Die Anarchie der Stille - Hans Saner - E-Book

Die Anarchie der Stille E-Book

Hans Saner

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Beschreibung

Das Buch bricht aus der herkömmlichen philosophischen Schriftstellerei radikal aus. Es bindet sich weder an eine Einheit des Themas noch der Methode, noch des Stils. Es vertritt keine Lehre und propagiert keinen Sinn. Die Kurztexte aus zwei Jahrzehnten stehen - auch nicht chronologisch geordnet - zufällig nebeneinander und sind in keiner Weise aufeinander abgestimmt. Es ist deshalb unwichtig, in welcher Reihenfolge sie gelesen werden. Schreiben wird verstanden als ein Experiment, auf das der Leser in seiner Weise eingeht, und Philosophie als experimentelles Denken, dessen stärkste Qualitäten die Freiheit von allen Strickmustern und die Widerrufbarkeit sind. Dennoch sind diese »Texte ohne Botschaft« ganz konkret, ob sie nun von der Philosophie, der Religion, den Künsten und Wissenschaften oder von den alltäglichen Dingen und der Politik handeln. Sie urteilen meist scharf und unversöhnlich, so etwa gegen Popper, Adorno, Pasolini, Heidegger, Reich-Ranicki u.a., und sie wagen sich in scheinbar absurde Konsequenzen vor. Die Vielfalt der aufgegriffenen Themen macht das Buch reich, die Relevanz der Gegenstände gehaltvoll, die Kürze der Texte unterhaltsam und die Prägnanz des Denkens und der Sprache immer wieder überraschend.

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Seitenzahl: 166

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Der Autor

Hans Saner, geboren 1934 in Grosshöchstetten. Studium der Philosophie, Psychologie und Germanistik in Lausanne und Basel. Dort von 1962 bis 1969 persönlicher Assistent von Karl Jaspers. Historische Arbeiten über Kant, Spinoza, Jaspers und Hannah Arendt sowie systematische Essays zu anthropologischen, kulturkritischen und politischen Themen haben ihn in einer weiten Öffentlichkeit bekannt gemacht. Lebt in Basel.

Im Lenos Verlag publizierte Hans Saner zahlreiche Bücher, zuletzt Erinnern und Vergessen. Essays zur Geschichte des Denkens (2004).

E-Book-Ausgabe 2015

Copyright © 1990 by Lenos Verlag, Basel

Alle Rechte vorbehalten

Cover: Anne Hoffmann Graphic Design, Zürich

www.lenos.ch

ISBN 978 3 85787 901 2 (EPUB)

ISBN 978 3 85787 902 9 (Mobipocket)

Die Anarchie der Stille

Pasolini

Eine Schwäche Pasolinis: die Opposition aus Prinzip: Opposition in der Dichtung– selbst gegen Ungaretti–; im Film– gegen Fellini und Visconti–; in der Politik– gegen die Studenten, die KPI, die Faschisten, die Democrazia Cristiana–; in der Weltanschauung– gegen die Kirche, die Universität. Das ist auch eine Art der Abstraktheit, als ob man nur kämpfen könnte gegen etwas. Oft hat man den Eindruck: gegen alles, was nicht Pasolini oder nicht für Pasolini ist. Und sobald jemand ihn direkt angreift: ein Beleidigtsein, eine Wehleidigkeit und Empfindlichkeit, die in keinem Verhältnis steht zu der Art, wie er zuschlägt. Er war der einzige, der gegen Pasolini etwas sagen durfte– und das wirkte dann jeweils, als Selbstkritik, besonders ehrlich, war aber nur die potenzierte Eitelkeit.

Vielleicht zeigt all dies, wie einsam er war: ein Don Quijote ohne Sancho Pansa, der gegen alles anlief.

Es war übrigens kein primärer Hass auf alles andere– es war das Erleiden der Andersartigkeit, was ihn unweigerlich in ein Getto trieb, wie souverän er diese Andersartigkeit auch auf sich nehmen mochte. Seine Homosexualität war das Stigma, aufgrund dessen er überall als ein Stigmatisierter reagierte und schliesslich auch überall für einen Stigmatisierten gehalten wurde.

Die Selbst-Stigmatisierung entsprang realen Erlebnissen. Die Stigmatisierung durch die anderen war oft nur ein bequemer Weg, ihm das Gewicht des Ernstes abzusprechen. Sie entschärfte für andere, aber verschärfte ihm selber bis zur Totalität die Andersartigkeit seiner Existenz. Er wurde schliesslich gerade dort am wenigsten ernst genommen, wo er am meisten litt– oder: sein Leiden wurde zum Vorwand, um ihn beiseite zu schieben. Sein Tod war die letzte Konsequenz davon. Wer immer ihn aus welchen Motiven getötet haben mag: der Mord war durch die Gesellschaft vorbereitet, aber diese Vorbereitung war in die Wege geleitet worden durch die Selbst-Stigmatisierung. Insofern war der Mord auch ein delegierter Selbstmord. Im Ermordetwerden den Beweis dafür zu liefern, dass man ein Wahrheitszeuge war– unerträglich für die Gesellschaft–, das war die heimliche Sehnsucht hinter der Delegation. Dass »bloss« ein Strichjunge ihn umgebracht haben soll, spricht nicht gegen das Gelingen der Inszenierung.