Die Demokratie der anderen - Souad Lamroubal - E-Book

Die Demokratie der anderen E-Book

Souad Lamroubal

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Beschreibung

Zugehörigkeit ist ein Grundpfeiler der Demokratie – doch wer entscheidet, wer wirklich dazugehört? Souad Lamroubal geht diesen Fragen nach, indem sie persönliche Erfahrungen mit gesellschaftlicher Analyse verbindet. Offen erzählt sie von ihrem eigenen Weg als Deutsche mit Migrationsgeschichte – nicht als Opfer, sondern als Gestalterin, die ihren Platz in der Demokratie aktiv einfordert. Ihr Buch zeigt, wie Ausgrenzung wirkt, wie Anerkennung entsteht und warum Gleichberechtigung kein Zugeständnis, sondern ein demokratisches Versprechen ist. Dabei entwirft sie eine Vision einer neuen Mitte, die Vielfalt nicht nur akzeptiert, sondern als Stärke begreift. Ein kraftvolles Plädoyer für Teilhabe, Zusammenhalt und eine Demokratie, die alle einschließt.

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Seitenzahl: 95

Veröffentlichungsjahr: 2025

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SOUAD LAMROUBAL

DIE DEMOKRATIE DER ANDEREN

WAS DER KAMPF UM ZUGEHÖRIGKEIT MIT UNS MACHT

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet

diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet

über http://dnb.dnb.de abrufbar.

ISBN 978-3-8012-0708-3 [Print]

ISBN 978-3-8012-7069-8 [E-Book]

Copyright © 2025 by

Verlag J.H.W. Dietz Nachf. GmbH

Dreizehnmorgenweg 24, 53175 Bonn

Tel. 0228/18 48 770 / [email protected]

Der Verlag behält sich das Text- und Data-Mining nach § 44b UrhG vor, was hiermit Dritten ohne Zustimmung des Verlages untersagt ist.

Umschlaggestaltung: Petra Bähner, Köln

Umschlagfoto: Uwe Schmitz, Köln

Satz: Rohtext, Bonn

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH, Rudolstadt, 2025

Alle Rechte vorbehalten

Besuchen Sie uns im Internet: www.dietz-verlag.de

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Vorwort

Einführung

Kapitel 1: Mitte oder nicht?

Kapitel 2: Souad heißt (eigentlich) Freude

Kapitel 3: Integration also

Kapitel 4: Willkommen in der (R)Ausländerbehörde

Kapitel 5: Jugend mit Migrationsgeschichte oder doch ohne?

Kapitel 6: Deutsch oder nicht?

Kapitel 7: Norm oder Abweichung

Kapitel 8: Bin ich etwa rassistisch?

Kapitel 9: Bedeutung der Demokratie

Kapitel 10: Heimweh

Kapitel 11: Kann Wohlstand Heimat ersetzen?

Kapitel 12: Bildungsqualität und Minderwertigkeit

Kapitel 13: Demokratie und Einsamkeit

Kapitel 14: AfD für alle, auch für die anderen

Kapitel 15: Rassismus und seine Vorteile

Kapitel 16: Jugend und Demokratie

Kapitel 17: Meinungsfreiheit der anderen

Kapitel 18: Menschenwürde der anderen

Kapitel 19: Deutsch, Minderwertigkeit und Demokratie

Kapitel 20: Religionsfreiheit der anderen

Kapitel 21: Kriminalität der anderen

Kapitel 22: Die neue Mitte

Abschluss: Demokratie und Hoffnung

Danksagung

Vorwort

Ich habe Die Demokratie der anderen geschrieben, weil ich mir genauso ein Buch gewünscht habe. Ein Buch, das in völliger Offenheit und Transparenz über bewegende Aspekte von Identität und Ausgrenzung in Deutschland berichtet. Ein Buch, das mit einer ganz bestimmten Perspektive auf Demokratie und Integration schaut. Ein Buch, das nicht anklagend wirkt, sondern einen Perspektivwechsel ermöglicht und in ehrlicher Art und Weise den Zusammenhalt fördert. Dennoch werden Menschen sich angegriffen fühlen, sich aufregen. Aber das hat weniger mit diesem Buch als mit ihren eigenen Ängsten und Konflikten zu tun. Ich werde sie wegen ihrer Konflikte und Ängste nicht verurteilen. Ich werde nicht mit dem Finger auf sie zeigen. Ich habe dieses Buch nicht für jene geschrieben, die sich angegriffen fühlen werden, denn sie würden mich wohl nie darum bitten. Auf meiner Suche nach Hoffnung und Motivation war Literatur mir eine große Stütze, und genau diese Hoffnung und Motivation beabsichtige ich, mit diesem Buch weiterzutragen, mit jedem Widerstandsgeist, der dazu gehört in Zeiten der Normalisierung von rechtspopulistischen Strukturen und des Kampfs um die Demokratie, vor allem um die Demokratie der anderen.

Einführung

Man erzählte uns von klein auf, dass die Demokratie in Deutschland für alle da ist. Dass jede Stimme zählt, dass jede Meinung Gewicht hat, dass wir alle gleichberechtigt am großen Tisch der Gesellschaft sitzen. Doch wer genauer hinschaut, merkt: Der Tisch ist gedeckt, aber nicht für jeden. Für wen ist Demokratie wirklich bestimmt?

Dieses Buch ist kein Angriff auf das Ideal der Demokratie. Es ist eine Einladung, die Realität hinter der Fassade zu betrachten. Es ist die persönliche Reise durch Beobachtungen, Erfahrungen und unbequeme Wahrheiten – geschrieben aus der Überzeugung, dass echte Gleichheit nicht aus schönen Worten wächst, sondern aus der Bereitschaft, unbequeme Fragen zu stellen.

Ich nehme Sie mit auf eine Reise in mein Leben, meine Konflikte und meinen Alltag. Es ist die Suche nach Heimat, Identität, aber vor allem nach Gerechtigkeit, die mich treibt. Ich stelle die Demokratie nicht infrage, aber diese Reise zeigt deutlich, wie Demokratie auch eine Rechtfertigung für Ausgrenzung sein kann. Beschrieben wird ein Konstrukt einer Demokratie der anderen. Sie werden schnell erkennen, dass es nie darum geht, andere bloßzustellen oder abzukanzeln oder mit dem Finger auf sie zu zeigen, sondern ich versuche, deutlich zu machen, wie wir alle im Kampf um Zugehörigkeit Verhaltensmuster entwickeln, die Rassismen und Diskriminierung fördern. Niemand kann sich davon freimachen. Niemand.

Ich beschreibe einige Situationen aus meinem Alltag, die zeigen werden, dass auch ich für solche Verhaltensmuster anfällig bin. Es ist nicht das Problem der anderen, nein, das wäre zu einfach. Niemand kann sich freimachen von Vorurteilen und Ängsten. Jeder unterliegt dem Einfluss politischer Debatten und medialer Berichterstattung. Vor allem aber erzählt meine Reise davon, was wir alles bereit sind zu tun, um unsere Standards nicht zu verlieren, und was dieser verbissene Kampf nach Zugehörigkeit mit uns macht. Auf dieser Reise werden sich einige Menschen wiederfinden, mal als Teil der Lösung und mal als Teil des Problems. Vielleicht ist genau das der versöhnlichste Gedanke.

Kapitel 1: Mitte oder nicht?

Es ist Zeit für Veränderung. Zeit für ein Ende von Hass und Spaltung aufgrund vermeintlicher Unterschiede. Zeit, die Mitte aufzubrechen und aus ihr das Ewige und Grenzenlose zu machen, das sie eigentlich sein sollte. Geprägt von ständigen Veränderungen und unendlich wandelbar. Ich beobachte, dass es so viele Menschen gibt, die längst zu der gesellschaftlichen Mitte zählen, aber nicht als Teil dieser Mitte anerkannt werden. Die Mitte bleibt somit in der Realität vieler ein begrenzter Raum der Privilegierten. Sie verändert sich kaum, und jedem Wunsch nach Veränderung wird mit starken Widerständen begegnet. Ich frage mich oft, ob keine Veränderungen angestrebt werden, um anderen Menschen der Mitte ihr Privileg zu sichern, die Mitte zu sein, dadurch, dass sie die anderen sind und somit auch bleiben. Es sind alle, die von der wichtigen Mitte als fremd markiert werden. Menschen, deren kulturelle oder religiöse Werte angeblich von der Norm abweichen. In regelmäßigen Debatten und wissenschaftlichen Studien werden diese vermeintlichen Unterschiede thematisiert, so werden sie Realität. Gesellschaftlich wird diskutiert, dass die Mitte diese anderen doch endlich anerkennen möge. Dass diese Menschen doch auch nur normale Menschen sind, denen man nicht gewaltvoll begegnen sollte und die doch eigentlich ein gleichwertiger Teil der Gesellschaft sein sollten. Dass sie auch Rechte haben, über die aber noch zu verhandeln ist, die man sich verdienen muss. Es wird die Demokratie der anderen verhandelt.

Wieso habe ich das Gefühl, dass genau solche Debatten und Terminologien Ausgrenzung fördern? Wer definiert die Mitte? Und wer entscheidet darüber, für wen die Demokratie wirklich bestimmt ist? Wer genau profitiert von dieser Spaltung?

Ich möchte heute nicht über die anderen sprechen. Heute bin ich gerne die andere. Ich werde mich nicht abwenden. Ja, vielleicht gehöre ich manchmal in die Mitte. Aber oftmals befinde ich mich abseits dieser, weil ich nicht bin, was die Mitte an Veränderung zulässt, weil ich mehr bin, als diese Mitte an Veränderung zulässt. Manchmal stehen mir Rechte aus der Demokratie zu, aber in den meisten Fällen muss ich mir diese hart erkämpfen und bin sehr damit beschäftigt, Menschen zu beweisen, dass mir diese Rechte ebenfalls zustehen. Ich befinde mich in einer Schleife der ewigen Rechtfertigung. Ich bin auf dem Papier wie sie, sagen sie manchmal, wenn auch nicht dauerhaft. Doch passe ich äußerlich nicht in das Bild derjenigen, die sich auf die Verfassung berufen dürfen. Es löst ein befremdliches Gefühl aus, wenn auch ich mich auf das Grundgesetz berufe. Für wen ist die Demokratie bestimmt, frage ich erneut. Die Antwort benötigt Zeit.

Kapitel 2: Souad heißt (eigentlich) Freude

Mein Name ist Souad.

Ich mag meinen Namen. Er bedeutet im Arabischen so viel wie Freude.

Mein Vater hat mir diesen Namen gegeben, das erfüllt mich mit Stolz.

Es bringt mich manchmal zum Lachen, dass einige Menschen ihn nicht richtig aussprechen können, aber das ist okay.

Er hat für mich eine positive Bedeutung, wegen all der positiven Dinge, die ich damit verbinde. Er ist ich. Er ist meine Geschichte und eine Einladung, mich kennenzulernen und mich in einer freundlichen Art zu begrüßen. Souad heißt Freude. Ich werde diese Begrüßung erwidern. In einer freundlichen Weise. Ja, ich weiß, wie es funktioniert, natürlich. Bin ich doch »integriert« in diesem Lande. In diesem Einwanderungsland.

Ich bin ehrlich: Ich bin nicht integriert. Ich wüsste, um ehrlich zu sein, nicht einmal, wie das funktioniert. Ich bin einfach da und tue, was ich tue. In dem Land, in das ich hineingeboren wurde. Ich kann irgendwie nichts anderes, als das zu tun, was ich tue. Wo ich es gelernt habe? Hier in Deutschland. In dem Land, in dem ich geboren wurde. Ich funktioniere in dieser Gesellschaft, wie auch andere Deutsche es tun würden, und funktioniere auch mal nicht, wie es andere Deutsche tun. Was ist eigentlich die Bezeichnung für Deutsche, die nicht funktionieren?

Ich weiß es nicht. Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht.

Wieso um Himmels willen sollte es dafür eine andere Bezeichnung geben, dachte ich mir bisher. Menschen funktionieren oder Menschen funktionieren nicht.

In beiden Fällen gibt es menschliche Gründe dafür. Individuelle Gründe, denn wir alle sind Individuen.

Es ist Zeit, mir mehr Gedanken darüber zu machen: Silvester 2022/2023 in Berlin!

Mein Vorname beschäftigt mich mal wieder, und all die positiven Merkmale, die ich ihm zuschreibe, verlieren ihre Bedeutung. Er fühlt sich fremd an. Er ist anders. Er ist nicht ich.

All das, was ihm heute zugeschrieben wird, bin nicht ich. Als eine Einladung zu einer freundlichen Begrüßung wird er schon gar nicht wahrgenommen. Eine Begrüßung ist nicht mehr erforderlich: Man weiß, was kommt. Man kennt mich schon, ohne mich zu kennen.

Er steht im Zusammenhang mit der fremden arabischen Kultur, meiner »echten Heimat«. Mit Jugendlichen, die aus der Reihe tanzen. Mit Kriminalität. Mit gescheiterter Integration. Aber was ist denn mit meinem deutschen Pass und damit, dass ich hier geboren worden bin? Nichts. Tatsächlich nichts. Es ist ausgesprochen. Kein Mythos mehr. Deutsch auf dem Papier ist nur deutsch auf dem Papier.

Papier muss doch zählen in einem Land der Papiere…

Ich möchte das so nicht annehmen. Ich kämpfe mit mir. Nein, so bin ich nicht! Ich ärgere mich über die Pauschalisierungen. Ich fühle mich meiner Identität beraubt. Es schmerzt, dass andere meinen zu wissen, wer und was ich bin. Habe ich doch selbst so viele Jahre mit mir gekämpft und mit der Frage nach der Herkunft. Ich dachte, ich hätte die Antwort und endlich Frieden.

Ich werde es beweisen! Ich werde beweisen, dass ich anders bin. Also anders als die anderen anderen? Nein, ich werde beweisen, dass ich wirklich deutsch bin und mein Name nur ein Name ist. Ich bin bereit, auf die wichtige Bedeutung, die er für mich hat zu verzichten. Es ist ein arabischer Name, ja, aber ich bin deutsch. Es klingt komisch und es fühlt sich komisch an. Will ich denn die Herkunft meiner Eltern leugnen? Wegen der negativen Eigenschaften, die Menschen ihr zuschreiben. Menschen, die darüber wachen, wer deutsch ist und wer nicht. Menschen, die nicht verstehen, wie Gesellschaft funktioniert und wie Identität entsteht. Menschen, die auf jegliche Interaktion verzichten und dennoch über Menschen urteilen. Über was wachen sie eigentlich so krampfhaft? Wer sagt, dass Deutschsein besser ist? Wer sagt, dass die Abwertung anderer Nationalitäten und die Aufwertung der Deutschen real ist?

Der Gedanke gefällt mir und tatsächlich habe ich nie infrage gestellt, ob es mich wirklich aufwertet, »deutsch« zu sein. Ich kenne niemanden, der das tut. Wollen die meisten doch um jeden Preis dazugehören. Vielleicht funktioniert das Integrationsspiel deshalb so gut.

Die einen sagen, man soll sich integrieren in eine Gesellschaft, die gut ist, und die anderen glauben tatsächlich, dass