Didaktik / Methodik Sozialer Arbeit - Daniela Steenkamp - E-Book

Didaktik / Methodik Sozialer Arbeit E-Book

Daniela Steenkamp

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Beschreibung

Das Standardwerk in der 9., vollständig überarbeiteten und erweiterten Auflage Dieses Lehrbuch führt grundlegend in die Didaktik und Methodik Sozialer Arbeit ein. Es hilft Studierenden dabei, Konzepte für die praktische Arbeit zu entwickeln, Lösungen praktischer Aufgaben strukturiert und zielorientiert zu erarbeiten, Arbeitsschritte theoretisch begründen zu können und die Wirksamkeit der eigenen Arbeit zu überprüfen. Dieses Arbeitsbuch ist reichhaltig mit didaktischen Elementen ausgestattet. Leser:innen finden Verständnisfragen zum Text, Lernfragen zur Prüfungsvorbereitung, Zusammenfassungen und zahlreiche Infokästen, die die Ausführungen auf den Punkt bringen. utb+: Leser:innen erhalten als digitales Zusatzmaterial zusätzlich zum Buch ausführliche Prüfungsfragen mit Antworten und Musterbeispiele, um das erlernte Wissen zu überprüfen und anzuwenden.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 365

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Studienbücher für soziale Berufe; 2

Hrsg. von Prof. Dr. Roland Merten, Friedrich-Schiller-Universität Jena und Prof. Dr. Cornelia Schweppe, Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Daniela Steenkamp/Johannes Schilling

Didaktik / Methodik Sozialer Arbeit

Grundlagen und Konzepte

9., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage

Mit 36 Abbildungen, 3 Tabellen

Mit Online-Material

Ernst Reinhardt Verlag München

Prof.in Dr.in Daniela Steenkamp, Professorin für Soziale Arbeit an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Villingen-Schwenningen, Fachbereich Sozialwesen.

Dr. Johannes Schilling, emeritierter Professor an der Hochschule Düsseldorf, Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften, insbesondere Didaktik/Methodik, Jugendarbeit und Freizeitpädagogik.

Außerdem im Ernst Reinhardt Verlag als UTB lieferbar:

Schilling, J., Klus, S.: Soziale Arbeit (8., akt. Aufl. 2022, 978-3-8252-8808-2)

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

UTB-Band-Nr.: 8311

ISBN 978-3-8252-8841-9 (Print)

ISBN 978-3-8385-8841-4 (PDF-E-Book)

ISBN 978-3-8463-8841-9 (EPUB)

9., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage

© 2024 by Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, Verlag, München

Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung der Ernst Reinhardt GmbH & Co KG, München, unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen in andere Sprachen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Verlag Ernst Reinhardt GmbH & Co KG behält sich eine Nutzung seiner Inhalte für Text- und Data-Mining i.S.v. § 44b UrhG einschließlich Einspeisung/Nutzung in KI-Systemen ausdrücklich vor.

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Printed in EU

Einbandgestaltung: siegel konzeption | gestaltung, Stuttgart

Cover unter Verwendung eines Fotos von © txakel/Fotolia.com

Satz: Bernd Burkart; www.form-und-produktion.de

Ernst Reinhardt Verlag, Kemnatenstr. 46, D-80639 München

Net: www.reinhardt-verlag.de E-Mail: [email protected]

Inhalt

Einleitung

Teil 1 Didaktik – Theoretische Grundlagen

1Didaktik als Wissenschaft

1.1Was versteht man unter Sozialer Arbeit?

1.2Was versteht man unter Didaktik?

1.2.1Didaktik – eine Wissenschaft

1.2.2Didaktik – eine Theorie

1.2.3Didaktik – ein Modell

1.3Zusammenfassung: Anregung für eine Didaktik Sozialer Arbeit

2Klassische Theorien der Didaktik

2.1Geschichtlicher Überblick, Auswahl von Theorieansätzen

2.2Bildungstheoretische Didaktik von Wolfgang Klafki (1927–2016)

2.2.1Theoretische Überlegungen

2.2.2Didaktische Überlegungen

2.2.3Zusammenfassung: Anregung für eine Didaktik Sozialer Arbeit

2.3Lerntheoretische Didaktik von Paul Heimann (1901–1967) und Wolfgang Schulz (1929–1993)

2.3.1Vom Berliner zum Hamburger Modell

2.3.2Hamburger Modell von Wolfgang Schulz

2.3.3Zusammenfassung: Anregung für eine Didaktik Sozialer Arbeit

3Neuere Theorieansätze einer Didaktik

3.1Interaktionistischer bzw. reflexiv-diskursiver Konstruktivismus von Reich (1948) und Lindemann (1970)

3.1.1Theoretische Überlegungen

3.1.2Pädagogische Überlegungen

3.1.3Konstruktivistische Didaktik

3.1.4Zusammenfassung: Anregung für eine Didaktik Sozialer Arbeit

3.2Neurowissenschaftliche Theorie-Ansätze einer Didaktik nach Herrmann, Roth u. a

3.2.1Forschungsergebnisse

3.2.2Forderungen an die Pädagogik

3.2.3Überlegungen zur Neurodidaktik

3.2.4Zusammenfassung: Anregung für eine Didaktik Sozialer Arbeit

Teil 2 Didaktik – Praktische Grundlagen

4Bedingungsanalyse (1. – 3. Didaktischer Baustein)

4.1Wortfeld Didaktik

4.2Bedingungsanalyse – anthropologische Konstante

4.3Didaktische Bausteine

4.3.1Erster didaktischer Baustein: Sozialarbeiter:innen und Ressourcen

4.3.2Zweiter didaktischer Baustein: Voraussetzungen der Adressat:innen

4.3.3Dritter didaktischer Baustein: Handlungskonstellation

4.4Bedingungsanalyse und Konzepterstellung

4.4.1Raster einer Bedingungsanalyse

4.4.2Überarbeitung einer Bedingungsanalyse

4.5Zusammenfassung: Kernaussagen

5Ziele (4. Didaktischer Baustein)

5.1Handeln und Motiv

5.2Didaktisches Dreieck

5.3Zieldifferenzierung

5.3.1Professionelle Einschätzungsziele

5.3.2Adressat:innenziele

5.3.3Kollaborationsziele

5.3.4Ergebnis-Verlauf/Begründung

5.4Formulierung und Kategorie von Zielen

5.5Abstraktionsgrade von Zielen

5.5.1Ordnung der Ziele

5.5.2Richt-, Grob- und Feinziele

5.5.3Kriterien für Ziel-Ebenen

5.6Ziel-Ebene: Einschätzungs-, Adressat:innen- und Kollaborationsziele

5.6.1Richtziel-Ebene

5.6.2Grobziel-Ebene

5.6.3Feinziel-Ebene

5.7Zeitaufwand und Kompliziertheit

5.8Ziele und Konzepterstellung

5.9Zusammenfassung: Kernaussagen

6Methoden – Medien – Rhetorik (5. Didaktischer Baustein)

6.1Klärung von Fragen zu Methoden

6.1.1Wortfeld Methode, Methodik

6.1.2Verhältnis von Didaktik und Methodik

6.1.3Vermittlungsvariablen

6.1.4Gute und schlechte Methoden

6.1.5Methoden der Sozialarbeit

6.1.6Einstieg in die Praxis

6.2Überlegungen zum methodischen Lernen

6.2.1Sinnesorgane

6.2.2Wahrnehmung

6.2.3Ganzheitliches Lernen

6.2.4Gedächtnis

6.2.5Kommunikation, Motivation, Aktivierung

6.3Medienpädagogik - Mediendidaktik

6.4Rhetorik

6.4.1Bedeutung von Rhetorik

6.4.2Probleme und Hilfen beim Reden

6.5Methoden, Medien und Konzepterstellung

6.6Zusammenfassung: Kernaussagen

7Anthropologie (6. Didaktischer Baustein)

7.1Kriterien für die Entwicklung eines Menschenbildes

7.2Dimensionen eines Menschenbildes

7.2.1Sechs Dimensionen

7.2.2Natur – Gesellschaft – Kultur (Pestalozzi)

7.2.3Anthropologisches Orientierungsmodell

7.3Emotion und Kognition

7.3.1Richard Lazarus: Emotion als postkognitives Phänomen

7.3.2Robert B. Zajonc: Emotion als präkognitives Phänomen

7.3.3Joseph LeDoux: Zwei Wege der Informationsverarbeitung

7.3.4Gerhard Roth: Unbewusste und bewusste Emotionen

7.3.5Daniel Goleman: Emotionale und rationale Seele

7.4Menschenbild Sozialer Arbeit

7.4.1Positives Menschenbild

7.4.2Didaktisches Menschenbild, Ziele

7.5Anthropologie und Konzepterstellung

7.6Zusammenfassung: Kernaussagen

8Konzept (7. Didaktischer Baustein)

8.1Vor- und Nachteile einer Planung

8.1.1Einwände gegen Planung

8.1.2Vorteile einer Planung

8.2Planung und Konzept

8.2.1Planung

8.2.2Konzept

8.3Anthropologisches Lern-Spiral-Modell

8.4Teile eines Konzeptes

8.4.1A-Teil: Inhaltliche Überlegungen

8.4.2B-Teil: Konzeptionelle Überlegungen

8.4.3C-Teil: Überlegungen zur Auswertung/Selbst-Evaluation

8.5Konzeptmodelle

8.5.1Verschiedene Konzeptmodelle

8.5.2Erstes Konzeptmodell: Organisationskonzept

8.5.3Zweites Konzeptmodell: Zielgruppenkonzept

8.5.4Drittes Konzeptmodell: Situationskonzept/Planungsgitter

8.5.5Viertes Konzeptmodell: Spontan-Konzept

8.6Zusammenfassung: Kernaussagen

Ausblick: einige Anmerkungen zur Weiterentwicklung des Modells

Literatur

Sachregister

Das Online-Material zum Buch können Sie unter www.utb.de oder unter www.reinhardt-verlag.de herunterladen. Auf der Homepage geben Sie den Buchtitel oder die ISBN in der Suchleiste ein. Hier finden Sie das Online-Material unter den Produktanhängen.

Einleitung

Didaktik und Schule, das gehört zusammen. Lehren und Lernen in der Schule sind ohne Didaktik nicht denkbar. Didaktik wird dabei als Wissenschaft vom Unterricht verstanden. Didaktik und Pädagogik sind zwei gleichrangige Disziplinen, sie haben ein gemeinsames Gegenstandsfeld, das sie aus unterschiedlichen Perspektiven angehen. Die Forschungen in der Schuldidaktik sind derart angewachsen, dass sie kaum noch zu überschauen sind. Kron z. B. zählt 46 Theorien und Modelle didaktischen Handelns auf, bei steigender Tendenz (Kron et al. 2014, 65). Scholl geht sogar davon aus, dass in der Bundesrepublik Deutschland seit 1945 knapp 100 allgemeindidaktische Theorien entworfen wurden (Scholl 2018, 6).

Anders ist es in der Sozialen Arbeit. An die Erkenntnisse der Schuldidaktik wird in der Sozialen Arbeit (scheinbar) noch nicht angeknüpft. Obwohl seit der Gründung von Fachhochschulen Ende der 1960er Jahre das Fach Didaktik eingeführt wurde, gibt es bis jetzt keine allgemein anerkannte Didaktik Sozialer Arbeit.

Da eine Didaktik Sozialer Arbeit noch immer in den Anfängen steckt, die Schuldidaktik jedoch im Vergleich vielfältige Forschungen vorzuweisen hat, sollte man sich in der Sozialen Arbeit mit den Ergebnissen der Schuldidaktik auseinandersetzen und herausfiltern, welche Ergebnisse für eine Didaktik Sozialer Arbeit brauchbar sein könnten.

offenes Modell

Der folgende Versuch zur Formulierung einer Didaktik im Rahmen Sozialer Arbeit nimmt deshalb die Schuldidaktik und Allgemeine Didaktik als Grundlage und wägt ab, welche Strukturelemente für eine Didaktik Sozialer Arbeit von Bedeutung sein könnten. Einschränkend muss jedoch gesagt werden: Es handelt sich um einen Entwurf mit drei Besonderheiten. 1. Es ist ein vorläufiges, offenes Lehr-Lern-Spiral-Modell, das Sie zur Mit- und Weiterarbeit anregen will. 2. Unter einem Modell verstehen wir eine Art Vorform einer Theorie, die durch eine gewisse Unabgeschlossenheit und Offenheit gekennzeichnet ist. 3. Das folgende Modell beruht vor allem auf vier Theorieansätzen: bildungstheoretische Didaktik (Klafki 1989), lerntheoretische bzw. lehrtheoretische Didaktik (Heimann et al. 1965), konstruktivistische Anregungen zur Didaktik (Reich 1948, Lindemann 1960) und Neurodidaktik (Herrmann et al. 2009).

vierDidaktik-Modelle

Allerdings werden wir uns nicht nur an diese Didaktik-Modelle anlehnen, sondern auch von anderen Didaktikansätzen Elemente übernehmen, wenn sie für eine Didaktik Sozialer Arbeit nützliche Aspekte aufweisen.

Arbeitsbuch

Das Buch ist für Studentinnen und Praktiker:innen geschrieben und als Lehr- und Arbeitsbuch gedacht, d. h., Sie werden eingeladen, mitzuarbeiten und Ihre eigenen Gedanken zu entwickeln. Am Schluss eines jeden Kapitels sind Lernfragen formuliert, an denen Sie Ihr Wissen überprüfen können.

Gegenüber älteren Auflagen dieses Buches möchten wir auf Folgendes hinweisen:

■Das Buch hat in der 7. Auflage ein neues Titelbild bekommen. Es soll andeuten: In der Sozialen Arbeit tätige Menschen sind zusammen mit ihren Adressat:innen immer im Prozess, auf der Reise. Das Titelbild soll auch den Bezug zu einem der anderen Bücher des Autors Johannes Schilling (zuletzt Schilling/Klus 2022) herstellen. Beide Bücher verstehen sich als eine Einheit. „Soziale Arbeit“ legt allgemeine Grundlagen und „Didaktik“ bietet Hilfen für die Praxis Sozialer Arbeit.

■Wir erheben nicht den Anspruch, dass wir eine Theorie der Didaktik Sozialer Arbeit entwerfen. Vielmehr verstehen wir diesen Versuch als ein offenes, vorläufiges Modell. Auch wenn wir im Folgenden häufig nur von Didaktik oder Didaktik Sozialer Arbeit (verkürzt) sprechen, ist damit stets unser Didaktik-Modell Sozialer Arbeit gemeint (vgl. Abb. 1).

■Das Modell ist in seinen Grundzügen von Johannes Schilling entwickelt worden. Nach wie vor enthält es sieben bewährte Bausteine, die wir jedoch in Teilen einer Revision unterzogen haben. Zwar schließen wir auch in dieser Ausgabe an zentrale didaktische Theorien in den Erziehungswissenschaften/ der Schulpädagogik an, greifen aber auch das veränderte Selbstverständnis Sozialer Arbeit seit der erstmaligen Erarbeitung des vorliegenden Modells stärker auf. Menschen, die Soziale Arbeit leisten, bezeichnen wir daher in Abweichung zu bisherigen Ausgaben nicht mehr als Lernhelfende, sondern ausschließlich als Sozialarbeiter:innen. Die Menschen, mit denen wir es in der Sozialen Arbeit zu tun haben, bezeichnen wir in Abweichung zu vorherigen Ausgaben nicht mehr als Lernende, sondern als Adressat:innen (vgl. Bitzan/Bolay 2017, 11; Kubisch/Franz 2022, 414). Dies tun wir, weil uns bewusst ist, dass aus der Sicht der Wissenschaft Soziale Arbeit sozialarbeiterisches Handeln nicht primär als pädagogisch betrachtet werden kann/muss (vgl. Kubisch/Franz 2022, 415).

■Neuere konzeptionelle Ansätze in der Sozialen Arbeit wie beispielsweise das Fachkonzept Sozialraumorientierung nach Hinte (2005) mit seinen handlungsleitenden Prinzipien (beispielsweise, dass Menschen als Expert:innen ihres eigenen Lebens betrachtet werden und ihr Wille als entscheidend betrachtet wird) und Empowerment (mit dem Fokus auf Entwicklung von Eigenmacht) (Blank 2024) stehen in einem gewissen Spannungsfeld zur Idee, Menschen, die Sozialarbeit in Anspruch nehmen, von der Schulpädagogik her kommend vorrangig als Lernende zu verstehen. Auch geht es bei Sozialer Arbeit in den letzten Jahren weniger um Lehr-Lern-Prozesse, sondern um Ermutigung, Ermöglichung und Befähigung auf der Grundlage eines partner:innenschaftlichen Verhältnisses (DBSH 2014).

■Dennoch bleiben wir dabei, Soziale Arbeit handlungsübergreifend und überinstitutionell historisch nachverfolgbar (auch) als Bildungsarbeit mit dem Ziel der größtmöglichen Autonomie des Einzelnen zu verstehen, dafür zielgerichtet (auch) Lernprozesse mit dem Ziel von Verhaltensmodifikationen zu initiieren und in diesem Kontext didaktische Modelle aus der Schulpädagogik als Referenzrahmen zu nutzen, ohne die damit verbundenen Anschlussprobleme oder Widersprüche zu negieren. Vielmehr werden wir diese an einigen Stellen erstmals aufgreifen und zur Diskussion stellen.

Abb. 1: Didaktikmodell Sozialer Arbeit

■Unser verändertes Selbstverständnis wirkt sich begrifflich auch auf unseren Handlungsrahmen und die Zielformulierung aus: Wir sprechen nicht mehr von einer (eher asymmetrisch angelegten) Lehr-Lern-Situation, sondern von einer Handlungskonstellation. Die Ziele der Sozialarbeiter:innen bezeichnen wir nicht mehr als Erziehungsziele, sondern als (professionelle) Einschätzungsziele. Die Ziele der Adressat:innen benennen wir als Adressat:innenziele, die sich oft in Handlungen äußern. Die mithilfe der Sozialen Arbeit zu erreichenden Ziele nennen wir zukünftig Kollaborationsziele statt Lernziele. Auch wenn es sich um Lernziele handeln kann, nutzen wir zukünftig den Begriff der Kollaborationsziele, um den Aushandlungsprozess, den dialogischen Charakter, die Wahrung der Autonomie und Selbstbestimmung sowie den partizipativen Anspruch der Adressat:innen deutlicher herauszustellen.

■Wir diskutieren an späterer Stelle noch, inwiefern dieses Schaubild auf eine zentrale Leerstelle unseres Modells verweist, nämlich auf die in unserem Modell nicht abgebildete Arbeit an strukturellen Rahmenbedingungen. In Abweichung zu früheren Ausgaben legen wir in dieser Ausgabe ein stärkeres Augenmerk auf das Mandat der Sozialen Arbeit im Sinne eines anwaltschaftlichen Eintretens für gerechte Lebensverhältnisse und Gemeinwesenarbeit .

■Der Inhalt des Buches ist in zwei Teile untergliedert. Im ersten Teil klären wir wichtige Begriffe wie Wissenschaft, Theorie, Modell und beziehen diese auf die Frage: Was davon trifft auf eine Didaktik Sozialer Arbeit zu? Im zweiten Teil entwerfen wir einzelne Schritte eines Modells Didaktik Sozialer Arbeit.

■Musterbeispiele für eine Konzepterstellung finden Sie im Online-Zusatzmaterial, das genau genommen den dritten Teil dieses Buchs darstellt. Sie können die Musterbeispiele ebenso wie die Lernfragen online unter www.utb.de oder www.reinhardt-verlag.de nachlesen bzw. studieren oder sich mithilfe des QR-Codes dorthin navigieren.

■Neu ist, dass Sie beliebig bei einem dieser drei Teile mit dem Studium anfangen können. Wen eher die Praxis- und Musterbeispiele interessieren, schaut sich diese im dritten Online-Teil an. Andere beginnen vielleicht mit dem zweiten Teil und informieren sich über die einzelnen Arbeitsschritte einer Didaktik Sozialer Arbeit. Wir hoffen natürlich, dass auch der erste Teil gelesen wird. Wichtig sind auf jeden Fall alle drei Teile, aber welche Teile Sie auswählen, bleibt Ihnen überlassen.

■Das didaktische Modell Sozialer Arbeit ist unvollständig. Alle möglichen Aspekte können hier nicht berücksichtigt werden. Wir haben folgendes Problem: Unser Modell erhebt den Anspruch, praxisbezogen zu sein. Würden wir alle sicher wichtigen Aspekte, die Sozialarbeiter:innen vorschweben, berücksichtigen, wäre das Didaktik-Modell nicht mehr praxistauglich. Also haben wir einige wenige Aspekte beispielhaft ausgewählt. Sie dürfen selbst entscheiden, welche Aspekte für Sie wichtig sind, welche fehlen und ergänzt oder ersetzt werden sollten.

■Bezüglich der eingearbeiteten Literatur möchten wir Folgendes anmerken: Sie werden feststellen, dass wir noch immer auch ältere Literatur zitieren. Dieses Buch wird bereits seit über 20 Jahren aufgelegt, da ist die Frage berechtigt: Sollten wir nicht die ältere Literatur durch neuere ersetzen? Wir versuchen es zum Teil. Zitate aus älterer Literatur können aber auch heute noch relevant sein. Sie lassen erkennen, mit welchen Problemen, aber auch Zielen für die Einführung einer Didaktik in der Sozialen Arbeit wir zu ringen hatten. Die ältere Literatur gibt somit auch einen Einblick in die Geschichte der Didaktik.

■Einen weiteren Punkt möchten wir noch ansprechen. Die didaktischen Überlegungen sollen keine abstrakte Theorie darstellen, sondern für die Praxis der Sozialen Arbeit relevant sein. Anhand der Beispiele soll deshalb der Praxisbezug deutlich aufgezeigt werden. Das Praxisfeld Sozialer Arbeit ist jedoch sehr breitgefächert. Wollten wir für alle Praxisfelder Beispiele anführen, würden wir scheitern.

■Im ersten Teil haben wir zwei neuere Theorieansätze von Didaktik ausgewählt und ihre Relevanz für eine Didaktik Sozialer Arbeit dargestellt. Selbstverständlich hätten wir von den etwa 46 Theorieansätzen auch andere auswählen können. Auch hier gilt, was wir zuvor gesagt haben: Niemand muss unserer Entscheidung folgen.

■Das Buch hat den Charakter eines Lehrbuches. Sie werden zum Mitdenken und Mitarbeiten eingeladen. Dafür werden im Text häufig Reflexionsfragen gestellt.

■Am Ende eines jeden Kapitels wird der Bezug des Themas zum Gesamten in Kernaussagen und in einem Schaubild zusammengefasst. Dieses wird in jedem weiteren Kapitel durch das neue Thema ergänzt, sodass die Grafik im letzten Kapitel insgesamt zeigt, wie die einzelnen Themen und Teile im Zusammenhang stehen und gesehen werden müssen.

Am Ende des Buches finden Sie ein Kapitel (Ausblick), in dem Steenkamp die Grenzen und Erweiterungsmöglichkeiten unseres Modells diskutiert.

Einige Textstellen sind mit Zeichen/Symbolen versehen, die einer schnelleren Orientierung dienen sollen. Hier ihre Bedeutung:

Wichtige Inhalte sind eingerahmt, dadurch sind sie leicht zu erkennen.

Besonders wichtige Elemente sind eingerahmt und zusätzlich mit einem Ausrufezeichen-Symbol gekennzeichnet.

Definitionen sind mit einem Glühbirnen-Symbol markiert.

Dieses Personen-Symbol weist auf Beispiele aus der Praxis hin.

Das Sprechblasen-Symbol kennzeichnet Reflexionsfragen, die Leser:innen zunächst für sich beantworten sollen.

Lernfragen und Musterbeispiele aus der Praxis stehen als Online-Zusatzmaterial unter www.reinhardt-verlag.de und www.utb-Shop.de zur Verfügung.

Es freut uns, dass das Thema dieses Buches, das nun in der 9. Auflage erscheint, immer noch aktuell ist, wir wünschen allen Leser:innen viel Freude beim Lesen und hoffen, dass jede:r in diesem Buch Anregungen für das Arbeiten in sozialen Berufsfeldern findet.

Donaueschingen/Villingen-Schwenningen 2024 Johannes Schilling, Daniela Steenkamp

Teil 1

Didaktik – Theoretische Grundlagen

Didaktik versucht, die Gesetzmäßigkeiten der Natur bzw. des Menschen, die sein Denken und Handeln bestimmen, herauszufinden, zu erklären und für den Menschen nutzbar zu machen. Sie versteht sich als eine Wissenschaft, die nach dem Plan sucht, warum Menschen so und nicht anders handeln, denn menschliches Handeln geschieht nicht chaotisch, sondern planvoll.

1Didaktik als Wissenschaft

In diesem ersten Kapitel sollen zunächst wichtige Fragen geklärt werden: Was wird unter Sozialer Arbeit verstanden? Was unter Didaktik? Was ist das Wesentliche einer Wissenschaft, einer Theorie, eines Modells?

1.1Was versteht man unter Sozialer Arbeit?

Was wird unter Sozialer Arbeit verstanden? Diese Frage wurde in dem Buch „Soziale Arbeit“ von Schilling/Klus (2022) beantwortet. Darin wird die Grundlage für diesen zweiten Band gelegt. In kurzen Zügen soll hier zusammengefasst werden, was Soziale Arbeit ist.

Was ist für Sie Soziale Arbeit? Versuchen Sie eine Umschreibung. Soziale Arbeit ist…

In der Literatur wie auch in der Praxis werden drei Begriffe verwendet: Sozialarbeit, Sozialpädagogik, Soziale Arbeit. Ein geschichtlicher Überblick zeigt, dass Sozialarbeit und Sozialpädagogik unterschiedliche Wurzeln haben und über lange Zeit auch unterschiedliche Aufgaben übernahmen. Zielgruppe der Sozialarbeit waren Erwachsene, die in Not geraten waren. Dagegen wandte sich Sozialpädagogik vor allem Kindern und Jugendlichen zu, die besondere Unterstützung brauchten. Die Trennung der Arbeitsfelder und Zielgruppen wurde im Laufe der Zeit jedoch aufgehoben.

Konvergenz

Sozialarbeit und Sozialpädagogik näherten sich an, ihre Aufgaben überschnitten sich. Diese Annäherung bezeichnen wir als Konvergenz. Es besteht allgemeiner Konsens, das gesamte Arbeits- und Berufsfeld mit dem Titel Soziale Arbeit zu bezeichnen.

Um die eingangs gestellte Frage zu beantworten, kann Soziale Arbeit so umschreiben werden:

Soziale Arbeit umfasst drei Bereiche, die sich in eigenständiger Weise auf den gleichen Gegenstand Sozialer Arbeit beziehen und zugleich mit den anderen Bereichen zirkulär verbunden sind. Zu diesen drei Bereichen zählen Soziale Arbeit

1.als Praxis,

2.als Ausbildung/Studium,

3.als Wissenschaft/Theorie (Schilling/Klus 2022).

1.2Was versteht man unter Didaktik?

Zwei Fragen haben wir:

Werden in Ihrem Studium Seminare in Didaktik angeboten?

Was verstehen Sie unter Didaktik?

Zunächst soll der Begriff Didaktik geklärt werden, um zu wissen, wovon wir sprechen.

Viele Namen von Wissenschaften lassen sich von einem griechischen Wort ableiten z. B. Pädagogik, Psychologie, Physik etc. Die Namen dieser Wissenschaften sind uns bekannt, wir haben sie in unseren Sprachgebrauch aufgenommen.

Didaktik dagegen ist für viele ein unbekannter Begriff, der in unsere Alltagssprache keinen Eingang gefunden hat. Wer sagt schon: „Den Elternabend habe ich didaktisch gut vorbereitet.“ Vielmehr sagt man: „Den Elternabend habe ich gut geplant.“ Didaktisch klingt hochtrabend und fremd.

Wir möchten das Wort „Didaktik“ zu einem Begriff entwickeln, ihn inhaltlich so ausfüllen, dass er verständlich und die Notwendigkeit von Didaktik für Sozialarbeiter:innen deutlich wird.

Wurzeln des Wortes

Die Wurzeln des Wortes Didaktik liegen in der griechischen Antike ca. 600–200 v. Chr. Didaktik hat folgende Bedeutungen:

didactos: 1. lehrbar, 2. gelehrt, unterrichtet

didaskalia: 1. Lehre, Belehrung, Unterricht, 2. belehrend

didasko: Lehrer sein, lehren, belehren, unterrichten

didachae: das Lehren, die Lehre, die Belehrung, Unterricht, Unterweisung

Im Lateinischen wird das griechische Wort mit „doceo“ übersetzt und bedeutet:

■lehren, unterrichten, unterweisen, ansagen, mitteilen

■einstudieren, aufführen lassen (Kron et al. 2014).

Zusammenfassend kann man sagen: Didaktik leitet sich von dem griechischen Wort „didaskein“, dem lateinischen Wort „doceo“ ab und bedeutet ein Zweifaches: lehren, belehren und lernen, belehrt werden. Kurz gefasst bedeutet Didaktik: Es geht um Lehren und Lernen.

Den ersten Entwurf einer Didaktik unternahm 1654 Comenius mit seinem Werk „Didactica Magna“ („Die große Didaktik“).

1.2.1Didaktik – eine Wissenschaft

In der Fachliteratur zur Didaktik findet man unterschiedliche Formulierungen:

■Didaktik ist eine Wissenschaft.

■Didaktik ist eine Theorie.

■Didaktik ist ein Modell.

Was ist sie nun? Im Folgenden wollen wir diese drei Begriffe klären.

Was ist für Sie eine Wissenschaft bzw. was ist das Spezifische einer Wissenschaft?

Wissenschaft

„Das Wort Wissenschaft taucht zum ersten Mal im ‘Studium Generale’ der Universität Erfurt im Jahr 1392 auf. Dort ist von Wizzentschaft die Rede. Im 17. Jahrhundert wird der Begriff allgemein verwendet und bedeutet dem Sinne nach eine einzelne Erkenntnis. Vom 19. Jahrhundert an beginnt die moderne Fassung des Begriffs.“ (Kron et al. 2014, 268)

Nach Kant heißt eine jede Lehre Wissenschaft, wenn sie ein System, also ein nach Prinzipien geordnetes Ganzes von Erkenntnissen, sein soll. Drei Aspekte müssen erfüllt sein, will man von Wissenschaft sprechen: 1. Es geht um Erkenntnisse, 2. sie müssen ein System bilden und 3. sie müssen eine argumentative Struktur besitzen (Kant et al. 1967).

Wissenschaft will Zusammenhänge erklären, die der Erkenntnis nicht unmittelbar zugänglich sind. Sie sucht nach Gründen, die erklären können, was sich hinter den Phänomenen verbirgt, um daraus Schlussfolgerungen für notwendiges Handeln zu ziehen, um dadurch einen Fortschritt für die Menschheit zu ermöglichen. Es geht um Erkenntnisse über die wesentlichen Eigenschaften, kausalen Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten der Natur, Technik, Gesellschaft und des Denkens, das in Form von Begriffen, Kategorien, Messbestimmungen, Gesetzen, Theorien und Hypothesen gefasst wird.

Geht man davon aus, dass Wissenschaft ein geordnetes, folgerichtig aufgebautes, zusammenhängendes System von Erkenntnissen ist, kann man mit Recht davon sprechen, dass Didaktik eine Wissenschaft und zwar eine auf Praxis ausgerichtete Handlungswissenschaft ist (Kron et al. 2014).

Rekus fasst die Bedeutung von Didaktik in den folgenden zwei Sätzen zusammen:

„Didaktisches Handeln ist die Weitergabe des Wissens als erlernbares Wissen. Didaktik als Wissenschaft ist die Theorie didaktischen Handelns.“ (Rekus 2005, 58)

Die Diskussion um die Begründung der Pädagogik/Erziehungswissenschaft einschließlich der Didaktik als deren Teildisziplin als Wissenschaft hat seit Ende der 1990er-Jahre ihren vorläufigen Abschluss gefunden. Gorges fasst die Überlegungen zur Wissenschaft Sozialer Arbeit wie Didaktik Sozialer Arbeit in drei Punkten zusammen:

■„Die Wissenschaft der Sozialen Arbeit ist dabei, sich als relativ eigenständige Disziplin zu etablieren. Im Rahmen ihrer Theoriebildung steht sie auch im Dialog mit verschiedenen Bezugswissenschaften (z. B. Pädagogik, Psychologie, Soziologie, Politologie).

■Didaktik als Teildisziplin der Pädagogik kann als relevante Bezugswissenschaft zu der Wissenschaft der Sozialen Arbeit angesehen werden. Zugleich liegt es nahe, Didaktik im Kontext Sozialer Arbeit als eine Teildisziplin der Wissenschaft der Sozialen Arbeit zu verstehen bzw. zu etablieren. In einem interdisziplinären Dialog können dabei bedeutsame Erkenntnisse für den Wissensbestand der Pädagogik und der Sozialen Arbeit gewonnen werden.

■Es kann keine Didaktik der Sozialen Arbeit geben, sondern nur eine Didaktik in der Sozialen Arbeit oder eine Didaktik im Kontext Sozialer Arbeit.“ (Gorges 1996, 31)

Der letzte Satz ist entscheidend: Es gibt keine Didaktik Sozialer Arbeit, sondern nur eine Didaktik im Kontext Sozialer Arbeit. Wenn wir im Folgenden von Didaktik Sozialer Arbeit sprechen, ist stets gemeint: Didaktik im Kontext Sozialer Arbeit.

1.2.2Didaktik – eine Theorie

Didaktik ist eine Wissenschaft und Didaktik ist eine Theorie. Was ist sie denn jetzt? Eine Wissenschaft oder eine Theorie oder beides? Worin sehen Sie den Unterschied zwischen einer Wissenschaft und einer Theorie?

Theorie

Der Begriff Theorie ist etymologisch von dem griechischen Verb „theorein“ abgeleitet, was so viel wie schauen, durchschauen bedeutet. Das griechische Substantiv „theoria“ bedeutet: Durchschauen eines Zusammenhangs, reine Erkenntnis, wissenschaftliche Lehre, die der Forschung und Entwicklung wissenschaftlich begründeter Praxis dient. Wissenschaften fassen ihre Erkenntnisse in Theorien zusammen.

acht Funktionen

Kron beschreibt acht Funktionen didaktischer Theorien. Sie können

1.um Verstehen und zum Erklären sowohl individueller als auch allgemeiner sozialer Tatbestände bzw. Gegebenheiten angewendet werden,

2.bei Programmen Anwendung finden,

3.zur Prüfung ihrer kognitiven Qualitäten dienen,

4.zur Kritik an anderen Theorien eingesetzt werden,

5.zur Produktion neuer Theorien verwendet werden,

6.zur kritischen Analyse und regelgeleiteten Veränderungen sozialer Wirklichkeit, also der Praxis, dienen,

7.in didaktische Modelle transformiert werden; didaktische Modelle können zur Lösung praktischer Forschungsprobleme Verwendung finden,

8.als Hypothesenrahmen für empirische Lehr-, Lern-, Schul-, Bildungsund Unterrichtsforschung dienen (Kron et al. 2014, 55).

drei Grade

Man unterscheidet drei Grade von Theorien:

1.Erster Grad: Alltagstheorien,

2.Zweiter Grad: Handlungstheorien und

3.Dritter Grad: Gegenstandstheorien (reflektiertes Handlungswissen).

Wesen einer Theorie

Das Wesen einer Theorie ist es,

„eine Sache, die nicht gleich offen zutage liegt, anschaulich und verständlich zu machen. Zu diesem Zweck enthalten wissenschaftliche Theorien […] zum einen eine Menge Fachbegriffe, um Situationen und Verhaltensweisen zu definieren und präzise zu beschreiben. Zum anderen kann der wissenschaftlich Informierte aus seiner Kenntnis der theoretischen Zusammenhänge heraus Erklärungen für ein Verhalten anbieten. Dabei erweitert sich sein Wissen als übertragbar auf neue Situationen. […] Alle Theorien sind mehr oder weniger abstrakt. Das ist kein Mangel, der ihnen vorzuwerfen wäre, sondern ihr Wesen. Sie abstrahieren von konkreten Situationen, sie ziehen aus Einzelsituationen das Typische heraus und versuchen, es übersichtlich darzustellen und zu erklären. Deshalb besteht immer eine mehr oder weniger große Kluft zwischen Theorie und Praxis: Die Theorie macht nur allgemeine Aussagen, bleibt abstrakt, ohne Kontext, ohne Sitz im Leben und fern von Praxis. Die Praxis dagegen begegnet uns immer als konkrete Praxis, als besondere Aufgabe. […] Deshalb ist keine noch so gute Theorie geeignet, den SozialarbeiterInnen zu sagen, wie sie in einer bestimmten Situation handeln sollen.“ (Martin 2005, 53f)

46 Theorien

Für die Didaktik als handlungsorientierte Sozialwissenschaft sind inzwischen viele Theorien entwickelt worden, die sich z. T. überschneiden oder in Konkurrenz oder sogar im Gegensatz zueinander stehen.

Vielfalt vontheoretischenAnsätzen

Die Vielfalt von theoretischen Ansätzen macht ein Dreifaches deutlich:

1.Es gibt nicht die didaktische Theorie; es besteht kein Anspruch auf Allgemeingültigkeit.

2.Die Diskussion ist noch nicht abgeschlossen.

3.Es kann sich nur um offene Theorieansätze handeln. Besonders aufgrund der Heterogenität des Berufsfeldes Sozialer Arbeit ist diese Erkenntnis unabdingbar.

1.2.3Didaktik – ein Modell

Noch einen letzten, dritten Begriff gilt es im Zusammenhang mit Didaktik zu klären: Was versteht man unter einem Modell?

Sehen Sie einen Unterschied zwischen einer Theorie und einem Modell?

Modell

Unter einem Modell versteht man eine Reduzierung einer komplexen Theorie auf ihre wesentlichen Strukturen. Da eine Theorie eher abstrakt ist, versuchen Modelle theoretische Aussagen für die Praxis durchschaubar, verständlich und dadurch brauchbar zu übersetzen.

Vorform

Modelle sind demnach eine Vorform einer Theorie. Sie enthalten einerseits Elemente, die noch nicht zu einer Theorie verknüpft sind, die aber zur Hypothesenbildung herangezogen werden können. Andererseits reduzieren Modelle die Komplexität von Handlungszusammenhängen auf einige bedeutsame Elemente. Sie vereinfachen die Wirklichkeit und können Handeln somit vorbereiten.

Vermittelnde Rolle

Modelle nehmen somit sowohl in Bezug auf die Theoriebildung als auch im Hinblick auf die Praxis eine vermittelnde Rolle ein (Kron et al. 2014). Ihnen kommt eine besondere Bedeutung für praktisches Handeln zu.

Das Verhältnis von Theorie, Modell und Praxis kann man folgendermaßen darstellen:

Wissenschaft – Theorie – Modell – Praxis

1.3Zusammenfassung: Anregung für eine Didaktik Sozialer Arbeit

Die bisherigen Ausführungen wollen wir zusammenfassen und die Frage beantworten, ob eine Didaktik Sozialer Arbeit eine Wissenschaft ist und ob man von einer Theorie oder eher von einem Modell sprechen sollte.

Soziale Arbeit ist eine Handlungswissenschaft, die auf sozialwissenschaftlichen Theorien basiert.

Didaktik als Teildisziplin

Soziale Arbeit versteht sich als eigenständige, wissenschaftliche Disziplin. Sie steht in Kooperation mit Nachbardisziplinen wie z. B. Philosophie, Anthropologie, Psychologie, Soziologie, Pädagogik u. a. m. Diese Nachbardisziplinen haben in Bezug auf eine relativ junge Didaktik Sozialer Arbeit wichtige Forschungsergebnisse erarbeitet, an denen sich die Didaktik Sozialer Arbeit orientieren kann bzw. sollte.

Didaktik ist die Wissenschaft vom Lehren und Lernen.

In Bezug auf unser Thema Didaktik Sozialer Arbeit führen uns all diese Überlegungen über Wissenschaft, Theorie und Modell zu dem folgenden Ergebnis:

1.Didaktik ist eine Wissenschaft. Jede Lehre, die ein System, d. h. ein nach Prinzipien geordnetes Ganzes von Erkenntnissen ist, nennt man Wissenschaft.

offenes,theoretisch-praktischesModell

2.Didaktik Sozialer Arbeit kann man (noch nicht) als Theorie bezeichnen, sondern eher als ein offenes, theoretisch-praktisches Modell. Wenn im Folgenden von Didaktik Sozialer Arbeit gesprochen wird, ist damit stets gemeint: Didaktik im Kontext Sozialer Arbeit ist ein offenes, vorläufiges Theorie-Praxis-Modell.

3.Im deutschsprachigen Raum gibt es keine einheitliche Didaktik. „Dass es Didaktik gibt, besser: geben muss, wird heute von Niemandem bestritten; aber was Didaktik ist, wird seit allen Zeiten und wird heute noch heftig umstritten“ (Peterßen 2001, 15).

Detaillierte Lernfragen zu diesem Kapitel finden Sie unter www.utb.de oder www.reinhardt-verlag.de.

2Klassische Theorien der Didaktik

2.1Geschichtlicher Überblick, Auswahl von Theorieansätzen

Die Geschichte der Didaktik lässt sich bis in das Jahr 3000 v. Chr. zurückverfolgen, bis ins alte Reich Ägyptens und ins sumerische Reich der babylonischen Hochkultur.

Homer

Das Wort Didaktik taucht in der Epoche der homerischen Erziehung (8. Jh. v. Chr.) in seinem jetzigen Verständnis auf. Die Anfänge der Didaktik liegen somit in der Zeit des Homer.

Aristoteles

Aristoteles (300 v. Chr.) fasste die verschiedenartigsten bildungstheoretischen Ansätze seiner Zeit zusammen und legte eine Systematik für das allgemeinbildende und fachliche Unterrichtswesen seiner Zeit vor (Aschersleben 1983, 9–22).

Comenius

Im Mittelalter waren es vor allem St. Viktor (1141), Ratke (1571–1635) und Comenius (1592–1670), die eine Unterrichtslehre entwickelt haben. Die Didaktik von Comenius gilt in ihren Aussagen immer noch und wartet auf ihre Verwirklichung. Er schreibt z. B. über die Aufgabe einer Didaktik (1657):

„Erstes und letztes Ziel unserer Didaktik soll es sein, die Unterrichtsweise aufzuspüren und zu erkennen, bei welcher die Lehrer weniger zu lehren brauchen, die Schüler aber dennoch mehr lernen; und bei der in den Schulen weniger Lärm, Überdruss und unnütze Mühe zugunsten von Freiheit, Vergnügen und wahrhaftem Fortschritt herrscht.“ (Gudjons 2015, 8)

Obwohl Didaktik eine lange Tradition hat, hat sie sich dennoch erst seit ca. den 1930er-Jahren von der praktischen Erziehungslehre zur Wissenschaft entwickelt und ist als recht junge Wissenschaft zu verstehen.

Wenn es hier um didaktische Theorien im Handlungsfeld Sozialer Arbeit geht, muss man allerdings zunächst festhalten:

1.Die didaktischen Theorien beziehen sich weitestgehend auf das Lehren und Lernen in der Schule, sind also Schul-Didaktiken.

2.Es gibt nicht die Didaktik, die didaktischen Ansätze sind offene Systeme und in ihrer Entwicklung nicht abgeschlossen.

3.Die Situation der Didaktik als wissenschaftliche Disziplin an den deutschen Hochschulen kritisiert Reich:

„Gab es noch in den 70er-Jahren zahlreiche didaktische und fachdidaktische Lehrstühle an Universitäten, die in eigenen Bereichen angesiedelt waren und teilweise einen umfangreichen Kontakt zur Praxis unterhielten, so schrumpfte dieser Anteil durch die Neuorganisation der Universitäten, den Abbau von Pädagogischen Hochschulen immer mehr zusammen. Im Zuge von Stelleneinsparungen verringerten sich didaktische Stellen an Universitäten. Einstmals aufgebaute hochschuldidaktische Zentren wurden wieder aufgelöst.“ (Reich 2012, 67)

4.Im Vergleich zu den zahlreichen Theorieansätzen der Allgemeinen Didaktik bzw. der Schuldidaktik steht man in der Diskussion um eine Didaktik Sozialer Arbeit noch am Anfang.

Es stellt sich jedoch die schwere Frage: Welche der vielen Theorieansätze wähle ich aus? Da Soziale Arbeit ein sehr breitgefächertes, differenziertes Arbeitsfeld mit unterschiedlichen Problemlagen und Zielgruppen ist, kann man aus vielen Theorieansätzen für eine Didaktik Sozialer Arbeit Anregungen erhalten. Fast jeder Ansatz enthält mögliche Informationen für eine Didaktik Sozialer Arbeit.

Im Gegensatz zur Didaktik Sozialer Arbeit gibt es im Bereich Schuldidaktik weitreichende Forschung und daraus resultierende Erkenntnisse. Es ist nun also die Aufgabe, aus diesen Erkenntnissen all jene herauszufiltern, die für die Didaktik Sozialer Arbeit adaptiert werden können und so aus der Forschung der Schuldidaktik zu lernen.

Für unser Vorhaben, eine vorläufige, offene Didaktik (Modell im Kontext) Sozialer Arbeit zu entwerfen, werden wir aus der Fülle der Theorieansätze vier auswählen und diese etwas ausführlicher darstellen, um zu eruieren, was sie für eine Didaktik Sozialer Arbeit an Erkenntnisgewinn und Förderung von Handlungskompetenzen beitragen können. Dabei gilt es, auf bestimmte Aspekte zu achten, die für eine Didaktik Sozialer Arbeit relevant sein könnten.

Obwohl wir hier nur vier Theorieansätze vorstellen, bedeutet dies keineswegs, dass Forschungsergebnisse weiterer Theorieansätze wie z. B. Curriculare Didaktik, Kritisch-kommunikative Didaktik, Schüler:innenorientierte Didaktik u. a. nicht auch berücksichtigt werden.

Wir wählen beispielhaft zwei bereits klassisch zu nennende Didaktiken und zwei Didaktiken eher neueren Datums aus:

klassische Theorien

1.Klassische Theorien der Didaktik

–bildungstheoretische Didaktik von Wolfgang Klafki

–lerntheoretische Didaktik von Wolfgang Schulz

neuere Theorien

2.Neuere Theorien der Didaktik

–konstruktivistische Didaktik von Kersten Reich u. a.

–neuro-biologische Didaktik von Ulrich Herrmann u. a.

Anhand dieser ausgewählten didaktischen Theorieansätze können Sie sich ein Bild machen, mit welchen Themen sich die Forscher:innen beschäftigen und zu welchen Forschungsergebnissen sie gelangen.

2.2Bildungstheoretische Didaktik von Wolfgang Klafki (1927–2016)

2.2.1Theoretische Überlegungen

1.Gibt es (gab es) in Ihrem Studium Seminare zum Thema Didaktik Sozialer Arbeit?

2.Wurde Ihnen in Ihrem Studium die klassische Didaktik-Theorie von Wolfgang Klafki vorgestellt?

Kron gibt einen Überblick über die bildungstheoretische Didaktik, die er eher Didaktik von einem bildenden Lernen nennen möchte:

„Der Bildungsbegriff hat seine Wurzeln in einem komplexen Zusammenhang z. B. von Theorien, Modellen, Ideologien, Anthropologien über das Verhältnis des Menschen zur Welt. […] Das Zentrum des Bildungsbegriffes ist durch die Einzigartigkeit des Menschen bezeichnet. […] Das Ziel dieser individuellen geistigen Tätigkeit liegt in der Entwicklung einer wertvollen und unverwechselbaren Persönlichkeit.“ (Kron et al. 2014, 66)

Unter Bildung, ein zentraler Begriff in der von Klafki entworfenen Didaktik, versteht er Folgendes:

Bildung

„Bildung nennen wir jenes Phänomen, an dem wir - im eigenen Erleben oder im Verstehen anderer Menschen - unmittelbar der Einheit eines objektiven (materialen) und eines subjektiven (formalen) Momentes innewerden. […] Bildung ist der Inbegriff von Vorgängen, in denen sich die Inhalte einer dinglichen und geistigen Wirklichkeit erschließen, und dieser Vorgang ist – von der anderen Seite her gesehen - nichts anderes als das Sich-Erschließen bzw. Erschlossenwerden des Menschen für jene Inhalte und ihren Zusammenhang als Wirklichkeit.“ (Klafki 1967)

fünfZielbestimmungen

Um die Bildungsinhalte in einen Lehr-Lern-Prozess zu überführen, nennt Klafki fünf Zielbestimmungen:

1.Das generelle Ziel der Bildung ist, „den Lernenden Hilfen zur Entwicklung ihrer Selbstbestimmungs- und Solidaritätsfähigkeit, deren eines Moment als konstruktive Moment, rationale Diskursfähigkeit, das heißt Fähigkeit zur Begründung und Reflexion, entwickelte Emotionalität und Handlungsfähigkeit […] im Sinne begründeter Zielsetzungen einzuwirken.“

2.Der Zusammenhang von Lehren und Lernen wird als Interaktionsprozess verstanden, in dem Lernende sich mit Unterstützung von Lehrenden zunehmend selbstständiger Erkenntnisse und Erkenntnisformen, Urteils-, Wertungs- und Handlungsfähigkeiten zur reflexiven und aktiven Auseinandersetzung mit ihrer historisch-gesellschaftlichen Wirklichkeit aneignen sollen.

3.So verstandenes Lernen muss in seinem Kern sinnhaftes, verstehendes und entdeckendes bzw. nachentdeckendes Lernen sein.

4.Im Lehr-Lern-Prozess muss das Selbst- und Mitbestimmungsprinzip […] verwirklicht werden.

5.Unterricht ist stets ein sozialer Prozess. Soziales Lernen muss bewusst und zielorientiert, im Sinne einer demokratischen Sozialerziehung, im Lehr-Lern-Prozess einbezogen werden (Klafki 2011, 15f).

2.2.2Didaktische Überlegungen

Das bildungstheoretische Modell von Wolfgang Klafki ist das älteste unter den verbreiteten Didaktiken. Zum ersten Mal in der Moderne wird eine Definition der Didaktik von Klafki im Jahr 1961 vorgetragen, die er zehn Jahre später so formuliert:

Definition

1.„Didaktik als Wissenschaft und Lehre vom Lehren und Lernen überhaupt.

2.Didaktik als Wissenschaft vom Unterricht […] bzw. Allgemeine Unterrichtslehre.

3.Didaktik als Theorie der Bildungsinhalte, ihrer Struktur und Auswahl […] bzw. der Lehr- und Lernziele und der ihnen zuzuordnenden Lehr- und Lerninhalte und Aufgaben.

4.Didaktik als Theorie der Steuerung von Lernprozessen.“ (Klafki 1971, Sp. 225)

Nach Klafki ist Didaktik eine Handlungswissenschaft.

zwölfBestimmungen

Für das konkrete Handeln entwickelte Klafki zwölf Bestimmungen zur Struktur des didaktischen Problemfeldes:

1.Primat der Zielentscheidungen

2.Bestimmung des Verhältnisses der Zieldimension zu den Themen

3.Bestimmung der Themen und der Thematik in Bezug auf die Interessen und Lernbedürfnisse der Schüler:innen

4.Herausarbeiten und Akzeptanz der in den vorgenannten thematischen Doppelperspektiven liegenden Unterschiedlichkeiten der Interpretation bei Lehrenden und Lernenden

5.Differenzierung der Themen hinsichtlich der unterschiedlichen Interessen

6.Bedenken der Interaktionszusammenhänge

7.Dabei werden die in den Beziehungen vermittelten Norm- und Wertorientierungen, wie sie in Sozialisationsprozessen stets implizit sind, ausdrücklich gemacht.

8.Bestimmung der Formen des Lernens

9.Bestimmung der Rollen, die die Lernenden bei der Mitbestimmung, Mitplanung, Durchführung und Ausführung der Lehr- und Lernprozesse einnehmen sollen

10.Bestimmung der Vielfalt der Medien

11.Offenlegung des Funktionszusammenhanges zwischen Unterrichtsmethoden und Inhalten, Medien und Zielen, wobei die Beziehungsdimension im Vordergrund des Nachdenkens steht

12.Bedenken der durch die Vermittlungsprozesse herbeigeführten Leistungen einschließlich ihrer Kritik (Klafki 1985; Kron et al. 2014).

Diese zwölf Bestimmungen bilden die Grundlage für ein Planungskonzept, das er „vorläufiges“ Perspektivschema nennt (Abb. 2).

2.2.3Zusammenfassung: Anregung für eine Didaktik Sozialer Arbeit

Nach diesem kurzen Überblick über den theoretischen und didaktischen Ansatz von Klafki stellt sich die Frage: Finden sich darunter Aspekte, die auch für eine Didaktik Sozialer Arbeit relevant sein könnten. Wie ist Ihre Meinung?

kritischkonstruktiveDidaktik

Drei Aspekte der bildungstheoretischen bzw. kritisch-konstruktiven Didaktik haben für eine Didaktik Sozialer Arbeit besondere Relevanz:

1.der Bildungsbegriff,

2.das Perspektivschema zur Planung mit den vier Schritten:

–Bedingungsanalyse,

–Begründungszusammenhang des Themas,

–Methoden, Medien und

–Überprüfbarkeit,

3.Zielsetzungen mit der Berücksichtigung der Dimensionen der rationalen Diskursfähigkeit, der Emotionalität und der Handlungsfähigkeit.

Eine Didaktik Sozialer Arbeit wird diese Überlegungen von Klafki als Anregung verstehen, sie aufnehmen und entsprechend dem Selbstverständnis Sozialer Arbeit modifizieren.

Abb. 2: Struktur- und Verlaufsmodell nach Klafki 2007

2.3Lerntheoretische Didaktik von Paul Heimann (1901–1967) und Wolfgang Schulz (1929–1993)

2.3.1Vom Berliner zum Hamburger Modell

Auch hier haben wir eine Frage an Sie: Haben Sie in Ihrem Studium etwas über die lerntheoretische Didaktik von Paul Heimann bzw. Wolfgang Schulz erfahren?

Paul Heimann

Die lerntheoretische Didaktik entstand aus der Situation, als Paul Heimann (Pädagogische Hochschule Berlin) den Auftrag erhielt, das alte Praktikum der Lehrer:innen durch ein neues Didakticum abzulösen und dafür ein Modell zu entwickeln. Heimann entwarf ein Modell für die systematisch-kritische Beobachtung von Unterricht. Dieses Modell der Unterrichtsanalyse änderte Wolfgang Schulz später zur Unterrichtsplanung.

Berliner Modell

Das von Heimann, Otto und Schulz entwickelte Modell ist als Berliner Modell bekannt und versteht sich als Gegenposition zur bildungstheoretischen Didaktik. Es ist ein an wertfreien, empirisch-positivistischen Methoden orientiertes Modell. Im Zentrum steht nicht die Bildung, sondern das Lernen. Wichtige Erkenntnisse der Lernpsychologie/Pädagogischen Psychologie wie Sozialisationsforschung bilden die Grundlage für die lerntheo- retische Didaktik von Heimann/Schulz.

Lernen

Die lerntheoretische Didaktik geht von einem weiten Begriff der Didaktik aus. In dem Berliner Modell werden sechs Strukturelemente miteinander verbunden, die sich wechselseitig bedingen. Bedingungsfelder sind anthropologische und sozio-kulturelle Bedingungen, Entscheidungsfelder sind Ziele, Inhalte, Methoden und Medien. Methoden und Medien werden als didaktische Momente gesehen. Wenn man über Ziele im Unterricht nachdenkt, kann man nicht über Ziele an sich nachdenken, sondern stets im Zusammenhang mit den Wegen und deren Umsetzung. Insofern spricht man in der Berliner Schule von der Interdependenz der Strukturelemente und nicht wie Klafki von einer Nachrangigkeit der Methoden und Medien. Die Interdependenzthese ist das Kernstück der Berliner Didaktik.

Interdependenz

Ziele, Inhalte, Methoden, Medien sind aus ihrer Wechselseitigkeit heraus zu verstehen. Methodische Überlegungen müssen die Intentionen und Inhalte genauso einschließen wie umgekehrt.

Durch den zentralen Begriff des Lernens eröffnet die didaktische Theorie von Heimann „ein sehr weites Gegenstandsfeld, das denkbar weiteste sogar, nämlich das Feld von Lehren und Lernen schlechthin.“ (Peterßen 2001, 55) Das Berliner Modell bezieht sich nicht nur auf den Lehr-Lern-Ort Schule, sondern darüber hinaus auf Lern-Vorgänge aller Art.

Didaktik nicht nurfür die Schule

Entsprechend umschreibt Heimann Didaktik:

„Die Didaktik ist die Wissenschaft (und Lehre) vom Lernen und Lehren überhaupt. Sie befasst sich mit dem Lernen in allen Formen und dem Lehren aller Art.“ (Peterßen 2001, 47)

2.3.2Hamburger Modell von Wolfgang Schulz

Hamburger Modell

Wolfgang Schulz, ein Schüler von Heimann, arbeitete zunächst in Berlin. Nach dem Tod von Heimann (1963) hat Wolfgang Schulz die lerntheoretische Didaktik weiter überarbeitet. Von 1964 an begann er, das Berliner Modell selbstständig weiterzuentwickeln. Einige Jahre später wurde Schulz auf eine Professur nach Hamburg berufen, von da an arbeitete er an einem eigenständigen theoretischen Ansatz, den er das Hamburger Modell nannte. Grundlage seines Modells, das er im Gegensatz zu Heimann lehrtheoretische Didaktik nennt, ist wie schon bei Heimann die Lerntheorie. Kron zeigt auf, dass der Theorieentwurf von Schulz zehn Elemente aufweist:

zehn Elemente

„Die ersten fünf Elemente hat Schulz z. T. noch mit Heimann gemeinsam entwickelt; die nachfolgenden sind aus einer eigenständigen Entwicklung erwachsen. Ihre Grundorientierung kann als gesellschaftskritisch bezeichnet werden.“ (Kron et al. 2014, 93)

Grundorientierung

1.Element: Grundlagen didaktischer Theoriebildung sind die erfahrungswissenschaftlichen Forschungen und die eigene Praxis.

2.Element: Ausgang und Ziel aller Forschungs- und Theoriebemühungen bleiben der Unterricht und seine Bedingungszusammenhänge.

3.Element: Zweck der Forschungen und Theoriebildungen ist die Analyse und Planung von Unterricht.

4.Element: Die Grundstruktur des Berliner Modells bleibt erhalten, wird aber hinsichtlich des emanzipatorischen Interesses vertieft.

5.Element: Die grundlegende Legitimation eines aufgeklärten Unterrichts wird weiter in der Verantwortung der Lehrer:innen gesehen.

6.Element: Eine moderne Didaktik muss kritisch sein. Die kritische Intention des lehrtheoretischen Ansatzes ist in vierfacher Hinsicht zu sehen: in der Einbeziehung gesellschaftlicher Entwicklungen, in der Rezeption der kritischen Gesellschaftstheorien, in dem radikalen Ausgang von der Erziehungswirklichkeit und in der Einbeziehung erfahrungswissenschaftlicher Forschungsmethoden und -ergebnisse.

7.Element: Durch Einbeziehung kritischer Positionen entwickelt Schulz zentrale Lernziele: Kompetenz, Autonomie und Solidarität. Sie machen es der einzelnen Person möglich, die Widersprüche in dieser Welt auszuhalten und auch ihre teilweise Überwindung zu realisieren. Wenn Schüler:innen z. B. in fachlich-kognitiver und sozial-affektiver Hinsicht Kompetenz, Autonomie und Solidarität erfahren, kommen sie einen Schritt in Richtung Emanzipation voran.

8.Element: Didaktische Theorien müssen Ergebnisse der Sozialisationsforschung berücksichtigen.

9.Element: Anthropologisches Interesse kann man dort in den Unterricht einbringen, wo auch die gesellschaftliche Entwicklung berücksichtigt wird.

10.Element: Neben der Intentionalität bilden die Inhalte ein Grundkriterium. Daneben werden noch Verfahren und Medien genannt. Die vier Strukturmomente sind: Intentionen, Themen, Verfahren, Medien (Kron et al. 2014, 93-96). (Abb. 3)

Planungsmodell

DIDAKTISCHE ANALYSE

Der pädagogische Wille, der die soziale Situation Unterricht teleologisch strukturiert, muss sich, wenn er voll wirksam werden will, in vier aufeinander bezogenen Entscheidungen äußern.

Abb. 3: Strukturzusammenhang von Unterricht und Strukturmodell für die Unterrichtsplanung von Schulz 1971

Didaktische Folgerungen

Wer Lehr-Lern-Prozesse plant, muss die Elemente des Strukturmodells in ihrer Verflechtung mitbedenken.

zentralerZielbegriff:Emanzipation

Zentraler Zielbegriff des Hamburger Modells ist das emanzipatorisch relevante, professionelle Handeln. Im Mittelpunkt seiner Didaktik steht die Emanzipation. Darunter versteht es, Emanzipation als Zustand der Verfügung über sich selbst und als Vorgang der Förderung solcher Verfügung über sich selbst. „Emanzipation als Befreiung von überflüssiger Herrschaft und zu möglichst weitgehender Verfügung aller über sich selbst.“ (Schulz 2001, 61)

Ziel einer Didaktik muss es sein, die Lernenden zu fördern, nicht fremdbestimmt zu sein, sondern über sich selbst zu bestimmen.

Lernen versteht Schulz als Erwerb von Informationen, die Heranwachsende über ihren persönlichen Emanzipationsprozess benötigen. Dies bedeutet für die Lehrenden, dass sie die didaktischen Bemühungen darauf zentrieren, „nämlich Lernen in jeder Hinsicht so vorzubereiten und einzurichten, dass den beteiligten Schülern Emanzipation möglich ist.“ (Peterßen 2001, 63) Schulz erkennt aber auch, dass Schule nicht emanzipiert, sondern allenfalls emanzipatorisch-relevant ist. „Nur in freiheitlich-demokratischen und sozialen Demokratien ist dies realisierbar.“ (Schulz 2001, 63)

Einige Aspekte des Hamburger Modells sollen besonders hervorgehoben werden:

1.Das Strukturmodell mit den zwei mal vier Entscheidungsfeldern,

2.die Interdependenz von Zielen, Methoden und Medien,

3.Lernen als zentraler Begriff,

4.die Ziele: Emanzipation, Selbstbestimmung, Reflexionsvermögen,

5.die Aufgaben der Lehrenden ist es, die Lernenden zu fördern, ihr Leben selbst zu gestalten

Das von Schilling entwickelte didaktische Modell basiert im Wesentlichen auf dem Entscheidungsmodell von Wolfgang Schulz.

Zwischen der lerntheoretischen Didaktik von Schulz und der bildungstheoretischen Didaktik von Klafki besteht kein prinzipieller Unterschied mehr:

„Irgendwelche prinzipiellen oder wesentlichen Unterschiede zu der Position von Schulz sehe ich schon seit langem nicht mehr und nach den neuen Ansätzen schon gar nicht.“ (Klafki 1981, 108)

Auch Schulz hat seit 1972 seine bisherige Position im Sinne einer kritischen Didaktik verändert:

„Die Didaktikdiskussion der letzten 10 Jahre hat gezeigt, dass es sinnvoll und notwendig ist, will man den Zusammenhang zwischen Zielen/I nhalten und Methoden/Medien nicht zerreißen, von einem weiten Didaktikbegriff auszugehen.“ (Schönberger 1987, 35)

2.3.3Zusammenfassung: Anregung für eine Didaktik Sozialer Arbeit

Das didaktische Modell von Heimann und Schulz ist weit verbreitet und gilt als praktisches, griffiges Schema für die Unterrichtsplanung, aber auch über den Schulbereich hinaus

Auch hier stellt sich die Frage: Welche Aspekte der lerntheoretischen/lehrtheoretischen Didaktik könnten für eine Didaktik Sozialer Arbeit relevant sein? Tragen Sie einige Punkte zusammen.

weitgefassteDefinition vonDidaktik