Die 11 Geheimnisse des ALDI-Erfolgs - Dieter Brandes - E-Book + Hörbuch

Die 11 Geheimnisse des ALDI-Erfolgs E-Book und Hörbuch

Dieter Brandes

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Beschreibung

Während Konsumzurückhaltung und Euro-Diskussion den Handel vor neue Probleme stellen, weist der Lebensmittel- Discounter ALDI einen enorm gewachsenen Umsatz und einen Rekordgewinn aus. Welche Geheimnisse begründen diese Entwicklung?

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Sprecher:Susanne Grawe

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Die 11 Geheimnisse des ALDI-Erfolgs
Brandes, Dieter
Campus Verlag
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9783593400570
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|7|Einführung

»Verbringe nicht die Zeit mit der Suche

nach einem Hindernis, vielleicht ist keines da.«

Franz Kafka

Die reichsten Europäer kommen aus einem Bergarbeiterviertel

Karl und Theo Albrecht sind die reichsten Europäer, die reichsten Nicht-Amerikaner. Das Forbes-Magazin schätzte die Familie Albrecht in 2002 auf ein Vermögen von 27 Milliarden Dollar. Die Albrechts stammen aus einem ärmlichen Bergarbeiterviertel in Essen-Schonnebeck. Dort betrieben sie nach der Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft 1946 auf 100 Quadratmetern ihren ersten Laden. Heute führen die beiden inzwischen über 80-jährigen Brüder eines der angesehensten und erfolgreichsten Filialunternehmen der Welt.

Das größte Einzelhandelsunternehmen in der Welt ist die Firma Wal-Mart. Mit einem jährlichen Umsatz von 200 Milliarden Euro ist Wal-Mart etwa sechs mal so groß wie ALDI, das einen jährlichen Umsatz von 33 Milliarden Euro macht. Aber ALDI ist das größte und mächtigste Unternehmen der Welt auf den Beschaffungsmärkten. Der durchschnittliche ALDI-Einkaufswert beträgt pro Artikel jährlich mehr als 30 Millionen Euro, der von Wal-Mart dagegen lediglich 1,5 Millionen Euro, also 1/20.

Der Unternehmenswert von ALDI kann sogar mit 40 Milliarden Euro und damit etwa mit 50 Prozent über der Forbes-Schätzung angenommen werden. Das ist etwa der Börsenwert von Daimler-Chrysler |8|und 4 mal soviel wie der Wert der Metro. Das haben die Albrechts in 50 Jahren mit einem konsequenten kaufmännischen Konzept geschaffen.

ALDI in Australien – und bald in China?

Im Jahr 2001 hat sich ALDI Süd auf eine ferne Expedition nach Australien begeben. Zuvor hatte man schon Läden in Österreich, in den USA, in England und Irland eröffnet. ALDI Nord expandierte in der Nachbarschaft, es verbreitete sich nach Holland, Belgien, Dänemark, Frankreich und Spanien.

Bruder Karl hat es sich für die australische Expansion von ALDI Süd trotz der Ferne auf eine eigene Weise einfacher gemacht und ist damit wieder dem Prinzip des einfachen Managements gefolgt. In seiner Gruppe gibt es neben Deutsch nur eine Fremdsprache, nämlich Englisch.

Immer wieder zeigte es sich, dass das ALDI-Konzept in anderen Ländern und sogar in anderen Branchen funktioniert. Vorausgesetzt, man hat die Prinzipien begriffen und ist fähig, sie in die Tat umzusetzen. Und nun gibt es das Gerücht, dass sich ALDI-Manager schon in China umgeschaut hätten.

Die Stradivari ALDI

Das ALDI-Konzept ist wie eine Stradivari. Es gibt kein besseres Instrument. Nicht alle konnten solche Instrumente bauen, und nur wenige hatten die Fähigkeiten, aus einem solchen hochwertigen Instrument die schönsten Töne zu zaubern. Die Brüder Albrecht bauten das seltene Instrument, und sie waren die meisterhaften Solisten, die schönste Töne und damit höchste Gewinne produzieren |9|konnten. Ihr hoch entwickeltes System der Dezentralisierung und Zellteilung erlaubt es, diese Fähigkeiten weiterzugeben an Tausende von Mitarbeitern. ALDI rekrutiert Führungskräfte ausschließlich aus den eigenen Reihen, damit sie auf der »Ochsentour« lernen können, wie man mit dem Instrument am besten umgeht. Viele von ihnen sind inzwischen zu guten Solisten geworden, die das Instrument meisterhaft spielen können. Und das ist die Bedingung für den Erfolg des ALDI-Systems in der Zukunft. Dafür gibt es keine Garantien. Ohne hervorragende Solisten kann auch die Stradivari nicht zur Höchstleistung geführt werden.

Die Geheimnisse von ALDI: Die Kunst des Normalen

Antoine de Saint-Exupérys kleiner Prinz sagt:

»Das Wesentliche ist für das Auge nicht erkennbar.«

Alle können sich im ALDI-Laden vieles ansehen: die Produkte, die Preise, die Kassen und wie die Kassiererinnen arbeiten. Aber niemand kann sehen, wie hinter den Kulissen im Einkauf oder in der Verwaltung gearbeitet wird. Keiner kann sehen, welche Prinzipien und welche Kulturen das Unternehmen und seine Mitarbeiter leiten. Das sind für Außenstehende Geheimnisse. Dieses Buch soll Licht in die geheimnisvolle Welt bringen.

Nach der Lüftung der Geheimnisse wird der Leser sehen, dass er in seiner Welt vieles davon übernehmen und entsprechend gestalten kann. Er wird sehen, dass es Übung braucht, um solche Künste zu beherrschen. Nach Lüftung der Geheimnisse zeigt sich, dass es sich eigentlich immer wieder »nur« um eine hohe Kunst handelt, die ALDI beherrscht:

Das Selbstverständliche, das Vernünftige einfach

in die Tat umzusetzen.

|10|Das allerdings braucht manch tugendhaftes Verhalten, das in unserer Gesellschaft oft in Vergessenheit gerät. Wir lassen uns beeindrucken von Gurus der Managementlehre und von Modewellen. Viele erscheinen resistent gegenüber dem gesunden Menschenverstand. Nur tiefgründiges Verständnis vom Wesentlichen schützt uns vor der Blendwirkung unserer Umwelt.

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|11|Portrait eines anderen Unternehmens

Die folgende Äußerung ist die einzige bekannte öffentliche Beschreibung des ALDI-Systems aus dem Munde der Albrecht-Brüder1 : »Wenn ich heute einen Rückblick auf unseren Betrieb mache, so stelle ich fest, daß wir zum Anfang unserer Entwicklung im Jahre 1948 und im Jahre 1949 zwangsläufig nur ein kleines Warensortiment führten. Wir hatten vor, weitere Filialen aufzumachen, und mußten uns aus geldlichen Mitteln heraus sehr sparsam verhalten. Wir glaubten, späterhin unser Verkaufsprogramm zu erweitern. Wir wollten unsere Filialen dann wie ein normales Einzelhandelsgeschäft mit einem breiten Lebensmittelsortiment eindecken.

Das taten wir dann allerdings nicht, denn wir erkannten, daß wir auch mit unserem kleinen Warensortiment ein gutes Geschäft machen konnten und daß unsere Unkosten verglichen mit den anderen Betrieben sehr niedrig blieben und zum größten Teil auf unser kleines Warensortiment zurückzuführen waren.

(...) Seit 1950 verfolgen wir neben dem Grundsatz des kleinen Warenangebotes den des niedrigen Preises. Auch dazu waren wir wiederum gezwungen. Wollten wir dem Kunden keine Auswahl bieten, so mußten wir ihm zumindest einen anderen Vorteil einräumen. Wir verkauften von der Zeit an unsere Ware entschieden billiger.

(...) Die Umsatzsteigerung hat ihren Grund fast ausschließlich in meinen oben genannten Grundsätzen, denn werbungsmäßig sind wir sehr sparsam. Der Prozentsatz für Werbungskosten beträgt |12|noch nicht einmal 0,1 Prozent. Unsere ganze Werbung liegt im billigen Preis, und sie ist so wirksam, daß der Kunde es auf sich nimmt, Schlange zu stehen.

Zu unserem Warensortiment möchte ich weiter ausführen, daß es ca. 250 bis 280 Artikel umfasst. Wir halten es bewußt klein und unter ständiger Kontrolle. Wir sind dabei bemüht, keine Parallelartikel nebeneinander zu führen.

(...) Bei der Auswahl der zum Verkauf bestimmten Artikel sind wir so weit gegangen, daß wir eine Reihe von Waren überhaupt nicht verkaufen. Der Grund für diese Ausschließung:

die Umsatzgeschwindigkeit,

die Verkaufsgeschwindigkeit.

So führen wir z.B. wegen der Verkaufsgeschwindigkeit keine losen Konfitüren, kein Obst und Gemüse, keine Salzheringe und wegen der Umsatzgeschwindigkeit keine Obst- und Gemüsekonserven, ebenso keine Feinkostartikel wie Mayonnaisen, Rollmops, Heringssalat usw. Das Verkaufsprogramm umfaßt lediglich schnell umschlagsfähige Konsumartikel. Bei Hülsenfrüchten haben wir aber auch jeweils nur eine Sorte im Angebot, also nur eine Sorte Bohnen und eine Sorte Linsen und auch nur eine Sorte Reis.

Verpackte Hülsenfrüchte führen wir auch nicht, da die Verpakkungskosten uns die Ware zu sehr verteuern und nicht mehr mit diesen vollen Preisen in den Rahmen unserer niedrigen Preise passen. Wir haben festgestellt, daß, wenn wir Ware vorweg verpacken, dies oftmals wesentlich teuerer ist, als unsere gesamten Personalkosten ausmachen. Wir packen also nichts vor. Es muß alles während des Verkaufs abgewogen werden. Als weitere Beispiele unseres Sortimentes führe ich an:

1 Sorte Zucker,

4 verschiedene Konfitüren in Gläsern,

5 Sorten Nudeln, die wir alle immer zum gleichen Preis verkaufen,

5 verschiedene Stück Feinseife,

5 Stück Kernseife.

|13|Von Schuhputz führen wir nur Erdal, von Zahnpasta nur Blendax und von Bohnerwachs in Dosen nur Sigella, immer nur den Artikel, der von den Markenartikeln am besten geht. Auch bei den scharf kalkulierten Artikeln wie Öl, Schmalz, Plattenfett verkaufen wir nur eine Sorte. Auf weitere Sorten zur Hebung unserer Kalkulation verzichten wir.

Auch das Verkaufsmoment beim Anbieten eines Artikels, von dem wir nur eine Sorte anbieten können, ist für unsere Verkäuferinnen wesentlich einfacher und viel kürzer, und der Kunde kann viel schneller einen Entschluß fassen: entweder zu kaufen oder nicht zu kaufen.

(...) Beim Absinken der Einkaufspreise setzen wir unsere Verkaufspreise sofort niedriger, auch wenn wir noch nicht gekauft haben. Wir vertreten dabei den Standpunkt: Angriff ist besser als Verteidigung.

Man ist nur allzu leicht geneigt, einen Preis, auch wenn er im Einkauf gefallen ist, weiter laufen zu lassen. Das würde sich allerdings unangenehm rächen, denn das, was man erreichen muß, ist, daß der Kunde den Glauben gewinnt, nirgendwo billiger einkaufen zu können. Hat man das erst einmal erreicht – und ich glaube, daß das bei uns der Fall ist –, so nimmt der Kunde alles in Kauf. Er richtet sich sogar nach den besten Einkaufszeiten.

(...) Abschließend möchte ich sagen, daß unser Betrieb fast ausschließlich dirigiert wird von niedrigen Verkaufspreisen. Alle anderen Maßnahmen zur Belebung des Geschäfts werden nicht angewandt und stehen schon lange nicht mehr zur Debatte. Wenn uns bei der Kalkulation etwas beschäftigt, dann nur, wie billig wir eine Ware verkaufen können und nicht, welchen höchsten Verkaufspreis wir erzielen können.«

An diesen grundlegenden Feststellungen von Karl Albrecht aus dem Jahr 1953 hat sich bis heute fast nichts geändert. Im Grunde entstand ein ganzes System nach dem Prinzip einer Entdeckung in den Naturwissenschaften: durch Zufall.

|14|Wenig ist besser als zuviel

Aus Not und notwendiger Sparsamkeit wurde Verschwendung vermieden. Es galt das Prinzip: Wenig ist besser als zuviel. Und man meinte damit Kapital, Personal und Räumlichkeiten. Resultat dieses »Notprogramms« war schließlich das ALDI-Konzept. Der Mangel an den genannten Ressourcen setzte Fantasie frei und schuf, ohne zu übertreiben, die Idee des letzten Jahrhunderts im Einzelhandel.

In der Lebensmittel-Zeitung, dem Fachblatt der Branche, erschien am 11.4.1980 ein Leserbrief des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der AVA/Marktkauf, Karl H. Kuhlmann. Er sagte über ALDI: »ALDI ist der erfolgreichste Lebensmittel-Einzelhändler aller Zeiten.« Der ehemalige Oetker-Direktor, Dieter Baader, formulierte es im Marketing-Club Köln/Bonn einmal so: »ALDI ist der größte handelspolitische Markenerfolg in der westlichen Welt.«

... vorantasten wie Albert Einstein

Eine bestimmte Unternehmensphilosophie oder strategische Marketinguntersuchung lag dem ALDI-Konzept nicht zugrunde. Eher handelte es sich um eine Anpassung an die Bedingungen von Wettbewerb und Märkten. Die Erkenntnisse, die man daraus ableitete, wurden konsequent umgesetzt. Das ursprüngliche Konzept wurde im Laufe der Jahrzehnte nie grundsätzlich verändert, es erfolgten immer nur schrittweise Anpassungen an verschiedenste innere und äußere Entwicklungen. Daher kann man auch nicht – wie hin und wieder in der Fachpresse geschehen – von alten und neuen Strategien bei ALDI sprechen.

Die ALDI-Strategie war das Ergebnis eines dynamischen Prozesses, geleitet von Intuition, unbewusstem wie bewusstem Handeln und einer wachsenden Reflexion darüber. Aus einem Krämerladen mit einem »einfachen Konzept der Not« wurde der erfolgreichste |15|Einzelhändler der Welt. Wie so oft in der Wirtschaftsgeschichte stand am Anfang nicht der geniale, wissenschaftlich begründete Entwurf, sondern eine gute unternehmerische Idee, die sich im Laufe der Jahre zu einem stabilen Erfolgskonzept entwickelte. Das ALDI-System war nicht eine plötzliche Erfindung, sondern Karl und Theo Albrecht haben sich mit ihren ersten »Mini-Läden in drittklassigen Lagen« an ihr Verkaufssystem im wahrsten Sinne des Wortes herangetastet2 . So wie auch Albert Einstein seine Arbeitsweise beschrieb: »Ich taste mich voran.«

Von ALDI lernen

Entscheidend aber für den Erfolg von ALDI und für viele andere Unternehmen auch aus anderen Branchen sind die dargestellten grundsätzlichen Einsichten und Methoden – eben die Erfolgsgeheimnisse. Sie sind noch immer modern und gewinnen an Gewicht in einer Zeit, in der sich viele Unternehmen und teilweise ganze Branchen neu orientieren müssen, um dem weltweiten Wettbewerb standhalten zu können. Mit den Einsichten und Methoden von ALDI kann manches andere Unternehmen einen Spitzenplatz in seiner Branche einnehmen.

Hätten die Mitbewerber den Ausführungen Karl Albrechts damals mehr Aufmerksamkeit geschenkt, sähe die Handelslandschaft heute möglicherweise ganz anders aus. Aber wie 1953 glaubte auch 30 Jahre später noch kaum jemand an den Erfolg dieses Konzepts. 1983 stellte die Lebensmittel-Zeitung fest3 :

»Kaum ein Marketingkonzept ist so gründlich analysiert worden, kaum eines liegt so nachvollziehbar offen – und dennoch hat beinahe eine ganze Branche dem Aufstieg eines Unternehmens und dem damit verbundenen Wachstum dieses Vertriebssegments tatenlos und phantasielos zugesehen.«

Aber da war eben viel mehr als ein »Marketingkonzept«. Jene Nachahmer, die versucht haben, das ALDI-Konzept zu kopieren, |16|hatten offensichtlich das von Marie von Ebner-Eschenbach beschriebene Problem: »Die meisten Nachahmer lockt das Unnachahmliche.« Und wenn jemand kopierte, dann wollte er es noch besser machen. Dabei musste er erkennen: Das Know-how von ALDI ist so einfach, dass niemand es glauben mag. Darum ist das Nachahmen so schwer.

Verzicht auf Publizität

Von ALDI ist wenig bekannt. Aufgrund der klugen Firmenkonstruktion unterlag ALDI bisher nicht der Publizitätspflicht. Das hat sich erst mit den EU-Verordnungen zur Publizität ab dem Jahr 2001 geändert. Ab diesem Jahr werden Bilanzen und Erfolgsrechnungen der einzelnen ALDI-Gesellschaften veröffentlicht. In Bezug auf Geheimhaltung gibt es bei ALDI große Ähnlichkeiten mit C&A, Ikea und früher auch mit der Metro-Gruppe. Diese Unternehmen, insbesondere die Metro, zeichnen sich wie ALDI durch ein hervorragendes Konzept, durch eine sehr eigene Unternehmenskultur, aber auch durch einen ähnlich großen Erfolg über viele Jahre hinweg aus.

In einer Vielzahl von Presseartikeln wurde das Phänomen ALDI diskutiert, in Imagestudien und in streng vertraulichen Abhandlungen versuchten Konkurrenten, Marktforschungsinstitute und Markenartikelhersteller mehr über ALDI zu erfahren. So wurde also immer nur spekuliert. Für ALDI war es nützlich, über solche Studien, die man über Lieferanten zugespielt bekam oder die in der Fachpresse diskutiert wurden, einiges über den eigenen Absatzmarkt, seine Kunden oder über die Einschätzungen von Lieferanten und Mitbewerbern zu erfahren, ohne dass man hierfür Geld ausgeben musste. ALDI selbst hat für Marktforschung nie Geld ausgegeben. Bei ALDI wird mehr darüber nachgedacht, was die Kundenwünsche sein könnten, und man handelt einfach, indem unmittelbar etwas ausprobiert wird.

|17|Dieser Verzicht auf Publizität geschieht bewusst und ist Teil der Unternehmenspolitik. Die Konkurrenz erhält dadurch wenig Informationen. Neuerdings kann allerdings jedermann die Ladenzahl von ALDI ermitteln. Die Adressen aller Läden können unter www.ALDI.de aus dem Internet geholt werden. Wenn Unternehmen etwas veröffentlichen über ihre organisatorischen Lösungen oder stolz über ihre Umsatzsteigerungen oder ihre besonders hohe Personalproduktivität und entsprechend niedrigen Kosten berichten, so kann das nur der Konkurrenz helfen. Diese kann die Informationen nutzen, um ihre eigenen Leistungen zu verbessern. Das kann für ein Unternehmen wie ALDI nicht vorteilhaft sein, und für ALDIs Kunden, die die Fachpresse nicht lesen, bringt es auch keine Vorteile. Die Kunden wollen gute Qualität zu niedrigen Preisen.

Die Kritik an der »fehlenden öffentlichen Kontrolle«, die zuweilen erhoben wird, überschätzt die Einflussmöglichkeiten: Die Veröffentlichung von Unternehmensentwicklungen, etwa durch Berichterstattung in den Zeitungen, hat noch nie verhindert, dass große Publikumsgesellschaften zusammenbrachen. Erinnern wir uns an die coop AG, an den Bremer Vulkan, an die Metallgesellschaft oder an die Unternehmen der New Economy.

Blick in die ALDI-Geschichte

1913 eröffneten die Eltern von Karl und Theo Albrecht ein kleines Lebensmittelgeschäft auf 35 Quadratmetern in Essen. Ab 1946 betrieben die Brüder Albrecht nach ihrer Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft ein 100 Quadratmeter großes Geschäft in Essen-Schonnebeck. 1950 war daraus schon eine kleine Kette von 13 Läden entstanden, damals natürlich noch mit Bedienung. Karl Albrecht datiert den Beginn der eigentlichen Geschäftstätigkeit auf das Jahr 1948. Das ALDI-typische Discountprinzip bildete jedoch erst ab 1950 die Basis des Geschäftes, als man neben dem kleinen |18|Warenangebot den Grundsatz des niedrigen Preises zu verfolgen begann. Der erste »echte« ALDI nach heutigen Maßstäben wurde 1962 in Dortmund eröffnet.

Im Jahre 1961 trennten die Brüder ihr kleines Imperium in einen Nord- und einen Südbereich. Theo übernahm ALDI Nord, Karl ALDI Süd. Man zog die »Einzelführung« der »Kollegialführung« vor: ein Prinzip der Dezentralisierung, das die Albrecht-Gruppe entscheidend geprägt und gefördert hat. Wesentlicher Grund für die Trennung war der dadurch mögliche Verzicht auf permanente Einigung in allen wesentlichen oder auch unwesentlichen Fragen. Jedoch wurden alle Informationen, Leistungs- und Kostenzahlen ausgetauscht, auch die Konditionen verschiedener Lieferanten wurden miteinander verglichen, und teilweise führte man auch gemeinsame Einkaufsverhandlungen. Nur über den tatsächlichen Jahresgewinn der jeweiligen Gruppe wurde unter den Brüdern nicht gesprochen.

Jahr

UmsatzMio. EUR

Ladenzahl

Mtl.Ø-Umsatzin EUR

15

3100

8700

14200

17900

22500

100

1000

2000

3000

3250

3700

12782

258000

363000

394000

459000

507000

Quelle: Auswertung der Fachpresse und Einschätzung des Verfassers

Abbildung 1: Entwicklung des ALDI-Umsatzes in Deutschland undder Ladenzahl von 1955–2002 (Auslandsumsatz: 10 Mrd. Euro in2700 Läden)

Abbildung 2: Struktur der ALDI-Gruppe

|20|Klare Strukturen

Die Gesellschaftsstruktur von ALDI ist keineswegs, wie vielfach behauptet wurde, undurchsichtig. Im Gegenteil: Sie ist sehr klar und im Grunde auch sehr einfach.

Die »Klammer« sowie Führungs- und Kontrollgröße der Unternehmensgruppe ist der Verwaltungsrat, der sich zusammensetzt aus formal völlig unabhängigen freiberuflich tätigen Managern, die zuvor erfolgreich als Geschäftsführer einer ALDI-Gesellschaft tätig waren. Die Mitglieder des Verwaltungsrates sind keine Vorstandsmitglieder oder Angestellte einer übergeordneten Gesellschaft oder Holding. Der Verwaltungsrat fungiert als Aufsichtsrat bei jeder der operativen Gesellschaften im In- und Ausland. Charakteristisch für die ALDI-Gesellschaftsstruktur ist, dass es keine Holding oder Dachgesellschaft gibt, die andere Gesellschaften beherrscht, und somit ein Konzern konstruiert werden könnte, mit allen entsprechenden Konsequenzen wie Mitbestimmung und Veröffentlichungspflichten. Da es sich bei ALDI nicht um einen Konzern im klassischen Sinne handelt, gibt es folglich auch keinen Konzernbetriebsrat; eine Tatsache, die von den Gewerkschaften immer beklagt wurde. Entscheidend für diese Konstruktion ist jedoch die konsequente Dezentralisation.

Die Gesellschaftsstruktur von ALDI (Nord)

ALDI hat eine übersichtliche Gesellschaftskonstruktion, die nur durch die vielen Einzelgesellschaften kompliziert erscheint (ALDI Nord 36, ALDI Süd 30).

Zu dieser Grundkonstruktion gehört darüber hinaus eine kleine Zahl wichtiger Gesellschaften, die zur Unternehmensgruppe gehören: Kaffeeröstereien in Herten/Westfalen und Weyhe bei Bremen, die Albrecht Immobilienverwaltung GbR, die A+G Grundstücksvermietungs |21|und -verwaltungs GmbH sowie die Alva Versicherungsvermittlung GmbH & Co KG.

Die Errichtung der Kaffeeröstereien und die Produktion des Albrecht-Kaffees war eine frühe Idee, die sich als sehr lohnend und imageprägend erwies. Mit der Kaffeemarke konnte ALDI immer deutlich sein hohes Qualitätsniveau und seine niedrigen Preise demonstrieren. Kaffee blieb auch das einzige Produkt, das selbst hergestellt wurde.

Die Grundstücksgesellschaften dienten der Abwicklung von Grunderwerb und der Verwaltung eigenen Grundbesitzes, über die Versicherungsgesellschaft konnten die üblichen Maklerprovisionen für Versicherungsvermittlungen kassiert werden.

Die Konstruktion der Familienstiftung wurde gewählt, um die Interessen der Familienangehörigen zu wahren und zu fördern. Da eine Stiftung grundsätzlich nicht auflösbar ist, sollte so der Unternehmensbestand dauerhaft gesichert werden, und zwar unabhängig von Familienstreitigkeiten und Erbschaftsauseinandersetzungen. Mit einer Familienstiftung kann in der Regel die Zerlegung ganzer Unternehmen nach jahrelangen gerichtlichen Auseinandersetzungen vermieden werden. Wenn zwei Söhne Alleinerben wären, so hätten sie Anspruch auf jeweils eine Hälfte des Erbes. Doch bei einem Unternehmen handelt es sich um eine komplexe Einheit, die sich nicht einfach halbieren lässt (wie ein Bankkonto). Die Familienmitglieder – Eltern Theo und Cilly sowie die Söhne Theo Jr. und Berthold – sind nur noch mit geringen Anteilen direkt beteiligt. So bleibt der Fortbestand gesichert. Probleme, wie sie bei dem großen Hannoveraner Kekshersteller Bahlsen bekannt wurden, können so vermieden werden. Bei Bahlsen konnte erst nach langwierigen Erbauseinandersetzungen eine Lösung gefunden werden, indem ein wesentlicher Unternehmensteil in den USA abgetrennt und einem Erben übertragen wurde. Die Stiftungskonstruktion macht auch einen Verkauf der Unternehmensgruppe an Dritte nur schwer möglich.

|22|Finanzielle Entwicklung

Das größte Fragezeichen blieb immer der Gewinn, den ALDI erzielte. Sehr viele Schätzungen wurden angestellt. Mit den Jahren näherte man sich immer mehr den wirklichen Zahlen, weil zunehmend mehr Informationen aus diesem mittlerweile sehr großen Unternehmen nach außen drangen. Die Firma Lever schätzte den ALDI-Gewinn 1994 in einer internen Studie auf 4,5 Prozent vom Umsatz, mehr als dreimal so hoch wie der Gewinn der Konkurrenten im Lebensmittelhandel. Die gesamten Kosten des Unternehmens wurden auf neun Prozent geschätzt.

Aus verschiedenen Veröffentlichungen der Fachpresse und aus Daten, die aus dem Unternehmen hin und wieder doch an die Öffentlichkeit gelangen, zeigt sich etwa folgendes Gesamtbild der ALDI-Leistungszahlen, wobei eher die Größenordnungen als die einzelnen exakten Daten bemerkenswert sind.

Monatliche Leistungszahlen

Durchschnittsumsatz pro Laden

500000 EUR

Umsatzleistung pro Mitarbeiter

100000 EUR

Kosten in Prozent vom Umsatz

Personalkosten der Läden

2,8 %

Personalkosten für Verwaltung, Logistik, Management

1,8 %

Mietkosten der Läden

1,1 %

Gesamtkosten des Unternehmens

9,5 %

Rohertrag in Prozent vom Umsatz

(nach Abzug der Mehrwertsteuer)

13,3 %

Gewinn in Prozent vom Umsatz

3,8 %

ALDIs eigentliche Leistungsfähigkeit wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass ALDI seinen Umsatz mit nur etwa 700 Artikeln tätigt, Metro oder Rewe aber sicherlich 50000 oder mehr Artikel führen, Karstadt sogar 300000.

|23|Die Gewinnsätze von ALDI schwanken wesentlich weniger stark als bei anderen großen Unternehmen, vor allem aus der Industrie (wie etwa bei Volkswagen oder DaimlerChrysler, die in manchen Jahren auch einmal Milliardenverluste verkraften mussten). Über die Jahre dürfte der ALDI-Gewinn in Prozent vom Umsatz zwischen knapp drei Prozent und knapp fünf Prozent gelegen haben. Aktuell kann allein in Deutschland von einer Milliarde Euro Gewinn vor Steuern ausgegangen werden.

Der Wettbewerb, besonders durch den ALDI-ähnlichen Lidl, hat sich in den letzten Jahren verschärft. Der Anlauf in den neuen Bundesländern gestaltete sich nicht immer leicht. Das hat vor allem die Durchschnittszahlen von ALDI Nord zunächst beeinträchtigt. Nachdem aber auch dort die besondere Leistung von ALDI mehr und mehr anerkannt wird, steigen die Ergebnisse in den so genannten neuen Bundesländern beträchtlich. ALDI Nord und Süd gewinnen weitere Umsatzzuwächse durch den Austausch alter kleiner Filialen, durch neue große Objekte an den Stadträndern oder gar in Gewerbegebieten. ALDI Süd geht jetzt vermehrt in kleinere Orte oder eröffnet in mittleren Orten einen weiteren Laden. Neben dem immer mehr intensivierten Non-Food-Geschäft kann ALDI deshalb weiterhin beträchtliche Umsatzsteigerungen verzeichnen.

Trendy ALDI

ALDIs Überzeugungskraft basiert nicht zuletzt darauf, dass es vernünftig ist, Geld zu sparen. »Wer seinem Geld nicht böse ist«, so Theo Albrecht, »der kann doch ruhig bei ALDI kaufen.« Das tat auch der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt. Als er seinerzeit als Bundesfinanzminister anlässlich eines Treffens der G7-Finanzminister in sein Wochenendhaus am Schleswig-Holsteinischen Brahmsee einlud, konnte man in den Fernsehberichten die Herren an Schmidts Bar vor einer Reihe von ALDI-Eigenmarken |24|sehen. Die kaufte Schmidt selbst im ALDI-Markt Nortorf ein. Obwohl es mittlerweile auch Champagner und Lachs preisgünstig bei ALDI gibt, meinen einige Kunden nach wie vor, betonen zu müssen, dass sie sich nicht schämen, bei ALDI einzukaufen.

Nicht nur bei den Kunden, auch in Fachkreisen schneidet ALDI gut ab. In einer Untersuchung zur Einschätzung der Krisenanfälligkeit von 66 Unternehmen (davon sieben Handelsunternehmen) aus den zehn größten Branchen Deutschlands, die das manager magazin im Februar 1992 publizierte, ergab sich bei einer Bewertungsskala von 0 (niedrigstes Risiko) bis 100 (höchstes Risiko) folgendes Bild:

1. Deutsche Bank

30,83

2. Metro

30,83

3. ALDI

31,50

4. Nestlé

33,50

5. Otto Versand

36,00

6. Philip Morris

36,67

Interessant dabei sind die guten Einzelnoten für ALDI:

Geschäftsrisiko

1. Platz

Marktrisiko

2. Platz

Finanzrisiko

5. Platz