Die Autonomie des Klangs - Gunnar Hindrichs - E-Book

Die Autonomie des Klangs E-Book

Gunnar Hindrichs

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Beschreibung

Die Idee des musikalischen Kunstwerks bildet den Fluchtpunkt, der den Bereich der Musik in seinem ästhetischen Eigensinn erschließt. Selbst jene musikalischen Formen, die keine Werkgestalt besitzen wollen, stehen, sofern sie überhaupt Kunst zu sein beanspruchen, noch in Beziehung zu ihr. Gunnar Hindrichs widmet sich in seinem faszinierenden Buch der Artikulation dieser Idee. In enger Tuchfühlung sowohl mit der europäischen Musik von der Gregorianik bis zum Komplexismus als auch mit der philosophischen Ästhetik und Metaphysik entwickelt er sechs Grundbegriffe, die das musikalische Kunstwerk ausmachen: Material, Klang, Zeit, Raum, Sinn und Gedanke. Zusammen ergeben sie eine Ontologie des Musikwerks aus der Perspektive der ästhetischen Vernunft.

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Die Idee des musikalischen Kunstwerks bildet den Fluchtpunkt, der den Bereich der Musik in seinem ästhetischen Eigensinn erschließt. Selbst jene musikalischen Formen, die keine Werkgestalt besitzen wollen, stehen, sofern sie Kunst zu sein beanspruchen, noch in Beziehung zu ihr. Gunnar Hindrichs widmet sich in seinem faszinierenden Buch der Artikulation dieser Idee. In enger Tuchfühlung sowohl mit der europäischen Musik von der Gregorianik bis zum Komplexismus als auch mit der philosophischen Ästhetik und Metaphysik entwickelt er sechs Grundbegriffe, die das musikalische Kunstwerk bestimmen: Material, Klang, Zeit, Raum, Sinn und Gedanke. Zusammen ergeben sie eine Ontologie des Musikwerks aus der Perspektive der ästhetischen Vernunft.

Gunnar Hindrichs ist Professor für Philosophie an der Universität Basel.

Gunnar Hindrichs

Die Autonomie des Klangs

Eine Philosophie der Musik

Suhrkamp

Zur Gewährleistung der Zitierbarkeit zeigen die grau hinterlegten Ziffern die jeweiligen Seitenanfänge der Printausgabe an.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2014

Der vorliegende Text folgt der 1. Auflage der Ausgabe des suhrkamp taschenbuch wissenschaft 2087

© Suhrkamp Verlag Berlin 2014

© Gunnar Hindrichs 2014

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.

Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

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eISBN 978-3-518-73402-5

www.suhrkamp.de

6Inhalt

Vorwort

Einleitung

Erstes KapitelDas musikalische Material

Zweites KapitelDer musikalische Klang

Drittes KapitelDie musikalische Zeit

Viertes KapitelDer musikalische Raum

Fünftes KapitelDer musikalische Sinn

Sechstes KapitelDer musikalische Gedanke

Register

7Vorwort

Die hier vorgelegte Philosophie der Musik erkundet die Autonomie des Klangs. Sie versteht Klang statt aus den Regeln der Natur oder den Regeln der Gesellschaft aus seiner Eigenregelung heraus. Hierdurch beabsichtigt sie, den musikalischen Klang in seinem besonderen Sein als Kunst freizulegen und zu bestimmen.

Bestimmungen, die sich mit dem Sein von etwas beschäftigen, sind ontologische Bestimmungen. Das vorliegende Buch unterbreitet mithin einen Vorschlag zur Ontologie der Musik. Diese Ontologie erfolgt weder aus theoretischer noch aus praktischer Vernunft. Sie erfolgt aus ästhetischer Vernunft. Mein Haupteinwand gegen die meisten der gängigen Musikphilosophien lautet, daß sie entweder eine Ontologie aus theoretischer Vernunft verfolgen, die Musik in eine allgemeine Ordnung des Seienden hineinpreßt, oder auf ontologische Überlegungen gleich ganz verzichten und sich auf musikalische Erfahrung oder musikalisches Verstehen beschränken. Diese beiden Möglichkeiten, die auf der einen Seite die besondere Seinsweise der Musik als Kunst verfehlen und auf der andern Seite Musik auf Rezeption und Diskurs reduzieren, erschöpfen keineswegs den gesamten Umfang musikphilosophischen Denkens. Vielmehr ist zu ihnen noch ein Drittes gegeben: eben die Möglichkeit einer Ontologie der Musik aus ästhetischer Vernunft. Das vorliegende Buch widmet sich diesem Dritten.

Der Kernbezug einer Ontologie aus ästhetischer Vernunft ist das Kunstwerk. Durch seinen Anspruch, Kunst zu sein, unterscheidet es sich von theoretischen wie praktischen Größen und eröffnet den Raum des ästhetisch Seienden. Den Fluchtpunkt dieses Buches bildet daher die Idee des musikalischen Kunstwerkes. Sie bezeichnet den Ort autonomen Klangs. Die Idee des musikalischen Kunstwerkes läßt sich freilich nicht definieren. Vielmehr hat man sie durch zusammenhängende Elementarbegriffe zu explizieren. Die hier verfolgte Ontologie der Musik beansprucht daher nicht, die Identität des musikalischen Kunstwerkes festzuklopfen. Statt dessen bemüht sie sich um die Einfaltungen und Ausfaltungen seines Seins in einer Kette von Begriffen.

8Einleitung

Ein berühmter Satz des Sokrates begreift Philosophie als die »größte Musik« (μεγίστη μουσική).[1] Sokrates äußert diesen Satz im Gefängnis, während er auf seine Hinrichtung wartet. Er berichtet seinen Freunden, die ihn besuchen, von einem Traum, in dem ihm befohlen worden sei, er solle Musik betreiben; und er berichtet ihnen weiter davon, daß er sich darüber gewundert habe, weil er doch die größte Musik, die Philosophie, ohnehin immer betrieben habe. Um aber sicher zu gehen, habe er dennoch damit begonnen, sich nun neben der Philosophie auch mit der Musik im gewöhnlichen Sinne, also mit der rhythmisch-melodischen Verskunst, zu beschäftigen. Darum gehe er von der größten Musik, der Philosophie, zur geläufigen Musik über.

Die Worte des Sokrates, die Platons Dialog ihm in den Mund legt, wirken fremd. Aus ihnen geht hervor, daß nicht nur der Rhythmus und das Melos der Verse, sondern auch die Philosophie eine Gestalt der Musik bilde. Nun hat der Ausdruck »Musik« in dem Satz des Sokrates nicht dieselbe Bedeutung, die er heute besitzt. Er benennt die Musenkunst im Ganzen (τέχνη μουσική). Bei den Griechen umfaßte sie die melodisch-rhythmische Dichtung und den Tanz, aber auch die Astronomie. Wenn Sokrates die Philosophie die »größte Musik« nennt, dann meint er in diesem Sinne die größte Musenkunst. Mit andern Worten, Philosophie ist ihm zufolge das, was die höchste Stufe eines Zusammenhangs darstellt, den die von den Musen bewegten Künste insgesamt bilden.

Doch auch unter diesem erweiterten Blick ist uns die sokratisch-platonische Auffassung nicht unmittelbar zugänglich. Es scheint eine Sache zu sein, rhythmisch-melodische Verse zu dichten oder zu tanzen, aber es scheint eine andere Sache zu sein, Philosophie zu betreiben. Um den Satz des Sokrates zu verstehen, sind daher drei Sachverhalte zu berücksichtigen. Zum ersten stehen Philosophie und Musik dadurch in einem Zusammenhang, daß sie einen gemeinsamen Bezugspunkt haben: das Schöne. Für die Musik ist das klar: Der Zweck der Musenkunst, auch der astronomischen, 9besteht in der Darstellung des Schönen, sei es das Schöne der Verse, sei es das Schöne der Himmelsbewegung. Aber auch die Philosophie steht im Bezug auf das Schöne. Ihr Bezug liegt darin begründet, daß das Schöne das »Hervorscheinendste« (ἐκφανέστατον) unter den Ideen ist. Als solch Hervorscheinendstes zieht das Schöne die Seele zur Ideenerkenntnis überhaupt erst empor.[2] Philosophie wiederum vollzieht sich, in Gestalt der Dialektik, als Umgang mit den Ideen.[3] Aus diesem Grunde steht auch sie unter der Anziehungskraft des Schönen. Sofern sie mit den Ideen umzugehen weiß, hat sie die Idee des Schönen, die sie zu solchem Umgang anzieht und befähigt, ergriffen. Und darum ist sie die beste Darstellung des Schönen: Sie vermag dessen Idee selbst einzusehen. In diesem Sinne ist Philosophie die »größte Musik«. Der gemeinsame Bezug auf das Schöne schließt Musik und Philosophie zusammen.

Zum zweiten macht sich im Satz des Sokrates ein pythagoreischer Hintergrund geltend. Pythagoras und seine Anhänger vertraten eine Auffassung des Kosmos, die diesen als eine auf Zahlenkombinationen und Proportionen beruhende Harmonie versteht. Das ordnungsbildende Prinzip der Welt ist ihnen zufolge die Zahl: Alles Seiende ist Zahl. Unter »Zahlen« (ἀριθμοί) sind hierbei nicht Zahlen im modernen Sinne zu verstehen, sondern diskrete, geordnete Mannigfaltigkeiten. Das heißt, pythagoreische Zahlen sind mit dem Gezählten identisch. Zu dieser Identifizierung von Zahl und Seiendem, die jene zum Prinzip der Weltordnung werden ließ, wurden die Pythagoreer aber durch die Einsicht in musikalische Harmonien und deren Proportionen gebracht.[4] Denn weil nur zahlenmäßig bestimmte Töne überhaupt Töne sind, konnte man anhand ihrer das Sein von Zahlen und das Sein von Dingen identifizieren. Angesichts solcher Identifikation ließ sich dann auch die Struktur der gesamten Welt in Zahlenverhältnissen und Harmonien verstehen. Pythagoras und seine Anhänger erhoben mithin die Struktur der Musik geradewegs zur Grundstruktur der Ordnung des Seienden. Das betrifft nicht zuletzt auch die Ordnung der menschlichen Seele. Sie wurde ebenfalls als eine auf verschiedene Weise gestimmte Harmonie begriffen. Die zahlenmäßige Ordnung 10der Musik bestimmt so das All des Seienden im Großen wie im Kleinen.

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