Zeit beschäftigt sich auch die Ökolinguisitk mit diesem sprachlichen Phänomen, mit dem Ziel, Unterschiede zwischen Entlehnungen im gesamten Sprachsystem, Entlehnungen in Dialekten und Entlehnungen in Soziolekten festzustellen (Sočanac, 2004: 31).

2.2Lehnwortforschung

Die Lehnwortforschung ist eines der ältesten Forschungsgebiete der Sprachkontaktforschung, die sich insbesondere mit den Wirkungen des sprachlichen Kontaktes sowohl auf der Ebene des Sprachsystems (Sprachkontakt im engeren Sinne) als auch auf der Ebene der Individuen (Zwei- oder Mehrsprachigkeit) beschäftigt. Das Ziel ist die Identifikation und Analyse der einzelnen Spuren des Sprachkontaktes mithilfe synchronischer Diagnosen (Bechert/Wildgen, 1991: 57). Die Lehnphänomene lassen sich sprachebenenspezifisch gliedern (Tesch, 1978: 83ff) in phonetisch-phonologische, die Phonemimport, Phonemschwund bzw. Phonemzusammenfall verursachen, grammatikalische, die in der Entlehnung der Wortbildungsmorpheme und Flexionssubstitution ihren Ausdruck finden, lexikalisch-semantische, die in der Übernahme bzw. Nachbildung der Lexeme bestehen, syntaktische, wodurch sich Lehnkonstruktionen und Lehnwortstellung im Satz ergeben. Die Übernahme betrifft jedoch vor allem die lexikalische Ebene, weil Wörter wegen ihrer allgemeinen Dynamik am einfachsten zu entlehnen sind. Der lexikalische Einfluss geht insbesondere auf inner- und außersprachliche Gründe zurück. Im Unterschied zu grammatischen und syntaktischen Elementen und Beziehungen innerhalb des Sprachsystems, die primär eine innersprachliche Funktion (z.B. Rektion, Koordination, Wortfolge) ausüben oder eine allgemeine Beziehung zur außersprachlichen Wirklichkeit (Tempora, Deiktika etc.) darstellen, steht bei den lexikalischen Einheiten die denotative Funktion im Vordergrund. Der Sprecher kann lexikalische Einheiten einer anderen Sprache am einfachsten wahrnehmen und lernen, weil diese explizit mit der außersprachlichen Wirklichkeit verbunden sind. Darüber hinaus ist die Lexik innerhalb des Sprachsystems mehr oder weniger offen und deshalb dynamischer bei der gegenseitigen Beeinflussung als das grammatische System. Dies stellt die strukturelle und kognitiv-semantische Grundlage des lexikalischen Einflusses einer Sprache auf eine andere dar.

Ein weiterer Grund ist das universale Bedürfnis für die Benennung neuer Entitäten. Die Motive können innersprachlich, z.B. geringe Verwendungshäufigkeit, schädliche Homonymie und der stetige Bedarf an Synonymie sein (vgl. Weinreich, 1977: 80ff). Diese Motive dürfen jedoch nicht als absolute Determinanten betrachtet werden, sondern sind vielmehr als Tendenzen zu verstehen. Die Gefahr ist groß, dass selten benutzte Wörter durch Lehnwörter ersetzt werden. Bei dem Grundwortschatz ist diese Gefährdung durchaus geringer. Homonymie ist ein großer Anreiz für lexikalische Entlehnungen, da die phonetische Übereinstimmung unterschiedlicher Begriffe den Sprecher verwirrt und das anders klingende Lehnwort gute Chancen hat, im weiteren Verlauf das ursprüngliche Wort zu verdrängen. Ein anderer Grund ist der Bedarf an gleichbedeutenden Wörtern, Synonymen. Dies kommt auch vor, wenn der Sprecher das Gefühl hat, dass ein Wort „mehr“ als das native Wort aussagt. Filipović (1986: 26) nennt sprachexterne Gründe für Entlehnung: das Bedürfnis nach Benennung eines übernommenen Produktes (soziologischer Grund) sowie das Bedürfnis des Sprechers nach Verschönerung seines Sprachgebrauchs mit modernen Ausdrücken aus fremden Sprachen (psychologischer Grund). Ein weiterer außersprachlicher Grund besteht in der subjektiven Bewertung einer Sprache, die dazu führt, dass die in der Gesellschaft verwendeten Sprachen unterschiedlichen Prestigewert besitzen. Der Sprecher, der die Sprache mit dem höheren Prestigewert benutzt, strebt einen höheren sozialen Status an und möchte damit seine Fremdsprachenkenntnis demonstrieren (vgl. Weinreich, 1977: 83). Somit können in Anlehnung an Bechert und Wildgen (1991: 77) drei grundlegende Motive für die lexikalische Entlehnung angeführt werden: 1. sprachliche Bedarfsdeckung beim Kulturtransfer (Kulturwörter); 2. Modeerscheinungen (Modewörter) und 3. Sprachwechsel.

2.3Resultate lexikalischer Entlehnung

Der Terminus Entlehnung gilt als Oberbegriff für alle Arten der Übernahme sprachlicher Phänomene aus einer Sprache in die andere und wird meistens im weiteren Sinne benutzt, d.h. er bezieht sich nicht nur auf das Ergebnis, sondern auch auf den Vorgang dieser Übernahme. Nach Weinreich (1976: 69) regulieren diesen Vorgang zwei grundlegende Mechanismen: 1. Einheiten der Sprache A werden in die Sprache B übernommen; 2. Morpheme der Sprache B werden anstelle ihrer gleichbedeutenden Morpheme der Sprache A benutzt. Diese Mechanismen sind bei jedem Entlehnungsvorgang präsent, allerdings werden die Resultate in der Sprachwissenschaft unterschiedlich benannt. Dabei spielen die Wortbedeutung und die Wortform bzw. die Inhalts- und Ausdrucksseite als zwei Komponenten jedes Wortes bei allen Definitionsversuchen die ausschlaggebende Rolle. Der Hauptunterschied birgt sich in der Frage, ob die äußere Form des Wortes zusammen mit seiner Bedeutung oder nur die Bedeutung übernommen wird. Betz (1949: 27f) versucht als einer der ersten die Resultate der lexikalischen Entlehnung zu klassifizieren und führt dabei neue Fachbegriffe ein. So unterscheidet er zwischen dem ‘äußeren Lehngut’ – Lehnwort (Übernahme der Wortform und der Wortbedeutung – Morphemimport) und dem ‘inneren Lehngut’ – Lehnprägung (Übernahme nur der Wortbedeutung – Morphemsubstitution). Das Lehnwort teilt er weiter in Fremdwort und assimiliertes Lehnwort, die Lehnprägung in Lehnbildung (Neologismus) und Lehnbedeutung (semantische Entlehnung). Lehnbildung teilt er in Lehnübersetzung, Lehnübertragung (teilweise Übersetzung) und Lehnschöpfung (formal unabhängiger Neologismus). Nach Haugen (1950: 214) sollte der Begriff Lehnwort aufgrund des Ausmaßes der Morphemsubstitution nach dem Grad der Assimilation weiter unterteilt werden. In Folge schlägt er die Begriffe loanword (reiner Morphemimport), loanblend (Morphemimport und -substitution) und loanshift (reine Morphemsubstitution) vor. Weinreich (1977: 69) nennt Import und Substitution transfer und reproduction. Somit liegt jeder Klassifikation ein grundlegendes Gliederungsprinzip zugrunde: Man unterscheidet sorgfältig zwischen der Übernahme entweder der Wortform mit der Wortbedeutung oder nur der Wortbedeutung.

Das Lehngut kann auf unterschiedlichen Wegen in eine Sprache gelangen. Geographisch unterscheidet man zwischen direkter und indirekter (vermittelter) Entlehnung. Eine indirekte Entlehnung findet statt, wenn ein Sprachgebiet von einem anderen Sprachgebiet durch eine Sprachgrenze getrennt ist. „Wohnnachbarschaft liegt nicht vor” (Tesch, 1978: 62). Die Entlehnungen entstehen auf friedliche Weise, z.B. durch Reisen, Pilgerfahrten, Studienreise, Arbeit im Ausland, usw. oder im Krieg durch Feldzüge u.Ä. Bei direkten Entlehnungen sind beide Sprachgebiete geographisch im Kontakt (ebd. 62ff). Bezüglich der Art und Weise der Übernahme sowie der späteren Assimilation bzw. Integration in die Gebersprache wird zwischen dem mündlichen und dem schriftlichen Übernahmeweg unterschieden. Der mündliche Übernahmeweg vollzieht sich meistens durch die Umgangssprache, während der schriftliche (literarische) Weg durch die Literatur, Wissenschaft, amtliche oder geschäftliche Korrespondenz, durch das Lesen und das Übersetzen wissenschaftlicher Werke, durch die Beschäftigung mit Zeitungen und Zeitschriften, d.h. durch den geschriebenen Text zu Stande kommt (ebd. 73f). Die Wörter, die auf mündlichem Wege übernommen wurden, sind meistens direkte Entlehnungen. Die auf schriftlichem Wege übernommenen Wörter lassen sich häufig nicht von denen unterscheiden, die mündlich entlehnt sind.

Das Kroatische übernahm und übernimmt auch heute noch vor allem deshalb fremdes Wortgut, um Wortlücken im eigenen lexikalischen Bestand zu schließen. In manchen Fällen kommt es in der kroatischen Sprache zu Entlehnungen, weil ihre Bedeutungen nicht mit den kroatischen Lexemen übereinstimmen. Deshalb tragen solche Entlehnungen zur klaren semantischen Abgrenzung innerhalb des kroatischen Lexeminventars bei (Samardžija, 1995: 45). Es gibt auch solche Entlehnungen, die keinen neuen Begriff mit sich gebracht haben, sondern mit einem koexistierenden in der kroatischen Sprache übereinstimmen. In diesem Fall kommt es zur vollständigen Synonymie. Es gibt auch andere Ursachen für die Entlehnung wie beispielsweise das Bedürfnis nach Abgrenzung schon bestehender Wörter und Begriffe sowie die Tendenz zur teilweisen Internationalisierung des kroatischen Wortschatzes.

2.4Begriffsbestimmung

Bei der Begriffsbestimmung der Lehnwörter deutscher Herkunft stößt man in der Sprachwissenschaft auf einige Probleme. Zum einen ist schon die Bezeichnung der deutschen Lehnwörter in der linguistischen Literatur vom etymologischen Standpunkt aus umstritten, da sich das Deutsche in vielen verschiedenen regionalen und überregionalen Erscheinungsformen manifestiert. Zum anderen existiert, wie eine Übersicht der in den sprachwissenschaftlichen Abhandlungen dargestellten Definitionen verdeutlicht, keine einheitliche Begriffsbestimmung: In der einschlägigen kroatischen Literatur werden die Ausdrücke germanizam (Germanismus) und njemačka posuđenica (deutsches Lehnwort) gebraucht. Klaić (1988) führt in seinem Fremdwörterbuch unter dem Stichwort germanizam zwei Erklärungen an: 1. Ausdrucksweise im Geiste der deutschen Sprache; 2. Fremdwort, das aus einer germanischen Sprache übernommen wurde. Simeon (1969) führt in seinem Lexikon der Sprachwissenschaft drei Bedeutungserklärungen dieses Begriffs an: 1. allgemein Besonderheit aus Deutschland, die von anderen Völkern oder Sprachen übernommen wurde (Bräuche, Sprache u.Ä.); 2. insbesondere bezieht es sich auf ein Wort, eine Konstruktion aus der deutschen Sprache; 3. im weiteren Sinne, aus einer germanischen Sprache übernommenes oder nach ihrem Vorbild gebildetes Wort, Ausdruck oder Konstruktion. Laut Babić (1990) ist die erste Bedeutungserklärung im gesellschaftlichen Sinne, die dritte im linguistischen und die zweite allgemein zu weit gefasst und ergänzt: Alles was in der kroatischen Sprache unmittelbar oder mittelbar aus der deutschen Sprache stammt, gilt als Germanismus (ebd. 217). Diese Deutung trennt Wörter deutscher Herkunft klar in zwei Gruppen: indirekte und direkte Germanismen. In der Sprachwissenschaft wird die Rolle der Mittlersprache unterschiedlich bewertet. Viele Autoren denken, dass bei der Bestimmung der Herkunftssprache des Lehnwortes nicht die Sprache, aus der das Wort tatsächlich stammt, im Vordergrund steht, sondern nur diejenige Sprache, aus der das Wort letztendlich in die Nehmersprache übernommen wurde (Theorie der etymologia proxima, vgl. Muljačić, 2000: 302). So wurde beispielsweise das Wort kiosk aus dem Deutschen Kiosk ins Kroatische übernommen. Das Deutsche hat jedoch selbst das Wort aus dem Französischen kiosque entlehnt. Dieser Ausdruck stammt wiederum aus dem Türkischen, das es selbst aus der persischen Sprache übernommen hat. Während für die direkte Entlehnung als Voraussetzung gilt, dass diese Art von Sprachkontakt von einem zweisprachigen Sprecher realisiert wird, kann bei der indirekten Entlehnung auch eine Sprache oder häufiger sogar öffentliche Medien die Mittlerrolle innehaben (vgl. Filipović, 1986: 51). In Mittel-, Ost- und Südosteuropa übte diese Mittlerrolle in den meisten Fällen das Deutsche aus (ebd. 190). Muljačić (1971: 43) verweist in seinen Forschungen über kroatisch-französische und kroatisch-italienische Sprachkontakte auf die Mittlerrolle des Deutschen und auf die Tatsache, dass Wien zur Zeit der Habsburger Monarchie, teilweise auch heute noch, ein großer „Rangierbahnhof“ für die Weiterleitung deutscher Gallizismen, Italianismen und Anglizismen in Richtung Nordosten spielte. Italianismen kamen im 18. Jahrhundert insbesondere im Zuge der Terminologisierung in das österreichische Deutsch, weil ein großer Teil Norditaliens unter österreichischer Herrschaft stand (Jernej, 1956: 61).

Babić (1990: 217ff) unterscheidet zwischen echten Germanismen (direkt aus dem Deutschen ins Kroatische entlehnte deutsche Wörter), Halbgermanismen (deutsche Wörter, die mittels einer anderen Sprache ins Kroatische entlehnt wurden) und Pagermanismen (Wörter, die das Deutsche aus einer anderen Sprache entlehnt hat und dann ins Kroatische vermittelte). Pagermanismen können zwei Erscheinungsformen haben: Die Entlehnungen wurden schon im Deutschen phonologisch oder semantisch bzw. phonologisch und semantisch angepasst und als adaptierte Formen ins Kroatische übernommen, z.B. das kroatische Wort cigla < dtsch. Ziegel < lat. tegula; kro. adut < dtsch. Adutt < frz. à tout usw. Zum zweiten Typ gehören Wörter, die im Deutschen nicht angepasst wurden, das Deutsche also nur als Mittlersprache im Transfer fungierte. Da es sich bei diesen Wörtern hauptsächlich um Entlehnungen aus dem Lateinischen, Französischen und vereinzelt aus dem Neugriechischen handelt, kann diese Gruppe auch als Europäismen bezeichnet werden, weil sie in mehreren europäischen Sprachen zu finden sind, z.B. atlas, dekan, docent, recept, internist u.Ä. Nach diesen Kriterien führte Babić eine Analyse der von Schneeweis ermittelten Germanismen im Serbokroatischen durch und kam auf diese Weise zu einer Liste von 88 echten Germanismen, die Babić weiter nach ihrer wahren Herkunft, der Zeit der Entlehnung, dem Grad der Integration im Sprachsystem und dem Verhältnis des Lehnwortes zur Standardsprache nach der Zeit ihrer Entlehnung bestimmt.

Für Turk (1994: 186ff) sind echte Germanismen nur diejenigen deutschen Entlehnungen, die ursprünglich deutsche Wörter sind und direkt aus dem Deutschen ins Kroatische übernommen wurden. Indirekte deutsche Entlehnungen zählt sie zur Gruppe der unechten Germanismen. Die Zeit der Entlehnung ist ebenfalls ein wichtiges Kriterium für die Bestimmung des Status des Germanismus in der kroatischen Sprache, weil ältere Entlehnungen in der Regel eine vollständig veränderte Phonemstruktur aufweisen und somit vollständig in die kroatische Sprache integriert sind und, nach Filipović, den Status einer Kompromissreplik aufweisen: Der deutsche Muttersprachler erkennt die Entlehnung nicht mehr als deutsches Wort, die kroatischen Sprecher empfinden es jedoch als fremdes Wort. Wichtig für die Untersuchung deutscher Lehnwörter im Kroatischen ist auch ihr sprachlicher Status in der Nehmersprache bzw. ihre Zugehörigkeit zur Standardsprache, Dialekt, Umgangssprache usw.

Piškorec (2001: 40) macht eine Unterteilung der indirekten deutschen Entlehnungen in primär und sekundär. So sind Wörter, die das Deutsche beispielsweise aus dem Lateinischen entlehnt und dann ins Kroatische vermittelt hat, primäre Germanismen und sekundäre Latinismen. Die Mittlersprache ist die eigentliche Gebersprache (ebd. 40). Somit sind auch ursprüngliche deutsche Wörter, die über eine andere Sprache ins Kroatische vermittelt wurden, keine echten Germanismen. Als Beispiel führt der Autor das Wort šaraf an, das die kroatische Sprache aus dem Ungarischen entlehnt hat und somit ein Hungarismus ist, obwohl es auch im Ungarischen eine Entlehnung aus dem österreichischen Wort Schraffe ist, folglich einen primären Hungarismus und sekundären Germanismus darstellt.

Ljubičić (2011: 52f) nennt Entlehnungen aus romanischen Sprachen, die über das Deutsche ins Kroatische vermittelt wurden, deutsche Romanismen und kroatische Germanismen, z.B. rezonirati < dtsch. räsonieren < frz. raisonner. Wörter aus dem Englischen, die über das Deutsche ins Kroatische vermittelt wurden, sind demnach deutsche Anglizismen und kroatische Germanismen, z.B. šrapnel < dtsch. Schrappnell < engl. shrapnel u.v.m.

Eine einheitliche, von allen anerkannte Begriffsbestimmung und eine ihr folgende Untersuchung der deutschen Lehnwörter im Kroatischen gibt es jedoch noch immer nicht. Der Grund dafür liegt in der Tatsache, dass der Begriff Germanismus an und für sich nicht transparent und präzise genug ist. Nimmt man dazu noch die allgemeine Definition der -ismen, nach der ein -ismus nach der Gebersprache bestimmt wird (Samardžija, 1995: 49), in Betracht, so wäre ein Germanismus jedes Wort, dass die kroatische Sprache aus dem Deutschen entlehnt hat, ohne Rücksicht auf seine wahre Herkunft. Wenn man dieser Definition folgen würde, so müsste man alle deutschen Wörter, die die kroatische Sprache über eine andere Sprache entlehnt hat, nicht als Germanismus betrachten, sondern als -ismus der betreffenden Mittlersprache. So beispielsweise das Wort šogor, das aus dem Ungarischen ins Kroatische entlehnt wurde (sógor), folglich als Hungarismus betrachtet werden kann, obwohl es ursprünglich auf das deutsche Wort Schwager zurückgeht. Aus diesem Grunde wird im vorliegenden Band der Terminus deutsche Entlehnung bevorzugt. Dazu zählen: alle Wörter, die aus der deutschen Sprache direkt oder indirekt in die kroatische Sprache entlehnt wurden. Dabei werden diejenigen Wörter, die ursprünglich deutscher Herkunft sind und direkt oder indirekt ins Kroatische entlehnt wurden, als echte deutsche Entlehnungen betrachtet. Dazu gehören auch diejenigen Entlehnungen, die im Deutschen aufgrund fremdsprachiger Elemente entstanden sind und als solche nur im Deutschen existieren bzw. in einer anderen Sprache, die sie aus dem Deutschen entlehnt hat. Als unechte deutsche Lehnwörter gelten diejenigen Wörter, die das Deutsche aus einer anderen Sprache entlehnt hat und über deutsche Vermittlung ins Kroatische gelangten, dabei jedoch nicht auf die Grundbedeutung der Entlehnung einwirkte. Nach dieser Klassifikation gehört das Lexem cigla zu den unechten deutschen Entlehnungen im Kroatischen. Es geht auf das deutsche Modell Ziegel, das in die deutsche Sprache aus dem Lateinischen (tegula) entlehnt wurde, zurück. Das Wort apoteka hingegen gehört zur Gruppe der echten deutschen Entlehnungen, weil es auf das deutsche Wort Apotheke zurückgeht, das im Deutschen aufgrund des griechischen Ausdruckes apotíthēmi 'ablegen, aufbewahren' gebildet wurde. Aus diesem Grund gilt auch das Wort šogor als echte deutsche Entlehnung, weil es aus dem Deutschen stammt. Das Ungarische diente zwar als Vermittler und beeinflusste die Form der Replik im Kroatischen, jedoch nicht auch die Bedeutung.

Was Lehnprägungen betrifft, so gilt in der kroatischen Sprachwissenschaft1 für die Beschreibung von Lehnphänomenen in der Lehngutforschung das Gliederungsschema des lexikalischen Lehngutes und die Terminologie von Werner Betz bis heute als Muster und als Grundlage für die meisten Studien, die sich mit den Entlehnungsprozessen aus einer Sprache in eine andere befassen. Žarko Muljačić (1968: 8f) schlägt kroatische Entsprechungen für Betz Terminologie vor: Lehnübersetzung > doslovna prevedenica, Lehnübertragung > djelomična prevedenica, Lehnschöpfung > formalno nezavisan neologizam, Lehnbedeutung > semantička posuđenica, Lehnwendung > frazeološki kalk, Lehnsyntax > sintaktički kalk. Matthias Rammelmeyer (1975: 22) gliedert die Lehnprägungen in Anlehnung an Betz Klassifikation: Lehnbedeutung, Lehnübersetzung, Lehnübertragung, Lehnschöpfung, Teillehnübersetzung, Lehnsyntax, Lehnphraseologie. Der kroatische Sprachwissenschaftler Stjepan Babić (1990: 226) hat Betz Klassifikation teilweise als Grundlage für seine Klassifikation genommen und unterscheidet neben prevedenica (Lehnübersetzung), poluprevedenica (Lehnübertragung), formalno nezavisan neologizam (Lehnschöpfung) und semantička posuđenica (Lehnbedeutung) auch noch hibrid bzw. hibridna složenica (Hybrid bzw. hybride Zusammensetzung). Vesna Muhvić-Dimanovski (1992: 102) unterteilt die Lehnbedeutungen in zwei Typen: Typ I (Übereinstimmung in Form und größtenteils in Bedeutung) und Typ II (Übereinstimmung in Bedeutung). Marija Turk (2013: 64ff) vereint alle diese Klassifikationen und teilt die Lehnprägungen nach den Ebenen, denen sie angehören, in:

Lexikalische Lehnprägung:

a)

Lehnübersetzung (doslovna prevedenica)

b)

Lehnübertragung (djelomična prevedenica)

c)

Teillehnübersetzung (poluprevedenica)

d)

Lehnschöpfung (formalno nezavisni neologizam)

e)

Lehnwendung (frazeološki kalk)

Lehnbedeutung (semantički kalk)

Lehnsyntax (sintaktički kalk)

Jede Kategorie kann Untertypen umfassen. Die Analyse der Lehnprägungen im Kroatischen nach deutschem Vorbild, der das Kapitel 6 im vorliegenden Band gewidmet ist, erfolgt nach dieser Klassifikation.

3Historische Grundlagen

3.1Sprachliche und kulturell-geschichtliche Aspekte

Die geschichtlichen Begebenheiten in Kroatien zeugen durch die jahrhundertelange politische und kulturelle Verbindung Kroatiens zum Habsburgerreich über einen direkten deutsch-kroatischen Sprachkontakt (Stojić, 2006b: 37). Diese reichen noch in die Zeit vor der Ansiedlung der Kroaten auf das Gebiet des heutigen Kroatien im Frühmittelalter,1 als sie im ehemals römischen Illyricum2 ansässig wurden. Sie sind die kontinuierliche Fortsetzung der Sprachkontakte zwischen den Germanen und den Slawen, als das Germanische und Slawische noch ungeteilte Sprachgruppen waren. Wenn man also geschichtlich über die ersten deutsch-kroatischen Sprachkontakte spricht, handelt es sich eigentlich um slawisch-germanische Sprachkontakte, weil diese den deutsch-kroatischen vorausgingen und erfolgten, als das Slawische und Germanische noch ungeteilte Sprachen waren. Ebenfalls muss berücksichtigt werden, dass sich beide Sprachen im Laufe der Zeit entwickelt haben. Für die Beschreibung der deutsch-kroatischen Sprachkontakte ist besonders das Oberdeutsche wichtig, das folgende Entwicklungsstufen unterscheidet:

a)

althochdeutsche Periode (ahd.) von 750 bis 1050,

b)

mittelhochdeutsche Periode (mhd.) von 1050 bis 1350,

c)

frühneuhochdeutsche Periode (frühnhd.) von 1350 bis 1650,

d)

neuhochdeutsche Periode (nhd.) von 1650 bis heute.

Eine chronologische Darstellung der deutschen Entlehnungen im Kroatischen ist ohne Berücksichtigung dieser sprachlichen Entwicklungen des Deutschen nicht möglich. Ebenso wichtig ist auch der geschichtlich-kulturelle Kontext der Sprachkontakte. Die Lautform der Entlehnung deutet auf die Zeit der Entlehnung sowie den Dialekt, aus dem sie entlehnt wurde, hin. Während aber die Entlehnung in der Nehmersprache weiterlebt und sich nach ihren sprachlichen Gesetzmäßigkeiten entwickelt, so geht die Geschichte weiter und es kommt zu neuen politischen Konstellationen (Žepić, 1996: 313). In diesem Kontext kann auch die zeitliche Schichtung der deutschen Entlehnungen in der kroatischen Sprache untersucht werden. Die chronologische Darstellung der deutsch-kroatischen Sprachkontakte erfolgt hier deshalb parallel vom sprachlichen und kulturell-geschichtlichen Aspekt.

3.2Germanisch-slawische Kontakte

Es ist bekannt, dass die slawischen Völker noch vor der Völkerwanderung in ihr Idiom einige hundert germanische Entlehnungen übernommen haben. Diese Problematik wurde ausführlich sowohl von Slawisten als auch Germanisten untersucht.1 Da es keine schriftlichen Aufzeichnungen aus dieser Zeit gibt, gibt es unterschiedliche Interpretationen bezüglich der genauen Datierung des Beginns dieser Sprachkontakte. Einige Sprachwissenschaftler (Kiparsky, 1934; Golab, 1992) denken, dass einige Wörter im Urslawischen noch aus dem Urgermanischen übernommen wurden. Tatsache ist, dass es einige urslawische Germanismen nicht im Gotischen gibt (vgl. Matasović, 2000: 129). Die wahrscheinlichste und verbreitetste Hypothese ist, dass es zum Einfluss der germanischen Sprache auf das Urslawische frühestens im 2. Jahrhundert nach Christus zur Zeit der Expansion der Goten vom Baltikum bis zum Schwarzen Meer kommen konnte. Auf diesem Gebiet waren zu dieser Zeit die Urslawen ansässig. Die meisten Lehnwörter, die im Urslawischen erscheinen, sind aus dem Gotischen, Balkangermanischen und aus den westgermanischen Mundarten ins Urslawische gekommen. Dieser Einfluss zeigt sich in den sog. gemeinslawischen Entlehnungen, bei denen es noch keine einzelsprachliche Differenzierung gibt (vgl. Strieder-Temps, 1958: 6). Das sind allslawische deutsche Lehnwörter,2 d.h. germanische Wörter, die in alle slawischen Sprachen entlehnt wurden, wie beispielsweise:

kro. badanj3 < germ. budin, ahd. butin(a), nhd. Bütte;

kro. bukva < germ. *bokaz/*boko, nhd. Buche;

kro. čabar < ahd. zubar/zuibar, nhd. Zuber;

kro. gredelj < ahd. grintil, nhd. Grendel;

kro. hiža < got. *husa, nhd. Haus;

kro. hljeb < germ. *χlaibaz, got. hlaifs «panis», nhd. Laib;

kro. javor < germ. *ahurna, ahd. ahorn;

kro. kabao < ahd. *kubil, nhd. Kübel;

kro. kupiti < got. kaupon, nhd. kaufen;

kro. lihvar < got. leihvan, nhd. leihen;

kro. lug (pepeo) < ahd. louga, nhd. Lauge;

kro. mito < got. mōta, ahd. mūta, nhd. Maut;

kro. pila < germ. *finhlo, ahd. fila, nhd. Feile;

kro. plug < got. *plōgs, ahd. pluoc, nhd. Pflug;

kro. skot < germ. *skattaz, got. skatts «Geld», ahd. skaz, nhd. Schatz;

kro. skut < got. *skauts, nhd. Schoß;

kro. uborak < ahd. ambar, eimbar, nhd. Eimer usw.

Neben diesen Entlehnungen, die ein Zeugnis über die kulturellen Beziehungen zwischen Germanen und Slawen ablegen, gibt es auch eine Reihe von Wörtern, die auf die Kriegsorganisation der Germanen, die von den Slawen übernommen wurde, hinweisen (Žepić, 1996: 212):

kro. bradva < germ. barda, nhd. Barte;

kro. brnjica < got. brunjo, ahd. brunja, nhd. Brünne;

kro. knez < urgerm. *kuningaz oder got. *kuniggs, nhd. König;

kro. puk < germ. plŭkŭ, nhd. Volk;

kro. vladati < ahd. waltan, nhd. walten;

kro. mač < got. mēkeis, nhd. Schwert.

3.3Entlehnungen aus der althochdeutschen Periode

3.3.1Das Königreich Kroatien

Mit der Ansiedlung der Kroaten in ihr neues Heimatland beginnt im 7. Jh. der Kontakt mit den westlichen Nachbarn, den deutschen Franken, deren Herrscher Karl der Große im Jahre 800 zum Kaiser des römischen Reiches gekrönt wurde. Auch das Pannonische Kroatien erkennt während der Herrschaft des Fürsten Ljudevit Posavski die Obrigkeit des Frankenreiches an, daraufhin auch das kroatische Küstenland unter der Herrschaft von Fürst Borna. Die Vorherrschaft von Karl dem Großen dauerte nicht sehr lange, aber der Einfluss war spürbar. So kann man die karolingische Macht und Persönlichkeit Karls des Großen beispielsweise in der slawischen Bezeichnung kralj sehen, ein Nomen Appellativum für »König«, das sich aus dem Namen des damaligen Frankenkönigs und späteren römischen Kaisers entwickelte.

Im Hinterland Dalmatiens entstanden seit dem 8. Jahrhundert slawische Reiche, die sich in einem breiten Streifen entlang der Küste von Ostistrien bis östlich von Split erstreckten. Durch ein Bündnis mit Byzanz bekam Kroatien die Adriainseln und die Städte Split, Trogir und Zadar zugesprochen, die bis dahin formell unter byzantinischer Herrschaft standen. Dieser Staat, der unter König Tomislav zum Königreich Kroatien wurde, umfasste somit bis auf Istrien alle heutigen kroatischen Gebiete. Sprachliche Einflüsse des Deutschen auf die kroatische Sprache gab es auch in dieser Zeit. Ein wichtiges Zeugnis dafür ist das in Stein gemeißelte kroatische Sprachdenkmal Baščanska ploča (Tafel von Baška), das in kroatischer glagolitischer Schrift um das Jahr 1100 entstand und Angaben über den Bau der Kirche der hl. Lucija enthält und dokumentiert, dass der kroatische König Zvonimir dieser Kirche eine Schenkung machte. Die Tafel zeugt u.a. vom Einfluss kultureller Zentren des germanischen Teiles Europas (Goldstein, 1995: 416). Da die Kroaten als Nachbarn zwei der stärksten christlichen Staaten hatten, im Osten Byzanz, im Westen das Frankenreich, spielte die Christianisierung für die Kroaten eine entscheidende Rolle, weil ihnen das Christentum dazu verhalf, auf diesen Gebieten zu überleben und auf diese Weise in den Kreis der europäischen Völker wie auch in die Welt des Schrifttums und Kultur einzugehen. Der Prozess der Christianisierung verlief in zwei Richtungen: von Seiten byzantinischer Priester aus dalmatinischen Küstenstädten und deutschen Priestern in der Zeit vom 7. bis 9