Die ältesten Familienunternehmen Deutschlands - Wolfgang Seidel - E-Book

Die ältesten Familienunternehmen Deutschlands E-Book

Wolfgang Seidel

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Beschreibung

Sie sind die Erfinder des Eau de Cologne, der modernen Rotationsdruckmaschine, des Kipplasters, des Teddybärs, des Druckknopfs, der Schuhcreme, ja selbst des modernen Zoos. Familienunternehmen haben in Deutschland eine jahrhundertealte Tradition und sind Weltmarktführer und Hidden Champions. Die Gründung der ältesten Familienunternehmen reicht bis ins 16. Jahrhundert zurück. Sie befinden sich seit über 15 Generationen im Besitz der Familie – bis heute. Besonders spannend ist immer die Gründungphase und es ist interessant zu sehen, unter welchen Umständen alte Familienunternehmen wirtschaften mussten. Wir können uns kaum mehr vorstellen, wie es war, als es nur Pferdekutschen und Ochsenkarren als Transportmittel gab, zahllose unterschiedliche Münzprägungen, viele Zollschranken und noch nicht einmal Dampfkraft – von richtigen Maschinen ganz zu schweigen. Der Autor zeigt auch, was es bedeutet, Familienbetriebe durch Revolutionen, technische Umbrüche, sich dramatisch verändernde Märkte, Geldentwertung, Familienzwiste, politisch widrige Umstände und zerstörerische Weltkriege zu bringen und dennoch erfolgreich in der Familie zu halten. Wolfgang Seidel hat mit den Eigentümerfamilien gesprochen und erzählt Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte anhand von konkreten Unternehmensgeschichten. Eine abwechslungsreiche und lebendige Sammlung von Firmenporträts – und lebendige Beispiele unternehmerischer Verantwortung, Innovation und Nachhaltigkeit und unternehmerischen Weitblicks.

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WOLFGANG SEIDEL

DIE ÄLTESTENFAMILIEN-UNTERNEHMENDEUTSCHLANDS

FBV

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

Originalausgabe, 1. Auflage 2020

© 2019 by FinanzBuch Verlag,

ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Sämtliche Inhalte dieses Buches wurden – auf Basis von Quellen die der Autor als vertrauenswürdig erachtet – nach bestem Wissen und Gewissen recherchiert und sorgfältig geprüft. Es wurden jeweils die Webseiten der Firmen sowie die Wikipedia-Einträge zu den Unternehmen sowie deren Inhaberfamilien herangezogen. Außerdem führte der Autor persönliche Gespräche mit an den Unternehmen beteiligten Personen und bekam Materialien von den Familienfirmen zur Verfügung gestellt. Der Verlag haftet für keine nachteiligen Auswirkungen, die in einem direkten oder indirekten Zusammenhang mit den Informationen stehen, die in diesem Buch enthalten sind. Sämtliche Textstellen, die direkt oder indirekt Zitate wiedergeben und nicht anderweitig belegt sind, stammen aus den bereitgestellten Unterlagen oder persönlichen Gesprächen mit den betreffenden Personen.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Redaktion: Christiane Otto

Korrektorat: Anke Schenker

Umschlaggestaltung: Marc-Torben Fischer, München

Umschlagabbildung: Getty Images, Tim Graham

Satz: ZeroSoft, Timisoara

Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

eBook: ePubMATIC.com

ISBN Print 978-3-95972-246-9

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96092-459-3

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96092-460-9

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.finanzbuchverlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

INHALT

Vorwort

Von Gottes Gnaden

Prinz zu Salm-Dalbergsches Weingut (heute Weingut Prinz Salm)

Das älteste Industrieunternehmen

William Prym GmbH & Co. KG

Garantiert unzerbrechlich – die Glasdynastie

Freiherr von Poschinger Glasmanufaktur

Schöner die Glocken nie klingen

Rincker Glocken- und Kunstgießerei GmbH & Co

Die älteste Bank in Deutschland

Berenberg

Die älteste Druckerei in Familienbesitz

von Stern’sche Druckerei

Die Erfinder des Feuilletons

DuMont

Der Schiller und der Hegel, der Schelling und der Hauff … Goethes Verleger

Ernst Klett-J.G. Cotta’sche Buchhandlung Nachf. GmbH

Wertvoller als Gold

Heraeus Holding GmbH

The German Schnaps

Schwarze und Schlichte – Friedrich Schwarze GmbH & Co. KG

In die Zukunft gerichtet

Merck

Geld ist nicht alles

B. Metzler seel. Sohn & Co. KGaA

Das Schlaraffenland der Münchener

Alois Dallmayr KG

Die Hütte der Fürsten

Zollern GmbH & Co. KG

Der Erfinder des Eau de Cologne

Johann Maria Farina gegenüber dem Jülichs-Platz GmbH

Der älteste Musikverlag der Welt

Breitkopf & Härtel KG

Kühne gibt den Senf dazu

Carl Kühne GmbH & Co KG

Unter extremsten Bedingungen

J. D. Neuhaus GmbH & Co. KG

Oft kopiert, nie erreicht

Villeroy & Boch AG

Vom Glockenton zum Klingelton

S. Siedle & Söhne Telefon- und Telegrafenwerke OHG

Das einzige Wahre

Warsteiner Brauerei Haus Cramer KG

Der Erfinder des Ruhrgebiets

Franz Haniel & Cie. GmbH

Mit spitzem Bleistift gerechnet

Faber-Castell AG

Der Buchstabe des Gesetzes

C.H.Beck oHG

Verachtet mir die Meister nicht

Schott Music GmbH & Co. KG

Bildteil

Im Gartenreich der Kameliendamen

T. J. Rud. Seidel Rhododendronkulturen

Der Weltmarktführer für grünes Gold

Joh. Barth & Sohn GmbH & Co. KG

Vom Land aufs Meer

Meyer Werft GmbH & Co. KG

Vier Banker und ein Kunsthistoriker

M. M. Warburg & CO KGaA

Das weiße Gold

J. G. Niederegger GmbH & Co. KG

Die Mutter aller Druckmaschinen

Koenig & Bauer AG

Nicht nur Sitzmöbel, sondern Kulturgut

Thonet GmbH

Der Welt-Christstollen

Conditorei Kreutzkamm

Weltliteratur im Westentaschenformat

Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG

Von der Pietisten-Presse zum Weltmedienmulti

Bertelsmann SE & Co. KGaA

Alles rund ums Krankenbett

B. Braun Melsungen AG

Die Macht am Niederrhein

Wilh. Werhahn KG

Aus eins mach zwei

Loden-Frey

Völlig verkabelt

Siemens AG

Königlich Bayerischer Hof-Werkzeugfabrikant

F. X. Meiller Kipper Fahrzeug- und Maschinenfabrik – GmbH & Co. KG

Mit größter Sicherheit

Giesecke+Devrient GmbH

Das Haus mit der Sonne

Lambertz GmbH & Co. KG

Menschen Tiere Sensationen

Tierpark Hagenbeck

Im Zeichen des Froschkönigs

Werner & Mertz GmbH

Alles dreht sich

Voith GmbH & Co. KGaA

Prima Klima

Vaillant Group

Persil bleibt Persil

Henkel AG & Co. KGaA

Probieren geht über studieren

Mast-Jägermeister SE

Knopf im Ohr

Margarete Steiff GmbH

Im Reich der Riesen

C. H. Boehringer Sohn AG & Co. KG

Das 52-zähnige Krümelmonster

Bahlsen GmbH und Co. KG

The proof of the pudding

Dr. August Oetker KG

Die unentbehrlichen Helfer

Miele & Cie. KG

Anhang I

Firmengründungen nach 1900 bis zum Ersten Weltkrieg

Anhang II

Brauerfamilien

Anhang III

Verlegerfamilien

Bibliographie

VORWORT

Fast alle Unternehmen waren ursprünglich Familienunternehmen.

Das gilt für den Laden an der Ecke, den Handwerksbetrieb, mittelständische Unternehmen bis hin zu Dax-Konzernen und heutzutage auch für Start-ups.

Über 90 Prozent aller in Deutschland ansässigen Unternehmen sind solche Privatunternehmen, die mehr als die Hälfte des volkswirtschaftlichen Gesamtumsatzes generieren und weit über die Hälfte aller Arbeitsplätze bereitstellen.

Auch große Konzerne, die längst Publikumsgesellschaften sind, führen heute noch den Namen des Gründers beziehungsweise der Gründerfamilie als Firmennamen. Allein unter den aktuellen 30 Dax-Konzernen sind dies: Adidas (Adi Dassler), Bayer, Beiersdorf, Daimler, Fresenius, Henkel, Linde, Merck, Siemens.

Bei vier weiteren Dax-Konzernen erscheint der Familienname zwar nicht im Firmennamen, aber sie sind mehrheitlich im Familienbesitz und die Familie ist auch unternehmerisch engagiert: BMW (Familie Quandt), Continental (Familie Schaeffler seit 2009), SAP (1972 gegründet, Mitgründer und Mitinhaber Dietmar Hopp und Hasso Plattner) sowie Volkswagen (Familien Porsche und Piëch).

In diesem Buch geht es aber nicht um das Ranking von DAX-Konzernen oder um Umsatz- beziehungsweise Gewinnrankings von Familienunternehmen, sondern es geht um ein historisches Ranking: Vorgestellt werden die ältesten Unternehmen, die noch immer im Familienbesitz sowie nach wie vor am Markt sind und von der Inhaberfamilie noch direkt oder indirekt geführt werden. Davon gibt es erstaunlich viele, in erstaunlich vielen Bereichen oder Branchen und sogar viele, die mit bekannten Marken jedermann vertraut sind.

Aus nachvollziehbaren Gründen der verlegerischen Ökonomie werden in diesem Buch nur Familienunternehmen bis 1900 berücksichtigt. Gründungen des 20. Jahrhunderts würden den Rahmen sprengen. An keiner Stelle werden wirklich verbindliche, vollständige Listen »alter« Familienunternehmen geführt. Das ist angesichts der Fülle von Unternehmen auch gar nicht denkbar. Der in diesem Buch gezeigte Querschnitt ist das Ergebnis einer jahrelangen Sammeltätigkeit des Autors. Eine lexikalische Vollständigkeit war nicht Ziel dieses Vorhabens. Bei Gewerben oder Branchen, deren Tätigkeit sehr ähnlich ist, werden nur die nach unserem Wissen jeweils ältesten vorgestellt.

Zu den ältesten uns bekannten Familienfirmen zählen Weingüter und Brauereien, deren Geschichte oft bis ins Mittelalter zurückreicht, sowie handwerkliche Betriebe, die auf irgendeine Weise besonders spezialisiert sind. Diese wirklich sehr alten Familienunternehmen sind in der Zeit der Spätrenaissance gegründet worden. Das war in Deutschland jene Epoche, als nach dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 und der Abdankung Kaiser Karls V. im gleichen Jahr im Altreich eine gewisse politische Beruhigung einkehrte und sich die in Italien ausgebildete, stark von den Fürstenhöfen dominierte Renaissancekultur auch nördlich der Alpen durchsetzte. Kulturell war diese Umbruchzeit auch geprägt von einer Aufbruchsstimmung in den Naturwissenschaften. Die Entdeckung der Welt war gerade in Gang gekommen und wurde vor allem von den Atlantik-Anrainerstaaten Portugal, Frankreich, England, die Niederlanden und den Ländern Skandinaviens vorangetrieben. Ganz neue geografische Kenntnisse, neue Pflanzen und Früchte, Nachrichten über bis dahin unbekannte Völker strömten nach Europa. In diesen Jahrzehnten begannen der Welthandel und das Kolonialzeitalter. Kopernikus’ revolutionäre astronomische Neuorientierung mit der Sonne statt der Erde im Zentrum des Kosmos, veröffentlicht im Jahr 1543, wurde in diesen Jahrzehnten von den Gelehrten sehr kontrovers diskutiert und führte das wissenschaftliche Denken langfristig in die Moderne. Galileo Galilei, der erste Naturwissenschaftler überhaupt, wurde 1589 Professor für Mathematik in Pisa; Kepler erhielt 1594 als junger Mann seinen ersten Lehrauftrag. Shakespeare und Caravaggio auf der literarisch-künstlerischen Seite und Galilei und Kepler auf der naturwissenschaftlichen Seite sind die europäischen Epochenfiguren dieser Jahrzehnte der Spätrenaissance, des Aufbruchs Europas in die Welt und in die frühe Moderne.

Hält man sich diese historische Tiefendimension vor Augen, dann leuchtet unmittelbar ein, was der Betrieb und der erfolgreiche Erhalt einer Firma über mehr als 15 Generationen und durch massive geschichtliche Umbrüche wie Revolutionen, Verfassungsänderungen, Kriege und Weltkriege bedeuten und welche unternehmerischen Leistungen hinter solch einer Kontinuität stecken.

Das gilt natürlich nicht minder für »jüngere« Unternehmen, die »erst« im 18. Jahrhundert entstanden sind, also noch vor der Französischen Revolution, und genauso für die zahlreichen bedeutenden Gründungen im 19. Jahrhundert, als sich das industrielle Unternehmertum ausprägte, wie wir es heute kennen. Auch die Führung und der Erhalt eines Unternehmens wie der jedem Schüler bekannte Reclam Verlag, der 1828 gegründet wurde (gegenwärtig 6. Generation), bedarf unternehmerischer Verantwortung, Innovation, Nachhaltigkeit und Weitblicks sowie vernünftigen Umgangs mit Risiken. Das Erbringen dieser Leistungen ist nur in wenigen anderen institutionellen Gebilden ebenfalls vonnöten. Es fallen einem Kirchen, Klöster, Ritterorden, vermögende Adelsfamilien, fromme Stiftungen und einige kulturelle Institutionen und womöglich etliche Zünfte und Vereine als dauerhaft bestehende und langfristig Vermögen verwaltende Institutionen ein, die sich aber, bis auf die Adelsfamilien, alle nicht familiär erneuern.

Natürlich gibt es auch in anderen europäischen Ländern zahlreiche alte Familienunternehmen mit großer Tradition. Begünstigt wurde der Erhalt von Familienunternehmen im europäischen Raum nicht zuletzt durch die Rechtsordnung. Das auf dem römischen Recht basierende, in dieser Hinsicht durchaus einheitliche europäische Recht begünstigt im Prinzip den Zusammenhalt des Erbes und der Vermögen. Das ist ein wichtiger Unterschied beispielsweise zum muslimischen Rechtsverständnis, wo Vermögen in der Regel unter den Erben aufgeteilt werden und übrigens auch Frauen gleichberechtigt erben. Diese Ausgestaltung des Erbrechts hat vor allem in den orientalischen Ländern unter muslimischem Recht dazu geführt, dass sich dort im Lauf der Jahrhunderte nicht im gleichen Maße Privatvermögen bilden konnten wie im europäischen (römischen) Rechtskreis.

Außerdem wurde es in den patriarchalischeren vergangenen Jahrhunderten in der Regel so gehandhabt, dass Söhne, und vor allem die ältesten Söhne, eine gewisse Vorzugsstellung genossen. Auch das hat solche Vermögenserhalte begünstigt. Zumindest im 19. Jahrhundert waren Frauen von Gesetzes wegen nicht geschäftsfähig. Es kam daher nicht selten vor, dass etwa im Falle einer »Alleinerbin« ein »zuverlässiger« Schwiegersohn gesucht und gefunden wurde, der schon frühzeitig in das Familienunternehmen eingebunden wurde, um es im Sinne der Gründer fortzuführen. Faber-Castell ist dafür ein markantes Beispiel.

Das heißt andererseits nicht, dass es in den alten Unternehmerfamilien nicht jede Menge Unternehmerinnen gab, die, oft als Witwen, die Geschäfte mit großer Tatkraft, Umsicht und Erfolg weiterführten. Zu ihnen zählten beispielsweise Dorette von Stern, Katharina und Barbara Metzler, Aletta Haniel, Sara Warburg, Katharina Schwarze oder Martha Schwarzkopf, die ihre Firmen oft jahrzehntelang geleitet haben und so das Überleben sicherten. Im 19. Jahrhundert wären außerdem insbesondere Therese Randlkofer (Dallmayr) und Margarete Steiff als echte Unternehmerinnen zu nennen.

In diesem Buch werden nur Familienunternehmen vorgestellt, die etwas herstellen oder vertreiben, also Produktions- und Handelsunternehmen, sowie Privatbanken. Adelige Vermögensverwaltungen, die oftmals auch sehr alt sind und sich im Besitz von Adelsfamilien befinden, wurden nicht berücksichtigt, auch wenn sie über Industrie- oder Bankbeteiligungen verfügen oder – typisch für Adelsfamilien –, in Land- und Forstwirtschaft oder Weinbau engagiert sind. Es wird auch kein Anspruch auf Vollständigkeit der Liste erhoben. Dafür ist die Zahl der Unternehmensgründungen, vor allem im 19. Jahrhundert, zu hoch.

Anhand der Liste der Unternehmen und der Daten sieht man, dass es schon während des gesamten 19. Jahrhunderts eine Gründerzeit gab, nicht erst im letzten Drittel jenes Jahrhunderts nach der Schaffung des Deutschen Reichs durch Bismarck. Dafür gibt es mehrere, leicht nachvollziehbare Gründe: Mit dem Ende des Heiligen Römischen Reichs im Jahr 1806 fielen auch etliche verkrustete Strukturen weg. Im Bereich der Wirtschaft vor allem die Zunftordnung. In allen Gebieten westlich des Rheins galt ohnehin bereits der moderne Code Napoleon. Als Reaktion auf die Niederlage durch Napoleon reformierten und modernisierten sich namentlich Preußen, Bayern und Baden. Der Wegfall des Zunftwesens bedeutete vor allem Gewerbefreiheit, also die Freiheit jedes Bürgers, ein Gewerbe seiner Wahl zu betreiben – heute würden wir sagen, einen Beruf seiner Wahl zu ergreifen beziehungsweise ein beliebiges Unternehmen zu gründen. Die Möglichkeit bestand zuvor, als das Gewerbetreiben von den Zünften beherrscht wurde, nämlich nicht. Allein das beflügelte die Wirtschaftstätigkeit.

Ein weiteres Relikt des Altreiches waren die zahlreichen Zollschranken. Noch um 1790 gab es in Deutschland fast 2000 Zollgrenzen. Das Land war gepflastert mit Schlagbäumen. Immerhin schufen schon kurz nach 1800 fortschrittliche Länder wie die Rheinbundstaaten, Baden und Bayern auf ihrem Gebiet einen einheitlichen Binnenmarkt ohne Zölle. Genau wie in unserer Zeit die Schaffung des europäischen Binnenmarktes erleichterte auch das die Tätigkeit der Unternehmen erheblich und eröffnete ihnen neue Märkte. Bis zur Schaffung eines einheitlichen deutschen Binnenmarktes (Deutscher Zollverein ab 1834) war es aber noch ein weiter Weg. Die letzten Relikte von Zollsonderrechten wurden erst in den 1880er-Jahren in Hamburg beseitigt.

Der dritte Faktor, der nach 1800 zum Tragen kam, war der Aufschwung der Naturwissenschaften. Das zunehmend rationale Verständnis der Naturzusammenhänge, namentlich in der Chemie, das bereits in der Zeit der Französischen Revolution eingesetzt hatte und mit immer neuen Entdeckungen aufwartete, beflügelte vor allem die völlig neue chemische Industrie sowie zum Jahrhundertende hin natürlich ebenso die junge pharmazeutische Industrie. Auch wenn es für Deutschland zunächst keine herausragende Rolle spielte, sollte man global gesehen erwähnen, dass im 19. Jahrhundert zudem ganz neue Naturrohstoffe wie Kautschuk und Petroleum (Erdöl) aufkamen.

Ein weiterer Faktor ist natürlich die Industrielle Revolution: Es wurden Dampfmaschinen zum Antrieb von Produktionsmaschinen eingesetzt, und eine Umwälzung der Verkehrstechnik durch die Erfindung von Dampfschiffen und Eisenbahnen fand statt. Erst dadurch wurde die Erschließung ganz neuer, viel größerer Märkte für alle möglichen Branchen möglich, wie am Beispiel der Bierbrauereien zu sehen sein wird. Dampfgetriebene Pumpen zum Abpumpen des Grundwassers haben auch erst den tiefen Kohlebergbau im 19. Jahrhundert ermöglicht, der in engem Zusammenhang mit Stahl steht; in der Folge kam es auch zu ständigen Verbesserungen im Stahlherstellungsverfahren.

Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kamen dann noch weitere Neuerungen hinzu, die bis dahin völlig unvorstellbar waren: Die Nutzung der Elektrizität für alle möglichen Anwendungen (Nachrichtentechnik: Telegraf, Telefon; Verkehrstechnik: Straßenbahn) und zum Schluss des Jahrhunderts sowohl die Verbrennungsmotoren (Diesel, Maybach, Daimler, Benz) als auch die Kältetechnik (Linde). Auch das 20. und 21. Jahrhundert setzen diese Gründerdynamik ungebrochen fort – aktuell in Form der Start-ups, hauptsächlich rund um das Internet und die damit einhergehende Digitalisierung.

Wenn man alte Familienunternehmen konkret betrachtet, gewinnt man auch Einblicke in die alltäglichen Probleme, die es zu bewältigen gab: Die miserable Infrastruktur nicht befestigter Straßen und die geringen Transportkapazitäten von Pferde- oder Ochsengespannen behinderten früher jede Expansion; eine fast unüberschaubare Fülle von Münzprägungen unterschiedlichen Wertes sowie unterschiedliche Maßeinheiten, gerade im kleinstaatlich zersplitterten Deutschland, erschwerten darüber hinaus den Handel. Ganz zu schweigen von den bereits erwähnten Zollgrenzen und Mautgebühren in der deutschen Kleinstaaterei. In bereits deutlich reduzierter Form konnte man ähnliche Zustände auch noch im Nachkriegseuropa bis zum Jahr 2002 erleben, wenn man bei Reisen in unsere Nachbarländer noch sein Geld umtauschen und an der Grenze seine Ausweisdokumente vorzeigen musste. Währungsunion (Euro), Zollunion und Abschaffung der Grenzkontrollen im Schengen-Raum haben zu einer erheblichen Erleichterung, Entbürokratisierung und damit zu einer Liberalisierung und Dynamisierung von Verkehr und Wirtschaft geführt.

Anhand der konkreten individuellen Unternehmensgeschichten erkennt man im Rückblick auch sehr gut die Disruptionen, vor allem durch den Zweiten Weltkrieg und die Enteignungen in der DDR. Fast alle Unternehmen haben unter den physischen Zerstörungen durch den Bombenkrieg gelitten und erhebliche Verluste hinnehmen müssen; manche standen in materieller Hinsicht vor dem Nichts. Wenn man solche Einzelschicksale von Unternehmen, wie sie hier in diesem Buch vorgestellt werden, Revue passieren lässt, wird einem bewusst, was es bedeutet, Haus und Hof, Gebäude und Betriebsanlagen und die dazugehörige Infrastruktur zu verlieren. Im Zweiten Weltkrieg waren solche Unglücke keine Seltenheit, sondern traurige Normalität. Und das war nur der physische Teil.

Schon die Nazis, ebenso wie später die Funktionäre der SED, setzten Unternehmer mit einer ungeheuren Perfidie unter Druck. Am schlimmsten betroffen waren jüdische Eigentümer, die mit einer unglaublichen menschlichen Gemeinheit um ihre materielle Existenz gebracht wurden und oft genug um ihr Leben bangen mussten. Auch die Arisierungen, die Anpassung an das Nazi-Regime, der Druck, für die Kriegswirtschaft zu produzieren, die Beschäftigung von Zwangsarbeitern, all das ist mehr als ein bitteres Kapitel. Viele Unternehmer passten sich an und liefen mit. Andere profitierten bewusst, und einige Unternehmer-Nazis liefen vorweg.

Genauso viel menschliche Niedertracht legten die SED-Funktionäre an den Tag, als es darum ging, Menschen zu schikanieren. Das ist aus der DDR aus allen Lebensbereichen bekannt. Es gibt etliche Familienunternehmen, die ihre Wurzeln und ihren Stammsitz in Berlin, Leipzig oder Dresden hatten, und es besteht kein Anlass zu der Annahme, dass sie in einem nicht geteilten, nicht sowjetisch besetzten Deutschland mit einer Marktwirtschaft nicht genauso weiterfloriert hätten, wie es andere Firmen jahrzehntelang im Westen taten, bis auf den heutigen Tag. Die Besitzer dieser in Ostdeutschland angesiedelten Unternehmen wurden jedoch einfach enteignet, die Firmen meist in VEB (Volkseigene Betriebe) umgewandelt und irgendwie weiterbetrieben, aber unter den wirtschaftlichen Bedingungen der DDR blieben davon am Ende vor der Wende nur unternehmerische Ruinen, derer sich die Alteigentümer mit einer gewissen Nostalgie und mit unterschiedlichem Erfolg wieder annahmen.

Der Kahlschlag in der ostdeutschen Wirtschaft, der heute noch deutlich sichtbar ist, ist auch eine Folge der radikalen Abschaffung des privaten Unternehmertums zu DDR-Zeiten. Wir haben jedoch ein Unternehmen mit langer Familientradition gefunden, das diese Ausrottung mit Glück und etwas Chuzpe überlebt hat. In den fünf neuen Bundesländern, auf dem Gebiet der ehemaligen DDR, gibt es heute praktisch kaum mehr Familien-Traditionsunternehmen mit einem Stammsitz in einem dieser Länder. Das gilt auch für das Land Berlin.

Die volkswirtschaftliche Bedeutung von Familienunternehmen kann man gar nicht hoch genug veranschlagen. Im Prinzip ist jeder Lotto-Kiosk, jedes Restaurant, jede Apotheke, jede Buchhandlung, jeder Handwerksbetrieb und heutzutage natürlich auch jedes Start-up in aller Regel ein Privatunternehmen; und spätestens wenn ein Ehepartner oder erwachsene Kinder mitarbeiten auch ein Familienunternehmen. So elementar und lebensnah ist das. Aber auch unter den »Großunternehmen« (mit über 50 Millionen Euro Umsatz) sind Familienunternehmen überdurchschnittlich stark: Es gibt mehr als 100 Familienunternehmen mit einem Umsatz von über 1 Milliarde Euro.

Typisch für Familienunternehmen ist das Denken in Generationen. Der Erhalt des Unternehmens für die Zukunft und für künftige Generationen ist überaus wichtig. Das ist völlig anders als das kurzfristige Shareholder-Denken und die Dividenden-Maximierung. Gewinnschmälerungen werden in Familienunternehmen gelegentlich in Kauf genommen, wenn es dem Erhalt des Unternehmens und langfristigen Investitionen dient. Es kommt auch vor, dass ein Familienunternehmen eine Zeit lang aus sonstigen Privatvermögen der Familie »quersubventioniert« wird, um es in schwierigen Zeiten am Leben zu erhalten; nicht zuletzt um der Belegschaft willen.

Es gibt einige wenige Unternehmen, die es tatsächlich geschafft haben, praktisch mit einem Produkt oder mit einer althergebrachten Tätigkeit jahrhundertelang zu überleben. Die eigentliche Story bei den meisten Unternehmen ist aber, dass sie so lange überlebt haben, weil sie immer wieder imstande waren, sich an ständig verändernde Märkte, neue Techniken und damit auch neue technische Möglichkeiten anzupassen. Das gilt, je nach Branche, auch für veränderte Geschmäcker oder Moden. Der Erfolg der Traditionsunternehmen besteht in der Tat in den meisten Fällen darin, sich nicht reaktiv an das Althergebrachte geklammert, sondern sich »immer wieder neu erfunden« zu haben, wie man heute gerne sagt.

Neuorientierungen, Firmenübernahmen, neue Geschäftsfelder sind gerade in vielen alten Familienunternehmen keine Seltenheit. Der permanente Wandel beziehungsweise die Wandlungsfähigkeit sind insofern auch ein wichtiger Traditionswert.

Alle Unternehmerfamilien – und insbesondere die alten Unternehmerfamilien – tragen nicht nur Verantwortung und Eigenverantwortung für den Erhalt des Unternehmens und des Vermögens sowie für den Zusammenhalt der Familie, sondern auch soziale Verantwortung für ihre Mitarbeiter. Gerade Familienunternehmer begreifen ihre Firma auch als eine Art Großfamilie. Die fundamentalste soziale Maßnahme, die Unternehmer leisten, besteht erst einmal darin, überhaupt Arbeitsplätze bereitzustellen. Je erfolgreicher sie sind, je besser das klappt, desto besser für die Arbeitnehmer und eine Volkswirtschaft insgesamt.

In praktisch jeder alten Unternehmerfamilie finden sich Beispiele für soziales, kulturelles und bürgerschaftliches Engagement, oft in institutionalisierter Form. Auch darauf wird in den nachfolgenden Unternehmensporträts immer wieder hingewiesen. Keine Unternehmerfamilie könnte sich über Generationen halten, wenn sie ihre Mitarbeiter »ausbeuten« würde. Eine derart lange Überlebensdauer, bei den ältesten Firmen über mehr als 300 bis 400 Jahre, wäre, abgesehen vom wirtschaftlichen Erfolg, ohne eine tiefe Verankerung in der Gesellschaft gar nicht denkbar. Auch das hat – in jedem Sinne des Wortes – Tradition.

VON GOTTES GNADEN

PRINZ ZU SALM-DALBERGSCHES WEINGUT(HEUTE WEINGUT PRINZ SALM)

Wallhausen

1200

GEGRÜNDET: CIRCA 1200

100 PROZENT FAMILIENBESITZ

30. GENERATION

GEGENWÄRTIG IM 620. JAHR[1]

Deutschlands ältestes Weingut in Familienbesitz ist auch das älteste Familienunternehmen, das wir kennen. Der Winzerbetrieb wird heute von Felix Prinz zu Salm-Salm und seiner Frau Victoria mit Passion geführt. Sitz ist Wallhausen im Gräfenbachtal. Der Gräfenbach ist ein Flüsschen im Einzugsgebiet der Nahe in der Nähe von Bad Kreuznach. Allein in diesem Weindorf gibt es über 40 Winzer. Das Wallhäuser Felseneck befindet sich seit über 800 Jahren im Besitz der Familie. Das ist wirklich eine Besonderheit.

Das Nahe-Gebiet zählt zu den Ur-Weinanbaugebieten auf deutschem Boden, der schon vor mehr als 2000 Jahren von den Römern beackert wurde. Prädestiniert ist das Gebiet durch das milde, sonnenreiche Klima, windgeschützte Lagen und – das ist ganz besonders charakteristisch für die Nahe-Weine – sehr verschiedenartige Böden auf vergleichsweise kleinem Raum; beispielsweise Roter Sandstein, Schiefer, Lehm oder Quarzit. Das Weingut Prinz Salm ist auf dem Scharlachberg begütert, einer der berühmtesten Einzellagen Deutschlands bei Bingen in Rheinhessen. 1248 wurde der Scharlachberg erstmals urkundlich erwähnt. Der Name rührt von dem charakteristischen rötlichen Eisenoxid auf der Bodenoberfläche. Ein weiterer Faktor für die Qualität seiner Riesling-Weine sind die hier besonders tief wurzelnden Rebstöcke und die einzigartige Bodenstruktur mit dem Taunusquarzit, der nur hier vorkommt, und dem erwähnten Eisenoxid. Außerdem zählt der Scharlachberg zu den wärmsten Lagen in Rheinhessen.

Die Gründerfamilie des Weinguts sind die Herren von Weierbach, die hier an der Nahe um 1170 die Dalburg errichteten, heute eine steile Ruine über dem Tal. Sie wurde bereits ausdrücklich zum Schutz der Weinberge erbaut – mit extra breiten Toren zum Einrollen der Eichenfässer. Das war zu Beginn der Herrschaft des Stauferkaisers Friedrich Barbarossa, im ersten Jahrhundert der Kreuzfahrerzeit. Die älteste urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahr 1219. Von einer Unternehmensgründung im modernen Sinn, bei der alles bürokratisch genau erfasst wird, kann angesichts der ganz anders gestalteten Lebens- und Rechtsverhältnisse im Mittelalter natürlich keine Rede sein. Aber eine überlieferte und gesiegelte Urkunde (Hessisches Hauptstaatsarchiv), datiert vom 1. Mai 1219 über die Verpfändung zweier Weinberge als Garantie für versprochene Zehntzahlungen (eine Art Steuer), liefert immerhin den nun genau 800 Jahre alten Beweis, dass die Familie hier mit Weinbergen begütert war und das sicher schon seit sehr viel längerer Zeit. Der Familie gilt dieses Dokument nun als eine Art Gründungsurkunde. Zudem befinden sich die darin genannten Breitwiesen-Weinberge in Wallhausen bis heute im Familienbesitz. Die Familie hieß damals zunächst Herren von Weierbach, am Ort belegbar seit der Zeit um 1150. Diese nachweisbare Generation wird als die erste Generation angesehen. Der Sohn des ersten Godebold von Weierbach errichtete die Dalburg, und es ist sein Enkel, Godebold (III.) von Weierbach, der dann 1219, also rund 70 Jahre später, das genannte urkundliche Verpfändungsversprechen abgibt.

Der Weinanbau geht zeitlich sicherlich noch viel weiter zurück als 1150. Die enorme Bedeutung von Weinanbau und Weinhandel im Mittelalter erkennt man auch an einer der »Gründungsurkunden« der Hanse aus jener Zeit. Dabei handelt es sich um ein Privileg, ein Schutzversprechen, das der englische König Heinrich II. um 1170 einer Vereinigung Kölner Kaufleute in der Guildhall in London erteilte, die vor allem Weinhändler waren. Daraus folgt, dass gerade der zweifellos lukrative Weinhandel über Landesgrenzen und sogar über den Ärmelkanal hinweg schon damals eine bedeutende Rolle spielte.

Wenige Jahrzehnte nach der Verpfändungsurkunde traten die Weierbach ab circa 1235 in verwandtschaftliche Beziehungen zu dem mittelrheinischen Adelsgeschlecht Kämmerer von Worms. Dieser ungewöhnliche Familienname leitet sich aus dem Amt ab, das diese Familie seit 1238 erblich besetzte, nämlich das Amt des Kämmerers beim Bischof von Worms. Aus der Amtsbezeichnung war hier in der Tat der Name einer weitverzweigten mittelrheinischen Adelsfamilie geworden, deren verschiedene Zweige später der Einfachheit halber nach ihren »Stammsitzen« benannt wurden, unter anderem nach der Dalburg. Diese war – samt Weinbergen natürlich – nach dem Tod des letzten kinderlosen Herren von Dalberg 1323 in den Besitz dessen Onkels übergegangen, des Johann Kämmerer von Worms (7. Generation). Das wurde Johanns Sohn in der nächsten Generation vom zuständigen Speyerer Bischof bestätigt, der die Kämmerer von Worms vollständig mit der Dalburg und Wallhausen belehnte. 1399 bezeichnete sich dessen Sohn Diether (9. Generation) erstmals mit »Kämmerer von Worms gen. v. Dalberg«. Seit der Verleihung des Freiherrentitels 1653 fiel dann das »Kämmerer von Worms« weg, und die Familie hieß von nun an kurz »von Dalberg«.

Das ist sozusagen in Kurzfassung die Namensgeschichte als Teil der Familiengeschichte. Sie wirft ein Schlaglicht auf die historische Tiefendimension, mit der man es bei so einer alten Familie zu tun hat. Schon im Laufe dieser noch relativ frühen Dalberg-Generationen war es durch Käufe und durch Heiraten zu einer beträchtlichen Erweiterung des Weinbergbesitzes gekommen, beispielsweise im heutigen Rheingau, heutigen Rheinhessen und in der Pfalz. Es handelte sich also nicht um eine Art arrondierten Besitz rund um die Dalburg, sondern um weit verstreutes Eigentum, was im Altreich völlig üblich war. So ging es nun jahrhundertelang weiter, in denen die Familie Dalberg neben den vielen anderen Ämtern, die einzelne Mitglieder ebenfalls bekleideten, auch stets an mehreren Orten den familieneigenen Weinbau betrieb. Das war eine äußerst solide wirtschaftliche Grundlage. Historikern galt die Familie immer als sehr wohlhabend. In der Spätrenaissance, um 1565, erbauten die Dalbergs im Tal Schloss Wallhausen. Das Schloss ist heute noch Wohnsitz der Familie sowie Sitz der Domänenverwaltung.

Die katholisch geprägte Familie, von der viele Mitglieder im Lauf der Geschichte auch immer wieder im Dienste der Kirche und des Reiches standen, ist sich ihrer Tradition und des Privilegs ihres Erhalts und Zusammenhalts, auch am Heimatort, sehr bewusst und empfindet diese lange Kontinuität angesichts der vielen Wechselfälle der geschichtlichen Zeitläufe durchaus als Gnade.

Die Bewohner von Mainz kennen den Dalberger Hof in der Innenstadt, ein repräsentatives Barockpalais, das sich die Familie um 1700 dort erbauen ließ. Mitglieder der Familie bekleideten im Altreich im Lauf der Jahrhunderte immer wieder hohe und höchste Ämter. Durch die Erhebung in den Adelsstand als Freiherrn waren die Dalbergs immer reichsunmittelbar zum Kaiser, also nicht Untertanen eines Landesfürsten. Sie stellten ihrerseits Kurfürsten oder Kirchenfürsten, ein Dalberg war Ende des 17. Jahrhunderts 20 Jahre lang Präsident des Reichkammergerichts. Der historisch bekannteste Dalberg dürfte Karl Theodor von Dalberg (1744–1817) gewesen sein, der letzte Reichserzkanzler des Heiligen Römischen Reiches, dann Fürstprimas des Reiches und Großherzog von Frankfurt. Als Reichskanzler versah Dalberg das protokollarisch höchstrangige Amt nach dem Kaiser in Wien. Allerdings war zu Dalbergs Zeit der Untergang des Altreichs nach dem Willen Napoleons bereits besiegelt: Im August 1806 legte der Kaiser in Wien die Reichskrone nieder.

Der letzte männliche Dalberg, Johannes Evangelist, starb 1940 im Alter von 31 Jahren unverheiratet und ohne Nachkommen. Damit fiel der Besitz an seine Cousine Maria Anna von und zu Dalberg. Sie hatte 1912 den Prinzen zu Salm und Salm-Salm geheiratet. Die Söhne dieses Paares nennen sich seitdem Salm-Dalberg.

Seit dieser Zeit kümmert sich die Familie direkt um das Weingut. Heutiger Inhaber ist der Enkel der letzten Dalberg, Michael Prinz zu Salm-Salm. Die Geschäfte werden von dessen Söhnen Constantin und Felix und dessen Gattin Victoria in der 30. Generation geführt. Der in Önologie ausgebildete Prinz Felix ist »der Winzer« des Guts.

Vor allem unter der Federführung von Michael Prinz zu Salm-Salm wurde der schon 1910 unter etwas anderer Bezeichnung gegründete Verband Deutscher Prädikats- und Qualitätsweingüter e. V. (VDP) zu einem Zusammenschluss von circa 200 Qualitätsweinerzeugern geformt, bei denen sich die Qualität des Weins nicht nur nach Oechslegraden bestimmt. Die VDP-Mitglieder legen Wert auf naturnahen Anbau, Handlese ab dem Prädikat Auslese und dergleichen mehr.

Gerade das Weingut Prinz Salm wurde ganz auf biologischen Weinanbau umgestellt und hat sich außerdem dem Nachhaltigkeitssiegel »Fair’n Green« für nachhaltigen Weinanbau angeschlossen. Dabei geht es nicht nur um qualitätvolle Ernten und entsprechende Weiterverarbeitung im Weinkeller, sondern auch um die naturnahe Hege und Pflege der Anbauflächen, Umweltschutz, entsprechende Betriebsführung sowie kulturelles und soziales Engagement.

Weinbauern, also Wein-Anbauer, haben ebenso wie andere Landwirte über Jahrhunderte großflächig Kulturlandschaften geschaffen und erhalten, die zu den schönsten Europas zählen, gerade auch in den in aller Welt berühmten Flusslandschaften Deutschlands. Auch das gilt es zu bewahren.

Die beiden wesentlichen Anbaugebiete des Weinguts Prinz Salm liegen in Wallhausen an der Nahe und in Bingen, das zu Rheinhessen gehört, mit vier VDP.GROSSEN LAGEN und drei VDP.ERSTEN LAGEN. Die VDP. Klassifikationen sind privatrechtliche Regelungen der im VDP zusammengefassten Prädikatsweingüter. VDP.GROSSE LAGE und VDP.ERSTE LAGEN kennzeichnet die beiden hochwertigsten Güteklassen. Die Familie des Weinguts Prinz-Salm wirtschaftet in Steilstund Steillagen und hat sich dem Riesling verschrieben, zu fast Dreiviertel werden Riesling-Trauben angebaut.

Die Gattin von Prinz Michael und Mutter von Prinz Felix stammt übrigens aus der Familie Castell-Castell, die erstens mit »Faber-Castell« weitläufig verwandt sind (siehe im Kapitel zu Faber-Castell), zweitens ebenfalls wie die Dalbergs eine sehr alte (fränkische) Adelsfamilie mit Ursprüngen in der Salier- und Stauferzeit sind, und drittens besitzt die Familie Castell ebenfalls seit staufischer Zeit (1224) ein Weingut in Franken, eben in Castell, das Fürstlich Castell’sche Domänenamt.

Aus dieser zufälligen familiären Konstellation könnte man ableiten, dass Weinbau, vor allem natürlich Qualitätsweinbau, ein für Familienunternehmen sehr solides Geschäft ist, das man jahrhundertelang betreiben kann – unternehmerische und önologische Sorgfalt vorausgesetzt. Zufall oder Notwendigkeit?

Wir plädieren für Letzteres. Die Zahl der sehr alten Weingüter ist sehr hoch, und das ist ein Zeichen für eine ehrenwerte, große Tradition.

DAS ÄLTESTE INDUSTRIE-UNTERNEHMEN

WILLIAM PRYM GMBH & CO. KG

Stolberg

1530

GEGRÜNDET: 1530 IN AACHEN

FAMILIENBESITZ

20 GENERATIONEN

GEGENWÄRTIG IM 490. JAHR

Nicht nur für den Druckknopf bekannt, gilt Prym als ältestes Industrieunternehmen in Deutschland und die Familie als eine der ältesten Unternehmerdynastien. Die Wurzeln der Aachener Patrizierfamilie und ihre frühe gewerbliche und kaufmännische Tätigkeit lassen sich bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts zurückverfolgen.

Der Firmensitz in Klinkerbauweise mit markantem Mittelrisalit, 1912 an der Zweifaller Straße in Stolberg errichtet, demonstriert das unternehmerische Selbstbewusstsein der Familie um Hans Prym zu dieser Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. An der gleichen Stelle, an der sich denkmalgeschützte Fabrikgebäude aus verschiedenen Epochen der Industriearchitektur anschließen, hatte die Familie schon vor 1642 begonnen, Kupfer- und Messingprodukte mit den technischen Möglichkeiten der Barockzeit in frühindustrieller Fertigungsweise herzustellen.

Aachen ist die ursprüngliche Heimat der Familie Prym. Die Familiengeschichte lässt sich bis 1340 zurückverfolgen, als ein Johann Prym Agnes Dollart in Aachen heiratete. Mit gutem Grund kann man vermuten, dass diese Heirat die Wege zur unternehmerischen Tätigkeit der Familie auf dem späteren Dollartshammer in Stolberg geebnet hat.

1530, fünf Generationen später, ist in Aachen Wilhelm Prym als Goldschmied und Messinghandwerker nachweisbar. 1642 wurden Wilhelms Nachfahren zusammen mit allen anderen protestantischen Kupfermeisterfamilien wegen ihres Glaubens aus Aachen vertrieben.

Die Jahrzehnte davor waren geprägt von den Aachener Religionsunruhen, teilweise bürgerkriegsähnlichen Streitigkeiten zwischen Evangelischen und Katholiken. Unter konfessionell wechselnden Ratsmehrheiten hatte die Stadt Aachen schwierige Zeiten zu überdauern, komplett mit Reichsacht, Belagerung und endgültiger Ausweisung vieler prominenter, reformierter Handwerker-, Händler- und Patrizierfamilien. Diese siedelten sich im Umland an, in Orten in denen ihnen die Ausübung ihres Glaubens zugesichert wurde. Zwölf protestantische Kupfermeisterfamilien, darunter auch die Pryms, ließen sich in Stolberg, das zum Herzogtum Jülich gehörte, nieder. Dort hatten sie – in weiser Voraussicht –, wegen des drohenden Verlusts der Zunftrechte, bereits seit Jahrzehnten ihr Gewerbe betrieben. Stolberg, mit der Nähe zu leicht abbaubauren Zinklagerstätten, reichlich vorhandener Wasserkraft und (Holz-)Kohle, war ein idealer Standort für das Kupfermeistergewerbe. Nach dem endgültigen Zuzug begann nun eine Periode herausragenden wirtschaftlichen Erfolgs für die Stadt.

Außerdem bedeutete die Zugehörigkeit zum Herzogtum Jülich Religionsfreiheit. Das war der Familie von allem das Wichtigste: Sie war von großem Gottvertrauen geprägt.

»Die frühe Erfahrung anders zu sein, hat den Zusammenhalt der Familie sehr gestärkt. Hinzu kommt, dass sie mit Holzkohle, Erzen, Wasser und religiöser Unabhängigkeit in Stolberg Rahmenbedingungen fand, sich zu einem außergewöhnlichen Unternehmen zu entwickeln«, sagt die Hüterin des Unternehmens- und Familienarchivs der Prym Group.

Das Wort »Kupfermeister« war die damals gebräuchliche Bezeichnung für Messinggießer und Messingschmiede. In jener Zeit hielt man die goldgelb glänzende Legierung aus Kupfer und Zink für eine farbliche und formbare, dabei widerstandsfähige Variante des Kupfers, die durch die Beimengung von Zinkerz erreicht wurde.

Eine zentrale Figur des blühenden Stolberger Messinggewerbes war schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts der Aachener Heinrich Dollart, mit dessen Familie die Familie Prym in vielfacher Weise verschwägert und verwandt ist, und der von ihm betriebene Dollartshammer, an dem Christian Prym bis 1714 alle Anteile erwarb. Der Dollartshammer war ein für die damalige Zeit durchaus komplexes Werk zur Metallverhüttung mit bis zu 20 Schmelzöfen, Hammerschmiede, Wasserrädern, Lagerplätzen für Rohstoffe und (Halb)Fertigwaren, das oft von verschiedenen Anteilseignern, damals »Gewerkschaften« genannt, betrieben wurde. Bis heute befindet sich der Hauptsitz der Prym Group am selben Standort, wie der ehemalige Dollartshammer. Ob das ein Segen oder ein Fluch ist, mag jeder für sich beantworten.

Dank Fleiß, erfolgreicher Bewirtschaftung, klugen Heiraten und Festigkeit im Glauben, hat das Familienunternehmen die Jahrhunderte überdauert. Dennoch hatten Familie und Betrieb noch viele Umbrüche und Zäsuren zu überstehen.

Die Besetzung des Rheinlands durch französische Revolutionstruppen war so ein Einschnitt. 17 Jahre lang lagen die Absatzmärkte für Messing nun im Westen. Nach dem Wiener Kongress fiel das Rheinland an Preußen im Osten und das Unternehmen verlor den bedeutenden französischen Markt. Das war jedoch noch nicht das Schlimmste. Mit der Erfindung des Reduktionsverfahrens zur Gewinnung von metallischem Zink verlor der Raum Eschweiler-Stolberg-Altenberg seinen bedeutendsten Standortvorteil: die Nähe zu den gut abbaubaren Zinkerzvorkommen. Die Auswirkungen waren drastisch: Die Messingproduktion in Stolberg, die zwei Jahrhunderte Weltgeltung hatte, kam zum Erliegen. Auch Prym blieb nicht verschont. Die Zahl der Prymschen Mitarbeiter sank von 250 auf acht und nur ein Ofen konnte noch betrieben werden.

William Prym (1811–1883) in der 15. Generation, nach dem die Firma bis heute benannt ist, gelang es aber, das Unternehmen in die neue Zeit zu retten. Er schickte seinen Sohn Heinrich August (1843–1927) in die Lehre nach Birmingham in Mittelengland, dem Kernland der Industriellen Revolution und der Mechanisierung von Arbeitsabläufen. Hier werden vor allem im Bereich Kohle/Eisen/Schmieden die Herstellungsverfahren ständig verbessert oder neu erfunden. Dank der dort erworbenen Kenntnisse führten William und Heinrich, Vater und Sohn, die maschinelle Herstellung von Metallkurzwaren, wie Haken, Ösen Ketten und vieles mehr in Deutschland ein.

Als Beschleuniger für das Unternehmenswachstum erwies sich Jahrzehnte später die Weiterentwicklung und Perfektionierung des Druckknopfes durch Hans Prym, Enkel, beziehungsweise Sohn von William und Heinrich. 1903 entwickelte er einen verlässlichen, rostfreien Schließmechanismus, die Doppel-S-Feder, und realisierte ihn in Messing und Bronze. Schon im ersten Jahr produzierte Prym acht Millionen dieser elastischen, metallenen Schließknöpfe. Die Bekleidungsindustrie sowie Heer, Marine und Luftwaffe wurden Großkunden des Unternehmens. In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg stieg der Umsatz mit den neuen Produkten stetig an.

Früh setzten die Stolberger wieder auf Globalisierung. Ihre Eisen und- Messingerzeugnisse wurden in über 100 Länder exportiert und bereits 1920 wurde auch in den USA in einer neuen Fabrik produziert. 1923 mitten in der Wirtschaftskrise baute Hans Prym eine neue Messinggießerei und ein Walzwerk, wie eine Rückbesinnung auf die Wurzeln.

Seit der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden Produktionsstätten auf dem ganzen Globus, in Europa, Amerika und Asien und ein weltweiter Vertrieb. Außerdem diversifizierte Prym gezielt seine Produktpalette, die heute in vier Unternehmensbereichen zusammengefasst ist: Neben Näh- und Handarbeitsartikeln für Verbraucher (Prym Consumer) fertigt Prym Druckknopf- und Verschlusssysteme für die Bekleidungs- und Textilindustrie (Prym Fashion). Mit Verbindungselementen, Oberflächenbearbeitung und mechanischen Präzisionsteilen (Inovan) hat sich Prym auch einen zukunftsträchtigen Markt für High-tech-Produkte erschlossen, die in Fahrzeugelektronik und Mobilgeräten eingebaut wird. Prym Intimates fertigt Accessoires für die Lingerie (Unterwäsche) Herstellung fast aller renommierter Marken.

Heute steht das Unternehmen gesund auf diesen vier Beinen und die 21. Generation bereit, die Geschicke der Familie und ihres Unternehmens im 21. Jahrhundert mitzugestalten.

GARANTIERT UNZERBRECHLICH –DIE GLASDYNASTIE

FREIHERR VON POSCHINGERGLASMANUFAKTUR

Frauenau

1568

GEGRÜNDET: 10. JULI 1568 MIT DEM ERWERBDER ZADLERSHÜTTE IN FRAUENAU

100 PROZENT FAMILIENBESITZ

15. INHABER IN 13. GENERATION

GEGENWÄRTIG IM 452. JAHR

Glück und Glas: Die niederbayerischen Freiherrn von Poschinger betreiben die älteste bestehende Glasmanufaktur weltweit. Die Familie kann ihre Wurzeln sogar bis ins Hochmittelalter zurückverfolgen, und der Betrieb läuft ununterbrochen seit über 450 Jahren. Als die Poschingers ins Glasgewerbe einstiegen, lebte Tizian noch, Philipp II. herrschte über Spanien, Elisabeth I. war Königin von England und Shakespeare war kurz zuvor geboren worden. Die Familien all dieser bekannten historischen Protagonisten sind inzwischen ausgestorben. Die Poschinger Glasmanufaktur ist unter allen alten Familienunternehmen das Einzige, in dem der Besitz und die Leitung über einen so langen Zeitraum immer vom Vater an den Sohn weitergegeben wurden.

Die Poschinger Glasmanufaktur ist die älteste bestehende Glashütte. Sie befindet sich seit 1568 durchgehend in Familienbesitz. Die Hütte selbst ist sogar noch älter; sie wurde – eben 1568 – von Joachim Poschinger von den seit der Stauferzeit verbürgten Ministerialen und späteren Freiherrn von Degenberg erworben. Auch die Poschingers amtierten im Spätmittelalter als Ministeriale für die Fürstbischöfe von Passau. (Solche Fürstbischöfe im Altreich waren souveräne Landesherren, also echte Fürsten, wie der Titel sagt.)

Vor dem Zeitalter der Eisenbahn konnte man eine Glashütte nur als sogenanntes Glashüttengut betreiben. Das war ein Gesamtbetrieb zusammen mit Land- und Forstwirtschaft zur Selbstversorgung der Inhaber und Arbeiter an den abgelegenen Standorten sowie zum Halten der Zugtiere für den Transport: Heranschaffen von Rohstoffen und Abtransport der fertigen Waren auf Karren – in diesem Fall bis zur etwa 40 Kilometer entfernt gelegenen Donau.

So lief das Geschäft über Jahrhunderte. Denn solange es weder Eisenbahn noch LKWs gab, war der Betrieb von Glashütten extrem an die Rohstoffbasis gebunden: Quarzvorkommen plus Holz plus Wasserkraft. Der wichtigste Rohstoff einer Glashütte ist das Feuerholz. Deswegen fanden sich Glashütten stets nur in Mittelgebirgen wie im Schwarzwald, im Harz oder im benachbarten Böhmerwald oder an manchen Stellen in den Alpen. Der Bayerische Wald, auch das benachbarte Zwiesel, ist vom Spätmittelalter um 1400 bis heute der Schwerpunkt traditioneller Glasbläserei in Deutschland.

Die Ministerialenfamilie Poschinger ist seit der Stauferzeit im Hochmittelalter (seit mindestens 1140) im niederbayerischen Donaugebiet von Regensburg, Straubing, Deggendorf nachweisbar. Wie die Degenberger, von denen sie die Zadlershütte erwarben, amtierten solche Ministeriale als Verwalter auf den stets verstreut liegenden Königs-, Adels-, Kirchen- oder Klostergütern. In dieser Schicht gab es eine vergleichsweise hohe soziale Mobilität: Tüchtige Verwalter konnten in den Adel aufsteigen und sich »selbstständig machen«, indem sie Unternehmungen gründeten (oder kauften). Das geschah oft zur finanziellen Absicherung der Familie, denn es gab natürlich noch kein durchorganisiertes Beamtentum mit lebenslanger Festanstellung und Pensionsberechtigung. Andere Ministeriale, ob bereits geadelt oder nicht, wanderten in die großen Städte, gründeten dort Unternehmungen und integrierten sich ins Patriziat.

Die Poschingers waren bereits 1547, also rund 20 Jahre vor dem Kauf der ersten Glashütte, durch Herzog Albrecht V., den Erbauer des Antiquariums in der Münchner Residenz, in den Adelsstand erhoben worden. Das zu diesem Anlass verliehene Familienwappen wird bis heute geführt. Mit dem Adelsstand waren im Altreich bestimmte Hoheitsrechte und Verwaltungspflichten verbunden wie die niedere Gerichtsbarkeit oder polizeiliche Befugnisse, so wie bei den Gutsherren auf den großen landwirtschaftlichen Gütern.

Die Familien- und Unternehmensgeschichte der Poschinger Glashütten war im Lauf der Jahrhunderte immer wieder von der Neubegründung und vom Erwerb neuer Hütten, deren Stilllegung, Verkauf oder Wiederinbetriebnahme gekennzeichnet. Das hatte weniger mit einem Auf und Ab der Glaskonjunktur zu tun, sondern meist mit der Erschöpfung der Rohstoffbasis, vor allem des Waldbestandes rund um eine Hütte in vernünftiger Entfernung. Dieser musste sich unter Umständen jahrzehntelang erholen, bevor man eine Hütte wieder in Betrieb nehmen konnte. Das seit 1492 urkundlich belegte Glashüttengut Frauenau wurde beispielsweise »erst« 1604 erworben und ist seitdem ununterbrochen im Besitz der Familie.

Außerdem wuchsen die Poschingers zu einer großen Familie heran, die sich in mehrere Linien aufteilte. Um 1850, auf dem Höhepunkt der Poschinger-Expansion zu Zeiten von Johann Michael II. von Poschinger, betrieben alle Familienzweige zusammen zehn Glashütten, auch wenn nicht jeder Poschinger automatisch Glashüttenunternehmer war. Selbstverständlich übten viele Familienmitglieder auch andere Berufe aus. So war Ende des 19. Jahrhunderts im Münchner Vorort Ismaning ein Michael von Poschinger zeitweilig am Bau und Betrieb einer kleinen Lokalbahn beteiligt, aus der später der »Krautexpress« zum Abtransport des in dieser Gegend reichlich angebauten Weißkrauts für Sauerkraut wurde (heute Teil der S-Bahn-Strecke zum Münchner Flughafen). Nach diesem Poschinger, der 1899 zusammen mit seiner Frau in München eine hoch dotierte Stiftung errichtete, ist die Poschingerstraße in München benannt: Eine berühmte literarische Adresse, weil hier der Schriftsteller Thomas Mann mit seiner Familie von 1914 bis 1933 eine Villa bewohnte, die in der Familie Mann immer nur »die Poschi« genannt wurde. (Damals Poschingerstraße 1, heute Thomas-Mann-Allee 10. Hier entstand unter anderem Der Zauberberg. Vermutlich hätte Thomas Mann bis zum Ende seines Lebens in der »Poschi« gewohnt, wenn er unter dem Druck der Nazis nicht emigriert wäre.)

Übrigens gibt es auch in Berlin-Steglitz eine Poschingerstraße, die aber nach einem anderen Poschinger benannt ist, der in Berlin als Historiker arbeitete.

Mitglieder der Familie haben sich auch immer wieder politisch engagiert. Mehrere Poschinger waren im 19. Jahrhundert Landtagsabgeordnete und (erbliche) Reichsräte. Hippolyt von Poschinger (1908–1990), der Großvater des jetzigen Inhabers der Poschinger Glashütte, gehörte seit 1952 dem Bayerischen Senat an und war von 1968 bis 1982 dessen Präsident.

In den Poschinger Glashütten wurde alles hergestellt, was man sich aus Glas denken kann: Trinkgläser, Einweckgläser, Apothekerfläschchen, Spiegel, Fensterglas, Kirchenglas. Ein erfolgreiches Poschinger-Massenprodukt des 19. Jahrhunderts waren übrigens: Bierkrüge! Mit dem Aufkommen des Jugendstils gewannen künstlerische Glasanfertigungen an Bedeutung. So ist es auch heute noch mit Sonderserien von oder für moderne Glasdesigner. In der Glashütte wird nach wie vor rein handwerklich gearbeitet, sie ist keine Fabrik für Massenware. Die Glasbläser beherrschen viele alte Techniken und verfügen über ein sehr differenziertes Fertigungs-Know-how. Man denke allein an das Färben von Glas! Die Palette der entsprechenden Sonderanfertigungen ist vielfältig. Sie reicht von Designerware bis zur Medizintechnik. Eine große Rolle spielen Spezialanfertigungen nach historischen Vorlagen für Restaurierungen von alten Lampen, Gläsern, (Kirchen-)Fenstern oder so raren Dingen wie die Glasstürze alter Kaminuhren, die genau in die dafür vorgesehenen Rillen passen müssen.

Die Poschingers sind auch bedeutende Waldbesitzer. Die Erträge aus der Forstwirtschaft waren und sind ebenfalls ein wirtschaftliches Standbein für die Familie und weniger Konjunkturschwankungen unterworfen als die Glasmanufaktur.

SCHÖNER DIEGLOCKEN NIE KLINGEN

RINCKER GLOCKEN- UNDKUNSTGIESSEREI GMBH & CO

Sinn bei Gießen

vor 1590

GEGRÜNDET: VOR 1590

100 PROZENT FAMILIENBESITZ

INHABER IN DER 14. GENERATION

GEGENWÄRTIG IM 430. JAHR

Glocken lassen sich nach wie vor nur in handwerklichen Verfahren, in Handarbeit herstellen. Das erfordert sehr viel praktische Kenntnisse und Erfahrung, modern gesprochen: viel Know-how. Bei den Glockengießern handelt es sich sogar um mehr als nur um »Know-how«: Das Wissen um die Erstellung eines richtigen Profils für die Glocke, das für den Glockenton so wichtig ist, ist ein streng gehütetes Familiengeheimnis. Dieses wird in solchen besonders spezialisierten Kunsthandwerken von einer Generation an die nächste weitergegeben. Das ist einer der Gründe, warum Glockengießereien zu den Gewerben zählen, die als Familienunternehmen über Generationen Bestand haben.

Früher war das Glockengießerhandwerk ein ambulantes Gewerbe. Das heißt, die Glockengießer hatten keine feste Werkstatt, sondern zogen zu den Orten, wo die oftmals tonnenschweren Glocken in Auftrag gegeben worden waren. Man hätte – nur mit Pferdekutschen oder Ochsenkarren und angesichts der miserablen Straßenverhältnisse – gar keine Möglichkeit gehabt, so schwere Lasten über größere Entfernungen zu transportieren. Selbst wenn man sie auf einen Karren hätte hieven und von der Stelle bringen können: Wie leicht wären die Achsen auf den unbefestigten, unebenen Straßen gebrochen oder der Karren nach einem heftigen Regen tief im Matsch versunken. Solche alltäglichen Dinge gehörten auch zur Lebenswelt und zum Wirtschaftsalltag in vorindustrieller Zeit.

Über das Verfahren der Glockenherstellung hat Friedrich Schiller in seinem epischen »Lied von der Glocke« (1799) ausführlich und genau berichtet. Er hatte sich vorher in der Glockengießerei Mayer im thüringischen Rudolstadt sachkundig gemacht. Früher kannten alle Schulkinder das Gedicht auswendig. Heute kann man es leicht im Internet nachlesen. Aus ihm stammen berühmte Redewendungen. »Drum prüfe, wer sich ewig bindet« ist auf die richtige Legierung, die »richtige Mischung« aus Kupfer und Zinn gemünzt. Aus der Zusammenschmelze dieser beiden Metalle entsteht die Bronze, aus der alle großen Glocken gegossen werden. Hierfür die richtige (Lehm-)Form zu finden, die dann den gewünschten Glockenton ergibt, ist das schwierige Kunsthandwerk der Glockengießer. (Schiller unterlegt dieser Wendung von der ewigen Bindung auch den Nebensinn der ehelichen Bindung.) Das glühende Metall, die sogenannte »Glockenspeise«, wird in diese Lehmform gegossen, in der sie abkühlen muss. Wenn dabei etwas schiefgeht und das glühende Erz die Form zersprengt, formuliert Schiller: »Wo rohe Kräfte sinnlos walten / da kann sich kein Gebild gestalten.«

Und selbstverständlich sei an die bekannten Zeilen der Einleitung erinnert, die aus sich heraus verständlich sind: »Fest gemauert in der Erden / Steht die Form aus Lehm gebrannt. / […] Von der Stirne heiß / Rinnen muss der Schweiß, / Soll das Werk den Meister loben! / Doch der Segen kommt von oben.«

Das Fertigungsverfahren für Glocken hat sich über Jahrhunderte nicht verändert und ist auch nicht anders vorstellbar. Würde einer der alten Meister aus dem Grab wiederauferstehen, er fände sich auch in einer modernen Glockengießerwerkstatt ohne Weiteres zurecht.

Große gegossene Bronzeglocken – dies sei noch angemerkt – gehörten bekanntlich nicht zum Ritualrepertoire der antiken Religionen. Sie kamen in der Zeit von Bonifatius im Zuge der christlichen Missionierung von Irland her auf den Kontinent. Dementsprechend gab es in der Welt der »heidnischen« Antike auch keine Tempel mit Glockentürmen, weder bei den Griechen oder Römern noch bei den Ägyptern oder Babyloniern.

Ein anderes wichtiges historisches Produkt von Bronzegießern waren Kanonen. Diese durchschlagskräftigen Geschütz- und Belagerungswaffen, vor allem der Barockzeit, kamen in Europa erst im Spätmittelalter in Gebrauch, etwa mit dem Hundertjährigen Krieg (1337–1453) zwischen England und Frankreich; das war jener Krieg, der durch das Eingreifen der Jeanne d’Arc vor Orléans beendet wurde. Die Eroberung von Konstantinopel durch die Türken (1453) gelang vor allem mithilfe der größten Kanonen der damaligen Zeit.

Der Bronzeguss von Figuren (Statuen, Brunnenfiguren, Büsten) galt seit der Antike gerade wegen der technischen Schwierigkeiten als die höchste handwerkliche Kunstform. Die größten Künstler wetteiferten vor allem während der Renaissance- und Barockzeit darum, die schwierigsten verdrehten und zugleich anmutigen Figuren und Figurengruppen zu erschaffen. Fürstliche Sammler gaben sie in Auftrag, bezahlten Unsummen und rissen sich um diese Werke. Aus der Antike sind heute nur ganz wenige Großplastiken aus Bronze erhalten wie der Wagenlenker von Delphi oder die erst 1972 aus dem Mittelmeer geborgenen Kriegerfiguren von Riace. Der Koloss von Rhodos soll so eine – noch viel größere – Riesenbronzestatue gewesen sein. Vielleicht war er so groß wie die ebenfalls in Bronze gegossene Freiheitsstatue von New York. Derartige Kolossalstatuen beeindrucken durch ihre Größe, haben aber nichts von der fliegenden Bronzeeleganz eines Giambologna (Merkur, 1580), Benvenuto Cellini (Perseus in Florenz, 1550), Gian Lorenzo Bernini oder Hubert Gerhard. Bekannte Bronzekünstler der Moderne sind zum Beispiel Auguste Rodin (Der Denker und Die Bürger von Calais), Ernst Barlach, Alberto Giacometti oder Henry Moore.

Von der Kanone über die Glocke bis zum Bronzegusskunstwerk: Das ist die Spannweite dieses seltenen Gewerbes, das die Familie Rincker über so lange Zeit betrieben hat und es noch immer tut.

Ein Hans Rincker ließ sich, wie urkundlich anlässlich eines Grundstückskaufs belegt, in Aßlar nieder, im heutigen Lahn-Dill-Kreis, nicht weit von Wetzlar und am Rande des Westerwalds gelegen. Der Ort gehörte damals zur Grafschaft Solms-Braunfels. Zur Verteidigung von deren Burg Greifenstein wurden sicher auch Geschütze gegossen.

Von Aßlar aus gingen die Rinckers ihrem ambulanten Gewerbe nach, bis ins Gebiet von Osnabrück, ins Rheinland und die Pfalz. Für Johann Jacob Rincker (1647–1744) sind mehr als 60 Glocken belegt; sie sind größtenteils sogar bis heute erhalten.

1817 verlegte Philipp Heinrich Rincker (8. Generation) den Familien- und Werkstattstandort nach Sinn im Westerwald (damals im Herzogtum Nassau). Phillipps Söhne wanderten Mitte des 19. Jahrhunderts in die USA aus und gründeten in Chicago eine erfolgreiche Glockengießerwerkstatt, aus der sich noch etliche Glocken erhalten haben. Kurz nach 1900 erweitern die Rinckers ihre »Produktpalette« ebenfalls mit großem Erfolg um andere Metallgussprodukte, die nun auch aus Eisen gefertigt wurden, beispielsweise für landwirtschaftliche Maschinen oder Feuerwehrausrüstungen. Die Expansion ging also in Richtung Maschinenbau. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde ein Firmenableger in Budapest gegründet. Die größte Glocke des Landes (8,5 Tonnen) im Dom von Szeged ist eine Rincker-Glocke.

Nach dem Zweiten Weltkrieg führen zwei Brüder die Firma als »Gebrüder Rincker« fort. Ein herausragendes Glockenwerk in der Nachkriegszeit sind die Glocken und Glockenspiele in der durch den Architekten Egon Eiermann teilweise neu gebauten Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche auf dem Breitscheidplatz in Berlin.

Vor allem in den 1960/70er-Jahren kam es zu einem regelrechten Aussterben von Glockengießereien, und Rincker übernahm einige der Betriebe.

Heutzutage nimmt die Zahl der Neugüsse und der Aufträge für Kunstgießerei ab. Daher sind Aufträge für Service- und Wartungsarbeiten rund um Glockentürme, Geläute und Turmuhren ein wichtiges wirtschaftliches Standbein der Firma. Rincker hält circa 3500 solcher Aufträge im Bestand. Im Jahr 2015 legte Christian Rincker (14. Generation) als Jüngster der Familie seine Glockengießerprüfung ab.

DIE ÄLTESTE BANKIN DEUTSCHLAND

BERENBERG

Hamburg

1590

GEGRÜNDET: 1590 ALS HANDELSHAUS IN HAMBURG

100 PROZENT PRIVATBESITZ, DAVON 30 PROZENT FAMILIE BERENBERG

GEGENWÄRTIG IM 430. JAHR

Noch kurz vor dem Ersten Weltkrieg beschäftigte eine Privatbank wie Berenberg, die immerhin zu den bedeutenderen Instituten zählte, zwischen 30 und 50 Mitarbeiter. Bei Berenberg waren es damals eher 30. In den 1960er-Jahren waren es etwa 100. Heute sind es deutlich über 1500 Mitarbeiter. Vor allem seit der Jahrtausendwende hat die Berenberg Bank deutlich expandiert; so sind vor allem nach dem Jahr 2000 weltweit eine größere Anzahl neuer Standorte hinzugekommen. Dabei ist sie diejenige Privatbank in Deutschland mit der ältesten Tradition.

In Deutschland gibt es nur noch rund zwei Dutzend Privatbanken und nur noch ganz wenige, die konzernunabhängig sind und noch im (Mit-)Besitz der Gründerfamilie. Dazu zählen auf jeden Fall die Banken Berenberg, Metzler und Warburg. Dabei waren Privatbanken historisch gesehen die verbreitete »normale« Betriebsform im Bankengeschäft.

Wie in allen alten Bankiersfamilien gehen die Ursprünge der Firma allerdings gar nicht auf Geldgeschäfte, sondern auf Handelsgeschäfte zurück. Das war schon bei den Medici und bei den Fuggern so, und wie bei diesen stand auch bei den Berenbergs der Tuchhandel zunächst im Zentrum der wirtschaftlichen Tätigkeit.

Die Brüder Hans und Paul Berenberg gründeten 1590 ein Tuchhandelshaus in Hamburg. Die beiden stammten aus Antwerpen, der wohlhabenden Hafenstadt an der Scheldemündung. Die Stadt war damals das Zentrum des Welthandels nördlich der Alpen, noch bevor Amsterdam anschließend in der Rembrandt-Zeit so überaus wohlhabend wurde; auch die englische Hafenstadt London war damals – ein wenig ironisch gesprochen – fast noch unbedeutend. Der Vater der beiden Berenbergs war ebenfalls bereits ein wohlhabender Tuchhändler.

Seit 1588 lebten Hans (*1561) und Paul (*1566) nachweislich in Hamburg. Die beiden jungen Männer waren damals also noch in ihren Zwanzigern. Sie hatten Antwerpen offenbar wie viele andere protestantisch-niederländische Glaubensflüchtlinge nach der Eroberung der Stadt durch die Spanier 1585 verlassen. Dies stand im Zusammenhang mit dem jahrzehntelangen Unabhängigkeitskampf der Niederländer gegen Spanien. Auch das reiche Antwerpen war, wie große Teile der Niederlande, welche als burgundisch-habsburgisches Erbe zur spanischen Krone gehörten, zur Reformation übergegangen. Nach der Rückeroberung durch den spanischen Feldherrn Alessandro Farnese, die »spanische Furie«, wurde die Stadt mit Feuer und Schwert rekatholisiert.

1588 war übrigens das Jahr der erfolgreichen Abwehr der spanischen Armada durch die Engländer während der Herrschaft der damals 55-jährigen Königin Elisabeth. Die Spanier hatten seit der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus 100 Jahre lang den Atlantik und den Atlantikhandel zwischen Karibik und Mexiko beherrscht, mit diesem Geld ihre teuren europäischen Kriege finanziert und die habsburgische Vormacht in Europa gefestigt. Der Untergang der Armada vor der englischen Küste und damit fast schon in Reichweite Antwerpens gilt allgemein als der Anfang vom Ende der spanischen Seemacht und als Beginn des Aufstiegs Englands zur Kolonial- und Weltmacht.

In Hamburg blieben die beiden Berenbergs zunächst Niederländer und bewarben sich vorerst nicht um das Hamburger Bürgerrecht. Eine Art staatsrechtliche Vereinbarung garantierte Niederländern die gleichen wirtschaftlichen Rechte in der Hansestadt; sie konnten sich nur nicht um Ämter in der Bürgerschaft bewerben. Den Schwerpunkt ihres Handelsunternehmens bildete der angestammte Textilhandel und was damit verbunden war. Dabei ging es zum einen um fertige Tuche. Die beiden Berenbergs engagierten sich aber wohl vor allem in einem Spezialgebiet der damaligen Textilindustrie: dem Handel mit Färbemitteln. Bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhundert konnten Färbestoffe, vor allem für Textilien, fast nur aus Pflanzen gewonnen werden (Färberwaid, Indigo, Krapp, Safran, zu denken ist auch an Henna), manchmal auch aus Mineralien. Diese Pflanzen mussten natürlich erst einmal angebaut und dann in aufwendigen Verfahren, die viel Erfahrungswissen erforderten, aus den Pflanzen gewonnen werden. Beispielsweise sind Städte wie Straßburg oder Erfurt im Spätmittelalter durch den intensiven Färberwaid-Anbau (zur Blaufärbung) reich geworden. Auch der Handel mit solchen geschätzten Stoffen war selbstverständlich sehr speziell und lukrativ.

Handel war und ist ein profitables Gewerbe, und wenn man es historisch betrachtet, war es in alter Zeit noch profitabler als heute. Handelsunternehmer, Handelsfamilien, ja eine Vielzahl ganzer Handelsstädte im alten Europa wurden »reich«, weil sie die oft sehr risikoreichen und umständlich zu bewerkstelligenden Waren- und Rohstoffverteilungen übernahmen. Es hört sich banal an: Der Händler kauft einem Hersteller seine Ware ab, bringt sie »auf den Markt« und verteilt sie an die Kunden, die Endabnehmer oder Verbraucher, wie man heute sagt. In Zeiten von Lastkraftwagen, Lieferwagen und Güterzügen wirkt das nicht so schwierig – es ist einfach eine Sache der Organisation, modern gesprochen der Logistik. In Zeiten funktionierender Verkehrsinfrastruktur, offener Märkte und geringer Zollhindernisse innerhalb der EU oder innerhalb der sehr großen USA ist das kein ernsthaftes Problem. Aber in Zeiten von Ochsenkarren und Pferdekutschen auf schlechten Straßen, von Massenguttransport mit Treidelkähnen entlang von Flüssen und Kanälen und von dutzendfältigen Münzprägungen und vielerlei logistischen Problemen und ohne schnelle Nachrichtenverbindungen wie Telefon war dies jedoch ein echtes Abenteuer. Und das traf erst recht auf den Seehandel zu. Die Risiken waren damals sehr hoch, aber eben auch die Gewinne, wenn alles glücklich vonstatten ging. Händler, die noch viel mehr auf die Warenvermittlung konzentriert waren als heute, mussten über tausendfältige Kontakte verfügen, um zu erfahren, wo sie lukrative Waren herbekamen und wo sie diese vielversprechend hintransportieren konnten; einmal ganz abgesehen von dem erforderlichen Transport-Know-how unter den damaligen erbärmlichen Transportbedingungen.