Die denkenden Wälder - Alan Dean Foster - E-Book

Die denkenden Wälder E-Book

Alan Dean Foster

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Beschreibung

Wenn die Natur zurückschlägt ...

Midworld ist eine Dschungelwelt, komplett bedeckt von endlosen Wäldern, deren Baumwipfel bis zu 700 Meter hoch aufragen. Als ein interstellarer Konzern das große Geld wittert und mit dem rücksichtslosen Abholzen beginnt, erwacht Midworld - und lehrt seinen Feinen das Fürchten ...

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ALAN DEAN FOSTER

DIE DENKENDEN WÄLDER

Roman

Dieses Buch ist gewidmet:

Saturn

Mittens

Calathea insignis

JoAnn

und all den anderen, die mir Inspiration waren …

»… wo höchste Wälder undurchdringbar für das Licht der Sterne ihren Schatten breiten.«

– Milton, Das verlorene Paradies

»Wer hört die Fische, wenn sie schreien?«

– Thoreau

». . . . . !!! . . ?? . . . O!!«

– Calathea insignis

Kapitel 1

Welt ohne Namen.

Grün war sie.

Grün und schwanger.

Hingestreckt und träge lag sie in einer See aus zischender Jade, ein schwärender Smaragd im Universum-Ozean. Sie trug kein Leben, nein, auf dieser Welt explodierte das Leben, brach hervor, vermehrte sich und wucherte in einem Maße, die jede Fantasie überstieg. Auf einem Boden, so fett, so nahrhaft, dass er beinahe selbst lebte, ergoss sich grünes Magma und überflutete das Land.

Und sie war grün. Ein so helles Grün, dass dieses Grün im Spektrum des Unmöglichen seinen eigenen Platz hatte, ein alldurchdringendes Grün, ein überall gleichzeitiges, allmächtiges Grün.

Welt eines chlorophyllischen Gottes.

Abgesehen von ein paar Flecken aus ranzigem Blau, waren auch die Ozeane selbst grün, übersättigt vom dahintreibenden Pflanzenleben, das die Wasser schier erwürgte. Die Berge waren grün, bis sie in grünen Schaum übergingen; nur in den obersten Regionen kämpften Moose und Flechten mit dem kriechenden Eis, so wie auf den meisten Welten die Wellen gegen das Land ankämpften. Selbst die Luft hatte einen schwachen grünen Schimmer an sich, so dass man glaubte, durch Linsen aus Smaragd zu blicken.

Es gab keine Frage, ob der Planet Leben tragen konnte. Die Frage war eher, ob er zuviel Leben trug, es zu gut trug.

Und trotzdem gab es in all dem Leben, das da auf dem fruchtbarsten Globus im ganzen Universum wuchs und flog und kämpfte und starb, kein einziges Geschöpf, das dachte – nicht in der Art dachte, in der man gewöhnlich das Denken definiert.

Man muss dabei bedenken, dass das, was die Welt ohne Namen bewohnte, das Universum auch anders sah, als es üblich ist … wenn es überhaupt so etwas gab. Oh, es gab natürlich die Pelziger, aber die hatten nicht einmal einen Namen, den man als Namen bezeichnen konnte, bis die Leute kamen.

Diese Leute kamen auf dem Weg zu einem anderen Ort. Für den Kommandanten und die Offiziere des Auswandererschiffes, die auf der Steuerbrücke standen und fluchten und über ihre Koordinaten schimpften und sie immer wieder studierten, war es ganz eindeutig: ein Unfall. Das war nicht der Planet, zu dem ihr automatischer Pilot sie hätte bringen sollen, und jetzt waren sie im Orbit, hatten keinen Treibstoff, um irgendwo anders hinzufliegen, hatten nicht die richtige Ausrüstung, um diese Welt zu besiedeln, hatten keine Zeit und keine Mittel, um Hilfe herbeizurufen. Irgendwie würden sie sich abfinden müssen, das Beste aus der Lage machen.

Die Kolonisten stimmten ab und machten sich dann ans Werk, die Segnungen der Zivilisation auf diese Welt zu bringen. Sie waren müde und verzweifelt und voll Zuversicht, aber nicht vorbereitet.

Sie landeten in jener grünen Hölle. Sie filterte ganz schnell das Übermaß menschlicher Spreu aus dem Weizen. Ganz schnell und sauber tat sie das und fraß sie auf. Und jene, die sie nicht fraß, veränderte sie.

In jenen frühen Tagen war die Menschheit gewöhnt, das Universum zu lenken, wenn nötig mit Gewalt. Jene, die von dieser Maxime überzeugt waren, brachten auf der Welt ohne Namen keine zweite Generation hervor. Einige wenige, die flexibler waren, weniger vom Stolz gelenkt, überlebten und bekamen Kinder. Und ihre Nachkommen wuchsen ohne Illusionen hinsichtlich der Überlegenheit der Menschheit oder anderer -heiten auf. Sie reiften heran und sahen die Welt um sie durch andere Augen.

Rollt das Holz.

Gebt und nehmt.

Beugt euch im Winde.

Passt euch an, passt euch an, passt euch an …!

Kapitel 2

Born sah zu, wie die Morgennebel sich hoben, und träumte von der Sonne. Er kuschelte sich tiefer in die Astbeuge des Thomabarbaumes und hüllte sich enger in seinen Umhang aus grünem Pelz. Die Gedanken an die Sonne heiterten ihn ein wenig auf. Harte Arbeit, viel Klettern und Mut hatten ihm im Laufe seines bescheidenen Lebens dreimal jenen Anblick geschenkt. Es gab nicht viele Männer, die sich dessen rühmen konnten, dachte er stolz.

Um die Sonne zu sehen, musste man auf den Gipfel der Welt klettern. Und dann bis zur Krone einer der Säulen kriechen, die immer noch die Stützen der Welt waren. Zu solchen Orten aufzusteigen, hieß, den Tod herausfordern, wie ihn all die gierigen Geschöpfe brachten, die in der Oberen Hölle flogen oder schwebten.

Dreimal hatte er es getan. Er gehörte zu den tapfersten der Tapferen – oder wie manche im Dorf behaupteten, zu den verrücktesten der Verrückten.

Der feuchte Nebel wurde noch dünner, als die aufgehende Sonne die Feuchtigkeit aus der Dritten Etage sog. Er schauderte. Es war nicht nur unbequem, sondern auch gefährlich, so früh am Tage so ungeschützt zu liegen, wenn alle möglichen unangenehmen Geschöpfe unterwegs waren. Aber die Dämmerung des Morgens und die des Abends waren die beste Zeit zum Jagen, und Born fühlte sich ihnen ebenbürtig. Ein guter Jäger hielt sich nicht verborgen, während andere die beste Beute machten.

Er überlegte, ob er Ruumahum rufen sollte, aber der große Pelziger war nicht nahe, und wenn er jetzt laut rief, verscheuchte er damit mögliche Beute. Er würde eine Weile ohne seinen Begleiter und die von ihm ausstrahlende Wärme zu Rande kommen müssen.

Born hatte keine Zweifel, dass Ruumahum in Rufweite war. Wenn ein Pelziger sich einmal einem Menschen angeschlossen hatte, verließ er ihn nie wieder, bis dieser Mensch starb. Wenn er starb … Born tat den Gedanken ärgerlich mit einem Achselzucken ab. Für einen Mann auf der Jagd waren dies sinnlose Gedanken.

Drei Tage lag es jetzt zurück, dass er das Dorf verlassen hatte, und bis jetzt war ihm nichts begegnet, das zu erbeuten sich gelohnt hätte. Eine ganze Menge Buschäcker, aber ehe er mit nur einem Buschacker oder zwei ins Dorf zurückkehrte, konnte er ebenso gut gleich nach unten gehen. Die Erinnerung an Lostings Rückkehr mit dem Kadaver des Brüters trieb ihm noch immer das Blut ins Gesicht, die Erinnerung an die Bewunderung, die dem großen Mann entgegengeschlagen war. Das waren Kleinigkeiten, frivole Kleinigkeiten, trotzdem machten sie ihn heiß.

Der Brüter war ebenso groß wie Losting gewesen, nichts als Klauen und Scheren, aber diese drohenden Klauen und Scheren waren voll des besten weißen Fleisches, und Losting hatte sie Geh Hell zu Füßen gelegt, und sie hatte sie nicht abgelehnt. Das war der Anlass gewesen, weswegen Born aus dem Dorf gestürmt war und seine augenblickliche, bislang noch erfolglose Jagd angetreten hatte.

Er hatte sich nie in Größe oder Kraft mit Losting messen können, aber er war geschickt. Selbst als Kind schon war er geschickt gewesen, schneller als seine Freunde, und er hatte jede Gelegenheit wahrgenommen, um das zu beweisen. Wenn auch heute niemand seine Fähigkeiten in Zweifel zog, hätte ihn doch die Vorstellung erschreckt, dass alle ihn für etwas unvorsichtig, eine Spur verrückt hielten. Sie hätten nie Borns beständiges Bedürfnis verstanden, sich vor anderen zu beweisen. In der Beziehung war er ein Atavismus.

Jetzt war er wieder alleine unterwegs, eine stets gefährliche Situation. Er konzentrierte sich darauf, sich von der Welt abzuschließen, wurde eins mit dem Blattwerk, wurde ein Teil des Grüns, praktisch unsichtbar.

Der Nebel war aufgestiegen, hatte sich in die Zweite Etage erhoben. Die Luft war fast klar, wenn auch noch feucht. Born konnte ungehindert auf die große epiphytische Bromeliade sehen, die einige Meter weiter unten an der Liane wucherte. Die riesige Parasitenblüte wuchs mitten aus der Liane heraus, ein Parasit, der am Parasiten wucherte. Breite Blätter in Oliv und Schwarz umgaben die grüne Blüte. Die dicken Blütenblätter wuchsen dicht aneinander, wölbten sich, bildeten ein wasserdichtes Becken. Wie nach dem abendlichen Regen üblich, war dieses Becken nun gut einen Meter tief mit frischem Wasser gefüllt. Irgendwann würde etwas kommen, das zu töten sich lohnte, um davon zu trinken.

Um ihn herum erwachte nun der Wald, ein Chor von Geräuschen, von Bellen, Quietschen, Zirpen, Heulen und Kreischen verdrängte die Stimmen der weniger gesprächigen nächtlichen Vettern.

Schon begann ihn der Mut zu verlassen, und er schickte sich an, einen anderen Ort zu suchen, als er in den Zweigen und Lianen über der natürlichen Zisterne eine Bewegung entdeckte. Er riskierte es, sich nach vorne zu schieben, verließ einen Augenblick lang die Tarnung seines grünen Umhangs. Ja, da war ein Rascheln zu hören, immer noch ein gutes Stück über seinem gegenwärtigen Standort, aber nach unten kommend.

Mit ein paar sparsamen Bewegungen zog er den Bläser nach vorne. Das eineinhalb Meter lange Rohr aus grünem Holz hatte hinten einen Umfang von sechs Zentimetern und verjüngte sich an der Spitze. Ganz vorsichtig schob er es auf die Astgabel vor sich. Dort ruhte es reglos, wie ein Ast ohne Blätter. Er richtete es auf die Zisterne. Dann griff er in den Köcher, den er unter dem Cape auf dem Rücken trug, und zog einen der zehn Zentimeter langen Dorne heraus. Indem er ihn vorsichtig an dem fächerförmigen Schwanz hielt, wo man ihn von der Mutterpflanze abgebrochen hatte, schob er ihn hinten in die Waffe. Dem Sack, der neben dem Köcher hing, entnahm er ein Tankkorn. Es war hellgelb, mit schwarzen Adern, und etwas größer als eine Männerfaust. Seine lederne Haut war zäh wie eine Trommel. Born schob das Korn hinten in den Bläser und klappte den Block hoch. Über ihm war aus dem Rascheln jetzt ein Krachen und Knacken von dicken Zweigen geworden.

Er umfasste mit der rechten Hand den pistolenähnlichen Abzug und benutzte die andere Hand, das Rohr zu halten. Still wie eine Statue stand er jetzt. Indem er sich ganz auf die Bromeliade konzentrierte, war er bemüht, mit der Pflanze eins zu werden.

Sieh doch, was für einen bequemen Ruheort ich biete, dachte er angespannt. Wie geräumig doch dieser Kabblast ist, wie breit und wohlschmeckend seine Gefährten, wie klar und frisch und kühl das Wasser, das ich so geduldig gerade für dich gesammelt habe. Komm doch zu mir herunter und trinke aus mir!

Eine verirrte Brise bewegte die Blattspitzen der Bromeliade. Born hielt den Atem an und hoffte, dass die Brise nicht seine Witterung nach oben trug, zu dem Geschöpf, was immer es sein mochte, das sich schwerfällig den Weg nach unten bahnte.

Ein letztes lautes hacken abbrechender Blattstiele, und das Geschöpf zeigte sich – eine dunkelbraune Kegelgestalt mit kurzem braunen Fell bedeckt. Am flachen Ende des Kegels waren jetzt zwei lange Tentakel zu sehen. Augen mit roter Iris standen darüber. Und um den kegelförmigen Körper des Grasers, in gleichmäßigen Abständen verteilt, waren vier muskulöse Arme, die ihn zwischen den oberen und unteren Ästen festhielten. An einem kräftigen Schwanz, der von der Spitze des Kegels ausging, ließ er sich vorsichtig herab.

Der Graser war beinahe zwei Meter lang und fünfmal so schwer wie Born. Es würde nicht leicht sein, ihn zu töten. Der dicke Pelz war schwer zu durchdringen, aber der flache Unterteil des Kegels war nur mit dünnen Borsten bedeckt. Um es aber dort zu treffen würde Born warten müssen, bis das Geschöpf sich ihm zuwandte. Der winzige runde Mund an der Kegelbasis war harmlos, enthielt vier einander gegenübergestellte Gruppen flacher Mahlzähne. Aber diese Arme konnten einen Kabbl in Fetzen reißen. Und ein Mensch würde noch viel leichter in Stücke gehen.

Ein Arm löste seinen Griff, packte einen niedrigeren Ast. Der Schwanz bog sich herunter, um sich an demselben Ast festzuklammern. Dann ließen der obere und der linke Arm los, und der Graser schwang sich tiefer. Born wünschte, er hätte sich ein wenig besser vorbereitet und einen zweiten Tankkorn und einen Jacaridorn vorbereitet. Aber jetzt war es zu spät. Die leiseste Bewegung, und der Graser würde blitzschnell verschwinden. Er konnte sich mit unvorstellbarer Geschwindigkeit durch den Dschungel bewegen – nach oben oder unten ebenso wie zur Seite. Und er konnte einen Menschen auch von hinten anfallen, ehe der auch nur Zeit zum Umdrehen hatte.

Jetzt wartete er auf der Liane unmittelbar über der Zisterne. Mit Hilfe seines Schwanzes und seiner vier Hände drehte er sich langsam nach allen Seiten. Einmal schien es Born, als starrten die suchenden Augen direkt in sein Versteck, aber sie hielten nicht inne, sondern kreisten weiter. Offenbar mit dem Zustand seiner Umgebung zufrieden, ließ der Graser sich auf den Kabbl herunterfallen. Drei Arme stützten ihn am äußersten Rand der Bromeliade. Er beugte sich vor, und sein breites flaches Gesicht senkte sich aufs Wasser. Born konnte schlürfende Geräusche hören.

Das Problem war jetzt dieses: Wenn er jetzt pfiff, würde jener massive Kopf sich dann nach links oder rechts drehen? Wenn er sich falsch entschied, würde er wertvolle, vielleicht entscheidende Sekunden verlieren. Born traf seine Wahl und schob die Mündung des Bläsers vorsichtig in die Richtung des Grasers. Er schürzte die Lippen und stieß einen leisen stotternden Pfiff aus. Fleisch rührte der Graser nicht an, aber Blumenkiteier waren eine Delikatesse für ihn.

Auf den Klang von Borns Imitation des Gefahrenrufs eines Blumenkitweibchens hob sich der große Kopf, drehte sich um und starrte ihn direkt an. Der Jäger atmete kurz durch und drückte ab. Im Inneren des Laufes schoss ein langer zugespitzter Splitter von Eisenholz nach hinten und durchbohrte die straff gespannte Haut des Tankkorns. Ein weicher Knall war zu hören, als der gasgefüllte Samen explodierte. Das komprimierte Gas strömte explosionsartig aus und trieb den Jacaridorn aus dem Lauf. Er traf das stoppelige flache Gesicht des Grasers über dem Mund und unter den beiden Augenstielen.

Alle vier Kiefer wurden schlaff. Ein kreischender Schrei ertönte. Als wäre er ein Auslöser gewesen, brüllte der Dschungel in der Umgebung auf, und das erschreckte Heulen und Schreien hielt einige lange Augenblicke an.

Der Graser machte einen Satz auf Born zu, erzitterte kurz, als er knapp zwei Meter von ihm entfernt landete, brach zusammen und stürzte vom Kabbl. Aber die paralysierten Hände und der Schwanz hielten die große Liane fest. Man würde diese kräftigen vielgliedrigen Finger abschneiden müssen.

Er beobachtete das Geschöpf scharf. Graser spielten gerne tot bis man ihnen nahe kam, dann packten sie plötzlich den unvorsichtigen Jäger und rissen ihn mit einem Ruck in Stücke. Aber der hier zitterte nicht einmal. Der Dorn hatte sein Gehirn durchdrungen und ihn auf der Stelle getötet.

Born seufzte, legte den Bläser weg und richtete sich auf, streckte die verkrampften Muskeln. Der grüne Pelzumhang fiel ihm herunter. Jetzt zog er das Knochenmesser aus dem Gürtel, trat aus dem Schutz des Blattwerks hervor und ging die breite Liane hinunter, auf die reglose Gestalt seines Opfers zu.

Leicht fünfmal so schwer wie er, sagte sich Born, und fast zur Gänze essbar. Aber sich in Gedanken bereits an ihm zu ergötzen war eine Sache, ihn über einem Feuer zu braten, eine ganz andere. Jetzt ging es nur noch um die Kleinigkeit, den Kadaver ins Dorf zurückzuschaffen und unterwegs hungrige Aasfresser abzuwehren. Je schneller er hier verschwand, um so besser.

Er beugte sich über den Rand des Kabbl und machte sich mit dem Messer zu schaffen. Muskel und Sehnen lösten sich, als er die Hände und den Schwanz bearbeitete, die den Kadaver festhielten. Der Graser fiel in das Blattwerk darunter.

Eine Stimme, die an das Geräusch einer Dampflokomotive im Leerlauf erinnerte, erklang plötzlich hinter ihm. Born machte instinktiv einen Satz und segelte in die Tiefe, ehe er sich an einem Zweig des Kabbl festhielt und mit einem seine Muskeln durchlaufenden Ruck zum Stillstand kam. Keuchend wandte er sich um und blickte nach oben. Noch während er absprang, hatte er das Poltern erkannt, aber schon zu spät, um die Reflexbewegung noch aufhalten zu können.

Ruumahum stand da und blickte vom Hauptstamm des Kabbl auf ihn herunter. Der Pelziger schob sich näher, alle sechs seiner dicken Beine ins Holz gekrallt. Das bärenähnliche Gesicht starrte ihn an, die drei dunklen Augen, die in einem Bogen über der Schnauze standen, musterten ihn traurig. Große Klauen scharrten an dem Ast.

Born schüttelte den Kopf und schwang sich auf die Liane.

»Ich hab' dir schon so oft gesagt, Ruumahum, dass du dich nicht so an mich heranschleichen sollst.«

»Spaß«, protestierte Ruumahum, schnaufend.

»Kein Spaß«, widersprach Born und zog sich an einem Stiel nach oben. Ein kurzer Sprung, und er stand wieder auf dem Kabblweg. Dann packte er Ruumahum an einem seiner langen Schlappohren und zog daran, um seine Aussage zu unterstreichen.

Der Pelziger war so lang wie der Graser, wenn auch nicht ganz so massig. Außerdem war er unglaublich stark, schnell und intelligent. Ein Rudel Pelziger könnte die Geißel der Waldwelt sein, wären sie nicht so unvorstellbar träge und verbrächten sie nicht den größten Teil ihres Lebens mit der einzigen Leidenschaft, der sie ausgiebigst frönten – dem Schlaf.

»Nicht Spaß«, schloss Born und riss ein letztes Mal an dem Ohr. Ruumahum nickte, ging um den Jäger herum und beschnüffelte den Graser.

»Zu alt nicht«, polterte er. »Gut essen … viel gut essen.«

»Wenn wir ihn nach Hause schaffen können«, pflichtete Born ihm bei. »Schaffst du das?«

»Kann schaffen«, brummte der Pelziger, ohne einen Augenblick zu zögern.

Born beugte sich über den Rand und studierte den Kadaver.

»Er ist auf einen ziemlich kräftigen Ast gefallen, aber er könnte leicht abrutschen. Willst du ihn aufheben oder dich unter ihn stellen und ihn auffangen, wenn ich ihn wegstoße?«

»Gehen fangen.«

Born nickte. Ruumahum machte sich auf den Weg nach unten, beschrieb einen weiten Bogen, der ihn unter den Graser führen würde. Sobald der Pelziger seinen Posten bezogen hatte, würde Born senkrecht nach unten steigen, bis er den Kadaver vom Ast stoßen konnte. Keiner von beiden verspürte Lust, hinter einem stürzenden Kadaver in die unbeschreiblichen Tiefen unbekannter Etagen vorzustoßen.

Die Dschungelwelt hatte sieben Etagen. Die Menschheit, die Menschenabkömmlinge, zogen diese Etage, die Dritte, vor. Ebenso die Pelziger. Darüber gab es noch zwei, dann kam ein von der Sonne ausgebleichtes grünes Dach und darüber die Obere Hölle. Unter ihnen lagen vier Etagen, wobei die Siebte Etage, die tiefste, die Untere und Wahre Hölle war, mehr als vierhundertfünfzig Meter unter dem Heim.

Die Obere Hölle hatten viele Menschen gesehen. Born hatte sie dreimal gesehen und lebte noch. Aber nur zwei legendäre Gestalten waren je bis in die Untere Hölle vorgedrungen. An die Oberfläche. Waren bis zu dem ewig dunklen Sumpf vorgedrungen, einem feuchten Land aus riesigen offenen Gruben und gehirnlosen Scheußlichkeiten, die dort krochen, quollen, schwammen und fraßen.

Wenigstens hatten sie das behauptet. Der erste hatte bei seiner Rückkehr den Verstand verloren und war kurz darauf gestorben. Als der zweite zurückkehrte, fehlten ihm einige wichtige Körperteile, aber er hatte immerhin den Bericht seines Begleiters bestätigt, wenn auch er fast jede Nacht im Schlaf schrie.

Nicht einmal die Pelziger konnten in den Erinnerungen ihrer Ahnen einen Artgenossen finden, der je über die Sechste Etage hinaus nach unten vorgedrungen wäre. Es war ein Ort, den man mied. So war es begreiflich, dass weder Mensch noch Begleiter Lust verspürten, dorthin zu gehen, um abgestürzte Beute zu suchen.

Ruumahum erschien unter dem Graser und knurrte. Born rief ihm eine Antwort zu und machte sich seinerseits auf den Weg. Der Graser hing immer noch an dem Ast, als er ihn endlich erreichte aber ein einziger Stoß reichte aus, um ihn davon zu lösen. Ruumahum klammerte sich mit den mittleren und hinteren Beinen am harten Holz des Kabbl fest. Dann beugte er sich etwas vor und schlug die beiden Vordertatzen, von denen jede ausreichte, einem Menschen den Schädel zu Brei zu zermalmen, unmittelbar unter dem Schwanz in den Körper des Grasers.

Dann wurde der Kadaver mit Borns Hilfe gleichmäßig auf Ruumahums Rücken verteilt. Die Vorderpfoten stützten das Gewicht, während Born es mit unzerreißbarem Fom festband, das er an der Hüfte trug. Er führte die Leine einige Male um den Kadaver und den zwei Bäuchen des Pelzigers durch, verknotete sie dann und trat zurück.

»Probier's mal, Ruumahum. Sitzt es gut?«

Der Pelziger krallte alle sechs klauenbewehrte Tatzen ins Holz und lehnte sich prüfend nach links und dann nach rechts. Dann schüttelte er sich absichtlich, hob den Kopf und senkte die Hüften. »Rutscht nicht, Born. Sitzt gut.«

Born musterte das riesige Geschöpf besorgt. »Bist du auch sicher, dass du es schaffst? Der Weg nach Hause ist lang, und wir müssen vielleicht kämpfen.« Die Last war selbst für einen ausgewachsenen Pelziger von Ruumahums Größe beträchtlich.

Der knurrte nur: »Schaff's schon … kämpfen nicht sicher.«

»Schon gut, mach dir keine Sorgen. Beute oder nicht, wenn es wirklich Ärger gibt, dann schneide ich dich frei.« Er grinste. »Dass du mir bloß nicht auf halbem Weg zwischen hier und zu Hause einschläfst.«

»Schläft? Was ist Schlaf?«, schnaubte Ruumahum. Die Pelziger hatten ihren eigenen Humor, der für Menschen nur gelegentlich verständlich war. Da Born selbst auch von der Norm abwich, verstand er ihre Witze besser als die meisten anderen Menschen.

»Dann wollen wir gehen.«

Aber zuerst ging es zurück zum Versteck, um den Bläser zu holen und ihn sich umzuhängen. Dann gab es nur noch eines zu tun. Born ging zu dem schwer beladenen Ruumahum zurück und blieb am Rande der Bromeliade stehen, die solch ausgezeichnete Beute angelockt hatte. Er strich mit den Händen liebkosend über die breiten Blätter. Dann beugte er sich vor, um einen langen Zug aus dem klaren Wasser zu tun, das der unglückliche Graser gesucht hatte. Als er getrunken hatte, schüttelte er sich die Tropfen ab und wischte sich die nassen Hände an seinem Umhang ab. Dann strich er noch einmal in stummem Tribut für die Pflanze über das nächste Blatt, bevor er und Ruumahum die lange Reise heimwärts antraten.

Es war ein grünes Universum, grün durch und durch; aber seine Sterne und Nebel waren strahlend bunt. An Blumenkohl erinnernde Luftbäume, die auf den breiten Ästen der Säulen wuchsen, waren mit duftenden Blüten jeder vorstellbaren Form und Farbe bedeckt, von denen einige Düfte verbreiteten, die man meiden musste, um nicht für immer den Geruchssinn zu verlieren. Diesen stark duftenden Blüten gingen Born und Ruumahum sorgfältig aus dem Wege. Ihre Gerüche waren ebenso sinnlich wie tödlich. Auch Lianen und Schlingpflanzen hatten ihre eigenen Blüten, und an manchen Stellen blühten sogar Luftwurzeln. Hier herrschte eine Vielfalt der Farben, die selbst die reichsten Dschungel der Erde vergleichsweise fahl und blass erscheinen ließen.

Obwohl das Pflanzenleben die Oberhand hatte, war auch die Tierwelt vielfältig und üppig. Baumwesen aus den Gattungen der Vögel, der Säugetiere und der Reptilien glitten oder flogen durch sich windende smaragdfarbene Tunnel. Freilich befanden sie sich in der Minderzahl gegenüber den Geschöpfen, die über die Schwerkraft Lügen strafende Straßen und Pfade aus Holz krochen, sprangen und schwangen.

Der stetige Kreislauf von Leben und Tod drehte sich um Born und Ruumahum, als sie sich über ineinander verschlungene Tungtankeln, Kabbls und sich windende hölzerne Pfade zum Dorf zurückarbeiteten. Ein Schweber mit schraubenförmigen Schwingen stieß auf eine unvorsichtige sechsbeinige gefiederte Pseudoechse herunter und wurde seinerseits verschlungen, als er auf einem falschen Kabbl landete. Der falsche Kabbl glich aufs Haar dem dicken hölzernen Kriechgewächs, auf dem Born und Ruumahum sich bewegten. Wäre Born darauf getreten, hätte er zumindest einen Fuß verloren. Der falsche Kabbl war eine lange Kette ineinander verschlungener Münder, Mägen und Eingeweide. Schweber und Pseudoechse verschwanden in einem der Mäuler des mit Zähnen bewehrten Astes.

Es war beinahe Mittag. Gelegentlich drang ein Strahl des Tageslichts in die Dritte Etage, einige fielen sogar noch tiefer auf die Vierte und Fünfte. Überall glitzerten Spiegellianen, und in ihren diamanthellen durchsichtigen Blättern brach sich das lebenspendende Sonnenlicht und wurde Hunderte von Metern durch grüne Schluchten an Orte hinunter geleitet, die es sonst nie erreichte. Die Mittagszeit war das Crescendo dieser Sinfonie aus Licht und Tönen. Kammlianen und Echoblätter bildeten den grünen Hintergrund für die Sänger des Tierreichs. Sie hätten einen wissbegierigen Botaniker ebenso überrascht wie die Spiegellianen.

Born war kein Botaniker. Er hätte den Begriff nicht einmal definieren können. Sein Ururururgroßvater wäre dazu noch imstande gewesen. Doch auch dieses Wissen hatte ihn nicht davor bewahrt, jung zu sterben.

Schließlich hüllte sie der feuchte Abendnebel katzenhaft verstohlen ein. Die munteren Schreie der Geschöpfe des Lichts wichen den Geräuschen erwachender Nachtschwärmer, deren Grunzen finsterer und tiefer klang, deren Schreie der Hysterie näher lagen. Und so war das dröhnende Heulen der nächtlichen Fleischfresser eine Spur drohender. Es war Zeit, Unterschlupf zu finden.

Born hatte den größten Teil der letzten Stunde damit verbracht, einen wilden Heimbaum zu suchen. Solche Bäume waren rar, er hatte den ganzen Nachmittag über keinen gesehen. Sie würden also mit einem weniger bequemen Nachtquartier vorliebnehmen müssen. Zehn Meter über ihnen lag beispielsweise eines, und man konnte es leicht durch die ineinander verschlungenen Äste und Lianen des Waldbaldachins erreichen.

Weder Born noch Ruumahum konnten ahnen, welche Krankheit oder welcher Parasit die großen verholzten Gallblasen am Zweig des Säulenbaumes hervorgerufen hatte, aber jedenfalls waren sie für ihr Vorhandensein dankbar. Sie würden die Nacht lindern. Sechs oder sieben der kugelförmigen Ausbuchtungen drängten sich um den Ast. Die kleinste war etwa halb so groß wie Born, die größte groß genug, um Mensch und Pelziger spielend leicht aufzunehmen.

Er untersuchte die größte mit seinem Messer und stellte fest, dass sie für das geschärfte Beil viel zu zäh war – wie er das auch erhofft hatte. Wenn sein Häutemesser die verholzte Blase nicht durchdringen konnte, war auch die Gefahr gering, dass sie irgendein Räuber von hinten anfiel. Er löste den toten Graser – der bereits zu riechen begann – von Ruumahums Rücken und schob den Kadaver auf den Ast. Ruumahum reckte sich genüsslich, Wellenbewegungen gingen durch seinen Pelz, als er die Muskeln am Rücken spannte. Er gähnte, so dass man seine Reißzähne und zwei rasiermesserscharfe Hauer im Unterkiefer sehen konnte.

Dann machte sich der Pelziger nach Borns Anweisung dran, mit beiden Vorderpfoten die Blase aufzureißen. Gemeinsam zwängten sie den Kadaver in den Hohlraum. Dann knüpfte Born sorgfältig seine übriggebliebenen Jacaridorne in eine Liane, bis sie eine primitive Barrikade vor der Öffnung bildeten. Wenn jetzt ein Aasfresser versuchte, sich hineinzuschleichen, riskierte er ein paar gefährliche Wunden. Die spitzen Dornen bildeten ein Kreuz über der Öffnung. Ein intelligenter Räuber konnte sich dennoch leicht Zutritt verschaffen, aber dazu gehörte menschliche Intelligenz.

Jetzt, da ihre Beute für die Nacht sicher verwahrt war, machte Ruumahum sich an der nächsten Blase zu schaffen und schnitt eine kleinere Öffnung hinein, die ihnen Zutritt verschaffte. Born kniete nieder und spähte hinein. Sie war schon lange abgestorben – trocken und schwarz. Er holte ein Päckchen mit rotem Staub aus dem Gürtel; Ruumahum schabte bereits an den Innenwänden der Blase und schob das, was sich dort löste, in der Nähe der Öffnung zusammen. Born schüttete etwas von dem roten Pulver auf einen Holzspan und drückte den Daumen darauf. Ein paar Sekunden des Kontaktes mit seiner Körperwärme reichten aus, um den Staub in genau dem Augenblick aufflammen zu lassen, als der Jäger den Daumen zurückzog. Bestimmten parasitischen Knollen dienten diese brennbaren Pollen als besonders wirksame Verteidigung. Borns Leute hatten viel Lehrgeld bezahlt, als sie ihn kennenlernten.

Er wartete, bis sich aus dem kleinen Flämmchen ein bescheidenes Feuer entwickelt hatte, dessen Knistern und Tanzen in der Schwärze der Nacht für sie beruhigend war. Jetzt war nur noch eines zu tun. Er musste Ruumahum heftig schütteln, um ihn lange genug wach zu halten, bis er an der anderen Seite der Blase ein winziges Loch in die Wand gebohrt hatte. Jetzt, da Entlüftung und damit ein Rauchabzug gesichert war, holte Born ein Stück dunkles Dörrfleisch aus einer Tasche am Gürtel und kaute auf dem würzigen steinharten Fleisch herum.

Der abendliche Regen begann. Es würde die ganze Nacht hindurch regnen – nicht ein gelegentlicher Wolkenbruch, sondern ein beständiger, gleichmäßiger Regen, der zwei Stunden vor der Morgendämmerung aufhören würde. Mit wenigen Ausnahmen hatte es jede Nacht geregnet, an die Born sich erinnern konnte. Der Regen kam des Nachts ebenso sicher, wie am Morgen die Sonne aufging. Wasser trommelte gleichmäßig auf das Dach der Blase und floss an ihren gebogenen Flanken entlang, um in endlose Tiefen zu tropfen. Ruumahum schlief tief.

Born musterte das Feuer einige Minuten lang. Dann legte er das restliche Dörrfleisch weg, um es sich für den nächsten Abend aufzubewahren, und kuschelte sich an Ruumahums warme Flanke. Der Pelziger regte sich im Schlaf, drückte sich, den Kopf auf die Brust gelegt, gegen die Innenwand der Blase. Born seufzte und blickte auf die massive schwarze Wand jenseits des Feuers. Er war zufrieden. Sie waren an diesem ersten Tag ihrer Rückkehr keinen Aasfressern begegnet, und Ruumahum hatte die mächtige Last des großen Grasers hierher geschleppt, ohne auch nur ein einziges Mal einzuschlafen. Er strich dankbar über die mächtige Hinterkeule des Wesens und grub die Finger in das dicke Grün seines Pelzes.

Und dann hatten sie einen warmen, trockenen Unterschlupf für die Nacht gefunden. Viele Nächte, die er im Freien verbracht hatte, bis auf die Haut durchnässt, ließen ihn die Blase schätzen. Er hüllte sich in den grünen Pelzumhang und drehte sich zur Seite. Sein Messer lag neben seiner rechten Hand, der Bläser zu seinen Füßen. Relativ zufrieden und mehr oder weniger überzeugt, nicht im Bauch irgendeines nächtlichen Räubers zu erwachen, fiel er in tiefen, traumlosen Schlaf.

Es war ein ziemlich kräftiger Regen gewesen, stellte Born fest, als er durch das Loch in der Blase hinausblickte. Hinter ihm schlief Ruumahum tief. Der Pelziger würde schlafen, bis Born ihn weckte. Wenn man ihn nicht daran hinderte, würde ein Pelziger fast immer schlafen, bis auf wenige Stunden am Tag.

Vom grünen Himmel fielen immer noch Tropfen, wenn es auch schon lange aufgehört hatte zu regnen. Ein paar trafen Born ins Gesicht. Er schüttelte die schale Feuchtigkeit von sich ab. Eine Weile würde es noch schlüpfrig und glatt sein, aber sie würden sich trotzdem gleich auf den Weg machen. Er wollte schnell nach Hause kommen. Es drängte ihn danach, Geh Hells Gesichtsausdruck zu sehen, wenn er ihr den Graser zu Füßen legte.

Er stand auf und stieß Ruumahum ein paar Mal in die Rippen. Der Pelziger grunzte verschlafen und stöhnte. Born trat noch einmal zu. Ruumahum erhob sich langsam, jeweils zwei Füße gleichzeitig, und brummte gereizt.

»Schon Morgen …?«

»Wir haben einen langen Marsch vor uns, Ruumahum«, erklärte Born. »Letzte Nacht war langer Regen. Bis Mittag sollte es rote Beeren und Pium geben.«

Der Gedanke an Nahrung ermunterte Ruumahum. Er hätte es vorgezogen zu schlafen, aber … nun, Pium war eine feine Sache. Ein letztes Sichdehnen, die Krallen seiner Vorderpfoten gruben acht parallele Furchen in das Holz der Gallenblase, das zäh wie Metall war. Manchmal, das musste er einräumen, war es ganz angenehm, Menschen um sich zu haben. Sie hatten so eine unnachahmliche Art, gute Sachen zum Essen zu finden und das Essen vergnüglicher zu machen. Dafür war Ruumahum bereit, Borns Fehler zu übersehen. Seine drei Augen leuchteten heller. Die Menschen schmeichelten sich, dass die Zähmung der ersten Pelziger eine große Leistung gewesen sei. Die Pelziger hatten keinen Anlass, dagegen Einspruch zu erheben. Tatsächlich hatten sie sich den Menschen mehr aus Neugierde angeschlossen. Menschen waren die ersten Geschöpfe, die den Pelzigern je begegnet waren, deren Verhalten unvorhersehbar genug war, um sie wach zu halten. Man konnte wirklich nie vorhersehen, was ein Mensch als nächstes tat, selbst wenn man ihn gut kannte. Also hielten sie den Pakt, ohne wirklich zu verstehen, weshalb sie es taten. Sie wussten nur, dass an der Beziehung etwas Nützliches und Gutes war. Der Gedanke an die Piumherzen hielt Ruumahum lange genug wach, dass Born, ohne zuviel Zeit zu vergeuden, den Graserkadaver auf seinem Rücken festzurren konnte.

Entweder hatte kein Aasfresser ihr Lager gefunden, oder sie hatten es vorgezogen, den tödlichen Dornen aus dem Wege zu gehen. Born zog die Jacaris nacheinander aus dem Lianengewirr, barg sie in seinem Köcher, schlang sich die Liane um den Gürtel und machte sich wieder auf den Weg.

»Nahe Heim«, murmelte Ruumahum an jenem Abend und fuhr sich mit seiner dicken, gebogenen Zunge über die Rückseite seiner Vorderpfote.

Born hatte schon seit einer Stunde vertraute Landmarken und Baummarkierungen erkannt. Da war zum Beispiel der Sturmtreterbaum, der den alten Hanna tötete, als dieser einen Augenblick lang nicht aufgepasst hatte. Sie schlugen einen weiten Bogen um den schwarzsilbernen Stamm. Einmal mussten sie stehenbleiben, als ein Buna-Schweber mit langen Tentakeln an ihnen vorbeizog. Während sie warteten, stieß der Schweber einen langen zischenden Pfiff aus und ließ sich tiefer sinken. Vielleicht wollte er sein Glück auf der Vierten Etage versuchen, wo es mehr Buschäcker gab.

Born war hinter einem Baumstamm hervorgetreten und wollte gerade seinen Umhang ablegen, als über ihnen ein Kreischen ertönte, das laut genug war, um ein Pfeffermall zum Zerspringen zu bringen, lauter als das Heulen eines Schollakee auf der Jagd. Der Schrei kam so plötzlich und war so überwältigend, dass der normalerweise nicht aus seiner Ruhe zu bringende Ruumahum unwillkürlich Kampfstellung einnahm und sich trotz des Grasers auf seinem Rücken gegen den nächsten Stamm presste und die Vorderpfoten mit ausgestreckten Klauen hob.

Der Schrei ging in ein Stöhnen über, und dann war plötzlich ein überwältigendes, erschreckendes Krachen und Brechen zu hören. Selbst der Ast des nächsten Säulenbaumes erzitterte. Dann zitterte sogar der Ast, auf dem sie standen. Ruumahum konnte sich dank seiner überlegenen Kraft festhalten, aber Born war nicht so sicher. Er fiel ein paar Meter tief, brach durch ein paar hilflose Blattgewächse, bis er auf Widerstand traf. Fast wäre er weiter gestürzt, hätte er nicht rechtzeitig beide Arme um den steifen Fom klammern können. Das Vibrieren hörte auf, und er konnte sich auch mit den Beinen daran festhalten.

Zitternd richtete er sich auf. Er hatte sich anscheinend nichts gebrochen, alles funktionierte noch. Aber sein Bläser war verschwunden; sein Band war gerissen, und so war er in die Tiefe gestürzt. Das war ein schlimmer Verlust.

Die krachenden und brechenden Geräusche wurden leiser und hörten schließlich ganz auf. Born bildete sich ein, beim Fallen in der Ferne eine unglaublich große Masse von etwas Blauem, Glänzendem gesehen zu haben. Es war ebenso schnell wieder vorbei gewesen, und jetzt war in dem grünen Dschungel nichts mehr davon zu sehen.

Schnüffler und Orbiolen kamen aus ihren Verstecken, riefen prüfend ins Dickicht. Dann schlossen sich Buschacker und Blumenkits und ihre Verwandten an, und nach wenigen Minuten erklang um sie wieder die vertraute Sinfonie des Dschungels.

»Etwas geschehen«, meinte Ruumahum leise.

»Ich glaube, ich habe es gesehen.« Born strengte seine Augen noch mehr an, sah aber nur Vertrautes. »Du auch? Etwas Großes, Blaues, Glänzendes.«

Ruumahum sah ihn an. »Nichts gesehen. Mich in Hölle fallen sehen. Mich konzentriert, hier bleiben, Graser mich hinunterziehen. Keine Zeit für Neugier.«

»Du hast dich besser gehalten als ich, Alter«, räumte Born ein, während er wieder zu dem Pelziger hinaufkletterte. Er zog prüfend an einer Liane, stellte fest, dass sie sein Gewicht trug, und wollte sich in Richtung auf die mörderischen Geräusche entfernen. »Ich glaube, wir sollten besser …«

»Nein.« Als er sich umblickte, sah er, wie der Pelziger seinen großen Kopf gesenkt hatte und ihn langsam in Nachahmung der menschlichen Verneinungsgeste von einer Seite zur anderen bewegte. Drei Augen blickten zu dem Weg, den sie gekommen waren.

»Bis jetzt wir glücklich, Born Mensch. Bald andere Graser riechen. Wir kämpfen müssen jeden Schritt. Zuerst Heimgehen. Dieses andere …« – sein Kopf deutete in Richtung auf das Brechen und Krachen – »ich zuerst mit Brüdern sprechen, die solche Dinge wissen.«

Born stand auf der hölzernen Brücke und dachte nach. Seine große Neugierde – seine Verrücktheit, wenn man seinen Stammesgenossen glaubte – zog ihn zum Ursprung der Geräusche, so drohend sie auch geklungen hatten. Aber dann behielt die Vernunft die Oberhand. Ruumahum und er hatten vieles auf sich genommen, um den Graser zu töten und bis hierher zu schleppen. Jetzt zu riskieren, dass sie ihn ohne guten Grund verloren, war unklug.

»Okay, Ruumahum.« Er sprang auf den größeren Ast und ging wieder in Richtung auf das Dorf. Ein letzter Blick, den er nach hinten warf, zeigte ihm nur Grün, keine unnatürliche Bewegung. »Aber sobald wir das Fleisch heimgebracht haben, komme ich zurück, um herauszufinden, was das war, ob du oder ein anderer nun mitkommst oder nicht.«

»Ich keine Zweifel«, erwiderte Ruumahum wissend.

Kapitel 3

Sie erreichten die Sperre vor Einbruch der Dunkelheit. Vor ihnen schien die Dschungelwelt zu einem einzigen Baum zu werden dem Heimbaum. Nur die Säulen selbst waren größer, und der Heimbaum war ein Baum von monströsen Ausmaßen. Breite verschlungene Äste und Zweige streckten sich nach allen Richtungen. In den Baum verschlungen wuchsen Luftbäume, Kabbls und Lianen. Born registrierte befriedigt, dass auf dem Heimbaum nur Pflanzen wuchsen, die entweder unschädlich oder ihm hilfreich waren.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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